Abschlussklassen 2017 - 7 Grenzen erleben - Kantonsschule Frauenfeld
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Kantonsschule Frauenfeld Kanti Bulletin Herbst 2017 Abschlussklassen 2017 Grenzen erleben Menschen Unterricht Eine Klasse geht ‘on air’ … Auftakt Veranstaltungen
Kanti Bulletin Herbst 2017 02 U NTE R R IC HT U N D Grenzen erleben: Themenwoche 2017 04 VE R A N S TA LT U N G E N Impressionen 06 T H E M E N W O C H E 2 017 Zu Fuss nach Istanbul 07 Grenzen im Berufsalltag: Podiumsdiskussion 08 Abholen, Aufbauen … Auftakt! 10 Genügen die Vorkenntnisse in Algebra? 11 Zurück ins Jahr 1291 13 Eine Klasse geht ‘on air’ 15 meineindustriegeschichte.ch 17 YES – Wir gründen ein Unternehmen 18 W I S S E N U N D K U LT U R Es ist wieder Theaterzeit 20 Der Amazonas ruft 21 Selfies – Selbstportraits in der Kunst 24 Mit Actionbound unsere Mediothek kennenlernen 25 Stets i truure 26 MENSCHEN Abschlussklassen Sommer 2017 29 Im Gespräch mit Piero Istrice 31 Pensionierung und Austritte
E D ITO R IAL E D ITO R IAL Pascale Chenevard Was passiert, wenn man Grenzen auskundschaftet, erweitert, verändert Prorektorin oder gar überschreitet? Was, wenn man sich nicht von Grenzen aufhalten lassen will, und deshalb, gepaart mit einer gehörigen Portion Mut und Abenteuerlust, einfach aufbricht? Vielleicht erreicht man so Istanbul zu Fuss. Von dieser Grenzerfahrung berichtet Benjamin Lind, der als Gast- referent unsere diesjährige Themenwoche ‘Grenzen’ eröffnete. Wir haben schon mehrmals über unser Schulentwicklungsprojekt STEPS im Bulletin berichtet. In dieser Ausgabe geben uns Lehrpersonen Einblick in ihre ersten Erfahrungen. Es ist bemerkenswert, wie die aus dem Kolle- gium entstandene Idee nun konkret im Schulalltag umgesetzt wird. Und es freut mich sehr, dass bereits wenige Monate, nachdem der erste STEPS Jahrgang gestartet ist, erste Schritte sichtbar werden. Ein Theaterstück zu inszenieren, es einzuüben und aufzuführen, stellt für alle Beteiligten eine grosse Herausforderung dar. Umso schöner, wenn eine Klasse zusammen mit Lehrpersonen diese annimmt und Herzblut sowie viele Stunden investieren. Wenn Sie wissen wollen, wie ‘Dä Tell’ entstanden ist, lesen Sie den Artikel, der Sie mitnimmt ins Jahr 1291– oder zumindest in die Studienwoche der Klasse 4me. Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, welche Vielfalt an Unterrichts- projekten bei uns im Haus – oder um genau zu sein: ausser Haus – ent- steht. Sei es, dass eine Klasse mit einem Radioprojekt ‘on air’ geht; sei es, dass Jugendliche zu Forscherinnen und Forschern werden und ein Stück Thurgauer Industrie- und Kulturgeschichte schreiben; oder sei es, dass Kanti Schülerinnen und Schüler ein Unternehmen gründen und selber als Geschäftsführung operieren. Eine lange Tradition haben die Einführungen in Theaterstücke durch Lehrpersonen der Kanti Frauenfeld. Von vielen Theaterbesucherinnen und -besuchern werden die fachkundigen und informativen Vorträge geschätzt. Vielleicht bekommen Sie ja auch Lust, sich einmal vor einer Aufführung spannende Hintergrundinformationen zu einem Stück anzuhören. Vor einiger Zeit wurde eine unserer Lehrerinnen für Bildnerisches Gestal- ten durch einen Artikel in der Frauenfelder Woche über im Foyer ausge- stellte Schülerarbeiten aufmerksam. Es stellte sich heraus, dass der Autor ein Kunstkenner ist, der sich sehr für die Arbeiten unserer Schülerinnen und Schüler im Bildnerischen Gestalten interessiert. Lassen Sie sich von seinen Gedanken über Selfies und von den eindrücklichen Auslegungen von Porträts durch Jugendliche begeistern. Und wie immer am Ende meines Editorials möchte ich Sie ein bisschen neugierig auf einen ehemaligen Absolventen machen. Nur wenige Jahre nach seinem HMS Abschluss führt er eine Firma im hart umkämpften Werbemarkt. Geniessen Sie unser Herbst Bulletin!
Kanti Bulletin 2 U N T E R R IC HT U N D V E R AN STALT U N G E N G R E N Z E N E R L E B E N : T H E M E N WO C H E 2017 In der diesjährigen Themen- den Stoffen fotografisch fest. Die Wiese mit dem Tanz zweier männ- woche durften Grenzen über- Herausforderung besteht darin, licher Aspisvipern zu tun? schritten, ausgelotet, erreicht, besonders spannende und ästhe- Grenzen werden im Tierreich in verändert, hinterfragt werden. tische Momente einer Bewegung vielfältiger Weise gesetzt und Aus verschiedenen Perspekti- bzw. einer Grenzöffnung mit diver- verteidigt. In Laborversuchen mit ven und Fachbereichen wurde sen neuen Medien optisch einzu- Insekten und Fischen, Beobach- das Thema so aufbereitet, dass frieren und einzufangen. tungen im Zoo und auf Exkursio- unsere Schülerinnen und Schü- nen im Freiland gehen wir den ler eine einladende Spielwiese Medienzentrum Fragen nach, auf welche Weise betreten durften. Das Medienzentrum als Teil der Tiere Grenzen ziehen. Kulturwoche hat zum Ziel, Schüle- Bereits in der Einführungsveranstal- rinnen und Schülern einen mög- Grenzen in der Physik – Physik an tung am Montagmorgen wurde klar, lichst realen Einblick in die Me- Grenzflächen dass die Lehrpersonen keinen Auf- dienwelt zu geben. Die Teilnehmer Physik an Grenzflächen, Grenzen wand gescheut hatten, Kreativität schlüpfen in die Rolle von Repor- innerhalb von physikalischen und Neugier bei den Jugendlichen terinnen und Reportern und be- Modellen, Grenzen von physika- zu wecken. Folgende Projekte stan- richten mit Stift und Kamera von lischen Modellen, Grenzen der den zur Wahl: den Aktivitäten während der Wissenschaftlichkeit, evtl. Gren- Sonderwoche. zen der Messbarkeit. Kulturwoche Alle Teilnehmenden besuchen die Grenzen erleben, zerstückeln, vier Teilprojekte: Texte entgrenzen: vertexten, mischen und neu darstellen • Scanning Tunnelling Microscope vertonen, verfilmen Wir beschreiten in Fribourg den • Die Grätzelzelle Ich gebe dir einen Text und schi- Röstigraben und erleben die • Wie aus Grenzflächen eines Halb- cke dich über seine Grenzen Vielfältigkeit der Sprachgrenze. leiters ein Computer entsteht hinaus. Wenn du zurückkommst, Vor Ort fotografieren, skizzieren • Interaktion von Licht und Materie ist daraus ein neuer Text oder und schreiben wir. Mit unseren vielleicht eine Mischung aus Text- Bild-und Textausschnitten zer- Grenzen in Raum und Zeit elementen, Klängen und Bildern stückeln wir Grenzen und setzen Entdecker verschoben die Gren- geworden. sie gestalterisch neu zusammen. zen der bekannten Gebiete immer weiter, bis die ganze Erdober- Kleine Grenzen gross festhalten Naturwissenschaftlich-techni- fläche bekannt war. Der Mensch Ein naturwissenschaftlich-künstle- sche Woche wagte auch den Schritt ins Univer- risches Projekt sum: Mit der Beobachtung des Wir beobachten einfache che- Grenzbildende Rivalitäten bei Sternenhimmels und dem Entsen- misch/physikalische Phänomene Tieren den von Weltraumsonden wurden und halten Grenzflächen zwischen Was hat ein Grillenkonzert in der und werden Grenzen erweitert.
