ALLES IM EIMER? WASSER OHNE WEITE WEGE - MAGAZIN PARTNER-SCHAFT

Die Seite wird erstellt Florian Ulrich
 
WEITER LESEN
ALLES IM EIMER? WASSER OHNE WEITE WEGE - MAGAZIN PARTNER-SCHAFT
Nr. 215/März 2014

   MAGAZIN
   PARTNER-
   SCHAFT

  ALLES IM EIMER?
  WASSER OHNE WEITE WEGE
FOKUS Wenn das Wasser fehlt
GUTER GROOVE Knackeboul rappt in Mosambik für Wasser
STILSICHER Designerin entwirft neue Linie für den FairShop
WETTBEWERB 2 Nächte in der Casa Santo Stefano im Malcantone
ALLES IM EIMER? WASSER OHNE WEITE WEGE - MAGAZIN PARTNER-SCHAFT
215 /14 Partnerschaft

INHALT

                                                                                                                                                      © Flurina Rothenberger
PERSPEKTIVEN
Tragende Rollen ................................................................04
KLARTEXT                                                                                                                                  Seite
Wasser ist nicht einfach Privatsache .............................. 05
REPORTAGE
Mosambik: Brunnenwartin im Einsatz ......................... 06
Zielstrebig: Rennen für Wasser
                                                                                                                                          06
                                                                                                                                          REPORTAGE

am Zürich Marathon ....................................................... 12
FOKUS «WENN DAS WASSER FEHLT»
Gefährdetes Gut: Wie Wasser sauber bleibt ................... 13
Geschenk des Himmels: Rettendes Regenwasser ........... 16
Wasserbeat: Viva con Agua
mit Rapper Knackeboul in Mosambik ........................... 17
Partnerschaft: Mit Geberit für sicheres Wasser ............. 18
Gastkommentar: Dany Gehrig, CEO Globetrotter ...... 18
Die nasse Wahrheit: Fakten zum Wassermangel ........... 19
Wasser auf Tour: Mit dem Velo um Afrika ....................20
Mehr erfahren .................................................................... 21
                                                                                                 Sauberes Nass
SCHWEIZ
Über den Tellerrand hinaus:

                                                                                                                                                      © Flurina Rothenberger
Schulklassen in der Helvetas-Ausstellung .................... 23
BLICKPUNKT
Bereichernd: Eine Textillehrerin lässt sich
in Kirgistan inspirieren ................................................... 24
AKTUELL
Mit Bauernfamilien durchs Jahr 2014:
Live auf Facebook ............................................................ 26
Stimmungsbarometer ...................................................... 26
Schweizerisch-afrikanische Theaterfamilie auf Tour ... 27
Rotary-Büchershop unterstützt Wasserprojekte ........... 27
Der Helvetas FairShop ist umgezogen .......................... 27
Nachruf auf ZV-Mitglied Fredi Mink ........................... 28
Wasserfest in Küsnacht..................................................... 28

                                                                                                  200 Mio.
Helvetas engagiert sich in der Alliance 2015 ................ 28
Impressum ........................................................................ 28
Do it yourself: Grüner Frühlingsputz ............................ 29
Wettbewerb: 2 Nächte im Albergo
Casa Santo Stefano im Malcantone zu gewinnen ......... 29
FAIRER HANDEL
Stilsicher: Neue Textilkollektion im FairShop ...............30                                                                           Seite
                                                                                                             So viele Stunden wenden

Titelbild: Flurina Rothenberger
                                                                                                                   mehrheitlich Frauen
                                                                                                           schätzungsweise jeden Tag
                                                                                                                          weltweit auf,
                                                                                                                  um Wasser zu holen.
                                                                                                                                          19
                                                                                                                                           FOKUS

HELVETAS – Handeln für eine bessere Welt
VISION: Wir wollen eine Welt, in der alle Menschen in Würde und Sicherheit selbstbestimmt leben und der Umwelt Sorge tragen.
AUFTRAG: Wir engagieren uns für benachteiligte Menschen und Gemeinschaften in Entwicklungsländern, die ihre Lebens-
bedingungen aktiv verbessern wollen.

                                                                                        2
                                                                                        INHALT
ALLES IM EIMER? WASSER OHNE WEITE WEGE - MAGAZIN PARTNER-SCHAFT
215 /14 Partnerschaft

                                                                     Editorial

                                                                                                                         © Vera Hartmann
                                                  Seite
«Waren die                                        13
Brunnen gebaut,                                     FOKUS

                                             Selbst wo sauberes

galt die Sache                               Wasser aus den
                                             Brunnen kommt,
                                             heisst das noch          Halsbrecherisch

früher für                                   nicht, dass die
                                             Menschen auch
                                             sauberes Wasser
                                                                      Als mir Frauen in Benin auf dem Heim-
                                                                      weg von der Wasserstelle probehal-

Hilfswerke als                               trinken. Was es dafür
                                             braucht, erklärt die
                                             Helvetas-Wasserex-
                                                                      ber einen ihrer prallvollen gelben
                                                                      Wasserkanister auf den Kopf setzten,
                                                                      musste ich lachen. Kein fröhliches,

erledigt.»                                   pertin Valérie Cavin.    nein, ein panisches, fast hysterisches
                                                                      Lachen. Ich hatte sie darum gebeten,
          Valérie Cavin                                               doch nun wurde mir schlagartig klar:
                                                                      Eine falsche Bewegung, und die Last
                                                                      bricht mir das Genick. Ich wäre nicht
                          © Michele Limina

                                                                      in der Lage gewesen, den 20-Liter-
                                                                      Behälter selber wieder abzusetzen.
                                                                      Glücklicherweise erlösten mich die
                                                                      Frauen sofort wieder. Sie fanden es
                                                                      amüsant und etwas seltsam, eine
                                                                      Frau anzutreffen, die nicht mal in der
                                                                      Lage war, die einfachste und essenzi-
                                                                      ellste aller Aufgaben zu bewältigen:
                                                                      Trinkwasser nachhause zu bringen.
                                                                      Seit diesem Erlebnis ist mir wahr-
                                                                      haftig bewusst, was diese Frauen zu
                                                                      tragen haben. Neben dem enormen
                                                                      Zeitverlust und dem oft schmutzigen
                                                                      Wasser spricht also noch ein wei-
                                                                      terer – ganz gewichtiger – Grund
                                                  Seite
Frischer Wind                                    30
                                                                      dafür, die Menschen in den Dörfern
                                                                      mit Brunnen zu versorgen. Von den
                                                                      Nöten und Hoffnungen rund ums
                                              FAIRER HANDEL           tägliche Trinkwasser berichten wir in
                                                                      dieser Ausgabe.
                                             Designerin Eliane        Herzlich
                                             Ceschi hat für
                                             Helvetas eine neue
                                             Linie entworfen, mit
                                             lockeren Schnitten
                                             und verspielten          susanne.straessle@helvetas.org
                                             Details wie einem
                                             zarten Wasser-
                                             tropfen-Design.
                                                                     HELVETAS Swiss Intercooperation
                                                                     Weinbergstrasse 22a,
                                                                     Postfach, CH-8021 Zürich
                                                                     Tel +41 (0)44 368 65 00
                                                                     Fax +41 (0)44 368 65 80
                                                                     info@helvetas.org, www.helvetas.ch
                                                                     PC 80-3130-4

                          3
                      EDITORIAL
ALLES IM EIMER? WASSER OHNE WEITE WEGE - MAGAZIN PARTNER-SCHAFT
215 /14 Partnerschaft

TRAGENDE ROLLEN

                                                                    © Flurina Rothenberger
                                                                    © Keystone/Andreas Frossard

   Wassertragen gehört in Mosambik für viele Frauen und Mädchen zum harten Alltag. In der Schweiz
   müssten wir eigentlich nur den Wasserhahn aufdrehen, und doch lassen es sich viele nicht nehmen,
   Mineralwasserflaschen und Getränkedosen aus dem Supermarkt nachhause zu tragen. Und wer
   über einen Funken grünen Gewissens verfügt, der trägt sie auch bereitwillig wieder zurück zur
   Altglas-, PET- oder Alu-Sammelstelle. Wie die Familie aus Lostorf, die für ihre Sammelaktion im Dorf
   ausgezeichnet wurde. So sorgt unser Bedürfnis nach Abwechslung im Glas dafür, dass das Schlep-
   pen von Trinkvorräten auch im Norden nie ganz verschwindet – während andere sich nichts sehnli-
   cher wünschen als einen eigenen Wasserhahn. –SUS

                                                 4
                                              PERSPEKTIVEN
ALLES IM EIMER? WASSER OHNE WEITE WEGE - MAGAZIN PARTNER-SCHAFT
215 /14 Partnerschaft

