Abschlußbericht über mein Auslandssemester an der "Universidad de Costa Rica", San José, Costa Rica, Herbst 2002
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1 Bericht über mein Studium in Costa Rica WS 2002, Marieke Rohde Abschlußbericht über mein Auslandssemester an der „Universidad de Costa Rica”, San José, Costa Rica, Herbst 2002 Mein 5. Fachsemester (Studium: Cognitive Science, BSc) studierte ich an der Universidad de Costa Rica, in der Hauptstadt Costa Ricas, San José. Das Studium selbst begann Mitte August und endete Anfang Dezember, ich kam jedoch schon Mitte Juli dort an und reiste Ende Januar wieder ab. Im folgenden werde ich zunächst aus meinem Alltag in Costa Rica schreiben, und darüber, was man als (Deutsch-) Ausländer dort zu beachten hat. Der zweite Teil meines Berichts beschreibt die Universität und die Betreuung vor Ort. Bewerbung und Stipendium werden im dritten Teil des Berichts behandelt, der vierte Teil beschreibt für Studenten meiner Fachrichtung das Cognitive Science Masterprogramm dort. Leben in Costa Rica Der erste Rat einer Costa Rica-erprobten Freundin, den ich befolgte, war der, nicht in eine Gastfamilie zu gehen. Wie ich auch selbst später feststellen konnte, hatte die große Mehrheit der Auslandsstudenten, die ich später kennen lernte und die in Gastfamilien lebten, damit Schwierigkeiten und verließen ihre Familien. In Costa Rica ist das Familienleben sehr viel enger, so dass nord- oder westeuropäische Studenten, die ein mehr oder weniger eigenständiges Leben gewohnt sind, sich anscheinend oft in ihren Rechten oder in ihrer Privatsphäre beschnitten fühlen. Da die Verhaltensregeln in Studentenwohnheimen noch viel strikter sind, als jede Gastmutter es je sein könnte, bleibt – als mein Tipp – die Suche auf eigene Faust. Die Universität war dabei nur insofern von Hilfe, als ihre schwarzen Bretter voll von Wohnungsanzeigen sind, besonders vor Semesterbeginn. Viele Studenten wohnen in Fußdistanz zum Campus. Wer das Nachtleben schätzt, sucht sich ein Zimmer direkt in San Pedro, südlich der Universität, wer es lieber ruhig mag, zieht nach nördlich der UCR, in Richtung Sabanilla. Je nach Ansprüchen kann man in Costa Rica um US$ 100 ein WG-Zimmer mieten. Neben den bekannten Kriterien wie Größe, Ausstattung und Lage, ist es in Costa Rica ein wichtiger Faktor für den Wohnungspreis, ob man bereit ist, sich ein Zimmer zu teilen. Telefonanschluß gibt es nur in rund der Hälfte der Wohnungen. Ich habe während meines Aufenthalts in San José in drei verschiedene Wohngemeinschaften gelebt, und in allen dreien mir ein Zimmer geteilt und ohne Telefon gelebt. Es ist leichter als man denkt und, meiner Meinung nach, die Erfahrung wert. Mietverträge habe ich nie unterschrieben, was eigentlich kein Problem darstellt: als meine ersten Mitbewohner sich nachts heimlich mit dem Fernseher, dem Kühlschrank und ihren Möbeln aus dem Staub machten, weil sie drei Monate keine Miete gezahlt hatten, ließ der Hausbesitzer mich und meine Zimmernachbarin noch den Rest des Monats dort wohnen, als wir ihm sagten, dass wir die Miete schon an die untergetauchten Mitbewohner gezahlt hätten. Trotzdem lohnt sich immer ein Blick auf die Rechnungen, die einem unterbreitet werden: Das Vorurteil gegen Erst- Welt-Ausländer (besonders gegen „Hellweiße“), entstanden hauptsächlich durch den US- amerikanischen Tourismus, ist, dass wir in Geld schwimmen, und so muss man immer und überall mit einem kleinen Nepp rechnen. Das Verlangen einer Kaution (eine Monatsmiete) ist Standard. Sich in Costa Rica isoliert zu fühlen ist wirklich eine Kunst, da die Ticos – so nennen sich die Costaricaner selbst – sehr offen, freundlich, neugierig und kontaktfreudig sind. Man muss sich nur in Acht nehmen, dass sie nicht zwecks besseren Verständnisses ins Englische verfallen.