3 U N T E R R IC HT U N D V E R AN STALT U N G E N Grenzen des Lebens Grenzen in Naturwissenschaft und Themenwoche FMS In diesem Projekt werden wir die Wirtschaft Grenzen des Lebens ausloten: Theoretische Hinweise und prak- Grenzgänger: Was bringt uns an • Was ist Leben überhaupt? Wie ist tische Erfahrungen in Form von unsere Grenzen – und darüber es entstanden? Können wir funk- Kurzexkursionen zu Grenzen in hinaus? tionsfähige Zellen bald künstlich den Bereichen Religion/Philo- Wo die einen Grenzen übertreten, herstellen? Und gibt es auch sophie, Fair Trade, Physik und müssen andere ihre persönlichen Leben auf fremden Planeten? Wirtschaftsgeschichte. Grenzen überwinden. Wir gehen • Wie steht es mit dem menschli- folgenden Fragen nach: chen Leben? Wann genau beginnt Historische/staatsbürgerliche • Welche Arten von Grenzen und und wann endet es? Wie reagiert Woche Grenzüberschreitungen gibt es? der Mensch auf extreme Hitze, • Wann und wie schnell stösst der Kälte, Höhe oder Tiefe? Und was Jugend macht Politik einzelne an seine Grenzen? verändert sich dabei im Körper? Eingeteilt in Parteien simulieren • Welche Situationen sind prädesti- wir einen eidgenössischen Par- niert dafür, dass Grenzüberschrei- Fraktale Strukturen: Sind Grenzen lamentsbetrieb. Wir erarbeiten ein tungen stattfinden? immer Grenzen? politisch aktuelles Wochenthema • Wie kann man Strategien ent- Mathematisch und gestalterisch und bringen eigene Vorstösse ein. wickeln, um damit umzugehen? befassen wir uns mit fraktalen Wir diskutieren, üben uns in poli- Strukturen. Sowohl digital als tischer Rhetorik, vertiefen das Wirtschaftswoche auch analog gibt es unzählige Wochenthema und führen ab- Möglichkeiten, Fraktale sichtbar schliessend eine Parlaments- Sie führen im Team eine eigene zu machen. debatte im ehrwürdigen Grossen Firma! Bürgersaal des Frauenfelder Veranstalter: Industrie- und Rathauses durch. Handelskammer Thurgau Wieso hast du dieses Thema Was ist das erste Wort, wel- Ich finde, es braucht Grenzen, denn gewählt? ches dir zu Grenzen einfällt? sonst kann ja jeder machen, was er will. – Amelia Heid Ich habe das Thema ‘Kleine Gren- Leistungsgrenze – Daniel Sosa zen gross festhalten’ gewählt, An welche Grenzen bist du weil ich Fotografie sehr mag und Intelligenzgrenze schon gestossen? mich für Chemie interessiere. Melany Schnellmann Rebecca Duewell Ich bin schon beim Sport sowie Schmerzensgrenze schulisch an meine persönlichen Ich habe das Thema ‘Texte ent- Jasmin Müller Grenzen gestossen. – Loris Rehli grenzen’ gewählt, weil ich gefun- den habe, dass das ein spannen- Braucht es Grenzen? Wieso? Ich bin beim Sport, hauptsächlich des Thema sein und ein interes- beim Snowboarden, an meine santes Resultat dabei heraus- Sie sind wichtig, weil wir durch Leistungsgrenze respektive Über- kommen könnte. – Lea Hochuli diese vieles lernen können. Teil- windungsgrenze gestossen. Ich weise blockieren sie uns. Aber versuche immer, meine Angst, neue Wie findest du die Themen- wenn wir beschliessen, sie zu Tricks zu erlernen, in Respekt um- woche als Konzept? überschreiten, können wir nur zuwandeln. – David Bünter davon profitieren und weiter- Es ist eine gute Möglichkeit, kommen. – Giada Suppa Was für Grenzen gibt es? Leute aus anderen Klassen ken- nenzulernen. Auch arbeitet man Ja, denn ohne Grenzen gäbe es Es gibt Grenzen, die man sich sel- an Themen, mit denen man sich keinen Nervenkitzel, wenn man ber setzt, und Grenzen, die einem sonst nicht beschäftigen würde. sie überschreitet. Das Leben von anderen gesetzt werden. Anina Geiser wäre langweilig. – Olivia Jossi Lydia Schär
Kanti Bulletin 4 U N T E R R IC HT U N D V E R AN STALT U N G E N IM PR E SS ION E N Themenwoche 2017
Kanti Bulletin 6 U N T E R R IC HT U N D V E R AN STALT U N G E N Z U F U S S NAC H I S TA N B U L Themenwoche 2017 Zum Auftakt in die The- Benjamin Lind erzählt passend die Natur und die Menschen immer Was man allerdings spürt, sind die menwoche versammel- zum Thema ‘Grenzen’ von sei- gleich bleiben. Grenzen des Tourismus. In Kroatien ten sich Schüler- und ner eigenen Grenzerfahrung: zu Die körperlichen Grenzen suchten wird man minütlich von Reisecars Lehrerschaft in der Fuss von Zürich nach Istanbul. wir auf keinen Fall, sie wurden uns und Camper überholt, ab Albanien Aula. Ein von der Klas- Seine Reise startete er mit sei- aber am Anfang klar aufgezeigt. Die hört dies abrupt auf. Dort sind es se 3me produzierter nem Kameraden Andreas im ersten Wochen waren die härtesten. nur noch die fetten BMW aus der Film führte ins Thema September 2012. Die 3500 Unsere Körper mussten sich zuerst Schweiz oder die Eselskarren der ‘Grenzen’ ein, und die Kilometer lange Strecke führte an das neue Leben gewöhnen. Einheimischen. Projekte der Woche die beiden nicht nur über neun wurden vorgestellt. Landesgrenzen, sondern auch Wie würden Sie diese Grenzerfah- «Grenzen sind da, um überwunden Ein Highlight war der an ihre persönlichen Grenzen. rung konkret definieren? zu werden.» Entspricht das Ihrer Vortrag von Benjamin Um die drei Monate bewusst zu Zu schaffen machte uns die Müdig- Einstellung? Lind, der bildhaft von erleben, liessen sie ihr Smart- keit nach langen Märschen, zwie- Absolut! Sich von einer Grenze seinem Fussmarsch phone zu Hause und übernach- lichtige Schlafplätze und anschlies- einschränken zu lassen, ist schade. nach Istanbul erzählte. teten in Parks, verlassenen send geweckt werden von der Sobald man sie nämlich überwun- Gebäuden und Bushäuschen. Polizei, Heimweh nach der Freundin den hat, ist man so viel reicher an und der Familie oder manchmal Erfahrung und Wissen. Man setzt Philip Grotloh, 4me Wie kommt man auf die Idee, zu auch Streitereien mit meinem Reise- sich diese Grenzen oft im Voraus, Lena Probst, 3me Fuss bis nach Istanbul zu gehen? gefährten. Einmal mussten wir uns um seine Angst zu rechtfertigen. Die Idee entstand aus einem Drang, auch Zecken aus dem Hinterkopf Oftmals können diese Grenzen mit nach der Schule und dem Arbeiten operieren. einer einfachen Lösung überwun- als Nachtportier auf dem Heimweg den werden und es scheint nachher, nicht anzuhalten, sondern einfach Gab es Ereignisse, die Ihre Wohl- als wären sie nie dagewesen. weiterzugehen – die Welt langsam, fühlgrenze überschritten? aus eigener Kraft und ohne grosses Ja, meistens hing das mit dem Würden Sie diese Reise bezie- Budget zu erkunden. Schlafplatz zusammen, wenn es hungsweise diese Grenzerfahrung Istanbul hat sich als gutes Ziel dunkel wurde und man an einem anderen empfehlen? Wenn ja, angeboten, da es den europäischen unbekannten, unsicheren Ort über- wieso konkret? und den asiatischen Kontinent ver- nachten musste und die Kontrolle Ja, auf alle Fälle. Es zeigt jedem auf, bindet und wir somit bis an die asia- verlor, sobald man einschlief. Somit dass man aus der Überflutung unse- tische Grenze wandern konnten. war die Angst mein Hauptthema rer Reize durch Medien, Internet bezüglich Wohlfühlgrenze. Kleine und Alltag ausbrechen kann. Man In Ihrer Präsentation sprachen Sie Unsicherheiten hatten oftmals einen lernt die Zeit schätzen. Auch wenn von einer Grenzerfahrung. Suchten grossen Effekt auf die Psyche. man so eine Reise nach einer Wo- Sie diese bewusst mit der Reise? che wieder abbrechen sollte, hat Nein, uns ging es eher darum, die Führten diese Ereignisse zu einer man viel über seine Grenzen und Grenzen aufzuheben. Zu sehen, Grenzverschiebung, respektive das Sein gelernt, davon bin ich dass die Grenzen zwar da sind, aber halten Sie nun mehr aus? überzeugt. – Also: Do it! Auf jeden Fall. Ich bin zwar schon Benjamin Lind hat nach immer der Typ gewesen, der nie der Matura an der PMS aufgibt, trotzdem gab es eine Kreuzlingen (Kunst- und Grenzverschiebung in mir: Mein Sportklasse) studiert Denken hat sich verändert und und danach an der meine Gefühle gegenüber gewissen Zürcher Hochschule der Menschen. Künste Jazz (Saxo- phon). Auf seiner Reise Welche persönlichen Grenzen nach Istanbul fing er an, lernten Sie neu kennen? sich für die Fotografie Meine Grenzen kannte ich schon, zu interessieren. Mittler- es ging auf der Reise darum, diese weile arbeitet Benjamin zu überwinden. Lind hauptsächlich an seiner Karriere als Sie überquerten viele Landes- Künstler, lässt sich aber grenzen. Inwiefern spürt man diese nebenher zusätzlich Grenzen zwischen den Ländern? zum Sozialpädagogen Wenn man so langsam reist wie wir, ausbilden. kaum, da sie alle ineinanderfliessen.