WASSER IST KEINE PRIVATSACHE
In Bern haben die Mitglieder von Stadt-     re Leistungsaufträge müssen Rechte und     was immer wieder soziale Unruhen aus-
regierung und Verwaltung beschlossen,       Pflichten aller Beteiligten regeln und     löst. Deshalb steht Helvetas der Privati-
in ihren Sitzungen nur noch Hahnen-         diese von unabhängiger Seite überprüft     sierung grösserer Versorgungen kritisch
wasser zu trinken. Die öffentliche Ab-      werden. Eine solche lokale Partnerschaft   gegenüber. Insbesondere setzen wir uns
sage der «blue community» an Mine-          kann die Wasserversorgung effektiv ver-    für eine transparente Rechenschaftsle-
ralwasser in Flaschen hat in der ganzen     bessern und die Entwicklung lokaler        gung in der Wasserversorgung ein, ob
Schweiz für Schlagzeilen gesorgt, und       KMUs stärken. Wir kennen aus unseren       öffentlich oder privat.
der Schweizer Mineralwasserverband          Programmen Beispiele dafür.                        Zu einer effizienten Versorgung
verstieg sich zur Behauptung, in Bern               In grösseren Städten aber birgt    leisten Initiativen wie die der Stadt Bern
herrschten «nordkoreanische Zustän-         die Zusammenarbeit zwischen einem          zwar keinen direkten Beitrag. Es nützt
de». Das sind harte Worte für etwas, das    zu schwachen Staat und zu starken Fir-     Menschen im Süden nicht unmittel-
in vielen Schweizer Haushalten selbst-      men zahlreiche Gefahren für die Nutzer.    bar, wenn wir weniger Flaschenwasser
verständlich ist: 80 Prozent aller Ein-     Denn Wasser ist in den Augen vieler        trinken. Aber es schärft das kritische
                                            Analysten die wertvollste Ressource des    Bewusstsein für unseren energieintensi-
                                            21. Jahrhunderts, das fördert Begehr-      ven Lebensstil und den allzu sorglosen
 «Ein zu schwacher Staat                    lichkeiten. Internationale Grosskonzer-    Umgang mit einem wertvollen Gut. Das
                                            ne versuchen, sich exklusive Rechte an     erinnert uns daran, dass sauberes Was-
 und zu starke Firmen –                     wichtigen Quellen zu sichern. Zwischen     ser für viele Menschen alles andere als
 das birgt Gefahren für                     staatlichen und privaten Akteuren kann     selbstverständlich ist.
 die Wassernutzer.»                         es zu unguten Verbandelungen kom-
                                            men. Die Erfahrung in privat betriebe-
                                            nen Wasserversorgungen von Manila bis
wohnerinnen und Einwohner geben an,         Buenos Aires zeigt, dass private Firmen
daheim regelmässig Hahnenwasser zu          zu wenig in den Unterhalt und kaum in
trinken.                                    den Ausbau der Netze investieren. Meist    Melchior Lengsfeld, Geschäftsleiter von
        Für 768 Millionen Menschen ist      kommt es auch zu steigenden Tarifen,       HELVETAS Swiss Intercooperation
das ein frommer Wunsch, denn sie ha-
ben keinen Zugang zu sauberem Trink-
wasser. Ihr Menschenrecht auf Wasser
wird missachtet. Nicht, weil es für sie
kein Wasser gäbe, sondern weil die öf-
fentliche Hand in ihrem Land nicht in
der Lage ist, sie damit zu versorgen. Es
fehlt an guter Planung und Verwaltung,
an Mitteln und Know-how. Wäre der
Privatsektor nicht besser geeignet, die
Erschliessung von Wasservorkommen
und die Verteilung zu übernehmen? Die
Frage ist nicht einfach mit Ja oder Nein
zu beantworten.
        Auf lokaler Ebene, in einer länd-
lichen Kleinstadt etwa, kann eine so
genannte «Public Private Partnership»
zwischen Behörden und Privatunterneh-
men für alle gewinnbringend sein, wenn
in der lokalen Verwaltung entsprechen-
de Kompetenzen fehlen. Allerdings nur
dort, wo die öffentliche Hand eine wirk-
same Kontrolle über das Wasser behält
                                                                                                                                           © Maurice K. Grünig

und die Privaten einzig die Verteilung
des Wassers, unter Umständen noch den
Unterhalt des Netzes, übernehmen. Kla-

                                                             5
                                                           KLARTEXT
ALLES IM EIMER? WASSER OHNE WEITE WEGE - MAGAZIN PARTNER-SCHAFT
Für das saubere Brunnenwasser direkt im Dorf entrichten viele Frauen bereitwillig den Wasserpreis.
ALLES IM EIMER? WASSER OHNE WEITE WEGE - MAGAZIN PARTNER-SCHAFT
215 /14 Partnerschaft

WASSERFRAU

  Die Kinder von Marieta Khuluvela müssen den langen Weg nicht mehr auf
  sich nehmen, den ihre Mutter so oft gegangen ist. Als Brunnenwartin
  sorgt Marieta dafür, dass die Menschen im Dorf Naua in Mosambik immer
  sauberes Wasser bekommen. Was sie damit verdient, kann die Familie
  gut gebrauchen.

Von Hanspeter Bundi (Text) und Flurina Rothenberger (Fotos)

Dreimal in der Woche ist Marieta Khuluvela die wichtigste         Töchter Rosa und Elsa geweckt und sich eine saubere Katenge
Frau in Naua. Dann nämlich, wenn sie am Morgen den Brun-          umgebunden, denn ihrer Meinung nach gehört es sich nicht,
nen in Betrieb nimmt. Es ist fünf Uhr. Marieta nestelt einen      dass die Brunnenwartin von Naua ihr Amt in schmutzigen
kleinen Schlüssel aus den Falten ihrer Katenge, des farbigen      Kleidern versieht.
Wickeltuchs, und öffnet das Vorhängeschloss, das den Arm                  Rosa und Elsa haben Schulferien. Deshalb kochen die
der Pumpe blockiert. Marieta ist früher dran als sonst, denn      neun- und zwölfjährigen Mädchen heute das Frühstück, Kar-
mit dem Beginn der Regenzeit wollen viele Frauen die Haus-        toffeln vor allem, die mit Salz oder mit etwas Zucker geges-
arbeit so zeitig wie möglich erledigen und zur Machamba auf-      sen werden. Sie wischen die festgestampfte Erde rund um das
brechen, dem oft weit entfernten Feld der Familie. Einige ha-     Haus, sie machen die Latrine sauber, sie waschen die Kleider,
ben ihre Kanister und Kübel bereits aufgestellt. Marieta drückt   langsam alles, ohne Hast, fast spielerisch. Früher war das an-
den Arm der Pumpe einige Male nach unten, bis klares Wasser       ders. Da war es in vielen Familien selbstverständlich, dass die
in den Kanister unter dem Ausfluss sprudelt. Es ist der erste     Mädchen ihre Mutter zu den Wasserlöchern des Rio Tikitini-
von dreihundert oder vierhundert Kanistern und Kübeln, die        me oder des Rio Malembe begleiteten und einen kleinen Ka-
im Lauf des Tages hier gefüllt werden.                            nister mit Wasser heimtrugen. Die Wasserstelle am Tikitinime
                                                                  liegt etwa 20 Minuten vom Dorf entfernt, doch das Wasser ist
Weite Wege zu schmutzigen Flüssen                                 bitter. Zum süssen Wasser des Malembe mussten die Frauen
Marieta Khuluvela ist schon seit vier Uhr auf den Beinen. Der     dreimal so lange gehen, eine Stunde hin, eine zurück. Sauber
erste Weg des Tages hat die Mittvierzigerin zum Brunnen ge-       ist das Wasser weder bei der einen noch bei der anderen Was-
führt. Während ihr Mann Arlindo zur Machamba gegangen             serstelle.
ist, hat sie Blätter aus der Betonwanne gewischt, einen Mango-            Rosa und Elsa haben die Mühsal des Wassertragens
kern herausgeklaubt, den ein Kind dort hat fallen lassen, und     nicht mehr erlebt. Als der Brunnen von Naua gebaut wurde,
sie hat den rotbraunen Staub weggespült, die Erde, die hier       waren sie noch zu klein. Doch 71 Prozent der ländlichen Be-
überall liegt und die Landschaft ebenso prägt wie die Häuser.     völkerung Mosambiks haben auch heute noch keinen Zugang
Dann ist sie zurück zu ihrem Haus gegangen, hat ihre beiden       zu sauberem Trinkwasser. Frauen und Mädchen müssen jeden

                                                             7
                                                           REPORTAGE
ALLES IM EIMER? WASSER OHNE WEITE WEGE - MAGAZIN PARTNER-SCHAFT
215 /14 Partnerschaft