Bericht über mein Studium in Costa Rica WS 2002, Marieke Rohde Auch wenn es für mich zu Beginn sehr viel einfacher war, Englisch zu sprechen – nach einem Monat habe ich mich geweigert auch nur ein weiteres Wort auf Englisch zu sagen. Später habe ich dann sogar behauptet, ich könne kein Englisch, denn nur so konnte ich die fremdsprachenbegeisterten Ticos überzeugen, mit mir in Spanisch zu kommunizieren. Dass man nicht überempfindlich gegenüber dem „Machismo“ reagieren darf, versteht sich bei einem Aufenthalt in Lateinamerika fast von selbst. Trotz einer recht gewöhnungsbedürftigen Prinzipienlosigkeit meint „der Tico an sich“ es generell gut, er ist ungemein hilfsbereit und auch wahnsinnig zerknirscht, wenn er mit der obligatorischen Verspätung von 1-2 Stunden am verabredeten Treffpunkt eintrifft – wenn er eintrifft. Warum die Costaricaner, wenn man sie nach dem Weg fragt, es nicht einfach zugeben, wenn sie ihn nicht kennen, sondern einen lieber zwei Blocks nach Norden und einen nach Osten schickt, habe ich bis heute nicht verstanden. Was sicherlich gewöhnungsbedürftig ist, ist das (im Vergleich zu Deutschland) hohe Maß an Verbrechen und die damit verbundenen Einschränkungen. Dass es um 18:00 Uhr dunkel wird, und man nach Einbruch der Dunkelheit am besten nicht mehr allein aus dem Haus geht, bedeutete schon eine gewisse Änderung meiner Gewohnheiten. Jedoch gibt es Maßnahmen, die man zur eigenen Sicherheit ergreifen kann, z.B. wurde mir, wenn ich ein ums andere mal - entgegen aller Ratschläge – doch nachts allein durch San Pedro gestreift bin, immer wieder der Satz nachgerufen wurde: „Hast du auch genug Geld dabei, um überfallen zu werden?“, denn Überfälle laufen gewöhnlich nach festen Schemata ab, der Ehrenkodex vieler Räuber geht sogar soweit, dass man ruhig nach Geld für den Bus oder dem Film in der Kamera fragen darf. Wenn man ca. 5 000 – 10 000 Colones (20$) bei sich trägt, passiert einem normalerweise nichts weiter, führt man nichts mit sich, kommen die Räuber schon eher auf dumme Gedanken. Größere Beträge sollte man versteckt tragen. Ich selbst bin nicht ein einziges Mal überfallen worden, wenn ich auch zweimal von Taschendieben bestohlen wurde. Es wurden auch schlechte Erfahrungen mit Taxifahrern gemacht, besonders wenn Frauen alleine Taxi fahren, wobei der fast schon obligatorische Umweg oder das „Vergessen“ des Taxameters zu den Kavaliersdelikten zählen. Generell gilt: Wenn man die wenigen Verhaltensregeln, die einem überall eingetrichtert werden, und die auch in jedem Reiseführer nachzulesen sind, einhält, kann einem nicht viel passieren. Angst sollte keinesfalls ein Grund sein, nicht nach Costa Rica zu gehen. (Immerhin ist die Lebenserwartung dort bei 76 Jahren!) Eine kulturelle Prägung, die mir eher negativ aufgefallen ist, ist der starke Einfluss der USA. Neben unzähligen Filialen der diversen Fastfood-Ketten, sind es vor allem Shopping-Malls, der Kleidungs- und Musikstil, sowie das Kino- und Fernsehprogramm, die einem manchmal wenig das Gefühl geben, in Lateinamerika zu sein. Andererseits ist es auch manchmal durchaus angenehm, gewisse Standards des „westlichen Kulturkreises“ nicht entbehren zu müssen – materielle Dinge, die mir in Costa Rica manchmal fehlten, und auf die ich mich in Deutschland gefreut habe, lassen sich an einer Hand abzählen. (Brot, Käse und eine kräftige warme Dusche gehörten jedoch auf jeden Fall dazu!) Umgekehrt gibt es allerdings vieles, was ich dort kennen und schätzen gelernt habe und was mir hier fehlt. San José