ORGELSOMMER 2019 INTERNATIONALER - PROGRAMM | JULI - SEPTEMBER - BISTUM MAINZ
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Inhaltsverzeichnis Internationaler Orgelsomm er 2019 Künstlerische Leitung: Preise und Kartenverkauf: ❚ Herzlich willkommen! 5 ❚ Disposition der Dreymann Orgel 49 Domorganist Prof. Daniel Beckmann Eintritt: je 8 €, 6 € für Schüler/Studenten und 4 € für Mitglieder in St. Ignaz Postfach 1560 des Fördervereins ❚ Samstag, 27.7.2019 | Dom 6 55005 Mainz Dauerkarte: 38 € (ermäßigt: 30 €) Domorganist Prof. Daniel Beckmann, Mainz ❚ Dispositionen der Mainzer Domorgeln 50 Telefon: 06131/253 474 Fax: 06131/253 529 arten und weitere Informationen erhalten Sie in den Vorverkaufsstellen: K ❚ Samstag, 3.8.2019 | Dom 12 ❚ Zum Autor: Prof. Dr. Paul Thissen 54 E-Mail: domorganist@bistum-mainz.de – Infoladen des Bistums, Heiliggrabgasse 8, Telefon: 06131/253 888 Domorganist Rolf Müller, Altenberg Internet: www.domorgel-mainz.de – Markt 10, Dominformation, Telefon: 06131/253 412 und an der ❚ Spielstätten 55 Abendkasse ❚ Samstag, 10.8.2019 | Dom 18 Einführungstexte: Thomas Kientz, Straßburg (F) und Kumi Choi, Paris (F) Prof. Dr. Paul Thissen, Paderborn Gestaltung: ❚ Informationen zur neuen Orgel für den Mainzer Dom 56 Petra Louis/Werbewerkstatt Korinski, Mainz ❚ Samstag, 17.8.2019 | Dom 26 Veranstalter: Bildnachweis: Prof. Thomas Lennartz, Dresden/Leipzig Bischöfliches Domkapitel Rieger-Orgelbau GmbH, S. 6 in Kooperation mit Stadtplan von Mainz: Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des ❚ Samstag, 24.8.2019 | Dom 32 der Pfarrei St. Ignaz Bauamtes der Landeshauptstadt Mainz, Genehmigungsnummer 02/19, S. 55 Christian Schmitt, Stuttgart und dem Kultursommer Rheinland-Pfalz Prof. Thomas Schmitz, Aachen: Zeichnung des Teilwerks an der Marienka- pelle, S. 58 ❚ Samstag, 31.8.2019 | Dom 38 Fotos der Interpreten: privat, S. 13, 19, 27, 33, 39 Domorganist Josef Still, Trier Alle übrigen Fotos Markus Kohz Anmeldung zum Domorgel-Newsletter per E-Mail: Druck: ❚ Samstag, 7.9.2019 | St. Ignaz 44 sekretariat@domorgel-mainz.de Druckerei Friedrich, Klein-Winternheim Domorganist Prof. Daniel Beckmann, Mainz
Herzlich willkommen Internationaler Orgelsomm er 2019 Liebe Orgelfreunde und Besucher des but not least werden derzeit bei den Firmen Weitere Informationen finden Sie auf den Domes aus Nah und Fern, Goll und Rieger erste Bauabschnitte der Seiten 56–59 dieses Programmhefts und im neuen Domorgelanlage vorbereitet, damit Internet unter www.domorgel-mainz.de. während Mainz bislang vor allem als Dom-, es dann ab Januar 2020 hier im Dom ganz Gutenberg-, Medien-, Universitäts-, Fast- konkret werden kann. Gut möglich also, Und nun viel Freude bei den Konzerten! nachts-, Fußball-, Wein- und Landeshaupt- dass die neunte Auflage des Internationalen stadt wahrgenommen wurde, rückt sie in Orgelsommers, zu der ich Sie hiermit im letzter Zeit mehr und mehr auch in den Namen der Bistumsleitung, des Bischöfli- Fokus orgelbegeisterter Musikliebhaber. chen Domkapitels und persönlich herzlich Ihr Daniel Beckmann Grund hierfür ist neben der spätbarocken begrüßen darf, der letzte Zyklus dieser Art Stumm Orgel der Augustinerkirche zum Bei- mit unserem kränkelnden Instrument ist. spiel die Aufstellung Deutschlands einziger Doch es ist noch nicht alles „in trockenen Cavaillé-Coll Orgel in Bretzenheim. In St. Tüchern“: Wichtige Teile des Gesamterneue- Quintin freut man sich über ein spätroman- rungsvorhabens sind aus finanziellen Grün- tisches Instrument englischer Provenienz, den noch nicht beauftragt worden. Wenn in St. Stephan über einen Neubau der Firma Sie also helfen möchten, die Geschichte des Klais mit universellem Zungenschlag. Ganz Domes mit diesem Jahrhundertprojekt fort- aktuell bereichert nun die frühromantische zuschreiben und dem Lob Gottes eine neue Dreymann Orgel in St. Ignaz, die dank ihrer Stimme zu verleihen, so freuen wir uns über Restaurierung durch die Firma Eule gleich- jede Unterstützung - zum Beispiel in Form sam wie Phönix aus der Asche auferstanden von Pfeifenpatenschaften. Insgesamt war- ist und im Abschlusskonzert dieses Festivals ten 14.526 Pfeifen auf eine Patin oder einen zu hören sein wird, das Ensemble. Und last Paten, sicher ist auch Ihr Wunschton dabei! 4 5
Samstag, 27. Juli 2019 | 18.30 Uhr Daniel Beckmann Internationaler Orgelsomm er 2019 Domorganist Prof. Daniel Beckmann Lehrverpflichtungen an der Musikhoch- Internationalen Orgelwettbewerbs der Programm | Dom St. Martin schule Detmold und den Universitäten Abbaye Saint-Maurice d'Agaune (CH 2009), von Paderborn und Mainz wurde ihm 2016 in der Verleihung des Kulturpreises seiner eine Honorarprofessur für künstlerisches nordrhein-westfälischen Heimat (Kreis Olpe J. S. Bach Praeludium und Fuge C-Dur BWV 547 (1685 –1750) Orgelspiel und liturgisches Orgelspiel/ 2011) sowie in der Ernennung zum ersten Improvisation an der Hochschule für Musik Mainzer Stadtmusiker (2016). Mainz übertragen. W. A. Mozart Allegro und Andante (Fantasie) in f Seine Studien nahm Beckmann bereits (1756 –1791) für eine Orgelwalze KV 608 Darüber hinaus ist er regelmäßiger Gast in parallel zu seiner gymnasialen Oberstufen- Kathedralen, Philharmonien und anderen zeit an der Detmolder Musikhochschule auf Orgelmusikzentren des In- und Auslandes. (Klasse Prof. Weinberger), wo er das kirchen- J. S. Bach Sechs Choräle von verschiedener Art (Schübler-Choräle) Kurse, Jurorentätigkeiten, CD-Produktionen, musikalische A-Examen, die künstlerische Wachet auf, ruft uns die Stimme BWV 645 Wo soll ich fliehen hin BWV 646 eine regelmäßige Zusammenarbeit mit Reifeprüfung und das Konzertexamen Wer nur den lieben Gott lässt walten BWV 647 Rundfunk- und Fernsehanstalten (ARD, ZDF, im Fach Orgel jeweils mit Auszeichnung Meine Seele erhebt den Herren BWV 648 SWR, HR, WDR, SAT1, Phoenix) sowie Bera- absolvierte. Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ BWV 649 Daniel Beckmann wurde 2010 im Alter tungen bei Orgelneubauprojekten (derzeit > www.domorgel-mainz.de Kommst du nun, Jesu, vom Himmel herunter BWV 650 von 29 Jahren durch Karl Kardinal Lehmann Mitglied der Wiener Domorgelkommission) zum Domorganisten an den Hohen Dom runden die Tätigkeit ab. M. Dupré Prélude et fugue H-Dur op. 7/1 St. Martin zu Mainz berufen. Seither initi- (1886 –1971) Prélude et fugue f-Moll op. 7/2 ierte er die monatlichen Orgelmatineen Würdigungen seines Schaffens äußern sich Prélude et fugue g-Moll op. 7/3 und den Internationalen Orgelsommer und u. a. in der Aufnahme in die „Bundesauswahl plant gemeinsam mit dem Bischöflichen Junger Künstler“ durch den Deutschen Domkapitel einen Domorgelneubau. Nach Musikrat (2005), im „Premier Prix“ des 6 7