Tag weite Wege gehen, um Wasser für die Familie zu holen. Da- die Häuser draussen auf dem Land. Lehmwände, die um Ge-
runter leidet die Schulbildung. 57 Prozent der Frauen können rippe aus Bambusrohren hochgezogen werden, grasgedeckte
weder lesen noch schreiben. Bei den Männern sind es nur halb Walmdächer, ein, zwei winzige Fenster, deren Läden kaum je
so viele.                                                        aufgestossen werden. Da ist nur wenig, was auf das 21. Jahr-
        Beim Brunnen von Naua ist die Sonne aufgegangen. hundert hinweist: hin und wieder ein Fahrrad, der Rufton eines
Die Schatten der Bäume, der Menschen und der Häuser sind Handys, selten einmal ein Auto, der Brunnen schliesslich und
noch lang, die Luft ist angenehm warm. Doch schon in zwei die vielen Plastikbehälter, die von den Frauen hergebracht wor-
Stunden wird es heiss sein.                                                                       den sind.
Die Frauen werden im                                                                                      Vor mehr als sieben
Schatten warten, bis die Rei-                                                                     Jahren  hatte sich das Dorf-
he an ihnen ist. Die Frau des       «Wir haben es besser als unsere                               komitee   mit der Bitte um
Gemeindevorstehers wird             Eltern,    und     unsere  Kinder     sollen     es           einen  Brunnen    an die Di-
sich vordrängen wie immer,                                                                        striktverwaltung    gewandt.
und die anderen werden sie          noch     einmal      besser haben.»                           Zusammen    mit  Helvetas, die
                                                               Marieta Khuluvela, Brunnenwartin
zurechtweisen, ebenfalls wie                                                                      in  dem  mosambikanischen
immer. Es ist auch schon                                                                          Wasserprojekt eng mit den
vorgekommen, dass sie den                                                                         lokalen Behörden zusam-
Aufseher rufen mussten, den Dorfpolizisten von Naua, der menarbeitet, wurde die Anfrage geprüft. Die Familien von
bei Streitigkeiten einschreitet, doch heute bleibt die Stimmung Naua sammelten einen ersten, kleinen Beitrag an das wichtige
entspannt.                                                       Werk, und seit 2007 können sich am Brunnen 520 Familien mit
        Naua ist Teil eines Strassenstädtchens in der Provinz sauberem Trinkwasser versorgen. Sie haben ein Wasserkomitee
Cabo Delgado im Norden Mosambiks und zugleich ein in sich gewählt, das für den Unterhalt des Brunnens zuständig ist, und
geschlossenes Dorf. Die Lehmhäuser sind genau so gebaut wie vor einem halben Jahr haben sie bestimmt, dass Marieta als

Am Morgen ist der Andrang gross. Der Brunnen ist auch ein Ort, wo Neuigkeiten die Runde machen und man sich mit Nachbarinnen austauscht.

                                                                 8
                                                             REPORTAGE
                                                             REPORTAGE
ALLES IM EIMER? WASSER OHNE WEITE WEGE - MAGAZIN PARTNER-SCHAFT
215 /14 Partnerschaft

Marieta erhält als Lohn einen kleinen Teil der Einnahmen, der Rest   Sauberes Wasser ist vor allem für die Kinder unverzichtbar, das
fliesst in den Unterhalt des Brunnens.                               wissen die Mütter in Naua.

eine von zwei Brunnenwartinnen das Wassergeld einkassieren           geschieht. Alles andere würde in Mosambik, wo auf allen Ver-
soll. Das System ist einfach. Für jeden gefüllten Behälter ver-      waltungsebenen Geld verschwindet, zu Geschwätz und bösen
langt Marieta einen Metical bar auf die Hand. Diese drei Rap-        Vermutungen führen. Aus dem gleichen Grund führt Marieta
pen sind zwar kein Vermögen, aber für viele doch ein Betrag,         auch den Relatório, das Buch, in dem alle Wassereinnahmen
der ins Gewicht fällt. Trotzdem bezahlen die Frauen, ohne zu         vermerkt sind. Das Wasserkomitee kontrolliert ihre Buchfüh-
murren. Das Wasser aus dem Brunnen schmeckt gut. Wer es              rung, verwaltet das Wassergeld und beschliesst, wann welche
sich leisten kann und will, holt alles Wasser beim Brunnen.          Reparaturen auszuführen sind.
                                                                            Das läuft nicht immer korrekt ab. Letztes Jahr zum
Unsaubere Geschäfte verhindern                                       Beispiel zweigte der damalige Präsident des Wasserkomitees
Als Brunnenwartin und Kassiererin erhält Marieta 15 Prozent          Geld für sich selber ab. Der Administrator der regionalen Was-
der Bruttoeinnahmen, der Rest dient dem Unterhalt. Die 45            serbehörde musste eingreifen und ihm den Zugang zur Kasse
Meticais entsprechen dem Lohn eines landwirtschaftlichen             sperren. Marieta erzählt gelassen davon. Es gehört zum mo-
Tagelöhners. Für dieses Entgelt hält sie den Brunnen den gan-        sambikanischen Alltag, dass jemand seine Stellung dazu miss-
zen Tag über offen, von morgens um fünf oder sechs bis zum           braucht, öffentliches Geld in die eigenen Taschen zu leiten.
Einbruch der Dunkelheit. Marieta ist die ideale Person für das
Amt. Sie wohnt in Rufweite und kann am Mittag, wenn der              Das andere Mosambik auf der Überholspur
grosse Ansturm vorbei ist, den Brunnen für kurze Zeit schlies-       Wir sitzen im Schatten von Marietas Haus. Vom Bambusvor-
sen. Damit ihr neben dem Brunnen auch noch Zeit für die              hang her ist das Kichern von Rosa und Elsa zu hören, die sich
Feldarbeit bleibt, arbeitet Marieta nur drei Tage pro Woche als      im Vorraum der Latrine das Gesicht waschen und sich dabei
Brunnenwartin.                                                       fotografieren lassen. Von der «Nacional 242» kommt gedämpft
        Um in Ruhe mit uns sprechen zu können, hat sie ihre          das Dröhnen von Lastwagen, die zu den Minen von Montepu-
Stellvertreterin gebeten, den Brunnen offen zu halten. «Selbst-      ez unterwegs sind.
verständlich muss auch ich für das Wasser zahlen», sagt sie.                Die Lastwagen sind Teil einer Wirtschaft, die jedes
«Ich zahle jeweils direkt an die Präsidentin des Wasserkomi-         Jahr um acht Prozent wächst. Der Boom wird Teile des Lan-
tees.» Marieta ist sehr darauf bedacht, dass dies vor Zeugen         des zwar in ein anderes Zeitalter katapultieren, doch bis jetzt

                                                                     9
                                                                REPORTAGE
ALLES IM EIMER? WASSER OHNE WEITE WEGE - MAGAZIN PARTNER-SCHAFT
215 /14 Partnerschaft

Naua ist ein typisches mosambikanisches Strassendorf. Weil es eine Schule und einen Brunnen gibt, lässt es sich hier gut leben.

hängt dieser Boom ganz vom Export von Rohstoffen ab. Ein               stadt. Patchwork nach mosambikanischer Art. Marieta sagt:
Bauer findet auf seinem Feld Rubine. Graphitminen werden               «Am wichtigsten ist es, einen guten Mann zu haben.» Einen,
eröffnet. Gold, Kohle, Erdöl werden gefördert. Vor den Küsten          der bei der Familie bleibt. Einen, der gern in der Machamba
im Norden liegen 1’500 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Das ist           arbeitet. Einen, der nicht trinkt und sich nicht zu schade ist,
mehr als im legendären norwegischen Gasfeld «Troll», einem             am Abend Holz mit nach Hause zu tragen. Sie hat es gut ge-
der grössten der Welt.                                                 troffen. Seit vielen Jahren ist sie mit ihrem Mann zusammen.
        Eigentlich sollten die Erträge aus dem Rohstoffsektor
dem Volk zugute kommen. So jedenfalls steht es im Gesetz.
Doch bisher deutet wenig darauf hin, dass dies auch so ist. Die
herrschende FRELIMO hat die Verträge zwischen dem Staat
und den Rohstofffirmen (der amerikanischen Anadrako, der
italienischen ENI und der norwegischen Statoil) als geheim de-
klariert. Eine Zivilgesellschaft, die eine Einhaltung der Geset-
ze einfordern könnte, gibt es nicht, und Beobachter vermuten,
dass die Rohstoffgeschäfte in Mosambik ähnlich abgewickelt
werden wie in Angola, der zweiten früheren portugiesischen
Kolonie im Süden Afrikas. Dort haben die Bodenschätze eine
sehr kleine Schicht sehr reich gemacht. Die arme Bevölkerung
hingegen ist arm geblieben.

                                                                            neu
Erinnerungen an wasserlose Zeiten
Marieta Khuluvela ist in Naua aufgewachsen, suchte in der
Stadt vergeblich ein besseres Leben, und nach dem Tod ihrer
Mutter kehrte sie nach Naua zurück. Zusammen mit ihrem
Mann übernahm sie die beiden Felder der Mutter. «In der
Stadt sitzt man nur da und tut nichts», sagt Marieta.
        Es ist eine Migrationsgeschichte, wie man sie in Mo-
sambik auch in den Dörfern häufig findet. Eine der Folgen
davon sind komplizierte Familienverhältnisse. Männer lassen
ihre erste Frau mit den Kindern sitzen und gründen formlos
eine neue Familie. Oder sie gehen in der besten Absicht, die
Familie zu unterstützen, in die Städte und kümmern sich dann
doch nicht um sie. Junge Mädchen haben ein Kind von einem
Mann, der schon längst weitergezogen ist. Kinder von Bauern-
familien leben bei ihren Verwandten in der Stadt. Im nahen             Marieta reinigt die Latrine. Als Brunnenwartin weiss sie, wie wichtig
Pemba oder in Beira oder sogar in der weit entfernten Haupt-           Hygiene ist.