7 U N T E R R IC HT U N D V E R AN STA LT U N G E N G R E N Z E N I M B E R U F S A L LTAG : P O D IU M SD I SK U S S IO N Themenwoche 2017 Im Rahmen des Herbstfests als Abschluss unserer Themenwoche fand eine öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema ‘Grenzen’ statt. Die Podiumsteilnehmer hatten aus verschiedenen Gründen mit Grenzen zu tun: Die perfekte Ausgangslage für eine interessante Diskussion, in der das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden konnte. Moderiert wurde die Diskussion von Anina Geiser, 4mc Roman Lareida, 4mc Hans Peter Niederhäuser, Lehrer für Deutsch Thomas Zehnder ist Grenzwachtkommandant der Grenzwachtregion II. Vor der Übernahme seines Amtes im Jahre 2009 war er bereits fünf Jahre als Chef Personelles und in der Ausbildung im Grenzwachtkorps II aktiv. Danach übernahm er die Leitung der gesamtschweizerischen Ausbildung beim Kommando Grenzwachtkorps II. Vor seinem Amtsantritt war er CEO der Schweizerischen Treuhänder Schule. Er beschreibt seinen Job als sehr vielfältig und jeden Tag einzigartig. Aufgrund der Tatsache, dass man in dieser Tätigkeit kaum etwas voraussagen kann, sind viel Kreativität und Improvisation gefordert. Usama Al Shahmani bezeichnet sich selbst als ‘Buchstabenmenschen’. Der ehemalige irakische Flüchtling hat in Frauenfeld eine neue Heimat gefunden. Er ist Sprachwissenschaftler, hat arabische Sprache und moderne arabische Literatur studiert. Momentan schreibt und übersetzt er Bücher. Usama Al Shahmani arbeitet teils in der Mensa der PMS in Kreuz- lingen, teils als Dolmetscher, Kulturvermittler, Lehrer für Arabisch, freier Journalist und Schriftsteller. In seinem Buch ‘Die Fremde – ein seltsamer Lehrmeister’ erzählt er vom Leben in der Diktatur, seiner Flucht und der Ankunft in der Schweiz. – Er sehe sich als Vorbild für viele Flüchtlinge, die in der Schweiz ankommen. Er wolle ihnen Hoffnung machen. Die deutsche Sprache sei der Schlüssel zur Integration. Deswegen versuche er, Menschen aus dem arabischen Raum zu überzeugen, Deutsch zu lernen. Michael Hermann ist ein Geograph und Politikwissenschaftler. Er lehrt am Geographischen sowie am Politikwissenschaftlichen Institut der Universität Zürich. Er ist auch als Kolumnist und Journalist für den Tages Anzeiger und die NZZ tätig. Ausserdem ist Hermann Verfasser sozial- räumlicher Studien, etwa zu Zuwanderung und Bevölkerungsentwicklung. Nach dem Gymnasium studierte Hermann Geographie, Volkswirtschaft und Geschichte an der Universität Zürich, wo er 2006 am Geographi- schen Institut promovierte. Danach gründete er die Forschungsgruppe Sotomo, welche er später verselbständigte und bis heute als Geschäftsführer leitet. Marion Sontheim ist diplomierte Spielgruppenleiterin und Familien- begleiterin. Sie ist Leiterin des Familienzentrums ‘zusammen wachsen’, Redaktorin der Fachzeitschrift ‘Spielgruppe.ch’ und Geschäftsleiterin der Spielgruppe ‘Bärenhöhle’. Sie meint, die eigenen Grenzen angemessen zu schützen und die des anderen zu achten, sei die wichtigste Grundvoraus- setzung für Frieden und ein respektvolles Miteinander. Mathieu Sidoli, 3ma Jetmir Selimi, 3ma Marius Grossglauser, 4mc
Kanti Bulletin 8 U N T E R R IC HT U N D V E R AN STALT U N G E N A BH O L E N , AU F BAU E N … AU F TA K T ! Studienwoche der Klasse 1mc Gesualda Cannizzo Fach und in der eigenen Klasse bes- Lehrerin für Französisch ser Fuss zu fassen, was am Anfang Das Konzept STEPS umfasst fünf und Englisch der vierjährigen gymnasialen Aus- Abschnitte im Laufe der gymnasialen bildung von grosser Bedeutung ist, Ausbildung, mit welchen die Schüle- um erfolgreiche Lernerfahrungen zu rinnen und Schüler bewusster ihre machen. So ist die Studienwoche Lernstrategien, Entwicklungs- und eine wichtige Etappe im Abholen Wissensfortschritte sowie ihre per- und im ersten Aufbauen von neuem sönlichen Stärken und Begabungen Wissen und Kompetenzbereichen. für das weiterführende Studium an Zu diesen zählen auch Kreativität einer Universität erfahren. Die fünf In Les Geneveys-sur-Coffrane und Persönlichkeitsentwicklung, Schritte in diesem Prozess, welche bei Neuchâtel hat die Klasse welche in der Studienwoche zum sie vom ersten Schultag an der Kanti 1mc vor den Herbstferien die Tragen gekommen sind. Frauenfeld bis zur Maturfeier beglei- Studienwoche in Begleitung der Das Stück ‘Histoire du soldat’ von ten, sind folgende: Klassen- und Französischlehre- C.F. Ramuz, dem berühmten wel- • Abholen rin Gesualda Cannizzo und des schen Schriftsteller, dessen Text • Aufbauen Musiklehrers Martin Weber ver- von Mani Matter übersetzt und vom • Ausrichten bracht. Ziel der Studienwoche Komponisten Igor Strawinsky musi- • Ausbauen war es, der Klasse, neben fach- kalisch untermalt wurde, gab der • Abgeben lichen Inhalten, Gelegenheit zu Klasse die Gelegenheit, interdiszip- bieten, sich kennenzulernen linär und kreativ zu arbeiten. und einen Klassenzusammen- Der literarisch-musikalische Fokus halt zu finden. Unter dem neuen der Studienwoche wurde mit einem Statements Konzept STEPS gehört die Ausflug nach Murten und einer Studienwoche 1m zum Bereich Stadtführung erweitert, welche ver- Sarah: Die Studienwoche wurde ‘Abholen’, in welchem noch be- schiedene Aspekte der Stadt und von der interessanten Geschichte wusster auf Entwicklungs- und der Region umriss (Zweisprachig- ‘Histoire du soldat’ begleitet. Darin Lernprozesse geachtet wird. keit, Geschichte, Architektur und geht es um einen Soldaten, der Geographie). Auch hier vernetzten mit dem Teufel einen Handel ab- Abgeholt werden die Schülerinnen sich verschiedene Disziplinen zu schliesst. Er tauscht seine Seele und Schüler fachlich nicht nur dort, einem Ganzen, was gewiss ein- (in Form einer Geige) gegen ein wo die Sekundarschule sie hinge- drückliche Erinnerungen an das Buch, das ihm die Zukunft aufzeigt führt hat, sondern auch in vielen an- Städtchen hinterlassen hat. und zu Reichtum verhilft. Dennoch deren Bereichen (z. B. Sozialkompe- Im Folgenden kommen Stimmen wird er immer unglücklicher und tenz, Lernstrategien). Das Abholen aus der Klasse zur Geltung, welche betrübter. Schlussendlich verspielt ermöglicht jeder Schülerin und die Woche aus ihrer Perspektive er sein Geld absichtlich an den jedem Schüler, im entsprechenden wiederaufleben lassen. Teufel. Er nimmt diesem die Geige Klasse 1mc im Klassen- lager in Les Geneveys- sur-Coffrane