Zum Programm | 27. Juli 2019 – Daniel Beckmann Internationaler Orgelsomm er 2019 Johann Sebastian Bach entwickelt die Die Fuge gehört zu den wenigen fünfstim- Anfangs mündet. Der liedhafte Mittelteil, hinzu. Bemerkenswert ist an diesem Satz, migen Kantate BWV 93 zurück. Die rechte rechten Hand und das Ritornellthema im mehrteilige Form des norddeutschen Prä- migen Orgelfugen Bachs, wobei das Pedal ein Variationensatz, steht in der parallelen dass die Liedmelodie nicht genau mit dem Hand übernimmt die Partien beider Vokal- Pedal. ludiums, wie es bei Franz Tunder, Dieterich erst relativ spät einsetzt, und zwar mit der Dur-Tonart As-Dur. Der Schlussteil wieder- Beginn jeder Wiederholung des Eingangs- solisten (Sopran und Alt), die linke Hand die Buxtehude u. a. erscheint, zu einer bipola- Augmentation des Themas (d. h. es erklingt holt den Anfang in As-Dur, zudem wird die motivs zusammenfällt. Basslinie; der Cantus firmus, in der Kantate Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ BWV 649 ren Form von Praeludium (im Allgemeinen in größeren Notenwerten). Fuge mit einem motorischen Kontrasubjekt von hohen Streichern ausgeführt, ist dem hat als Vorlage den dritten Satz für Sopran, thematisch eher freier gearbeitet) und Fuge präsentiert. Wo soll ich fliehen hin oder Auf meinen lieben Pedal zugewiesen. Diese Bearbeitung lässt Violoncello piccolo und Continuo aus der (thematisch streng gearbeitet). „Thematisch 1790/91 schrieb Wolfgang Amadeus Gott BWV 646 ist der einzige der Schübler- die Probleme einer möglichst wörtlichen Kantate BWV 6 Bleibe bei uns, denn es will eher frei“ trifft allerdings für das Praeludi- Mozart für das Müllersche Kunstcabinet des BWV 645 bis 650 sind nach Georg Schübler Choräle, zu dem keine Vorlage überliefert Übertragung deutlich werden. So ist an Abend werden. Die Form des Originals (A – um BWV 547/1 schon nicht zu, denn Bach Grafen Joseph Deym drei Werke (KV 594, benannt, der sie etwa 1748/49 verlegte. ist. Die Liedmelodie ist weltlichen Ursprungs zwei Stellen die Altstimme der bequemeren Choral – A – Choral – A´) vereinfacht Bach zu präsentiert in den ersten sechs Takten, also 608 und 616) für eine automatisch spielen- Fünf der sechs Stücke Johann Sebastian und war seit 1609 mit dem Text „Auf mei- Ausführung auf dem Tasteninstrument we- A – Choral – A. in ungewöhnlicher Dichte, das gesamte mo- de Orgel, für eine sog. „Flötenuhr“, die im Bachs sind nachweislich mehr oder weniger nen lieben Gott“, seit 1630 auch mit „Wo soll gen leicht verändert. Die Vorlage legt eine tivische Material des Praeludiums. So viel- späten 18. Jahrhundert mit dem Einzug in notengetreue Übertragungen von Arien ich fliehen hin“ verbunden. Bachs Hand Ausführung auf zwei Manualen nahe, was Kommst du nun, Jesu, vom Himmel herunter fältig sich die Motivik gestaltet, so statisch reichere Bürgerhäuser ihre Blütezeit hatte. und Duetten aus Kirchenkantaten. Bach exemplar beinhaltet übrigens einige der aber für die rechte Hand an wenigen Stellen auf Erden BWV 650 stammt aus der Kantate ist innerhalb der ersten Takte die Harmonik, Allegro und Andante (Fantasie) in f für eine verfolgte mit den Transkriptionen das Ziel ganz wenigen Registrierungshinweise des Probleme ergäbe, weshalb Bach wohl für BWV 137 Lobe den Herren, den mächtigen die erst ab T. 7 an Spannung gewinnt. Das Orgelwalze KV 608 darf als die gewichtigs- zu demonstrieren, dass die damals moderne Komponisten. Das Stück ist im Manual wie beide Hände nur ein Manual vorsieht. König der Ehren und ist dort der zweite Satz, Stück kulminiert in einer von Kunstpausen te seiner Kompositionen für eine selbst und allgegenwärtige Form der Da-capo-Arie eine zweistimmige Invention angelegt und eine Aria für Alt, Violine solo und Continuo. durchbrochenen Folge von Dominantsept- spielende Flötenuhr – Mozart nannte sie auch auf der Orgel darstellbar war. insofern von sehr instrumententypischer Meine Seele erhebt den Herren BWV 648 ist Die Bearbeitung ist ein spieltechnisch an- akkorden mit Auflösung in die jeweilige „Orgelwerk“ oder „Orgelwalze“ – gesehen Machart, was zu der Vermutung geführt hat, eine Transkription des fünften Satzes („Du- spruchsvolles Trio. Tonika (die T. 64 und 65 in der Fuge sind, wie werden. Die Großform des Stückes ist eben- Im Fall von Wachet auf, ruft uns die Stimme es handle sich um einen original für Orgel etto e Chorale“) aus der Kantate BWV 10 Siegbert Rampe treffend festgestellt hat, so wie die Form der beiden Rahmenteile BWV 645, dem vierten Satz für Tenor, Strei- komponierten Satz. Meine Seele erhebt den Herren. Die Struktur Marcel Dupré gilt als der „Organisten- gleichsam als Pendant aufzufassen); eine dreiteilig: Der ernst-pathetische erste Teil cher und Continuo aus der gleichnamigen ähnelt der von BWV 647. In BWV 648 erklin- macher“ des 20. Jahrhunderts, will sagen, kurze Rekapitulation des motivischen Ma- ist durch punktierte Rhythmik bestimmt; es Kantate BWV 140, fügt Bach als für Tasten- Wer nur den lieben Gott lässt walten BWV gen die Stimmen von Alt und Tenor jedoch zahllose berühmte Organisten der nach- terials bildet den Schluss des Praeludiums. folgt eine Fuge, die in die Wiederholung des instrumente typisches Idiom Ornamente 647 geht auf den vierten Satz der gleichna- in der linken Hand, der Cantus firmus in der folgenden Generationen sind durch seine 8 9
Internationaler Orgelsomm er 2019 Schule gegangen. Dupré war ein begnade- wandert. Durchaus subtil ist die Ableitung Op. 7/3 erinnert an die Klaviermusik eines ter Improvisator, aber auch ein glänzender des Fugenthemas. Seine Intervallstruktur Debussy oder Ravel. Ein impressionis- Interpret, der sich wie kaum ein anderer verweist sowohl auf die Figurationen des tisch anmutendes perpetuum mobile von französischer Organist für das Orgelwerk Präludiums als auch auf die Töne fünf bis schwebender Leichtigkeit bildet die Folie Bachs einsetzte, das er 1920 erstmals im sieben des Pedalthemas: Ihre Umkehrung für eine choralartige Pedal-Linie, die später Pariser Conservatoire in seiner Gesamtheit bildet den Schluss des Themenkopfes. in harmonisiertem Gewand mit bis zu acht auswendig einem öffentlichen Publikum Stimmen erscheint, von denen bis zu vier im präsentierte. Im gleichen Jahr gelangten Op. 7/2 gehört einer völlig neuen Aus- Pedal erklingen. Der Fuge liegt ein kraftvoll- auch die Trois préludes et fugues op. 7 zur druckssphäre an: Über tröpfelnden Sech- tänzerisches Thema zugrunde, zu dem Veröffentlichung, wiewohl schon 1912 kom- zehnteln entfaltet sich eine lyrisch-melan- sich im weiteren Verlauf das Choral-Thema poniert, in einer Zeit also, als Dupré seinen cholische Kantilene, zu der sich bald eine gesellt. Die Fuge führt zu einer Choral-Apo- zur zeitgenössischen intellektuellen Elite zweite Stimme gesellt. Durchaus Erwäh- theose à la Reger mit kontrapunktierendem zählenden und weltläufigen Kompositions- nung verdient, dass diese Melodie mit einer Thema, dessen Engführung in eine weit- lehrer Charles-Marie Widor an St. Sulpice Intervallfolge anhebt, die nicht nur das Fu- räumige Katabasis (absteigende Bewe- vertrat. Zweifellos ist Opus 7 als eine Hom- genthema einleitet, sondern zudem die o. g. gung) mündet, die auf dem Ton G im Pedal mage an Bach zu verstehen, von dessen Umkehrung nur leicht variiert, womit auch endet, der wie ein Doppelpunkt wirkt, nach Präludien und Fugen es sich unterscheidet zwischen op. 7/1 und 7/2 Verwandtschaft welchem drei Akkordschläge das mächtige durch die Motivverwandtschaft zwischen hergestellt ist. Wie Duprés Ehefrau überlie- Schlusswort sprechen. Präludium und Fuge. fert, soll der Komponist am Vorabend sei- Paul Thissen nes Todes dieses Stück nochmals auf seiner Op. 7/1 präsentiert das Präludium als Toc- Hausorgel in Meudon gespielt haben. cata mit fanfarenartigem Thema im Pedal, das phasenweise auch in die Oberstimme 10 11