liegt ziemlich in der Mitte des Landes und ist als Stadt weder klimatisch noch architektonisch eine wirkliche Perle des Südens. Jedoch ist es Abfahrtspunkt für Busse in alle Teile des Landes, sei es Strand oder Berge, sei es Karibik- oder Pazifikküste, sei es das südlich gelegene Panamá oder das nördlichere Nicaragua. Auch nach sechs Monaten Costa Rica ist die Grünexplosion im Dschungel, sind die riesigen Pflanzen, die Vögel und anderen Tiere immer wieder überwältigend, und auch Lava spuckende Vulkane und weiße Strände gehören nicht
Bericht über mein Studium in Costa Rica WS 2002, Marieke Rohde umsonst zu Costa Ricas Touristikattraktionen. Im Auslandsbüro wurde mir vor Beginn der Vorlesungen Mitte August empfohlen, zu reisen, solange ich noch könne, da ich bald mehr als genug zu tun haben würde, de facto bot sich aber auch während des Semesters, zumindest bevor es in die stressige Endphase ging, die Gelegenheit, sich hin und wieder ein Wochenende an der Karibikküste vom Josefiner Regenwetter zu erholen – schließlich waren auch zwei meiner drei Dozenten Ticos und zögerten alle Abgaben, Klausuren und das Nachholen ausgefallener Sitzungen bis zum Äußersten hinaus. Der Alltag in San José ist sehr angenehm, das Nachtleben ist vielfältig, ebenso das kulturelle Angebot, als echter Stadtmensch bin ich trotz der verhältnismäßig geringen Einwohnerzahl der Hauptstadt (ca. 350 000) auf meine Kosten gekommen. Studieren an der Universidad de Costa Rica Die Universidad de Costa Rica (UCR) ist eine große Campusuniversität und hat in Zentralamerika einen sehr guten Ruf, den sie durch akademische Auslese vor und während des Studiums verteidigt. Studiengebühren fielen aufgrund des Austauschvertrages mit der Universität Osnabrück nicht an. Als ihre Mission definiert die staatliche UCR „die Lehre, die Forschung, das soziale Handeln, das Studium, die Meditation, das künstlerische Schaffen und die Verbreitung von Wissen.“1, jedoch sieht es in Realität so aus, dass die Lehre sehr viel größer geschrieben wird als die Forschung oder andere der definierten Ziele – in der Regel lehren Professoren nur, Forschungsprojekte werden selten bewilligt. Nicht nur nach Deutschland hat die UCR viele Austauschprogramme, es gibt sehr viele Auslandsstudenten dort, in erster Linie aus Nordamerika und Europa. Im Auslandsbüro wird fließend Englisch gesprochen, und die dort Beschäftigten sind stets sehr hilfsbereit und an allen Wochentagen bis 16:00 Uhr für einen da, wenn sie auch manchmal nicht viel weniger hilflos als man selbst sind, ob der ebenfalls berüchtigten Bürokratie an der UCR. In meinem Falle hat die Sondergenehmigung, in einem Masterstudiengang studieren zu dürfen, die Dinge wohl noch erheblich verkompliziert, da es praktisch keine Kommunikation zwischen dem Auslandsbüro und der Verwaltung des Postgraduiertenstudiums gibt. Bei einem Studium an der UCR muss man sich jedoch generell auf viel Ämterlauferei einstellen. Neben der passiven Betreuung durch ein offenes Ohr für Probleme wird man vom Auslandsbüro relativ allein gelassen. Die einzigen Kontaktaufnahmen von Seiten des Auslandsbüros während meines Aufenthalts betrafen Organisatorisches, sowie die Durchführung einer dreistündigen Einführungsveranstaltung, in der wir auf bestimmte kulturelle Eigenheiten eingestellt wurden und ein paar Verhaltensregeln zur persönlichen Sicherheit lernten. Meine Empfehlung ist, den ordnungsgemäßen Ablauf des Studiums ein bisschen selbst im Auge zu behalten und die Scheu zu fragen abzulegen – dann klären