DER TAKTGEBER - Junge Deutsche Philharmonie

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DER TAKTGEBER - Junge Deutsche Philharmonie
DER
TAKTGEBER
Das Magazin der Jungen Deutschen Philharmonie
Ausgabe 46 / Sommer 2021

UTOPIE MIT KNALLBONBON
André de Ridder im Gespräch
mit Thilo Braun

DIE SPRACHE IST VOR ALLEM TON
Dr. Michael Hohmann zu der
Winter-Kammermusik TONADAS

MIT NACHSICHT UND VERSTÄNDNIS
Johanna Hempen über Hoffnung
in der Krise

   DA S UNF T S
   Z UK HE S TER
    OR C
DER TAKTGEBER - Junge Deutsche Philharmonie
2

    03    IM UNBEKANNTEN DIE BEREICHERUNG ERKENNEN
          Vorwort von Dr. Ina Hartwig, Dezernentin für Kultur und Wissenschaft
          der Stadt Frankfurt am Main

    04    UTOPIE MIT KNALLBONBON
          André de Ridder im Gespräch mit Thilo Braun

    08    DIE SPRACHE IST VOR ALLEM TON
          Dr. Michael Hohmann zu der Winter-Kammermusik TONADAS

    10    ZEHN WEGE ZUR MUSIK
          Rückblick auf den digitalen Wettbewerb Kammer?Musik!

    12    FAST WIE EIN ORCHESTERKONZERT
          Justin Auer über die Radiosendung
          der Jungen Deutschen Philharmonie auf hr2-kultur

    14    EIN MUSIKALISCHER SPAZIERGANG
          Rückblick auf die Sommer-Kammermusik
          HERBSTLIED

    16    AUS DEM NETZ
          Die Junge Deutsche Philharmonie
          in den sozialen Medien

    17    MIT NACHSICHT UND VERSTÄNDNIS
          Johanna Hempen über Hoffnung
          in der Krise

    18    KLÄNGE DER NATUR
          Rückblick auf das Musikvermittlungs-
          projekt Tears of Nature

    20    EINGESTIEGEN & AUFGESTIEGEN
          2 neue Mitglieder und 17 Stellengewinne

    21    AKTUELLES IN KÜRZE

    22    WISSEN, WER DAHINTERSTECKT
          Der Programmausschuss

    Manon Heider und Malte Weinig / Trompete
    (Titel: Stefanie Tran Thu / Viola)
DER TAKTGEBER - Junge Deutsche Philharmonie
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IM UNBEKANNTEN
DIE BEREICHERUNG ERKENNEN
Dr. Ina Hartwig, Dezernentin für Kultur und Wissenschaft
der Stadt Frankfurt am Main

—— Kultur ist eine lebensgestaltende Kraft                                                            Gesamtstruktur verschiedenster Aktivitäten,
für alle. Sie stiftet Gemeinsamkeit zwischen                                                          um sich öffentlich sichtbar machen zu können.
Menschen unterschiedlicher Herkunft, Lebens-                                                          Programme zu erarbeiten, sich an der Planung
alter und Interessen und fördert ihre Ent wick-                                                       und Durchführung überregionaler Probe-,
lung. Sie weckt Neugier und Aktivität. Sie hilft,                                                     Konzert- und Tourneephasen für einen Groß-
die Welt von heute zu verstehen und die                                                               klangkörper zu beteiligen, Tonträgerproduk-
Möglichkeiten von morgen auszuloten. Unsere                                                           tionen zu verwirklichen und andere wichtige
Gesellschaft ist auf die enorme Steuer ungs-                                                          Funktionsfelder der Musik zu bedienen, ergänzt
leistung kultureller Werte und Orientierungen                                                         die individuelle Qualifikation der Mitglieder
angewiesen. Denn es gehört zu den Besonder-                                                           um wertvolle praktische Fähigkeiten. Diese
heiten von Kunst und Kultur, dass sie den                                                             kommen auch den Gestaltungsmöglichkeiten
Zugang zu einer Welt eröffnen, in der uns die                                                         der späteren Berufsmusiker*innen zugute.
Zwänge des Alltags nicht gefangen halten.                                                                 Workshops, Vorträge und Diskussionen zu
    Dies gilt in besonderem Maße für die Musik.                                                       musikrelevanten Themen wie Musikvermitt-
Instrumente mit unterschiedlichen Klangfarben                                                         lung und zeitgemäße Interpretationspraxis, aber
ergänzen sich zu einem Orchester, einem musi-                                                         ebenso zum Selbstverständnis der Musiker*-
kalischen Werk, einem harmonischen Ganzen.                                                            innen in einer globalen, sich permanent verän-
Das lernen wir von der Musik. Aber auch,                                                              dernden Gesellschaft erweitern zusätzlich die
wie Kontraste, Disharmonien, vielfältige sich                                                         Perspektive und fördern gleichermaßen die
reibende und ergänzende Töne beeindruckende                                                           Eigenverantwortung und Selbstständigkeit.
Hörerlebnisse erzeugen können. Deshalb för-         in die gemeinsame Musik ein, testen Grenzen
dert Musik das menschliche Vermögen, im Un-         aus, brechen traditionelle Hörgewohnheiten auf    Zwischen Studium und Beruf versteht sich die
bekannten und Neuen die Bereicherung erken-         und ermöglichen so die Entstehung außerge-        Junge Deutsche Philharmonie als „Zukunfts-
nen zu können.                                      wöhnlicher Klang- und Konzerterfahrungen.         orchester“, in dem die Musik welt von morgen
    Vielleicht muss gerade in der aktuellen, von    Damit unterstützen die jungen Künstler*innen      gestaltet wird. Das passt zu Frankfurt am Main,
der Corona-Pandemie so stark beeinträchtigten       in besonderer Weise die Wahrnehmungs- und         einer Stadt, in der die Herausforderungen der
Zeit deutlicher hervorgehoben werden, dass          Erlebnisfähigkeit des Publikums und tragen zu-    Moderne schon früh wie ein Seismograph für
Künstlerinnen und Künstler mit ihrer Arbeit         dem zur künstlerischen Fortentwicklung der        grundsätzliche Ent wicklungen unserer Zeit
Hoffnung, Orientierung und Utopien vermit-          Musik bei.                                        spürbar waren und sind.
teln, dass die spielerische Energie der Künste zu       Als selbstverantwortliches, basisdemokra-
unverhofften Erkenntnissen führen kann und          tisch organisiertes Ausbildungsorchester bietet
dass die erlebte kreative Phantasie in der Kunst    die Junge Deutsche Philharmonie ihren 18- bis
zur bedeutsamen Erweiterung der eigenen             28-jährigen Mitgliedern nicht nur musikalisch
Handlungsfähigkeit inspiriert.                      außergewöhnliche Ent wicklungs- und Erfah-
    Das trifft auch für die künstlerische Arbeit    r ungsmöglichkeiten, etwa durch die Zusam-
der Jungen Deutschen Philharmonie zu, deren         menarbeit mit international renommierten
junge internationale Mitglieder immer wieder        Dirigent*innen, Solist*innen und Komponist*-
unter herausragenden Musikerinnen und Musi-         innen, sondern ebenso auch in kuratorischer
kern deutschsprachiger Musikhochschulen aus-        und organisatorischer Hinsicht. Denn als pro-
gewählt werden. Sie bringen ihre Qualität wie       fessionell agierendes Sinfonieorchester benö-
ebenso ihre Energie und Experimentierfreude         tigt die Junge Deutsche Philharmonie eine
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UTOPIE
MIT KNALLBONBON
André de Ridder im Gespräch mit Thilo Braun
über die Herbsttournee FREIGEIST