9 U N T E R R IC HT U N D V E R AN STA LT U N G E N wieder ab und erobert mit ihr das dass wir die vier Jahr gemeinsam Herz einer traurigen Prinzessin. Der verbringen werden. spezielle Aufbau der Geschichte erregt Aufsehen. Das Schauspiel Ich denke, wir sind alle gut Anja: Durch die Musik entstand eine wird von Musik begleitet und unter- angekommen in der neuen spezielle Atmosphäre und unter brochen. Klasse. den Schülern baute sich schon eine Die Geschichte wurde in fünf Teile erste Verbindung auf. geteilt, welche von verschiedenen Gruppen mit viel Engagement in je gingen wir auf die Wehrmauer, wo Jessica: Am Ende des Lagers kön- zwanzig Minuten vorgeführt wurden. wir spannende Informationen über nen wir uns als Gruppe bezeichnen, Die Musikperformance unterhielt – die Stadtbelagerung durch Karl den in der Zusammenhalt und Freund- teilweise auf Französisch – das Kühnen erhielten. Den Abschluss schaft wichtig sind. Publikum mit witzigen Szenen. bildete ein kurzer Museumsbesuch und eine Nidlkuchen-Degustation. Allgemeine Eindrücke Rhena: Wir hatten den Auftrag, in einer Gruppe ein Theater zu einer Nathalie: An der Stadtführung er- Fabiano: Die Studienwoche war Szene von ‘Histoire du soldat’ zu fuhren wir, dass es früher im Schul- sehr schön. Das abwechslungs- gestalten. Selbständig durften wir haus separate Eingänge für die reiche Programm machte das Gan- Musik, Lieder und Dialoge einbauen Jungen und die Mädchen gab. ze zu einem tollen Erlebnis! Unsere und üben. Am Donnerstagabend Unterkunft war schön und die Aus- performten wir die Theaterstücke STEPS Abholen und Kennen- sicht atemberaubend. Wir hatten vor der Klasse. lernen Blick auf den Neuenburgersee und Obwohl wir insgesamt nur wenig die Berge. Der Ausflug nach Murten Zeit für die einzelnen Szenen hatten, Abholen aus der alten Klasse und war eine schöne Abwechslung, waren die Ergebnisse sehr kreativ, einen neuen Klassengeist aufbauen. und die Schifffahrt zurück nach Neu- humorvoll und gut. Durch das Einstudieren der Musik- châtel war für mich ein Höhepunkt. performances zur Geschichte des Ausflug nach Murten Soldaten in gemischten Gruppen Milena: Der Spass begann schon wurde der Zusammenhalt gestärkt, ab der ersten Minute, als die ganze Joel: Am Mittwochmorgen fuhren und man hatte die Möglichkeit, die Klasse in den Zug einstieg, und wir mit dem Zug via Neuchâtel nach anderen in der Gruppe besser ken- zog sich über die Woche bis zum Murten. Dort sind wir in den Genuss nenzulernen. Schluss hin. Das schulische Pro- einer Führung durch die Altstadt ge- gramm, die lustigen Abende und der kommen. Sie begann beim Berntor, Noemi: Wir konnten viel Zeit mit- interessante Ausflug nach Murten wo uns erklärt wurde, warum die einander verbringen und bauten so machten das Lager abwechslungs- Uhr auf einer Seite des Tores keinen unseren Klassenzusammenhalt auf. reich und zu einem unvergesslichen Minutenzeiger hat. Anschliessend Unsere Klasse ist toll, und ich hoffe, Erlebnis. Szene aus dem von den Schülerinnen und Schülern bearbeiteten und gespielten Stück ‘Histoire du soldat’.
Kanti Bulletin 10 U N T E R R IC HT U N D V E R AN STALT U N G E N G E NÜ G E N D I E VO R K E N N T N I S S E I N A LG E B R A? Fokus Basis Mathematik: Erhebung der Vorkenntnisse Algebra und Förderkurs Mathematik Andy Risch während des Mathematikunterrichts Insgesamt arbeiten alle hervorra- Lehrer für Mathematik am Ende der ersten Schulwoche. gend und wir kommen mehrheitlich Anschliessend wird nach einem gut vorwärts. Einige machen aber Korrektur- und Punkteschlüssel immer noch ‘klassische’ Fehler wie korrigiert. So erzielt jeder Schüler die Miss achtung der Regel ‘Punkt eine bestimmte Punktesumme. Die vor Strich’. Mathematik-Lehrpersonen setzen sich schliesslich zusammen und Zweiter Kursnachmittag legen die Punktezahl fest, ab wel- Eine Woche später nehmen 30 Per- cher der freiwillige Förderkurs sonen am Kurs teil. Der Fokus liegt besucht werden soll. In einem auf Bruchtermen inklusive Gleichun- Mit dem Start von STEPS gewissen Übergangsbereich gibt gen. Wiederum besprechen wir im werden bei Schuljahresbeginn es eine bedingte Empfehlung: Plenum die wichtigsten Regeln und erstmals die Vorkenntnisse Die Schülerinnen und Schüler sol- sichern diese mit Beispielen ab. Die der Erstklässlerinnen und len je nach individuellem Resultat meiste Zeit entfällt wie in der Vor - Erstklässler des Gymnasiums den ersten oder den zweiten Teil woche auf das Lösen von Aufgaben, in Algebra erhoben. Je nach des Förderkurses besuchen. welche individuell durchgearbeitet Resultat wird der Besuch eines werden. Im Gegensatz zum ersten freiwilligen Förderkurses Sehr grosses Interesse Nachmittag gibt es diesmal sehr empfohlen. 113 Schülerinnen und Schüler ab- viele Fragen. Vermutlich liegt das solvierten die Erhebung. 27 erhiel- daran, dass noch nicht alle Bruch- Die Erhebung und der Förderkurs ten die Empfehlung, den ganzen terme im regulären Unterricht repe- sollen gleich zwei wesentlichen Förderkurs zu besuchen. Nicht tiert haben. Nicht ganz überrascht Aspekten von STEPS Rechnung weniger als 24 davon meldeten sich stellen wir fest, dass die Schülerin- Aufgabe 3 der tragen. Zum einen wollen wir die an! Von den 17 bedingt Empfohle- nen und Schüler mehr Zeit brau- Erhebung und die zu- Schülerinnen und Schüler besser nen kamen 10 mindestens einmal. chen. Diese bekommen sie nach gehörigen Ergebnisse von ihrem Sekundarschulwissen Insgesamt besteht der Förderkurs den Herbstferien. (keine Hilfsmittel) abholen und darauf aufbauen. Zum aus vier Doppelstunden. Diese fin- anderen deckt die Erhebung die den in unregelmässigen Abständen Ausblick auf die zweite Hälfte basalen Kompetenzen des Sekun- am Donnerstagnachmittag statt. des Förderkurses Aufgabe 3 darschulstoffes in Algebra ab. Wir Zwei Termine sind vor den Herbst- Ende Oktober und Mitte November (Potenzen u. Wurzeln) haben uns bei der Erhebung auf ferien, zwei folgen danach. findet der Förderkurs an zwei weite- Algebra beschränkt, da der Haupt- ren Nachmittagen statt. Aufgrund Rechne aus bzw. inhalt der Probezeit in Mathematik Erster Kursnachmittag eines Umfragebogens, welchen alle vereinfache bei e). aus diesem Stoffgebiet besteht. Mit In der vierten Schulwoche beginnt Kursteilnehmer vor den Ferien aus- Notiere bei c) und d) einer Erhebung sehen wir am bes- der Förderkurs. Die 27 anwesenden füllen, unterbreiten wir den Schüle- je wenigstens einen ten, wie es um das aktive Wissen Schülerinnen und Schüler erhalten rinnen und Schülern ein neues Zwischenschritt. der Schülerinnen und Schüler für den gesamten Kurs