Aktuelles: hATTR-Polyneuropathie - Löscher W www.kup.at/ - Krause und Pachernegg

 
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Journal für

 Neurologie, Neurochirurgie
 und Psychiatrie
             www.kup.at/
 JNeurolNeurochirPsychiatr   Zeitschrift für Erkrankungen des Nervensystems

Aktuelles: hATTR-Polyneuropathie
                                                                               Homepage:
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Journal für Neurologie                                           JNeurolNeurochirPsychiatr

Neurochirurgie und Psychiatrie                                         Online-Datenbank
                                                                         mit Autoren-
2019; 20 (4), 144-147
                                                                      und Stichwortsuche

                                                                                            Indexed in
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 Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz
 P.b.b. 02Z031117M,            Verlagsor t : 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A /21           Preis : EUR 10,–
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EINLADUNG ZUM WEBINAR
   MS UND DIE VERBORGENEN
   SYMPTOME DER KOGNITION
                      Freitag, 12. November 2021 | 16.00 bis 18.00 Uhr
  Erkenntnisse zum Thema “MS & Kognition” werden von nationalen und
  internationalen Experten und Expertinnen vorgetragen. Die Vorträge decken
  die wissenschaftliche Perspektive über Diagnose, neuropsychologische
  Aspekte als auch die Patientensicht eines Betroffenen ab.                                                             Hier geht´s zum Programm

  Wissenschaftlicher Vorsitz
                                                                                                REFERENT*INNEN
                                    Univ.-Prof. Dr. Christian Enzinger                                           Univ.-Prof. Dr.                               Prof. Dr. Dipl.-Psych.
                                    MBA, FEAN                                                                    Christian Enzinger                            Iris-Katharina Penner
                                    Uniklinik Graz
                                                                                                                 MBA, FEAN                                     Düsseldorf
                                                                                                                 Uniklinik Graz

                                                                                                                 Prim. Univ.-Prof. Dr.                         Priv.-Doz. Mag. Dr.
                                                                                                                 Elisabeth Fertl                               Daniela Pinter
                                                                                                                 Wien                                          Uniklinik Graz

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   https://medahead-fortbildung.at/event/ms-und-kognition-2021/
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                                                                                                                     nach der aktuellen COVIDGesetzgebung bzw. COVID-Verordnung getroffen.
                                                                  Live-Übertragung aus Wien                          Laut Regelwerk der Ärztekammer (Ärztlicher Verhaltenskodex) und Pharmaindustrie
                                                                                                                     (Pharmig Verhaltenskodex) gilt diese Einladung ausschließlich für Ausübende von
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                                                                                                                                                  Novartis Pharma GmbH
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                                             Mit freundlicher Unterstützung der Novartis Pharma GmbH                                              Tel.: 01-866 57-0, Fax.: 01-866 57 16369, www.novartis.at
                                                                                                                                                  Datum der
                                                                                                                                                        der Erstellung
                                                                                                                                                            Erstellung 10/2021
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                                                                                                                                                                                AT2111021580

                          Schlaganfall Akademie
                          Fortbildungsreihe zum Thema Stroke

                          ÖGSF Online-Fortbildung
                          Management raumfordernder Hirninfarkte
                          15. November 2021 14.00 bis 15.00 Uhr

                                                                                                                          Referent:
                                                                                               Priv.-Doz. DDr. Simon Fandler-Höfler
                                                                                                             Universitätsklinik für Neurologie
                                                                                                               Medizinische Universität Graz

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                          gemäß Pharmig VHC Artikel 2.2 vorbehalten und ist nicht übertragbar.

