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Visit Nr. 1 Frühling 2020 Magazin von Pro Senectute Kanton Zürich www.pszh.ch Faires Zusammenspiel Vom Geben und Nehmen zwischen Jung und Alt. Und warum unser Generationenvertrag allen dient.
Pro Senectute Kanton Zürich «Da sind wir uns einig.» Rotkreuz-Notruf Kontak ti eren Meine Mutter will ihre Unabhängigkeit, ich ihre Sie uns unverbin Sicherheit. Die Lösung: Der Rotkreuz-Notruf. Im dlich: 058 451 Notfall wird schnell geholfen. Ich bin beruhigt – h o m e 24 51 70 @p szh.c h und sie kann weiterhin zuhause wohnen. Home Informationen unter Telefon 044 388 25 35 Begleitung und Betreuung Fürsorgliche 24-Stunden-Betreuung und kompetente Pflege zu Hause. pszh.ch/home24 Sonnmatt tut gut. Gesund werden, gesund bleiben, gelassen altern. Sie erreichen uns telefonisch unter 041 375 32 32 www.sonnmatt.ch Inserat-Visit-2020-188x122-01.indd 1 20.01.20 11:34
INHALT Liebe Leserin, lieber Leser Wie solidarisch sind junge Menschen mit älteren Menschen – und umgekehrt? Wer den politischen und gesellschaftlichen Diskurs mit- verfolgt, sieht sich mit diversen, teilweise wider- sprüchlichen Meinungen konfrontiert. Glaubt man einigen Aussagen, dann sieht es angeblich schlecht aus: «Die Jungen zahlen, die Alten profitieren» – so lautet das Fazit aus manchen neueren Debatten zu Reformen der AHV und der Pensionskassen. Auf dem Prüfstand steht namentlich der «Generationenvertrag». Er ist kein Vertrag im juristischen Sinn, sondern eine wichtige sozial- politische Grundhaltung: Die jeweils jüngere, 4 noch erwerbstätige Bevölkerung ermöglicht Der «Generationenvertrag» wird gerade einem ernsthaften Belastungstest massgeblich die AHV-Renten der älteren Gene- unterzogen. Von ihm profitieren die jüngeren und die älteren Menschen. ration. Über die AHV-Kasse werden also Gelder von der jüngeren an die ältere Bevölkerung weitergegeben – eine langfristige, solidarische und wichtige Wechselwirkung unter den Generationen. Doch es wäre unvollständig, die Solidarität und die Qualität des Zusammenlebens zwischen Jung und Alt nur am Geben und Nehmen in der Altersvorsorge bemessen zu wollen. Füreinander da sein, füreinander eintreten – das gilt weit 26 38 über die AHV hinaus. So ermöglichen ältere Suzanne Vogt liegt das Generatio- Die Wandergruppe Maur hat in Menschen über ihre Steuern, Zuwendungen und nen verbindende Projekt «Wohnen Dürnten das Klang-Maschinen durch grosses persönliches Engagement eine für Hilfe» am Herzen. Museum besucht. Vielzahl von Dienstleistungen, von denen primär ihre Nachkommen profitieren. Darüber hinaus leisten sie Unterstützungs- und Betreuungsauf- LEBENSRAUM LEBENSLUST gaben zum Nutzen jüngerer Menschen und ihrer Kinder. Und umgekehrt spielt die Solidarität 4 Ein Geben und ein Nehmen 28 Auf der Suche nach der Wahr- genauso: Die jüngeren Generationen erbringen 10 «Solidarität ist keine Einbahn- heit: Die Ausstellung «Fake» in eine riesige Leistung in der Unterstützung und strasse»: Verena Diener und Lenzburg Betreuung älterer Menschen. Andri Silberschmidt im 35 Neulich im Zugsabteil «Solidarität ist keine Einbahnstrasse», sagt die Gespräch 36 Leseraktionen 14 Mehrere Generationen 38 Mit der Wandergruppe Maur Foto Titelseite : Daniel Rihs ; Seite 3 : Daniel Rihs / Christian Roth /Renate Wernli ehemalige Zürcher Regierungsrätin Verena erweitern den Horizont im Klang-Maschinen-Museum Diener (70) im Visit-Gespräch auf Seite 10. Oder in Dürnten wie es die Studentin Selina Scheidt (20) auf 42 Rätsel Seite 9 ausdrückt: «Man gibt zurück, was man LEBENSART 44 Marktplatz erhalten hat. Diese Haltung sollte sich auch bei 18 Elsi Kranz: Die Seniorin blickt 45 Impressum uns wieder verstärken.» Treffender kann man es auf ein bewegtes Leben zurück 46 Goldene Zeiten: eigentlich nicht sagen. 23 Tipps zum Thema Ein Glück für die AHV 24 Dienstleistung: Was die Vor- züge der Büroassistenz sind 26 Ein Tag im Leben von Suzanne BEILAGE AKTIV Vogt, Freiwillige bei Agenda mit Veranstaltungen Pro Senectute Kanton Zürich und Kursen von Pro Senectute Kanton Zürich Franjo Ambroz Vorsitzender der Geschäftsleitung Auf dem Titelbild: Selina Scheidt und Helene Stähli-Küpfer (Seite 9) Visit Frühling 2020 3
LEBENSRAUM Ein Geben und Nehmen Weil wir immer älter werden und die Geburtenziffer tief ist, stösst das Rentensystem an seine Grenzen. Der «Generationenvertrag» wird gerade einem ernsthaften Belastungstest unterzogen. Von ihm profitieren jedoch sowohl die älteren als auch die jüngeren Menschen. Es ist ein Geben und Nehmen. Text: Robert Bösiger Umfrage: Nina Fargahi Visit hat in der «OK Boomer». Dieser Ausspruch einer jungen, gegenüberstehen. Einiges deutet darauf hin, dass ersten Januarwoche grünen, neuseeländischen Parlamentsabgeordne- sich die Fronten zwischen den Millennials und in Zürich eine kleine ten ging innert Stunden viral um die ganze Welt. den Babyboomern tatsächlich verhärten könnten: Umfrage bei Die Phrase wurde quasi zu einer sarkastischen Die Jungen, die gegen die Erderwärmung demon- Studierenden und Waffe der Millennials, jener Generation also, die strieren, werfen den Alten Ignoranz und Taten- bei Senioren zum zwischen 1980 und den späten 1990er-Jahren zur losigkeit vor. Während ihnen diese vorwerfen, sie Generationenver- Welt gekommen ist. Mit «Boomer» ist die Genera- seien klimahysterisch und scheinheilig, sollten trag gemacht. Die tion der Babyboomer gemeint, also jene Men- erstmal richtig anpacken und etwas erreichen. Zitate auf den schen, die heute 55 bis 75 Jahre alt sind. Seiten 5 und 6 So hat es dieser Ausdruck sogar geschafft, bei Düstere Aussichten? stammen aus dieser der Schweizer Auszeichnung «Wort des Jahres Was bedeutet diese Verhärtung für den «Genera- Umfrage. 2019» auf Platz 2 zu landen – gleich hinter der tionenvertrag» und dessen Zukunft? Führen die «Klimajugend». Gewählt werden seit 40 Jahren in demografische Entwicklung, die Verschuldung aller Regel Wörter und Redewendungen, die das und die Beschleunigung dazu, Alt und Jung aus- politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche einanderzubringen, so wie es etwa Martin Eling, Leben eines Jahres sprachlich bestimmt haben. Professor am Institut für Versicherungswirt- schaft der Universität St. Gallen prognostiziert? Boomer versus Millennials Trifft die Behauptung des deutschen Ökonomen Zu Platz zwei heisst es, «OK Boomer» sei die Ant- Bernd Raffelhüschen zu, wonach sich hierzulande wort darauf, wenn sich eine Person aus der Baby- eine «Nachhaltigkeitslücke» von 1000 Milliarden boomer-Generation abwertend und herablassend Franken auftue, weil die Alten einseitig auf der über die Meinung einer jüngeren Person äussere. Tasche der Jungen sässen? Unter dem Hashtag #OkMillennial haben letzthin Werden die Jungen also tatsächlich zunehmend auch Baby-Boomer zum Gegenschlag ausgeholt; benachteiligt punkto Altersrente? Werden sie letzt- die «Jungen» werden als weltfremd und unwis- lich vielleicht sogar aus dem AHV-Generationen- send abgekanzelt. vertrag aussteigen, weil sie glauben, das Renten- Dieses Phänomen zeigt exemplarisch, dass system verkomme zunehmend zu einer sich die Generationen nicht nur wohlwollend Einbahnstrasse, so wie es Martin Eling befürchtet? 4 Visit Frühling 2020