Die Pandemie hat die Planung der Herbsttour-           Paris“. In Frankfurt war er in der Spielzeit        Die Modewelt wird manchmal als oberflächlich
nee 2021 gehörig durcheinandergewirbelt. Von           2020/2021 Composer in Residence beim hr-            und rein kommerziell kritisiert. Ähnlichen Vor-
vier Stücken, die im vergangenen Taktgeber             Sinfonieorchester, dort konnte man seine Musik      würfen muss sich auch die sogenannte U-Musik
angekündigt wurden, ist gerade einmal eines            also auch im Konzertsaal erleben. Ich persönlich    stellen, der im klassischen Konzertbetrieb von
geblieben – Mozarts Klavierkonzert Nr. 22.             kenne ihn schon lange und arbeite sehr gerne        manchen Leuten Verflachung vorgeworfen wird.
Ansonsten ist (fast) alles anders:                     mit ihm zusammen.                                   Kannst du solche Ängste nachvollziehen – oder
Für Constantinos Carydis sprang kurzfristig André                                                          sind die Schubladen ein Problem?
de Ridder als Dirigent ein – und im Eiltempo hat       Three Hundred and Twenty ist ursprünglich           —— Ich finde Schubladendenken immer prob-
er gemeinsam mit dem Programmausschuss                 nicht für den Konzertsaal entstanden, sondern       lematisch, denn Verflachung kann es in allen
der Jungen Deutschen Philharmonie auch die             war ein Auftragswerk für eine Pariser Moden-        Kunstformen geben, egal ob in Pop, Klassik
Auswahl der Stücke überarbeitet. Nun passt sie         schau von Louis Vuitton. Was macht es aus           oder Neuer Musik. Mir gefällt der englische Be-
sowohl zum Hygienekonzept als auch zur ge-             deiner Sicht so spannend, dass es ins Konzert-      griff der Contemporary Music ganz gut, denn
meinsamen Vision.                                      programm musste?                                    damit ist jede Art der zeitgenössischen Musik
                                                       —— Grundsätzlich finde ich es schon sagen-          gemeint. Das kann Jazz ebenso sein wie Hip-
Die Tournee der Jungen Deutschen Philharmonie          haft, dass dort nicht ein existierendes Stück als   Hop, avantgardistische Elektronik oder neue
wird in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana          Backgroundmusik zur Modenschau genommen             Orchestermusik. Diese Breite vermisse ich in
starten. Ljubljana ist eine hippe Universitätsstadt,   wurde, sondern dass tatsächlich speziell für        Deutschland manchmal, auch wenn Konzert-
in der einem aber doch permanent die Vergan-           diese Gelegenheit ein Werk in Auftrag gegeben       häuser wie die Hamburger Elbphilharmonie
genheit entgegenweht: Römische Ausgrabungen,           wurde. Ich war damals dafür zuständig, mit          zeigen, wie es anders gehen kann. Gerade im
prunkvolle Jugendstil-Fassaden, sowjetische            einem kleinen Orchester im Vorfeld eine Play-       Grenzbereich zwischen den Genres entstehen
Wohnblocks. Passend dazu wirft das Orchester           back-Version aufzunehmen. Darüber hat dann          oft die spannendsten Projekte.
auch im Programm Zeiten und Stile durcheinan-          ein Chor live gesungen, die Sängerinnen und
der – Mozarts Klavierkonzert steht neben von           Sänger standen hinten auf der Tribüne, und im       Mit 8-Bit Noir spielt ihr in Ljubljana, Aschaffen-
YouTube inspirierten Collagen, eine Schumann-          Vordergrund liefen die Models über den Cat walk.    burg und Friedrichshafen auch ein zeitgenössi-
Sinfonie trifft auf Musik einer Pariser                                                                    sches Werk der Komponistin Nicole Lizée. Der
Modenschau.                                            Bei YouTube kann man sich das Spektakel anse-       Titel erinnert mich an Gameboy-Musik aus
                                                       hen – der Chor trägt Kostüme aus ungefähr drei      den 90ern – ist das auch so ein Grenzbereich?
Als André de Ridder zum Interview am Bild-             Jahrhunderten: barocke Perücken, Halskrausen        —— Absolut. Nicole Lizée arbeitet als Kompo-
schirm erscheint, steckt er gerade im Quaran-          der Renaissance, klassizistische Gewänder. Ein      nistin mit elektronischen Gadgets, die sie
tänehotel in Dublin fest. Zwischen Marmela-            faszinierender Kontrast zur futuristischen          zweckentfremdet. Ihr Vater war Ingenieur und
denbrot und Kaffeetasse sitzt er vor dem               Kollektion im Vordergrund!                          sammelte in seiner Werkstatt alte Elektrogeräte.
Laptop und spricht enthusiastisch über das             —— Was mir daran gefällt: Die alten Kostüme         Die Klänge solcher oft halb kaputten, aber doch
Programm der Herbsttournee.
                                                       waren ja alle irgendwann mal Avantgarde. Und        noch dröhnenden und summenden Gegen-
                                                       dieses Nebeneinander von alt und neu spiegelt       stände haben sie bereits damals fasziniert. Solche
                                                       sich in der Musik. Bryce Dessner hat seinem         Fundstücke sammelt Lizée heute im Digitalen,
Thilo Braun: Mit Three Hundred and Twenty              Werk ein Orgelstück aus dem frühen 18. Jahr-        etwa auf YouTube. Sie nimmt trashige Videos
steht ein Werk von Bryce Dessner und Woodkid           hundert zugrunde gelegt. Am Anfang bildet ein       als Basis und macht daraus Musik, indem sie das
im Programm. Dessner kennen viele vermutlich           Orgelchoral die Basis, wie ein Loop, und daraus     Original elektronisch verfremdet oder loopt.
als Leadgitarristen der Indie-Rockband The             entwickelt es sich weiter. Außerdem kommt           Aus solchem Material hat sie in 8-Bit Noir dann
National. In einem klassischen Konzert erwar-          noch der Einfluss des französischen Elektronik-     motivisch ein Orchesterstück entwickelt, in dem
tet man so einen Komponisten eher weniger ...          Musikers Woodkid dazu, der zugleich Musik-          diese aufgenommenen Sounds mit den Live-
—— André de Ridder: Bryce Dessner kommt                berater des Modeschöpfers Nicolas Ghesquière        Instrumenten interagieren.
tatsächlich von der klassischen Neuen Musik, er        ist. Diese Mehrdimensionalität passte zur
hat im Ensemble von Steve Reich gespielt und           Kollektion von Louis Vuitton, funktioniert aber     In einem Interview sollte Nicole Lizée das Stück
am Pariser Konservatorium klassische Gitarre           auch gut in der reinen Instrumentalfassung, die     mal im Stil einer Netflix-Serie beschreiben. Sie
studiert – er war sozusagen „The American in           wir im Konzert spielen werden.                      antwortete: „Ein bösartiges Wesen mit Lo-Fi-
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Tendenzen erscheint ohne Vorwarnung in den            wofür man stehen möchte. Professionalität ist       im gleichen Raum mit ihnen Musik zu machen.