sich alle Probleme wie von allein. Wie in ganz Costa Rica werden letzte Fristen im Auslandsbüro heißer gekocht, als sie gegessen werden, man gewöhnt sich recht schnell an eine gewisse Gelassenheit gegenüber Verpflichtungen – irgendwie geht es immer glatt. Ein erstes Beispiel wäre meine verspätete Ankunft dort: Das wenige was mich die UCR vor meiner Ankunft hat wissen lassen, war, dass ich unbedingt rechtzeitig für das Einführungsprogramm und den Spanischtest dort sein musste. Ich habe beides verpasst, was kaum zur Kenntnis genommen wurde, mir wurde zwar angekündigt das beides nachgeholt werden müsse, die Klausur fand jedoch nicht noch einmal statt, und diese Einführungsveranstaltung war eher minimalistisch (ein Vortrag über Kulturschock, ein Vortrag über Regeln zur persönlichen Sicherheit). Wie ich gehört habe, war die Spanischklausur keine unüberwindliche Hürde, es wird vor allem Textverständnis erprobt, und auch wenn einem eines der Schlüsselworte unbekannt ist, 1 Internetseite der UCR: http://www.ucr.ac.cr/descripcion/historia.htm#historia
Bericht über mein Studium in Costa Rica WS 2002, Marieke Rohde kann man noch ein „muy bien“ kriegen. Für eine Universität in einem Drittweltland ist die UCR wahrscheinlich recht gut ausgestattet. Jede Fakultät besitzt ihre eigene Bibliothek. Trotzdem sind Sätze wie: „Dann gibt es dieses Buch wohl nicht in Costa Rica.“ in deutschen Ohren auch gewöhnungsbedürftig. Als Studentin an der Informatikschule habe ich nicht in das umkämpfte Rechenzentrum gehen müssen, um am Rechner zu arbeiten, Internetverbindungen sind jedoch dort, wie im ganzen Land, (noch) sehr langsam. Ende November, wenn alle Studenten die Hausarbeiten für ihre Kurse schreiben, sind die Rechner hart umkämpft, und viele weichen auf die zahlreichen Internetcafés nahe der Universität aus, um zu recherchieren und zu arbeiten. Unterrichtsräume ähneln in der Ausstattung deutschen Schulklassen, obwohl Beamer verbreitet sind und auch häufig genutzt werden. Auf dem Campus gibt es mehrere Mensen und viele kleinere Cafeterias, in denen man billig essen kann. Das große Campusgelände der UCR ist üppig bewachsen und die Heimat von Papageien, Hörnchen und sogar Faultieren. Eine Freistunde unter Palmen entschädigt für viele kleine Mankos und Provisorien, auch wenn man sich über die Regenzeit in Costa Rica (am schlimmsten von September bis November) – zumindest im hochgelegenen San José – nicht die Illusion eines sommerlichen Paradieses machen sollte. Zwar habe ich während meines Aufenthalts nicht ein Mal die Jacke aus dem Koffer gekramt, die Witterung ist jedoch trotzdem nicht zu unterschätzen. Ein dicker Pulli und eine Decke sind schon ab und zu von Nöten, und an den meisten Tagen in der Regenzeit kriegen nur Frühaufsteher etwas von der Sonne mit, oft fängt es mittags zu regnen an und hört erst abends wieder auf. (Übrigens heißt in Costa Rica ein Dach über dem Kopf zu haben nicht automatisch, dass man nicht im Regen steht! Ein Eimer tut meistens bessere Abhilfe als der Gang zum Vermieter.) Der Campus und die Straßen verwandeln sich dann tagtäglich in eine Seenlandschaft, so dass ich regelmäßig mit bis zu den Knien nassen Beinen in den Vorlesungen saß, was ab und zu einen ordentlichen Schnupfen zur Folge hatte. (Ganz zu Schweigen von dem Verschleiß an Schuhen...). Es gibt nur eine Art von Lehrveranstaltung (= „curso“) an der UCR, ein solcher Kurs findet in einer dreistündigen wöchentlichen Sitzung statt (wie ich gehört habe, kann diese Sitzung im Grundstudium auch wesentlich