ORGELSOMMER 2019 INTERNATIONALER - PROGRAMM | JULI - SEPTEMBER - BISTUM MAINZ

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ORGELSOMMER 2019 INTERNATIONALER - PROGRAMM | JULI - SEPTEMBER - BISTUM MAINZ
Internationaler
ORGELSOMMER 2019
Programm | Juli – September   Schutzgebühr 1 €
ORGELSOMMER 2019 INTERNATIONALER - PROGRAMM | JULI - SEPTEMBER - BISTUM MAINZ
Inhaltsverzeichnis                                                                                           Internationaler Orgelsomm er 2019

Künstlerische Leitung:                          Preise und Kartenverkauf:                                                   ❚ Herzlich willkommen!                                     5   ❚ Disposition der Dreymann Orgel                       49
Domorganist Prof. Daniel Beckmann               Eintritt: je 8 €, 6 € für Schüler/Studenten und 4 € für Mitglieder                                                                           in St. Ignaz
Postfach 1560                                   des Fördervereins                                                           ❚ Samstag, 27.7.2019 | Dom                                 6
55005 Mainz                                     Dauerkarte: 38 € (ermäßigt: 30 €)                                           	Domorganist Prof. Daniel Beckmann, Mainz                     ❚ Dispositionen der Mainzer Domorgeln                  50
Telefon: 06131/253 474
Fax: 06131/253 529                               arten und weitere Informationen erhalten Sie in den Vorverkaufsstellen:
                                                K                                                                           ❚ Samstag, 3.8.2019 | Dom                                 12   ❚ Zum Autor: Prof. Dr. Paul Thissen                    54
E-Mail: domorganist@bistum-mainz.de             – Infoladen des Bistums, Heiliggrabgasse 8, Telefon: 06131/253 888            Domorganist Rolf Müller, Altenberg
Internet: www.domorgel-mainz.de                 –	Markt 10, Dominformation, Telefon: 06131/253 412 und an der                                                                             ❚ Spielstätten                                         55
                                                    Abendkasse                                                              ❚ Samstag, 10.8.2019 | Dom                                18
Einführungstexte:                                                                                                             Thomas Kientz, Straßburg (F) und Kumi Choi, Paris (F)
Prof. Dr. Paul Thissen, Paderborn               Gestaltung:                                                                                                                                ❚ Informationen zur neuen Orgel für den Mainzer Dom    56
                                                Petra Louis/Werbewerkstatt Korinski, Mainz                                  ❚ Samstag, 17.8.2019 | Dom                                26
Veranstalter:                                   Bildnachweis:                                                                 Prof. Thomas Lennartz, Dresden/Leipzig
Bischöfliches Domkapitel                        Rieger-Orgelbau GmbH, S. 6
in Kooperation mit                              Stadtplan von Mainz: Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des      ❚ Samstag, 24.8.2019 | Dom                                32
der Pfarrei St. Ignaz                           Bauamtes der Landeshauptstadt Mainz, Genehmigungsnummer 02/19, S. 55          Christian Schmitt, Stuttgart
und dem Kultursommer Rheinland-Pfalz            Prof. Thomas Schmitz, Aachen: Zeichnung des Teilwerks an der Marienka-
                                                pelle, S. 58                                                                ❚ Samstag, 31.8.2019 | Dom                                38
                                                Fotos der Interpreten: privat, S. 13, 19, 27, 33, 39                          Domorganist Josef Still, Trier
                                                Alle übrigen Fotos Markus Kohz
Anmeldung zum Domorgel-Newsletter per E-Mail:   Druck:                                                                      ❚ Samstag, 7.9.2019 | St. Ignaz                           44
sekretariat@domorgel-mainz.de                   Druckerei Friedrich, Klein-Winternheim                                      	Domorganist Prof. Daniel Beckmann, Mainz
ORGELSOMMER 2019 INTERNATIONALER - PROGRAMM | JULI - SEPTEMBER - BISTUM MAINZ
Herzlich willkommen                                                                                        Internationaler Orgelsomm er 2019

    Liebe Orgelfreunde und Besucher des            but not least werden derzeit bei den Firmen    Weitere Informationen finden Sie auf den
    Domes aus Nah und Fern,                        Goll und Rieger erste Bauabschnitte der        Seiten 56–59 dieses Programmhefts und im
                                                   neuen Domorgelanlage vorbereitet, damit        Internet unter www.domorgel-mainz.de.
    während Mainz bislang vor allem als Dom-,      es dann ab Januar 2020 hier im Dom ganz
    Gutenberg-, Medien-, Universitäts-, Fast-      konkret werden kann. Gut möglich also,         Und nun viel Freude bei den Konzerten!
    nachts-, Fußball-, Wein- und Landeshaupt-      dass die neunte Auflage des Internationalen
    stadt wahrgenommen wurde, rückt sie in         Orgelsommers, zu der ich Sie hiermit im
    letzter Zeit mehr und mehr auch in den         Namen der Bistumsleitung, des Bischöfli-
    Fokus orgelbegeisterter Musikliebhaber.        chen Domkapitels und persönlich herzlich       Ihr Daniel Beckmann
    Grund hierfür ist neben der spätbarocken       begrüßen darf, der letzte Zyklus dieser Art
    Stumm Orgel der Augustinerkirche zum Bei-      mit unserem kränkelnden Instrument ist.
    spiel die Aufstellung Deutschlands einziger    Doch es ist noch nicht alles „in trockenen
    Cavaillé-Coll Orgel in Bretzenheim. In St.     Tüchern“: Wichtige Teile des Gesamterneue-
    Quintin freut man sich über ein spätroman-     rungsvorhabens sind aus finanziellen Grün-
    tisches Instrument englischer Provenienz,      den noch nicht beauftragt worden. Wenn
    in St. Stephan über einen Neubau der Firma     Sie also helfen möchten, die Geschichte des
    Klais mit universellem Zungenschlag. Ganz      Domes mit diesem Jahrhundertprojekt fort-
    aktuell bereichert nun die frühromantische     zuschreiben und dem Lob Gottes eine neue
    Dreymann Orgel in St. Ignaz, die dank ihrer    Stimme zu verleihen, so freuen wir uns über
    Restaurierung durch die Firma Eule gleich-     jede Unterstützung - zum Beispiel in Form
    sam wie Phönix aus der Asche auferstanden      von Pfeifenpatenschaften. Insgesamt war-
    ist und im Abschlusskonzert dieses Festivals   ten 14.526 Pfeifen auf eine Patin oder einen
    zu hören sein wird, das Ensemble. Und last     Paten, sicher ist auch Ihr Wunschton dabei!

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ORGELSOMMER 2019 INTERNATIONALER - PROGRAMM | JULI - SEPTEMBER - BISTUM MAINZ
Samstag, 27. Juli 2019 | 18.30 Uhr                                  Daniel Beckmann                                                                                           Internationaler Orgelsomm er 2019

    Domorganist Prof. Daniel Beckmann
    		                                                                                                                Lehrverpflichtungen an der Musikhoch-         Internationalen Orgelwettbewerbs der
    Programm | Dom St. Martin                                                                                         schule Detmold und den Universitäten          Abbaye Saint-Maurice d'Agaune (CH 2009),
                                                                                                                      von Paderborn und Mainz wurde ihm 2016        in der Verleihung des Kulturpreises seiner
                                                                                                                      eine Honorarprofessur für künstlerisches      nordrhein-westfälischen Heimat (Kreis Olpe
    J. S. Bach     Praeludium und Fuge C-Dur BWV 547
    (1685 –1750)                                                                                                      Orgelspiel und liturgisches Orgelspiel/       2011) sowie in der Ernennung zum ersten
                                                                                                                      Improvisation an der Hochschule für Musik     Mainzer Stadtmusiker (2016).
                                                                                                                      Mainz übertragen.
    W. A. Mozart   Allegro und Andante (Fantasie) in f
                                                                                                                                                                    Seine Studien nahm Beckmann bereits
    (1756 –1791)   für eine Orgelwalze KV 608
                                                                                                                      Darüber hinaus ist er regelmäßiger Gast in    parallel zu seiner gymnasialen Oberstufen-
                                                                                                                      Kathedralen, Philharmonien und anderen        zeit an der Detmolder Musikhochschule auf
                                                                                                                      Orgelmusikzentren des In- und Auslandes.      (Klasse Prof. Weinberger), wo er das kirchen-
    J. S. Bach Sechs Choräle von verschiedener Art (Schübler-Choräle)
                                                                                                                      Kurse, Jurorentätigkeiten, CD-Produktionen,   musikalische A-Examen, die künstlerische
    	         Wachet auf, ruft uns die Stimme BWV 645
    	Wo soll ich fliehen hin BWV 646                                                                                  eine regelmäßige Zusammenarbeit mit           Reifeprüfung und das Konzertexamen
               Wer nur den lieben Gott lässt walten BWV 647                                                           Rundfunk- und Fernsehanstalten (ARD, ZDF,     im Fach Orgel jeweils mit Auszeichnung
               Meine Seele erhebt den Herren BWV 648                                                                  SWR, HR, WDR, SAT1, Phoenix) sowie Bera-      absolvierte.
    	Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ BWV 649                       Daniel Beckmann wurde 2010 im Alter           tungen bei Orgelneubauprojekten (derzeit                        > www.domorgel-mainz.de
               Kommst du nun, Jesu, vom Himmel herunter BWV 650         von 29 Jahren durch Karl Kardinal Lehmann     Mitglied der Wiener Domorgelkommission)
                                                                        zum Domorganisten an den Hohen Dom            runden die Tätigkeit ab.
    M. Dupré       Prélude et fugue H-Dur op. 7/1                       St. Martin zu Mainz berufen. Seither initi-
    (1886 –1971)   Prélude et fugue f-Moll op. 7/2                      ierte er die monatlichen Orgelmatineen        Würdigungen seines Schaffens äußern sich
                   Prélude et fugue g-Moll op. 7/3                      und den Internationalen Orgelsommer und       u. a. in der Aufnahme in die „Bundesauswahl
                                                                        plant gemeinsam mit dem Bischöflichen         Junger Künstler“ durch den Deutschen
                                                                        Domkapitel einen Domorgelneubau. Nach         Musikrat (2005), im „Premier Prix“ des