Häusern der Menschen – die Verwirrung weicht          dabei wichtig, was aber nicht heißt, dass man       Außerdem ist das Besondere an der Jungen
dem Terror und dem Chaos.“ Klingt gefährlich ...      die Profession nicht modernisieren darf. Nur        Deutschen Philharmonie, dass sie sich als
—— Es ist vor allem ziemlich lustig und ab-           dabei muss eben alles immer auf dem höchst-         Nachwuchsorchester immer wieder neu finden
surd. Die Komplexität des Konzepts ist sehr           möglichen Niveau passieren. Das ist auch eine       muss, weil die Studierenden natürlich irgend-
hoch. Die Geschichte geht ungefähr so, dass die       Frage der Ausbildung: Ist die noch zeitgemäß?       wann ins Berufsleben eintreten. Und diese
alte Technik plötzlich auftaucht und die Musik        Was bedeutet es, ein*e moderne*r Orchester-         Möglichkeit, gemeinsam einen Klangkörper zu
„auffrisst“. Das ist ziemlich dadaistisch. Übri-      musiker*in zu sein? Man kann sich heute nicht       formen und einen Spirit zu entfachen – darauf
gens beschränkt sich das Theatralische nicht          mehr darauf verlassen, eine Fest anstellung zu      freue ich mich sehr.
nur auf einen Film, der im Hintergrund zu             finden. Es gibt schon Länder wie England, da
sehen ist, sondern auch das Orchester wird un-        bestehen selbst große Orchester allein aus Free-    ***
gewöhnliche Dinge tun. Ich will nicht zu viel         lancer*innen. Da herrschen andere Bedin-            Thilo Braun
verraten, aber Knallbonbons werden dabei              gungen, Musiker*innen müssen auch in der            Musikjournalist
ebenfalls eine Rolle spielen ...                      Lage sein, Filmsessions zu spielen, mit Klick zu
                                                      spielen, müssen sich in verschiedene Stile hin-
Neben solchen ausgefallenen Werken gibt es mit        einversetzen können. Deswegen ist die Junge
Schumanns vierter Sinfonie und einem Klavier-         Deutsche Philharmonie auch so spannend, weil
konzert von Mozart auch Klassisches im Pro-           sie als Ensemble nicht nur in die Musikszene
gramm. Als Solist ist Kit Armstrong dabei, ein        und Orchester wirken kann, sondern auch an-
junger Pianist, der nicht nur für sein virtuoses      ders herum in die Ausbildung an den
Spiel, sondern auch für sein Interesse an Philo-      Hochschulen.
sophie und Naturwissenschaften bekannt ist.
Hat dieser Blick über den Tellerrand bei der Aus-     Euer Konzert in Frankfurt findet im Rahmen
wahl des Solisten eine Rolle gespielt?                des Fratopia-Festivals statt. Dort sollen gesell-   FREIGEIST
—— Kit Armstrong passt damit absolut zur              schaftliche Utopien für die Stadt Frankfurt ent-    Herbsttournee 2021
Jungen Deutschen Philharmonie. Es geht dem            stehen, ausgelöst durch Musik. Was für eine
Orchester ja nicht nur darum, über den eigenen        Utopie bringt ihr mit?                              SOLIST                 Kit Armstrong, Klavier
Tellerrand zu schauen, sondern es steht selbst        —— Die Utopie ist erstmal die des Überlebens.
auch für eine zukünftige Generation professio-        Unser Anliegen ist es, mit lebendiger Orches-       DIRIGENT               André de Ridder
neller Musikerinnen und Musiker. Gerade das           ter musik und klassischer Musik weiterhin die
vergangene Jahr hat gezeigt, wie immens wich-         Menschen zu erreichen; sie gerade nach diesem       PROGRAMM
tig es dabei ist, sich nicht nur über die „hehre      letzten Jahr spüren zu lassen, wie vital und not-   Bryce Dessner (*1976) / Woodkid (*1983)
Kunst“ zu unterhalten. Man muss sich auch             wendig das ist. Ich wünsche mir, auch ein neu-      Three Hundred and Twenty (2020)
Fragen stellen wie: „Warum Musik?“ oder               es Publikum zu erreichen. Dieses Konzert ist da
„Warum Neue Musik?“. Warum sind Konzerte              vielleicht schon ein Weg hin zur Einlösung          Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)
und Orchester denn wirklich notwendig für             dieser Utopie, weil es Klassiker in einem           Konzert für Klavier Nr. 22 Es-Dur KV 482
eine Gesellschaft? Und dazu muss man sich             neuen Licht erscheinen lässt, interpretiert von
manchmal auch in gesellschaftliche Debatten           jungen Musiker*innen, im Wechsel mit neuen          Nicole Lizée (*1973)
einmischen und kann nicht nur sagen: „Wir             Kompositionen.                                      8-Bit Noir (2019)
wollen spielen, also öffnet die Häuser!“
                                                      In Frankfurt wird das Orchester im Parkett          Robert Schumann (1810–1856)
Die Junge Deutsche Philharmonie nennt sich            spielen statt auf der Bühne. Was ist der Gedanke    Sinfonie Nr. 4 d-Moll op. 120
ganz selbstbewusst ein „Zukunftsorchester“.           dahinter?                                           (Originalfassung von 1841)
Was ist denn in Zukunft wichtiger für Orchester-      —— Das war die Idee von Dr. Markus Fein, dem
musiker*innen: jung und wild sein – oder gut          Intendanten der Alten Oper. Ich finde sie sehr      Die Reihenfolge und Auswahl der Werke
ausgebildet und künstlerisch anspruchsvoll?           gut, weil das den Zuhörer*innen die Möglich-        wechselt je nach Veranstaltungsort.
—— Das „junge Wilde“ interessiert mich ehr-           keit gibt, dem Orchester näherzukommen –
lich gesagt überhaupt nicht. Orchester der            und auch wir als Orchester kommen dem               KONZERTE
Zukunft zu sein, das beschreibt zunächst ein-         Publikum näher. Wir sind alle auf einem Level       SA 25.09.2021/ 20.00 Ljubljana,
mal die Wirklichkeit: In der Jungen Deutschen         und können damit sozusagen mit demokrati-                                Cankarjev Dom
Philharmonie versammelt sich die Elite der in         scheren Ohren hören.                                MO 27.09.2021/ 20.00 Erlangen,
Deutschland studierenden Musiker*innen. Und                                                                                    Heinrich-Lades-Halle
damit bilden sie per Definition die Zukunft der       Für dich ist diese Tournee die erste Begegnung      DI 28.09.2021/ 20.00 Frankfurt, Alte Oper
Orchester ab. Das ist eine tolle Sache, aber es ist   mit der Jungen Deutschen Philharmonie.Worauf        MI 29.09.2021/ 20.00 Köln, Philharmonie
auch eine Riesenverant wortung. Deswegen ist          freust du dich am meisten?                          DO 30.09.2021/ 20.00 Friedrichshafen,
es wichtig, dass man sich nicht nur über schöne       —— Zunächst einmal darauf, die Musiker*-                                 Graf-Zeppelin-Haus
klassische Programme Gedanken macht oder              innen, die ich bisher nur in Videokonferenzen       FR 01.10.2021/ 19.30 Aschaffenburg,
spielt, was Spaß macht, sondern auch definiert,       kennengelernt habe, persönlich zu treffen und                            Stadthalle
DER TAKTGEBER - Junge Deutsche Philharmonie
Rana Begum, WP 412 (Detail) © Begum Studio, Courtesy of Jhaveri Contemporary