                          Wissenschaftlicher Fortbildungsanbieter:
                          Österreichische Schlaganfall Gesellschaft, 1070 Wien                                                    Mit freundlicher Unterstützung von
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                                                         Aktuelles
                                      hATTR-Polyneuropathie
                                                           W. Löscher

Die hereditäre Transthyretin-Amyloi-         Nomenklatur p.Val50Met lauten müsste,         bensjahr, im Mittel um das 33. Lebens-
dose (hATTR) ist eine seltene, autoso-       wird in der Regel Val30Met verwendet          jahr, vor allem in endemischen Regionen
mal-dominant vererbbare, systemische         [2].                                          mit Ausnahme Schwedens auf, während
Erkrankung mit variabler Penetranz,                                                        in nicht-endemischen Regionen die spät
die durch zahlreiche Mutationen im           Eine gewisse Genotyp-Phänotyp-Kor-            beginnende Form dominiert [6].
Transthyretin- (TTR-) Gen verursacht         relation existiert, allerdings scheint es
wird. Die hATTR-Amyloidose präsen-           etliche „Modifier“ zu geben. So beginnt       Art der Mutation und geographische
tiert sich bei ca. 50 % der Betroffenen      die Val30Met assoziierte hATTR in             Region beeinflussen das klinische Bild.
mit einer Polyneuropathie („familial         Portugal um das 30. Lebensjahr (Lj), in       Eine längenabhängige Small-Fiber-Neu-
amyloid polyneuropathy“; FAP), bei           Schweden um das 60. Lj. Diese modi-           ropathie mit früher und ausgeprägter
25 % mit einer Kardiomyopathie („fa-         fizierenden Faktoren erklären auch die        kardialer, urogenitaler und gastroin-
milial amyloid cardiomyopathy“; FAC)         variable, altersabhängige Prävalenz, die      testinaler autonomer Beteiligung ist
und ca. 25 % mit Kardiomyopathie und         z. B. in Schweden bei 11 % bis zum 50.        typisch für die früh beginnende FAP
Polyneuropathie [1].                         Lj. und in Portugal bei 80 % bis zum          in endemischen Gebieten [2, 7, 8]. Die
                                             50. Lj. liegt. In Österreich sind derzeit 5   in nicht-endemischen Gebieten prä-
„„ Epidemiologie                             Punktmutationen bekannt: p.His88Arg,          valente spät beginnende FAP ist initial
                                             p.Ile107Phe, p.Val20Ile, p.Val30Met und       eine vorwiegende Large-Fiber-Neuro-
Die hATTR ist im nördlichen Portugal         p.Val93Leu [4].                               pathie, beginnend in den Beinen, die
und Schweden, in einigen Regionen                                                          frühzeitig auch die Hände betrifft, ohne
Japans und Brasiliens sowie in Zypern        Transthyretin (TTR), das in Leber, Ple-       wesentliche autonome Symptome. Früh-
und Mallorca eine endemische Erkran-         xus choroideus und Retina syntheti-           zeitig kommt es zu einer motorischen
kung. Die Prävalenz in diesen endemi-        siert wird, bildet ein stabiles Tetramer      Beteiligung vor allem an den unteren
schen Regionen beträgt 1–10/10.000.          zum Transport von Thyroxin und des            Extremitäten. Die typischen Symptome
Außerhalb dieser Regionen wird die           Retinol-bindenden Proteins / Vitamin-         sind daher sensible Ataxie, Hypästhesie,
Prävalenz als geringer eingeschätzt mit      A-­Komplexes. TTR-Mutationen verur-           neuropathische Schmerzen, distal be-
ca. 1:100.000 in Europa [2]. Neuere Stu-     sachen eine Instabilität des Tetramers,       tonte Paresen der unteren Extremitäten
dien zeigen, dass die Prävalenz nicht bei    so dass es in Monomere dissoziiert. Die       und zunehmende Beeinträchtigung der