«Generationenbeziehungen sind mehr als nur Geld. Gefühlsmässig stimmt für mich die Ausgewogenheit von Geben und Nehmen. Sichtweisen wie ‹die Alten leben auf Kosten der Jungen› führen zur Spaltung derGenerationen, und alte Menschen werden nur noch als Kosten- faktor wahrgenommen. Aber es gibt auch eine Umverteilung von Alt zu Jung.» Ruth Fries, Jg. 1949, früher beim Schweizerischen Zentralverein für das Blindenwesen tätig «Der fiktive Generationenvertrag wurde in unserer Gesellschaft wohl zu so etwas wie einer Norm, denn er wird einfach so eingehalten. Irgendwann profitiert man ja auch selbst von diesem Prinzip – es ist ein Geben und Nehmen.» Larissa Hochuli, Jg. 1998, Studentin Fakt ist: Bei der Einführung der Alters- und Hinterlassenen-Versicherung (AHV) anno 1948 kamen auf einen Rentner 6,3 Personen im Er- werbsalter. Heute sind es ungefähr drei und im Jahre 2030 werden es noch deren zwei sein. Aber von einer Überalterung unserer Gesellschaft – oder noch bösartiger – einer «Gerontokratie» (übersetzt etwa mit Herrschaft der Alten) zu spre- chen, wäre vermessen und gemein. Dieses Team harmoniert: Die 20-jährige Studentin Selina Scheidt kümmert sich regelmässig und liebevoll um ihre Grossmutter Helene Stähli-Küpfer (83). Verhältnis auf dem Prüfstand Selbst wenn man einräumen muss, dass sich das Verhältnis tatsächlich zu Ungunsten der jüngeren Generationen verändert hat und geeignete Mass- Berufsschulen, Fachhochschulen und Universitä- nahmen angezeigt sind, gibt es mindestens drei ten? Die Jungen. Wer finanziert mit Steuergeldern schlagkräftige Gründe, weshalb der Generatio- zum Beispiel Kindertagesheime, Stipendientöpfe nenvertrag – der de facto kein Vertrag, sondern und ermöglicht Prämienverbilligungen für Kran- eine Solidaritätsabsicht ist – weiterleben dürfte: kenkassen? Die Alten. Und vor allem die Jüngeren Grund 1 – die Steuern: Die älteren Generationen unter uns profitieren davon. Übrigens: die Alters- haben den Wohlstand geschaffen, von dem wir gruppe der 65- bis 74-Jährigen gehört zu den kon- heute alle – auch die Jungen – profitieren. Sie ha- sumfreudigsten überhaupt; sie geben etwa die ben ihr Leben lang Steuern bezahlt und tun dies Hälfte ihres Einkommens für Konsum aus. meist im Alter weiter. Die Haushaltsbudget-Erhe- Grund 2 – die materielle Unterstützung: Es sind bung des Bundesamts für Statistik zeigt, dass die vor allem die Menschen im Ruhestand, die über Menschen im Ruhestand im Schnitt 18,5 Prozent 65-Jährigen also, die Geldmittel transferieren zu ihres Bruttoeinkommens als Steuern abliefern – den Kindern und Grosskindern. Etwa jeder und das sind über 1100 Franken pro Monat. Wer pro- jede Zweite dieser Altersgruppe macht Zuwen- fitiert von den mit Steuern bezahlten Schulen, dungen ab 5000 Franken pro Jahr. >> Visit Frühling 2020 5
LEBENSRAUM «Die finanzielle Sicherheit, die der Genera- es um die Frage, wie die AHV und die zweite Säule tionenvertrag der älteren Generation bietet, (Pensionskassen) langfristig gesichert werden kön- fliesst zum Beispiel in Form von Hilfe bei nen. Weil die Menschen immer älter werden, ver- der Kinderbetreuung an die momentan suchen etwa die Pensionskassen mittels tieferen Umwandlungssatzes die Umverteilung von Jung zu einzahlende Generation zurück. Es ist also Alt zu korrigieren. Klar ist: Ohne Justierungen am ein Deal, der sich nicht nur auf lange Sicht System wird es nicht möglich sein, das Ungleich- lohnt.» gewicht zu beheben oder abzudämpfen. Andrin Walla, Jg. 1999, Student Drei mögliche Lösungen Lösungsansätze gibt es: Diskutiert wird zum ei- «Die Erhöhung des Rentenalters hätte den nen eine Erhöhung des Rentenalters. Denn wer Nachteil, dass viele Arbeitnehmende über länger arbeitet, zahlt nicht nur länger in die Vor- 60 keine Stelle mehr finden und somit sorgekässeli ein, er oder sie bezieht auch entspre- von der Sozialfürsorge unterstützt werden chend weniger lang Rente. Avenir Suisse hat 2018 müssten. Also einfach eine Umlagerung die Studie «Heute, nicht morgen!» Ideen für eine «fortschrittliche Altersvorsorge» präsentiert. auf eine andere Kasse. Die Schweiz ist genug Wenn Männer und Frauen nur schon ein Jahr über reich, um die AHV gesund zu halten.» das heutige Pensionsalter hinaus berufstätig Barbara Bischoff Frei, Jg. 1947, ehemalige Berufsschul- blieben, würde das gemäss Avenir Suisse die lehrerin für Pflegeberufe AHV-Rechnung im Jahr 2030 um rund 2,7 Milli- arden Franken verbessern. Gemäss Avenir Suisse gibt es theoretisch drei Hebel, um den finanziellen Ungleichgewichten in der Altersvorsorge zu begegnen und das System im Lot zu halten. Erstens: Rentenkürzungen – Grund 3 – die Erbschaften: Die Universitäten eher ein gesellschaftliches No-Go. Zweitens: Lausanne und Zürich gehen davon aus, dass jähr- höhere Einzahlungen (also höhere Lohnbeiträge). lich Erbschaften von weit über 60 Milliarden wei- Und drittens: die Erhöhung des Rentenalters. tergegeben werden; laut aktuellsten Schätzungen sind es im Jahr 2020 bereits um die 95 Milliarden Reformen unumgänglich Franken. Dass Erbschaften die vorhandene soziale Unter der Bundeskuppel gehört die Reform der Ungleichheit auf die folgende Generation fortset- Altersvorsorge derzeit zu den wichtigsten, drän- zen und verstärken, ist ein anderes Thema. Denn gendsten und schwierigsten Aufgaben. Es braucht oft gehen Vermögenswerte von Vermögenden an tatsächlich Reformen, um die Sozialwerke lang- Vermögende und von Hochaltrigen an jüngere fristig zu sichern. Rentner über, die wiederum oft einen Teil an die Trotz aller Probleme zeigt sich jedoch: Der «Ge- Kinder und Enkel weitervermachen. nerationenvertrag» lebt und es sieht nicht danach aus, dass er ernsthaft in Frage gestellt werden Freiwilligenarbeit und Verantwortung könnte. Denn die Älteren haben ihren Teil beige- Ein