                                                                                          27.3.2021–7.2 .2 02 2

                                                                                 Ways of
                                                                               Seeing
                                                                                Abstraction
                                                                               Works from the
                                                                               Deutsche Bank Collection

                                                                                        Mi – Mo 10 – 19 Uhr, Do bis 21 Uhr
                                                                                        Unter den Linden 5, 10117 Berlin
                                                                                        db-palaispopulaire.de
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DIE SPRACHE
IST VOR ALLEM TON
Dr. Michael Hohmann zu der Winter-Kammermusik TONADAS

Die Junge Deutsche Philharmonie beteiligt          die Internationale Ensemble Modern Akademie      Am 6. Februar 2021 hat die Junge Deutsche
sich seit 2012/2013 an den Musikreihen             (IEMA) zu Hause. Nun haben wir neben unse-       Philharmonie ihr Kammermusikprogramm
der Romanfabrik. Wie kam es zu der                 rem Standbein, der Literatur, auch ein schönes   TONADAS in der Romanfabrik aufgeführt.
Zusammenarbeit?                                    Spielbein, die Musik, in unserem Angebot,        Erzählen Sie uns etwas über die programmati-
—— Im alten Gewerbegebiet am Osthafen, wo          sodass langsam die Idee von einer Zusammen-      schen Hintergründe.
wir seit 1999 zu Hause sind, kann man sich ne-     arbeit in mir keimte. Die Junge Deutsche         —— Im Sommer 2019 starteten wir in der
ben all den Autohäusern als Kulturverein schon     Philharmonie griff das Angebot einer Zusam-      Romanfabrik die Reihe „Café Europa – Vorträge
ein bisschen einsam fühlen. Ein Blick in die       menarbeit vor knapp zehn Jahren freudig auf,     und Debatten zur Identität Europas“. Wir woll-
Nachbarschaft genügt aber, um zu sehen, dass       die IEMA sagte vor zwei Jahren zu, und dieses    ten der Bedeutung des Begriffs Europa auf die
die vermeintliche kulturelle Isolation ein         Jahr kooperieren wir zum ersten Mal mit allen    Spur kommen, wollten Europa von allen mög-
Trugbild ist. Denn nur ein paar Schritte von der   drei Musikinstitutionen aus der Schwedler-       lichen Seiten beleuchten. Das Konzept lief aufs
Romanfabrik entfernt sind das Ensemble             straße, das Ensemble Modern war am 25. Juni      Begriffliche hinaus, aufs Definieren. Die sinnli-
Modern, die Junge Deutsche Philharmonie und        2021 in der Hanauer Landstraße zu Gast.          che Erfahrungswelt, die ästhetische Wahr neh-
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mung aber, wie wir sie in der Musik und der        Dominanz. Das von der Jungen Deutschen             nische und lateinamerikanische Literatur wur-
Literatur erleben, blieben außen vor. Musik        Philharmonie entwickelte Programm entsprach        de den Entstehungsphasen der Kompositionen
und Literatur in Europa haben seit dem Mittel-     bis aufs Tüpfelchen über dem I den Vorüber-        zugeordnet. Nun steckt in der Sprache schon
alter Sprach- und sonstige Grenzen im Fluge        legungen. Der Reihentitel „Europas Musik und       ein Ton, bevor diesem eine Bedeutung beige-
überschritten; die Schöpfer großer Werke, vor      ihre Verbreitung“ wurde durch TONADAS,             messen wird. Das ist etwas Verbindendes. Und
allem in der Musik, hatten keinerlei Vorstellung   durch die Lieder und Weisen des musikalischen      dank dieser Verbindung entstehen zwischen
von Nationalkultur, sie waren, meist an Höfen      Programms, belegt. Der Abend des 6. Februar        Literatur und Musik immer wieder Anstöße,
engagiert, immer Europäer. Die Vorstellung, es     2021 fand wegen der Corona-Pandemie leider         für die Künstler auf der Bühne wie fürs Publi-
gäbe einen musikalischen Nationalcharakter, war    ohne Publikumspräsenz statt. Umso erfreuli-        kum. Diese sind in der Rezeption der Wahr-
eine kurze und vorübergehende Erscheinung.         cher, dass einerseits die Musiker und der betei-   nehmung eines Traumes ähnlich, dem man nie
    So entstand die Idee einer kleinen Reihe,      ligte Schauspieler sich wunderbar verstanden,      ganz auf den Grund kommt. Was bleibt, ist die
die dem Prinzip des „Café Europa“ entsprach        sich gegenseitig zu einem umwerfenden Spiel        alte Frage: Wie kann es sein, dass jahrhunder-
und dieses zugleich weiterführte. Ausgangs-        anstachelten, andererseits die Zuschauer im        tealte Musik und Literatur immer noch Genuss
punkt war die Idee, dass auch die sinnliche Er-    Chat der Livesendung ihr Glück, dies erleben       und Freude bereiten können? Karl Marx hat auf
fahrung, die sich ganz von alleine beim Hören      zu können, sich von der Seele schrieben.           diese Frage in seinen Grundrissen der Kritik der
von Musik und beim Lesen von Romanen oder                                                             politischen Ökonomie eine vorsichtige Antwort
Gedichten ergibt, zur Erkenntnis der Welt,         Das musikalische Programm wurde um eine            gefunden: Weil wir dabei zurückblicken kön-
Europas, und so weiter, beitragen kann. Ein        Lesung des Schauspielers Wolfram Koch er-          nen auf die Menschheit in jüngeren, in jugend-
zweiter wichtiger Aspekt sollte eine Rolle spie-   gänzt. War dies die erste Zusammenarbeit mit       lichen Jahren.
len: Die Musik und die Literatur Europas ste-      Wolfram Koch? Welchen Wert schafft die
hen, schon seitdem sie über die „Eroberung“        Verknüpfung von Musik und Literatur für das        ***
der Welt durch Europäer in alle Welt getragen      Publikum?                                          Die Fragen stellte Linda Knauer,
wurden, im Austausch mit den Kulturen der          —— Die Romanfabrik arbeitet schon seit             Öffentlichkeitsarbeit & Marketing / Education.
Länder Amerikas, Afrikas und so weiter: im         Jahren gerne und immer wieder mit Wolfram
Austausch mit deren Sprachen und Musiken           Koch zusammen, er hat eine starke Bühnen-
und Literaturen. So entstanden schnell Anstö-      präsenz und zeichnet sich durch eine großarti-
ße und Resonanzen, offene und kommunizie-          ge Kollegialität aus. Die Auswahl der Texte
rende Systeme, anfangs mit europäischer            entsprach dem musikalischen Programm: Spa-
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ZEHN WEGE ZUR MUSIK
Rückblick auf den digitalen Wettbewerb Kammer?Musik!

—— Es ist der 16. April 2021. Aufgeregt habe ich die gerade online ge-     den entscheidenden Impuls zur Veranstaltung eines Wettbewerbs gibt,
gangene Website unseres Wettbewerbs Kammer?Musik! aufgerufen und           konkretisieren sich auch schon bald die Pläne. Es wird in Windeseile eine
drücke gespannt beim ersten Video auf Play: Unsere Geigerin Annabel        Website erstellt, ein Titel für den Wettbewerb gefunden, und kurz darauf
Nolte erscheint mit sehr tief sitzender Brille auf meinem Bildschirm und   fordern wir unsere Mitglieder per Mail dazu auf, sich in dreiminütigen
liest extrem deutlich von ihrem Tablet vor: „Zoltán Kodály, geboren im     Videos mit ihrem Ensemble um ein Coaching durch Mitglieder eines un-
Dezember 1882, war ein ungarischer Komponist, Musikpädagoge und            serer Partnerorchester zu bewerben. In den Videos sollen Werke so ange-
Musikethnologe. Das Duo für Violine und Violoncello entstand 1914, am      teasert und vorgestellt werden, dass beim Publikum die Lust erweckt
Vorabend des Ersten Weltkriegs, und zwar als unmittelbarer Ausdruck        wird, das ganze Werk zu hören. Das Publikum bestimmt, wer sich über
von …“. Als hätte man beim Schneiden dieses Videos ein Gähnen im           ein professionelles Fotoshooting mit Salar Baygan und ein Coaching freu-
Publikum vorausgeahnt, wird vorgespult und schließlich die spießige        en darf. Damit man nicht nur für Musiker:innen, die man kennt, ab-
Musikgeschichtsvorlesung abgebrochen. Es ertönt die Stimme von             stimmt, müssen beim Voting drei Stimmen abgegeben werden, und um
Annabels Duopartnerin, der Cellistin Karolin Spegg: „Du findest klassi-    Bevorzugung durch die Reihenfolge der Videos zu vermeiden, werden
sche Musik langweilig? Dann kennst du noch nicht das Duo für Violine       bei jedem Aufruf der Website die Videos nach dem Zufallsprinzip neu
und Violoncello von Zoltán Kodály. Dieses Stück enthält alles, was auch    angeordnet. Außerdem wählen die Partnerorchester weitere Ensembles
ein guter Blockbuster enthalten würde.“ Begeistert sitze ich vor meinem    für die Coachings aus.
Laptop und verfolge, wie die „epischen“, „stimmungsvollen“, „actionrei-        Über die Motivation zur Teilnahme am Wettbewerb sagt das Elia
chen“, „unglaublich coolen“ und „total verrückten“ Teile des Stücks an-    Quartett: „Beim Wettbewerb teilgenommen haben wir in erster Linie,
gespielt werden. Schon nach dem zweiten Video ahne ich, dass es mir        weil wir den ‚Auftrag‘, der dahinterstand, toll fanden. Hier ging es eben
sehr schwerfallen wird, mich bei der Abstimmung für den Publikumspreis     nicht um ‚Wer spielt am besten?‘, sondern um die Vermittlung der Musik,
zu entscheiden.                                                            und zwar nicht nur an bereits musikbegeisterte Konzert-Besucher:innen,
                                                                           sondern auch an Menschen, die sonst vielleicht überhaupt nicht im Kon-
Doch wie kam es überhaupt zu dem Wettbewerb?                               takt mit der klassischen Orchester- und Kammermusikszene sind. Wenn
Mitte Februar: Nachdem uns die Pandemie zur vierten Absage einer gro-      man sich die Fragen stellt ‚Was ist es an diesem Stück, das Zuhörer:innen
ßen Arbeitsphase gezwungen hat, sitzen wir mit rauchenden Köpfen in        catcht? Und wie bringen wir das in drei Minuten zum Ausdruck?‘,
der Vorstandssitzung. In dieser ziellosen Zeit möchten wir unseren         beschäftigt man sich als Musikerin noch mal auf eine andere Weise mit
Mitgliedern den Wunsch nach Kammermusik als Ersatz für die ausgefal-       einem Werk. Sich außerdem beim Videodreh kreativ auszuleben und sich
lene Frühjahrstournee erfüllen. Aber sollen sie einfach nur das Ergebnis   dabei selbst nicht allzu ernst zu nehmen, macht einfach unglaublich
der Probenarbeit als 100. Streamingkonzert präsentieren? Schnell wird      Spaß! Außerdem war es für uns natürlich schön, in der Corona-Zeit ein
uns klar, dass wir lieber neue Formate mit kreativen Ansätzen zur          Projekt und ein Ziel als Ensemble zu haben, an dem man gemeinsam
Musikvermittlung entwickeln möchten. Nachdem der Kulturmanager             arbeiten konnte; somit war der Wettbewerb für uns auch eine Art Ersatz
Folkert Uhde uns in einem Telefonat mit Geschäftsführerin Carola Reul      für andere, ausgefallene Projekte.“