wie lange angenommenen 5000–10.000,          gefalteten Monomere ändern ihre Kon-          Gehfähigkeit.
sondern bei 38.000 Personen liegen           figuration, bilden Oligomere und letzt-
dürfte [3]. Allerdings liegt die Prävalenz   endlich Amyloidfibrillen, die sich im         Sogenannte „Red Flags“, bei denen an
in Österreich derzeit bei ca. 0,3/100.000,   Gewebe ablagern und so dessen Struktur        eine FAP gedacht werden sollte, wur-
so dass von etlichen undiagnostizierten      und Funktion beeinträchtigen [1, 5].          den beschrieben (Tab. 1) [8]. Vor allem
Fällen auszugehen ist.                                                                     eine rasche Progredienz, ein unerklärter
                                             „„ Klinisches Bild und                        Gewichtsverlust und ein beidseitiges
„„ Genetik und Patho­                                                                      Karpaltunnelsyndrom sind für die spät
                                                ­Prognose                                  beginnende FAP richtungsweisend.
   physiologie                               Männer sind in der Regel häufiger be-
Ursache der autosomal-dominant ver-          troffen. Zusätzlich werden früh und spät      Der progressive Krankheitsverlauf ist
erbten hATTR sind Mutationen in TTR-         beginnende FAPs beschrieben. Die früh         durch eine progrediente Einschrän-
Gen, meistens in Form von Punktmuta-         beginnende Form tritt vor dem 50. Le-         kung bis zum Verlust der Gehfähigkeit
tionen [2], von denen bis dato über 130                                                    gekennzeichnet. Nach ca. 3–5 Jahren
                                                                                           ­
Mutation in der Literatur beschrieben                                                      wird eine, nach weiteren 2–3 Jahren
                                              Tabelle 1: „Red flags“, bei denen an
wurden [1]. Diese Mutationen sowie der        eine FAP gedacht werden soll                 werden zwei Gehhilfen benötigt und
assoziierte Phänotyp werden in einer                                                       nach weiteren 1–2 Jahren haben die
Datenbank gesammelt: http://amyloido-         Rasch progrediente symmetrische senso­       meisten Patienten die Gehfähigkeit
                                              motorische Polyneuropathie + mindes­
sismutations.com/                             tens ein weiterer Faktor:                    verloren [9, 10]. Entsprechend wird
                                              –– Positive Familienanamnese                 der Schweregrad der TTR-FAP in drei
Die weltweit häufigste und vor allem in       –– Frühe autonome Störungen                  Schweregrade eingeteilt (siehe Tabel-
den endemischen Regionen vorkom-              –– Gastrointestinale Beschwerden             le 2). Die Prognose hängt von der Mu-
                                              –– Unerklärter Gewichtsverlust
mende Mutation ist die Substitution von                                                    tation und dem Alter bei Krankheitsbe-
                                              –– Kardiomyopathie oder Rhythmus­
Valin durch Methionin an der Position            störungen                                 ginn ab – so ist z. B. die Prognose der
30 des Proteins, in der Literatur weit        –– Beidseitiges Karpaltunnelsyndrom          spät beginnenden Val30Met-FAP mit
verbreitet als p.Val30Met beschrieben.           (vor allem bei Männern)                   einer mittleren Überlebenszeit von 7
                                              –– Niereninsuffizienz
Obwohl die korrekte Bezeichnung auf                                                        Jahren ungünstiger als die der früh be-
                                              –– Glaskörpertrübung
Grund der inzwischen standardisierten                                                      ginnenden [9].

