ABSCHIED VON - TERNPOSITIONEN ZUR ZUKUNFT 1 - Lichter Filmfest
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VON ABSCHIED GES- 1 TERN POSITIONEN ZUR ZUKUNFT DES DEUTSCHEN FILMS
Im April 2018 kamen beim LICHTER Filmfest in Frankfurt etwa 100 Filmschaffende zusammen, RegisseurInnen, ProduzentInnen, Kino- und Fes- tivalmacherInnen, FörderInnen, Senderverant- wortliche, SchauspielerInnen und KritikerInnen. 4 THESEN Angetrieben vom Glauben an das Kino, erarbeite- ZUR ERNEUERUNG DER FILMKULTUR 04 ten sie ein Konzept, wie grundlegende Neuerun- gen in Förderung und Finanzierung, Ausbildung FRANKFURTER POSITIONEN und Filmbildung, Vertrieb und Kinokultur zu einer ZUR ZUKUNFT DES DEUTSCHEN FILMS Belebung des deutschen Films beitragen könn- ZUSAMMENFASSUNG 06 ten: die „Frankfurter Positionen zur Zukunft des deutschen Films“. GELD, CINEPHILIE UND WILDE GEDANKEN 08 DAS KINO IST TOT – ES LEBE DAS KINO 10 Dieses Filmfestivals sind ein guter Ort, um über Ziele und Strategien für diese Veränderung Projekt zu streiten. Einerseits sind sie selbst nicht oder nur indirekt Teil der bestehenden STILLE MOGELEI 12 filmpolitischen Institutionen, andererseits haben sie ein eigenes Interesse daran, wur- filmische Potenziale bestmöglich zur Entfaltung kommen zu lassen – denn sie wol- GESPRÄCHSRUNDE BEIM FILMFEST MÜNCHEN 16 len künstlerisch starke Filme zeigen. DISKUSSIONEN BEI DEN INTERNATIONALEN de von Deswegen wurde beim Filmfest München und den Hofer Filmtagen (S. 18) weiter einem HOFER FILMTAGEN 18 diskutiert. Beim DOK.fest in München (S. 10) widmete sich ein eigener Kongress mit mehreren Gesprächsrunden dem speziellen Gegenstand des Kinodokumentar- 3 großen AUFRUF ZUR CINEPHILIE! 20 films. Ideen, Projekte, Papiere sind das Ergebnis dieser Veranstaltungen. Darüber hinaus arbeiteten auch weitere Initiativen an den Ideen der „Frankfurter Positio- Enthu- WHAT WE WANT – WHAT WE NEED! 22 nen“ weiter. Die Initiative „Film macht Schule“ setzt neue Impulse zur Filmbildung (S. 26) und der Hauptverband Cinephilie (S. 22) arbeitet an einer Erneuerung der siasmus FILM MACHT SCHULE 24 Filmkultur. Diese Publikation dokumentiert viele der filmpolitischen Beiträge des vergangenen Jahres: Edgar Reitz’ Ausgangstext (S. 4) – der den Impuls für den getra- FRANKFURTER POSITIONEN Kongress in Frankfurt gab –, die Ideen, die auf den Festivals vertreten wurden, und ZUR ZUKUNFT DES DEUTSCHEN FILMS natürlich die „Frankfurter Positionen“ (S. 27) selbst. Ergänzt werden sie durch einen gen, ERGEBNISPAPIER 25 Text von Lars-Henrik Gass und Sascha Alleyne, die auch beim Frankfurter Kongress zu Gast waren, zur grundlegenden rechtlichen Problematik des bestehenden Förder- einem IMPRESSUM 33 systems in Deutschland (S. 12). Die Initiative Pro Quote Film (S. 24) ergänzt die die Forderungen der „Frankfurter Positionen“ um den wichtigen Aspekt der Diversität allsei- und Genderparität. tigen Das Gespräch ist damit keineswegs beendet: es muss weitergehen und zu konkreten Veränderungen führen. Dabei machen wir mit Wunsch unserer Veranstaltung am 13. Februar in Berlin, organisiert von Pro Quote Film und dem Bundesverband Regie, den nächsten Schritt. nach www.zukunft-deutscher-film.de Verände- rung.
4 THESEN ZUR 2. Die Rolle der finanzmächtigen Fernsehanstalten bei der Herstellung deutscher Spiel- filme ist unerträglich geworden. Oft sind sie nur noch daran interessiert, möglichst hohe Subventionen, die ursprünglich für den Kinofilm bestimmt waren, in Form von offenen oder verdeckten Fernseh-Subventionen zu kassieren. … Da man dieses un- DAS FERN- ERNEUERUNG schöne Abkassieren der Fördersysteme durch die Fernsehanstalten nicht offenlegen will, muss jedes dieser Projekte durch hochtrabende inhaltliche Relevanz und the- SEHEN MUSS matische Correctness gerechtfertigt werden. … SICH VOM Die Redaktionen sind faktisch die alleinigen Entscheider, welcher Film im Land produ- KINOFILM DER FILMKULTUR ziert wird und welcher nicht. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die selber von Gebühreneinnahmen, also von einer Spezialsteuer leben, sind die mächtigsten Produzenten des deutschen Kinos. Sie haben die gesamte Selektion in Händen ohne KOMPLETT sich dafür rechtfertigen zu müssen. … Noch in den 1990er Jahren herrschte in den Fernsehanstalten [zumindest] eine gewisse Cinéphilie, verbunden mit dem Bedürfnis, ZURÜCK- (Der vorliegende Text ist eine Kurzfassung des Impulspapiers, das Edgar Reitz beim Kongress „Zukunft Deutscher Film“ im April 2018 in Frankfurt vorstellte.) EDGAR REITZ an den innovativen und künstlerischen Potentialen der Filmemacher-Generationen teilzunehmen und so eine gemeinsame kulturelle Aufgabe an der Spitze der Kino- produktion mitzugestalten. Diese Zeiten sind vorbei. … Eine Lösung kann daher nur ZIEHEN. darin bestehen, eine strikte Trennung von Kinofilm und Fernsehen durchzusetzen. Ich möchte an dieser Stelle eine große Sorge um die Filmkultur zum Ausdruck bringen. Ich sage das, nachdem ich in diesem Produktionsbedingungen in anderen Ländern – und vor allem kenne ich den seltsamen Eindruck, den ein deutscher Film von Das Kino ist gekennzeichnet durch die physische Anwesenheit der Besucher bei der Vorführung von Filmen im öffentlichen Raum. In diesem Punkt unterscheidet sich das 3. Lande über 50 Jahre lang als Autor, Regisseur und Produ- zent Filme gemacht habe und aus nächster Nähe miterlebt heute auf die Betrachter in anderen Ländern macht. Kino von jeder bisher bekannten Form der Vermittlung und Verbreitung von Filmen und audiovisuellen Programmen. WIR BRAU- 4 habe, wie sich die Verhältnisse gebildet haben, die heute einer freien Entfaltung der Filmkultur im Wege stehen. … Ich bin Ich habe vier Thesen formuliert, von denen ich weiß, dass sie jeden Filmemacher im Lande be- … Das Kino als Ort des kollektiven Filmerlebnisses ist für eine Weiterentwicklung der CHEN DAS 5 in diesen Jahren mit meinen Filmen in der Welt weit herum- gekommen und kenne deswegen auch die oft völlig anderen treffen. Filmkunst in Zukunft unverzichtbar, denn von hier aus können sich erst Maßstäbe für die Wirkungsweise des Mediums Film entwickeln und verbreiten. KINO ALS … Das Kino muss sich neu erfinden. Es muss sich völlig vom Vorbild der Sprechtheater ORT DER 1. Der deutsche Film ist anders als die Filme der übrigen Welt. … Meine These ist: Der deutsche Film ist durch seine nur in diesem Lande übliche Herstellungsweise bestimmt und bildet sie ab. Alle für das Kino bestimmten Produktionen durchlaufen und Opernhäuser ablösen, muss sich im sozialen Leben der Städte neu verorten und lernen, sich der modernen Technologien zu bedienen. Es muss sich von den festen Anfangszeiten und Programmangeboten der Verleihfirmen loslösen und auch archi- FILMKULTUR. DER DEUT- eine Reihe von dramaturgischen Eingriffen in den Fernsehanstalten, alle werden von Förderungs-Gremien geprüft, alle müssen sich bürokratischen und/oder gut tektonisch neue Lösungen entwickeln. … SCHE gemeinten „Abnahmen“ und Eignungsprüfungen unterziehen, alle werden in vor- auseilender Anpassung an das Förderungswesen geplant, geschrieben, diskutiert Schließlich müssen auch die Filmemacher lernen, dass die Geburtsstunde ihrer Werke erst die Aufführung ihrer Filme im Kino ist. Sie müssen es wieder lernen, diesen Au- GREMIEN- und schließlich von einer dem System verwandten Kritik aussortiert. … genblick zu lieben, in dem ihr Werk von vielen Augenpaaren gleichzeitig am gleichen Ort gesehen wird. Das Kino lebt von dieser Leidenschaft und den Leidenschaften FILM Das System zu bedienen heißt zwangsläufig, dass einem das Publikum herzlich gleichgültig wird, denn es entscheidet in keiner Weise, was produziert werden kann seiner Betreiber und seiner Besucher. HAT AUSGE- oder was förderwürdig wäre. … Das Ergebnis ist ein Zwitterwesen, das weder als Wirtschaftsgut noch als Kulturgut überzeugen kann. Die Filmgeschichte hat in allen Teilen der Welt so unvergessliche und in die Tiefe der menschlichen Seele leuchtende Werke hervorgebracht, dass alle übrigen Künste 4. DIENT. … Eine der Maximen für ein neues Förderungssystem sollte die Stärkung der kreativen davon beeinflusst wurden. Die Kenntnis dieser Kulturgeschichte gehört zwingend zum Bildungsstandard einer zivilisierten Gesellschaft. WIR FORDERN Kräfte in den Filmteams sein, der Autoren, der Regisseure, der künstlerischen Mit- arbeiter, und ihrer Produzenten, von denen die Projekte faktisch getragen werden. … In Anbetracht dessen, dass die Mehrzahl der Zeitgenossen in Literatur, Lesekultur FILMBILDUNG Ein neues Fördersystem beruht so gut wie möglich auf Selbstverwaltung, auf der eindeutigen kulturellen Ausrichtung und auf dem Bewusstsein, dass die Filmkunst und Sprache unterrichtet wurden, nach Beendigung der Schulzeit aber nicht mehr lesen, sondern Tausende von Filmen konsumieren, ist es nicht verantwortbar, die IN ALLEN auch in Zukunft eines der wirkungsmächtigen und allen Themen der modernen Welt zugängliches Medium ist. Menschen als audiovisuelle Analphabeten zu entlassen, die über keinerlei Kriterien zur Unterscheidung von Qualität verfügen. SCHULEN.