Annabel Nolte vom Duo Annabel & Karo doziert über Zoltán Kodály.           Das mondëna quartet beim Coaching mit Jagdish Mistry vom Ensemble Modern.
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Zehn Einsendungen mit mitreißenden Vermittlungsideen                        beim Ensemble Modern, und uns, als wir dann live und in Farbe zusam-
Im Video des Trio Rarità erklärt Flötistin Luca Höhmann zum 2. Satz aus     menarbeiten konnten. Es ging bei unserem gemeinsamen Vormittag viel
dem Trio von Erwin Schulhoff: „Der Furiant ist ein sehr wilder und          um den Sound und die Balance des Ensembles, die Einzigartigkeit und
schneller Tanz und hat einen etwas vertrackten Rhythmus, der uns            die Kombinationsmöglichkeiten der Instrumente. Neben der Arbeit am
manchmal auch ein bisschen schwerfällt.“ Groovend macht sie ihn vor:        Stück selbst erhielten wir zahlreiche neue Impulse aus dem Blickwinkel
„EINS zwei drei VIER fünf EINS zwei drei VIER fünf … Ich find’ den          eines Neue-Musik-Experten, die wir in die Arbeit des nächsten Borsch-
Rhythmus irgendwie total gut, weil man hat Lust zu tanzen und eksta-        Halbjahres mitnehmen können. Für die gemeinsame Arbeit an dem Air
tisch ums Feuer herum zu hüpfen.“ Lucas leuchtende Augen lassen den         selbst war ein Gedanke zentral: Wie diesen Klassiker verfremden, damit
Funken sofort überspringen. Und das Nerida Quartett beantwortet gegen       es kein Klassiker mehr ist, aber trotzdem einer bleibt, in Form einer neu-
Ende seines Videos die Frage, für wen Ligetis Métamorphoses Nocturnes       en, eigenen Komposition? Das Arrangement hat sich wieder ein Stück
geeignet ist, mit „für Freunde der ungarischen Volksmusik“, „für Techno-    verändert, und der Kreativprozess geht mit neuen Eindrücken weiter.“
Fans“, „für Walzer-Liebhaber“ und zum Schluss augenzwinkernd mit                Die Musikerinnen des neu gegründeten Elaia Quartetts freuen sich
„und für alle anderen“. Wer sich für kreative Vermittlungsansätze inter-    besonders über den gewonnenen Publikumspreis: „Gerade für uns als
essiert, auch von Bass Partout, Odeon Trio und Duo Lubin, kann sich         junges Ensemble ist natürlich die Zusammenarbeit mit Profi-Orchestern,
nach wie vor die Einsendungen auf der Website jdph-kammermusik.de           die sich durch den Wettbewerb ergeben hat, sehr spannend und wertvoll;
anschauen.                                                                  unser Coaching mit Christian Atanasiu von den Düsseldorfer Sympho-
    Mittlerweile haben einige der gewonnenen Coachings schon stattge-       nikern war für unsere Arbeit am Stück und überhaupt als Ensemble un-
funden. Julia Panzer, die mit ihrem mondëna quartet ein Coaching mit        glaublich hilfreich. Außerdem hatten wir durch das Teilen der Videos in
Jagdish Mistry vom Ensemble Modern gewonnen hat, schwärmt: „Das             der Abstimmphase die Möglichkeit, auf unser Quartett aufmerksam zu
Besondere für uns war, dass es unser allererstes gemeinsames Coaching       machen, was einem recht neu gegründeten Ensemble natürlich sehr
als Quartett war und Jagdish es geschafft hat, dass wir die Episoden mit    entgegenkommt.“
neuen Augen und Ohren wahrnehmen und auf ein neues Level anheben                Auch bei der Entstehung dieses Wettbewerbs hat sich die Weisheit
konnten. Er hat sehr viel mit Bildern gearbeitet, so sind wir musikalisch   „Not macht erfinderisch“ bewahrheitet. Ich freue mich jedenfalls sehr auf
von tiefen Depressionen bis hin in die weiten Felder Ungarns gereist. Die   die zweite Ausgabe von Kammer?Musik! im Frühjahr 2022 und bin
Stimmung war total energiegeladen, und wir sind sehr fröhlich und moti-     schon gespannt, welche musikalischen Werbespots uns dann aus der
viert aus diesem Coaching rausgegangen.“                                    Mitgliedschaft erreichen.
    Christoph Rehorst, Kontrabassist bei Borsch4Breakfeast, erzählt: „Im
April haben wir uns mit unserer Bearbeitung des Air aus der dritten         ***
Orchestersuite von Johann Sebastian Bach um ein Coaching beworben.          Stefanie Tran Thu / Viola
Die Aufnahme entstand mit vielen Kilometern Abstand auf digitalem           Mitglied im Orchestervorstand
Wege. Umso größer war die Energie bei Hermann Kretzschmar, Pianist

So sah der Videobeitrag von Borsch4Breakfast zu Bachs Air aus.              Das Duo Lubin hat Jean-Marie Leclairs Sonate für zwei Violinen op. 3 Nr. 2 vorgestellt.
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FAST WIE EIN
ORCHESTERKONZERT
Justin Auer über die Radiosendung der Jungen Deutschen Philharmonie auf hr2-kultur

         Foto: Musikjournalistin Ursula Böhmer interviewt Geschäftsführerin Carola Reul für die Radiosendung der Jungen Deutschen Philharmonie.

Justin, die Junge Deutsche Philharmonie hat                wir dann mit Leben gefüllt, zum Beispiel mit                  sendung im Allgemeinen und die Entwicklung
die Folge der Sendung „Musikland Hessen“ am                Interviews, Beiträgen, O-Tönen, Musikbei-                     eines roten Fadens, der die Hörenden durch die
5. Juni 2021 gestaltet. Wie kam es dazu?                   spielen, Geschichten und vielem mehr ...                      Sendung leitet.
—— Der Hessische Rundfunk, genauer gesagt                                                                                Es hat tatsächlich ein bisschen gedauert, bis wir
die Redakteurin Susanne Pütz, kam mit einer                Ihr habt über Monate hinweg in Workshops mit                  uns wirklich in die Radiowelt einfühlen konn-
Anfrage auf uns zu, eine Ausgabe von „Musik-               der Redakteurin Susanne Pütz an dem Programm                  ten, aber dann hat es uns sehr viel Spaß ge-
land Hessen“ zu gestalten. Wir waren total be-             gearbeitet. Wo lagen die Herausforderungen?                   macht, am Programm und an der Sendung zu
geistert und auch sehr geehrt von dem Angebot              —— Am Anfang hatten wir quasi für drei                        feilen. Insgesamt war die Arbeit ein total span-
und haben diese tolle Chance gleich ergriffen.             Stunden absolute Gestaltungsfreiheit; eine                    nender Prozess, und wir sind sehr dankbar, dass
                                                           wirk lich einmalige Gelegenheit, aber um ehr-                 wir diese Chance hatten. Am Schluss entsteht
Erzähl uns etwas über das Programm, das ihr                lich zu sein auch etwas einschüchternd, da kei-               dann aus vielen einzelnen Teilen ein Gesamt-
zusammengestellt habt!                                     ner von uns Erfahrungen mit Radiojourna-                      werk – das hat dann schon Ähnlichkeit mit
—— Wir wollten im Programm so viele Facet-                 lismus hatte. Die Themen waren in einigen                     einem Orchesterkonzert.
ten der Jungen Deutschen Philharmonie wie                  Brainstormings schnell gefunden. Danach war
möglich zeigen und haben uns in den Brain-                 es eine große Aufgabe, diese zu präzisieren und               ***
stormings mehrere Themenschwerpunkte                       zu entscheiden, zu welchem Thema beispiels-                   Die Fragen stellte Linda Knauer,
überlegt: Vielfalt, Zukunft, Demokratie, Moti-             weise ein Beitrag oder ein Interview passt. Ein               Öffentlichkeitsarbeit & Marketing / Education.
vation – alles Themen, die unser Orchester und             weiterer wichtiger Punkt, den uns Susanne
die Mitglieder bewegen. Diese Themen haben                 Pütz vermittelt hat, ist der Aufbau einer Radio-
„Im Orchester geht                                                                            „Mir gefällt die Be-
 es um Vielfalt im                                                                             schreibung von P&I
 schöpferischen                                                                                aus der Musik. Sie
 Denken. Und da                                                                                passt zu TRATON’s
 liegt es an mir, die                                                                          Ziel, die verschiede-
 jungen Musiker zu                                                                             nen Perspektiven aus
 ermutigen über                                                                                der großartigen Viel-
 die Grenzen hinaus-                                                                           falt unserer Mitarbei-
 zugehen, die sie                                                                              ter in perfekt ausba-
 sich vielleicht selbst                                                                        lanciertes Teamwork
 gesetzt haben.“                                                                               zu verwandeln.“
 Jonathan Nott ist Erster Dirigent                                                             Sofia Vahlne ist Head of People
 und Künstlerischer Berater der                                                                Strategy & Labour Relations bei
 Jungen Deutschen Philharmonie,                                                                Scania und in der TRATON GROUP
 die von der TRATON GROUP ge‑                                                                  verantwortlich für das Programm
 sponsert wird.                                                                                „Pluralism & Inclusion“.