                                                                10
                                                               REPORTAGE
215 /14 Partnerschaft

Neben Maniok, Süsskartoffeln, Mais und Bohnen pflanzen sie
                                                                       3      Fragen an Karin Voigt, Regional-
                                                                              koordinatorin in Cabo Delgado
auf einem Stück von vielleicht zwanzig Aren sogar Reis an. Das
kann nicht jede Familie von sich sagen.                                Marieta Khuluvela erzählt,
        Marieta sieht auch über die eigene Familie hinaus.             dass der Brunnen von Naua
«Nicht nur uns, auch vielen anderen geht es besser», sagt sie.         letztes Jahr nach einer Panne
«Jetzt ist etwas Geld da. Jetzt können wir uns Sachen kaufen.          innert nur drei Tagen repariert
Schuhe, Töpfe und Teller. Das gab es früher nicht. Wir haben es        wurde. Ist das Wasserkomitee
besser als unsere Eltern, und unsere Kinder sollen es noch ein-        von Naua besonders initiativ?
mal besser haben.» Rosa und Elsa haben klare Vorstellungen             Meine Erfahrung zeigt, dass da
von ihrer Zukunft. Rosa möchte Schuldirektorin werden, und             meistens eine starke, entschlos-
Elsa will in einem Spital arbeiten. Die Mutter hört das gern.          sene Persönlichkeit dahinter-
Sie selber hätte nicht im Traum an eine Berufsbildung den-             steht. Das kann ein Dorfchef
ken können. «Wenn die Mädchen die Möglichkeit haben, ihr               sein. Oder der Präsident des Wasserkomitees. Engagierte
Leben zu verbessern, sollen sie das tun», sagt sie. «Hier oder         Menschen, die das Grundrecht auf Wasser nicht für selbst-
in der Stadt.»                                                         verständlich nehmen, sondern sich selber darum kümmern.
        Marieta aber wird im Dorf bleiben. «Es ist gut, in Naua
zu leben. Hier haben wir alles, was wir brauchen», sagt sie.           Soll man also besser auf Einzelne statt auf das Verant-
Mit «alles» meint sie ein Haus, ein Feld, eine Schule und den          wortungsgefühl einer Gemeinschaft setzen?
                                                                       Das nicht, denn beim Wasser geht es nicht um eine kleine
                                                                       Gruppe, die wie Bauern oder Kleinsparerinnen ihre eige-
                                                                       nen Interessen vertritt, sondern um die gesamte Dorfge-
                                                                       meinschaft. Diese Dorfgemeinschaft ist aber in Mosambik
                                                                       nicht organisiert. Deshalb ist die Rolle der lokalen Behör-
                                                                       den ebenso wichtig. Auch hier finden sich viele engagierte
                                                                       Menschen, die nicht einfach nur ihren eigenen Job, son-
                                                                       dern das Wohl der Menschen eines Dorfes, eines Bezirks
                                                                       oder der Provinz im Auge haben. Mit ihnen arbeiten wir eng
                                                                       zusammen.

                                                                       Würde am besten der Staat alle Verantwortung über-
                                                                       nehmen?
                                                                       Nein. Der Staat und die Menschen, die in diesem Staat
                                                                       leben. In unseren Latrinenprogrammen sehe ich, dass
                                                                       die Familien die Latrinen sorgfältig und mit viel Liebe zum
                                                                       Detail bauen und unterhalten, ohne dafür Geld oder ande-
                                                                       re materielle Vorteile zu erwarten. Sie fühlen sich für ihre
                                                                       Latrinen verantwortlich. Dieses Verantwortungsgefühl
                                                                       müssen wir stärken. Sei das im privaten Bereich oder mit
                                                                       der Förderung der Zusammenarbeit zwischen der öffentli-
                                                                       chen Hand und lokalen Unternehmern. So entstehen mitt-
                                                                       lere, kleine und kleinste Unternehmen, die ihr Geld damit
                                                                       verdienen, dass sie zum Beispiel lokale Wassersysteme
                                                                       betreiben und warten.

                                                                      Brunnen. Vor einem Jahr hat ein Schaden am Brunnen gezeigt,
                                                                      wie mühsam das Leben ohne ihn wäre. Wie früher mussten
                                                                      die Frauen wieder zum Tikitinime oder zum Malembe hin-
                                                                      ausgehen, um dort trübes Wasser zu schöpfen. «Der Defekt
                                                                      hat allen gezeigt, wie gut und wichtig der Brunnen ist», sagt
                                                                      Marieta. «Den Mädchen, die nur ein Leben mit dem Brunnen
In der schulfreien Zeit helfen die Mädchen im Haushalt, während die   kennen. Und auch den Müttern, die alle früheren Mühen ver-
Mutter am Brunnen arbeitet.                                           gessen hatten.»

                                                               11
                                                                REPORTAGE
215 /14 Partnerschaft

            LAUFEN FÜR EINE BESSERE WELT
                  Setzen Sie sich neben Ihrem sportlichen auch ein ideelles Ziel:
                                                                                                           Zürich Marathon:
                  Laufen Sie für Schulkinder in Benin.
                                                                                                           Letzte Chance zum Anmelden!
© Marc Weiler

                                                                                                           Sie möchten als Helvetas Charity
                                                                                                           Runner am Zürich Marathon, Team
                                                                                                           Run oder City Run laufen und haben
                                                                                                           noch keinen Startplatz? Melden Sie
                                                                                                           sich bis 31. März bei:
                                                                                                           christine.bill@helvetas.org
                                                                                                           Als Helvetas Charity Runner kom-
                                                                                                           men Sie in den Genuss zahlreicher
                                                                                                           Extras: Funktionales Helvetas Cha-
                                                                                                           rity Runner T-Shirt, Startnummern-
                                                                                                           bezug am VIP-Schalter, eigene Gar-
                                                                                                           derobe und Duschmöglichkeit nahe
                                                                                                           Start-/Zielgelände sowie attraktive
                                                                                                           Überraschungen am Lauftag.

                Von Christine Bill                         sammeln Sie so Geld für Brunnen an            Videos dokumentieren und Ihre Freun-
                                                           Schulen in Benin. Mit 30 Franken er-          dinnen und Freunde zum Mitmachen
                Sportliche Höchstleistung und sozia-       möglichen Sie einem Kind Zugang zu            und Spenden einladen.
                les Engagement in einem. Das bieten        sauberem Trinkwasser. Als Dank wer-                   Übrigens: auf www.Mein-Ziel.ch
                Veranstaltungen wie der London oder        den wir und unser Sponsor Valais mit          können Sie auch mit anderen sportlichen
                Berlin Marathon ihren Teilnehmern be-      attraktiven Extras dafür sorgen, dass der     Aktivitäten Gutes tun. Setzen Sie sich Ihr
                reits an. Helvetas bringt diese Form des   Zürich Marathon für Sie besonders an-         eigenes Ziel: Besteigen Sie einen Berg, ra-
                Spendensammelns als erste Organisati-      genehm wird.                                  deln Sie um einen See oder laufen Sie quer
                on auch in die Schweiz. Der Zürich Ma-             Auf unserer Online-Sammel-            durch die Schweiz. Alles ist möglich.
                rathon macht am 6. April den Anfang.       plattform www.Mein-Ziel.ch starten Sie        www.Mein-Ziel.ch
                        Laufen Sie mit als Helvetas Cha-   mit wenigen Klicks Ihre eigene Sammel-
                rity Runner, lassen Sie sich von Freun-    aktion. Sie können dort Ihr Training
                den und Bekannten «sponsern» und           und Ihren Lauf mit Bildern, Texten und

                                                                                                         bin 2005 meinen ersten Marathon ge-
                  Laufend engagiert                               Richard Gerster,
                                                             Entwicklungsexperte,                        laufen. 2014 setzt es ein kleines Jubi-
                                                             Publizist und Mitglied                      läum: mein 10. Zürich Marathon. Dafür
                  Warum laufen Sie am                        des Zentralvorstands                        trainiere ich gut 50 km pro Woche.
                                                                      von Helvetas
                  Zürich Marathon als                                                                    Laufen ist aber nicht nur Anstrengung:
                  Helvetas Charity Runner?                                                               Die Gedanken fliessen ungefiltert, und
                  Ich kann damit zwei persönliche Lei-                                                   am Ende eines guten Laufs schwebst
                  denschaften verbinden: das Laufen in     lichkeit, in Benin ist das für viele Kinder   du auf Wolke sieben.
                  meiner Freizeit mit meinem beruflichen   nicht der Fall. Ob sie gesund aufwach-
                  Engagement für mehr Gerechtigkeit        sen können, ist oft ungewiss. Ich kenne       Haben Sie sich ein persönliches
                  und die Entwicklungszusammenarbeit.      Benin von beruflichen Aufenthalten. Als       Ziel gesetzt, sportlich oder für die
                                                           stabiler, überschaubarer Kleinstaat ist       Sammelaktion?
                  Gesammelt wird für ein Wasserpro-        Benin ein attraktives Partnerland. Und        Mit 68 ist es nicht mehr selbstver-
                  jekt in Benin. Für Sie ein motivieren-   die Projekte von Helvetas setzen bei          ständlich, 42 km joggen zu können.
                  des Ziel?                                den drängenden Problemen der Bevöl-           So hoffe ich einfach, das Ziel zu er-
                  In der Schweiz geniessen wir das Pri-    kerung an.                                    reichen. Und wenn dadurch erst noch
                  vileg der Geburt: Für meine Kinder                                                     Menschen in Benin sauberes Trink-
                  und Enkel ist der Zugang zu saube-       Laufen Sie regelmässig Marathons?             wasser bekommen, stellt mich das
                  rem Trinkwasser eine Selbstverständ-     Mit Laufen habe ich spät begonnen und         doppelt auf. –SUS

                                                                           12
                                                                           SCHWEIZ
215 /14 Partnerschaft

FOKUS                                                                                     Wenn das Wasser fehlt

GEFÄHRDETES WASSER
  Mit Brunnen allein ist es nicht getan. Nur wo das Wasser sicher ist, sind es auch die Menschen.
  Dafür braucht es Schutzmassnahmen, praxistaugliche Wasserreinigung und Aufklärung – über
  Hygiene, aber auch über die Vorteile von Prestige und Komfort.