FRANKFURTER Beenden wir die erzwungene Verquickung von Fernseh- und Kinofilm und den damit einher- gehenden Einfluss von Fernsehredaktionen auf Das Kino erfüllt eine entscheidende gesell- schaftliche Rolle und muss in seiner zeitgemä- ßen Entwicklung gefördert werden: es ist Ort POSITIONEN die Förderung und Produktion von Kinofilmen. der gemeinsamen ästhetischen Erfahrung, des Der Kinofilm der Kunstfreiheit braucht freiere Austauschs, der Reflektion, des Gesprächs, des und flexiblere Strukturen! Zusammenfindens der Gesellschaft. Die Verbrei- tung von Filmen im Kino bedarf größerer Unter- – stützung. ZUR ZUKUNFT Ende des Modells der Kino-Koproduktion als Standard – – Kinos fördern, besonders auf dem Land Einrichtung einer Rechte-Agentur zur Vermark- – tung der Free-TV-Rechte Kinoprogrammpreis der BKM erhöhen DES DEUTSCHEN – – Verpflichtende Ankaufquoten durch die Sender Ambitionierte Modellprojekte für Programm- und Öffentlichkeitsarbeit unterstützen – Den Anteil der Verleihförderung an der FILMS Gesamtförderung erhöhen Stärken wir den Filmnachwuchs und die Vielfalt – des Schaffens, ebnen wir den Weg für die Ent- Produktions- und Verleihförderung entkoppeln, faltung von Talenten und die Entwicklung künst- um auch unabhängig produzierten Filmen zu lerischer Persönlichkeiten hierzulande. Denken einer größeren Sichtbarkeit zu verhelfen wir das Kino als Abspielort in der Ausbildung 6 ZUSAMMENFASSUNG mit! 7 – Einrichtung eines bundesweiten Nachwuchstop- Angesichts der neuen Vertriebskanäle müssen Wir wollen einen Kinofilm der Kunstfreiheit, der fes in der Filmförderung sich Kinos selbstbewusst neu positionieren. sich auch in inhaltliche und ästhetische Extre- – me wagt. Gegen die Monokultur des deutschen Kurze Formate in der Branche gleichwertig – Gremienfilms! Die Finanzierung deutscher Ki- mit langen Abschlussfilmen anerkennen Die bestehenden Sperrfristen aufheben nofilme ist inzwischen komplexer als die Filme – – selbst: Lasst uns die Finanzierung vereinfachen! QuereinsteigerInnen gezielt unterstützen Kinos an den Einnahmen aus dem VOD-Vertrieb beteiligen – Konsequente Orientierung an künstlerischen Kri- terien für mindestens 50% der Fördermittel – Für eine lebendige Filmkultur in Deutschland ist (Langfassung des Textes ab S. 27) Genderparitätisch besetztes IntendantInnen-Duo es unabdingbar, Film als Kunstform im Schul- mit voller künstlerischer Verantwortung unterricht zu verankern. – Verpflichtende Erstförderung – mit mindestens 30% des Budgets Film als Schulfach etablieren – – Transparenz bei den Förderentscheidungen Bundesweite Unterstützung für Lernmaterialien – und Fortbildung einrichten Sozialverträgliche Gagen anerkennen – Austausch und Begegnungen zwischen Filmschaffenden und Kindern fördern
GELD, RÜDIGER SUCHSLAND Aber auch das Großbritannien unter prä-Brexit-Bedingungen 2016 1,124 Mrd. Euro geflossen sind, liegen die Zahlen im – taugt kaum zum Vergleichsmaßstab. Denn der größte Teil des bevölkerungsstärkeren und reicheren – Deutschland deutlich britischen Filmbusiness ist auf die USA ausgerichtet. Selbst niedriger. CINEPHILIE Low-Budget- und Arthouse-Produktionen werden in erster Frankreich ist nach den USA auch der weltweit zweitgrößte Linie durch das dortige günstige Einkommenssteuerabschrei- Filmexporteur. Mit jährlichen Einnahmen von mehr als 10 Milli- bungsmodell finanziert. arden Euro und über 35.000 Beschäftigten ist die französische UND Kinoindustrie die stärkste Europas. Das Erfolgsrezept lautet: Spanien ist wie Italien regional und wirtschaftlich differen- Wertschätzung von und Investitionen in Kinokultur. zierter. In Spanien kommt der Faktor dreier Landessprachen – WILDE und mehrerer Dialekte hinzu – allerdings bietet der zusätzliche Ohne mehr Cinephilie bleiben alle derartigen Überlegungen lateinamerikanische Markt auch ganz andere Auswertungs- wertlos. Film ist nach dem „visual turn“ das privilegierte Medi- chancen. Sie haben Spanien zuletzt auch für Netflix besonders um gesellschaftlicher und interkultureller Selbstverständigung. GEDANKEN attraktiv gemacht. Der Star unter den Streaming-Diensten hat Wir dürfen Film in Deutschland nicht länger als Wirtschafts- kürzlich sein erstes Produktionsstudio in Madrid ins Leben ge- gut betrachten, sondern müssen lernen, ihn als genuine Aus- rufen. drucksform zeitgenössischer Kultur anderen Künsten wie Oper, Theater, Musik und Literatur mindestens gleichzustellen. Auch Was der deutsche Film von Europa lernen könnte Welche Forderungen für Veränderungen ergeben finanziell. – eine Rückschau auf das „Forum Europa“ und Überlegungen zur sich nun aus dem internationalen Vergleich, aus- Dabei bliebe noch unberücksichtigt, dass Film selbst in Jahren Filmproduktion im europäischen Vergleich gehend von der Überlegung, die „Frankfurter Posi- mit miserablen Kino-Besucherzahlen – ca. 100 Millionen im tionen“ auch praktisch weiterzuentwickeln? Jahr 2018, ca. 120 Millionen im Jahr 2017; die Zuschauerzahlen von Fernsehen, DVD, Internet und Streamingportalen fehlen Die dem deutschen Förderalismus geschuldete Dezentralisie- hier noch – von ungleich mehr Menschen wahrgenommen wird rung der Filmförderung und der Fernsehsender erweist sich als die allermeisten anderen Künste. 340 Millionen Euro sind ungemein wenig Geld. Die Bestandsaufnahme im ersten Teil des „Forum Europa“ nicht etwa als Vorzug, sondern als großer Nachteil. Denn die Beinahe Peanuts. Für so etwas bekommt man in ergab schnell, dass das deutsche System im europäischen einzelne Förderinstitution gibt selten ausreichend Geld, um Zum Schluss ein wilder Gedanke: Welche Zukunft 8 Frankfurt nur ein gutes Drittel der neuen Oper, in Vergleich als eher schwach wahrgenommen wird. Zwar ist einen Film zu finanzieren. Und der grassierende „Fördertouris- hat eigentlich die derzeitige Kleinstaaterei? 