vierter Grund lässt sich nicht so eindeutig in tragen und tun dies weiter. Und die meisten Jun- Franken beziffern. Es geht um die Betreuungs- gen anerkennen dies. Es wird spannend sein, zu aufgaben, welche die Älteren wahrnehmen – zum sehen, ob es gelingt, die Probleme zu lösen, ohne Nutzen der jüngeren, in den Arbeitsprozess ein- nachhaltig nur die Alten oder die Jungen zu be- gebundenen Menschen. Im Jahr 2013 berechneten nachteiligen. die Statistiker des Bundesamts für Statistik in Biel diese immaterielle Leistung der älteren Ge- nerationen. Sie kamen dabei auf einen Wert von Was bedeutet der schweizweit 93 Milliarden Franken, geleistet vor- wiegend über 65-jährigen Menschen. Generationenvertrag? Würde man auch die übrige ehrenamtliche Tä- Der Begriff steht für den Gedanken, dass Jung tigkeit von Menschen im Pensionsalter zugunsten und Alt füreinander Verantwortung tragen. der jungen Generationen hinzuaddieren, wäre der Neben der finanziellen Altersvorsorge geht es Betrag noch markant höher. auch um die Erziehungsarbeit von Eltern und Das System, das der Solidarität zwischen den Grosseltern oder Pflegeleistungen von erwach- Generationen zugrunde liegt, funktioniert derzeit senen Kindern für ihre betagten Eltern. noch. Aber wie sieht es in Zukunft aus? Zurzeit geht 6 Visit Frühling 2020
«Es war cool, dass jemand einfach da war und Zeit für uns hatte» Liora Kalupner (12), Sekundarschülerin, und Karl Gasser (69), Russikon «Am Anfang war es etwas merkwürdig, Liora hat vier Geschwister. Sie sagt, Selbständiger im Beruf arbeitet. doch dann fanden wir es gut», sagt dass sie wenig Kontakt zu alten Men- «Senior im Klassenzimmer ist genau Liora über die erste Zeit, als Karl Gasser schen habe. Die Grosseltern haben richtig für mich, ich helfe gerne der Zu- bei ihr als Senior im Klassenzimmer 13 Enkelkinder. «Wir sehen uns fast kunft auf die Sprünge.» An seiner Auf- wirkte. Ein Jahr lang unterstützte er die nur an Festtagen; aber wenn mein gabe hat er sichtlich Spass. «An Kindern sechste Klasse, seit dem Sommer Grossvater dann mal sehr alt ist und gefällt mir, dass sie fröhlich, spontan besucht Liora nun die Sekundarschule. Unterstützung braucht, werde ich ihm und für alles offen sind.» Selber hat er «Es war schon cool, dass jemand ein- helfen», bemerkt sie. In der Schule war vier Enkelkinder im Schulalter. Auf den fach da war und Zeit für uns hatte und das Leben alter Menschen bisher nie Generationenvertrag der Altersvorsorge man bei Fragen nicht warten musste, ein Thema. angesprochen, meint er, dass sei kein sondern auch zu ihm gehen konnte», Karl Gasser ist seit knapp zwei Jahren Vertrag, sondern ein stillschweigendes erinnert sich die Schülerin. «Sehr span- als Senior im Klassenzimmer in Russi- Übereinkommen, das immer wieder nend fand ich, als er uns von seinen kon im Einsatz, in diesem Jahr mit fünf neu ausgehandelt werden müsse. «Aus Hobbys erzählte. Er sammelt Gegen- Stunden an zwei Wochentagen. «Ich meiner Sicht kann das nur mit Herz stände, von denen ich einige nie gese- habe Kinder gerne und die Einsätze funktionieren, deshalb ist es wichtig, hen hatte, und auch seine Geschichten geben mir viel Positives zurück», sagt dass wir Senioren den Kontakt mit den von früher interessierten uns sehr.» der Informatiker, der noch zwei Tage als Jungen pflegen.» Visit Frühling 2020 7
LEBENSRAUM «Ich verstehe heute besser, was alte Menschen wünschen und schätzen» Marcel Meili (20), Zivildienstleistender, und Marlis Schmuki (76), Volketswil Im hellen Essraum des Pflegezentrums Vor dem Zivildienst schloss Meili eine passiert, es braucht eine politische Ab- schiebt Marcel Meili den Rollstuhl von Lehre als Hotelfachmann ab. «Durch sicherung.» Sein Vorschlag ist, das Marlis Schmuki an den Tisch. Er leistet den Zivildienst sehe ich die Welt jetzt Rentenalter um ein bis zwei Jahre zu seit Oktober 2019 hier Zivildienst, «aus etwas anders und verstehe besser, was erhöhen und eine zusätzliche Finan politischen Gründen», wie er betont. alte Menschen wünschen und schät- zierungsmöglichkeit über die Bundes- Im Alterszentrum gefällt es ihm. «Ich zen.» Er könnte sich gut vorstellen, steuern zu prüfen. finde die Arbeit spannend, und ich wenn er später mal zuhause auszieht, Marlis Schmuki hört interessiert zu. Ihr erlebe viele schöne Momente; kürzlich in einem Mehrgenerationenhaus zu ist der Kontakt mit jungen Menschen hat mich sehr beeindruckt, als eine leben. «Und sollte meine Grossmutter wichtig, dazu gehören auch ihre sechs Bewohnerin sagte, sie fühle sich sehr pflegebedürftig werden, würde ich bei Enkelkinder. «Die Zivis bringen die glücklich.» ihrer Pflege mithelfen», bemerkt er. Welt, mit ihnen ergeben sich andere Die 50 Personen, die im Pflegezentrum Er findet das Prinzip des gegenseitigen Gespräche», betont sie. leben, kennt er alle bei Namen. Beson- Gebens und Nehmens von Jung und Und sie fügt an: «Marcel Meili setzt ders interessiert ihn, wenn sie von frü- Alt eine gute Sache. Gerade auch bei sich wirklich für uns ein. Nicht alle Zivis heren Zeiten erzählen. «Es ist leben- unserem Rentensystem. «Doch ich tun das mit so viel Gefühl. Bei ihm aber dige Geschichte, ich lerne jeden Tag glaube, das System ist gefährdet, wenn merke ich, dass er Freude am Aus- dazu.» in den nächsten zehn Jahren nichts tausch hat.» 8 Visit Frühling 2020
«Sie ist für mich von ihrem Wesen her ein Vorbild» Selina Scheidt (20), Studentin, und Helene Stähli-Küpfer (83), Winkel Im Gespräch mit den beiden spürt Das Titelbild ist ein altes Foto der rück, was man erhalten hat. Diese Hal- man, dass sie sich gerne haben und Grossmutter, auf dem sie nur wenig tung sollte sich bei uns wieder verstär- einander vertrauen. älter ist als Selina heute. «Bei ihr be- ken.» Sie ist zuversichtlich, dass dieser Selina sagt: «Wir sehen uns sicher jede eindruckte mich sehr, wie sie als Kind Ausgleich gelingt. Woche einmal, und vor Weihnachten mit der Familie aus dem Bernbiet hier Ihre Grossmutter betont: «Mein gröss- basteln wir oft zusammen. Jetzt zeige ankam und völlig neu beginnen muss- tes Glück war und ist die Zeit mit den ich ihr auch, wie sie das Tablet bedie- te.» Durch das Buch wurde ihre Bezie- Enkeln. Ich hätte damals, als ich jung nen kann, das sie von einem Nachbarn hung zur Grossmutter erwachsener. war, gerne eine Lehre gemacht oder geschenkt erhalten hat.» Es seien im- «Ich habe viel über sie als Mensch studiert, doch dafür fehlte das Geld», mer schöne Stunden. «Ich erzähle ihr erfahren. Sie ist für mich von ihrem so die ehemalige Bäuerin. Über die auch, was mich beschäftigt oder vom Wesen her ein Vorbild. Ich kenne kei- Enkel erfahre sie viel von der heutigen Studium. Wir reden über Gott und die nen gütigeren und zufriedeneren Welt. «Es ist schön, ihre Entwicklung Welt.» Menschen.» mitzuverfolgen. An Selina schätze ich Die Beziehung zur Grossmutter brach- Für Selina ist es selbstverständlich, alles: Sie ist lieb, hilfsbereit und immer te sie auf die Idee, ihre Matura-Arbeit dass Jüngere für die Älteren schauen, da, wenn ich sie brauche.» Die junge über alte Menschen zu schreiben. Da- auch beim Thema Altersvorsorge. «Das Frau fährt sie zum Arzt und erledigt mit raus wurde ein Buch mit sechs Porträts. ist in vielen Kulturen so, man gibt zu- ihr Besorgungen. Visit Frühling 2020 9