144    J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2019; 20 (4)
Aktuelles

                                                 Nachweis einer bekannten TTR-Muta­             Tetramers beginnt, wurden Substanzen
 Tabelle 2: Stadieneinteilung der
 TTR-FAP                                         tion [14–16]. Im Fall einer Gewebeana-         entwickelt, die dies verhindern sollen.
                                                 lyse lassen sich Amyloidablagerungen           Von den beiden TTR-Stabilisatoren Di­
 Stadium I     Selbständig ohne Hilfen
               gehfähig
                                                 in der Kongorot-Färbung nachweisen.            flunisal und Tafamidis ist nur letzteres zur
                                                 Allerdings färbt sich jede Form von            Behandlung der TTR-FAP im Stadium 1
 Stadium II    Braucht eine oder zwei            Amyloid, so dass immunhistochemische           zugelassen (siehe Tab. 2). In der Zulas-
               Gehhilfen
                                                 oder massenspektrometrische Untersu-           sungsstudie [18] wurde ein co-primärer
 Stadium III   Rollstuhlpflichtig oder bett­     chungen notwendig sind, um den Amy-            Endpunkt nach 18 Behandlungsmonaten
               lägerig
                                                 loidtyp exakt zu bestimmen [16].               untersucht: Responder (< 2 Punkte Ver-
                                                                                                schlechterung) im NIS-LL („Neuropathy
„„ Differentialdiagnose                          Viel wurde diskutiert, welches Gewe-           Impairment Score Lower Limbs“; 0 = nor-
                                                 be zur Biopsie am geeignetsten ist. Am         mal bis 88 = maximale Beeinträchtigung)
Auf Grund der Seltenheit und der vie-            sinnvollsten scheint die Biopsie eines         und der „Norfolk Quality of Life Diabetic
len Neuropathie-Ursachen sind initiale           ­betroffenen Gewebes – im Fall einer FAP       Neuropathy Total Score“ (QOL-DN; -2 =
Fehldiagnosen häufig (in 32–74 % [2])             die Biopsie eines Nervs. Heutzutage ist       bestmögliche Lebenqualität bis 138 =
und entsprechend lang ist der diagnos-            eine genetische Testung als erster dia­       schlechtest mögliche Lebensqualität). In
tische Delay von 2,9 (2,3–8,6) Jahren             gnostischer Schritt einer Biopsie vorzu-      der Intention-to-treat-Analyse war die-
[11]. Die häufigsten Fehldiagnosen in             ziehen.                                       ser Endpunkt nicht signifikant, jedoch
einer Studie an 150 FAP-Patienten wa-                                                           in der „Efficacy-Evaluable Population“.
ren CIDP (chronisch inflammatorische             Ist die Diagnose einer FAP gestellt, muss      Auch waren etliche sekundäre Endpunk-
demyelinisierende      Polyneuropathie),         eine Mitbeteiligung anderer Organ­             te signifikant, die Verträglichkeit gut. Die
Spinalkanalstenose, ­paraproteinämische          systeme, vor allem jener des Herzens,          Wirksamkeit beschränkte sich allerdings
Neuropathie, AL-Amyloidose und sel-              abgeklärt werden.                              auf eine langsamere Krankheitsprogres-
tener vaskulitische Neuropathie oder                                                            sion in der Behandlungs- als in der Pla-
Motoneuronerkankung [12].                        „„ Therapie                                    cebogruppe. So verschlechterte sich in
                                                                                                18 Monaten die Verumgruppe um 2,81
Die CIDP ist eine wichtige Differential-         Neben symptomatischen Therapien wur-           und die Placebogruppe um 5,83 Punkte
diagnose für die sporadische spät begin-         den zahlreiche krankheitsmodifizierende        im NIS-LL.
nende FAP auf Grund der klinischen               Therapien entwickelt (siehe Tabelle 3).
Ähnlichkeit mit Progredienz, Areflexie,          Die erste dieser Therapien war die Le-         In einer Studie an Patienten mit spät
Hypästhesie und distaler und rasch auch          bertransplantation, um die Hauptquelle         beginnender Val30Met-FAP und schwe-
proximaler Schwäche. In einer Studie er-         der Produktion von mutiertem Amyloid           rerem Erkrankungsstadium zeigte Tafa-
füllten 7/19 Patienten auch die elektro-         zu reduzieren. Eine große retrospektive        midis keine Wirkung. Insgesamt zeigte
physiologischen EFNS-Kriterien [13]              Analyse von 1940 transplantierten Pa­          sich, dass Tafamidis die Progression
für eine definitive Demyelinisierung             tienten hat eine 20-Jahres-Überlebensrate      zwar etwas verlangsamen, aber nicht
und das Liquor-Eiweiß war in 5/7 –               von 55,3 % gezeigt [17]. Allerdings ist das    aufhalten kann und dass die Wirksam-
aller­dings gering – erhöht [12].                Outcome stark vom Genotyp abhängig             keit auf das frühe Krankheitsstadium
                                                 [16], eine Progression von Kardio- und         ­begrenzt scheint [19–21]. Erwähnens-
„„ Diagnose                                      Neuropathie sowie von okulären Symp-            wert ist der vor kurzem in einer rando-
                                                 tomen ist häufig und diese Therapieform         misierten kontrollierten Studie (RCT)
Bei klinischem Verdacht auf eine FAP             scheint vor allem bei der früh beginnen-        nachgewiesene positive Effekt auf die
stehen mehrere diagnostische Möglich-            den FAP erfolgreich zu sein [10].               Kardiomyopathie bei Wild­    typ- und
keiten zur Verfügung: einerseits der                                                             ­hereditärer TTR-Amy­loidose [22].
Nachweis von Amyloid im Gewebe                   Nachdem die Bildung von Amyloid­
durch die Biopsie von z. B. Bauchfett,           ablagerungen mit der mutationsbe-              Eine weitere Behandlungsstrategie ist
Speicheldrüsen oder Nerven oder der              dingten Dissoziation des Transthyretin-­       die Reduktion der Bildung des TTR-Pro-