9 Berlin nicht mal ein halbes Stadtschloss. Und in Deutschland ein reiches Land. Doch das der Filmproduktion mus“ mit seinen langen Wegen, den umständlichen, in jedem Wir wollen offene Grenzen innerhalb Europas. Wir wollen eine Hollywood gerade mal zwei Blockbuster. zur Verfügung gestellte öffenliche Geld ist im Verhältnis gering. Fördergebiet anders strukturierten Verfahren, kostet viel Geld. gemeinsame europäische Verteidigungspolitik und Sicher- Und das Ergebnis der eingesetzten Summen wurde von den Eine Zentralisierung der Filmförderung wäre demgegenüber heitsarchitektur. Wir wissen: Das Klima macht vor nationalen 340 Millionen Euro sind das Gesamtvolumen der ausländischen Gästen als schwach beurteilt. wünschenswert. Und wo diese föderalismusbedingt nicht ge- Grenzen nicht halt. Aber ausgerechnet im Bereich der Kultur deutschen Filmförderung. Dieser Betrag ist aber leistet werden kann, könnte zumindest eine Vereinheitlichung dominiert nationale Nabelschau. keine Krücke, keine unterstützende Hilfe, sondern Der europäische Vergleich der Fördersysteme wird durch meh- der Verfahren, eine Bündelung der Vergabegremien und der die komplette Summe. Ohne dieses Geld gäbe es rere Faktoren erschwert. Während größere Staaten oft einen Ausgabe-Effekte weiterhelfen. Gewiss: bis zu einem gemeinsamen europäischen Film ist es den deutschen Film nicht. diversifizierten Filmförderungsaufbau besitzen, haben Staa- – noch ein weiter Weg. Aber Schweiz, Belgien und Spanien sind ten wie Dänemark, Österreich oder die Niederlande den Vor- Eine Entmachtung der Fernsehsender in der Filmförderung ist ein Beispiel, dass Mehrsprachigkeit hier kein Hindernis sein Da die ungemein anregenden Überlegungen und Positions- teil einer zentralen, überschaubaren Förderorganisation, die in die entscheidende Voraussetzung für bessere Bedingungen. muss. papiere der „Frankfurter Positionen“ vom April 2018 vor allem ihrem Handeln beweglich und flexibel ist. In diesen Ländern Das Beispiel anderer europäischer Ländern lehrt, dass gute Und schon heute gibt es eine europäische Film-Identität – von einer breit gefächerten Gruppe aus der deutschen Film- hat die jeweilige Filmszene ein bestimmtes urbanes Zentrum: Filme nur dort entstehen, wo die Unabhängigkeit der Filmpro- wenn es nämlich darum geht, den europäischen Film von dem szene verabschiedet wurden, liegt klar auf der Hand, dass einer In Kopenhagen, Wien oder Amsterdam sitzen so gut wie alle duktion von Senderentscheidungen gesichert ist. Fernsehen ist Amerikas oder Asiens zu unterscheiden. Wir sollten anfangen, der nächsten Schritte zu einer Weiterentwicklung und Umset- Filmemacher und Entscheidungsträger. Hier sind die Wege kurz, auch in Zukunft und unter den Bedingungen des „Endes des dieses europäische Element ins Positive zu wenden. zung der dort begonnenen Überlegungen über die Grenzen die Kommunikation einfach, direkt und persönlich und Netz- Fernsehens, wie wir es kennen“ unverzichtbar als einer unter der sehr speziellen deutschen Filmszene hinausreichen muss. werke so dicht, dass Beziehungen dauerhaft bestehen. Salopp mehreren Auswertungsplattformen. Die Veranstaltung „Forum Europa“ fand im Rah- Dieser Gedanke, dass der Vergleich mit anderen europäischen gesagt: Man sieht sich mehr als zweimal im Leben, lernt mit- Dennoch: Senderredakteure sind keine Co-Produzenten und men des Kongresses Zukunft Deutscher Film statt. Film-Verhältnissen überaus nützlich sein könnte, begleitete einander auszukommen und Rivalitäten zu unterdrücken. keine Kreativen. Sie sind durch ihren Programmauftrag ver- Es diskutierten VertreterInnen aus Deutschland, bereits die Überlegungen im Vorfeld des ersten Frankfurter pflichtete Ankäufer. Österreich, Großbritannien, Dänemark, den Nie- Kongress „Zukunft Deutscher Film“. Im „Forum Europa“ ver- Anders ist es in Ländern wie Frankreich, Großbritannien oder – derlanden, der Schweiz und Rumänien. glichen Experten aus anderen europäischen Ländern die Be- Spanien. Von Frankreich lässt sich kurzfristig aufgrund der Ohne mehr Geld wird der deutsche Film so künstlerisch un- dingungen und Möglichkeiten zur Filmfinanzierung in ihren sehr speziellen dortigen Kulturförderbedingungen und Filmauf- bedeutend und ökonomisch schwach bleiben, wie er heute ist. jeweiligen Heimatländern bzw. Fachgebieten und bezogen sie fassungen (Stichwort: „exception culturelle“ und „cinephilie“) Während in den Produktionsstandort Großbritannien 2017 rund auf ihre Einschätzung der Situation in Deutschland. nur sehr begrenzt lernen. 2 Mrd. Pfund und in französische Film-Produktionen im Jahr
DAS KINO DANIEL SPONSEL worben wird und an wenigen Tagen nachmittags läuft, hat keine sequenz: Über die Relevanz erreiche ich nicht mehr zwingend Chance, seine Qualität in Zahlen umzusetzen – hier schließt die Reichweite. sich einfach nur ein Kreis. Ein Beispiel dafür, welchen Einfluss IST TOT die PR-Mittel unmittelbar auf Zahlen haben: Der Spielfilm “Fack Reichweite? ju Göhte III“ konnte mehr als 7 Millionen ZuschauerInnen in Weil der Dokumentarfilm leider oder auch zum Glück vorwie- die Kinos bringen und hatte dafür ein Marketingbudget von ca. gend aufgrund seiner Themen wahrgenommen wird und weniger – ES LEBE 5,4 Millionen € zur Verfügung. Beim Dokumentarfilm „Beuys“ wegen seiner cineastischen Attribute, hat er in einem viel hö- von Andres Veiel stehen ca.120.000 € Marketingbudget knapp heren Maße als der fiktionale Film die Chance, seine Zielgrup- 100.000 ZuschauerInnen gegenüber. Der Vergleich mag hinken, pen direkt anzusprechen. Diese sind vorwiegend thematisch DAS KINO! aber der Anteil der Distributionsförderung im Verhältnis zur Pro- orientiert und können dank der digitalen Möglichkeiten über die duktionsförderung steht in keinem Verhältnis, d.h. in Deutsch- Social-Media-Kanäle, aber auch über beinahe klassische Tools land wird die Realisation vieler Filme gefördert, die dann kaum wie Website und Newsletter gut erreicht werden. Diese Zielgrup- Mittel zur Auswertung zur Verfügung haben. penansprache ist eine Guerillataktik, die einzelne Verleiher und Über die Zukunf t des Dokumentarfilms im Kino im Zeitalter der Kinos erst nach und nach entdecken und deren Aufwand ver- digitalen Distribution. Jetzt oder nie. gleichsweise hoch ist, weil ein flächenweiter Kinostart intensiv Kann eine Zuschauerin oder ein Zuschauer Interesse daran ha- betreut werden muss, am besten jeweils mit regionalen Part- ben, einen Film zweimal zu schauen? Es soll nicht wenige junge nern wie z.B. Festivals. Jetzt stellt sich wieder die Frage: Gehen Menschen geben, die „ Fack ju Göhte“ in ihrer Peergroup gleich diese Leute für den Film ins Kino? Wie wäre es bzw. was würde Schade eigentlich? unterwegs. Aus welcher Quelle die Musik kommt – von der Plat- mehrmals im Kino gesehen und dann auch noch illegal gestre- passieren, wenn wir beides