LEBENSRAUM Zwei Persönlichkeiten, ein Thema: Ex-Regierungsrätin Verena Diener diskutiert mit Nationalrat Andri Silberschmidt über den Generationenvertrag. «Solidarität ist keine Einbahnstrasse» Wie gut funktioniert der Generationenvertrag heute noch und welche Anforderungen stellt die Zukunft? Ein Gespräch mit Verena Diener, die 40 Jahre in der Politik auch AHV-Reformen mitgeprägt hat, und mit dem neu gewählten Nationalrat Andri Silberschmidt. Interview: Rita Torcasso Foto: Renate Wernli 10 Visit Frühling 2020
Wie erleben Sie heute in Ihrem Umfeld «Die junge Generation hat kein die Solidarität zwischen Jung und Alt? Verena Diener: Ich beobachte beim Austausch der Vertrauen, dass die Politik eine Lösung Generationen im Alltag eine hohe Achtsamkeit. findet für die langfristige Finanzierung Junge Menschen erlebe ich als gruppenorientier- ter, als wir es früher waren. Natürlich formuliert der Altersvorsorge.» jede Generation auch ihre Partikularinteressen, Andri Silberschmidt doch wenn es wirklich darauf ankommt, ist un- sere Bevölkerung solidarisch. Andri Silberschmidt: In meinem Umfeld erlebe ich Andri Silberschmidt, auf Ihrer Website den Generationenkitt als intakt. Früher war damit schreiben Sie von «Rentenklau an den Jungen». ja vor allem der innerfamiliäre Zusammenhalt ge- Besteht die Gefahr einer Aufkündigung des meint, was sich aus meiner Sicht immer mehr auf heutigen Rentensystems? die Gesellschaft ausgeweitet hat. Bei jungen Un- Silberschmidt: Es ist einfach so, dass bei der be- ternehmern sind gemischte Teams gefragt; in dem ruflichen Vorsorge der zweiten Säule die berufs- von mir mitbegründeten Startup haben wir zwei tätige Bevölkerung heute nicht nur für sich selber, ältere Personen, die ihre Erfahrungen einbringen. sondern auch für die bereits laufenden Renten bezahlt. Diese Umverteilung war in der BVG so Welche Beziehungen zu Menschen anderer nie geplant. Und die Umverteilung in der AHV ist Generationen haben Sie persönlich? eine des Masses. Ich bin durchaus bereit, die heu- Silberschmidt: Ich wuchs zusammen mit den Gross- tigen Renten mitzutragen, wenn wir dafür die eltern im selben Haus auf. Als sie im hohen Alter Sicherheit haben, dass wir später ebenfalls noch waren, machte ich während meiner Lehre die eine existenzsichernde Rente erhalten werden. Buchhaltung für sie und konnte so etwas von dem zurückgeben, was ich als Kind von ihnen erhalten Verena Diener, gibt es aus Ihrer Sicht habe. Verpflichtungen der Pensionierten gegenüber Diener: Ich bin in einem Mehrgenerationenhaus- den Jungen? halt aufgewachsen. Das gebe ich heute weiter, Diener: Solidarität ist sicher keine Einbahnstrasse. indem ich meine Enkelinnen, die zwischen 7 und Die Verpflichtung sehe ich darin, dass die Älteren 16 Jahre alt sind, mit Betreuung und Beratung Hand bieten zu Generationenlösungen. Heute er- unterstütze. Ausserdem engagiere ich mich als leben wir ja mit der Klimakrise drastisch, was Mentorin für junge Frauen, die in die Politik ein- geschieht, wenn man einfach zuwartet. steigen möchten. Silberschmidt: Finanziell leisten Pensionierte heu- te über die Mehrwertsteuer einen Beitrag an die Beim Sorgenbarometer der Schweizer Bevölke- AHV. Wie und ob ältere Menschen in der Gesell- rung steht die Altersvorsorge an erster Stelle. schaft zusätzliche Verpflichtungen gegenüber Traut die Bevölkerung der Politik keine Jungen wahrnehmen sollen, ist nicht Sache der Lösung mehr zu? Politik. Viel wichtiger scheint mir heute, dass die Silberschmidt: Tatsächlich hat die junge Genera- Politik mehr Anreize entwickelt, damit ältere tion kein Vertrauen mehr, dass die Politik eine Menschen länger arbeiten können. Lösung findet, welche die Finanzierung der Al- tersvorsorge langfristig sichert. Es gibt jene, die Ein höheres Rentenalter wurde allerdings sich nicht darum kümmern, und die andern, die vom Volk immer wieder abgelehnt. Was könnte denken, dass sie im Alter nichts mehr erhalten denn diese Haltung verändern? werden. Für mich ist die wichtigste Aufgabe der Diener: Ein neues Rentenmodell muss flexibler Politik, diese Angst ernst zu nehmen. sein und könnte allenfalls auch über die Beitrags- Diener: Die Sorge der Jungen finde ich berechtigt jahre festgelegt werden. Ausserdem muss es die und auch ihre Sicht, dass die heutigen Rentner- heutigen Arbeitsmodelle unter die Lupe nehmen innen und Rentner eine komfortable Situation und Hindernisse wie zum Beispiel, dass ältere haben. Doch der Ball für notwendige Veränderun- Arbeitnehmende heute zu teuer sind, beseitigen. gen zur Absicherung der Altersvorsorge kann Der Gedanke, mit 65 endlich pensioniert zu sein, nicht nur bei der Politik liegen. Wenn jeder in der ist überholt, und es gibt viele, die damit nicht Gesellschaft nur die eigenen Interessen schützt, glücklich sind. Erwerbstätige sollten in Zukunft werden Kompromisse schwierig. Deshalb muss mehr Möglichkeiten haben, den Zeitpunkt der die Politik auch dafür sorgen, dass die Bevölke- Pensionierung selber zu wählen. rung die Komplexität unseres Dreisäulen-Modells Silberschmidt: Aber ein Referenzalter für die Pen- besser versteht. sionierung muss bleiben. Die Jungfreisinnigen >> Visit Frühling 2020 11