                                                                                                                                           © Simon B. Opladen
                                             gebaut, galt die Sache für die Hilfswer-
Von Susanne Strässle                         ke früher als erledigt», sagt Valérie Ca-
                                             vin, Wasserexpertin bei Helvetas. «Man
Wenn Assana in Benin mit ihrer Schwes-       nahm einfach an, dass sauberes Brun-
ter Mariam Wasser holt, dann nimmt sie       nenwasser auch sauberes Trinkwasser
den gelben Kanister mit, der seit Jahren     im Haus bedeutet.» Qualitätsprüfungen
im Einsatz ist. Dass sich darin schädli-     waren selten. So genau wollten das viele
che Bakterien ansiedeln können, weiss        gar nicht wissen.
sie nicht. Mariam trägt eine offene Was-            Helvetas schaut heute genau hin.
serschüssel über die staubigen Strassen      Auch auf kritische Resultate. Misst man
nach Hause. Dort schütten beide das          an der Wasserstelle, ist der Unterschied
Wasser in einen offenen Tontopf, in dem      der Wasserqualität zwischen Dörfern
es bis zum Gebrauch lagert. Reinigen         mit und ohne Pumpbrunnen deutlich.
lässt sich dieser kaum. Aus dem Topf         Prüft man das Wasser aber zuhause bei
schöpfen alle Familienmitglieder, da-        den Familien, etwa in den grossen Töp-
bei kommen auch ihre Hände mit dem           fen, in denen es oft aufbewahrt wird,
Trinkwasser in Kontakt. Hände, die sie       schwindet dieser «Vorsprung» drastisch.
nicht gut reinigen können, weil es neben     Auch Helvetas hat längst erkannt, dass
ihrer Latrine keine Waschgelegenheit         Hygiene und Verhaltensänderungen viel
gibt. Viele andere im Dorf haben noch        entscheidender sind, als NGOs früher
nicht mal eine Latrine. Und wie sauber       dachten. «Natürlich, das Ingenieurwis-       In offenen Tontöpfen bleibt das Trinkwasser
ist schliesslich der Becher, aus dem Assa-   sen ist wichtig», betont Valérie Cavin.      oft nicht sauber.
na trinkt, wenn sie durstig ist?             Wo gibt es überhaupt Wasser? Wie fasst
        Wasser ist stets gefährdet. Und                                                   man Quellen? Wie wird die Arbeit, wie
mit ihm sind es die Menschen. Auch wo                                                     das knappe Gut gerecht verteilt? All die-
Wasser vorhanden ist, ist es noch längst                                                  se Fragen müssen geklärt werden. «Aber
nicht sauber. Selbst wo Wasser keimfrei       «Früher nahm man ein-                       die Menschen werden trotzdem krank,
aus der Pumpe sprudelt, bedeutet dies         fach an, dass sauberes                      wenn sie ihr Wasser nicht schützen kön-
noch lange nicht, dass die Leute auch                                                     nen. Und das ist in warmen Ländern, wo
gesundes Wasser trinken.
                                              Brunnenwasser auch                          die Leute ohne Wassertanks, Hähne und
                                              sauberes Trinkwasser                        Seifen in strohgedeckten Lehmhütten le-
Auch Hilfswerke lernen dazu                   im Haus bedeutet.»                          ben, viel schwieriger.»
Das müssen nicht nur die Menschen vor                                                             Deshalb erklären die Projekt-
                                                 Valérie Cavin, Helvetas-Wasserexpertin
Ort lernen, sondern auch Entwicklungs-                                                    mitarbeitenden den Leuten, wie sie ihre
organisationen. «Waren die Brunnen                                                        Gerätschaften reinigen können oder wa-

                                                             13
                                                              FOKUS
215 /14 Partnerschaft

                     rum Wasserbehälter Deckel brauchen.                                                        wie kleine Kläranlagen funktionieren.
                     Sie zeigen auf, warum Händewaschen                                                         Wo das Wasser von Natur aus mit Ar-
                     so wichtig ist. Und es werden einfache,                                                    sen belastet ist, wie in Nepal oder Ban-
                     lokal produzierte Lösungen eingeführt,                                                     gladesch, wird eine Schicht Nägel einge-
                     die Abhilfe schaffen: Kleine Hähne an                                                      fügt, da Eisen das Arsen bindet.
                     den nun gedeckten Wasservorratstöpfen                                                              Diese Methoden können die Fa-
                     verhindern, dass beim Schöpfen Kei-                                                        milien direkt im Haus anwenden, und
                     me hineingelangen. Latrinen werden                                                         doch müssen auch sie erst verstanden
                     ausgehoben und gleich daneben Hand-                                                        und akzeptiert werden, um wirksam
                     waschgelegenheiten geschaffen. Wo                                                          zu sein. Hygienewissen darf nicht als
                     keine Zapfstelle in der Nähe ist, kann                                                     selbstverständlich vorausgesetzt wer-
                     ein Eimer mit Wasserhahn dem Hän-                                                          den. Es braucht Aufklärung. Nicht un-
                     dewaschen dienen. Noch einfacher geht                                                      ähnlich dem Zähneputzen bei uns, das
                     es mit einer gefüllten PET-Flasche mit                                                     erst durch die Schulzahnpflege breit im
                     Löchern im Deckel, die ähnlich wie eine                                                    Bewusstsein verankert wurde.
                     Giesskanne benutzt wird, oder ganz ein-
                                                                                                 6 Std.
                     fach mit Krug und Wasserbecken, wenn                                                       Punkten mit Prestige
                     jemand dabei assistieren kann.              Bei der SODIS-Methode entkeimt Sonnen-         Noch eine entscheidende – und über-
                                                                 licht das Wasser in PET-Flaschen.              raschende – Einsicht haben NGOs in
                     Wasser entkeimen leicht gemacht                                                            Sachen Hygieneaufklärung erst kürzlich
                     Wo das Wasser selbst am Brunnen oder        destens sechs Stunden dem Sonnenlicht          gewonnen. Gesundheit mag das wich-
                     ab dem Hahn nicht keimfrei ist, sind zu-    ausgesetzt. Die UV-Strahlen töten die          tigste Argument für den hygienischen
                     sätzliche Reinigungsmethoden oder Fil-      Keime zuverlässig ab. Anderenorts kom-         Umgang mit Wasser sein, doch für die
                     ter unverzichtbar. «Damit soll das Was-     men Keramikfilter aus lokaler Produkti-        lokale Bevölkerung sind es oft nicht diese
                     ser direkt vor dem Gebrauch gereinigt       on zum Einsatz. Oder eine Chlorlösung,         für sie recht abstrakten Zusammenhän-
                     werden», sagt die Wasserexpertin. «Jede     die vor Ort produziert werden kann, in-        ge, die sie am meisten überzeugen. Va-
                     Lagerung birgt neue Risiken.» Auch hier     dem man mit Strom Kochsalz (NaCl) in           lérie Cavin erstaunt das nicht: «An man-
                     bieten sich günstige Wege an. Etwa die      Chlor und Natrium spaltet. Einfach ist         chen Orten ist Durchfall bei Kindern so
                     SODIS-Methode: Verunreinigtes Wasser        auch die Herstellung von Sandfiltern mit       verbreitet, dass man ihn als normale Be-
                     wird in PET-Flaschen gefüllt und min-       einer organischen Schlammschicht, die          gleiterscheinung der Kinderjahre sieht,
© Simon B. Opladen

                                                                                                                                                             © HELVETAS Swiss Intercooperation

                     SODIS-Wasserreinigung wird in Bolivien an   In Nepal haben Familien dank lokal hergestellten Sandfiltern sauberes Wasser direkt bei
                     Schulen praktiziert.                        ihrem Haus.