 Pluralismus & Inklusion
 (P&I) sind in der TRATON GROUP mittlerweile feste Unternehmensgrundsätze. Denn                Sustainability Stories –
 die verschiedenen Perspektiven, Kenntnisse und Talente aller Mitarbeiter aktiv und gezielt    den TRATON-Podcast jetzt
 in den Arbeitsalltag einzubringen, steigert die Innovationskraft von Unternehmen und          abonnieren unter:
 Organisationen. Im neuen englischsprachigen Podcast „Sustainability Stories“ sprechen
 Sofia Vahlne, bei TRATON verantwortlich für P&I, und der Orchesterdirigent Jonathan Nott
 darüber, wie Inklusion in sehr vielfältigen Teams zu nachhaltigem Erfolg führt.

            traton.com/podcast
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EIN MUSIKALISCHER
SPAZIERGANG
Rückblick auf die Sommer-Kammermusik HERBSTLIED

—— Das Kammermusikprojekt HERBSTLIED begann am Freitag, den                     Komponisten ab), so war es auch für uns SpielerInnen eine bereichernde
04.06.2021 im Haus der Deutschen Ensemble Akademie in Frankfurt                 Erfahrung, die andere Anforderungen mit sich brachte, als wenn wir das
mit einem Moderationsworkshop von Dr. Anselma Lanzendörfer                      Mozart-Quintett wie gewöhnlich in einem Stück gespielt hätten. Es for-
(Fundraising / Sonderprojekte), denn Ziel der Woche war nicht nur die           derte von uns eine noch größere Aufmerksamkeit und die Sensibilität,
Erarbeitung des Repertoires, sondern auch die Ausgestaltung einer indi-         uns schnell in die kontrastierenden Stimmungen hineinzuversetzen. Es
viduellen, von uns MusikerInnen gestalteten Konzertmoderation. Der              erfüllte uns mit Stolz, dass zwei Konzertbesucher Toshio Hosokawa, den
Startschuss für eine kreative Ideensammlung war gesetzt. Und um diese           Komponisten von Herbst-Lied, kannten und ihm von diesem besonderen
angemessen füllen zu können, war ein Eindruck der Musikstücke nötig.            Konzert berichten wollten. Für den Klarinettisten Joshua Dahlmanns bot
Der erste Abend wurde daher intensiv zum Proben genutzt, zumal am               sich die Gelegenheit, Dai Fujikura, den Komponisten des Solowerkes
Folgetag bereits der erste Unterricht anstand. Dabei bemerkten wir              Turtle Totem, im Voraus persönlich zu sprechen. „Es war für mich noch-
schnell, dass die Probenarbeit der Klarinettenquintette von Mozart und          mal eine ganz neue Erfahrung, persönlich mit einem Komponisten zu
Hosokawa sehr unterschiedliche Schwerpunkte hat.                                sprechen, dessen Solo-Stück ich spiele“, erzählt er. „Das Gespräch mit
    Der Cellist Jan-Filip T̆upa, der selbst für zeitgenössische Musik brennt,   Dai hat mir sehr viel Spaß und Erkenntnis gebracht. Ein Mensch, der sehr
zeigte uns im ersten Unterricht unter anderem, wie wir im Zusammen-             offen für alle Fragen war. Definitiv hat mir Dai Fujikura helfen können,
spiel die Orientierung in Toshio Hosokawas Herbst-Lied behalten. Er             das Stück besser zu begreifen, und neben musikalischen Feinheiten war
hörte sich sensibel in unser Ensemble und unsere individuellen Spiel-           für mich vor allem prägend, dass er mir sehr viel persönlichen Inter-
weisen ein und half uns dabei, klanglich noch schneller und präziser            pretationsspielraum eingeräumt hat, was natürlich meine Kreativität und
zusammenzufinden.                                                               meinen Spaß an Turtle Totem gesteigert hat.“
    Ein weiterer Mentor bei diesem Projekt war der belgische Klarinettist           Am nächsten Tag spielten wir im Japanischen Kulturinstitut in Köln
und Gründungsmitglied des Mahler Chamber Orchestra Jaan Bossier. Er             und lernten immer besser, uns auf die täglich wechselnde Akustik einzu-
ließ uns am Folgetag auf beeindruckende Weise spüren, wie eine Person           stellen. Wir entwickelten große Freude am spontanen Verzieren sich
auch wortlos und nur mit ihrer Präsenz und kleinen Gesten den Stücken           wiederholender Phrasen bei Mozarts Klarinettenquintett. Die Freude am
und unserem Ensemble einen weiteren, ganz anderen Geist einhauchen              Überraschen der MitspielerInnen mit den eigenen kreativen Ideen blieb
konnte. Beide Mentoren arbeiteten ebenfalls im Einzelunterricht intensiv        bis zum letzten gemeinsamen Ton erhalten.
mit unseren Solisten. Die Cellistin Clara Franz und der Klarinettist Joshua         Ein Highlight der Tournee war für uns das Open-Air-Konzert der
Dahlmanns erhielten wertvolle Inspirationen und Anregungen für die              Werner Reimers Stiftung in Bad Homburg, bei dem wir in der sommerli-
Darbietung ihrer Solowerke Threnody für Violoncello solo von Akira              chen Abendluft neben unseren eigenen Klängen auch die der Vögel und
Nishimura und Turtle Totem von Dai Fujikura.                                    der Natur in den Werken hören durften. Im Anschluss gab es hier die
    Bis Sonntag entwickelten wir zwei Moderationskonzepte, die bei den          Gelegenheit zu einem kleinen Austausch mit dem Publikum. Nach so
vier Konzerten in Berlin, Köln, Bad Homburg und Düsseldorf im Wechsel           langer Zeit des Abstandhaltens und der Kontaktmeidung wieder für ein
umgesetzt wurden. Über die Probenzeit hinweg entdeckten wir immer               Publikum zu spielen und sich im Anschluss sogar austauschen zu dürfen,
wieder neue Klänge in den Werken. Sehr inspirierend waren für uns auch          war ungewohnt und schön.
Toshio Hosokawas Gedanken zu den Unterschieden zwischen japani-                     Unsere Tournee endete an einem heißen Sommertag mit dem vierten
scher und europäischer Musik: Für ihn ist in der europäischen Musik ein         Konzert im Palais Wittgenstein in Düsseldorf. Es war ein ergreifendes
Ton ein Teil eines Ganzen, während in der japanischen Musik ein einzel-         Konzert, bei dem wir das gemeinsame Musizieren nochmal sehr genos-
ner Ton bereits eine ganze Landschaft darstellen kann. Unsere Bratscherin       sen haben. Neben den persönlichen musikalischen Erfahrungen, die wir
Lina Bohn nahm in den Werken insbesondere die Vielfalt von Stille wahr:         gemacht haben, war es wirklich schön und aufregend, innerhalb kurzer
„Was ist Stille? Wie ist Stille? Ich glaube, es gibt so viele Arten und         Zeit den Geist vier verschiedener Städte mit all den zuversichtlichen
Qualitäten von Stille, wie es diese von Tönen und Musik gibt. Es macht          Menschen, die sich der zurückgewonnenen Freiheit erfreuten, erlebt zu
einen Unterschied, was davor erklang, was danach erklingt und sogar wer         haben.
und wie viele Menschen der Stille wie lauschen. Was können wir durch            Es war, als wären wir langsam durch einen Garten gegangen. Ein Garten
Stille entdecken, was lernen, was erfahren?“                                    voller Eindrücke aus zwei musikalischen Welten, verschiedenen Städten
    Am Mittwoch begann unsere Tournee mit dem ersten Konzert im                 und einer Vielzahl von Menschen, die uns auf diesem musikalischen
Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin. Wir wurden herzlich empfangen               Spaziergang begleitet haben.
und ließen uns von der besonderen Atmosphäre des Hauses inspirieren.
Die Werke nun zum ersten Mal im Konzert vor kleinem Publikum sowie              ***
im Livestream darzubieten, war aufregend. So besonders, wie die Pro-            Geraldine Galka / Violine
grammreihenfolge für das Publikum war (die vier Sätze von Mozarts
Klarinettenquintett wechselten sich mit den drei Werken der japanischen
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„Es ist, als wenn man langsam
durch einen Garten ginge.“
                       Toshio Hosokawa
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AUS DEM NETZ
Die Junge Deutsche Philharmonie in den sozialen Medien