parallel anbieten (siehe oben)? Wir schreiben das Jahr 2021: Ich bin im Kino gewesen und te, der CD oder über das Steaming via Smartphone –, spielt für amt haben. Eine andere Frage ist aktuell noch wichtiger: Kann habe den neuen Film von Andres Veiel gesehen, einen Doku- die Qualität eine untergeordnete Rolle. Der Unterschied ist dank man für einen Film mehrmals Aufmerksamkeit generieren? Ein- Reich und berühmt? mentarfilm. Das Kino war beinahe ausverkauft, die Stimmung der vergleichsweise niedrigen Datenrate nicht gravierend. Das mal für den Kinostart, dann für die Auswertung via Streaming Wie und wo wird in Zukunft mit Dokumentarfilmen Geld verdient gut. Der Film, den ich gesehen habe, war eine durch den Bund sieht im wahrsten Sinne des Wortes bei der Ansicht eines Films oder Blu-ray und dann noch einmal für die Ausstrahlung im – Geld, das dringend gebraucht wird, um neue Produktionen und mehrere Landesförderungen realisierte Koproduktion von ganz anders aus. Der Unterschied zwischen einem Streaming Fernsehen? Die Aufmerksamkeitsspanne wird in unserer turbo- ausreichend auszustatten? Die Einnahmen durch die Kinoaus- BR, WDR, Arte und Netflix. Als ich nach der Vorstellung nach auf meinem Smartphone und dem 4K Bild in einem großen Kino, medialen Zeit eher kürzer und zu viele neue Produkte drängen wertung sind tendenziell rückläufig, die öffentlich-rechtlichen 10 Hause kam, habe ich mir einige Szenen des Films noch einmal inklusive Dolby 5.1. Sound, ist mehr als offensichtlich. Nur das beinahe täglich auf den Markt. Hier liegt der Schlüssel zum Sender entziehen sich zunehmend ihrer Verantwortung und im 11 online angeschaut, weil ich glaubte, etwas verpasst zu haben. Kino kann, was das Kino kann, das hochwertigste Bild, den Film gemeinsamen Erfolg: Alle Player könnten den Film zeitgleich Netz sind die Tarife sehr niederschwellig oder es herrscht die Letztendlich habe ich den Film noch einmal in voller Länge auf in einem dunklen Raum auf der großen Leinwand und dazu den starten und bewerben und der Zuschauerin oder dem Zuschauer „All You Can Eat“-Mentalität. Noch ist nicht gewiss, ob Netflix unserem Fernseher online gesehen. Mit meiner Kinokarte hatte entsprechenden Sound bieten. Nicht zu vergessen: Die Konzen- obliegt die Entscheidung, ob sie ins Kino gehen, den Fernseher mit seiner aggressiven Preispolitik durchkommt und in nähe- ich auch Zugang zum Streaming – könnte so nicht die Zukunft tration auf den „Only-Screen“ und das Erlebnis, zusammen mit anschalten oder den Film unterwegs auf dem Pad anschauen. rer Zukunft schwarze Zahlen schreibt. Gewiss ist nur: Es ist der Filmauswertung aussehen? anderen Menschen zu leiden oder lachen – das Gefühl des Ver- Was wäre dazu nötig? Ein ansprechender Tarif und ein einfaches dringend Zeit für einen Paradigmenwechsel, Kunst und Kultur bindenden durch die Kunsterfahrung in Gemeinschaft. gemeinsames Erlösmodell. müssen wie jedes hochwertige Produkt, das im Netz angeboten Eines ist uns allen mehr oder weniger bewusst: Von den geübten wird, entsprechend bezahlt und entlohnt werden. DER DOKU- und liebgewonnenen Strukturen der Filmauswertung müssen Alles oder nichts? wir uns in absehbarer Zeit verabschieden. Das Kino kann nicht Ich kann das ganze Thema auch noch einmal aus einem anderen Das Kino ist tot – es lebe das Kino. mehr lange als exklusiver Premierenort und Erstauswertungs- plattform für Filme vor den neuen Möglichkeiten der Distribu- MENTARFILM Blickwinkel betrachten. Die entscheidende Frage für die Zukunft Eines darf nicht passieren: Dass wir das Kino als ureigenen Ort des Kinodokumentarfilms ist: Was will ich mit meinem Film er- der Filmkultur verlieren. Angesichts dieser Entwicklung nehmen tion in alle Richtungen geschützt werden. Der Kampf um den SCHEITERT reichen? Will ich Relevanz durch die Presse und die Kritik, will Filmfestivals einen immer größeren Stellenwert ein und wer- Erhalt der Kinosperrfrist ist ein Rückzugsgefecht, das wir alle ich Reichweite auf allen Kanälen oder will ich Einnahmen? Im den quasi zu den Speerspitzen der Kinokultur. Doch das reicht nur verlieren können. Der Preis dafür ist möglicherweise der IM KINO NICHT besten Fall erreiche ich alles auf einmal, aber nur im besten Fall. nicht. Wir benötigen dringend Allianzen zwischen allen Playern Verlust einer ganzen Publikumsgeneration. Vor allem das junge Publikum ist gnadenlos und wird sich die Filme verstärkt dort AN SEINER Relevanz? – Kinos, Verleihern und Plattformen. Obwohl in einigen Städten schon einige Kinos zu Shopping Malls oder Clubs umgewidmet holen, wo wir mit dem Kino nicht hinkommen. Muss das Kino nicht selbstbewusst mit seinen ureigenen Qualitäten werben? QUALITÄT Trotz aller Unkenrufe ist der Film nach wie vor ein Leitmedium wurden, ist es nicht zu spät: Noch stehen die meisten Kinos und der Dokumentarfilm in seiner Wahrnehmung und Wert- als Spielorte zur Verfügung. Als Randnotiz sei angemerkt, dass schätzung im Besonderen. Das bedeutet nicht automatisch, alles, was für den Dokumentarfilm aktuell gilt, in nächster Zu- Ganz großes Kino! Self-fulfilling prophecy dass er im aktuellen Feuilleton stattfindet. Und wenn er dort kunft auch für den Arthouse-Film und schon sehr bald auch für Die Filmbranche wird oft zu unrecht mit der Musikbranche ver- Der Dokumentarfilm scheitert im Kino nicht an seiner Qualität, einmal besprochen und gewürdigt wird, dann hat das noch das ganz große Kino gelten wird. glichen. Doch dieser Vergleich hinkt. Der Ort für das Hören von sondern an den Rahmenbedingungen. Die geringen Budgets für lange keine große Publikumszahl zur Folge. Abgesehen davon, Musik ist mit Ausnahme des Live-Acts unbestimmt, es kann die PR-Maßnahmen und die geringen Erlöse an der Kinokasse dass das Feuilleton mit dem Dokumentarfilm selten wirklich viel (Der Text ist die gekürzte Fassung der Keynote zur Konferenz „Ganz die sündhaft teure High-Fidelity-Anlage zuhause sein oder die führen zu einer grundsätzlich zurückhaltenden Programmierung anfangen konnte, sinkt die Reichweite und Relevanz der Presse großes Kino?“ beim DOK.fest München im Mai 2018, das vom Autor in ihrer Qualität eher limitierten günstigen Kopfhörer irgendwo der Dokumentarfilme in den Kinos. Ein Film, der nur wenig be- sowohl im Print als auch im TV im Steilflug, d.h. in seiner Kon- geleitet wird.)