LEBENSRAUM «Wenn jeder in der Gesellschaft nur die eigenen Interessen schützt, werden Kompromisse schwierig.» Verena Diener Verena Diener (70) war viele Jahre zunächst für die Grüne Partei und später für die Grünliberalen Regierungsrätin im Kanton Zürich und Ständerätin. haben im November die Renteninitiative lanciert, Eltern aufgeteilt und entsprechen nicht dem die das Rentenalter bis 2030 schrittweise auf 66 effektiv geleisteten Arbeitsaufwand. anheben und danach an die Lebenserwartung Silberschmidt: Für mich stellt sich die Frage an- binden will. Argumente dagegen wie jene, der ders: Welche Arbeit soll finanziell entschädigt Arbeitsmarkt sei für Ältere schwierig, sind be- werden? Denn von der dieser Entschädigung rechtigt, sollen aber nicht gegeneinander ausge- hängt die Rentenbildung ab. Für Menschen, wel- spielt werden. Es braucht eine Lösung für das che unentgeltlich andere unterstützen, gibt es Rentendefizit. Ich bin überzeugt, dass ein grosser zivilgesellschaftliche Lösungen wie zum Beispiel, Teil der Arbeitnehmer gerne länger arbeiten dass diese Arbeit auf ein Konto gutgeschrieben möchten, wenn sie gute Möglichkeiten haben. wird, über das man später selber Hilfe anfordern kann. Das heutige Rentensystem orientiert sich an der linearen Vollzeit-Arbeitsbiografie. Ist das Heute bezieht jeder sechste Rentner Ergänzungs heute mit mehr Teilzeitarbeitenden und leistungen. Werden Rentner immer häufiger in Freelancern überhaupt noch zeitgemäss? Armut leben müssen? Diener: Heute wird bei allen derselbe Koordina- Silberschmidt: Ergänzungsleistungen waren als tionsabzug von rund 25 000 Franken erhoben, Übergangslösung gedacht, bis alle Erwerbstäti- doch für die anstehende Reform besteht ein Kon- gen in der Zweiten Säule versichert sind. Doch die sens, dass dieser Abzug in Zukunft nach Anstel- Zahl der Bezüger nahm nicht ab, sondern immer lungspensum abgestuft sein soll. Da zeichnen weiter zu. Das ist heute ein echtes Problem im sich also Lösungen ab. Mehr Sorgen macht mir, Sozialversicherungssystem. Die anstehende Re- dass es heute bei einem Vollpensum Löhne gibt, form sollte sich wieder am Versprechen orientie- die so tief sind, dass damit keine ausreichende ren, dass die Rente 60 bis 70 Prozent des letzten Rente erwirtschaftet werden kann. Lohnes betragen sollte, auch für die unteren Lohnsegmente. Betroffen sind davon ja vor allem Frauen, die Diener: Die Berufe im Verkauf und weitere Nied- gut einen Drittel weniger Rente als Männer riglohnbereiche sind Beispiele dafür, dass die Po- erhalten, in der Zweiten Säule gar 63 Prozent litik und die Wirtschaft diesbezüglich noch Haus- weniger. Müsste die unbezahlte Betreuungs- aufgaben machen müssen. Denn nur wenn Löhne und Pflegearbeit, die vor allem Frauen leisten, und Renten existenzsichernd sind und sich die stärker berücksichtigt werden? Lohnschere nicht noch weiter öffnet, hat die Ren- Diener: Ja, man müsste diese Arbeit stärker ein- tenreform an der Urne überhaupt eine Chance. binden in die Berechnung der Renten. Zwar gibt es bei der AHV Erziehungs- und Betreuungsgut- Die Reform AHV 21 kommt im Frühling ins schriften, doch diese werden hälftig zwischen den Parlament. Wird es eine Einigung geben? 12 Visit Frühling 2020
«Mir geht es nicht um eine Schuld- frage, sondern darum, dass jetzt alle Generationen bereit sind, gemein- sam Lösungen zu erarbeiten.» Andri Silberschmidt Andri Silberschmidt (25) wurde im vergangenen Herbst als Präsident der Jung- freisinnigen Schweiz in den Nationalrat gewählt. Silberschmidt: Im Parlament sitzen jetzt mehr Jun- handhaben, weil sie die realen Kosten nicht abge- ge und mehr Frauen als vor den Wahlen. Ich hoffe, bildet hat. Doch die Erfahrung lehrt, dass die dass diese Veränderung der Dringlichkeit der Menschen immer wieder für ein lebenswertes Reform mehr Gewicht verleiht. Und damit auch die Leben gekämpft haben und bereit waren, sich Chance steigt, dass mehrheitsfähige Lösungen wenn nötig umzustellen. erarbeitet werden können. Silberschmidt: Es gibt ja auch bereits erfreuliche Entwicklungen in diese Sinne, zum Beispiel die Verena Diener, Sie haben sich politisch oft Kreislaufwirtschaft, in der Abfälle wieder Ver- für Umweltanliegen eingesetzt. Entzweit die wendung finden und damit der Ressourcenver- Klimadebatte die Generationen? brauch abnimmt. Ich bin überzeugt, dass sich Diener: Ich sehe keine Spaltung, denn ob sich Systeme anpassen können. jemand in der Klimadebatte engagiert, ist alters- unabhängig. Aber natürlich wird die Klimakrise, welche in der Politik meiner Generation lange nicht wahrgenommen werden wollte, die Jungen stärker treffen. Persönlich Silberschmidt: Mir geht es nicht um eine Schuld- Andri Silberschmidt (25), Betriebsökonom, seit frage, sondern darum, dass jetzt alle Generationen November 2019 N ationalrat für die FDP, Mitbe- bereit sind, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. gründer und Verwaltungsratspräsident des Gastro- Es ist ähnlich wie bei der Altersvorsorge, niemand Unternehmens Kaisin. Bis Herbst 2019 war er Präsi- sollte auf Kosten anderer leben. Dasselbe Ziel, dass dent der Jungfreisinnigen Schweiz. Er engagiert sich der C02-Ausstoss bis 2050 auf null gesenkt werden im Stiftungsrat einer Stiftung für Wohnbauförderung soll, muss auch für das Defizit in der AHV gelten. und in verschiedenen Vereinen. In Zürich lebt e r in Diener: Nicht nur für die Renten und die Umwelt einer Wohngemeinschaft. müssen wir diese Überlegungen anstellen, son- dern ebenso für das Ziel der sozialen Nachhaltig- Verena Diener (70), Rentnerin und in einem Teilpen- keit, die ebenso wichtig für uns alle ist. sum Trägerin verschiedener Mandate, vor allem in den Bereichen Umwelt und Gesundheitswesen, ein Teil Das Wirtschaftswachstum sichert ja auch die davon als unbezahlte Freiwilligenarbeit. Sie war 40 Renten ab. Braucht es neue Lösungsansätze für Jahre zuerst für die Grüne Partei und dann für die eine lebenswerte Zukunft? Grünliberalen Regierungsrätin im Kanton Zürich so- Diener: Dass die Wirtschaft in der heutigen Form wie National- und Ständerätin. Sie hat vier Enkelkin- nicht immer weiterwachsen kann, bedeutet eine der und lebt seit Frühjahr 2019 in einer «alters grosse Herausforderung. Die bisherige Wachs- gerechten» Wohnung in Winterthur. tumsphilosophie war sicher einfacher zu Visit Frühling 2020 13
Mehrere Generationen erweitern den Horizont Häuser, in denen mehrere Generationen leben. Studierende, die im Altersheim wohnen. Ein Quartier-Netzwerk mit sozialer Teilhabe – der Wunsch nach gemeinsamen Projekten, die Jung und Alt verbinden, nimmt erfreulich zu. Interview: Rita Torcasso Foto: Katharina Simonett 14 Visit Frühling 2020