6                                                                                                                                                                                                                     7
ORGELSOMMER 2019 INTERNATIONALER - PROGRAMM | JULI - SEPTEMBER - BISTUM MAINZ
Zum Programm | 27. Juli 2019 – Daniel Beckmann                                                                                                                                                                                                                Internationaler Orgelsomm er 2019

    Johann Sebastian Bach entwickelt die             Die Fuge gehört zu den wenigen fünfstim-       Anfangs mündet. Der liedhafte Mittelteil,      hinzu. Bemerkenswert ist an diesem Satz,         migen Kantate BWV 93 zurück. Die rechte         rechten Hand und das Ritornellthema im
    mehrteilige Form des norddeutschen Prä-          migen Orgelfugen Bachs, wobei das Pedal        ein Variationensatz, steht in der parallelen   dass die Liedmelodie nicht genau mit dem         Hand übernimmt die Partien beider Vokal-        Pedal.
    ludiums, wie es bei Franz Tunder, Dieterich      erst relativ spät einsetzt, und zwar mit der   Dur-Tonart As-Dur. Der Schlussteil wieder-     Beginn jeder Wiederholung des Eingangs-          solisten (Sopran und Alt), die linke Hand die
    Buxtehude u. a. erscheint, zu einer bipola-      Augmentation des Themas (d. h. es erklingt     holt den Anfang in As-Dur, zudem wird die      motivs zusammenfällt.                            Basslinie; der Cantus firmus, in der Kantate    Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ BWV 649
    ren Form von Praeludium (im Allgemeinen          in größeren Notenwerten).                      Fuge mit einem motorischen Kontrasubjekt                                                        von hohen Streichern ausgeführt, ist dem        hat als Vorlage den dritten Satz für Sopran,
    thematisch eher freier gearbeitet) und Fuge                                                     präsentiert.                                   Wo soll ich fliehen hin oder Auf meinen lieben   Pedal zugewiesen. Diese Bearbeitung lässt       Violoncello piccolo und Continuo aus der
    (thematisch streng gearbeitet). „Thematisch      1790/91 schrieb Wolfgang Amadeus                                                              Gott BWV 646 ist der einzige der Schübler-       die Probleme einer möglichst wörtlichen         Kantate BWV 6 Bleibe bei uns, denn es will
    eher frei“ trifft allerdings für das Praeludi-   Mozart für das Müllersche Kunstcabinet des     BWV 645 bis 650 sind nach Georg Schübler       Choräle, zu dem keine Vorlage überliefert        Übertragung deutlich werden. So ist an          Abend werden. Die Form des Originals (A –
    um BWV 547/1 schon nicht zu, denn Bach           Grafen Joseph Deym drei Werke (KV 594,         benannt, der sie etwa 1748/49 verlegte.        ist. Die Liedmelodie ist weltlichen Ursprungs    zwei Stellen die Altstimme der bequemeren       Choral – A – Choral – A´) vereinfacht Bach zu
    präsentiert in den ersten sechs Takten, also     608 und 616) für eine automatisch spielen-     Fünf der sechs Stücke Johann Sebastian         und war seit 1609 mit dem Text „Auf mei-         Ausführung auf dem Tasteninstrument we-         A – Choral – A.
    in ungewöhnlicher Dichte, das gesamte mo-        de Orgel, für eine sog. „Flötenuhr“, die im    Bachs sind nachweislich mehr oder weniger      nen lieben Gott“, seit 1630 auch mit „Wo soll    gen leicht verändert. Die Vorlage legt eine
    tivische Material des Praeludiums. So viel-      späten 18. Jahrhundert mit dem Einzug in       notengetreue Übertragungen von Arien           ich fliehen hin“ verbunden. Bachs Hand­          Ausführung auf zwei Manualen nahe, was          Kommst du nun, Jesu, vom Himmel herunter
    fältig sich die Motivik gestaltet, so statisch   reichere Bürgerhäuser ihre Blütezeit hatte.    und Duetten aus Kirchenkantaten. Bach          exemplar beinhaltet übrigens einige der          aber für die rechte Hand an wenigen Stellen     auf Erden BWV 650 stammt aus der Kantate
    ist innerhalb der ersten Takte die Harmonik,     Allegro und Andante (Fantasie) in f für eine   verfolgte mit den Transkriptionen das Ziel     ganz wenigen Registrierungshinweise des          Probleme ergäbe, weshalb Bach wohl für          BWV 137 Lobe den Herren, den mächtigen
    die erst ab T. 7 an Spannung gewinnt. Das        Orgelwalze KV 608 darf als die gewichtigs-     zu demonstrieren, dass die damals moderne      Komponisten. Das Stück ist im Manual wie         beide Hände nur ein Manual vorsieht.            König der Ehren und ist dort der zweite Satz,
    Stück kulminiert in einer von Kunstpausen        te seiner Kompositionen für eine selbst        und allgegenwärtige Form der Da-capo-Arie      eine zweistimmige Invention angelegt und                                                         eine Aria für Alt, Violine solo und Continuo.
    durchbrochenen Folge von Dominantsept-           spielende Flötenuhr – Mozart nannte sie        auch auf der Orgel darstellbar war.            insofern von sehr instrumententypischer          Meine Seele erhebt den Herren BWV 648 ist       Die Bearbeitung ist ein spieltechnisch an-
    akkorden mit Auflösung in die jeweilige          „Orgelwerk“ oder „Orgelwalze“ – gesehen                                                       Machart, was zu der Vermutung geführt hat,       eine Transkription des fünften Satzes („Du-     spruchsvolles Trio.
    Tonika (die T. 64 und 65 in der Fuge sind, wie   werden. Die Großform des Stückes ist eben-     Im Fall von Wachet auf, ruft uns die Stimme    es handle sich um einen original für Orgel       etto e Chorale“) aus der Kantate BWV 10
    Siegbert Rampe treffend festgestellt hat,        so wie die Form der beiden Rahmenteile         BWV 645, dem vierten Satz für Tenor, Strei-    komponierten Satz.                               Meine Seele erhebt den Herren. Die Struktur     Marcel Dupré gilt als der „Organisten-
    gleichsam als Pendant aufzufassen); eine         dreiteilig: Der ernst-pathetische erste Teil   cher und Continuo aus der gleichnamigen                                                         ähnelt der von BWV 647. In BWV 648 erklin-      macher“ des 20. Jahrhunderts, will sagen,
    kurze Rekapitulation des motivischen Ma-         ist durch punktierte Rhythmik bestimmt; es     Kantate BWV 140, fügt Bach als für Tasten-     Wer nur den lieben Gott lässt walten BWV         gen die Stimmen von Alt und Tenor jedoch        zahllose berühmte Organisten der nach-
    terials bildet den Schluss des Praeludiums.      folgt eine Fuge, die in die Wiederholung des   instrumente typisches Idiom Ornamente          647 geht auf den vierten Satz der gleichna-      in der linken Hand, der Cantus firmus in der    folgenden Generationen sind durch seine

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ORGELSOMMER 2019 INTERNATIONALER - PROGRAMM | JULI - SEPTEMBER - BISTUM MAINZ
Internationaler Orgelsomm er 2019

     Schule gegangen. Dupré war ein begnade-         wandert. Durchaus subtil ist die Ableitung     Op. 7/3 erinnert an die Klaviermusik eines
     ter Improvisator, aber auch ein glänzender      des Fugenthemas. Seine Intervallstruktur       Debussy oder Ravel. Ein impressionis-
     Interpret, der sich wie kaum ein anderer        verweist sowohl auf die Figurationen des       tisch anmutendes perpetuum mobile von
     französischer Organist für das Orgelwerk        Präludiums als auch auf die Töne fünf bis      schwebender Leichtigkeit bildet die Folie
     Bachs einsetzte, das er 1920 erstmals im        sieben des Pedalthemas: Ihre Umkehrung         für eine choralartige Pedal-Linie, die später
     Pariser Conservatoire in seiner Gesamtheit      bildet den Schluss des Themenkopfes.           in harmonisiertem Gewand mit bis zu acht
     auswendig einem öffentlichen Publikum                                                          Stimmen erscheint, von denen bis zu vier im
     präsentierte. Im gleichen Jahr gelangten        Op. 7/2 gehört einer völlig neuen Aus-         Pedal erklingen. Der Fuge liegt ein kraftvoll-
     auch die Trois préludes et fugues op. 7 zur     druckssphäre an: Über tröpfelnden Sech-        tänzerisches Thema zugrunde, zu dem
     Veröffentlichung, wiewohl schon 1912 kom-       zehnteln entfaltet sich eine lyrisch-melan-    sich im weiteren Verlauf das Choral-Thema
     poniert, in einer Zeit also, als Dupré seinen   cholische Kantilene, zu der sich bald eine     gesellt. Die Fuge führt zu einer Choral-Apo-
     zur zeitgenössischen intellektuellen Elite      zweite Stimme gesellt. Durchaus Erwäh-         theose à la Reger mit kontrapunktierendem
     zählenden und weltläufigen Kompositions-        nung verdient, dass diese Melodie mit einer    Thema, dessen Engführung in eine weit-
     lehrer Charles-Marie Widor an St. Sulpice       Intervallfolge anhebt, die nicht nur das Fu-   räumige Katabasis (absteigende Bewe-
     vertrat. Zweifellos ist Opus 7 als eine Hom-    genthema einleitet, sondern zudem die o. g.    gung) mündet, die auf dem Ton G im Pedal
     mage an Bach zu verstehen, von dessen           Umkehrung nur leicht variiert, womit auch      endet, der wie ein Doppelpunkt wirkt, nach
     Präludien und Fugen es sich unterscheidet       zwischen op. 7/1 und 7/2 Verwandtschaft        welchem drei Akkordschläge das mächtige
     durch die Motivverwandtschaft zwischen          hergestellt ist. Wie Duprés Ehefrau überlie-   Schlusswort sprechen.
     Präludium und Fuge.                             fert, soll der Komponist am Vorabend sei-                                        Paul Thissen
                                                     nes Todes dieses Stück nochmals auf seiner
     Op. 7/1 präsentiert das Präludium als Toc-      Hausorgel in Meudon gespielt haben.
     cata mit fanfarenartigem Thema im Pedal,
     das phasenweise auch in die Oberstimme