                                                                                 14FOKUS
215 /14 Partnerschaft

                                                              beres Wasser anbieten zu können, ist das
                                                              eine starke Motivation. Wenn angesehe-            0,5 l Wasser      (Solar-)Strom
                                             Deckel           ne Mitbürger eine Methode anwenden,
                                                              trägt das entscheidend zur Akzeptanz
                                                              bei. Ebenso überzeugend sind Kom-
                  Kontaminiertes                              fortargumente. «Es hilft zu argumen-
                         Wasser                                                                                                      40 ml
                                                              tieren, dass Hände nach dem Waschen                                    gesättigte
                         Schlamm                              gut riechen. Dass ein Latrinenhäuschen                                 Salzlösung
                                                              auch vor Regen und Blicken schützt.
                             Sand                             Und Kinder verstehen, dass ihre Bücher
                                                              schön bleiben, wenn die Finger sauber
                       Kiesel fein                            sind», sagt Valérie Cavin.
                                                                      Sie berät alle Wasserprojekte von
                      Kiesel grob                             Helvetas, das fördert den Austausch. So
                                                              kann eine Lösung aus Mali vielleicht                                   5 Std.
                                                              auch in Bangladesch die Wassernot ent-
                                                              schärfen. Und doch gibt es kein Patent-
                Wie in einer Kläranlage reinigen Kies, Sand   rezept. Was entscheidet darüber, ob eine     Chlor zur Wasserdesinfektion wird
                und Schlamm in Sandfiltern das Wasser.        Methode greift? Schon von Dorf zu Dorf       mit Strom aus Kochsalz (NaCl) gewonnen.
                                                              kann die Antwort ganz anders sein. Um
                nicht als verhinderbare Krankheit.» Viel      herauszufinden, was Menschen antreibt,       tagspraktischen Lösung. Ob in Haiti,
                entscheidender fürs Umdenken sind             sind Befragungen nötig. «Hinter einer        Nepal oder Mosambik: Hygieneaufklä-
                sozialer Druck – und Prestige. Ähnlich        Ablehnung kann die Vorstellung ste-          rung und soziale Aspekte gehören zu
                wie bei jungen Menschen, die kaum auf-        hen, Chlor mache unfruchtbar, oder die       jedem Wasserprojekt von Helvetas. Im
                hören zu rauchen, weil es schädlich ist,      Angst, dass Wasser, das in Flaschen auf      westafrikanischen Benin hat Hygiene
                sondern erst, wenn es bei den Kollegen        dem Dach liegt, verhext werden kann,         vom Händewaschen bis zur Wasserlage-
                nicht mehr angesagt ist.                      weil es so exponiert ist», erklärt Valérie   rung bereits einen festen Platz auf dem
                       Wird Hygiene und die eigene La-        Cavin. Andere fänden, es sei früher ja       Stundenplan. Damit auch Assana und
                trine mit einem Statusgewinn verbun-          auch ohne die Neuerungen gegangen.           Mariam dieses Wissen nach Hause in
                den oder macht es stolz, einem Gast sau-      Oder es fehle ganz einfach an einer all-     ihre Familie tragen können.
© Tom Malecha

                                                                                                                                                          © Simon B. Opladen
                                                                           Deckel

                                                                     Keramiktopf

                                                                        Auffang-
                                                                          gefäss

                                                                       Wasserhahn

                Praktischer Hygieneunterricht an einer        In Keramikfiltern fliesst das Wasser durch   Einfach und innovativ: Händewaschen, wo
                Schule in Benin.                              Poren, die für Bakterien zu fein sind.       es keinen Wasserhahn gibt, in Bolivien.

                                                                               15
                                                                                FOKUS
215 /14 Partnerschaft

GESCHENK DES HIMMELS
  Wo Dörfer vom Grundwasser abgeschnitten sind, hilft nur Regenwasser gegen die Not in Mali.
  Sanamba Doumbia und ihre Kinder haben dank der neuen Zisterne selbst in der Trockenzeit
  sauberes Trinkwasser.

                                                                                                                                           © Tanja Demarmels
Von Anita Baumgartner
Zugegeben, schön sind sie nicht. Die
bunkerartigen Zementzisternen wirken
wie Fremdkörper im traditionellen afri-
kanischen Dorfbild. Sanamba Doumbia
stört das nicht. Im Gegenteil. Der graue
Regenwassertank ist ihr ganzer Stolz.
Den Schlüssel zum Wasserhahn hütet
sie wie einen Schatz. «Dank der Zisterne
haben wir das ganze Jahr über sauberes
Trinkwasser, und das direkt beim Haus»,
sagt sie, und man spürt, was das für sie
bedeutet.
         Die 42-jährige Sanamba lebt seit
dem Tod ihres Mannes vor zwei Jahren
mit ihren Kindern wieder in ihrem Hei-
matdorf Mafélé im Süden von Mali. Als
Witwe gehört sie zu den Ärmsten im
Dorf. Ihre Kinder versorgt sie allein. Das
bedeutet viel Arbeit im Haushalt und auf     In der Zisterne von Sanamba Doumbia sammelt sich genug Regenwasser fürs ganze Jahr.
den zwei kleinen Feldern, auf denen sie
Mais für die Familie und Bio-Baumwolle
für den Verkauf anbaut. Wenn möglich         In Dörfern wie diesem gibt es nur eine      dafür; jede Familie packt beim Bau ihrer
hilft sie gegen Entgelt noch anderen Fa-     Alternative: das Sammeln von Regen in       Zisterne mit an. Mit den älteren Kindern
milien bei der Feldarbeit. Nur mit die-      der viermonatigen Regenzeit. Helvetas       hat sie Backsteine hergestellt. Sie holten
sem Effort kann sie das Schulgeld für die    führt in Mali ein Kompetenzzentrum          Holzpfähle aus dem Wald, Sand, Kies und
Kinder aufbringen. Dass sie dank dem         für Regenwassersammlung. Das System         spezielles Gras, das geflochten dem noch
Wassertank kaum noch Zeit fürs Was-          ist durchdacht. Die Zisternen halten        nassen Zement Halt gibt.
serholen benötigt und keines der Kinder      über 20 Jahre, der Unterhalt ist unkom-             Im ersten Jahr war die Skepsis
statt in die Schule zum Bach schicken        pliziert: Vor der Regenzeit werden die      noch gross, wenige wollten in eine An-
muss, erleichtert ihren Alltag enorm.        Tanks geleert, von innen gereinigt und      lage investieren. Dann stieg die Nach-
         Das Dorf Mafélé befindet sich       mit Chlor desinfiziert. Daneben steht       frage rasant. Die Leute waren erstaunt,
geologisch an einem unglücklichen            ein Häuschen mit Wellblechdach. Setzt       dass man einem 10-Kubikmeter-Tank
Ort: Es ist hier nicht möglich, mit ver-     der Regen ein, lässt man das Dachwasser     täglich rund 30 Liter Wasser entnehmen
nünftigem Aufwand einen Brunnen zu           zunächst ablaufen, um das Blech zu rei-     kann, ohne dass das Wasser ausgeht.
bauen, eine dicke Gesteinsschicht liegt      nigen. Dann wird das Rohr angeschlos-       «Wir nutzen das Wasser nur zum Trin-
über dem Grundwasser. Während der            sen, und der Tank füllt sich.               ken, so reicht es das ganze Jahr», erklärt
Regenzeit nutzten die Dorfbewohner                   Über 100 Familien hat Helvetas in   Sanamba. «Seither sind wir fast nie mehr
Wasserlöcher mit schmutzigem Wasser.         Mafélé in zwei Jahren eine solche Wasser-   krank.» Dann erzählt sie, dass sie zwei
Zudem versiegten die Löcher bereits          versorgung ermöglicht. Die meisten leis-    Kinder verloren hat, sie litten an extre-
wenige Wochen nach der Regenzeit. Frau-      ten einen finanziellen Beitrag. Den Be-     men Durchfällen. Darüber reden möch-
en und Kinder waren gezwungen, täglich       dürftigsten wird dieser erlassen. So auch   te sie nicht. Über den Tod spricht man
mehr als einen Kilometer zum Bach zu         Sanamba, sie ist froh darüber. «Ich hätte   nicht gern in Mali.
laufen – einem Bach, in dem die Men-         mir den Tank sonst nicht leisten können»,   Anita Baumgartner ist Teamleiterin Projektpart-
schen auch baden und Wäsche waschen.         sagt sie. Gearbeitet hat sie dennoch hart   nerschaften.

                                                            16FOKUS
215 /14 Partnerschaft

                BECHER(N) FÜR BRUNNEN
                  Seit vier Jahren engagiert sich Viva con Agua in der Schweiz, unter anderem auf Musikfestivals, mit
                  kreativen Aktivitäten und finanziert mit dem Erlös Brunnen von Helvetas. Gemeinsam mit Rapper
                  Knackeboul hat die Organisation Wasserprojekte in Mosambik besucht und mit lokalen Künstlern ein
                  Festival veranstaltet.