kürzer ausfallen), die je nach Professor sehr in der Gestaltung variieren kann – manche Dozenten tragen nur vor, andere geben Aufgaben für Gruppenarbeit, andere lassen hauptsächlich Studenten referieren. Was jedoch als Standard bezeichnet werden kann, ist das Erstellen einer Hausarbeit zum Ende jedes Kurses, die dann vor den Kommilitonen präsentiert wird. Außerdem werden in der Regel zwei Klausuren pro Kurs pro Semester geschrieben. Das Kursniveau ist im Schnitt wohl nicht viel anders als das in entsprechenden deutschen Veranstaltungen, obwohl generell an der UCR Faktenwissen eine größere Rolle spielt als an Universitäten in Deutschland. (Nicht so in meinem Masterstudiengang, der „Maestría en Ciencias Cognoscitivas“.) Die Unterrichtssprache ist durchgängig Spanisch. Es werden Noten von 1 – 10 gegeben, wobei alles, was schlechter als 8 ist, als Nichtbestehen des Kurses gilt. Meine Professoren hatten immer sehr viel Rücksicht mit mir als Austauschstudentin, die Mitstudenten räumen einem jedoch selten eine Sonderrolle ein, wahrscheinlich, weil sie Ausländer im Tourismusland Costa Rica einfach zu sehr gewohnt sind. Neugierige Fragen über das ferne Europa darf man trotzdem beantworten, sowie auch verbreitete Vorurteile (z.B. dass Europäer sich nie duschen) ausräumen. Wie kommt man an die Universidad de Costa Rica? Es gibt einen Austauschvertrag zwischen der Universität Osnabrück und der Universidad de Costa Rica, so dass man sich direkt beim Auslandsamt bewerben kann, wie schon erwähnt,
Bericht über mein Studium in Costa Rica WS 2002, Marieke Rohde fallen deshalb keine Studiengebühren an. Dort kann man sich auch die Unterlagen und alle nötigen Informationen besorgen. Übrigens, der entsprechende Bewerbungsbogen Übersee ist dort, wo er auf die englische Sprache gemünzt ist, einfach frei umzuinterpretieren. Eine Sprachprüfung kann man bei Ana Maria Bieritz ablegen, der Spanischdozentin in der Romanistik an der Universität Osnabrück. Meine Prüfung lief sehr gut, als Ana Maria hörte, dass ich mich für ein Stipendium bewerbe, bewertete sie mich besonders wohlwollend. Des Weiteren braucht man für die Bewerbung ein Empfehlungsschreiben eines Dozenten, ein kurz ausformuliertes Studienvorhaben, sowie die üblichen persönlichen Unterlagen. Die Bewerbung wird durch die UCR entschieden, Auswahlkriterien sind dabei wohl nicht zuletzt Spanischkenntnisse und das Studienvorhaben. Es werden offiziell in jedem Semester 2 Studenten dort aufgenommen, der Austauschvertrag besteht für alle Fachbereiche, de facto ist es jedoch so, dass auch durchaus drei (vielleicht auch vier?) Studenten genommen werden. Ich habe mir den Aufenthalt mit einem Semesterstipendium des DAAD für Studierende finanzieren können (Informationen über Bewerbung und nützliche Tipps auch hier im AAA). Durch die späten Bewerbungs- und vor allem Antwortfristen an der Universidad de Costa Rica und dem frühen Beginn des Studiums ist es schwierig, sich für eine Förderung des ganzen Aufenthalts zu bewerben, da die Betreuungsgrundlage fehlt. Für Förderung ab September kann man sich bis Ende März des entsprechenden Jahres beim DAAD bewerben. Ich wurde von Anfang September bis Ende Dezember mit 450 Euro monatlich gefördert, und auch der Flug wurde mir erstattet, obwohl ich ihn, entgegen der Bestimmungen, auf eigene Faust gekauft hatte, da ich erst kurz vor Abreise vom DAAD Nachricht erhielt. Mit dem DAAD habe ich nur positive Erfahrungen gemacht, meine Betreuung war sehr nett, aufmerksam und unkompliziert, und auch