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ORGELSOMMER 2019 INTERNATIONALER - PROGRAMM | JULI - SEPTEMBER - BISTUM MAINZ
Samstag, 3. August 2019 | 18.30 Uhr                     Rolf Müller                                                                                                 Internationaler Orgelsomm er 2019

     Rolf Müller, Altenberg
                                                                                                           Capella nova und Choralschola). Seit 2002       Kirchenmusik (wie Bachs h-Moll-Messe
     Programm | Dom St. Martin                                                                             obliegt ihm auch die Leitung und Durch-         und Matthäuspassion, Händels Messias,
                                                                                                           führung der Internationalen Altenberger         Mendelssohn Symphonie „Lobgesang“ und
     G. Muffat      aus „Apparatus musico-organisticus“
                                                                                                           Orgelakademie für Improvisation.                Psalmen 42 und 95, Schuberts Große Messe
     (1653 –1703)   Toccata nona
                                                                                                                                                           Es-Dur, Brahms‘ Requiem, Mozarts c-Moll-
     P. A. Büx      Concertino in G
     (1701–1751)                                                                                           Zahlreiche Rundfunk- und CD-Aufnahmen           Messe und Requiem, alle großen Haydn-
                                                                                                           u. a. an der Klais-Orgel des Doms liegen vor.   Messen usw.)
     D. Buxtehude Magnificat primi toni BuxWV 203
     (1637 –1707)
                                                                                                           Konzerte als Organist und Dirigent. Orgel-      Geboren 1972 in Freudenstadt/Schwarz-
     P. I. Kayser   Concerto in D
     (1712 –1771)		                                                                                        konzerte führten ihn als Solist nach Spanien,   wald waren seine ersten Lehrer Willy Ricke
     J. S. Bach     Passacaglia in c BWV 582                                                               Frankreich, Großbritannien, Niederlan-          (Rottenburg) und Stephan Rommelspacher
     (1685 –1750)                                                                                          de, Polen, Schweiz, Österreich und ganz         (damals Villingen, heute Leipzig).
     W. A. Mozart   Kirchensonate in F KV 244                                                              Deutschland.
     (1756 –1791)   (Transkription: S. Szathmary)                                                                                                          Von 1993 bis 2000 Studium an der Universi-
     P. Eben        Aus „Vier biblische Tänze“                                                             Neben einem stilistisch sehr breiten Reper-     tät für Musik und darstellende Kunst „Mozar-
     (1929 –2007)   Hochzeit in Kana                                                                       toire von Barock über Klassik und Romantik      teum“ in Salzburg in katholischer Kirchen-
     F. Mendelssohn Sonate Nr. IV, B-Dur op. 65,4            Rolf Müller, Orgel, ist seit 2001 Domor-      bis zur klassischen Moderne, pflegt Müller      musik und Konzertfach Orgel u. a. bei Prof.
     Bartholdy      Allegro con brio                         ganist und Kantor am Dom zu Altenberg         in besonderer Weise auch die Kunst der          Dr. Heribert Metzger (Orgel), Dr. Wolfgang
     (1809 –1847)   Andante religioso                        (Bergisches Land) und künstlerischer Leiter   Orgelimprovisation, also des musikalischen      Kreuzhuber (Improvisation) sowie Chorlei-
                    Allegretto
                    Allegreto maestoso e Vivace              der Dommusik. Dies umfasst die Leitung der    Stegreifspiels.                                 tung bei Prof. Hans-Joachim Rotzsch und
                                                             geistlichen Mittagsmusiken, des Internati-                                                    Chor- und Orchesterleitung bei Prof. Albert
     R. Müller      Improvisation über ein gegebenes Thema
     (* 1972)                                                onalen Orgelfestivals sowie die Leitung der   Als Dirigent leitete er zahlreiche bedeu-       Anglberger. 1997 B-Examen (Diplom), 1999
     P. Fletcher    Festival Toccata                         katholischen Chöre am Dom (Kammerchor         tende Oratorien und große Werke der             A-Examen (Diplom) und 2000 Diplom im

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     (1879 –1932)                                                                                                                                                                                            13
ORGELSOMMER 2019 INTERNATIONALER - PROGRAMM | JULI - SEPTEMBER - BISTUM MAINZ
Zum Programm | 3. August 2019 – Rolf Müller                                                                                                                                                                   Internationaler Orgelsomm er 2019

     Konzertfach Orgel , alle mit Auszeichnung.    Georg Muffat wirkte als Kapellmeister am         und eine Variationsreihe. Der Einfluss fran-    „galante“ Stilelemente beeinflusst, die sich   entnehmen, dass das Magnificat in der Ves-      Passacaglia bezeichnet. Obgleich man wohl
     Müller erhielt den Würdigungspreis des        Bischöflichen Hof zu Passau und hatte diese      zösischer und italienischer Ensemblemusik       auch in den am heutigen Abend erklingen-       per am Samstag und im Predigtgottes-            nie eindeutig wird klären können, ob es sich
     Bundesministeriums für Wissenschaft der       Stellung bis zu seinem Tod inne. Sein über-      manifestiert sich im spielfreudigen Charak-     den Werken niedergeschlagen haben. Dies        dienst am Sonntagnachmittag gesungen            um ein bewusstes Zitat handelt, ist es be-
     Republik Österreich für herausragende         liefertes Schaffen besteht hauptsächlich aus     ter der Kompositionen und ihrer Neigung zu      sind der Verzicht auf komplexere Polypho-      wurde, wahrscheinlich alternatim, also im       merkenswert, dass die ersten vier Takte des
     künstlerische Leistungen.                     Orchestersuiten und Clavierstücken, die er       gefälliger, kurzgliedriger Melodik. Das von     nie, statt dessen häufig führende Oberstim-    Wechsel von Gemeinde bzw. Chor und Or-          achttaktigen Ostinatothemas aus Johann
                                                   1690 unter dem Titel Apparatus musico or-        Frescobaldi bekannte Formprinzip der Glie-      me und begleitende Unterstimmen, kurze,        gel. Das Werk besteht aus acht Abschnitten,     Sebastian Bachs Passacaglia c-Moll dias-
     Er besuchte Meisterkurse bei Guy Bovet,       ganisticus veröffentlichte. Muffats Kompo-       derung in mehrere differierende Abschnitte      leicht fassliche Motivik und ein langsamer     die durch Fermatenschlüsse getrennt sind,       tematisch, also im Hinblick auf den Tonhö-
     Wolfgang Zerer, Jon Laukvik, Andrea           sitionen sind eine Synthese französischer,       wird in Muffats Toccaten insofern überspitzt,   harmonischer Rhythmus, d. h. innerhalb ei-     so dass sich durchaus, wie bei aus einzelnen    henverlauf, exakt übereinstimmen mit dem
     Marcon, Lorenzo Ghielmi, Michael Belotti,     italienischer und deutscher Stilelemente.        als die einzelnen Teile scharf voneinander      nes Taktes gibt es keine stetigen und ra-      Versetten bestehenden Komposition, eine         „Christe“-Thema aus der Messe du deuzième
     Daniel Roth, Michael Radulescu und Harald     Wie sehr er sich dessen bewusst war, zei-        abgegrenzt und zudem – was ein wichtiges        schen Wechsel der harmonischen Situation.      Alternatim-Aufführung – d. h. der Vortrag al-   ton aus dem Livre d´orgue (1688) von And-
     Vogel.                                        gen einige Sätze aus der Vorrede zum Appa-       Novum darstellt – durch Tempoangaben                                                           terniert zwischen Schola und Orgel – den-       ré Raison. Nach der einstimmigen Präsenta-
                                                   ratus: „Obwohl mir bekannt ist, dass schon       gekennzeichnet sind, womit die Toccaten         Das Magnificat primi toni [d. h. im ersten     ken lässt.                                      tion des Themas folgen 20 Variationen und
     1998-2001 war er Organist an der Wall-        vor ungefähr 70 Jahren, zur Zeit Frescobal-      deutlich in die Nähe der Sonate rücken, die     Ton, also im dorischen Modus] BuxWV 203                                                        schließlich eine umfangreiche fugierte Fas-
     fahrtsbasilika Maria Plain bei Salzburg und   dis, etwas ähnliches gedruckt worden ist,        Muffat durch Corelli kennengelernt haben        von Dieterich Buxtehude ähnelt formal          Der Begriff „Passacaglia“ ist offenbar abzu-    sung. Wiewohl Bach die Passacaglia spätes-
     Leiter der Musik- und Kulturvereinigung       so scheint mir doch die erhebliche Abwei-        dürfte.                                         aufgrund von frei-improvisatorischen und       leiten aus dem spanischen Ausdruck „pa-         tens mit 27 Jahren komponiert haben muss
     Laufen. Müller unterrichtete am Kirchenmu-    chung meines Stils ein neues Werk zu recht-                                                      imitatorischen Abschnitten dem norddeut-       sar una calle“ („durch die Straße gehen“),      – das Werk ist im sog. Andreas-Bach-Buch
     sikreferat der Erzdiözese Salzburg.           fertigen: (…) ein Stil, der aus der Erfahrung,   P. Augustin Büx und P. Isfried Kayser ge-       schen Orgelpräludium. Eine genauere Ana-       woraus man schließen kann, dass die ent-        enthalten, das zwischen 1710 und 1712,
                                                   die ich mir im Umgang mit den vorzüglichs-       hörten dem Praemonstratenser-Orden an,          lyse des Stücks zeigt, dass die Vorlage, der   sprechende, ursprünglich wohl über einem        möglicherweise auch früher, entstanden ist
                                                   ten Organisten Deutschlands, Italiens und        dem hinsichtlich der Musikpflege im Ober-       gregorianische Magnificat-Ton, zumindest       Bassmodell improvisierte Musik im Ge-           – und mit Figuren bzw. Motiven arbeitet,
                                                   Frankreichs erworben habe, hervorgegan-          schwaben des 18. Jahrhunderts eine be-          phasenweise in der Komposition präsent         hen auf der Straße ausgeführt wurde. In die     die er unverkennbar aus Ostinatokomposi-
                                                   gen ist und der bisher noch nicht bekannt        sonders große Bedeutung zukam. Die              ist. Interessant ist die Frage nach dem Auf-   Kunstmusik überführt, werden Variationen        tionen z. B. von Buxtehude oder Pachelbel
                                                   ist.“ Der Apparatus umfasst zwölf Toccaten,      Kompositionen der beiden Patres und ihrer       führungsort. Der Agenda der Lübecker Ma-       über einem ostinaten, also gleich bleiben-      kannte, stellt das Werk einen ersten Höhe-
                                                   eine Chaconne, eine Passacaglia, eine Aria       Zeitgenossen sind unüberhörbar durch sog.       rienkirche, an der Buxtehude wirkte, ist zu    den Bassmodell als Chaconne oder eben als       punkt der Gattungsgeschichte dar, geht es