                                                              jekte, von denen heute 35’000 Menschen
                Von Gregor Anderhub                           profitieren.                                 Run4Wash
                                                                      Eines dieser Wasserprojekte ha-      Viva con Agua und Helvetas organi-
                Wer regelmässig Musikfestivals besucht,       ben wir von Viva con Agua im Septem-         sieren gemeinsam einen Spenden-
                ist ihnen schon begegnet: den bunten          ber 2013 im Norden Mosambiks besucht.        lauf am 27. Juni 2014. Infos für
                Trinkbechertonnen von Viva con Agua.          Mit in unserer Crew waren auch Künst-        Lehrpersonen, Schüler und Eltern:
                Dahinter steckt ein ebenso simples wie        ler, darunter der bekannte Rapper Kna-       www.vivaconagua.ch
                originelles und effektives Spendensys-        ckeboul. In den Projektdörfern konnten
                tem. Statt am Getränkestand die zwei          wir uns mit eigenen Augen von der Sinn-    versorgung selbst, sondern auch, dass
                Franken Depot für den leeren Trinkbe-         haftigkeit unseres Engagements überzeu-    die Dorfbewohnerinnen und -bewoh-
                cher zurückzufordern, kann man ihn in         gen und die Menschen kennenlernen,         ner mitdenken und mitentscheiden.
                diese Tonnen werfen. Wir von Viva con         die von den neuen Brunnen profitieren.     «Bildung, für Frauen wie für Männer,
                Agua geben den Erlös an Helvetas weiter       Die Dorfbevölkerung erklärte uns trotz     ist unglaublich wichtig», ist Knacke-
                für Wasser- und Hygieneprojekte.              Sprachbarrieren herzlich und frei von      boul überzeugt. «Deshalb sind auch die
                        Viva con Agua ist ein Netzwerk        Berührungsängsten, wie die Wasserver-      Hygieneschulungen so wichtig.»
                von über 4’000 ehrenamtlich Engagier-         sorgung in der Gemeinschaft organisiert           Nach dem Projektbesuch or-
                ten in drei Ländern, darunter auch vie-       und sichergestellt wird. Übernachtet       ganisierte Viva con Agua in der Dist-
                le Künstlerinnen und Künstler. In der         haben wir im Dorf – ohne Strom. «Hier      rikthauptstadt Pemba einen Aktionstag.
                Schweiz pflegen wir seit der Gründung         trifft man auf Probleme, wie wir sie in    Das Schweizer Duo QueenKong bemalte
                2009 eine Partnerschaft mit Helvetas.         der Schweiz schon lange nicht mehr ken-    mit einheimischen Künstlern gemein-
                Das an Musikfestivals und mit weiteren        nen», stellte Knackeboul fest.             sam eine Stadionwand. An den Beatbox-
                kreativen Aktionen gesammelte Geld                    Ausschlaggebend für eine positi-   und Kunst-Workshops nahmen über
                fliesst vollumfänglich in Helvetas-Pro-       ve Entwicklung ist nicht nur die Wasser-   100 Kinder teil. Am Abend traten vor
                                                                                                         zahlreichem Publikum ein Dutzend ein-
                                                                                                         heimische Musiker und Comedians auf,
© Thomas Koch

                                                                                                         und eine Modeschau präsentierte Mode
                                                                                                         aus Mosambik. Höhepunkt des Abends
                                                                                                         war der Auftritt von Knackeboul und
                                                                                                         Chocolocolo, die trotz Magenproblemen
                                                                                                         die Stimmung anheizten.
                                                                                                                Was bleibt, sind Erinnerungen
                                                                                                         an grossartige Erlebnisse und Erfahrun-
                                                                                                         gen, die uns motivieren, uns auch im
                                                                                                         kommenden Sommer gemeinsam mit
                                                                                                         Helvetas für eine Welt ohne Durst und
                                                                                                         Krankheit zu engagieren. Und ein Song,
                                                                                                         der unter die Haut geht: «Vamos là» von
                                                                                                         Knackeboul und dem einheimischen
                                                                                                         Rapper Shot-B, die zum Engagement für
                                                                                                         sauberes Wasser aufrufen.
                                                                                                         Gregor Anderhub ist Geschäftsleiter von Viva con
                                                                                                         Agua Schweiz

                                                                                                          Schauen Sie sich den Video-Clip
                                                                                                          von «Vamos là» an:
                                                                                                          www.youtube.com/VcASchweiz
                Rapper Knackeboul erweist sich auch in Mosambik als perfekter Entertainer.

                                                                               17
                                                                                FOKUS
215 /14 Partnerschaft

                                                                                                                        Gastkommentar
                              WASSERPARTNER
                                                                                                                        Ein Dorf sucht nach Wasser
                                  Die Partnerschaft von Helvetas und Geberit für sauberes                               Seit Tagen sind wir mit dem Moun-
                                  Wasser und sanitäre Einrichtungen für die Ärmsten der Welt                            tainbike im alten Königreich Mustang
                                  soll weitergeführt – und ausgebaut – werden.                                          in Nepal unterwegs. Wir suchen das
                                                                                                                        Dorf Sam Dzong, nahe der Grenze zu
                                                                                                                        Tibet. Mustang zählt zu den trocken-
                              Von Hanspeter Bundi                          ten so selbstverständlich und logisch, als   sten Hochtälern im Himalaya. Im
                                                                           würde sie schon viel länger bestehen. Ein    Monsunschatten der Achttausender
                              «Der Name Geberit steht für Spitzenleis-     Gewinn für Helvetas, aber auch für Ge-       Annapurna und Dhaulagiri erstreckt
                              tungen und Qualität, wenn es um Sani-        berit. «Die Unterstützung von Helvetas       sich auf über 3’000 Meter über Meer
                              täranlagen geht, das passt zu Helvetas.      betont unsere nachhaltige Geschäftspoli-     eine staubige und felsige Mondland-
                              Umso mehr, als Geberit unternehme-           tik», sagt Albert Baehny. Eine Geschäfts-    schaft. Tief eingeschnittene Täler
                              rischen Erfolg mit sozialer und ökolo-       politik, die mit internationalen Nachhal-    wechseln sich mit weiten Ebenen ab.
                              gischer Nachhaltigkeit verknüpft.» So        tigkeitspreisen ausgezeichnet wurde.         Grüne Oasen gibt es nur dort, wo von
                              kommentiert Helvetas-Geschäftsleiter                 Das gemeinsame Ziel, innert drei     Menschenhand bewässert wird.
                              Melchior Lengsfeld die Partnerschaft         Jahren einer Million Menschen Zugang         Auch wir müssen unsere Wasservor-
                              zwischen Helvetas und dem Schweizer          zu Trinkwasser zu ermöglichen, wurde         räte genau planen. 23 Liter nehmen
                              Unternehmen, das zu den führenden Sa-        Ende 2012 vorzeitig erreicht. Geberit        wir täglich mit und hoffen, am Abend
                              nitärkonzernen der Welt gehört.              verknüpfte eine Promotionskampagne           wieder an einen Brunnen oder Bach zu
                                     Albert Baehny, CEO und Präsi-         für ihre Dusch-WCs mit der Unterstüt-        kommen. Nicht immer gelingt es uns,
                              dent des Verwaltungsrats von Geberit,        zung beim Bau von einfachen Latrinen         sauberes Wasser zu finden. Manch-
                                                                           in Mosambik und Nepal. Auch im Unter-        mal überlegen wir uns zweimal, ob wir
                                                                           nehmen ist die Partnerschaft gut veran-      aus der Brühe schöpfen sollen. Zum
© Catherine von Graffenried

                                                                           kert: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter       Glück haben wir modernste Entkei-
                                                                           sammelten in einer Weihnachtsaktion          mungsgeräte dabei. Wir fragen uns,
                                                                           für Helvetas.                                wie die einheimische Bevölkerung
                                                                                   Mit solchen Initiativen schlagen     sich vor Keimen im Wasser schützt.
                                                                           Geberit und Helvetas eine Brücke zu den      Nach sechs Tagen finden wir das Dorf
                                                                           Ärmsten der Welt. Sie lassen sich dabei      Sam Dzong. Hier leben noch 18 Fa-
                                                                           von einer gemeinsamen Vision leiten:         milien als Selbstversorger. Aufgrund
                                                                           sauberes Wasser und sanitäre Einrich-        der Klimaveränderung ist das Wasser
                                                                           tungen für mehr Lebensqualität. 2013,        in den letzten Jahren so knapp gewor-
                                                                           im UNO-Jahr der Wasserkooperationen,         den, dass ihr Vieh kaum mehr Gras
                                                                           wurde die Partnerschaft von der DEZA         findet und das Getreide nicht mehr
                              Partner aus Überzeugung: Geberit-CEO
                              Albert Baehny (l.) und Helvetas-Geschäfts-
                                                                           mit dem &-Signet gewürdigt, mit dem          wächst. Schweren Herzens hat die
                              leiter Melchior Lengsfeld.                   beispielhafte Zusammenarbeit zwischen        Dorfbevölkerung entschieden, wegen
                                                                           Unternehmen und privaten Hilfswerken         des Wassermangels ihr ganzes Dorf
                              war es, der die Partnerschaft initiier-      im Wasserbereich ausgezeichnet wurde.        umzusiedeln. Zuerst musste unge-
                              te, nachdem er eine Anzeige von Hel-         Bei einem Treffen der Geschäftsleiter        nutztes Land gefunden und terras-
                              vetas in der Zeitung gesehen hatte: ein      gegen Ende letzten Jahres wurden auch        siert werden, jetzt müssen am neuen
                              Trinkhalm, der aus einer WC-Schüssel         Pläne für den Ausbau der Zusammenar-         Ort Häuser gebaut werden – ein Jahr-
                              ragt. Albert Baehny sah darin sofort die     beit gemacht. «Ich habe Albert Baehny        zehnteprojekt. Für uns ist ein Glas
                              thematische Verwandtschaft zwischen          eingeladen, unsere Wasserprojekte in         Wasser jederzeit greifbar und selbst-
                              Geberit und Helvetas. «Das Inserat war       Nepal zu besuchen, damit er sich selbst      verständlich. Für Millionen Menschen
                              mutig. Ich bin nach wie vor beeindruckt,     ein Bild machen kann», sagt Melchior         weltweit ist Wassermangel existenz-
                              wie konsequent Helvetas auf das schwie-      Lengsfeld. Bislang war Geberit Schweiz       bedrohend, wie für die Menschen in
                              rige Thema der fehlenden sanitären           der Partner von Helvetas, nun prüfen die     Sam Dzong.
                              Grundversorgung in Entwicklungslän-          Verantwortlichen, ob die Partnerschaft
                                                                                                                                                                zVg

                                                                                                                        Dany Gehrig, CEO
                              dern aufmerksam macht.» Baehny ver-          auf die ganze Geberit Gruppe, mit Nie-       Globetrotter Travel
                              anlasste eine Kontaktaufnahme, wenige        derlassungen in 41 Ländern, ausgewei-        Service AG. Globe-
                              Monate später vereinbarten Helvetas          tet werden kann, denn, so CEO Albert         trotter unterstützt die
                                                                                                                        SODIS-Projekte von
                              und Geberit eine Partnerschaft.              Baehny: «Was Helvetas leistet, steht für     Helvetas.
                                     Das war vor vier Jahren. Heute        Schweizer Qualität. Das verdient unsere
                              erscheint die Partnerschaft beiden Sei-      volle Unterstützung.»