STI LLE SASCHA ALLEYNE UND LARS HENRIK GASS 12 Mog elEi KNIFFLIG. DIE FILMFÖRDERUNG DES Filmförderung in Deutschland verdankt ihre Ent- stehung dem Wunsch, Wettbewerbsnachteile künstlerischer Filme auszugleichen. Mittlerweile kann man aber eher davon sprechen, dass Film- ist es aber aus juristischer Sicht von erheblicher Bedeutung, in welchem Umfang und mit welchem Schwerpunkt Filmför- derung sich als Wirtschafts- und/oder Kulturförderung dar- stellt. Artikel 107 des EU-Vertrags stellt staatliche Beihilfen 13 BUNDES VERSTÖSST förderung als Wirtschaftsförderung praktiziert wird, die ein paar kulturelle Effekte haben kann. vollständig unter den Erlaubnisvorbehalt der EU-Kommission. Selbstverständlich haben sich die Mitgliedstaaten zahlreiche GEGEN EU-BESTIMMUNGEN. Zwar können sowohl zweckbestimmte wirtschaft- liche (etwa standortbezogene) Motive als auch Ausnahmen und Durchbrechungen dieses Prinzips vorbehal- ten oder erkämpft, eine wesentliche ist im EU-Vertrag selbst TÄTE SIE ES NICHT, kulturelle (also zweckfreie) des Gesetzgebers legitim sein. Der Gesetzgeber besitzt ein sehr normiert. Artikel 107 Absatz 3, Buchstabe d regelt, dass Bei- hilfen zur Förderung der Kultur und der Erhaltung des kultu- MÜSSTE SIE GEGEN DAS weit gefasstes Beurteilungsprärogativ zu den Ab- sichten und Zielsetzungen seiner Gesetze, die rellen Erbes als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können. Filmförderung ist, soweit sie Wirtschaftsför- GRUNDGESETZ VERSTOSSEN zumindest dem Grundsatz der Geeignetheit ent- sprechen müssen. derung darstellt, daher aber europarechtlich problematisch. Rechtsunsicherheit Das Problem resultiert aus der Vermischung der Motive. Ge- Der Erlaubnisvorbehalt der EU-Kommission schafft für den setzgebung und Praxis der derzeitigen Filmförderung lassen Teilbereich „Wirtschaftsförderung“ eine erhebliche Rechts- sich nicht widerspruchsfrei in Einklang bringen mit den euro- unsicherheit. Wegen der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in parechtlichen, insbesondere beihilferechtlichen Vorgaben der Kulturfragen hat die EU-Kommission davon abgesehen, eine EU-Kommission. Definition von Kultur im Zusammenhang mit der Filmförde- rung vorzunehmen. Sie hat aber Kriterien entwickelt, anhand Nach allgemeinem Verständnis ist Filmförderung stets sowohl derer sie überprüfen kann, ob das europarechtliche Postulat Wirtschaftsförderung als auch Kulturförderung. Tatsächlich der Filmförderung als Kulturförderung beachtet wird.
STILLE MOGELEI Dies ist zunächst geschehen in den sogenannten Kinomittei- Beanstandungen jedenfalls sind bislang nicht bekannt gewor- tätsbezogene, also künstlerische, kulturelle Kriterien lediglich lungen der EU-Kommission – 2013 in der aktualisierten Fas- den, auch nicht aus den regelmäßigen Notifizierungsverfah- zweckdienlich sind, büßen diese Kriterien bei der Anwendung sung einer bereits 2001 ergangenen, ersten Kinomitteilung. ren, die Fördermaßnahmen der Länder in Brüssel durchlaufen. und Auslegung stets ihre eigenständige Bedeutung im Namen Wie der Name besagt, handelt es sich bei diesen Mitteilun- Diese eigentümliche Zurückhaltung sichert der gegenwärti- eines weiterhin vergeblich angestrebten Erfolgs nahezu voll- gen nicht um formelle Rechtsakte, sondern um Auslegungs- gen Praxis das Überleben. ständig ein. „Qualität“ in der aktuellen Umsetzung des FFG hilfen. Gleichwohl ist die darin zum Ausdruck kommende soll nur dazu dienen, wirtschaftlichen Erfolg sicherzustellen. Rechtsauffassung aufschlussreich: „Im Einklang mit dem Das FFG müsste also entsprechend den Vorgaben der EU-Kom- Angesichts des Umstands, dass die überwiegende Anzahl UNESCO-Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der mission angepasst und auf eine dezidiert kulturelle Förderung der deutschen Filmproduktionen nach keinem Maßstab als Vielfalt kultureller Ausdrucksformen von 2005 stellt die Kom- ausgerichtet werden. Allein: Das ist aus rechtlichen Gründen „wirtschaftlich erfolgreich“ gelten kann – und das seit vielen mission fest, dass auch ein kommerzieller Film ein kultureller unmöglich. Als Bundesgesetz ist das FFG nämlich nur dann Jahren und allgemein bekannt –, wäre eine kritische Aus- Film sein kann.“ Die Vorgaben für Filmförderung, auch die rechtmäßig, wenn der Bund eine Gesetzgebungskompetenz einandersetzung des Bundesverfassungsgerichts mit dem deutsche, sind: entweder ein auf kulturellen Kriterien basie- für den Erlass dieses Gesetzes für sich beanspruchen kann. Scheinziel des Gesetzgebers zu erwarten gewesen. Gegen rendes Auswahlverfahren nachweislich durchzuführen, oder einen auch nur erahnbaren „nachhaltigen wirtschaftlichen ein verbindliches kulturelles Profil, dem alle audiovisuellen Alles für die Wirtschaft Erfolg“ des deutschen Films spricht zudem, dass die Rück- Werke entsprechen müssen, zu statuieren. Diese leitet er aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG her, wonach dem zahlungsquote der als Darlehen ausgereichten Fördermittel Bund für das Recht der Wirtschaft eine konkurrierende Ge- generell weit unter zehn Prozent liegt. Genau wird und soll Die EU-Kommission macht damit deutlich, dass Filmförde- setzgebungskompetenz zusteht; für Fragen der Kultur sind das wahrscheinlich auch niemand herausfinden; offizielle rungsentscheidungen „der Förderung der Kultur dienen“ müs- grundsätzlich die Bundesländer zuständig, welche Kulturför- Zahlen dazu werden nicht veröffentlicht. Das Resultat: Das sen, um beihilferechtlich zulässig zu sein. Mit anderen Wor- dermaßnahmen des Bundes trotz evidenter (BKM) oder jeden- FFG wird faktisch nach dem Grundsatz einer „wirtschaftli- ten: Filmförderung muss Kulturförderung sein. Wie eng die falls gut begründbarer (Deutscher Filmförderfonds) Kompe- chen Erfolgsorientierung“ ausgelegt, obwohl diese erkennbar EU-Kommission die kulturbezogene Ausnahmeregelung in den tenzverletzungen durch den Bund dulden. Mit anderen Worten: weder gegeben ist noch eingefordert wird. Beihilfebestimmungen versteht, wird anhand eines Beispiels Das FFG muss in der innerdeutschen Kompetenzordnung ein deutlich: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland Wirtschaftsgesetz sein, um verfassungskonform zu sein. Der Man müsste also ein Vertragsverletzungsverfahren bei der ist 2007 in Brüssel damit gescheitert, seine Finanzierung objektive Schwerpunkt dieser Förderung ist wirtschaftlich EU-Kommission initiieren, um einen supranationalen Aus- unter die Ausnahmeregel der EU stellen zu lassen. und muss es auch sein. handlungsprozess anzustrengen. In dessen Verlauf würden 14 15 Audiovisuelle Werke sind seit 2014 Bestandteil der Allgemei- Der Gesetzgeber des FFG befand und befindet sich in einem die Zielvorstellungen und die Praxis von Filmförderung neu diskutiert werden müssen – also die Kriterien für Kultur und DAS FFG MÜSSTE nen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) der EU-Kom- mission – mit der Folge, dass die Förderung dieser Werke Dilemma, denn er muss an einer wie auch immer gearteten kulturellen Ausrichtung festhalten, um wenigstens dem ers- Wirtschaftlichkeit ebenso wie die ihrer Herstellung. AUF EINE DEZIDIERT beihilferechtlich zulässig ist, wenn die Förderung den in der Verordnung aufgestellten Kriterien entspricht: „Mit der ten Anschein nach den dargestellten Vorgaben zu genügen. Gleichzeitig muss das FFG als klare Wirtschaftsförderung (Der vorliegende Text erschien zuerst in der Ausgabe 25/2018 der Wochenzeitung ,Der Freitag‘.) KULTURELLE FÖR- Beihilfe muss ein kulturelles Projekt gefördert werden. Zur Vermeidung offensichtlicher Fehler bei der Einstufung eines erkennbar bleiben. Das FFG widerspricht den Beihilfebestim- mungen der EU, weil es verfassungskonform ist. Der SPD-Po- DERUNG AUSGE- Produkts als kulturell legt jeder Mitgliedstaat wirksame Ver- fahren fest.