Samstag, 3. August 2019 | 18.30 Uhr Rolf Müller Internationaler Orgelsomm er 2019 Rolf Müller, Altenberg Capella nova und Choralschola). Seit 2002 Kirchenmusik (wie Bachs h-Moll-Messe Programm | Dom St. Martin obliegt ihm auch die Leitung und Durch- und Matthäuspassion, Händels Messias, führung der Internationalen Altenberger Mendelssohn Symphonie „Lobgesang“ und G. Muffat aus „Apparatus musico-organisticus“ Orgelakademie für Improvisation. Psalmen 42 und 95, Schuberts Große Messe (1653 –1703) Toccata nona Es-Dur, Brahms‘ Requiem, Mozarts c-Moll- P. A. Büx Concertino in G (1701–1751) Zahlreiche Rundfunk- und CD-Aufnahmen Messe und Requiem, alle großen Haydn- u. a. an der Klais-Orgel des Doms liegen vor. Messen usw.) D. Buxtehude Magnificat primi toni BuxWV 203 (1637 –1707) Konzerte als Organist und Dirigent. Orgel- Geboren 1972 in Freudenstadt/Schwarz- P. I. Kayser Concerto in D (1712 –1771) konzerte führten ihn als Solist nach Spanien, wald waren seine ersten Lehrer Willy Ricke J. S. Bach Passacaglia in c BWV 582 Frankreich, Großbritannien, Niederlan- (Rottenburg) und Stephan Rommelspacher (1685 –1750) de, Polen, Schweiz, Österreich und ganz (damals Villingen, heute Leipzig). W. A. Mozart Kirchensonate in F KV 244 Deutschland. (1756 –1791) (Transkription: S. Szathmary) Von 1993 bis 2000 Studium an der Universi- P. Eben Aus „Vier biblische Tänze“ Neben einem stilistisch sehr breiten Reper- tät für Musik und darstellende Kunst „Mozar- (1929 –2007) Hochzeit in Kana toire von Barock über Klassik und Romantik teum“ in Salzburg in katholischer Kirchen- F. Mendelssohn Sonate Nr. IV, B-Dur op. 65,4 Rolf Müller, Orgel, ist seit 2001 Domor- bis zur klassischen Moderne, pflegt Müller musik und Konzertfach Orgel u. a. bei Prof. Bartholdy Allegro con brio ganist und Kantor am Dom zu Altenberg in besonderer Weise auch die Kunst der Dr. Heribert Metzger (Orgel), Dr. Wolfgang (1809 –1847) Andante religioso (Bergisches Land) und künstlerischer Leiter Orgelimprovisation, also des musikalischen Kreuzhuber (Improvisation) sowie Chorlei- Allegretto Allegreto maestoso e Vivace der Dommusik. Dies umfasst die Leitung der Stegreifspiels. tung bei Prof. Hans-Joachim Rotzsch und geistlichen Mittagsmusiken, des Internati- Chor- und Orchesterleitung bei Prof. Albert R. Müller Improvisation über ein gegebenes Thema (* 1972) onalen Orgelfestivals sowie die Leitung der Als Dirigent leitete er zahlreiche bedeu- Anglberger. 1997 B-Examen (Diplom), 1999 P. Fletcher Festival Toccata katholischen Chöre am Dom (Kammerchor tende Oratorien und große Werke der A-Examen (Diplom) und 2000 Diplom im 12 (1879 –1932) 13
Zum Programm | 3. August 2019 – Rolf Müller Internationaler Orgelsomm er 2019 Konzertfach Orgel , alle mit Auszeichnung. Georg Muffat wirkte als Kapellmeister am und eine Variationsreihe. Der Einfluss fran- „galante“ Stilelemente beeinflusst, die sich entnehmen, dass das Magnificat in der Ves- Passacaglia bezeichnet. Obgleich man wohl Müller erhielt den Würdigungspreis des Bischöflichen Hof zu Passau und hatte diese zösischer und italienischer Ensemblemusik auch in den am heutigen Abend erklingen- per am Samstag und im Predigtgottes- nie eindeutig wird klären können, ob es sich Bundesministeriums für Wissenschaft der Stellung bis zu seinem Tod inne. Sein über- manifestiert sich im spielfreudigen Charak- den Werken niedergeschlagen haben. Dies dienst am Sonntagnachmittag gesungen um ein bewusstes Zitat handelt, ist es be- Republik Österreich für herausragende liefertes Schaffen besteht hauptsächlich aus ter der Kompositionen und ihrer Neigung zu sind der Verzicht auf komplexere Polypho- wurde, wahrscheinlich alternatim, also im merkenswert, dass die ersten vier Takte des künstlerische Leistungen. Orchestersuiten und Clavierstücken, die er gefälliger, kurzgliedriger Melodik. Das von nie, statt dessen häufig führende Oberstim- Wechsel von Gemeinde bzw. Chor und Or- achttaktigen Ostinatothemas aus Johann 1690 unter dem Titel Apparatus musico or- Frescobaldi bekannte Formprinzip der Glie- me und begleitende Unterstimmen, kurze, gel. Das Werk besteht aus acht Abschnitten, Sebastian Bachs Passacaglia c-Moll dias- Er besuchte Meisterkurse bei Guy Bovet, ganisticus veröffentlichte. Muffats Kompo- derung in mehrere differierende Abschnitte leicht fassliche Motivik und ein langsamer die durch Fermatenschlüsse getrennt sind, tematisch, also im Hinblick auf den Tonhö- Wolfgang Zerer, Jon Laukvik, Andrea sitionen sind eine Synthese französischer, wird in Muffats Toccaten insofern überspitzt, harmonischer Rhythmus, d. h. innerhalb ei- so dass sich durchaus, wie bei aus einzelnen henverlauf, exakt übereinstimmen mit dem Marcon, Lorenzo Ghielmi, Michael Belotti, italienischer und deutscher Stilelemente. als die einzelnen Teile scharf voneinander nes Taktes gibt es keine stetigen und ra- Versetten bestehenden Komposition, eine „Christe“-Thema aus der Messe du deuzième Daniel Roth, Michael Radulescu und Harald Wie sehr er sich dessen bewusst war, zei- abgegrenzt und zudem – was ein wichtiges schen Wechsel der harmonischen Situation. Alternatim-Aufführung – d. h. der Vortrag al- ton aus dem Livre d´orgue (1688) von And- Vogel. gen einige Sätze aus der Vorrede zum Appa- Novum darstellt – durch Tempoangaben terniert zwischen Schola und Orgel – den- ré Raison. Nach der einstimmigen Präsenta- ratus: „Obwohl mir bekannt ist, dass schon gekennzeichnet sind, womit die Toccaten Das Magnificat primi toni [d. h. im ersten ken lässt. tion des Themas folgen 20 Variationen und 1998-2001 war er Organist an der Wall- vor ungefähr 70 Jahren, zur Zeit Frescobal- deutlich in die Nähe der Sonate rücken, die Ton, also im dorischen Modus] BuxWV 203 schließlich eine umfangreiche fugierte Fas- fahrtsbasilika Maria Plain bei Salzburg und dis, etwas ähnliches gedruckt worden ist, Muffat durch Corelli kennengelernt haben von Dieterich Buxtehude ähnelt formal Der Begriff „Passacaglia“ ist offenbar abzu- sung. Wiewohl Bach die Passacaglia spätes- Leiter der Musik- und Kulturvereinigung so scheint mir doch die erhebliche Abwei- dürfte. aufgrund von frei-improvisatorischen und leiten aus dem spanischen Ausdruck „pa- tens mit 27 Jahren komponiert haben muss Laufen. Müller unterrichtete am Kirchenmu- chung meines Stils ein neues Werk zu recht- imitatorischen Abschnitten dem norddeut- sar una calle“ („durch die Straße gehen“), – das Werk ist im sog. Andreas-Bach-Buch sikreferat der Erzdiözese Salzburg. fertigen: (…) ein Stil, der aus der Erfahrung, P. Augustin Büx und P. Isfried Kayser ge- schen Orgelpräludium. Eine genauere Ana- woraus man schließen kann, dass die ent- enthalten, das zwischen 1710 und 1712, die ich mir im Umgang mit den vorzüglichs- hörten dem Praemonstratenser-Orden an, lyse des Stücks zeigt, dass die Vorlage, der sprechende, ursprünglich wohl über einem möglicherweise auch früher, entstanden ist ten Organisten Deutschlands, Italiens und dem hinsichtlich der Musikpflege im Ober- gregorianische Magnificat-Ton, zumindest Bassmodell improvisierte Musik im Ge- – und mit Figuren bzw. Motiven arbeitet, Frankreichs erworben habe, hervorgegan- schwaben des 18. Jahrhunderts eine be- phasenweise in der Komposition präsent hen auf der Straße ausgeführt wurde. In die die er unverkennbar aus Ostinatokomposi- gen ist und der bisher noch nicht bekannt sonders große Bedeutung zukam. Die ist. Interessant ist die Frage nach dem Auf- Kunstmusik überführt, werden Variationen tionen z. B. von Buxtehude oder Pachelbel ist.“ Der Apparatus umfasst zwölf Toccaten, Kompositionen der beiden Patres und ihrer führungsort. Der Agenda der Lübecker Ma- über einem ostinaten, also gleich bleiben- kannte, stellt das Werk einen ersten Höhe- eine Chaconne, eine Passacaglia, eine Aria Zeitgenossen sind unüberhörbar durch sog. rienkirche, an der Buxtehude wirkte, ist zu den Bassmodell als Chaconne oder eben als punkt der Gattungsgeschichte dar, geht es 14 15