LEBENSRAUM Schon fast im Grünen liegt die Siedlung Heizen- holz der Genossenschaft Kraftwerk1 am Stadt- rand von Zürich. Von weitem sieht das moderne Gebäude aus wie irgendeine Siedlung. Doch hin- ter den Mauern werden hier die Wohnformen der Zukunft gelebt. Der Grosshaushalt Clu 3 In der ganzen Siedlung wohnen rund 95 Personen in 28 Wohnungen. Neben Familienwohnungen gibt es mehrere Wohngemeinschaften, die sich Menschen verschiedenen Alters teilen, und zwei Mehrgenerationen-Cluster. Im Clu 3 leben neun Personen, die zwischen 5 und 73 Jahre alt sind. Sie teilen sich ein grosses Wohnzimmer mit mehreren Sofas und einer schö- nen Veranda sowie den Essbereich mit offener Küche – und können sich in Ein- oder Zweizim- mereinheiten mit eigenem Bad zurückziehen. «Wir Pensionierten kamen als Letzte vor zwei Jahren dazu», sagen Reiner Elsener (73) und Ve- rena Walther (70). Ruth Kunz (45) lebt mit Partner und der 5-jährigen Tochter seit der Fertigstellung des Hauses vor acht Jahren hier. Wir sitzen um den grossen Tisch, an dem abends gemeinsam gegessen wird. Jeder Mitbewohner kocht dreimal im Monat für alle. «Einsam wird man hier nicht» Verena Walther zeigt ihr helles Eckzimmer mit Bad und kleiner Küche. Sie erzählt: «Ich konnte einen Monat zur Probe wohnen, dann habe ich mich entschieden.» Vorher lebte sie 27 Jahre in einem Einfamilienhaus. «Hier profitiere ich von der Durchmischung. Man hat einen erweiterten Blick dafür, was Menschen erleben, und es gefällt mir, dass auch zwei Kinder da sind, einsam wird Hier werden die Wohnformen der Zukunft gelebt: man hier nicht.» Reiner Elsener begründet seinen Blick in einen Innenhof der Siedlung Kraftwerk 1, Einzug im Cluster so: «Mir ist es wichtig, in einem wo gerade ein Fest im Gange ist. überschaubaren Umfeld alt zu werden, hier ken- nen wir uns alle.» Ruth Kunz ist es wichtig, dass ihre Tochter mehrere Bezugspersonen hat, «so, wie es das afrikanische Sprichwort sagt, ein Kind braucht ein ganzes Dorf». Als Erwerbstätige mit Vollpensum schätzt sie, dass sie sich abends an den gedeckten Tisch setzen kann. «Das gemein- same Essen gibt Struktur im Alltag.» Auch die Sicherheit, nicht plötzlich die Wohnungskündi- gung zu erhalten, sei ihr mit Familie wichtig. Sich eingeben in die Gemeinschaft Zum Gemeinschaftsgefühl in der Siedlung tragen die Hausgruppen bei, in denen man sich freiwillig engagiert. Sie sind verantwortlich für die «Salle >> Visit Frühling 2020 15
LEBENSRAUM commune», wo oft Feste gefeiert werden, ausser- Verdrängung von älteren Menschen aus den zen- dem für die Werkstatt, den Aussenraum, den tralen Quartieren. Im Kreis 8 entstand im Früh- Hausladen und die Sauna, die zur Siedlung gehö- ling 2019 die Genossenschaft NeMeri – Netzwerk ren. «Es herrscht eine gute Stimmung, doch wir Mehrgenerationen Riesbach. «Das Ziel ist eine sind keine homogene Gemeinschaft», erklärt Rei- bessere soziale Durchmischung im Quartier», so ner Elsener. «Aber wenn man eine solche Wohn- der Präsident Manuel Lehmann: «Heute finden form wählt, soll man sich auch eingeben in die hier ältere Menschen bei Kündigungen kaum Gemeinschaft.» Er stellt klar: «Die Wohnform ist mehr bezahlbare Wohnungen.» keine Absicherung für Unterstützung im Alter, ich bin tagsüber oft allein hier, denn die meisten Netzwerk-Häuser für ein Quartier arbeiten, und gegenseitige Hilfe ist freiwillig.» Die Genossenschaft strebt ein Wohnnetz mit 40 Der älteste Bewohner, der über 80 Jahre alt war, Netzwerkhäusern für 500 Personen im Quartier lebte nach einem Hirnschlag an. Im Zentrum der Idee steht noch drei Jahre mit Unterstüt- zung in der Siedlung, dann «Es herrscht eine gute das Mehrgenerationen-Wohnen. Es sind Häuser, in denen sich wurde der Pflegebedarf zu Stimmung, doch wir die Raumbedürfnisse der jewei- gross. sind keine homogene ligen Lebensphase anpassen Im Clu 3 bezahlen die Bewoh- lassen. Ausserdem sollen Läden ner eine durchschnittliche Ge- Gemeinschaft.» und Dienstleister für die alltäg- nossenschaftsmiete: Für die 32 lichen Bedürfnisse wie Nah- Quadratmeter grosse Einzimmer-Einheit mit Nut- rung und Gesundheit und Räume für gemeinsame zung der Gemeinschaftsräume sind es 1130 Fran- Essen zum Netzwerk gehören. ken. Der Grosshaushalt wird mit einem Ämtli-Plan Arbeitsgruppen versuchen nun, auch durch selber organisiert. Sonst bringt sich jeder ein, wie direkte Kontakte im Quartier Häuser zu finden, er möchte: «Ich unternehme mit den beiden Kin- die durch Anpassungen gemeinschaftlich nutzbar dern hie und da etwas, und im Winter organisie- wären. «Auch ein Neubau ist eine Option», so Leh- ren wir alle zwei Wochen bei uns im Wohnzimmer mann. Eine Zusammenarbeit besteht mit dem einen Filmabend für das ganze Haus», erklärt Gemeinschaftszentrum Riesbach. Der grössere Verena Walther. Für frei Teil der Mitglieder von NeMeRi ist zwischen 50 werdende Wohneinheiten und 70 Jahre alt, ein paar wenige jünger. «Die Generationen-Mix findet ein mehrstufiges meisten sind aus einem persönlichen Bedürfnis Auswahlverfahren statt, heraus daran interessiert.» Noch steht das Netz- Erwähnte Wohnsiedlungen: bei dem man die Mitbewoh- werk ganz am Anfang. Doch die Vision weist in nenden kennenlernt. die Zukunft. «Grosse Hoffnung setzen wir in die Kraftwerk1: www.kraftwerk1.ch, neue Alterspolitik der Stadt Zürich, die im Früh- NeMeRi – Netzwerk Mehrgenerationen Soziale Durchmischung jahr vorgestellt wird, Wohnen war eines der wich- Riesbach: www.nemeri.ch; als Ziel tigsten Themen, die an den offenen Workshops Giesserei Winterthur: Vor allem in Baugenossen- angesprochen wurden.» www.giesserei-gesewo.ch schaften entstehen neue Generationenprojekte: Wohnideen. Dazu gehören Wenn Junge im Alterszentrum wohnen Mehrgenerationenhäuser, Mehr Austausch mit Jungen wünschen sich viele «Intergeneration» stellt Generatio- von denen es im Kanton Betagte in den Altersheimen. Zwei Alterszentren nenprojekte vor, die man nach Region Zürich heute mehrere gibt. bieten jetzt Studierenden Wohnraum an, weitere abrufen kann. D ort findet man auch Das grösste ist das Mehr- sollen folgen. Anina Weisshaupt steht im letzten die nächsten GenerationenAteliers. generationenhaus Gies- Studienjahr als Physiotherapeutin und lebt im www.intergeneration.ch serei in Winterthur mit 134 Alterszentrum Kluspark. «Wir sind zu dritt in der Wohnungen. grossen Vierzimmerwohnung, die früher der Lei- Pro Senectute Kanton Zürich bietet In der Stadt Zürich und ter mit der Familie bewohnt hat», erklärt sie. Die neben den GenerationenAteliers: Einzugsgebiet entwickelt 25-Jährige zahlt 700 Franken für das Zimmer, «Generationen im Klassenzimmer» mit die Genossenschaft Kraft- doch mit Mitarbeit im Alterszentrum reduziert Einsätzen von Senioren in Schulklassen: werk1 zurzeit die vierte sich ihre Miete. «Zurzeit sind es bei mir etwa 10 pszh.ch/ihr-engagement Siedlung. Auch bei ihr Stunden Mitarbeit im Monat, die mir mit 250 wird Wert auf eine beson- Franken von der Miete abgezogen werden; meine «Wohnen für Hilfe», Studierende ders gute Durchmischung WG-Kollegin, die im ersten Studienjahr steht, wohnen gegen Hilfe bei Senioren: gelegt wird. engagiert sich für 20 Stunden und bietet neu im pszh.ch/soziales-und-beratung Ein zunehmendes Prob- Haus einen Computerkurs an.» lem in der Stadt ist die Die drei jungen Mitbewohnerinnen helfen bei 16 Visit Frühling 2020