“ litiker Peter Conradi hat das Dilemma schon 1994 treffend formuliert: „Weil nach dem Grundgesetz Kultur Ländersache ist, sagen wir den Ländern, die Filmförderung des Bundes sei RICHTET WERDEN. Doch ein wirksames Verfahren, das eine kulturelle Filmför- eine wirtschaftliche Angelegenheit (...). Weil die EG nationale derung gewährleistet und gleichzeitig kommerzielle Filme im Wirtschaftssubventionen nicht erlaubt, sagen wir der EG, die Regelfall von der Förderung ausschließt, gibt das Filmförde- Filmförderung des Bundes sei eine kulturelle Angelegenheit. rungsgesetz (FFG) nicht vor. Eine Unterscheidung zwischen So haben wir uns bis jetzt zwischen Ländern und EG durch- kulturellen und kommerziellen Projekten in den einschlägigen gemogelt (…).“ Gesetzen und Richtlinien, wie von der EU-Kommission gefor- dert, wird in der Förderpraxis der Filmförderanstalt (FFA) und Die vermeintliche Lösung für dieses Dilemma hat das Bun- der Länderförderungen überhaupt nicht vollzogen – wahr- desverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum FFG aus scheinlich auch deshalb nicht, weil aus den Entscheidungen dem Jahr 2014 ausgeführt, indem es qualitätsbezogene der EU-Kommission zu Maßnahmen der Filmförderung nicht Vorgaben dem Zweck eines zu erzielenden wirtschaftlichen ersichtlich ist, dass die EU-Kommission die von ihr postulier- Erfolgs vollständig unterordnet: „Dass damit auch die krea- ten Grundsätze tatsächlich auch anwenden wird. tiv-künstlerische Qualität des deutschen Films zum Förderziel bestimmt ist, ändert nichts am wirtschaftsrechtlichen Re- gelungsgehalt der Aufgabenbestimmung.“ Wenn aber quali-
Kino ist nicht IST PA- bebilderte Fernsehdramaturgie. Das Kino lebt davon, PAS KINO dass Menschen auf der Leinwand einen eigenen Mythos bilden SCHON und eine eigene selbständige Lebendigkeit haben. WIEDER Sie sind nicht Transportmittel für Diskussionsstoff, TOT? sondern Lebensbilder.Edgar Reitz GESPRÄCHSRUNDE BEIM FILMFEST MÜNCHEN AM 29. JUNI 2018 16 MIT ANNA DE PAOLI, EDGAR REITZ, CARLOS GERSTENHAUER, MARIA KÖPF 17 Ihr MÜSst Das Kino AUS MEINER SICHT IST DIE ZWANGSEHE VON KINO UND Neu ErfiNden! FERNSEHEN DIE GEISSEL DES DEUTSCHEN FILMS. Es lIegt in agOnIe. Anna de Paoli, Produzentin Edgar Reitz
Ein Film ist erst fertig, wenn er vor WIE einem Publikum gezeigt wird. Er wird nicht auf die Leinwand PACKEN projiziert, sondern in die Herzen der Menschen. WIR’S Edgar Reitz AN? Das Ist Ein FalsCher DISKUSSION BEI DEN INTERNATIONALEN HOFER FILMTAGEN, AnsaTz, Dass Wir alle So tun 25. OKTOBER 2018 18 MIT JULIA VON HEINZ UND EDGAR REITZ 19 MÜSsen, alS WIR WOLLEN FILME WÄRen Filme WirtSchaFtliCh. MACHEN, ABER GLEICHZEITIG MÜSSEN WIR UNS AUCH UM Julia von Heinz, Regisseurin DIE RAHMENBEDINGUNGEN Die Politik wird nicht handeln, Das Fernsehen ist technisch KÜMMERN, UNTER DENEN wenn sie nicht mit großem Nach- druck dazu aufgefordert wird. gesehen ein Auslaufmodell, und es ist damit ein sinkendes Schiff, DIESE FILME ENTSTEHEN Dafür braucht es ein gemeinsa- mes Auftreten. Und das kann nur aber mit wahnsinnig viel Geld. Und es sinkt mit dem ganzen KÖNNEN. Julia von Heinz eine ganze Generation gemein- sam wollen. Gold, das es geladen hat. Edgar Reitz
AUFRUF HAUPTVERBAND CINEPHILIE IN GRÜNDUNG ZUR CINEPHILIE! WIR RUFEN DEN NOTSTAND DER FILMKUL- Wir glauben an die Mündigkeit und Neugier der Zuschauer*in- nen. Wir fordern, ihre Bevormundung zu beenden! Filmkultur braucht Kontext und Vermittlung. Wir fordern frühe Filmbildung in- und außerhalb der Schulen für eine Medien- TUR AUS, WIR RUFEN AUF ZUR CINEPHILIE! – Wir behaupten, dass es einen Markt für Cinephilie gibt, der – kompetenz, die nicht bei YouTube-Videos aufhört. – im Moment unzureichend bedient wird. Cinephile Angebote produzieren neue Nachfrage. Filmkritik ist Teil der Filmkultur. Wir fordern die Anerkennung ihrer inhaltlichen und diskursiven Auseinandersetzungen. CINEPHILIE VERSTEHT DAS KINO ALS – Das deutsche Fördersystem protegiert überwiegend vorkon- – Festivals müssen als Orte der Cinephilie bewahrt, verteidigt 20 KUNST – NICHT ALS KONSUMGUT ODER fektionierte, monokulturelle Konsumware und marginalisiert die Filmkultur. Wir brauchen die Förderung einer ästhetisch, – und zurückerobert werden. 21 DIENSTLEISTUNG. – inhaltlich und international diversen Filmkultur. Wir fordern maximale Unterstützung für Cinephilie: für die Wahrnehmung von Film als Kunst! – Wir fordern mehr Mut für den deutschen Film, um auch inter- national an Relevanz zu gewinnen. – Filmkultur begeistert! Filmkultur ist für alle da! CINEPHILIE IST DIE LIEBE ZU EINEM KINO, – Wir fordern eine Neuausrichtung der Filmförderung nach DAS SICH ZUR GESELLSCHAFT VERHÄLT transparenten Vergabekriterien und eine Neubewertung von Erfolg. Wir rufen interessierte Kolleg*innen auf, Allian- zen zu bilden, um unsere Forderungen mit bereits UND DAMIT POLITISCH IST. – – Wir fordern unabhängige und diverse Jurys. existierenden Überlegungen, Positionen und Re- cherchen zu bündeln und offene Fragen aktiv und organisiert mit dem Hauptverband Cinephilie (in Wir fordern kuratorisches Rückgrat auf allen Entscheidungs- Gründung) weiter zu entwickeln! ebenen. Nur so wird lebendige Filmkultur möglich. – Als erstes, offenes Treffen dazu findet am 10.02. Wir fordern Diversität und Gendergerechtigkeit in der Film- 2019 um 12:00 Uhr ein Brunch im Wolf Kino kultur. statt, zu dem wir herzlich einladen! – Filmkultur braucht Freiräume, nicht prekäre Zustände. Wir www.hvcinephilie.de fordern ökonomische Rahmenbedingungen, die ein freies und hallo@hvcinephilie.de den Filmen angemessenes Arbeiten ermöglichen. Filmkultur braucht eine Vielfalt an künstlerischen Formen und Positionen. –