 Tabelle 3: Wichtigste Eigenschaften zugelassener Medikamente
                           Tafamidis           Inotersen                                  Patisiran

 Wirkmechanismus           TTR-Stabilisator    Antisense-Oligonukleotid                   Small-Interfering RNA
 Indikation                FAP-Stadium 1       FAP-Stadium 1 & 2                          FAP-Stadium 1 & 2
 Applikation               oral                subkutan                                   intravenös
 Dosis                     20 mg / Tag         284 mg / Woche                             0,3 mg/kg alle 3 Wochen
 Prämedikation             keine               keine                                      Dexamethason 10 mg oder Äquivalent i.v. Parace­
                                                                                          tamol 500 mg p.o. H1-Blocker i.v. (Diphenhydra­
                                                                                          min 50 mg oder Äquivalent)
                                                                                          H1-Blocker i.v., (Ranitidin 50 oder Äquivalent)
 Zusatzmedikation          keine               Vit. A 3000 IE / Tag                       Vit. A 2500 IE / Tag
 Sicherheitsmonitoring     keines              Bestimmung der Thrombozyten alle           keines
                                               2 Wochen und eine Kontrolle der Nieren­
                                               funktion alle 3 Monate

                                                                                         J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2019; 20 (4)     145
Aktuelles

teins auf RNA-Ebene. Derzeit sind zwei      setzen [10]. In der Zulassungsstudie        die Standardtherapie anspricht, sollte
Substanzen zur Behandlung der FAP im        APOLLO an 225 TTR-FAP-Patienten             eine FAP differentialdiagnostisch erwo-
Stadium 1 und 2 zugelassen: Inotersen       im Stadium 1 und 2 (Tab. 2), die über       gen werden.
und Patisiran.                              18 Monate behandelt wurden, wurde
                                            unter Patisiran eine mediane Reduk-         Derzeit sind drei Substanzen zur The-
Inotersen ist ein Antisense-Oligonu­        tion der TTR-Serum-Spiegel von 81 %         rapie der FAP zugelassen: Tafamidis im
kleotid, das TTR-prä-mRNA durch die         erreicht [25]. Primärer Endpunkt war        Stadium 1, Inotersen und Patisiran im
nukleäre RNAseH1 degradiert [23].           die Änderung im mNIS+7 und auch             Stadium 1 und 2 (Tab. 3). Diese Sub­
Diese Reduktion betrifft auf Grund des      im QOL-DN als einem der sekundären          stanzen unterscheiden sich hinsichtlich
Wirkmechanismus sowohl Wildtyp- wie         Endpunkte. In der Patisiran-Gruppe          Wirkmechanismus, Applikationsform
auch mutiertes TTR und die mediane          kann es zu einer mittleren Reduktion im     und Nebenwirkungsspektrum und er-
maximale Reduktion der TTR-Spiegel          mNIS+7 von 6 Punkten, während es in         lauben so eine situationsangepasste Be-