der Aktivierung und an Veranstaltungen. «Und zunehmend nutzen die Bewohner jetzt, dass sie Der Age Report uns stundenweise für eine bestimmte Unterstüt- «Wohnen in den späten Lebens- zung ‹buchen› können.» Zweimal im Monat findet jahren»: So heisst der neue Age ein Austauschabend statt, den alle drei gemein- Report IV. Er zeigt: Jede zweite sam mit den Bewohnern gestalten. «Es besteht ein Person in Rente würde gerne, grosses Interesse daran, was wir Jungen machen», mit eigener Wohnung, in einem sagt die Studentin. Mehrgenerationenhaus leben. Die Idee hinter dem Wohnangebot: Wer sich Von den heute 55- bis 74-Jährigen bezeichnen bewirbt, soll sich einbringen. «Für mich ist es ein sich 67 Prozent als «innovationsorientiert». gegenseitiges Geben und Nehmen. Ich kann viel Tatsächlich leben aber die meisten recht «tradi- von den älteren Menschen mitnehmen, Geschich- tionell». ten von früher und eine andere Sicht auf die Welt.» Sie findet, dass es mehr solche Möglichkeiten ge- Jeder vierte Senior über 65 findet, dass er in der ben sollte. «Die Begegnungen mit den Bewohnern Wohngegend leicht vereinsamen könnte, ebenso sind wohltuend, gerade auch dann, wenn ich im vielen fehlt in der Umgebung ein Arzt oder eine Studium Stress habe.» Apotheke. Auffallend viele ältere Menschen le- ben in viel grösseren Wohnungen, als sie bräuch- Ateliers für gegenseitigen Austausch ten: 70 Prozent der Alleinstehenden bewohnen Aktivitäten mit jungen Menschen stehen bei den 3 bis 5 Zimmer, ein Drittel der Paare 5 oder Pensionierten hoch im Kurs. Pro Senectute Kan- mehr. Viele Wünsche, die Senioren an eine zu- ton Zürich bietet seit zehn Jahren Generationen- künftige Wohnmöglichkeit haben, unterscheiden Ateliers an, in welchen Alt und Jung Ideen ein- sich von ihrer realen Wohnsituation: 55 Prozent bringen und gemeinsam umsetzen können. Ini- wünschen sich, in ein Mehrgenerationenhaus zu tiiert wurden die Ateliers in Zürich; heute gibt es ziehen, und 17 Prozent könnten sich vorstellen, sie in bereits drei Städten im Kanton. Durch- in einer Wohngemeinschaft zu leben. Die Auto- geführt werden sie jeweils mit lokalen Partner- ren halten fest: «Das generationendurchmischte organisationen aus den Regionen, die sich zum Wohnen mit eigener Wohnung ist heute eine Verein Generationenbeziehungen zusammenge- klare Präferenz bei der Mehrheit der älteren schlossen haben. Menschen.» Von jenen, die nach der Pensionie- «An den Ateliers stellen Interessierte jeden rung umgezogen sind, gibt nur ein Viertel eine Alters ihre Ideen vor und entwickeln sie dann altersgerechte Wohnsituation als Grund an, die zusammen weiter», erklärt Jürg Niklaus. Viele Hälfte suchte mehr Nähe zu den Kindern. Projekte sind so entstanden: mit Video-Clips zu Der Age Report zeigt auch auf, dass bei der Themen älterer Menschen, aufgenommen von Ju- Wohnsituation von älteren Menschen grosse gendlichen. «Weitere Ideen wie den ‹DrumCircle›, Ungleichheiten bestehen. «Wohnraum im Alter zusammen trommeln, die Sackgeldjob-Börse, muss ein Ort sein, der den Komfort- und Quali- Graffiti sprayen führten wir schon mehrmals tätsbedürfnissen aller Menschen gerecht zu durch. Viele Menschen verschiedenen Alters und werden vermag», fordern die Autoren. Heute aus verschiedenen Kulturen machten mit.» Ein- muss ein Viertel der Pensionierten mit einem mal wurde ein «Trommel-Workshop» im Asylzen- Budget von weniger als 3900 Franken im Monat trum Töss organisiert. auskommen. Aus finanziellen Gründen die Woh- nung wechseln zu müssen, beurteilen die Auto- Damit sich Türen öffnen ren als schwierigste Situation im Alter. «Denn Durchschnittlich besuchen etwa 40 Personen die die Wohnung ist ein Ankerpunkt, der stark regionalen GenerationenAteliers. «Einige der Pro- abhängig ist von den gewachsenen Nachbar- jekte, die in den Ateliers entstanden sind, laufen schaftsbeziehungen und den im Laufe der Zeit heute ohne Unterstützung weiter.» Am Anfang aufgebauten Erinnerungen.» Gefordert wird im stehe oft der Wunsch, mehr darüber zu erfahren, Report, dass bei den Diskussionen über zukünf- wie man solche Projekte aufbauen kann und was tiges Wohnen im Alter und neue Wohnformen bereits angeboten wird. «Am besten funktionie- nicht für die Pensionierten entschieden wird, ren sie, wenn jüngere und ältere Menschen etwas sondern zusammen mit ihnen. gemeinsam auf die Beine stellen, mit dem Erleben öffnen sich oft Türen zum gemeinsamen Aus- Age Report IV, Wohnen in den späten tausch», so Niklaus. Seine Aufgabe bestehe heute Lebensjahren, Seismo Verlag, 2019 vor allem darin, passende Interessenten zusam- www.age-report.ch menzuführen.» Visit Frühling 2020 17
Elsi Kranz 18 Visit Frühling 2020
LEBENSART Grosse Liebe, kurzes Glück Die Zürcherin Elsi Kranz hat ein bewegtes, teilweise schicksalsschweres Leben hinter sich. Ihren «Mann fürs Leben» durfte sie nur wenige Jahre haben. Sie vermisst ihn tagtäglich. Text: Robert Bösiger Foto: Christian Roth Es muss Fügung gewesen sein. Wallisellen. Ihr Verhältnis entwickelt sich rasch Am 21. März 2007 erscheint im «Tagblatt» eine zu einer richtigen Liebesgeschichte. Elsi Kranz 4-Zeilen-Annonce folgenden Inhalts: streichelt liebevoll das dicke rote Album, das vor Krebs, 22.6. bis 23. 