ein umfang- Angebot. Es können sich insbeson- steht. Die Aufnahmeprüfung liegt reiches Dossier, in welchem die dere jene anmelden, welche an den a) öääää 9 +16 (zu) weit zurück, zudem besteht wichtigsten Definitionen und Sätze ersten beiden Nachmittagen nicht diese nur zu einem geringen Teil aus sowie einige Musteraufgaben ent- dabei waren. Wir bieten noch mehr b) öää 64 : öää 16 Algebra. halten sind. Die Theorie wird mit Übungsgelegenheiten an, um den Hilfe einer Powerpoint-Präsentation Sekundarschulstoff zu festigen. Neu c) 42 – (–4) + 2 • 32 Erhebung schon Ende der relativ rasch behandelt. Unser hinzu kommen Inhalte des aktuellen ersten Schulwoche Fokus liegt beim Üben. So lösen Semesters: Faktorisieren, die bino- d) (–5 + 7)2 • (42 – 23) Zunächst gilt es, algebraische Auf- wir wenige Musteraufgaben vor. mischen Formeln und Bruchterme gaben zusammenzustellen, welche Zusätzlich gibt es ein Übungsdos- inkl. Gleichungen (Vertiefung e) öäää 16a2 (a ≥ 0) dem Niveau der 2. Sekundarschule sier, welches viele Aufgaben zum Sekundarstoff). Mit dem Anbieten entsprechen. Es soll sich dabei um Sekundarschulstoff enthält. Die der neuen Themen unterstützen Aufgaben handeln, welche man je- Schülerinnen und Schüler werden wir die Schülerinnen und Schüler derzeit lösen können sollte. Dazu ausserdem mit ausführlichen Mus- aktiv dabei, den (mathematischen) e) 4a gehören u.a. das Lösen einer linea- terlösungen ausgestattet, so dass Tritt an unserer Schule zu finden. d) 32 ren Gleichung, das Berechnen ein- sie auch ohne Lehrperson arbeiten 33 Schülerinnen und Schüler c) 38 facher Potenzen oder das Eliminie- können. Die Fragemöglichkeiten haben sich für die Fortsetzung an- b) 2 ren von Doppelbrüchen. Insgesamt werden aber auch rege genutzt. gemeldet. 18 haben sich erstmalig a) 5 Ergebnisse besteht die 45minütige Erhebung Wir behandeln Termumformungen angemeldet. Wir sind überrascht aus 21 Aufgaben. Das Lösen erfolgt und Gleichungen ohne Bruchterme. von der grossen Nachfrage!
11 U N T E R R IC HT U N D V E R AN STALT U N G E N Z U R Ü C K I N S JA H R 12 91 Studienwoche – Theateraufführung Muriel Allan geschrien und ‘deutlicher gespro- Sarah Rutschmann chen’, was das Zeug hielt. Die Sze- Sara Schnellmann nen wurden drinnen, bei sonnigem 4me Wetter oft aber auch draussen vor Es wurde gespielt, der wunderschönen Bergkulisse geschrien und ‘deutlicher Ein Projekt von geprobt. Den Text zu lernen war die gesprochen’, was das Zeug Peter Giger eine Sache, das Schauspielern eine hielt. Lehrer für Deutsch und ganz andere. Unermüdlich wurden Geschichte schwierige Stellen in Gruppen ge- und Markus Müller lernt, wiederholt und gesprochen, kennen. Zwischen den Klassen- Lehrer für Chemie bis sie sassen. szenen werden drei gekürzte und Die Klasse 4me versetzte sich Für das Aussuchen der Kostüme angepasste Originalszenen aus zurück in die Zeit von Wilhelm reisten einige Schüler an einem Schillers ‘Wilhelm Tell’ gespielt. Tell. Mit ihrer Theaterinszenie- Morgen nach St.Gallen. Zurück in Manche Zuschauer haben vielleicht rung ‘Dä Tell’ zeigte sie dem Frauenfeld gab man dem Schau- auch einige Parallelen zwischen den Publikum drei Kernstücke des spiel in den Proben auf der Aula- in unserer Zeit handelnden Schul- Werkes von Friedrich Schiller bühne noch den letzten Schliff. Die szenen und dem im Jahre 1291 und erweiterte das Original mit Visagistin Elvira Keiser wohnte den angesiedelten Schauspiel Schillers drei lustigen Szenen aus dem Proben bei, um die Charaktere zu entdeckt. Schulalltag. Dank einer intensi- studieren und sich eine passende ven Studienwoche und vielen Maske auszudenken. Am 6. Juni war Friedrich Schiller (1759 –1805) Proben wurde die Aufführung es dann endlich soweit und es Friedrich Schiller war Arzt, Dichter, ein voller Erfolg. hiess: Vorhang auf für ‘Dä Tell’. Philosoph und Historiker. Er erlangte durch seine zahlreichen Theaterstücke Ein Theater entsteht Inhalt des Stücks (u. a. ‘Die Räuber’, ‘Kabale und Liebe’) Während der Studienwoche im Frau Kessler liest mit ihrer Schul- und Balladen (u. a. ‘Der Handschuh’, Mai studierte die Klasse im Frauen- klasse das Theaterstück ‘Wilhelm ‘Die Bürgschaft’) grosse Berühmtheit felderhaus in Wildhaus ihr Theater Tell’ von Friedrich Schiller. Die und prägte die Zeit der Weimarer ‘Dä Tell’ ein. Schon davor wurden im Jugendlichen haben es nicht ganz Klassik. 1804 vollendete Schiller das Deutschunterricht Originalszenen leicht mit ihrer strengen Lehrerin. Schauspiel ‘Wilhelm Tell’, sein letztes gekürzt und zusätzliche Szenen ge- Trotzdem werden mal mehr, mal vollständiges Werk. ‘Wilhelm Tell’ schrieben. In Wildhaus führten die weniger motiviert Inhalte und Hinter- wurde im selben Jahr am Weimarer beiden Lehrpersonen Peter Giger gründe des Theaterstücks bespro- Hoftheater uraufgeführt. Bald wurde und Markus Müller den ganzen Tag, chen. Dabei lernen die Zuschauer dieses Werk eine Art ‘Nationalepos’ und häufig auch abends, Theater- die unterschiedlichen Charaktere für die Schweiz. übungen durch. Es wurde gespielt, der Schülerinnen und Schüler
Kanti Bulletin 12 U N T E R R IC HT U N D V E R AN STALT U N G E N Zurück ins Jahr 1291 Interview mit tion und muss teilweise auch meine Wildhaus uns gut getan hat. Die Raphael Blöchlinger Meinung durchsetzen. Allerdings Klasse half mir zudem, den Text zu bin ich der Ansicht, dass ich meine lernen. Ohne diese Woche wäre Welche Rolle hast du im Stück Leute nicht unterdrücke, wie Gess- das Theater wohl nicht so gut gespielt? ler es zu tun pflegte. geworden, da wir kaum so viel - Ich übernahm die Rolle des Her- geprobt und uns nicht so intensiv mann Gessler, dem Landvogt von Findest du, dass die Studienwoche damit beschäftigt hätten. Schwyz und Uri. Er ist arrogant, einen positiven Einfluss auf die unterdrückt das Volk und alles muss Theateraufführung hatte? Was war die grösste Herausforde- nach seiner Pfeife tanzen. Ich finde, dass das Lager sehr viel rung für dich? gebracht hat. Ich wäre zu Hause Für mich war die grösste Heraus- Siehst du Parallelen zwischen nicht so motiviert gewesen, den Text forderung, den ganzen Text zu ler- deiner Rolle und dir? zu lernen. Im Lager war das anders. nen. Zusätzlich bereitete mir die Ich würde sagen, dass ich ebenfalls Ich denke, das war vor allem so, Sprache Mühe, da das Stück aus eine autoritäre Person bin. Ich habe weil wir viel draussen gelernt haben dem 19. Jahrhundert stammt und in zwei Vereinen eine leitende Funk- und die schöne Bergwelt rund um eher