wHat we PRO QUOTE FILM wAnt – wHat 22 we Need! DIE ORGANISATION PRO Unsere bisherigen Erfolge bestätigen: die Filmbranche will sich verändern, aber sie Deshalb richtet auch Pro Quote Film folgende Forderungen an die Filmförderungsgesellschaften: Für Pro Quote Film sind Geschlechtergerechtigkeit und Di- versität untrennbare Voraussetzungen für eine gerechte 23 QUOTE FILM (VORHER muss sich dafür noch viel mehr in ihren Strukturen und Inhalten bewegen. Um zu- – Wir fordern transparente Förderkriterien und -entscheidungen, Film- und Medienbranche. Nur so können neue Perspektiven, Diskurse, Dramaturgien und Erzählformen entstehen. Und nur PRO QUOTE REGIE) HAT kunftsfähig zu werden, ja um demokratisch zu bleiben, muss die Debatte um Qualität gleichberechtigten Zugang zu den Ressourcen, einen fairen Wettbewerb und Chancengleichheit für alle Filmschaffenden. so erreichen wir auch ein junges Publikum. IN DEN LETZTEN FÜNF geführt werden. Die derzeit produzierten Filmbilder, deren politische und kulturelle Wir fordern die Einführung von Diversitätsstandards und eine Geschlechterquote. Darüber hinaus halten wir eine grundsätz- Unterstützen Sie unsere Arbeit - Unterschreiben Sie die Forderungen von Pro Quote Film und der JAHREN DURCH IHRE Implikationen selbst, müssen zum Gegen- stand der Kritik gemacht werden. liche Reformierung und Verschlankung der Filmfördergesell- schaften für unabdingbar. Nur so kommt das Geld da an wo es Initiative „Frankfurter Positionen“. KONTINUIERLICHE ARBEIT Unsere Gesellschaft ist divers, bunt und hingehört: in die Hände der VIELEN, der vielen filmschaffenden Menschen* vor und hinter der Kamera. www.proquote-film.de info@proquote-film.de EINEN GESELLSCHAFT- vielfältig – aber viele Menschen und ihre Perspektiven kommen nicht vor. Durch – Die ausgewogene Vergabe von Aufträgen und Fördermitteln und LICH RELEVANTEN unsere Arbeit wollen wir nicht nur mehr Vielfalt und Gleichberechtigung vor und Ressourcen an Frauen* und Männer* zu gleichen Teilen ist eine Grundbedingung der Demokratie. Chancengleichheit, unabhän- Der Vorstand von Pro Quote Film: Susanne Foidl, Cornelia Grünberg, Kerstin Ramcke, Barbara Rohm, Birgit Stauber, Barbara Teufel, Tat- VERÄNDERUNGSPROZESS hinter der Kamera, wir wollen vor allem die Bedingungen von Sichtbarkeit verändern. gig von Geschlecht, Herkunft, Elternhaus und Hautfarbe muss Selbstverständlichkeit werden. Und nicht zuletzt die #Metoo jana Turanskyj ANGESTOSSEN. Debatte hat gezeigt: Unausgewogene Geschlechterverhältnisse vor und hinter der Kamera befördern den Missbrauch von Macht. –
FILM ANNA DE PAOLI FRANKFURTER MACHT POSITIONEN SCHULE ZUR ZUKUNFT Kinder und Jugendliche an Kunst und Film im besonderen heranzuführen, ist ein wichtiger Teil der Bildung. Inspiriert von der Debatte um die sen Ansatz, da wir glauben, dass Freiheit in künstlerisch-ge- stalterischen Entscheidungen notwendig ist, damit kreative Energie sich voll entfalten und andere mitreißen kann. DES DEUTSCHEN FILMS Frankfurter Positionen haben wir uns entschie- den, mit einem Modell voranzugehen, das jungen Dies zeigten auf eindrückliche Weise bereits die Werke, Fil- Menschen neue Zugänge eröffnet und gleichzei- me und Drehbücher, aber auch fotografische und literarische tig Filmemacher*innen an die Schulen bringt. Arbeiten, der beteiligten Filmschaffenden, die weltweit auf Festivals präsentiert wurden, renommierte Auszeichnungen Was die direkte Begegnung mit einer künstlerischen Persön- erhielten und ihr Publikum begeisterten. 24 lichkeit vermag, ist einzigartig: Sie weckt die Neugier auf eine ERGEBNISPAPIER 25 sensible Beobachtung und Wahrnehmung der Welt. Sie lässt Die Workshops werden bis Mai 2019 durch- die Kinder und Jugendlichen ihre eigenen Möglichkeiten des geführt, die Ergebnisse im Juli 2019 auf dem Als Edgar Reitz vor zwei Jahren Schirmherr des LICHTER Filmfest Frankfurt Interna- Wir sind überzeugt, dass die- künstlerischen Ausdrucks entdecken. Und sie lässt, im Me- Filmfest München präsentiert. tional war und grundlegende Reformen im deutschen Filmsystem forderte, machte ses Papier einen Weg aufzeigt, dium Film auf besondere Weise, erkennen, wie ein Kunstwerk in welche Richtung sich die er öffentlich, was fast allen Beteiligten schon seit längerem bekannt ist: Das System durch das Zusammenwirken vieler sehr unterschiedlicher Mit den Filmemacher*innen Silke Eggert, von Filmherstellung und -verbreitung in Deutschland befindet sich in einer Sack- Verhältnisse ändern können. Menschen entsteht. Susanne Heinrich, Alexander Janetzko, gasse. Es ist auf der Produktionsseite von verknöcherten Strukturen, langen Ent- Es versteht sich als Motor für Henrika Kull, Eva Lia Reinegger, Joya Thome, scheidungswegen und faulen künstlerischen Kompromissen gekennzeichnet und auf weitere Diskussionen, vor allem Wir möchten Kindern und Jugendlichen solche tiefen und Rosa Hannah Ziegler, Anna & Linus de Paoli der Distributionsseite von einem grundlegenden Wandel der Medienwelt betroffen. aber soll es ein Aufruf zu nachhaltigen Erfahrungen ermöglichen und damit auch einen konkreten Taten sein. In die- Beitrag zur Film-Vermittlung und cineastischen Kultur hier- Viele Menschen haben auf Aspekte dieser Herausforderungen Antworten gegeben. sem Sinne wünschen wir uns, zulande leisten. FILM MACHT SCHULE – MEET THE FILMMA- Dennoch wird häufig aneinander vorbeigeredet. Missverständnisse und Misstrauen dass möglichst viele, denen KERS ist eine 2018 ins Leben gerufene Initiative verhindern eine offene Debatte. Wir haben einen anderen Ansatz gewählt. Wir haben das Kino am Herzen liegt 9 Filmschaffende, deren Werke uns begeistert haben, gehen der Filmproduzentin Anna de Paoli. Sie führt die in Frankfurt Filmschaffende aus den verschiedensten Bereichen der Branche zu- – ob sie am Kongress teilge- als Botschafter*innen an von ihnen selbst gewählte Orte, Boutique Filmproduktion Schattenkante und ist sammengebracht und sie darum gebeten, zu diskutieren und konkrete Vorschläge zu nommen haben oder nicht –, i.d.R. Schulen, wo sie mit den Schüler*innen in selbstkonzi- parallel als Leitende Dozentin für Filmproduk- erarbeiten. Vorschläge, die ein breites Spektrum von Themen abdecken und dabei sich diesem Aufruf anschließen, pierten Workshops schreiben, inszenieren, in Bildern erzählen, tion an der Deutschen Film- und Fernsehakade- deutlich machen, dass an vielen Stellen Grundlegendes verändert werden muss, da- auch wenn sie nicht jeden ein- filmen, über Filme sprechen. Bei der Auseinandersetzung mit mie Berlin tätig. Die Durchführung der Projekte mit in diesem Land ein Aufbruch in Film und Kino beginnen kann. zelnen Vorschlag des Papiers Themen wie Geschlechterrollen, Herkunft und Integration in- von FILM MACHT SCHULE – MEET THE FILM- unterstützen. teressiert uns ganz besonders der ansonsten unterrepräsen- MAKERS übernimmt Junge Medien Thüringen Das vorliegende Papier ist das Ergebnis dieses Prozesses. Es wurde in drei Arbeits- tierte weibliche Blick. e.V., unterstützt von den Filmproduktionsfirmen gruppen erstellt, die in teilweise wechselnder Zusammensetzung unabhängig von- Die VeranstalterInnen des Schattenkante und Hahn Film. einander gearbeitet und dabei Impulse aus dem Kongressprogramm aufgenommen Kongresses Zukunft Deutscher Innerhalb eines vorgegebenen Rahmens haben die Filmschaf- haben. Es enthält zahlreiche Positionen zu verschiedenen Aspekten des Filmbetriebs, Film, Frankfurt, April 2018 fenden bei der Konzeption und Durchführung ihrer Workshops www.filmmachtschule.de die naturgemäß nicht von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Kongresses umfänglichen Gestaltungsspielraum. Wir wählen bewusst die- geteilt werden.