im Serum betrug in der Zulassungsstudie     der Placebogruppe zu einer Zunahme,         handlung. Nachdem diese Substanzen
79 % [24]. Diese Studie – ­NEURO-TTR –      d.h. Verschlechterung, von 28 Punkten       die Erkrankung in erster Linie verlang-
inkludierte 172 Patienten im Stadium 1      kam. Ähnliches wurde in der Änderung        samen, sind eine frühzeitige Diagnose
und 2 (Tab. 2), die Behandlungsdauer        des QOL-DN beobachtet, eine mittle-         und Therapie entscheidend für den
betrug 15 Monate und umfasste zwei          re Reduktion von 6,7 Punkten in der         ­Erfolg.
primäre Endunkte: die Änderungen            Patisiran- und eine Zunahme von 14,4
im modifizierten „Neuropathy Impair-        Punkten in der Placebogruppe. Verbes-
ment Score-7“ (mNIS+7; Range: -22,3         serungen im mNIS+7 wurden in 56 %           Literatur:
bis 346,3; höhere Punkte entsprechen        der mit Patisiran behandelten Patienten     1. Finsterer J, Iglseder S, Wanschitz J, et al. Hereditary
                                                                                        transthyretin-related amyloidosis. Acta Neurol Scand 2018;
einer schlechteren Funktion) und im         beobachtet und nur in 4 % in der Pla-       86: 1036.
QOL-DN (siehe oben). In der Inoter-         cebogruppe. Der QOL-DN verbesserte          2. Adams D, Koike H, Slama M, et al. Hereditary transthyre-
sengruppe zeigte sich nur eine geringe      sich in 51,4 % (Patisiran) bzw. 10,4 %      tin amyloidosis: a model of medical progress for a fatal dis-
                                                                                        ease. Nat Rev Neurol 2019; 15 : 387–404.
mittlere Verschlechterung im mNIS+7         (Placebo). In einer prädefinierten kardi-
                                                                                        3. Schmidt HH, Waddington Cruz M, Botteman MF, et al.
(5,8 Punkte) und QOL-DN (1 Punkt),          alen Subpopulation besserten sich unter     Estimating the global prevalence of transthyretin familial
verglichen mit der Placebogruppe (25,5      Patisiran einige echokardiographische       amyloid polyneuropathy. Muscle Nerve 2018; 57: 829–37.
und 12,7 Punkte). Keine Verschlechte-       Parameter und der NT-proBNP-Spiegel         4. Auer-Grumbach M, Duca F, Rettl R, et al. Genetic profiles
rung oder eine Verbesserung wurde für       [25].                                       of patients with hereditary transthyretin amyloidosis in
                                                                                        Austria. Wien Klin Wochenschr 2019; 132: 352–3.
den mNIS+7 und den QOL-DN in 36,5
                                                                                        5. Galant NJ, Westermark P, Higaki JN, et al. Transthyretin
bzw. 50 % in der Inotersen-Gruppe und       Patisiran wird intravenös, alle 3 Wochen    amyloidosis: an under-recognized neuropathy and cardio-
in 19,2 bzw. 26,9 % in der Placebogruppe    in einer Dosis von 0,3 mg/kg verab-         myopathy. Clin Sci 2017; 131: 395–409.