kompliziert geschrieben ist. Wenn man also den Text vergass, konnte man nicht improvisieren, wie es in den Klassenszenen mög- lich war. Zu Beginn war Gessler für mich eine schwierige Rolle. Ich brauchte eine gewisse Zeit, bis ich mich in den Charakter hineinversetzen konnte. An den Hauptproben wurde dies einfacher, da wir mit Kostümen probten und für die Aufführung noch Make-up bekamen. Was würdest du das nächste Mal anders machen? Für ein nächstes Mal würde ich die Rollen zuerst bestimmen und da- nach den Text schreiben. Dann könnten alle ihren eigenen Text mitgestalten. Ausserdem wäre es besser ge- wesen, wenn wir den Text früher erhalten hätten, dann hätten wir etwas mehr Zeit gehabt, ihn aus- wendig zu lernen. Auch eine zweite Aufführung hätte ich gut gefunden. Es gab einige Leute, die sagten, dass sie gerne gekommen wären, jedoch an die- sem Tag verhindert waren. Was machte dir am meisten Spass? Mir machte das Lager am meisten Spass, obwohl wir sehr viel gear- beitet haben. Es hat den Klassen- zusammenhalt gestärkt. Ausserdem sind viele ‘Insider-Witze’ aus dem Theatertext haften geblieben, wel- che noch heute für einen Lacher sorgen.
13 U N T E R R IC HT U N D V E R AN STALT U N G E N E IN E K LASS E G E HT ‘ON AIR’ Studienwoche – Radioprojekt über den Thurgau Anna Schenk und Freitagnachmittag kurz vor 15 thur durch. Sie nennen den Passan- lekt nicht unbedingt eine kantonale Svenja Scherrer, 2md Uhr: In wenigen Augenblicken ten Thurgauer Begriffe und diese Angelegenheit, sondern eher eine geht die Klasse 2md am Radio müssen dann versuchen, die Wörter regionale. Und es gebe viele Misch- Ein Projekt von Stadtfilter in Winterthur live auf zu erklären. Erstaunlicherweise ken- formen von Dialekten. Thomas Moll Sendung. Aufregung und Nervo- nen die Winterthurer ungefähr ähn- Am Freitagmorgen rückt jede Lehrer für Wirtschaft sität machen sich breit. Es folgt lich viele Begriffe wie die Frauenfel- Gruppe zu einer anderen Zeit an. und Recht ein buntes Potpourri an Beiträ- der. Vielleicht würden die Resultate Die Teams, welche am Tag zuvor und Carmen Caderas gen und Klängen zum Thema anders herauskommen, wenn Wein- nicht in der Schule waren, müssen Lehrerin für Englisch ‘Typisch Mostindien’, und es ist felder und Stadtzürcher befragt früher kommen, um ihre Beiträge der Höhepunkt eines Radio- würden. Aber der Beitrag ist den- rechtzeitig fertig zu stellen. Es wer- projekts. noch äusserst unterhaltsam. den fleissig Beiträge geschnitten, Tonaufnahmen gemacht und An- Es ist Donnerstagmorgen und wir moderationen geschrieben. Das erhalten Besuch von Philipp Gem- Musikteam hat Probleme beim perle, Redaktor beim Regionaljour- Herunterladen der Musik, da sie nal Ostschweiz von SRF. Wir hören Zehn Minuten vor Redak - wegen der fehlenden Urheberrechte uns eine aufgezeichnete Sendung tionsschluss kommt die nicht einfach Youtube-Musik ab- seines Teams an und analysieren die genaue Zeitangabe für den spielen können. Zum Glück kann die Beiträge. Nach einer kurzen Frage- letzten Beitrag und stellt ICT-Gruppe aushelfen, obwohl sie runde teilen wir uns in Gruppen auf den ganzen Zeitplan des selbst zwanzig Minuten vor der letz- und beschäftigen uns mit unseren Moderatorenteams auf den ten Redaktionssitzung noch am eigenen Radiobeiträgen. Kopf. Alles wir neu durch- Jingle arbeitet. Der Zeitdruck wird Als wir unseren Moderatorinnen gerechnet und abgeändert. immer grösser und in der ganzen einen Besuch abstatten, diskutieren Klasse herrscht Unruhe. Je näher diese gerade über das Musikpro- der Abgabetermin kommt, desto gramm und planen die Radiostunde Eine andere Gruppe führt ein lauter wird es im Zimmer und auf mit den darin enthaltenen Anmode- Interview mit dem Dialektforscher dem Flur. Das Moderatorenteam rationen. Mithilfe eines farbig ge- Martin Graf. Sie reisen mit dem Zug bespricht die letzten Details für die stalteten Whiteboardes teilen sie nach Zürich, wo sie sich mit ihm tref- Sendung am Nachmittag. Sie pro- die Stunde in kleine Abschnitte ein, fen und ihre Fragen stellen können. ben alle An- und Abmoderationen die sie jeweils mit einem Beitrag, mit Unter anderem vertritt Herr Graf die und nerven sich über die noch Musik oder Zeit für ein Quiz füllen. Meinung, dass der Thurgauer Dia- immer nicht fertigen Beiträge. Zehn Unser ICT-Team hat bereits ein lekt arrogant klinge und dass dies Minuten vor Redaktionsschluss Testinterview bearbeitet. Ausser- der Grund für die Ablehnung unse- kommt die genaue Zeitangabe für dem haben sie den Auftrag, einen res Dialekts in anderen Kantonen den letzten Beitrag und stellt den Jingle zu erstellen, der als Übergang sei. Andererseits aber sei ein Dia- ganzen Zeitplan des Moderatoren- zwischen den einzelnen Beiträgen dienen soll. Als die Musikgruppe Kurz vor Sendestart: dazustösst, wird hitzig darüber das Moderatorenteam gestritten, ob sie einen Teil des im Studio von Radio Liedes ‘Thurgau mini Heimat’ als Stadtfilter in Winterthur Jingle verwenden oder ein eigenes Sample erstellen sollten. Bei der Gruppe, die mit dem Thurgauer SVP-Nationalrat Markus Hausammann ein Interview geführt hat, platzen wir mitten in eine span- nende Aufnahme. Mit iPads nimmt die Gruppe ihren Eigentext auf und fügt dann einige passende Statements ihres Interviewgasts ein. Wegen einigen Versprechern müssen sie ihre Aufnahmen wieder- holen, aber auch diese Erfahrung gehört zum Radioalltag. Eine Gruppe führt eine Strassen- umfrage in Frauenfeld und Winter-
Kanti Bulletin 14 U N T E R R IC HT U N D V E R AN STALT U N G E N Eine Klasse geht ‘on air’ teams auf den Kopf. Alles wird neu reiche Radiosendung. In den nächs- durchgerechnet und abgeändert. ten Wochen werden wir noch oft Kurz nach 12 Uhr findet dann die von unseren Lehrern und Familien letzte Redaktionssitzung statt. Es auf die Sendung angesprochen und wird alles wieder auf den neusten erhalten viele Komplimente. Stand gebracht, bevor wir dann um 12.30 Uhr zum Mittagessen gehen Link zum Beitrag: können. Bereits kurze Zeit später https://soundcloud.com/stadtfilter- trifft sich die ganze Klasse wieder, sendungen/kanti-frauenfeld-1me-am- diesmal nicht in der Schule, sondern 19052017-typisch-mostindien am Bahnhof. Wir besteigen den Zug nach Winterthur. Dort angekommen geht das Moderatorenteam direkt ins Studio. Der Rest der Klasse macht einen kleinen Fotoorientierungslauf, um die Zeit zu vertreiben. Kurz vor der Sendung dürfen wir alle in den Aufenthaltsraum des Studios. Dort können wir über ein Radio unsere eigene Sendung gespannt mitver- folgen und mit dem Moderatoren- team mitfiebern. Während kürzeren Aufnahmepausen, in denen unsere Lieder abgespielt werden, dürfen wir die Aufnahmeräume besichti- gen. Es ist spannend zu sehen, was alles hinter den Kulissen eines Radiosenders geschieht. In der Mitte der Sendung rufen wir die Zuhörer dazu auf, an unserem vor- bereiteten Quiz teilzunehmen, woraufhin ein junger Mann uns anruft. Er gewinnt die zuvor gekauf- ten Gottlieber Hüppen. Nach der Sendung gehen wir in ein Café und feiern unsere erfolg-