In t e rn at i on a l e r O rg e l s omme r 2019 doch hinsichtlich Kompositionstechnik, An- Die Erfahrung der Inhaftierung im KZ Bu- überliefert ist, ist es dennoch für mich un- Bewegungsabläufe zum Inhalt haben und spruch und Umfang weit über ihre Vorbil- chenwald und ein katholisch geprägtes vorstellbar, dass bei so gutem Wein nicht ge- z. B. „Spinnerliedchen“ überschrieben sind. der hinaus. Dass erst wieder Rheinberger Elternhaus ließen den tschechischen Kom- tanzt wurde. So beginnt dieser Satz nach Der Finalsatz ist eine Fuge mit einer akkor- (Schlusssatz der 8. Orgelsonate) und Brahms ponisten Petr Eben zu einem Menschen kurzer Einleitung mit einer freudigen Einla- disch gehaltenen Einleitung, die am Schluss (Finalsatz der 4. Symphonie) sich für diese werden, der von tiefer Spiritualität geprägt dung zum Tanz. Nach einem lebhaften Zwi- wiederholt wird. Form entschieden, die Reger dann endgültig war, weshalb der überwiegenden Zahl sei- schenspiel erklingt im Trompetenregister ein favorisierte, zeigt einmal mehr, dass Bachs ner Kompositionen ein religiöser Gehalt eig- Hochzeitsmarsch. Der Satz endet mit einer Die Festival Toccata des englischen Kompo- Passacaglia ein exemplum classicum der net. Zu den Vier biblischen Tänzen schrieb der freudigen Tanztoccata.“ nisten Percy Fletcher ist nicht zuletzt ob Gattung darstellt. Komponist: „Nach dem tragisch gestimmten seiner relativ schlichten Harmonik ein ein- und eher introvertierten Zyklus Hiob woll- Felix Mendelssohn Bartholdys Sonate gängiges Stück, das sich in drei Abschnitte Wie an anderen Orten entfiel auch im Salz- te ich in meinem nächsten zyklischen Werk B-Dur op. 65/4 kommt der sonatenüblichen plus Coda (Anhang) gliedern lässt. Dominie- burger Dom im 18. Jahrhundert das Gradua- etwas mehr Aufgelockertes schreiben. Da zyklischen Satzordnung nahe, ohne dass die rende Materialstrukturen der Rahmentei- le, der Gesang nach der Lesung. Statt dessen mich von jeher das rhythmische Moment Satzgestaltung an herkömmliche Vorbilder le sind zwischen den Händen alternierende erklang Instrumentalmusik, während der des Orgelspiels inspirierte, wählte ich das in erinnert. Der erste Satz lässt zwei Themen Akkordschläge, deren Oberstimmen zu Be- Text vom Zelebranten still gebetet wurde. der Orgelliteratur seltener verwendete Gen- alternieren: Das erste prägen aus der mit- ginn zwei Wechselnotenfiguren ausprägen, In diesem Kontext sind auch die Kirchenso- re des Tanzes. Die Orgel als Instrument der teldeutschen Toccata (Pachelbel) bekannte sowie Akkordbrechungen, die der mittle- naten (auch „Epistelsonaten“ genannt) W. A. Kirche führte mich dazu, ihren sakralen Cha- Sechzehntelketten, das zweite eine marsch re Abschnitt aufgreift, nachdem ein homo- Mozarts zu sehen, einsätzige Werke, denen rakter bewahren zu wollen, so dass ich die artige Rhythmik. Das „Andante religioso“ phones, hymnenartiges Thema erklungen in der Regel die frühklassische Sonatenform Tänze biblischen Erzählungen entnahm.“ ist ein Charakterstück, dessen Überschrift ist. Die Coda ist eine Reminiszenz an diesen zugrunde liegt. Die Sonate KV 244 ist in der „Hochzeit zu Kana“, den Finalsatz des Zyk- beim Rezipienten gleichsam eine Andachts- Thementypus. Über nahezu die ganze Klavi- Originalfassung für zwei Violinen, Cello und lus, kommentiert Eben mit folgenden Wor- stimmung erzeugen soll. Der Perpetuum atur der Orgel sich erstreckende Akkordbre- obligate Orgel geschrieben. ten: „Auch wenn in der heiligen Schrift keine mobile-Charakter des dritten Satzes erin- chungen beschließen das Werk. Erwähnung über einen Tanz an dieser Stelle nert an Klavierstücke, die ununterbrochene Paul Thissen 16 17
Samstag, 10. August 2019 | 18.30 Uhr Thomas Kientz und Kumi Choi Internationaler Orgelsomm er 2019 Thomas Kientz, Straßburg (F) und Kumi Choi, Paris (F) Yves Henry, Pierre Pincemaille, Laszlo Programm (vierhändig) | Dom St. Martin Fassang, Isabelle Duha, Louis-Marie Vigne weiter. Dort absolvierte er einen Master in G. F. Händel Coronation Anthem Orgel, erhielt den Preis für Harmonie und (1685 –1759) (Transkription für vier Hände: John Marsh) den Preis für Kontrapunkt und studiert zur- J. G. Müthel Fantasie in F-Dur zeit in der Klasse für Orgelimprovisation. (1728 –1788) Kumi Choi Sein Wunsch ist es, verschiedene Epochen des Repertoires zu vertiefen. Deshalb bildet J. Brahms Präludium und Fuge in g-Moll er sich bei verschiedenen Pädagogen, wie (1833 –1897) Thomas Kientz Louis Robilliard, Eric Lebrun, Lorenzo Ghiel- G. A. Merkel Sonate in d-Moll op. 30 für vier Hände mi und Andrea Marcon fort. (1827 –1893) Allegro moderato – Adagio – Allegro con fuoco P. Tschaïkowsky Nussknacker Er fühlt sich stark zu der Interpretation der (1840 –1893) Marsch der Zinnsoldaten zeitgenössischen Musik hingezogen, lernt Tanz der Zuckerfee den belgischen Komponisten Benoît Mer- (Transkription für vier Hände: Alexander Därr) nier kennen und spielt dessen Musik. C. Saint-Saëns Danse macabre Thomas Kientz, geboren 1991, studierte Preis für Orgelimprovisation in der Klasse (1835 –1921) (Transkription: David Cameron) Klavier bei Michel Benhaiem und Orgel bei von Pierre Pincemaille am Konservatorium Thomas Kientz zeichnete sich schrittweise Daniel Maurer am Straßburger Konservatori- von Saint Maur-des-Fossés. mit dem „Grand Prix Florentz de l’Académie M. Ravel Pavane pour une infante défunte um. Sein Musikstudium setzte er in Paris bei des Beaux-Arts (2016)“, mit dem Ersten Preis (1875 –1937) (Transkription: A. Seutin) Vincent Warnier an der Orgel und am Kon- Thomas Kientz führte sein Studium am Pari- des 8. Internationalen Orgelwettbewerbes Thomas Kientz servatorium von Boulogne-Billancourt am ser Konservatorium bei Olivier Latry, Michel in Saint Maurice (Schweiz, 2015), mit dem J. Alain Litanies Klavier fort. Gleichzeitig erhielt er den ersten Bouvard, Thierry Escaich, Philippe Lefebvre, „Pierre de Manchicourt“ Preis und dem (1911 –1940) Thomas Kientz 18 19