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ORGELSOMMER 2019 INTERNATIONALER - PROGRAMM | JULI - SEPTEMBER - BISTUM MAINZ
In t e rn at i on a l e r O rg e l s omme r 2019

     doch hinsichtlich Kompositionstechnik, An-     Die Erfahrung der Inhaftierung im KZ Bu-         überliefert ist, ist es dennoch für mich un-    Bewegungsabläufe zum Inhalt haben und
     spruch und Umfang weit über ihre Vorbil-       chenwald und ein katholisch geprägtes            vorstellbar, dass bei so gutem Wein nicht ge-   z. B. „Spinnerliedchen“ überschrieben sind.
     der hinaus. Dass erst wieder Rheinberger       Elternhaus ließen den tschechischen Kom-         tanzt wurde. So beginnt dieser Satz nach        Der Finalsatz ist eine Fuge mit einer akkor-
     (Schlusssatz der 8. Orgelsonate) und Brahms    ponisten Petr Eben zu einem Menschen             kurzer Einleitung mit einer freudigen Einla-    disch gehaltenen Einleitung, die am Schluss
     (Finalsatz der 4. Symphonie) sich für diese    werden, der von tiefer Spiritualität geprägt     dung zum Tanz. Nach einem lebhaften Zwi-        wiederholt wird.
     Form entschieden, die Reger dann endgültig     war, weshalb der überwiegenden Zahl sei-         schenspiel erklingt im Trompetenregister ein
     favorisierte, zeigt einmal mehr, dass Bachs    ner Kompositionen ein religiöser Gehalt eig-     Hochzeitsmarsch. Der Satz endet mit einer       Die Festival Toccata des englischen Kompo-
     Passacaglia ein exemplum classicum der         net. Zu den Vier biblischen Tänzen schrieb der   freudigen Tanztoccata.“                         nisten Percy Fletcher ist nicht zuletzt ob
     Gattung darstellt.                             Komponist: „Nach dem tragisch gestimmten                                                         seiner relativ schlichten Harmonik ein ein-
                                                    und eher introvertierten Zyklus Hiob woll-       Felix Mendelssohn Bartholdys Sonate             gängiges Stück, das sich in drei Abschnitte
     Wie an anderen Orten entfiel auch im Salz-     te ich in meinem nächsten zyklischen Werk        B-Dur op. 65/4 kommt der sonatenüblichen        plus Coda (Anhang) gliedern lässt. Dominie-
     burger Dom im 18. Jahrhundert das Gradua-      etwas mehr Aufgelockertes schreiben. Da          zyklischen Satzordnung nahe, ohne dass die      rende Materialstrukturen der Rahmentei-
     le, der Gesang nach der Lesung. Statt dessen   mich von jeher das rhythmische Moment            Satzgestaltung an herkömmliche Vorbilder        le sind zwischen den Händen alternierende
     erklang Instrumentalmusik, während der         des Orgelspiels inspirierte, wählte ich das in   erinnert. Der erste Satz lässt zwei Themen      Akkordschläge, deren Oberstimmen zu Be-
     Text vom Zelebranten still gebetet wurde.      der Orgelliteratur seltener verwendete Gen-      alternieren: Das erste prägen aus der mit-      ginn zwei Wechselnotenfiguren ausprägen,
     In diesem Kontext sind auch die Kirchenso-     re des Tanzes. Die Orgel als Instrument der      teldeutschen Toccata (Pachelbel) bekannte       sowie Akkordbrechungen, die der mittle-
     naten (auch „Epistelsonaten“ genannt) W. A.    Kirche führte mich dazu, ihren sakralen Cha-     Sechzehntelketten, das zweite eine marsch­      re Abschnitt aufgreift, nachdem ein homo-
     Mozarts zu sehen, einsätzige Werke, denen      rakter bewahren zu wollen, so dass ich die       artige Rhythmik. Das „Andante religioso“        phones, hymnenartiges Thema erklungen
     in der Regel die frühklassische Sonatenform    Tänze biblischen Erzählungen entnahm.“           ist ein Charakterstück, dessen Überschrift      ist. Die Coda ist eine Reminiszenz an diesen
     zugrunde liegt. Die Sonate KV 244 ist in der   „Hochzeit zu Kana“, den Finalsatz des Zyk-       beim Rezipienten gleichsam eine Andachts-       Thementypus. Über nahezu die ganze Klavi-
     Originalfassung für zwei Violinen, Cello und   lus, kommentiert Eben mit folgenden Wor-         stimmung erzeugen soll. Der Perpetuum           atur der Orgel sich erstreckende Akkordbre-
     obligate Orgel geschrieben.                    ten: „Auch wenn in der heiligen Schrift keine    mobile-Charakter des dritten Satzes erin-       chungen beschließen das Werk.
                                                    Erwähnung über einen Tanz an dieser Stelle       nert an Klavierstücke, die ununterbrochene                                        Paul Thissen

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ORGELSOMMER 2019 INTERNATIONALER - PROGRAMM | JULI - SEPTEMBER - BISTUM MAINZ
Samstag, 10. August 2019 | 18.30 Uhr                             Thomas Kientz und Kumi Choi                                                                                      Internationaler Orgelsomm er 2019

     Thomas Kientz, Straßburg (F) und Kumi Choi, Paris (F)
                                                                                                                                                                        Yves Henry, Pierre Pincemaille, Laszlo
     Programm (vierhändig) | Dom St. Martin                                                                                                                             Fassang, Isabelle Duha, Louis-Marie Vigne
                                                                                                                                                                        weiter. Dort absolvierte er einen Master in
     G. F. Händel     Coronation Anthem                                                                                                                                 Orgel, erhielt den Preis für Harmonie und
     (1685 –1759)     (Transkription für vier Hände: John Marsh)                                                                                                        den Preis für Kontrapunkt und studiert zur-
     J. G. Müthel     Fantasie in F-Dur                                                                                                                                 zeit in der Klasse für Orgelimprovisation.
     (1728 –1788)     Kumi Choi                                                                                                                                         Sein Wunsch ist es, verschiedene Epochen
                                                                                                                                                                        des Repertoires zu vertiefen. Deshalb bildet
     J. Brahms        Präludium und Fuge in g-Moll
                                                                                                                                                                        er sich bei verschiedenen Pädagogen, wie
     (1833 –1897)     Thomas Kientz
                                                                                                                                                                        Louis Robilliard, Eric Lebrun, Lorenzo Ghiel-
     G. A. Merkel     Sonate in d-Moll op. 30 für vier Hände                                                                                                            mi und Andrea Marcon fort.
     (1827 –1893)     Allegro moderato – Adagio – Allegro con fuoco
     P. Tschaïkowsky Nussknacker                                                                                                                                        Er fühlt sich stark zu der Interpretation der
     (1840 –1893)    Marsch der Zinnsoldaten                                                                                                                            zeitgenössischen Musik hingezogen, lernt
                     Tanz der Zuckerfee                                                                                                                                 den belgischen Komponisten Benoît Mer-
                     (Transkription für vier Hände: Alexander Därr)                                                                                                     nier kennen und spielt dessen Musik.
     C. Saint-Saëns   Danse macabre                                   Thomas Kientz, geboren 1991, studierte             Preis für Orgelimprovisation in der Klasse
     (1835 –1921)     (Transkription: David Cameron)                  Klavier bei Michel Benhaiem und Orgel bei          von Pierre Pincemaille am Konservatorium       Thomas Kientz zeichnete sich schrittweise
                                                                      Daniel Maurer am Straßburger Konservatori-         von Saint Maur-des-Fossés.                     mit dem „Grand Prix Florentz de l’Académie
     M. Ravel         Pavane pour une infante défunte                 um. Sein Musikstudium setzte er in Paris bei                                                      des Beaux-Arts (2016)“, mit dem Ersten Preis
     (1875 –1937)     (Transkription: A. Seutin)
                                                                      Vincent Warnier an der Orgel und am Kon-           Thomas Kientz führte sein Studium am Pari-     des 8. Internationalen Orgelwettbewerbes
                      Thomas Kientz
                                                                      servatorium von Boulogne-Billancourt am            ser Konservatorium bei Olivier Latry, Michel   in Saint Maurice (Schweiz, 2015), mit dem
     J. Alain         Litanies                                        Klavier fort. Gleichzeitig erhielt er den ersten   Bouvard, Thierry Escaich, Philippe Lefebvre,   „Pierre de Manchicourt“ Preis und dem
     (1911 –1940)     Thomas Kientz
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Zum Programm | 10. August 2019 – Thomas Kientz und Kumi Choi                                                  Internationaler Orgelsomm er 2019