Im März 2021 wurde auf Wunsch der Orchestermitglieder das
2017 gegründete Social-Media-Team der Jungen Deutschen
Philharmonie wieder aktiv. Die Geigerinnen Johanna Hempen,
Chiara Mohr und Annina Pritschow treffen sich seitdem regel-
mäßig mit Linda Knauer (Öffentlichkeitsarbeit & Marketing) via
Zoom, um neue Inhalte und Formate zu erarbeiten und die
Aktivitäten des Zukunftsorchesters noch umfassender und aus
einer anderen Perspektive auf Instagram und Facebook zu
präsentieren. Ein Workshop mit der Social-Media-Agentur
SUPERUNKNOWN hat dabei geholfen, die Kommunikations-
ziele festzulegen und die Arbeitsweise des Gremiums zu organi-
sieren. Erste Projekte, die das Team begleitet hat, waren der
digitale Wettbewerb Kammer?Musik! oder die Radiosendung
„Musikland Hessen“ für hr2-kultur. Außerdem wurden interak-
tive Formate wie Umf ragen zum Taktgeber oder dem Thema
Gehörschutz für Orchestermusikerinnen und -musiker speziell
für die Instagram-Stories entworfen.

                                                                 Jetzt sitze ich erst mal im
                                                                 Zug auf dem Weg nach
                                                                 Frankfurt und bereite
                                                                 mich vor.

                                                                                                facebook.com/JungeDeutschePhilharmonie
                                                                                                     instagram.com/daszukunftsorchester
                                                                                               youtube.com/c/JungeDeutschePhilharmonie
MIT NACHSICHT
UND VERSTÄNDNIS
Johanna Hempen über Hoffnung in der Krise

Liebe Leser*innen,

nach fast zwei Jahren im Vorstand der Jungen Deutschen Philharmonie            meine aktuelle Haltung beschreiben. Vorsichtig, da ich dem neuen Frie­
endet diese Zeit für mich nun im Herbst dieses Jahres. Ich bin sehr dank­      den noch nicht ganz traue und sich erst zeigen muss, ob und wie sehr die
bar für die Erfahrungen, die ich als Teil des Vorstands gemacht habe.          Kultur unter den Lockdowns gelitten hat. Optimistisch, da Dinge wieder
Besonders im vergangenen Jahr 2020 haben wir eine ganz neue Art von            in Bewegung kommen und oft Positives passiert, wenn man es am
Krisenmanagement gelernt; unter anderem, nach jeder Absage mit weni­           wenigsten erwartet. In den aktuell besonders nervenaufreibenden Be­
gen Möglichkeiten ein neues kreatives Konzept aus dem Boden zu stamp­          wer­­bungsverfahren für Probespiele per Video habe ich eine feste Stelle im
fen. Ich glaube, dass ich von diesen Erfahrungen für die Zukunft nur           Folkwang Kammerorchester gewonnen, die ich ab September antrete.
profitieren kann, egal ob eine Pandemie herrscht oder nicht.                   Eine besondere Chance waren außerdem die Coachings, die wir beim
    Um mich für dieses Grußwort vorzubereiten, habe ich meinen letzten         Wettbewerb Kammer?Musik! gewinnen konnten. Diese Möglichkeit hat
Text für den Taktgeber von 2019 rausgesucht. Dort ermutige ich Sie, liebe      sich nur durch den Lockdown und die dadurch entstandenen Alternativ­
Leser*innen, neue Schritte in die Zukunft zu wagen und optimistisch zu         angebote ergeben. Ich bleibe also trotz Corona-Pandemie bei derselben
sein – in der Zeit war noch nicht an eine folgenschwere Pandemie wenige        Einstellung: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Monate später zu denken. Im März 2020 kam dann der erste Lockdown                  Auch persönlich habe ich viel aus der Krise gelernt: Nachsicht – dieses
und nun, mehr als ein Jahr später, überlege ich, ob ich immer noch diesel­     Wort hat für mich eine größere Bedeutung denn je. Und Verständnis. Das
be risikobereite und positive Lebenseinstellung habe wie 2019.                 würde ich mir für die Zukunft wünschen – dass wir einander zuhören,
    Das Jahr 2020 hat uns alle auf eine harte Probe gestellt, und eigentlich   uns aktiv unterstützen und füreinander da sind. Das mag jetzt ein wenig
gibt es viele Gründe, die Frage zu verneinen. Ich spüre, dass ich manch­       kitschig klingen, aber ich denke, dass ein bisschen Kitsch in diesen ver­
mal empört bin. Empört, weil wir trotz Hygienemaßnahmen keine                  rückten Zeiten nicht schaden kann. Es wird besser werden, und im
Konzerte spielen dürfen, andere (sportliche) Veranstaltungen aber statt­       Kleinen können wir alle dabei helfen!
finden. Und erschöpft bin ich. Auch wenn es mehrere Lockdowns und                  Ich wünsche Ihnen, dass Sie gesund bleiben, und freue mich, wenn
häufig Stillstand gab, kann von Erholung keine Rede sein. Nur ständiges        Sie aktiv mithelfen, die Kultur am Leben zu halten.
Warten, Durchhalten, Hoffen und dann wieder von vorne anfangen.
    Ganz offen und ehrlich gesagt: Es fällt mir nicht immer leicht, positiv    ***
nach vorne zu blicken. Dabei hatte ich trotz Pandemie zeitweise einen          Johanna Hempen / Violine
vollen Kalender – wie muss es also anderen ergangen sein, die größere          Mitglied im Orchestervorstand
Hürden zu bewältigen hatten? „Vorsichtig optimistisch“, so würde ich
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KLÄNGE DER NATUR
Rückblick auf das Musikvermittlungsprojekt Tears of Nature

Improvisation und Songwriting stehen auf dem Programm von Mario Alarcón Cid.