ERGEBNISPAPIER | FRANKFURTER POSITIONEN ZUR ZUKUNFT DES DEUTSCHEN FILMS Förderung hervorgebracht. Alleine der Branchen-Hype um die Ausnahme Toni Erdmann (Cannes-Teilnahme, Oscar Nominierung) zeigt, kommerziell akzeptabel und förderbar, alle anderen erhalten keine Förderung, sind also unkommerziell. Kunst und filmische Innovationen entstehen nicht unter kommerziellem Druck. Der Erfolg dieser Filme kann nicht und wie viel im deutschen Kinofilm brachliegt. Edgar Reitz und andere sprechen von dem „deutschen Gremienfilm“, dessen Untersucht man die Marktanteile deutscher Filme, so zeigt vorhergesagt und kommerziell eingeordnet werden, für die Beurteilung solcher Projekte bedarf es eines schärferen Sach- Finanzie- Produkte durch einen Mangel an Ecken und Kanten, durch die Vermeidung extremer Themen und Atmosphären, durch wenig sich seit 20 Jahren ein sehr stabiles Bild: die Filme mit mehr als 250.000 ZuschauerInnen decken zusammen 85-90% des verstandes, kuratorischer Unabhängigkeit und einer Transpa- renz, die im bisherigen System nicht gegeben ist. rung Diversität, aber auch durch immer ähnlichere Ästhetiken so- wie gleiche Dramaturgien voneinander ununterscheidbar und damit für das Publikum uninteressanter geworden sind. Marktes für deutsche Kinofilme ab, während die Gesamtheit der Filme unter 250.000 ZuschauerInnen konstant um die 10- 15% der Tickets für deutsche Filme ausmacht. Die Anzahl der Einsetzung von Kuratoren im Rotationsprinzip Künstlerische Entscheidungen sind individuelle Filme ist in diesen beiden Gruppen dabei sehr unterschiedlich. Entscheidungen. Sie können nicht von Gremien Hinzu kommt, dass mit der Vielzahl der Förderinstitutionen Während die nach FFA-Leitlinien erfolgreichen Filme 15-25 getroffen werden. Die Situation ein enormer Apparat entstanden ist, der selbst sehr viel Geld Titel pro Jahr ausmachen, gehen in der Gruppe unter 250.000 verschlingt. Die zahlreichen Gremien erzeugen einen absur- ZuschauerInnen jedes Jahr 60-90 Filme an den Start. Wir schlagen vor, in jeder Förderung, auf Bundes- wie auf den (und schlecht entlohnten) Arbeitsaufwand – für jede Landesebene, für die kulturellen Filme eine Kuratorin und ei- Fördersitzung müssen ca. 6-10 Leute jeweils um die 60-80 Geht man nun davon aus, dass der deutsche Film seit 20 nen Kurator einzusetzen, die jeweils alleinige Entscheidungs- Die aktuelle Finanzierungspraxis bringt Gremien- Drehbücher lesen und sich mit den Projekten eingehend aus- Jahren kommerziell in der Gruppe mit über 250.000 Zuschau- gewalt haben, und deren Stellen nach jeweils 3-4 Jahren filme hervor und lässt einen Kinofilm der Kunst- einandersetzen, was de facto kaum zu leisten ist. Deswegen erInnen erfolgreich ist, der künstlerische Anspruch und ein neu besetzt werden. Die Kuratorinnen und Kuratoren sollten freiheit vermissen. Die Finanzierung deutscher wird in der Praxis oft einfach das durchgewunken, was von kultureller „impact“ aber verfehlt werden, so liegt dies unse- bei der jeweiligen Förderung von einer Findungskommission Kinofilme ist inzwischen komplexer als die Filme etablierten FilmemacherInnen kommt, was an Bestehendes rer Meinung nach in erster Linie an dem Gremien-Auswahlver- eingesetzt werden, die mindestens zur Hälfte aus Kreativen selbst! Lasst uns die Finanzierung vereinfachen! erinnert oder eben gerade „en vogue“ ist. fahren mit seinen inhärenten Schwächen und den schwam- besteht. Die bisherigen Geschäftsführerinnen und Geschäfts- migen und intransparenten Kriterien für künstlerische Filme. führer der Förderungen bleiben für den organisatorischen Der deutsche Kinofilm ist maßgeblich von seiner Finanzie- Klares Bekenntnis zum Kinofilm der Kunstfrei- Da beide Gruppen, Filme über und unter 250.000 Zuschau- Ablauf der Förderungen zuständig. Es sollte auch gewähr- rungsform geprägt. Diese besteht einerseits aus den an vie- heit, kein Etikettenschwindel! erInnen aber in den meisten Gremien gemeinsam unter den leistet sein, dass die jeweiligen FörderreferentInnen für eine len Orten stattfindenden Förderungen mit öffentlichen Mitteln gleichen Kriterien beurteilt und gefördert werden, kann man optimale Vorbereitung der Entscheidung der KuratorInnen und andererseits aus der Beteiligung der öffentlich-rechtli- Wir halten es für dringend geboten, gegen die drohende Mo- feststellen, dass diese Praxis für 15-25 kommerzielle Filme beschäftigt bleiben. 26 chen Rundfunkanstalten an den Kinofilmproduktionen. Diese nokultur des deutschen Gremienfilms wieder einen Kinofilm im Jahr funktioniert, jedoch für den künstlerischen, radikalen 27 Finanzierungsbasis hat in den letzten Jahrzehnten kommer- der Kunstfreiheit zu ermöglichen und entschieden zu stärken und nicht an gängigen kommerziellen Mustern orientierten Anonymisierte Einreichung bei der Stoffentwick- zielle Erfolge und auch künstlerisch wichtige Filme hervorge- – ein Kinofilm, der sich auch in inhaltliche und ästhetische Film (unter 250.000 erwarteten ZuschauerInnen) nicht. Für lung sowie Vergabe von 20% der Produktions- bracht, wie auch Überschneidungen von beiden. Unbestreit- Extreme wagt. diese Projekte stellt die aktuelle Vergabepraxis nach gleichen mittel für kulturelle Filme im Losverfahren bar ist der Verdienst um die „Neuen deutschen Filme“ von den Kriterien einen Etikettenschwindel dar. 60er Jahren bis in die 90er des vergangenen Jahrhunderts. In Deutschland wird diese Art von Filmen oft nicht mehr ent- Interessanterweise verteilen sich die Fördersummen derzeit Um eine größtmögliche Chance für ungewöhnliche, innovative Auch der Anstieg des deutschen Marktanteils durch Komö- wickelt, weil die Entscheidungen in Fördergremien und Fern- ungefähr zu gleichen Teilen auf diese beiden Gruppen. Projekte auch von bisher nicht etablierten Filmschaffenden dien und andere deutsche Kassenerfolge verdankt sich dieser sehredaktionen seit langem in der Regel für einen Typus Film zu gewährleisten, sollte über die anfängliche Stoffentwick- Finanzierungsform. fallen, der sich am kleinsten gemeinsamen Nenner, einer Art lungsförderung auf der Grundlage anonymisierter Anträge „Middle-of-the-road“-Erzählung und -Ästhetik, orientiert. Das entschieden werden. Die Entscheidungen, welche Filme entstehen, liegt fast aus- basiert nicht auf „angeordneten“ Kriterien – diese Praxis ist Filmförderung Darüber hinaus sollen 20% der für die künstlerisch orientier- schließlich in der Hand von Fördergremien auf der einen, Fern- die Antwort auf Gremienentscheidungen, die das Extreme, ten Projekte zur Verfügung stehenden Produktionsmittel unter sehredaktionen auf der anderen Seite. In den letzten 20 Jah- das Ungewöhnliche, das Bodenlose und das ästhetisch Inno- den von den KuratorInnen nicht berücksichtigten Projekten ren sind die Auswahlprozesse zusammengewachsen, in fast vative in der Regel ausschließen. Stattdessen werden Filme verlost werden. allen Gremien sitzen nun auch RedakteurInnen, da sich die vor allem am Sujet gemessen und oft, vor allem im Fernsehen, 50% der Fördermittel für künstlerisch orientierte Fernsehanstalten immer mehr direkt an der Ausstattung der wird ein Element namens „soziale Relevanz“ eingefordert, das Filme Filmförderungen beteiligen. Im Gegenzug fordern die Sender noch aus dem intellektuellen Mainstream der 1970er Jahre mehr Einflussnahme sowie Förderung ihrer eigenen Filme, oft stammt. Wir fordern daher: Die deutschen Förderungen sollten das Sofortmaßnahmen reine TV-Produktionen. Insgesamt ist so ein Förder-TV-Kom- abbilden, was ohnehin der Fall ist, und in zwei Gruppen auf- plex für die Finanzierung deutscher Spielfilme entstanden, um Da kommerzielle Kriterien im Gegensatz zu künstlerischen geteilt werden, so wie es am Anfang der deutschen Förderge- dessen im weltweiten Vergleich üppige finanzielle Ausstat- Kriterien sehr leicht quantifizierbar sind, bleiben sie bei allen schichte schon einmal war. In einer Gruppe werden 50% der tung uns FilmemacherInnen in vielen Ländern beneiden. Entscheidungen in Gremien und Redaktionen präsent. Aus Mittel über ein klar an kommerziellen Zielen ausgerichtetes, Da ein solcher Systemwechsel sicherlich nur langsam durch- diesem Grund hat die FFA auch 2017 zu dieser „letzten In- stark automatisiertes Auswahlverfahren vergeben. In der setzbar ist, fordern wir einige Sofortmaßnahmen, um dem Nach unserer Wahrnehmung hat diese Finanzierungsform in stanz“ gegriffen und in ihren Leitlinien für die Gremien eine zweiten Gruppe werden 50% der Mittel über ein anderes Ver- Fördersystem, welches sich in 50 Jahren mit unklaren Förder- den letzten 20 Jahren aber auch immer weniger künstlerische, Fördergrenze von mindestens 250.000 zu erwartenden Zu- fahren vergeben, das primär künstlerisch orientierten Filmen kriterien verselbständigt hat, ein wenig Sauerstoff zuzuführen: ambitionierte und gesellschaftlich herausfordernde Filme schauerInnen definiert. Filme über diesen Erwartungen sind gerecht wird.
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