     „Aristide Cavaillé-Coll“ Preis am 5. Internati-   An der Musikhochschule in Seoul bildete        Christoph Bossert, Jon Laukvik und Lorenzo        Georg Friedrich Händels Coronation An-          bestimmten Stil, der zudem, wie im Fall         eher als Stilübungen anzusehen sind; zu ih-
     onalen Orgelwettbewerb in Béthune / Saint-        sie sich weiter mit Ja-Kyung Oh und Hyun-      Ghielmi.                                          thems entstanden als Auftragswerke für die      der Fantasie F-Dur, virtuoses Pedalspiel er-    nen zählen auch Präludium und Fuge g-Moll,
     Omer (2014) aus.                                  Jung Kim, und erhielt 2013 ihren Bachelor                                                        Krönung Georg II. Die am heutigen Abend         fordert. Das Fehlen von Taktstrichen lässt      die erst 1927 erstveröffentlicht wurden.
                                                       Abschluss.                                     Kumi Choi ist auch Preisträgerin von mehre-       erklingende Bearbeitung ist das Zadok the       erkennen, dass Müthel einen weitgehend          Das Präludium zeigt eine toccatenartige
     Der Künstler ist in der internationalen Sze-                                                     ren internationalenen Orgel-Wettbewerben          Priest (HWV 258) beschließende „Amen. Hal-      freien Vortrag erwartet. Wenn in der F-Dur-     Anlage und verweist mit den verschiede-
     ne für seine Karriere als Solist und Klavier-     Sie kam nach Frankreich, um ihr Orgelstudi-    sowie dem Concours Gaston Litaize                 leluja“. Das Zusammengehen von staccato         Fantasie auch eine triolische Bewegung          nen Bewegungstypen auf Modelle Bachs
     begleiter in Frankreich, Deutschland, der         um bei Eric Lebrun am Konservatorium von       (2. Preis 2014), dem Concours J-L Fl. (2. Preis   zu spielenden Akkordblöcken und lebhaften       dominiert, so überraschen um so mehr die        und der sog. Norddeutschen Orgelschule
     Schweiz, Italien, Belgien und in den USA          St Maur weiter zu führen und erhielt 2014      2015 in Angers) und dem berühmten Orgel-          Sechzehntelläufen evoziert ein eindrückli-      zahlreichen Verzierungen, unvermittelt          (Dieterich Buxtehude u. a.); gleichsam „aus
     anerkannt. Hier war er Young Artist in Resi-      das Abschlussdiplom.                           Wettbewerb von St Maurice (1. Preis 2018)         ches akustisches Panorama musikalischer         erklingende extrem rasche Skalen- bzw.          einer anderen Zeit“ sind dagegen die knap-
     dence und als Gastorganist im Münster von                                                        in der Schweiz.                                   Prachtentfaltung.                               Skalenausschnitte oder aber ein kurzzeitiger    pen akkordischen Interpolationen. Nach
     New Orleans (Louisiana) von Oktober 2013          Danach bildete sich Kumi Choi weiter bei                                                                                                         Stimmungswechsel durch den abrupten,            einer lehrbuchgemäßen Exposition (mit
     bis April 2014 tätig.                             Olivier Latry und Michel Bouvard am CNS-                                                         Johann Gottfried Müthel wurde noch              mit einer drastischen Reduzierung der Be-       einem überzähligen Themeneinsatz) der
                                                       MDP (Conservatoire National Supérieur de                                                         1750, nachdem er bereits das Amt des            wegungsenergie verbundenen Wechsel des          Fuge führt Brahms die triolische Teilung der
     Thomas Kientz wirkt in Straßburg als Or-          Musique et de Danse de Paris), wo sie 2016                                                       Kammermusikers und Organisten Herzogs           Tongeschlechts.                                 Viertel ein, die dann ganz unterschiedliche
     ganist an der protestantischen Kirche             als Abschluss den Master für Interpretation                                                      Christian II. von Mecklenburg-Schwerin be-                                                      Konstellationen der für Brahms so typischen
     Saint-Pierre-le-Jeune, in der Straßburger         absolvierte.                                                                                     kleidete, für kurze Zeit Schüler J. S. Bachs.   Zur Orgel konnte Johannes Brahms Zeit           rhythmischen Figur „zwei gegen drei“ zur
     Wilhelmskirche und an der Chororgel des                                                                                                            1751 unterrichtete ihn Bachs Schwieger-         seines Lebens keine wirklich positive Ein-      Folge hat.
     Liebfrauenmünsters zu Straßburg.                  Zur Zeit besucht sie den Kursus für Konzert-                                                     sohn Johann Christoph Altnickol. Von            stellung entwickeln, weshalb Komposi-
                                                       examen an der Hochschule für Musik in Frei-                                                      besonderer Bedeutung dürfte jedoch der          tionen für dieses Instrument in seinem          Gustav Adolf Merkel wirkte kurze Zeit als
     Kumi Choi wurde 1990 in Süd Korea ge-             burg bei Matthias Maierhofer.                                                                    Kontakt mit Bachs Sohn Carl Philipp Em-         Gesamtschaffen eine äußerst marginale Rol-      Kreuzkirchenorganist, ab 1864 dann bis zu
     boren. Ab ihrem 5. Lebensjahr spielte sie                                                                                                          manuel gewesen sein, entwickelte doch           le spielen. Neben den postum erschienenen       seinem Tod als Hofkirchenorganist in Dres-
     Klavier, und ab 16 studierte sie Orgel bei        Durch verschiedene Meisterkurse ergänzt                                                          auch Müthel einen vom Bedürfnis nach            Choralvorspielen – wahre Edelsteine des Re-     den und darf als einer der erfolgreichsten
     Shin-Young Jang in Seoul.                         sie ihre Ausbildung bei Louis Robilliard,                                                        exaltiertem, ja mitunter bizarrem Ausdruck      pertoires – gibt es nur einige Frühwerke, die   Orgelkomponisten seiner Zeit gelten. 1857

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     gewann er mit der Sonate d-Moll op. 30 den          Anspruch heranreifen. Der Nussknacker,              mit zwei alternierenden Themen. Es han-
     Wettbewerb um die Komposition einer vier-           entstanden als Auftragswerk für die Kaiser-         delt sich einerseits um ein im Verlauf der
     händigen Orgelsonate. Jedem der drei Sätze          lichen Theater in Petersburg, wurde 1892            Komposition nur geringfügig variierendes
     ist ein Motto aus einem Psalm vorange-              uraufgeführt. Neben dem „Blumenwalzer“              Thema, das offensichtlich das in der dritten
     stellt: Satz I: Verse aus Ps. 42 („Was betrübst     zählen der „Marsch der Zinnsoldaten“ aus            Gedichtstrophe angesprochene Klappern
     du dich, meine Seele“), Satz II: Verse aus Ps.      dem I. Akt (Erstes Bild) und der „Tanz der          der tanzenden Skelette darstellen soll, an-
     23 („Der Herr ist mein Hirte“), Satz III: Ps. 42,   Zuckerfee“ aus dem III. Akt (Drittes Bild) –        dererseits um ein typisches Walzerthema.
     12 („Harre auf Gott“). Dem ersten Satz liegt        in der Originalfassung äußerst apart mit Ce-        Für beide Themen wird die Melodie des Dies
     eine Sonatenform zugrunde, der zweite Satz          lesta (ein Tasteninstrument mit einem dem           irae relevant, allerdings auf unterschiedliche
     ist auffallend lyrisch angelegt und der dritte      Glockenspiel vergleichbaren, aber weiche-           Weise. Das erste Thema beinhaltet bereits
     Satz beginnt mit einer kurzen akkordischen          ren Klang) orchestriert – zu den berühmtes-         die vier Anfangstöne der Toten-Sequenz,
     Einleitung, der eine Fuge folgt. In den weni-       ten Nummern des Balletts.                           das zweite Thema nimmt im Verlauf der
     gen abschließenden rezitativischen Takten                                                               Komposition die melodische Gestalt der ers-
     klingt – ob beabsichtigt, sei dahingestellt –       Programmatische Grundlage der Sympho-               ten beiden Sequenz-Zeilen an. Den parodie-
     Mendelssohns Vertonung von Ps 42 an.                nischen Dichtung Danse macabre von Ca-              renden Charakter des Gedichts realisiert die
                                                         mille Saint-Saëns ist das Gedicht Égalité,          Musik auf der Basis der Unvereinbarkeit des
     Peter Tschaikowskys Schwanensee, Nuss-              Fraternité Henri Cazalis’. Der Titel ist insofern   als tänzerisch empfundenen Rhythmus der
     knacker und Dornröschen – sie zählen zu             ironisierend, als er die zentrale Botschaft         thematischen Gestalten und des durch das
     den Klassikern des internationalen Tanz-            des mittelalterlichen Totentanzes, nämlich          Melodie-Zitat präsenten Gehalts des liturgi-
     theaters – können für die Geschichte der            die vom jeweiligen Stand unabhängige                schen Textes.
     Ballettmusik gar nicht hoch genug einge-            Gleichheit der Menschen im Tod, in teilwei-
     schätzt werden, ließen sie das Ballett doch         se das Motto der Französischen Revolution           Die Pavane pour une Infante défunte („Pava-
     zu einer Gattung mit symphonischem                  zitierende Worte fasst. Saint-Saëns arbeitet        ne für eine verstorbene Infantin“) hat ganz