—— Kräftige Trommelrhythmen und eine Melodie auf der Marimba hal-              Umweltschutz geschrieben, die sie nun mit Gitarrenakkorden, Cajón-
len an einem Freitagnachmittag im Mai durch die zumeist leeren Gänge           und Trommelrhythmen begleiten. „Umweltverschmutzung … die Ab-
der IGS Mathildenschule Offenbach. Folgt man den Klängen, stößt man            gase von Autos, Flugzeugen, Heizungen. Abfälle aus Glas, Papier und
auf eine kleine Gruppe von Schülerinnen und Schülern, die im Musik-            Plastik, Metall, giftige Gase und so weiter verschmutzen die Umwelt“,
raum unter Anleitung des Schlagzeugers Tido Frobeen Klangforschung             rappt Schüler Zoubeir, während Leopold Rucker mit Erika und Leo an
betreiben: Sie probieren aus, wie man auf Perkussionsinstrumenten ver-         Cajón und Djembé noch einmal den Einsatz übt.
schiedene Stimmungen erzeugt, die aus der Filmmusik bekannt sind.                 Auch draußen auf dem Schulhof wird fleißig musiziert. Bei Cellist
Unheimlich wie im Horrorfilm, schön wie ein Happy End oder actionge-           Mario Alarcón Cid stehen Improvisation und Songwriting auf dem
laden sollen die Eigenkompositionen klingen. In der Woche zuvor haben          Programm. Ausgestattet mit Gitarren, Bratsche, Trompete, Trommel und
die Schülerinnen und Schüler Regenmacher, Shaker und Schellenkränze            Cello probt seine Gruppe in einer begrünten Ecke des Hofes Akkorde und
gebastelt, die ebenfalls zum Einsatz kommen.                                   Melodien, die sie zu einem Song formen will. Schülerin Adriana singt
    In der Eingangshalle der Schule probt Kontrabassist Leopold Rucker         einen selbst geschriebenen Text dazu.
mit seiner Gruppe einen musikalisch unterlegten Poetry Slam im Klein-             Schon seit Februar arbeiten Musiker der Jungen Deutschen Philhar-
format. Die Schülerinnen und Schüler haben eigene Texte zum Thema              monie im Rahmen des Förderprojektes KUNSTVOLL des Kulturfonds
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Frankfurt RheinMain mit einer sechsten Klasse der IGS Mathildenschule         interviewt einzelne Schülerinnen und Schüler zu den gezeigten Inhalten
in kleinen Gruppen an unterschiedlichen musikalischen und interdiszi-         und kündigt die jeweiligen Vorführungen an. Jetzt können alle zeigen,
plinären Inhalten. Was zunächst spielerisch und spontan wirkt, ist            woran sie in den vergangenen Monaten gearbeitet haben. Ein absolutes
verbunden durch das Schlagzeugkonzert The Tears of Nature des chine-          Highlight ist die Premiere der Filmdokumentation, die der Kameramann
sisch-amerikanischen Komponisten Tan Dun, das die Fülle und Unbe-             Milan Werhand an zwei Nachmittagen in der Schule gedreht hat. Nach
rechenbarkeit der Natur in Klänge fasst. Jedem der drei Sätze liegt eine      einem herzlichen Applaus für alle Beteiligten heißt es Abschied nehmen.
Naturkatastrophe zugrunde: der Tsunami in Japan, Hurrikan Sandy an            Trotz der Herausforderungen rund um Corona war das Musikver-
der Ostküste der USA und das Erdbeben in Sichuan, China. Das Konzert          mittlungsprojekt Tears of Nature ein voller Erfolg.
ist Ausgangspunkt und Inspirationsquelle für die Workshops, in denen
sich jede Gruppe mit einem anderen Aspekt befasst. Als roter Faden zie-       ***
hen sich jedoch die Themen Umweltschutz und Naturklänge durch die             Linda Knauer
Arbeitskreise.                                                                Öffentlichkeitsarbeit & Marketing / Education
    Die teilnehmenden Musiker der Jungen Deutschen Philharmonie
engagieren sich ehrenamtlich im Projekt. Für manche ist es die erste Er-
fahr ung in der pädagogischen Arbeit mit einer Schulklasse, andere waren
bereits bei früheren Musikvermittlungsprojekten dabei. Auf sich allein
gestellt sind die Studenten natürlich nicht: Für Fragen, Tipps und Feed-
back steht Projektleiterin Anni Komppa zur Verfügung, die als studierte
Oboistin und ausgebildete Gymnasiallehrerin für Musik und Darstellen-
des Spiel langjährige pädagogische und musikalische Erfahrungen mit-
bringt. Unterstützt wird sie von der Musiklehrerin der IGS Mathilden-
schule Èva Pereginé Budai.
    Ihre Flexibilität stellen die Musiker nicht nur in den Workshops, son-
dern auch in der Organisation und im Zeitmanagement unter Beweis.
Kaum sind die Workshops im Februar gestartet, müssen sie aufgrund der
hohen Corona-Infektionszahlen für einen längeren Zeitraum unterbrochen
werden. Im Mai geht es glücklicherweise unter Einhaltung der Hygiene-
regeln weiter. Statt drinnen wird draußen geprobt, Abstand gehalten und
Maske getragen. Der für Ende Mai geplante Abschluss des Projekts muss in
den Juni verschoben werden und kollidiert nun mit Probespielen,               Schüler Dimitar übt Rhythmen unter Anleitung von Tido Frobeen.
Abschluss- und Aufnahmeprüfungen der Musiker. Doch auch hier zeigen
sich alle Beteiligten flexibel und finden Lösungen, wie es trotzdem wei-
tergehen kann. Dass die Schülerinnen und Schüler regelmäßig am
Freitagnachmittag nach dem Unterricht in der Schule erscheinen, um mit
„ihren“ Musikern zu arbeiten, zeigt, dass sich das Engagement lohnt. Als
bei den letzten beiden Terminen Tanzpädagogin Kristina Veit dazu-
kommt, um mit den Schülerinnen und Schülern eine Choreographie ein-
zustudieren, ist die Freude besonders groß. Mehr als die Hälfte der Klasse
möchte dabei sein und lässt sich von der Energie der Musik mitreißen.
    Kurz vor der Abschlussveranstaltung am 25. Juni, die nur im kleinen
Kreis stattfinden darf, liegt die Aufregung spürbar in der Luft. Aus selbst
fotografierten Naturbildern hat die Schulklasse eine eigene Fotoaus-
stellung gebastelt, die im Foyer auf das Projekt einstimmt. Die Musik-
gruppen gehen ein letztes Mal ihre Texte und Kompositionen durch, die
Tänzerinnen und Tänzer proben ihre Schritte. Um 15 Uhr geht es los.
Der Schulleiter Oliver Schröder und einige Lehrerkolleginnen und -kolle-
gen sind erschienen, die Kinder warten auf Bänken in der Turnhalle
gespannt auf ihren Einsatz. Anni Komppa moderiert die Veranstaltung,          Texte schreiben, vortragen und musikalisch begleiten: Leopold Rucker gibt Hilfestellung.
EINGESTIEGEN
& AUFGESTIEGEN
2 neue Mitglieder und 17 Stellengewinne

HERZLICH WILLKOMMEN                           GRATULATION
Seit Juni 2021 gehören zwei neue Mitglieder   17 Stellengewinne unserer Mitglieder
zum Orchester

Klarinette                                    Feste Stelle                                         Akademie
Irene Martínez Navarro
                                              Paul Wolf / Horn                                     Benjamin Völkel / Oboe
Violine                                       Badische Staatskapelle Karlsruhe                     NDR Elbphilharmonie Orchester
Geraldine Galka
                                              Christina Hambach / Horn                             Sarah-Luisa Zrenner / Viola
                                              Münchner Philharmoniker                              Bamberger Symphoniker

                                              Máté Bíró / Tuba                                     Kathrin Herwanger / Violoncello
                                              Magdeburgische Philharmonie                          Essener Philharmoniker

                                              Anna Meyer / Violine                                 Philipp Sussmann / Viola
                                              Philharmonisches Orchester Hagen                     NDR Radiophilharmonie Hannover

                                              Tin Wai Lai / Viola                                  Stefanie Tran Thu / Viola
                                              Dortmunder Philharmoniker                            Orchester des Hessischen Staatstheaters
                                                                                                   Wiesbaden
                                              Anna Wiedemann / Violine
                                              Gewandhausorchester Leipzig
                                                                                                   Praktikum
                                              Oliver Léonard / Violoncello
                                              Staatsorchester Kassel                               Anton Engelbach / Fagott
                                                                                                   Göttinger Symphonieorchester
                                              Amelie Bertlwieser / Klarinette
                                              Beethoven Orchester Bonn

                                              Johanna Hempen / Violine
                                              Folkwang Kammerorchester Essen

                                              Zeitvertrag

                                              Carlotta Brendel / Fagott
                                              Düsseldorfer Symphoniker

                                              Antonia Krebber / Violoncello (stellv. Solo-Cello)
  Philipp Adamczewski /                       Philharmonisches Orchester
  Oboe                                        der Hansestadt Lübeck
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