15 U N T E R R IC HT U N D V E R AN STA LT U N G E N M E I N E I N D U S T R I E G E S C H IC H TE .C H Thurgauer Industrie- und Kulturgeschichte einmal anders Michael Jung Lehrer für Geschichte «Grabe, wo du stehst!» Unter diesem Motto verlassen die Schülerinnen und Schüler des Ergänzungsfachs Geschich- te für einmal das Klassenzim- mer, werden selber zu Forsche- rinnen und Forschern und erzählen anhand von Objekten ein Stück Thurgauer Industrie- und Kulturgeschichte. tionellen Geschichtsunterricht Dachstock und erzählen eine eige- Was haben der erste Bamix-Stab- zumeist aus grosser Flughöhe ne, selbst aufgespürte Geschichte. mixer, Ferdy Küblers Rennvelo, das die europäisch-abendländische In einer ersten Sitzung gilt es daher, Gottlieber Original-Waffeleisen Geschichte nachvollzogen und den Jagdinstinkt nach dem ‘Nahe- oder die Handsonnenschirme der nacherzählt wird, erforschen die liegenden’ zu wecken und nach Firma Glatz für Trägerinnen hoher Schülerinnen und Schüler in diesem Ideen zu suchen, wo und wie man im Hüte gemeinsam? All diese Objekte Projekt für einmal ihre heimische eigenen Umfeld Schätze orten und sind Zeugen der Thurgauer Indus- Umgebung bis hin zum eigenen ausgraben könnte. Als mögliche triekultur. Erschlossen und erzählt wird ihre Geschichte von Schülerin- nen und Schülern des Ergänzungs- faches Geschichte im Rahmen ei- nes Kooperationsprojektes mit dem Historischen Museum Thurgau. Die Ich habe sehr viel über den For- birgt. In dieses für mich vollkommen Ergebnisse dieser Zusammenarbeit schungsprozess beim histori- neue Gebiet einzutauchen und mich sind veröffentlicht und können auf schen Arbeiten gelernt. Es war darin zurechtzufinden, war eine einer interaktiven Online-Datenbank sehr interessant, eine historische nicht leicht zu bewältigende He- des Historischen Museums erkun- Quelle aufzuspüren. rausforderung. det werden. Sie beweisen: Wer Levin Schökle, 3md Claudio Vassallo, 3mb beim Thurgau bloss an Äpfel denkt, unterschätzt das reiche industrielle Ich war überrascht, dass meine Mir hat gefallen, dass ich direkt von Erbe dieses früh industrialisierten vermeintlich verschlafene Um- einem Zeitzeugen etwas über die Kantons, der einst bedeutende gebung eine so reichhaltige und Industriegeschichte erfahren habe. Unternehmen wie Saurer und Müller interessante Industriegeschichte – Janós Bozi, 3ma Martini beheimatete und auch heute zu bieten hat. Eine der grössten noch Produktionsstandort grosser Herausforderungen stellten die Die grösste Herausforderung war, Namen wie Sigg, Bernina, ISA vielen Freiheiten dar, die ich aber einen Gegenstand zu finden, hinter Bodywear oder Stadler Rail ist. keineswegs missen möchte. dem eine interessante Geschichte Andy Fässler, 3mb steckt. Aber auch das Kontaktieren Historisches Lernen durch von Firmen war eine Herausforde- eigene Feldforschung Ich habe herausgefunden, dass rung. Es war interessant zu sehen, Einmal im Geschichtsunterricht das sich hinter den wenigen Häusern wie man ein theoretisches Fach wie Schulzimmer zu verlassen und mit ausserhalb meines Wohnortes Geschichte in der Praxis nutzen einer Forscherbrille in die Vergan- eine interessante Geschichte ver- kann. – Rebecca Duewell, 3ma genheit des eigenen Lebensraumes einzutauchen, ist das erklärte Ziel des Projekts. Während im konven-
Kanti Bulletin 16 U N T E R R IC HT U N D V E R AN STALT U N G E N meineindustriegeschichte.ch Beispiel eines Artikels auf der Website meine- industriegeschichte.ch Einstiegspunkte werden etwa per- reiche Palette an Objekten und ven Plattform www.meineindustrie- sönliche Kontakte, Ortsmuseen und Ideen zusammen. Weiterverfolgt geschichte.ch des Historischen -geschichten oder Firmenarchive und dokumentiert werden nun die- Museums Thurgau unter dem von noch heute tätigen Unterneh- jenigen Objekte, zu denen sich Schlagwort ‘Projekt Kanti Frauen- men identifiziert. Auch das frei spannende und im besten Fall bis- feld 2017’ publiziert. Ein Teil der zugängliche Firmenverzeichnis der lang unerzählte Geschichten erzäh- Objekte wird überdies in die 2018 kantonalen Industrie- und Handels- len lassen. Eine davon ist diejenige stattfindende Sonderausstellung kammer dient als Ideenlieferant. von Ferdy Küblers legendärem roten des Museums zur Thurgauer Indus- Danach beginnt der eigentliche Renner, der von der Verzinkerei triegeschichte einfliessen. Forschungsprozess, die gezielte Bettwiesen (heute Galvaswiss AG Neben der Möglichkeit, für ein- Objektsuche, mit all seinen Tücken. in Felben-Wellhausen) angefertigt mal im wörtlichen Sinn selbst Es zeigt sich hierbei, dass die Ver- wurde. Mit diesem Fahrrad des ‘Geschichte zu schreiben’, bietet einbarkeit von Forschungstätigkeit einstigen Herstellers Tebag gewann das Projekt auch die Gelegenheit und Schulalltag nicht immer einfach Ferdy Kübler als erster Schweizer einer Realbegegnung mit der Ge- ist, denkt man etwa an die sehr be- die Tour de France. schichtswissenschaft, mit Erkennt- grenzten Öffnungszeiten mancher nissen im positiven wie negativen Ortsmuseen. Auch bleiben zuweilen Eine Forschungsreise im Sinne (s. Kommentare der Schüle- Anfragen an Firmen länger unbeant- mehrfachen Sinn rinnen und Schüler auf Seite 15). wortet, die Prioritäten von Firmen im Als Ergebnis dieser mitunter be- Wettbewerb liegen anderswo. Aber schwerlichen und mit Umwegen stets finden sich Auswege. Sie füh- verbundenen individuellen For- ren beispielsweise über Zeitzeu- schungsreise bleibt eine breite ginnen und Zeitzeugen und deren Sammlung von kleinen Geschichten Erinnerungen. Ein Schüler stolpert zur Thurgauer Industriekultur und Und letztlich, so zeigt die Auswer- bei der Recherche über ein verlas- Kulturgeschichte, die von der Brille tung, kann so eine Forschungs- senes Gebäude an seiner Wohn- und Tabakpfeife eines Eschliker Er- reise im Idealfall auch zu einer strasse in Wängi, das sich als ehe- finders über oben erwähnte kultur- kleinen Reise zu sich selbst wer- malige Weberei entpuppt. Dort geschichtliche Trouvaillen bis hin zu den, wie folgender Befund eines schlummert ein alter Jacquard-Web- Maschinen reicht, die Meilensteine beteiligten Schülers nahelegt: stuhl vor sich hin und darauf wartet, des technologischen Fortschritts «Ich gehe nun mit einem anderen entdeckt zu werden. So kommt bis bedeuten. Diese Objekte und deren Blick durch die Umgebung.» zum ersten Werkstattbericht eine Geschichten sind auf der partizipati-