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     wesentlich zu Maurice Ravels Ruhm beige-        raffinierte, impressionistische Harmonik, die   Abkehr von überkommenen rhythmischen            den Bann. Bernard Gavoty überliefert eine
     tragen. „Infantin“ ist bekanntlich der Titel    sich partiell dem Geist der sog. Kirchenton-    Prozeduren rückt Alain in die Nähe Olivi-       Aussage Alains zum Spiel dieses Werks: „Ein
     der spanischen und portugiesischen Prin-        arten nähert, woraus ein äußerst aparter        er Messiaens und André Jolivets. Litani-        Gebet ist keine Klage, sondern ein Torna-
     zessinnen. Nicht klar ist, ob der Terminus      Charakter resultiert.                           es entstand 1937 und sollte ursprünglich        do, der alles, was sich ihm in den Weg stellt,
     „Pavane“, der einen in Spanien verbreiteten,                                                    „Supplications“ („Flehende Bitten“) heißen.     hinwegfegt: eine Art von Besessenheit, die
     langsamen und feierlichen Hoftanz bezeich-      Jehan Alain, im Zweiten Weltkrieg, kurz         Als er kurz nach der Vollendung der Kom-        die Ohren des Menschen und auch Gottes
     net, „Pfauentanz“ meint oder aus dem Städ-      nach seiner Einberufung, gefallen, studier-     position die Nachricht vom tödlichen Un-        Ohren erfüllen muss. Wenn man am Ende
     tenamen „Padua“ abgeleitet ist. Ravel selbst    te Orgel bei Marcel Dupré und Komposition       fall seiner Schwester Marie-Odile erhalten      nicht völlig erschöpft ist, hat man das Stück
     beschrieb das Stück als „eine Erinnerung        bei Paul Dukas. Alains Musik löst sich zwar     hatte, benannte Alain das Werk in Litanies      weder richtig verstanden, noch so gespielt,
     an eine Pavane, die eine kleine Prinzessin      weitgehend von tradierten tonalen Struktu-      um und fügte den folgenden programmati-         wie ich es mir vorstelle.“
     in alter Zeit am spanischen Hof getanzt         ren, vermeidet aber eine Häufung von har-       schen Text hinzu: „Wenn die christliche Seele                                     Paul Thissen
     haben könnte“; sie sei „keine Trauerklage       ten Dissonanzen, ohne dabei, wie man es         in ihrer Verzweiflung keine neuen Worte
     für ein totes Kind, sondern eine Vorstellung    von nicht wenigen seiner Orgel spielenden       mehr findet, um das Erbarmen Gottes zu
     von einer Pavane, wie sie vielleicht von so     und als Komponisten eher dilettierenden         erflehen, wiederholt sie voll ungestümen
     einer kleinen Prinzessin in einem Gemälde       Zeitgenossen (und auch später Geborenen)        Glaubens ohne Ende das gleiche Bittgebet.
     von Velázquez getanzt wurde“. Der Titel ist     kennt, einen eher gefällig-eklektischen,        Die Vernunft erreicht ihre Grenze. Alleine
     später vom Komponisten insofern baga-           als besonders „sakral“ – was auch immer         setzt der Glaube seinen Aufstieg fort.“ Das
     tellisiert worden, als er meinte, ihm sei nur   das sei – empfundenen Stil zu pflegen, der      rhythmisch Unregelmäßige des zunächst
     der Gleichklang von „infante“ und „défunte“     zuvorderst durch die Amalgamierung von          einstimmig erklingenden Themas und seine
     wichtig gewesen. Ravel, der seine Kom-          kirchentonalen Strukturen und impressio-        nahezu fanatisch insistierende, in immer
     position nicht sonderlich schätzte, über-       nistischer Harmonik charakterisiert und im      neue Kontexte eingebundene Wiederho-
     nimmt das gemäßigte Zeitmaß des Tanzes          Hinblick auf die Gestaltung des Parame-         lung, die schlussendlich in einen Aufschrei
     und bettet die eingängige Melodie in eine       ters „Rhythmus“ völlig traditionell ist; die    mündet, schlagen den Hörer unmittelbar in

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Samstag, 17. August 2019 | 18.30 Uhr                       Thomas Lennartz                                                                                             Internationaler Orgelsomm er 2019

     Prof. Thomas Lennartz, Dresden/Leipzig
                                                                                                              Lehramt an Gymnasien ab. Wichtige Lehrer        an der Musikhochschule in Mannheim wur-
     Programm | Dom St. Martin                                                                                waren Ullrich Bremsteller, Arvid Gast, Thier-   de Lennartz 2008 zum Domorganisten an
                                                                                                              ry Escaich und Loïc Mallié, Meisterkurse bei    der Kathedrale Ss. Trinitatis (ehem. Hofkir-
     J. Weaver         Toccata                                                                                Wolfgang Seifen, Daniel Roth, Olivier Latry,    che) in Dresden ernannt, 2009 übernahm er
     (* 1935)                                                                                                 Ton Koopman, Ewald Kooiman u. a. ergänz-        einen Lehrauftrag an der Dresdner Hoch-
                                                                                                              ten seine Ausbildung.                           schule für Kirchenmusik. Seit 2014 ist Len-
     E. Elgar          Chanson de nuit (Nachtlied)                                                                                                            nartz Professor für Orgelimprovisation und
     (1857–1934)       Chanson de matin (Morgenlied)                                                          Lennartz war Stipendiat der Konrad-             Liturgisches Orgelspiel an der Hochschule
     R. M. Helmschrott Dans la lumière                                                                        Adenauer-Stiftung und konnte sich bei           für Musik und Theater „Felix Mendelssohn
     (* 1938)                                                                                                 mehreren Wettbewerben auszeichnen, so           Bartholdy“ in Leipzig und dort auch Direktor
                                                                                                              beim Wettbewerb des Fugato-Festivals            des Kirchenmusikalischen Instituts.
     A. Guilmant       Sonate Nr. 2 D-Dur                                                                     Bad Homburg, wo ihm der 1. Preis und der
     (1837–1911)       Allegro moderato – Larghetto                                                           Publikumspreis zuerkannt wurden, beim           Thomas Lennartz geht einer ausgedehn-
                       – Allegro vivace                                                                       Hermann-Schröder-Wettbewerb, beim               ten Konzerttätigkeit nach, die ihn bislang an
                                                                                                              Wettbewerb für Orgelimprovisation im            viele bedeutende Instrumente in Deutsch-
     P. Cochereau      Berceuse à la memoire de Louis Vierne
                                                                                                              Gottesdienst und bei den internationalen        land, mehreren Ländern Europas, in die USA
     (1924 –1984)      (Transkription: Frédéric Blanc)
                                                                Thomas Lennartz studierte Orgel, Kirchen-     Wettbewerben für Orgelimprovisation in          und nach Japan führte.
     T. Lennartz       Improvisation „Zur Sommerzeit“           musik, Schulmusik und Germanistik in Han-     Schwäbisch Gmünd, Saarbrücken Orgues
     (* 1971)          Allegro – Andante cantabile – Toccata    nover, Köln und Leipzig sowie Orgelimpro-     sans frontières und St. Albans / England.
                       über die Lieder                          visation in Paris und schloss seine Studien
                       „Wem Gott will rechte Gunst erweisen“    „mit Auszeichnung“ mit der Kirchenmusik-      Nach einer fünfjährigen Tätigkeit als Regi-
                        „Kein schöner Land in dieser Zeit“      A-Prüfung, dem Konzertexamen im Fach          onalkantor an der Basilika St. Martin in Bin-
                        „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“   Orgel und dem 1. Staatsexamen für das         gen und als Lehrbeauftragter im Fach Orgel

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Zum Programm | 17. August 2019 – Thomas Lennartz                                                                                                                                                                                                                   Internationaler Orgelsomm er 2019