beobachtet. Echokardiographische Pa-        reicht, mit einer maximalen Dosis von       6. Ando Y, Coelho T, Berk JL, et al. Guideline of transthyre-
                                                                                        tin-related hereditary amyloidosis for clinicians. Orphanet
rameter wurden durch Inotersen nicht        30 g. Eine Prämedikation 1 Stunde vor       J Rare Dis 2013; 8: 31.
signifikant beeinflusst [24].               der Infusion ist notwendig (Dexametha-      7. Planté-Bordeneuve V, Said G. Familial amyloid polyneu-
                                            son 10 mg oder Äquivalent iv.; Paracet­     ropathy. Lancet Neurol 2011; 10: 1086–97.

Inotersen wird wöchentlich subkutan in      amol 500 mg p.o.; H1-Blocker i.v., Di-      8. Conceição I, González-Duarte A, Obici L, et al. “Red-
                                                                                        flag” symptom clusters in transthyretin familial amyloid
einer Dosis von 84 mg verabreicht. Häu-     phenhydramin 50 mg oder Äquivalent;         polyneuropathy. J Peripher Nerv Syst 2016; 21: 5–9.
fige Nebenwirkungen sind Übelkeit, Er-      H1-Blocker i.v., Ranitidin 50 oder Äqui-    9. Adams D. Recent advances in the treatment of familial
brechen, Schüttelfrost, Fieber, Anämie,     valent). Häufige Nebenwirkungen waren       amyloid polyneuropathy. Ther Adv Neurol Disord 2013; 6:
                                                                                        129–39.
erniedrigte Thrombozytenwerte bis hin       periphere Ödeme und infusionsbezoge-
                                                                                        10. Kristen AV, Ajroud-Driss S, Conceição I, et al. Patisiran,
zur Thrombozytopenie [24]. Auf Grund        ne Reaktionen. Regelmäßige Kontrollen       an RNAi therapeutic for the treatment of hereditary trans­
seltener Fälle schwerer Thrombozyto-        von Laborwerten sind nicht notwendig.       thyretin-mediated amyloidosis. Neurodegener Dis Manag
                                                                                        2018; 62: 429.
penie und Glomerulonephritis ist eine       Eine orale Supplementierung von etwa
                                                                                        11. Waddington Cruz M, Schmidt H, Botteman MF, et al.
Bestimmung der Thrombozyten alle 2          2.500 IE Vitamin A pro Tag wird emp-        Epidemiological and clinical characteristics of symptomat-
Wochen und eine Kontrolle der Nieren-       fohlen.                                     ic hereditary transthyretin amyloid polyneuropathy: a glob-
                                                                                        al case series. Orphanet J Rare Dis 2019; 1: 34-7.
funktion alle 3 Monate notwendig (siehe
                                                                                        12. Cortese A, Vegezzi E, Lozza A, et al. Diagnostic chal-
Fachinformation). Eine orale Supple-                                                    lenges in hereditary transthyretin amyloidosis with poly-
mentierung von etwa 3.000 IE Vitamin        „„ Zusammenfassung                          neuropathy: avoiding misdiagnosis of a treatable heredi-
                                                                                        tary neuropathy. J Neurol Neurosurg Psychiatr 2017; 88:
A pro Tag wird empfohlen.                                                               457–8.
                                            Zusammenfassend lässt sich sagen, dass      13. Joint Task Force of the EFNS and the PNS. European
Patisiran ist eine „small-interfering       die FAP in nicht-endemischen Regionen       Federation of Neurological Societies/Peripheral Nerve
                                                                                        Society Guideline on management of chronic inflammatory
RNA“, die über Aktivierung des zyto-        eine sehr seltene, aber rasch-progredien-   demyelinating polyradiculoneuropathy: report of a joint
plasmatischen „RNA-induced silencing        te Neuropathie mit verkürzter Lebens-       task force of the European Federation of Neurological
                                                                                        Societies and the Peripheral Nerve Society – First
complex“ (RISC) TTR-mRNA abbaut             erwartung darstellt. Bei jeder rasch-pro-   Revision. J Peripher Nerv Syst 2010; 1: 1–9.
(RNA-Interferenz). Patisiran ist in lipo-   gredienten Neuropathie, für die in den      14. Adams D, Lozeron P, Lacroix C. Amyloid neuropathies.
phile Nanopartikel verpackt, die nach       Routineuntersuchungen keine Ursache         Curr Opin Neurol 2012; 25: 564–72.
Opsonisierung durch Apolipoprotein          gefunden wird, sollte frühzeitig eine       15. Kapoor M, Rossor AM, Jaunmuktane Z, et al. Diagnosis
                                                                                        of amyloid neuropathy. Pract Neurol 2018; 19: 250.
E (ApoE) an ApoE-Rezeptoren von             genetische Testung des TTR-Gens erfol-
                                                                                        16. Gertz MA, Mauermann ML, Grogan M, et al. Advances
Hepatozyten binden und nach Endo-           gen, in Einzelfällen auch eine Nerven-      in the treatment of hereditary transthyretin amyloidosis:
zytose Patisiran ins Zytoplasma frei-       biopsie. Auch wenn eine CIDP nicht auf      A review. Brain Behav 2019; 9 (9): e01371.