die im Stipendium enthaltene Haftpflichtversicherung (krankenversichert ist man durch den DAAD auch) kam mir sehr zu Gute. Wer halbwegs bescheiden lebt, kommt mit 450 Euro monatlich gut in Costa Rica über die Runden, selbst mit ein paar Ausflügen an den Strand oder in die Nationalparks. Cognitive Science an der Universidad de Costa Rica An der UCR wird ein Masterprogramm in Cognitive Science unterrichtet (Maestría en Ciencias Cognoscitivas). Die Studenten dort sind tendenziell etwas älter und sehr viel gesetzter als in Deutschland, wie alle Costaricaner aber sehr freundlich und offen. Das Programm ist sehr klein (weniger als 20 Studenten), in meinem kleinsten Kurs saßen nur drei Studenten. Die Ausrichtung dort ist eher theoretisch, aber sehr interdisziplinär. Man beschäftigt sich sehr viel mit den Klassikern der Materie, was daran liegen mag, dass der „estado del arte“ nicht so schnell nach Costa Rica vordringt. Trotzdem sind die Dozenten kompetent und gut ausgebildet (Standard: Promotion im Ausland), in der Regel interessiert an Ideen und Neuigkeiten aus der Forschung und durchaus anspruchsvoll (jedoch rate ich DRINGEND von Kursen bei Philip Hughes ab! (Linguistik)). Der Direktor des Programms (momentan Don José Miguel) schaut sich die Studenten an, bevor er sie zum Programm zulässt. Auf der Grundlage des Transcripts of Records berät er einen in der Kurswahl. Dabei reicht in der Regel das Wissen der ersten CogSci-Semester aus, um für alles zugelassen zu werden, Probleme kommen dann wohl eher auf, falls schlechte Erfahrungen mit Studenten aus Osnabrück gemacht werden. Ich rate jedem, die Kurse, für die er/sie sich einschreibt, auch durchzuziehen – es ist definitiv sehr viel verlockender, die Uni zu vergessen und sich das Land anzuschauen, aber es wäre nicht fair gegenüber den noch kommenden Studenten. Schon ich wurde wegen des „Verschwindens“ der CogSci-Studenten im Vorjahr sehr kritisch über meine Studienabsichten befragt. Eine weiteres Problem kann in Hinsicht auf die
Bericht über mein Studium in Costa Rica WS 2002, Marieke Rohde Kursvielfalt entstehen: In dem Semester, in dem ich dort war, gab es ganze sechs Kurse! Da diese erst kurz vor Semesterbeginn festgelegt werden, kann und soll man sich vorher nicht für Kurse entscheiden. Wie die Belegung von nicht-cognitive-science Kursen funktioniert, kann ich schwer beurteilen, da, wie gesagt, das Postgrauiertenstudium völlig unabhängig vom Grundstudium verwaltet wird, z.T. müssen aber Masterstudenten sogar zur Schaffung von Grundlagen Kurse an anderen Fakultäten belegen, also sollte das auch für Gaststudenten möglich sein. Die Kurse werden mit Noten von 0-10 benotet, auf der Bescheinigung vom Auslandsamt werden dann aber auch entsprechende amerikanische Noten (A-F) dazugeschrieben. Pro Kurs kriegt man 3 costaricanische Credits – wie diese jetzt umgerechnet werden, steht noch aus, da aber drei Kurse als normales Vollzeitstudium gelten, wird es wohl pro Kurs ca. 10 ECTS-Punkte geben. Ich kann ein Auslandssemester in Costa Rica nur empfehlen – rein akademisch ist die UCR bestimmt kein Traumziel, aber auch studieninhaltlich kann man ein Auslandssemester in Costa Rica sinnvoll verbringen. Und die Wärme und Lebendigkeit von Land und Leuten, ebenso wie die Desorganisation und Schlitzohrigkeit, werden mir unvergesslich und unersetzlich bleiben – eine Lebensweise, an die man sich nur zu schnell gewöhnt, und die man vielleicht auch ein bisschen in sich heim trägt.
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