     Der Amerikaner John Weaver lehrte Orgel           als äußerst konservativ angesehen wer-            Kompositionsauftrags […]. Mit Beginn der        transponierbar sind; eine vierte Transposi-     einem zentralen Element der musikalischen       Rekurs auf das Orgelwerk Johann Sebastian
     u. a. an der berühmten Juilliard School in        den muss, ändert nichts an der Wertschät-         Arbeit ergaben sich aber Erfahrungen und        tion ergäbe das Ausgangsmaterial) Olivier       Sprache Messiaens völlig plausibel.             Bachs. Guilmant erinnerte sich an Lemmens‘
     New York. Motivischer Kern der perpetuum          zung, die Elgar aufgrund seines musikali-         eine Erleben besonderer Art, die als das ‚Äu-   Messiaens verpflichtet ist. Den ersten Ab-                                                      Pedalspiel, das, wie er formulierte, „elegant,
     mobile-artigen Toccata Weavers ist ein ab-        schen Einfalls- und Empfindungsreichtum           ßerste´ zusammengefaßt werden können:           schnitt prägen kurze, fragmentartige Motive     Alexandre Guilmant war Schüler des Bel-         geräuschlos und von einem sauberen Le-
     und aufsteigender Quartgang, aus dessen           genießt. Sowohl Chanson de Nuit als auch          das Leiden und Sterben eines nahen Men-         (Messiaen würde sagen „comme un oiseau“         giers Jacques-Nicolas Lemmens, dessen           gato geprägt war“. 1871 wurde Guilmant
     Begleitstruktur (kreisende Terzklänge und         Chanson de Matin wurden ursprünglich für          schen … Wenn der Sinn des Lebens nicht          [wie ein Vogelruf ] und Arabesken; interpo-     Bedeutung für die Erneuerung des Orgel-         Titularorganist an der Trinité-Kirche in Paris.
     parallel geführte Akkorde) der Komponist          Violine und Klavier komponiert und von El-        der Tod ist, sondern eine andere Wirklich-      liert sind Akkordschläge sowie harmonisier-     spiels in Frankreich gar nicht hoch genug       1894 gründetet er zusammen mit Charles
     eine achttaktige Einleitung gewinnt. Die im       gar selbst orchestriert. Wie die Werktitel ver-   keit, dann kann sich diese andere Wirklich-     te Skalengänge. Der zweite Abschnitt ist        eingeschätzt werden kann. Die Wirren der        Bordes die berühmte Schola cantorum, die,
     weiteren Verlauf erklingenden Dreiklangs-         muten lassen, handelt es sich um liedarti-        keit nach unserem abendländisch gebil-          eine Toccata à la française, deren Anfang die   Revolution bedeuteten für die Kirchenmu-        im Gegensatz zum Conservatoire, sich in be-
     brechungen können als Spreizung der stu-          ge Kompositionen, um Kompositionen also           deten und erzogenem Bewusstsein nur             Kurzgliedrigkeit des ersten Abschnitts auf-     sik im Allgemeinen und die Orgelmusik im        sonderer Weise der Vermittlung des Grego-
     fenweise verlaufenden Quartmotivik ver-           mit führender und kantabler Oberstimme.           im ‚Empyreum´ fortsetzen, im ‚Licht´ im         greift, alternierend zwischen Manual und        Besonderen einen gravierenden Einschnitt:       rianischen Chorals und der Polyphonie der
     standen werden, aus der schließlich auch          Der Mittelteil ist in beiden „Chansons“ durch     ‚Ort Gottes´. In diesem Sinnen entstand         Pedal. Der weitere Verlauf ist dann im We-      Die radikale Einschränkung der finanziel-       franko-flämischen Schule widmen sollte. Als
     ein ruhiger verlaufender Mittelteil (zwei-        eine reichere harmonische Entwicklung cha-        ‚Im Licht´ in einer Vielfalt von Beziehun-      sentlichen – unterbrochen durch ein kurzes      len Spielräume der Kirche hatte zur Folge,      Komponist steht Guilmant in der Tradition
     stimmiger Rahmensatz mit Dreiklangsbre-           rakterisiert.                                     gen und wird damit zu einer allegorischen       meditatives Innehalten – durch auf- und         dass es keine Organisten mehr gab und die       der deutschen Klassik und Romantik. Wäh-
     chungen als Mittelstimme) abgeleitet ist.                                                           Phantasie“. Die zweiteilige Komposition         abwärts sich bewegende Akkordstrukturen         Orgel von Pianisten traktiert wurde, die, des   rend Widor seine großen Orgelwerke als
                                                       Robert M. Helmschrott lehrte an der Mün-          ist gleichsam ein großes Stilzitat, insofern    geprägt. Die aus der Modalität resultieren-     Orgelspiels völlig unkundig, mit Vorliebe die   „Symphonie“ bezeichnete, behielt Guilmant
     Edward Elgar gilt als der erste herausragen-      chener Musikhochschule, deren Präsident           es vor allem im Hinblick auf den Parame-        de Farbigkeit der Harmonik würde Messia-        Bearbeitungen von profaner Musik spiel-         diesen Gattungsbegriff den Werken für Or-
     de in England wirkende Komponist seit Ge-         er von 1995 bis 2003 war, Musiktheorie            ter Harmonik ganz den sog. „Modi mit be-        en als „Kirchenfensterwirkung“ bezeichnen       ten. Lemmens konnte, neben der sympho-          gel und Orchester vor (es sind dies die ent-
     org Friedrich Händel. Dass sein stilistisch als   und kirchliche Komposition. Im Vorwort            grenzter Transpositionsmöglichkeit“ (aus        und mit den Farben des in Edelsteinen sich      nischen Ästhetik des jungen Orgelbauers         sprechend bearbeiteten Orgelsonaten 1
     spätromantisch zu verstehendes Werk auf-          zu Dans la lumière („Im Licht“) – 1993 als        gleich gebauten Intervallgruppen beste-         brechenden Lichts beschreiben. Auf die-         Aristide Cavaillé-Coll, einen ganz wesentli-    und 8), die zyklischen Kompositionen für
     grund der radikalen Neuerungen, die in den        Auftragskomposition für die Stadt Ingol-          hende „Tonarten“; der 2. Modus z. B. be-        sem Hintergrund ist der Versuch der mu-         chen Beitrag zur Wiederbelebung des Or-         Orgel solo überschrieb er – wie sein Zeitge-
     ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhun-        stadt entstanden – schreibt der Autor,            steht aus 4 Gruppen zu 3 Tönen, jeweils mit     sikalischen Umsetzung der „allegorischen        gelspieles im eigentlichen Sinne in Frank-      nosse Rheinberger – mit „Sonate“. Nahe-
     derts sich in der Musik etablieren konnten,       das Werk sei „zunächst das Ergebnis eines         der Folge Halbton – Ganzton, die dreimal        Phantasie“, von der Helmschrott spricht, mit    reich leisten, nicht zuletzt auch durch den     zu allen Eröffnungs- und Schlusssätze von

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Internationaler Orgelsomm er 2019

     Guilmants Orgelsonaten liegt die Sonaten-       Berceuse („Wiegenlied“) ist seinem Vorvor-
     hauptsatzform zugrunde. Dies gilt auch für      gänger Louis Vierne gewidmet. Einleiten-
     die Sonate Nr. 2 D-Dur op. 50. Das Haupt-       den Takten mit kurzen Impulsen im Pedal
     thema des ersten Satzes erklingt in einem       und Klangflächen im Manual folgt eine ver-
     triosonatenartigen Satz. Das als melodiefüh-    träumte Melodie, die zunächst von der rech-
     rende Oberstimme präsentierte Seitenthe-        ten Hand gespielt wird, sodann, nach einer
     ma ist aus dem Hauptthema ableitbar. Dem        kurzen Steigerungsphase, der linken Hand
     kurzen zweiten Satz liegt die A-B-A–Form        zugewiesen ist und schließlich im Pedal er-
     zugrunde. Der Finalsatz verbindet Sonaten-      klingt, als Dialogpartner einer zweiten her-
     satz und Fugato. Dem menuettartigen ers-        ausgehobenen Stimme in der rechten Hand.
     ten Thema folgen ein fugiertes Thema sowie                                        Paul Thissen
     als dritter Gedanke ein rein akkordisch-ho-
     mophoner Abschnitt. Die Durchführung
     basiert auf allen drei Elementen. Erstes und
     drittes Thema konstituieren die triumpha-
     le Coda.

     Pierre Cochereau, Schüler Marcel Duprés
     und Maurice Duruflés, wirkte als Titularorga-
     nist an der Kathedrale Notre Dame in Paris.
     Legendär waren seine Improvisationen, von
     denen mehrere anhand von Tonbandmit-
     schnitten postum aufgezeichnet wurden.

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Samstag, 24. August 2019 | 18.30 Uhr                     Christian Schmitt                                                                                                 Internationaler Orgelsomm er 2019