146    J NEUROL NEUROCHIR PSYCHIATR 2019; 20 (4)
Aktuelles

17. Ericzon B-G, Wilczek HE, Larsson M, et al. Liver trans-      21. Coelho T, Maia LF, da Silva AM, et al. Long-term effects    Korrespondenz­
plantation for hereditary transthyretin amyloidosis: after 20    of tafamidis for the treatment of transthyretin familial amy-
years still the best therapeutic alternative? Transplantation    loid polyneuropathy. J Neurol 2013; 260: 2802–14.               adresse:
2015; 99: 1847–54.                                               22. Maurer MS, Schwartz JH, Gundapaneni B, et al.               Prof. Dr. Wolfgang
18. Coelho T, Maia LF, Martins da Silva A, et al. Tafamidis      Tafamidis treatment for patients with transthyretin amyloid
for transthyretin familial amyloid polyneuropathy: a rando­      cardiomyopathy. N Engl J Med 2018; 379: 1007–16.                Löscher
mized, controlled trial. Neurology 2012; 79: 785–92.             23. Ackermann EJ, Guo S, Benson MD, et al. Suppressing          Univ-Klinik für
19. Ando Y, Sekijima Y, Obayashi K, et al. Effects of tafamid-   transthyretin production in mice, monkeys and humans
is treatment on transthyretin (TTR) stabilization, efficacy,     using 2nd-Generation antisense oligonucleotides. Amyloid        Neurologie
and safety in Japanese patients with familial amyloid poly-      2016; 23: 148–57.                                               Medizinische Uni­
neuropathy (TTR-FAP) with Val30Met and non-Val30Met: A           24. Benson MD, Waddington Cruz M, Berk JL, et al.
phase III, open-label study. J Neurol Sci 2016; 362: 266–71.     Inotersen treatment for patients with hereditary trans­
                                                                                                                                 versität Innsbruck
20. Planté-Bordeneuve V, Gorram F, Salhi H, et al. Long-         thyretin amyloidosis. N Engl J Med 2018; 379: 22–31.            A-6020 Innsbruck,
term treatment of transthyretin familial amyloid polyneu-        25. Adams D, González-Duarte A, O’Riordan WD, et al.
                                                                 Patisiran, an RNAi therapeutic, for hereditary transthyretin
                                                                                                                                 Anichstraße 35
ropathy with tafamidis: a clinical and neurophysiological
study. J Neurol 2017; 264: 268–76.                               amyloidosis. N Engl J Med 2018; 379: 11–21.                     E-mail: wolfgang.loescher@i-med.ac.at
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