17 U N T E R R IC HT U N D V E R AN STA LT U N G E N YE S – WI R G R Ü N D E N E I N U N TE R N E H M E N Teilnahme am nationalen Wettbewerb ‘Young Enterprise Switzerland’ Thomas Moll Lehrer für Wirtschaft und Recht Das Abenteuer beginnt: Am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, unternehmerisch tätig zu sein. Diesen Wunsch haben neun Schülerinnen und Schülern aus verschiedenen Klassen der Kanti Frauenfeld. Es ist eine fantastische Chance, so jung bereits unternehmerisch tätig zu sein. Seid kreativ und denkt quer. Und lasst euch von Rückschlägen nicht ent- mutigen! Oliver Vietze, CEO Baumer Group Sie gründen in den nächsten Wo- chen zusammen ein Mini-Unterneh- men und nehmen damit am nationa- len Wettbewerb ‘Young Enterprise Switzerland’ (YES) teil. Erste rudi- mentäre Produktideen hat das Team bereits entwickelt, demnächst wird sich die Geschäftsführung konstitu- ieren. Anfang September, in der zweiten Session des Freikurses, stand ein Unternehmensbesuch auf dem Pro- gramm. Die Frauenfelder Baumer Group, eine weltweit tätige Herstel- lerin von innovativen Sensoren für die Fabrik- und Prozessautomation, öffnete die Türen. Oliver Vietze, CEO der Baumer Group, nahm sich rund zwei Stunden Zeit, um die Kanti Schülerinnen und Schüler in der Firma rumzuführen und sie auf das bevorstehende Abenteuer einzustimmen.
Kanti Bulletin 18 W I S S E N U N D K U LT U R E S I ST WI E D E R T H E AT E R Z E IT Theatereinführungen durch Lehrpersonen der Kanti Frauenfeld Janine Landolt-Spiegel das interessierte Publikum. Die Re- waren die aufmerksamen Zuhörer Lehrerin für Englisch sonanz ist gross und die Wechsel- ein Genuss. Ich merkte, dass das wirkung super. Interesse am Stück vorhanden war und dass ich diverse Zuhörer per- Wie viele Einführungen hast du sönlich kannte. Ausserdem gefiel schon gemacht? An welche erin- mir die freundliche Einführung durch nerst du dich besonders? Wieso? Max Peter. Nach der Theaterauffüh- Meistens biete ich jedes Jahr eine rung wurde mir klar, dass ich die Einführung an. Gesamthaft gesehen passende Tiefe und den richtigen habe ich also schon ungefähr zwan- Fokus gewählt hatte. Schön war, Bereits seit den 90er-Jahren zig Einführungsreferate gehalten. dass die Zuschauer während der existiert eine wertvolle Zusam- Das letzte ist mir am stärksten in Aufführung reagiert haben, als eine menarbeit zwischen der Kanti Erinnerung. Bei der Aufführung des Szene kam, die ich in der Einführung und dem Theaterverein Frauen- Stücks ‘Die Brüder Karamasov’ speziell erwähnt hatte. Eine span- feld. Traditionsgemäss findet ging ich in der Pause nach Hause, nende Erkenntnis war, dass ich in jeweils eine Dreiviertelstunde weil sie unerträglich schlecht war, meinem Referat den gleichen Fokus vor der Theateraufführung ein und wurde später von Theater- setzte wie der Dramaturg. Insge- halbstündiges Einführungs- gängern auf meinen Weggang samt war es eine sehr befriedigende referat statt, während dem den angesprochen. Erfahrung. Natürlich konnte ich auch interessierten Zuhörern Ein- Synergien nutzen, da ich das Werk blick in das Stück gegeben Erlebst du das Theaterstück im Unterricht mit einer Klasse be- wird. Zum Einsatz kommen die anders, wenn du die Einführung handelt hatte. Der Aufwand hielt Sprachlehrpersonen der Kanti. selber machst? Inwiefern? sich somit in Grenzen. Zwei von ihnen sind mir Rede Ich befasse mich natürlich mehr mit und Antwort gestanden, wieso dem Stück. Der Sinn der Einführung Besteht die Bereitschaft, wieder sie sich für die Einführungs- ist genau dieser Fokus, der mit der eine Einführung zu machen? referate engagieren. Auseinandersetzung mit dem Text Ganz klar ja! Die Verbindung zwi- entsteht. schen Theater und Schule ist gut Interview mit und auch die Anerkennung von Hans Peter Niederhäuser, Aufgrund von welchen Kriterien Seiten der Schule spüre ich. Lehrer für Deutsch, Religion meldest du dich, die Einführung und Ethik eines Stückes zu übernehmen? Worin besteht deine Motivation, In letzter Zeit stehen leider weniger Theatereinführungen zu machen? Wann hast du das erste Mal eine original deutschsprachige Stücke In der Pause gab es gute Gesprä- Theatereinführung gemacht? zur Verfügung. Deshalb habe ich oft che, auch mit solchen Theaterbesu- Wie war der erste Eindruck dieses dramaturgische Umsetzungen von chern, die nicht an der Einführung Engagements? Romanen übernommen. Wenn ich waren. Dies geschah bereits Anfang der mit einer Klasse einen Theater- 90er-Jahre, gleich zu Beginn des besuch plane, kann ich Synergien Aufgrund von welchen Kriterien Feierabend-Kollegs, das vom dama- nutzen. Meistens steht aber das meldest du dich, die Einführung ligen Rektor Hans Munz ins Leben Lustprinzip an erster Stelle: In mei- eines Stückes zu übernehmen? gerufen worden war. Marcus Bauer nem Alter sollte man nur noch Generell muss Zeit und Lust da und ich gaben eine der ersten Ein- machen, was einen wirklich interes- sein. Auch sollte ich einen positiven führungen im Singsaal der Kantons- siert. schule, und zwar zu Max Frischs Stück ‘Andorra’. Wir waren un- Interview mit sicher, ob wir die Erwartungen des Peter Giger, Lehrer für Deutsch Publikums erfüllen können, aber und Geschichte die Rückmeldungen waren positiv. Wir finden die Theatereinführun- Du hast in der letzten Saison zum gen sehr bereichernd. Die Hinter- Worin besteht deine Motivation, ersten Mal eine Theatereinführung grundinformationen helfen uns, Theatereinführungen zu machen? gemacht. Wie war der erste Ein- das Stück viel intensiver zu erle- Als erstes besteht da die Möglich- druck? ben und besser zu verstehen. keit, als Kanti Lehrer vor erwachse- Der Eindruck war durchwegs posi- Wir möchten auch in Zukunft nem Publikum zu referieren. Dazu tiv, und zwar auf verschiedenen dieses Angebot nie missen. kommt mein Interesse an Rhetorik. Ebenen. Einerseits gefiel mir die Agnes und Magnus Thurnherr Die Hauptmotivation ist aber sicher Atmosphäre, auf der anderen Seite
Sie können auch lesen