Zum Programm | 10. August 2019 – Thomas Kientz und Kumi Choi Internationaler Orgelsomm er 2019 „Aristide Cavaillé-Coll“ Preis am 5. Internati- An der Musikhochschule in Seoul bildete Christoph Bossert, Jon Laukvik und Lorenzo Georg Friedrich Händels Coronation An- bestimmten Stil, der zudem, wie im Fall eher als Stilübungen anzusehen sind; zu ih- onalen Orgelwettbewerb in Béthune / Saint- sie sich weiter mit Ja-Kyung Oh und Hyun- Ghielmi. thems entstanden als Auftragswerke für die der Fantasie F-Dur, virtuoses Pedalspiel er- nen zählen auch Präludium und Fuge g-Moll, Omer (2014) aus. Jung Kim, und erhielt 2013 ihren Bachelor Krönung Georg II. Die am heutigen Abend fordert. Das Fehlen von Taktstrichen lässt die erst 1927 erstveröffentlicht wurden. Abschluss. Kumi Choi ist auch Preisträgerin von mehre- erklingende Bearbeitung ist das Zadok the erkennen, dass Müthel einen weitgehend Das Präludium zeigt eine toccatenartige Der Künstler ist in der internationalen Sze- ren internationalenen Orgel-Wettbewerben Priest (HWV 258) beschließende „Amen. Hal- freien Vortrag erwartet. Wenn in der F-Dur- Anlage und verweist mit den verschiede- ne für seine Karriere als Solist und Klavier- Sie kam nach Frankreich, um ihr Orgelstudi- sowie dem Concours Gaston Litaize leluja“. Das Zusammengehen von staccato Fantasie auch eine triolische Bewegung nen Bewegungstypen auf Modelle Bachs begleiter in Frankreich, Deutschland, der um bei Eric Lebrun am Konservatorium von (2. Preis 2014), dem Concours J-L Fl. (2. Preis zu spielenden Akkordblöcken und lebhaften dominiert, so überraschen um so mehr die und der sog. Norddeutschen Orgelschule Schweiz, Italien, Belgien und in den USA St Maur weiter zu führen und erhielt 2014 2015 in Angers) und dem berühmten Orgel- Sechzehntelläufen evoziert ein eindrückli- zahlreichen Verzierungen, unvermittelt (Dieterich Buxtehude u. a.); gleichsam „aus anerkannt. Hier war er Young Artist in Resi- das Abschlussdiplom. Wettbewerb von St Maurice (1. Preis 2018) ches akustisches Panorama musikalischer erklingende extrem rasche Skalen- bzw. einer anderen Zeit“ sind dagegen die knap- dence und als Gastorganist im Münster von in der Schweiz. Prachtentfaltung. Skalenausschnitte oder aber ein kurzzeitiger pen akkordischen Interpolationen. Nach New Orleans (Louisiana) von Oktober 2013 Danach bildete sich Kumi Choi weiter bei Stimmungswechsel durch den abrupten, einer lehrbuchgemäßen Exposition (mit bis April 2014 tätig. Olivier Latry und Michel Bouvard am CNS- Johann Gottfried Müthel wurde noch mit einer drastischen Reduzierung der Be- einem überzähligen Themeneinsatz) der MDP (Conservatoire National Supérieur de 1750, nachdem er bereits das Amt des wegungsenergie verbundenen Wechsel des Fuge führt Brahms die triolische Teilung der Thomas Kientz wirkt in Straßburg als Or- Musique et de Danse de Paris), wo sie 2016 Kammermusikers und Organisten Herzogs Tongeschlechts. Viertel ein, die dann ganz unterschiedliche ganist an der protestantischen Kirche als Abschluss den Master für Interpretation Christian II. von Mecklenburg-Schwerin be- Konstellationen der für Brahms so typischen Saint-Pierre-le-Jeune, in der Straßburger absolvierte. kleidete, für kurze Zeit Schüler J. S. Bachs. Zur Orgel konnte Johannes Brahms Zeit rhythmischen Figur „zwei gegen drei“ zur Wilhelmskirche und an der Chororgel des 1751 unterrichtete ihn Bachs Schwieger- seines Lebens keine wirklich positive Ein- Folge hat. Liebfrauenmünsters zu Straßburg. Zur Zeit besucht sie den Kursus für Konzert- sohn Johann Christoph Altnickol. Von stellung entwickeln, weshalb Komposi- examen an der Hochschule für Musik in Frei- besonderer Bedeutung dürfte jedoch der tionen für dieses Instrument in seinem Gustav Adolf Merkel wirkte kurze Zeit als Kumi Choi wurde 1990 in Süd Korea ge- burg bei Matthias Maierhofer. Kontakt mit Bachs Sohn Carl Philipp Em- Gesamtschaffen eine äußerst marginale Rol- Kreuzkirchenorganist, ab 1864 dann bis zu boren. Ab ihrem 5. Lebensjahr spielte sie manuel gewesen sein, entwickelte doch le spielen. Neben den postum erschienenen seinem Tod als Hofkirchenorganist in Dres- Klavier, und ab 16 studierte sie Orgel bei Durch verschiedene Meisterkurse ergänzt auch Müthel einen vom Bedürfnis nach Choralvorspielen – wahre Edelsteine des Re- den und darf als einer der erfolgreichsten Shin-Young Jang in Seoul. sie ihre Ausbildung bei Louis Robilliard, exaltiertem, ja mitunter bizarrem Ausdruck pertoires – gibt es nur einige Frühwerke, die Orgelkomponisten seiner Zeit gelten. 1857 20 21
Internationaler Orgelsomm er 2019 gewann er mit der Sonate d-Moll op. 30 den Anspruch heranreifen. Der Nussknacker, mit zwei alternierenden Themen. Es han- Wettbewerb um die Komposition einer vier- entstanden als Auftragswerk für die Kaiser- delt sich einerseits um ein im Verlauf der händigen Orgelsonate. Jedem der drei Sätze lichen Theater in Petersburg, wurde 1892 Komposition nur geringfügig variierendes ist ein Motto aus einem Psalm vorange- uraufgeführt. Neben dem „Blumenwalzer“ Thema, das offensichtlich das in der dritten stellt: Satz I: Verse aus Ps. 42 („Was betrübst zählen der „Marsch der Zinnsoldaten“ aus Gedichtstrophe angesprochene Klappern du dich, meine Seele“), Satz II: Verse aus Ps. dem I. Akt (Erstes Bild) und der „Tanz der der tanzenden Skelette darstellen soll, an- 23 („Der Herr ist mein Hirte“), Satz III: Ps. 42, Zuckerfee“ aus dem III. Akt (Drittes Bild) – dererseits um ein typisches Walzerthema. 12 („Harre auf Gott“). Dem ersten Satz liegt in der Originalfassung äußerst apart mit Ce- Für beide Themen wird die Melodie des Dies eine Sonatenform zugrunde, der zweite Satz lesta (ein Tasteninstrument mit einem dem irae relevant, allerdings auf unterschiedliche ist auffallend lyrisch angelegt und der dritte Glockenspiel vergleichbaren, aber weiche- Weise. Das erste Thema beinhaltet bereits Satz beginnt mit einer kurzen akkordischen ren Klang) orchestriert – zu den berühmtes- die vier Anfangstöne der Toten-Sequenz, Einleitung, der eine Fuge folgt. In den weni- ten Nummern des Balletts. das zweite Thema nimmt im Verlauf der gen abschließenden rezitativischen Takten Komposition die melodische Gestalt der ers- klingt – ob beabsichtigt, sei dahingestellt – Programmatische Grundlage der Sympho- ten beiden Sequenz-Zeilen an. Den parodie- Mendelssohns Vertonung von Ps 42 an. nischen Dichtung Danse macabre von Ca- renden Charakter des Gedichts realisiert die mille Saint-Saëns ist das Gedicht Égalité, Musik auf der Basis der Unvereinbarkeit des Peter Tschaikowskys Schwanensee, Nuss- Fraternité Henri Cazalis’. Der Titel ist insofern als tänzerisch empfundenen Rhythmus der knacker und Dornröschen – sie zählen zu ironisierend, als er die zentrale Botschaft thematischen Gestalten und des durch das den Klassikern des internationalen Tanz- des mittelalterlichen Totentanzes, nämlich Melodie-Zitat präsenten Gehalts des liturgi- theaters – können für die Geschichte der die vom jeweiligen Stand unabhängige schen Textes. Ballettmusik gar nicht hoch genug einge- Gleichheit der Menschen im Tod, in teilwei- schätzt werden, ließen sie das Ballett doch se das Motto der Französischen Revolution Die Pavane pour une Infante défunte („Pava- zu einer Gattung mit symphonischem zitierende Worte fasst. Saint-Saëns arbeitet ne für eine verstorbene Infantin“) hat ganz 22 23