     Christian Schmitt, Stuttgart
                                                                                                                Yang, Sir Simon Rattle, Cornelius Meister,        Seine Diskographie umfasst über 35 solisti-
     Programm | Dom St. Martin                                                                                  Manfred Honeck, Reinhard Goebel, Sir Roger        sche CD-Aufnahmen, darunter das Album
                                                                                                                Norrington oder Marek Janowski zusammen.          „Prayer“ mit Magdalena Kožená (Deutsche
                                                                                                                Im April 2017 spielte Christian Schmitt die Ur-   Grammophon), sowie Mitschnitte für sämtli-
     R. Schumann    Fuge über BACH op. 60,1
                                                                                                                aufführung des Orgelkonzerts von Toshio Ho-       che Rundfunkanstalten der ARD. Für das
     (1818 –1856)
                                                                                                                kosawa in der Kölner Philharmonie, gemein-        Label cpo arbeitet er an Gesamteinspielun-
     J. S. Bach     „An Wasserflüssen Babylon“ BWV 653a                                                         sam mit den Bamberger Symphonikern und            gen von Koechlin, Widor, Gubaidulina und
     (1685 –1750)   Toccata und Fuge F-Dur BWV 540                                                              ihrem neuen Chefdirigenten Jakub Hrůša. Bei       Pachelbel.
                                                                                                                diesem Orchester wirkt Schmitt seit Septem-
     A. Pärt        Annum per annum                                                                             ber 2014 als Principal Organist und kuratiert     Christian Schmitt studierte Kirchenmusik und
     (* 1935)                                                                                                   in dieser Funktion auch die dortige Orgelrei-     Konzertreife an der Musikhochschule Saar-
                                                                                                                he. In der Saison 2016/17 musizierte der Or-      brücken sowie Orgel bei James David Christie
                                                                                                                ganist außerdem erstmals mit Kent Nagano          (Boston) und Daniel Roth (Paris). Außerdem
     J. S. Bach     „Schmücke dich o liebe Seele“ BWV 654 a
                                                                                                                in der Hamburger Elbphilharmonie, im Mai-         studierte er an der Universität des Saarlan-
                                                              ECHO-Preisträger Christian Schmitt ist einer      son Symphonique Montréal sowie im Leipzi-         des Musikwissenschaft und Kath. Theologie.
     J. Langlais    „Alleluia“ aus Pedaletüden (1984)         der virtuosesten und charismatischsten Kon-       ger Gewandhaus unter Kristjan Järvi. Christi-     Der Organist errang Preise bei mehr als zehn
     (1907 –1991)                                             zertorganisten seiner Generation und als So-      an Schmitt ist auch als Pädagoge sehr aktiv,      nationalen und internationalen Orgel- und
                                                              list sowie als Begleiter international gefragt.   so an der Musikhochschule Stuttgart (Vertre-      Musikwettbewerben, u. a. in Brügge und
     C. M. Widor    Sinfonie Nr. 4 op. 13                     Der 1976 geborene Musiker konzertiert welt-       tungsprofessur im Lehrauftrag, Klasse Prof.       Tokio sowie 2001 beim Deutschen Musik-
     (1844 –1937)   Toccata                                   weit mit führenden Rundfunkorchestern und         Essl), der Hochschule für Musik Saar und an       wettbewerb. Schmitts Aufnahme der Widor-
                    Adagio                                    weiteren renommierten Klangkörpern. Dabei         Musikhochschulen in Boston, Cremona, Oslo,        Orgel­sinfonien opp. 42,3 und 69 erhielt den
                    Finale                                    arbeitet er mit Künstlern wie Juliane Banse,      Mexiko, Moskau, Seoul, Taschkent und Bogo-        ECHO Klassik 2013.
                                                              Sibylla Rubens, Martin Grubinger, Wen-Sinn        tá. Er gehört außerdem mehreren Jurys an.

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Zum Programm | 24. August 2019 – Christian Schmitt                                                                                                                                                                                                             Internationaler Orgelsomm er 2019

     Mit Bachs Fugen hat Robert Schumann –            angetünchten Effecten durchaus feindlicher     überzeitlicher Gültigkeit geführt (Arnfried     alterniert sowie die italienische Konzert-      Orchester aus dem Jahr 1968 – eine Collage-     anlässlich des 900jährigen Bestehens des
     wie zahlreiche andere Komponisten auch –         Componist mußte zu dem, seinem innern          Edler hat hier so treffend von der „Trans-      form. Das Ausnutzen des ganzen zur Verfü-       Komposition, in der sich avantgardistische      Doms zu Speyer. Zu diesem Zeitpunkt hat-
     sich zeitlebens beschäftigt; sie waren, wie er   Wesen so nah verwandten Instrumente hin-       zendierung der Gattung zur reinen Idee“         gung stehenden harmonischen Raums, des          und alte Musik (in Gestalt von Bachs be-        te der o. g. Stil sich für Pärt noch nicht ver-
     bezeugt, sein „täglich Brod“, und er konn-       gezogen werden und in ihm das für den          gesprochen). An Wasserflüssen Babylon à 2       Quintenzirkels – Bach erreicht im Verlauf der   rühmtem C-Dur-Präludium aus dem Ersten          festigt; er rekurrierte deshalb eher auf die
     te in ihnen „Charakterstücke höchster Art“       Ausdruck seiner Gedanken geeignetste fin-      claviers et pédale BWV 653 lässt die einzel-    Toccata die Tonart Ges-Dur –, ist unabding-     Teil des Wohltemperierten Klaviers) schroff     mittelalterliche Musik (Organum und Ars
     erblicken, „zum Teil wahrhaft poetische Ge-      den.“ Fuge I, von dichter kontrapunktischer    nen Choralzeilen in kolorierter Form in der     bare Voraussetzung für die umfangreiche         gegenüberstehen – sollte für ca. 8 Jahre        antiqua-Motette). Die Komposition besteht
     bilde, deren jedes seinen eigenen Ausdruck,      Arbeit bestimmt, die an den style antico er-   linken Hand, also im Tenor, erklingen. Die      Form, zugleich aber auch ein unüberhörba-       sein letztes Werk bleiben. Pärt sah sich aus    aus fünf Abschnitten, die K, G, C, S, A über-
     seine besonderen Lichter und Schatten ver-       innert, steigert sich im Tempo und mündet      beiden begleitenden Oberstimmen erwei-          res Plädoyer für die gleichstufige Temperie-    vielfältigen Gründen einer massiven Schaf-      schrieben sind. Diese Buchstaben sind Kür-
     langt.“                                          in einen akkordischen Satz mit dem Thema       sen sich – wie es häufiger in Bachs späteren    rung, ermöglicht doch erst sie auf der Orgel    fenskrise ausgesetzt, drohte vollständig zu     zel der fünf Teile des Ordinariums (Kyrie,
                                                      im Pedal.                                      Choralbearbeitungen zu beobachten ist –         den Rückgriff auf alle zur Verfügung stehen-    verstummen und beschäftigte sich mit mit-       Gloria, Credo, Sanctus, Agnus Dei), die die
     Die sechs B-A-C-H-Fugen op. 60 entstanden                                                       als aus den beiden ersten Melodiezeilen ab-     den Tonarten. Die Fuge – eine Doppelfuge,       telalterlicher Musik (Gregorianik und Orga-     Hl. Messe repräsentieren, die im Dom „Jahr
     1845 und sind, wiewohl jede für sich allein      Mit den Leipziger Chorälen BWV 651–667 –       geleitet.                                       die beide Themen sukzessive exponiert und       num). Mit Für Alina (1976) kreierte Pärt dann   für Jahr“ täglich gefeiert wird. Gleich Exor-
     steht, durchaus als Variationen aufzufas-        der Titel stammt nicht von Johann Sebas-                                                       anschließend kombiniert – kontrastiert auf-     aber einen grundlegend neuen Personalstil,      dium und Conclusio in der Gattung „Passi-
     sen insofern jede Fuge aus dem Motiv ein         tian Bach; die Werke entstanden in Weimar      Die Toccata F-Dur J. S. Bachs ist eines der     fällig zur dramatisch-virtuosen Anlage der      der als „Tintinnabuli“-Stil [von „tintinnabu-   on“ umrahmen eine kurze Einleitung (im-
     neues Thema – mit drei bis vier themati-         und wurden in Leipzig nur überarbeitet –       vielen Beispiele in Bachs Werk, die auf über-   Toccata. Möglicherweise sind beide Teile zu     lum“ = Glöcklein; an und für sich müsste es     mer leiser werdend) und eine Coda (immer
     schen Varianten – gewinnt, das ein neu-          hat Bach in gleicher Weise wie mit den gro-    aus faszinierende Weise dessen Fähigkeit        unterschiedlichen Zeiten entstanden.            deshalb „tintinnabula“ heißen] bezeichnet       lauter werdend) die fünf Abschnitte. Diese
     es Stimmungsbild generiert. In einer der         ßen Choralbearbeitungen der Clavierübung       dokumentieren, aus dem Zusammenfüh-                                                             wird; sein Grundprinzip ist schnell erklärt:    Rahmenteile wiederholen beständig mit
     frühesten Rezensionen der B-A-C-H-Fugen          III die Gattung „Choralbearbeitung“ zu ei-     ren verschiedener Gattungstraditionen et-       Der estnische und heute in Berlin lebende       es gibt einen zweistimmigen Zentralsatz,        der Folge „kurz – lang“ einen Quint-Oktav-
     schrieb der Magdeburger Domorganist Au-          ner Zeit, als sie vor allem im von pietisti-   was Neues zu gewinnen: Hier sind es die         Komponist Arvo Pärt darf zu den bekann-         innerhalb dessen sich eine Stimme stufen-       Klang (vgl. „Organum“). Die Ordinariumstei-
     gust Gottfried Ritter: „Wer Robert Schumann      schem Denken geprägten Gottesdienst            Orgelpunkt-Toccata des 17. Jahrhunderts,        testen Protagonisten der zeitgenössischen       weise bewegt, die andere in Dreiklangsbre-      le – jeweils aus zwei Sektionen bestehend
     kennt, wird sich durch eine solche Wendung       zur bloßen Gebrauchsmusik herabgesun-          die sich mit Kanonstrukturen verbindet,         Musik gezählt werden. Er begann als Avant-      chungen (dies ist die „Tintinnabuli“-Stim-      – sind Variationen einer der rechten Hand
     nicht überrascht finden. Ein so tief-sinnen-     ken war, losgelöst von allen gottesdienstli-   mit virtuosen, der norddeutschen Orgel-         gardist mit seriell konzipierten Stücken.       me). Annum per annum entstand 1980 als          zugewiesenen Struktur (vgl. „Motette“), wo-
     der und tief-fühlender, allen von außen her      chen Funktionen, zu einer letzten Blüte von    musiktradition entstammenden Pedalsoli          Credo für Klavier, gemischten Chor und          Auftragskomposition des Südwestfunks            bei die zweite Sektion das einmal gewählte

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