7.: Das Schicksal lädt Sie ihr auf dem Tisch liegt. Das Buch ist voll mit Hun- freundlich dazu ein, in Ihrer Persönlichkeitsent- derten von eingeklebten Liebesbriefen, Ansichts- wicklung einen Schritt vorwärts zu machen. Auch karten, ausgedruckten E-Mails und handschrift- wenn Sie der Einladung mit gemischten Gefühlen lich geschriebenen Liebesbotschaften und SMS. folgen: Sie bereuen es nicht! Sie sagt mit Blick auf eine schöne Karte mit einer Zur selben Zeit, wenn nicht gar in der gleichen Sonne drauf: «Er hatte eine so schöne Handschrift!» Ausgabe, wird eine weitere Chiffre-Annonce fol- Die eingeklebten Fotos zeugen von der gemeinsa- genden Inhalts publiziert: men Zeit mit Bruno. Diese schöne Zeit mit Bruno CH-Mann, 60 Jahre. Suche eine liebe Frau, 57–63 dauert viel zu kurz – doch dazu später mehr. Jahre. Wandern, Natur, Kuscheln und Romantik sind meine Leidenschaften. Von der Coiffeuse zur Bauleiterin Die erste Anzeige stammt von Elsi Kranz, die Elsi Kranz erblickt am 21. Juli 1942 das Licht der zweite von Bruno Lisser. So kommt es, dass sich Welt. Es ist ein Dienstag, an dem die japanischen die beiden – auf Initiative von ihr – ein erstes Mal Truppen auf Neuguinea ihre Expansion vorantrei- treffen. Sie weiss noch gut, wann und wo dieses ben. Das Mädchen wächst in einem eher proble- «Date» stattfand: «Wir trafen uns im Restaurant matischen Elternhaus auf, weil der Vater – ein Landhus in Zürich Seebach zum Nachtessen. Da Schriftsetzer – sehr jähzornig ist. Heute mag sie stand schon die erste Baccara-Rose auf dem Tisch sich lieber nicht mehr an den Vater und die Jahre – und zwischen uns hat es gefunkt.» der Kindheit und Jugend erinnern. Es bleibt nicht bei diesem Treffen und bei dieser Nach den üblichen Schuljahren absolviert Elsi einen Rose. Fortan treffen sich die beiden regel- Kranz eine Lehre als Coiffeuse. Jahre später – sie hat mässig. Er besucht sie in Oerlikon, sie ihn in bereits einen eigenen Salon – besucht sie die Visit Frühling 2020 19
LEBENSART Die Liebesgeschichte dauert 6 Jahre, Handelsschule. Noch heute ist es für sie eine grosse 2 Monate und 10 Tage – die wertvollsten Genugtuung, dass sie den Abschluss besteht, ob- wohl die Mehrheit der Klasse vorher das Handtuch im Leben von Elsi Kranz. wirft. Denn ihr Bruder habe damals gesagt: «So dumm wie du sollte man nicht zur Welt kommen.» Nach der «Handeli» heuert sie als 30-jährige Frau bei den Schweizerischen Bundesbahnen an. Zuerst landet sie bei der Telefondirektion, dann als Bauleiterin im Bereich Geleisebau. Dies wird für sie zu einer spannenden Zeit. Sie bleibt bei den SBB bis zu ihrer Pensionierung. Besser keine Kinder Kommt man auf ihre familiäre Situation zu spre- chen, wird Elsi Kranz nachdenklich. Mit ihrem ersten Mann sei sie nicht glücklich gewesen, gibt sie unumwunden zu. Mehr noch: «Den hätte ich gescheiter nicht kennengelernt.» Zum Glück habe es keine Kinder gegeben – «dafür habe ich ge- sorgt». Jahre später erträgt sie ihn nicht mehr. Es kommt zur Trennung. Kinder wollte Elsi Kranz aus zwei Gründen nie. Zum einen wegen ihres damaligen Mannes. Zum anderen, weil sie auf ihren Reisen nach Afrika «viele Hungerbäuchlein» gesehen habe: «Ich war überzeugt davon, dass auf der Erde viel zu viele Menschen leben, die alle ernährt werden wollen.» Im Ruhestand wendet sich Elsi Kranz der Frei- willigenarbeit zu. Sie gründet im Jahr 2005 die Wandergruppe Edelweiss für Pro Senectute Kan- ton Zürich. Als Wanderleiterin organisiert sie spannende vierzehntägliche Wanderungen für ihre Gruppe. Im Jahre 2017 hat sie genug und die Wandergruppe löst sich auf. Elsi Kranz ist als Wanderleiterin der Wandergruppe Edelweiss viel unterwegs. Sünneli und Kuschelbär Doch am liebsten reist und wandert sie mit ihrem Schatz Bruno Lisser. Unser Zurück zu ihrer grossen Liebe, zu Bruno Lisser: Bild zeigt die beiden bei einer Rast in der Gegend Klöntal im Kanton Glarus. Mit ihm teilt sie zahlreiche Leidenschaften wie INSERAT Wir vermitteln Ihnen tatkräftige Arbeitshilfen für Reinigung, Garten, Entsorgung, www.etcetera-zh.ch Räumung, Wohnungswechsel, Dietikon 044 774 54 86 Glattbrugg 044 403 35 10 Botengänge, Endreinigungen usw. Thalwil 044 721 01 22 Zürich 044 271 49 00 Ein Angebot des SAH ZÜRICH 20 Visit Frühling 2020
das Wandern und die Natur. Die Fotos in ihrem Erinnerungsalbum zeigen häufig, wie die beiden irgendwo auf einer Alpwiese oder einem Felsen sitzen, eng aneinander gelehnt. Ein Herz und eine Seele. Eine grosse Liebe. Die beiden wandern viel. Und sie reisen – auch um die halbe Welt. Die Zeit mit dem Polizeibeam- ten Bruno bezeichnet Elsi im Rückblick eindeutig als ihre glücklichste und schönste im Leben. Er ist für sie der Kuschelbär, sie für ihn «mis Sünne- li». Diese gemeinsame Zeit entschädigt für die vielen Jahre und Jahrzehnte, die weniger schön und aufregend waren. Tragischer Unfall auf Gran Canaria Das abrupte Ende des Traums lässt sich auf den Elsi Kranz als 16-Jährige. 10. März 2014 datieren. Elsi Kranz berichtet: «Wir waren zusammen auf Gran Canaria in den Feri- en.» Beim Erzählen blättert sie immer wieder in Das Zitherspielen reaktivieren Gedanken versunken in ihrem Album. «Mit einem Was macht sie heute? Wie sieht ein normaler Tag alten Bus waren wir zwischen den Ortschaften aus? Wenn sie nicht gerade einkaufen gehen müs- Pasadilla und Cazadora viel zu schnell unterwegs, se, bleibe sie meist zuhause, sagt Elsi Kranz. Im als der Fahrer von der Strasse abkam und das TV schaut sie sich bevorzugt Natursendungen an Gefährt einen Steilhang hinab in ein Tobel – aber auch Sportsendungen: «Seit Bruno – er war stürzte.» auch Schiedsrichter – verfolge ich mit Interesse Elsi Kranz fliegt bei diesem Horrorsturz durch Fussballspiele. Ich kenne dank ihm jetzt sogar die die Scheibe und bleibt schwer verletzt und be- Regeln.» wusstlos liegen. Seit diesem Tag ist ihr Rücken Früher häkelte und strickte sie noch gerne, «kaputt»; ohne Schmerzmittel geht es nicht mehr. heute lässt sie es bleiben. Hingegen überlegt sie Aber sie lebt – ebenso ein weiteres Dutzend ande- sich, eine «alte Liebe» wieder neu zu erwecken rer Reisepassagiere vorwiegend aus der Schweiz. und wieder Zither zu spielen. Dieses Saitenins- Doch er, ihr geliebter Bruno, hat weniger Glück: trument hat sie damals ihrem Bruno so gut beige- Er erliegt dem Sturz auf die spitzigen Lavafelsen bracht, so dass sie zusammen haben musizieren noch auf der Unfallstelle. können. Nun möchte sie unbedingt wieder Zither Eine schöne Liebesgeschichte nimmt ein eben- spielen, «allerdings lieber zusammen mit jeman- so trauriges wie abruptes Ende. Sie dauert sechs dem anderen». Jahre, zwei Monate und zehn Tage – die wertvolls- Vielleicht müsste Elsi Kranz wieder eine An- ten im Leben von Elsi Kranz. nonce aufgeben … INSERAT Unabhängig und mobil mit dem Liberty ef a hr t Pro b s e. In wenigen Sekunden gefaltet, lässt er sich mitführen wie ein Reisekoffer e l o s uh au t en Z und findet in jedem Kofferraum Platz. Kos Ihnen b e i • Li-Ionen Batterie • Bis 20 km Reichweite • Armlehnen hochklappbar • Einstellbares Fussteil • Verschiedene Sitzkissen • Bedienung links oder rechts • Gewicht nur 24 kg (ohne Batterien) Hilfsmittel-Shop.ch • Masse 92 x 59 cm (L x B) Mattenweg 5 CH-4458 Eptingen BL Nur Fr. 3‘250.- inkl MwSt. Tel. 062 299 00 05 und Lieferung frei Haus! mail@hilfsmittel-shop.ch Visit Frühling 2020 21
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