Internationaler Orgelsomm er 2019 wesentlich zu Maurice Ravels Ruhm beige- raffinierte, impressionistische Harmonik, die Abkehr von überkommenen rhythmischen den Bann. Bernard Gavoty überliefert eine tragen. „Infantin“ ist bekanntlich der Titel sich partiell dem Geist der sog. Kirchenton- Prozeduren rückt Alain in die Nähe Olivi- Aussage Alains zum Spiel dieses Werks: „Ein der spanischen und portugiesischen Prin- arten nähert, woraus ein äußerst aparter er Messiaens und André Jolivets. Litani- Gebet ist keine Klage, sondern ein Torna- zessinnen. Nicht klar ist, ob der Terminus Charakter resultiert. es entstand 1937 und sollte ursprünglich do, der alles, was sich ihm in den Weg stellt, „Pavane“, der einen in Spanien verbreiteten, „Supplications“ („Flehende Bitten“) heißen. hinwegfegt: eine Art von Besessenheit, die langsamen und feierlichen Hoftanz bezeich- Jehan Alain, im Zweiten Weltkrieg, kurz Als er kurz nach der Vollendung der Kom- die Ohren des Menschen und auch Gottes net, „Pfauentanz“ meint oder aus dem Städ- nach seiner Einberufung, gefallen, studier- position die Nachricht vom tödlichen Un- Ohren erfüllen muss. Wenn man am Ende tenamen „Padua“ abgeleitet ist. Ravel selbst te Orgel bei Marcel Dupré und Komposition fall seiner Schwester Marie-Odile erhalten nicht völlig erschöpft ist, hat man das Stück beschrieb das Stück als „eine Erinnerung bei Paul Dukas. Alains Musik löst sich zwar hatte, benannte Alain das Werk in Litanies weder richtig verstanden, noch so gespielt, an eine Pavane, die eine kleine Prinzessin weitgehend von tradierten tonalen Struktu- um und fügte den folgenden programmati- wie ich es mir vorstelle.“ in alter Zeit am spanischen Hof getanzt ren, vermeidet aber eine Häufung von har- schen Text hinzu: „Wenn die christliche Seele Paul Thissen haben könnte“; sie sei „keine Trauerklage ten Dissonanzen, ohne dabei, wie man es in ihrer Verzweiflung keine neuen Worte für ein totes Kind, sondern eine Vorstellung von nicht wenigen seiner Orgel spielenden mehr findet, um das Erbarmen Gottes zu von einer Pavane, wie sie vielleicht von so und als Komponisten eher dilettierenden erflehen, wiederholt sie voll ungestümen einer kleinen Prinzessin in einem Gemälde Zeitgenossen (und auch später Geborenen) Glaubens ohne Ende das gleiche Bittgebet. von Velázquez getanzt wurde“. Der Titel ist kennt, einen eher gefällig-eklektischen, Die Vernunft erreicht ihre Grenze. Alleine später vom Komponisten insofern baga- als besonders „sakral“ – was auch immer setzt der Glaube seinen Aufstieg fort.“ Das tellisiert worden, als er meinte, ihm sei nur das sei – empfundenen Stil zu pflegen, der rhythmisch Unregelmäßige des zunächst der Gleichklang von „infante“ und „défunte“ zuvorderst durch die Amalgamierung von einstimmig erklingenden Themas und seine wichtig gewesen. Ravel, der seine Kom- kirchentonalen Strukturen und impressio- nahezu fanatisch insistierende, in immer position nicht sonderlich schätzte, über- nistischer Harmonik charakterisiert und im neue Kontexte eingebundene Wiederho- nimmt das gemäßigte Zeitmaß des Tanzes Hinblick auf die Gestaltung des Parame- lung, die schlussendlich in einen Aufschrei und bettet die eingängige Melodie in eine ters „Rhythmus“ völlig traditionell ist; die mündet, schlagen den Hörer unmittelbar in 24 25
Samstag, 17. August 2019 | 18.30 Uhr Thomas Lennartz Internationaler Orgelsomm er 2019 Prof. Thomas Lennartz, Dresden/Leipzig Lehramt an Gymnasien ab. Wichtige Lehrer an der Musikhochschule in Mannheim wur- Programm | Dom St. Martin waren Ullrich Bremsteller, Arvid Gast, Thier- de Lennartz 2008 zum Domorganisten an ry Escaich und Loïc Mallié, Meisterkurse bei der Kathedrale Ss. Trinitatis (ehem. Hofkir- J. Weaver Toccata Wolfgang Seifen, Daniel Roth, Olivier Latry, che) in Dresden ernannt, 2009 übernahm er (* 1935) Ton Koopman, Ewald Kooiman u. a. ergänz- einen Lehrauftrag an der Dresdner Hoch- ten seine Ausbildung. schule für Kirchenmusik. Seit 2014 ist Len- E. Elgar Chanson de nuit (Nachtlied) nartz Professor für Orgelimprovisation und (1857–1934) Chanson de matin (Morgenlied) Lennartz war Stipendiat der Konrad- Liturgisches Orgelspiel an der Hochschule R. M. Helmschrott Dans la lumière Adenauer-Stiftung und konnte sich bei für Musik und Theater „Felix Mendelssohn (* 1938) mehreren Wettbewerben auszeichnen, so Bartholdy“ in Leipzig und dort auch Direktor beim Wettbewerb des Fugato-Festivals des Kirchenmusikalischen Instituts. A. Guilmant Sonate Nr. 2 D-Dur Bad Homburg, wo ihm der 1. Preis und der (1837–1911) Allegro moderato – Larghetto Publikumspreis zuerkannt wurden, beim Thomas Lennartz geht einer ausgedehn- – Allegro vivace Hermann-Schröder-Wettbewerb, beim ten Konzerttätigkeit nach, die ihn bislang an Wettbewerb für Orgelimprovisation im viele bedeutende Instrumente in Deutsch- P. Cochereau Berceuse à la memoire de Louis Vierne Gottesdienst und bei den internationalen land, mehreren Ländern Europas, in die USA (1924 –1984) (Transkription: Frédéric Blanc) Thomas Lennartz studierte Orgel, Kirchen- Wettbewerben für Orgelimprovisation in und nach Japan führte. T. Lennartz Improvisation „Zur Sommerzeit“ musik, Schulmusik und Germanistik in Han- Schwäbisch Gmünd, Saarbrücken Orgues (* 1971) Allegro – Andante cantabile – Toccata nover, Köln und Leipzig sowie Orgelimpro- sans frontières und St. Albans / England. über die Lieder visation in Paris und schloss seine Studien „Wem Gott will rechte Gunst erweisen“ „mit Auszeichnung“ mit der Kirchenmusik- Nach einer fünfjährigen Tätigkeit als Regi- „Kein schöner Land in dieser Zeit“ A-Prüfung, dem Konzertexamen im Fach onalkantor an der Basilika St. Martin in Bin- „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ Orgel und dem 1. Staatsexamen für das gen und als Lehrbeauftragter im Fach Orgel 26 27
Zum Programm | 17. August 2019 – Thomas Lennartz Internationaler Orgelsomm er 2019 Der Amerikaner John Weaver lehrte Orgel als äußerst konservativ angesehen wer- Kompositionsauftrags […]. Mit Beginn der transponierbar sind; eine vierte Transposi- einem zentralen Element der musikalischen Rekurs auf das Orgelwerk Johann Sebastian u. a. an der berühmten Juilliard School in den muss, ändert nichts an der Wertschät- Arbeit ergaben sich aber Erfahrungen und tion ergäbe das Ausgangsmaterial) Olivier Sprache Messiaens völlig plausibel. Bachs. Guilmant erinnerte sich an Lemmens‘ New York. Motivischer Kern der perpetuum zung, die Elgar aufgrund seines musikali- eine Erleben besonderer Art, die als das ‚Äu- Messiaens verpflichtet ist. Den ersten Ab- Pedalspiel, das, wie er formulierte, „elegant, mobile-artigen Toccata Weavers ist ein ab- schen Einfalls- und Empfindungsreichtum ßerste´ zusammengefaßt werden können: schnitt prägen kurze, fragmentartige Motive Alexandre Guilmant war Schüler des Bel- geräuschlos und von einem sauberen Le- und aufsteigender Quartgang, aus dessen genießt. Sowohl Chanson de Nuit als auch das Leiden und Sterben eines nahen Men- (Messiaen würde sagen „comme un oiseau“ giers Jacques-Nicolas Lemmens, dessen gato geprägt war“. 