                                                                                           18
                                                                                            FOKUS
215 /14 Partnerschaft

                         DIE NASSE WAHRHEIT
                           Die Fakten. Was Sie über Wassermangel wissen sollten.                                   Wer geht am weitesten?
                                                                                                                   Anteil der Bevölkerung in Ländern
                                                                                                                   Afrikas, der über 30 Min. gehen muss,
                         768 Mio. Menschen                          Verloren                                       um einen Kanister Wasser zu holen.
                         haben keinen Zugang zu sauberem            Der Mangel an sauberem Wasser,                 WHO/UNICEF 2010

                         Trinkwasser. Das ist rund jeder zehnte     Latrinen und Hygiene bewirkt in den
                         Mensch auf der Erde. WHO/UNICEF JMP 2013   Ländern Afrikas südlich der Sahara
                                                                    einen grösseren Verlust am Bruttoin-
                                                                    landprodukt als die ganze Entwicklungs-
                         700’000 Kinder               sterben       hilfe für den Kontinent umfasst. WHO 2004
                         jedes Jahr an Durchfall, verursacht von
                         schmutzigem Trinkwasser. Das sind fast
                         2’000 Kinder pro Tag. UNICEF 2012
                                                                    Benachteiligt
                                                                    Unter den Menschen ohne Zugang zu
                                                                    Wasser leben 66 Prozent von weniger
                         > 3,4 Mio. Menschen                        als 2 Dollar pro Tag, 33 Prozent von we-
                                                                                                                        keine Daten
                         sterben jährlich an Krankheiten, die       niger als 1 Dollar pro Tag. UNDP HDR 2006
                         durch verunreinigtes Wasser und man-                                                           > 25%         10 –25 %        < 10%
                         gelnde Hygiene verursacht werden.
                         Fast die Hälfte der Bevölkerung in Ent-
                                                                    Ausgebeutet
                                                                    Menschen in Armensiedlungen und
                         wicklungsländern leidet zu jedem Zeit-     Slums zahlen oft 5 bis10 Mal mehr für
                         punkt an solchen Krankheiten.              ihr Wasser als Menschen in reichen
                         WHO 2004/2008
                                                                    Vierteln mit funktionierender Wasserver-
                                                                    sorgung in derselben Stadt. UNDP HDR 2006
                         200 Mio. Stunden               werden
                         jeden Tag aufgewendet, um Wasser zu        Verbraucht
                         holen (Schätzung der WHO). Zeit, die       Eine Morgendusche von 5 Minuten
                         für Erwerbsarbeit, Schule und Familie      verbraucht so viel Wasser, wie einem
                         fehlt. WHO/UNICEF 2010                     Slumbewohner für den ganzen Tag
                                                                    zur Verfügung steht. water.org/UNDP HDR 2006

                         334’483 Menschen hat                       Investiert
                         Helvetas im Jahr 2012 dauerhaft
                                                                    Jeder in Wasser und sanitäre Grundver-
                         Zugang zu sauberem Trinkwasser
                                                                    sorgung investierte Franken steigert die
                         ermöglicht. Helvetas
                                                                    Produktivität im Schnitt um 4 Franken.
                                                                    WHO 2004

                         30 CHF       reichen, um einem Kind in      Wer holt das Trinkwasser?
                         Afrika Zugang zu sauberem Trinkwasser       Die Frauen tragen die grösste Bürde.
                         zu verschaffen. Helvetas                    WHO/UNICEF JMP 2013

                                                                                           4%
                                                                                8%

                                                                     24 %                                 64 %

                                                                          Frauen                      Mädchen

                                                                          Männer                      Knaben
© Flurina Rothenberger

                                                                                       19  FOKUS
215 /14 Partnerschaft

WASSER AUF TOUR
    Zwei Jahre lang war der Baselbieter Maurizio Ceraldi mit dem Velo in Afrika unterwegs und
    erfuhr am eigenen Leib, wie viel Arbeit sauberes Wasser machen kann.

                                                                                                                                          © Sekiji Yoshida
Von Hanspeter Bundi
Am 8. September 2013 notiert Mauri-
zio Ceraldi auf seiner Website: «Ich bin
nach 748 Tagen, 28’970 Kilometern und
26 Platten nach Liestal zurückgekehrt.»
Es ist die Kürzestbilanz seiner grossen
Veloreise, die ihn erst nach Gibraltar
und dann im Gegenuhrzeigersinn rund
um den afrikanischen Kontinent führ-
te. Auf www.ceraldi.ch beschreibt der
Jurist die Etappen seiner Reise in Wort
und Bild. Es sind Szenen, die träumen
lassen. Lange, schnurgerade Strassen
durch aride Gebiete, Tiere, Ruinen,
und immer wieder Menschen, Porträts,
Strassenszenen.
        «Genügend essen und schlafen»,
                                              Wasser: Für Maurizio Ceraldi nicht nur ein Sammelziel, sondern auch eine tägliche Heraus-
sagt Ceraldi, seien wichtig, wenn man         forderung auf seiner Tour.
mit Muskelkraft durch Afrika reise.
«Und vor allem genügend trinken.» Bier        Online-Tagebuchs gespendet: für Was- de mir so richtig bewusst, wie wichtig
oder Coke gab es fast überall zu kaufen.      serprojekte, für ein Bildungsprojekt in sauberes Wasser ist», sagt Ceraldi. «Hier
«Doch ich wollte und konnte nicht von         Mosambik und für eine Hängebrücke in der Schweiz liefert uns die öffentliche
Alkohol und Süssgetränken leben», sagt        in Äthiopien. Auf die Frage, was ihn Wasserversorgung bestes Wasser fast
er. Seinen Durst wollte er vor allem mit      bei Helvetas am meisten beeindruckt, gratis ins Haus. In Afrika aber ist Was-
Wasser löschen, mit sauberem Wasser.          sagt er: «Die handfeste Arbeit und die ser immer mit Arbeit verbunden.» Das
Er sah Wassertümpel, aus denen die            Schweizer Qualität. Dank ihnen sind die gelte sogar in den Städten, sagt er und
Menschen schöpften, Wasserverkäufer,          Projekte nachhaltig.»                    erzählt von der Landeshauptstadt Gui-
die das kostbare Nass von Eselskarren                 Ceraldis Unterstützung wurde in nea-Bissaus, wo sich zwanzig Haushalte
verkauften, Frauen, die es in Tonkrügen       Afrika dankbar aufgenommen. In der eine einzige öffentliche Zapfstelle teilen.
oder Plastikkanistern nach Hause tru-         Kleinstadt Matéri in Benin zum Beispiel, «Dort wurde sichtbar, wie sehr sich das
gen, Wasser, das in kleinen Plastikbeu-       wo Bevölkerung und Honoratioren ihn tägliche Leben ums Wasser dreht.»
teln angeboten wurde. Er wusste aber          mit Trommeln, Gesang und Lobreden
nie, ob das scheinbar so saubere Wasser       willkommen hiessen.

                                                                                                                                          zVg
auch sicher war. Deshalb reinigte er es       Mit Hilfe von Helvetas
meist mit Entkeimungstabletten oder           hatten Bevölkerung und
mit seinem Keramikfilter. Und was er          Behörden einen zerfalle-
zu seinem Reisebudget sagt, gilt auch         nen Brunnenschacht auf
für seinen Wasserkonsum: «Es war mir          dem Marktplatz instand
immer bewusst, wie privilegiert ich bin.»     gestellt, gedeckt und mit
        Mit seiner Reise rund um Afrika       einer Fusspumpe verse-
wollte Maurizio Ceraldi dazu beitragen,       hen. Ceraldi überreichte
die Kluft, die er erlebte, etwas kleiner zu   der Stadt einen symbo-
machen. Im Vorfeld hatte er angeboten,        lischen Check, und der
vor Ort unentgeltlich über Helvetas-          verrückte      Velofahrer
Projekte zu berichten und Geld für sie        aus der Schweiz wurde
zu sammeln. Mehr als 15’000 Franken           zum Ehrenbürger er- Maurizio übergibt in Benin den Check für den instand gestell-
haben Leserinnen und Leser seines             nannt. «In Afrika wur- ten Brunnen und wird von lokalen Medien interviewt.

                                                              20FOKUS
Sie können auch lesen