1871 wurde Guilmant Begleitstruktur (kreisende Terzklänge und Chanson de Matin wurden ursprünglich für schen … Wenn der Sinn des Lebens nicht [wie ein Vogelruf ] und Arabesken; interpo- Bedeutung für die Erneuerung des Orgel- Titularorganist an der Trinité-Kirche in Paris. parallel geführte Akkorde) der Komponist Violine und Klavier komponiert und von El- der Tod ist, sondern eine andere Wirklich- liert sind Akkordschläge sowie harmonisier- spiels in Frankreich gar nicht hoch genug 1894 gründetet er zusammen mit Charles eine achttaktige Einleitung gewinnt. Die im gar selbst orchestriert. Wie die Werktitel ver- keit, dann kann sich diese andere Wirklich- te Skalengänge. Der zweite Abschnitt ist eingeschätzt werden kann. Die Wirren der Bordes die berühmte Schola cantorum, die, weiteren Verlauf erklingenden Dreiklangs- muten lassen, handelt es sich um liedarti- keit nach unserem abendländisch gebil- eine Toccata à la française, deren Anfang die Revolution bedeuteten für die Kirchenmu- im Gegensatz zum Conservatoire, sich in be- brechungen können als Spreizung der stu- ge Kompositionen, um Kompositionen also deten und erzogenem Bewusstsein nur Kurzgliedrigkeit des ersten Abschnitts auf- sik im Allgemeinen und die Orgelmusik im sonderer Weise der Vermittlung des Grego- fenweise verlaufenden Quartmotivik ver- mit führender und kantabler Oberstimme. im ‚Empyreum´ fortsetzen, im ‚Licht´ im greift, alternierend zwischen Manual und Besonderen einen gravierenden Einschnitt: rianischen Chorals und der Polyphonie der standen werden, aus der schließlich auch Der Mittelteil ist in beiden „Chansons“ durch ‚Ort Gottes´. In diesem Sinnen entstand Pedal. Der weitere Verlauf ist dann im We- Die radikale Einschränkung der finanziel- franko-flämischen Schule widmen sollte. Als ein ruhiger verlaufender Mittelteil (zwei- eine reichere harmonische Entwicklung cha- ‚Im Licht´ in einer Vielfalt von Beziehun- sentlichen – unterbrochen durch ein kurzes len Spielräume der Kirche hatte zur Folge, Komponist steht Guilmant in der Tradition stimmiger Rahmensatz mit Dreiklangsbre- rakterisiert. gen und wird damit zu einer allegorischen meditatives Innehalten – durch auf- und dass es keine Organisten mehr gab und die der deutschen Klassik und Romantik. Wäh- chungen als Mittelstimme) abgeleitet ist. Phantasie“. Die zweiteilige Komposition abwärts sich bewegende Akkordstrukturen Orgel von Pianisten traktiert wurde, die, des rend Widor seine großen Orgelwerke als Robert M. Helmschrott lehrte an der Mün- ist gleichsam ein großes Stilzitat, insofern geprägt. Die aus der Modalität resultieren- Orgelspiels völlig unkundig, mit Vorliebe die „Symphonie“ bezeichnete, behielt Guilmant Edward Elgar gilt als der erste herausragen- chener Musikhochschule, deren Präsident es vor allem im Hinblick auf den Parame- de Farbigkeit der Harmonik würde Messia- Bearbeitungen von profaner Musik spiel- diesen Gattungsbegriff den Werken für Or- de in England wirkende Komponist seit Ge- er von 1995 bis 2003 war, Musiktheorie ter Harmonik ganz den sog. „Modi mit be- en als „Kirchenfensterwirkung“ bezeichnen ten. Lemmens konnte, neben der sympho- gel und Orchester vor (es sind dies die ent- org Friedrich Händel. Dass sein stilistisch als und kirchliche Komposition. Im Vorwort grenzter Transpositionsmöglichkeit“ (aus und mit den Farben des in Edelsteinen sich nischen Ästhetik des jungen Orgelbauers sprechend bearbeiteten Orgelsonaten 1 spätromantisch zu verstehendes Werk auf- zu Dans la lumière („Im Licht“) – 1993 als gleich gebauten Intervallgruppen beste- brechenden Lichts beschreiben. Auf die- Aristide Cavaillé-Coll, einen ganz wesentli- und 8), die zyklischen Kompositionen für grund der radikalen Neuerungen, die in den Auftragskomposition für die Stadt Ingol- hende „Tonarten“; der 2. Modus z. B. be- sem Hintergrund ist der Versuch der mu- chen Beitrag zur Wiederbelebung des Or- Orgel solo überschrieb er – wie sein Zeitge- ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhun- stadt entstanden – schreibt der Autor, steht aus 4 Gruppen zu 3 Tönen, jeweils mit sikalischen Umsetzung der „allegorischen gelspieles im eigentlichen Sinne in Frank- nosse Rheinberger – mit „Sonate“. Nahe- derts sich in der Musik etablieren konnten, das Werk sei „zunächst das Ergebnis eines der Folge Halbton – Ganzton, die dreimal Phantasie“, von der Helmschrott spricht, mit reich leisten, nicht zuletzt auch durch den zu allen Eröffnungs- und Schlusssätze von 28 29
Internationaler Orgelsomm er 2019 Guilmants Orgelsonaten liegt die Sonaten- Berceuse („Wiegenlied“) ist seinem Vorvor- hauptsatzform zugrunde. Dies gilt auch für gänger Louis Vierne gewidmet. Einleiten- die Sonate Nr. 2 D-Dur op. 50. Das Haupt- den Takten mit kurzen Impulsen im Pedal thema des ersten Satzes erklingt in einem und Klangflächen im Manual folgt eine ver- triosonatenartigen Satz. Das als melodiefüh- träumte Melodie, die zunächst von der rech- rende Oberstimme präsentierte Seitenthe- ten Hand gespielt wird, sodann, nach einer ma ist aus dem Hauptthema ableitbar. Dem kurzen Steigerungsphase, der linken Hand kurzen zweiten Satz liegt die A-B-A–Form zugewiesen ist und schließlich im Pedal er- zugrunde. Der Finalsatz verbindet Sonaten- klingt, als Dialogpartner einer zweiten her- satz und Fugato. Dem menuettartigen ers- ausgehobenen Stimme in der rechten Hand. ten Thema folgen ein fugiertes Thema sowie Paul Thissen als dritter Gedanke ein rein akkordisch-ho- mophoner Abschnitt. Die Durchführung basiert auf allen drei Elementen. Erstes und drittes Thema konstituieren die triumpha- le Coda. Pierre Cochereau, Schüler Marcel Duprés und Maurice Duruflés, wirkte als Titularorga- nist an der Kathedrale Notre Dame in Paris. Legendär waren seine Improvisationen, von denen mehrere anhand von Tonbandmit- schnitten postum aufgezeichnet wurden. 30 31
Samstag, 24. August 2019 | 18.30 Uhr Christian Schmitt Internationaler Orgelsomm er 2019 Christian Schmitt, Stuttgart Yang, Sir Simon Rattle, Cornelius Meister, Seine Diskographie umfasst über 35 solisti- Programm | Dom St. Martin Manfred Honeck, Reinhard Goebel, Sir Roger sche CD-Aufnahmen, darunter das Album Norrington oder Marek Janowski zusammen. „Prayer“ mit Magdalena Kožená (Deutsche Im April 2017 spielte Christian Schmitt die Ur- Grammophon), sowie Mitschnitte für sämtli- R. Schumann Fuge über BACH op. 60,1 aufführung des Orgelkonzerts von Toshio Ho- che Rundfunkanstalten der ARD. Für das (1818 –1856) kosawa in der Kölner Philharmonie, gemein- Label cpo arbeitet er an Gesamteinspielun- J. S. Bach „An Wasserflüssen Babylon“ BWV 653a sam mit den Bamberger Symphonikern und gen von Koechlin, Widor, Gubaidulina und (1685 –1750) Toccata und Fuge F-Dur BWV 540 ihrem neuen Chefdirigenten Jakub Hrůša. Bei Pachelbel. diesem Orchester wirkt Schmitt seit Septem- A. Pärt Annum per annum ber 2014 als Principal Organist und kuratiert Christian Schmitt studierte Kirchenmusik und (* 1935) in dieser Funktion auch die dortige Orgelrei- Konzertreife an der Musikhochschule Saar- he. In der Saison 2016/17 musizierte der Or- brücken sowie Orgel bei James David Christie ganist außerdem erstmals mit Kent Nagano (Boston) und Daniel Roth (Paris). Außerdem J. S. Bach „Schmücke dich o liebe Seele“ BWV 654 a in der Hamburger Elbphilharmonie, im Mai- studierte er an der Universität des Saarlan- ECHO-Preisträger Christian Schmitt ist einer son Symphonique Montréal sowie im Leipzi- des Musikwissenschaft und Kath. Theologie. J. Langlais „Alleluia“ aus Pedaletüden (1984) der virtuosesten und charismatischsten Kon- ger Gewandhaus unter Kristjan Järvi. Christi- Der Organist errang Preise bei mehr als zehn (1907 –1991) zertorganisten seiner Generation und als So- an Schmitt ist auch als Pädagoge sehr aktiv, nationalen und internationalen Orgel- und list sowie als Begleiter international gefragt. so an der Musikhochschule Stuttgart (Vertre- Musikwettbewerben, u. a. in Brügge und C. M. Widor Sinfonie Nr. 4 op. 13 Der 1976 geborene Musiker konzertiert welt- tungsprofessur im Lehrauftrag, Klasse Prof. Tokio sowie 2001 beim Deutschen Musik- (1844 –1937) Toccata weit mit führenden Rundfunkorchestern und Essl), der Hochschule für Musik Saar und an wettbewerb. Schmitts Aufnahme der Widor- Adagio weiteren renommierten Klangkörpern. Dabei Musikhochschulen in Boston, Cremona, Oslo, Orgelsinfonien opp. 42,3 und 69 erhielt den Finale arbeitet er mit Künstlern wie Juliane Banse, Mexiko, Moskau, Seoul, Taschkent und Bogo- ECHO Klassik 2013. Sibylla Rubens, Martin Grubinger, Wen-Sinn tá. Er gehört außerdem mehreren Jurys an. 32 33
Zum Programm | 24. August 2019 – Christian Schmitt Internationaler Orgelsomm er 2019 Mit Bachs Fugen hat Robert Schumann – angetünchten Effecten durchaus feindlicher überzeitlicher Gültigkeit geführt (Arnfried alterniert sowie die italienische Konzert- Orchester aus dem Jahr 1968 – eine Collage- anlässlich des 900jährigen Bestehens des wie zahlreiche andere Komponisten auch – Componist mußte zu dem, seinem innern Edler hat hier so treffend von der „Trans- form. Das Ausnutzen des ganzen zur Verfü- Komposition, in der sich avantgardistische Doms zu Speyer. Zu diesem Zeitpunkt hat- sich zeitlebens beschäftigt; sie waren, wie er Wesen so nah verwandten Instrumente hin- zendierung der Gattung zur reinen Idee“ gung stehenden harmonischen Raums, des und alte Musik (in Gestalt von Bachs be- te der o. g. Stil sich für Pärt noch nicht ver- bezeugt, sein „täglich Brod“, und er konn- gezogen werden und in ihm das für den gesprochen). An Wasserflüssen Babylon à 2 Quintenzirkels – Bach erreicht im Verlauf der rühmtem C-Dur-Präludium aus dem Ersten festigt; er rekurrierte deshalb eher auf die te in ihnen „Charakterstücke höchster Art“ Ausdruck seiner Gedanken geeignetste fin- claviers et pédale BWV 653 lässt die einzel- Toccata die Tonart Ges-Dur –, ist unabding- Teil des Wohltemperierten Klaviers) schroff mittelalterliche Musik (Organum und Ars erblicken, „zum Teil wahrhaft poetische Ge- den.“ Fuge I, von dichter kontrapunktischer nen Choralzeilen in kolorierter Form in der bare Voraussetzung für die umfangreiche gegenüberstehen – sollte für ca. 8 Jahre antiqua-Motette). Die Komposition besteht bilde, deren jedes seinen eigenen Ausdruck, Arbeit bestimmt, die an den style antico er- linken Hand, also im Tenor, erklingen. Die Form, zugleich aber auch ein unüberhörba- sein letztes Werk bleiben. Pärt sah sich aus aus fünf Abschnitten, die K, G, C, S, A über- seine besonderen Lichter und Schatten ver- innert, steigert sich im Tempo und mündet beiden begleitenden Oberstimmen erwei- res Plädoyer für die gleichstufige Temperie- vielfältigen Gründen einer massiven Schaf- schrieben sind. Diese Buchstaben sind Kür- langt.“ in einen akkordischen Satz mit dem Thema sen sich – wie es häufiger in Bachs späteren rung, ermöglicht doch erst sie auf der Orgel fenskrise ausgesetzt, drohte vollständig zu zel der fünf Teile des Ordinariums (Kyrie, im Pedal. Choralbearbeitungen zu beobachten ist – den Rückgriff auf alle zur Verfügung stehen- verstummen und beschäftigte sich mit mit- Gloria, Credo, Sanctus, Agnus Dei), die die Die sechs B-A-C-H-Fugen op. 60 entstanden als aus den beiden ersten Melodiezeilen ab- den Tonarten. Die Fuge – eine Doppelfuge, telalterlicher Musik (Gregorianik und Orga- Hl. Messe repräsentieren, die im Dom „Jahr 1845 und sind, wiewohl jede für sich allein Mit den Leipziger Chorälen BWV 651–667 – geleitet. die beide Themen sukzessive exponiert und num). Mit Für Alina (1976) kreierte Pärt dann für Jahr“ täglich gefeiert wird. Gleich Exor- steht, durchaus als Variationen aufzufas- der Titel stammt nicht von Johann Sebas- anschließend kombiniert – kontrastiert auf- aber einen grundlegend neuen Personalstil, dium und Conclusio in der Gattung „Passi- sen insofern jede Fuge aus dem Motiv ein tian Bach; die Werke entstanden in Weimar Die Toccata F-Dur J. S. Bachs ist eines der fällig zur dramatisch-virtuosen Anlage der der als „Tintinnabuli“-Stil [von „tintinnabu- on“ umrahmen eine kurze Einleitung (im- neues Thema – mit drei bis vier themati- und wurden in Leipzig nur überarbeitet – vielen Beispiele in Bachs Werk, die auf über- Toccata. Möglicherweise sind beide Teile zu lum“ = Glöcklein; an und für sich müsste es mer leiser werdend) und eine Coda (immer schen Varianten – gewinnt, das ein neu- hat Bach in gleicher Weise wie mit den gro- aus faszinierende Weise dessen Fähigkeit unterschiedlichen Zeiten entstanden. deshalb „tintinnabula“ heißen] bezeichnet lauter werdend) die fünf Abschnitte. Diese es Stimmungsbild generiert. In einer der ßen Choralbearbeitungen der Clavierübung dokumentieren, aus dem Zusammenfüh- wird; sein Grundprinzip ist schnell erklärt: Rahmenteile wiederholen beständig mit frühesten Rezensionen der B-A-C-H-Fugen III die Gattung „Choralbearbeitung“ zu ei- ren verschiedener Gattungstraditionen et- Der estnische und heute in Berlin lebende es gibt einen zweistimmigen Zentralsatz, der Folge „kurz – lang“ einen Quint-Oktav- schrieb der Magdeburger Domorganist Au- ner Zeit, als sie vor allem im von pietisti- was Neues zu gewinnen: Hier sind es die Komponist Arvo Pärt darf zu den bekann- innerhalb dessen sich eine Stimme stufen- Klang (vgl. „Organum“). Die Ordinariumstei- gust Gottfried Ritter: „Wer Robert Schumann schem Denken geprägten Gottesdienst Orgelpunkt-Toccata des 17. Jahrhunderts, testen Protagonisten der zeitgenössischen weise bewegt, die andere in Dreiklangsbre- le – jeweils aus zwei Sektionen bestehend kennt, wird sich durch eine solche Wendung zur bloßen Gebrauchsmusik herabgesun- die sich mit Kanonstrukturen verbindet, Musik gezählt werden. Er begann als Avant- chungen (dies ist die „Tintinnabuli“-Stim- – sind Variationen einer der rechten Hand nicht überrascht finden. Ein so tief-sinnen- ken war, losgelöst von allen gottesdienstli- mit virtuosen, der norddeutschen Orgel- gardist mit seriell konzipierten Stücken. me). Annum per annum entstand 1980 als zugewiesenen Struktur (vgl. „Motette“), wo- der und tief-fühlender, allen von außen her chen Funktionen, zu einer letzten Blüte von musiktradition entstammenden Pedalsoli Credo für Klavier, gemischten Chor und Auftragskomposition des Südwestfunks bei die zweite Sektion das einmal gewählte 34 35
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