ALLES IM EIMER? WASSER OHNE WEITE WEGE - MAGAZIN PARTNER-SCHAFT
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Nr. 215/März 2014 MAGAZIN PARTNER- SCHAFT ALLES IM EIMER? WASSER OHNE WEITE WEGE FOKUS Wenn das Wasser fehlt GUTER GROOVE Knackeboul rappt in Mosambik für Wasser STILSICHER Designerin entwirft neue Linie für den FairShop WETTBEWERB 2 Nächte in der Casa Santo Stefano im Malcantone
215 /14 Partnerschaft INHALT © Flurina Rothenberger PERSPEKTIVEN Tragende Rollen ................................................................04 KLARTEXT Seite Wasser ist nicht einfach Privatsache .............................. 05 REPORTAGE Mosambik: Brunnenwartin im Einsatz ......................... 06 Zielstrebig: Rennen für Wasser 06 REPORTAGE am Zürich Marathon ....................................................... 12 FOKUS «WENN DAS WASSER FEHLT» Gefährdetes Gut: Wie Wasser sauber bleibt ................... 13 Geschenk des Himmels: Rettendes Regenwasser ........... 16 Wasserbeat: Viva con Agua mit Rapper Knackeboul in Mosambik ........................... 17 Partnerschaft: Mit Geberit für sicheres Wasser ............. 18 Gastkommentar: Dany Gehrig, CEO Globetrotter ...... 18 Die nasse Wahrheit: Fakten zum Wassermangel ........... 19 Wasser auf Tour: Mit dem Velo um Afrika ....................20 Mehr erfahren .................................................................... 21 Sauberes Nass SCHWEIZ Über den Tellerrand hinaus: © Flurina Rothenberger Schulklassen in der Helvetas-Ausstellung .................... 23 BLICKPUNKT Bereichernd: Eine Textillehrerin lässt sich in Kirgistan inspirieren ................................................... 24 AKTUELL Mit Bauernfamilien durchs Jahr 2014: Live auf Facebook ............................................................ 26 Stimmungsbarometer ...................................................... 26 Schweizerisch-afrikanische Theaterfamilie auf Tour ... 27 Rotary-Büchershop unterstützt Wasserprojekte ........... 27 Der Helvetas FairShop ist umgezogen .......................... 27 Nachruf auf ZV-Mitglied Fredi Mink ........................... 28 Wasserfest in Küsnacht..................................................... 28 200 Mio. Helvetas engagiert sich in der Alliance 2015 ................ 28 Impressum ........................................................................ 28 Do it yourself: Grüner Frühlingsputz ............................ 29 Wettbewerb: 2 Nächte im Albergo Casa Santo Stefano im Malcantone zu gewinnen ......... 29 FAIRER HANDEL Stilsicher: Neue Textilkollektion im FairShop ...............30 Seite So viele Stunden wenden Titelbild: Flurina Rothenberger mehrheitlich Frauen schätzungsweise jeden Tag weltweit auf, um Wasser zu holen. 19 FOKUS HELVETAS – Handeln für eine bessere Welt VISION: Wir wollen eine Welt, in der alle Menschen in Würde und Sicherheit selbstbestimmt leben und der Umwelt Sorge tragen. AUFTRAG: Wir engagieren uns für benachteiligte Menschen und Gemeinschaften in Entwicklungsländern, die ihre Lebens- bedingungen aktiv verbessern wollen. 2 INHALT
215 /14 Partnerschaft Editorial © Vera Hartmann Seite «Waren die 13 Brunnen gebaut, FOKUS Selbst wo sauberes galt die Sache Wasser aus den Brunnen kommt, heisst das noch Halsbrecherisch früher für nicht, dass die Menschen auch sauberes Wasser Als mir Frauen in Benin auf dem Heim- weg von der Wasserstelle probehal- Hilfswerke als trinken. Was es dafür braucht, erklärt die Helvetas-Wasserex- ber einen ihrer prallvollen gelben Wasserkanister auf den Kopf setzten, musste ich lachen. Kein fröhliches, erledigt.» pertin Valérie Cavin. nein, ein panisches, fast hysterisches Lachen. Ich hatte sie darum gebeten, Valérie Cavin doch nun wurde mir schlagartig klar: Eine falsche Bewegung, und die Last bricht mir das Genick. Ich wäre nicht © Michele Limina in der Lage gewesen, den 20-Liter- Behälter selber wieder abzusetzen. Glücklicherweise erlösten mich die Frauen sofort wieder. Sie fanden es amüsant und etwas seltsam, eine Frau anzutreffen, die nicht mal in der Lage war, die einfachste und essenzi- ellste aller Aufgaben zu bewältigen: Trinkwasser nachhause zu bringen. Seit diesem Erlebnis ist mir wahr- haftig bewusst, was diese Frauen zu tragen haben. Neben dem enormen Zeitverlust und dem oft schmutzigen Wasser spricht also noch ein wei- terer – ganz gewichtiger – Grund Seite Frischer Wind 30 dafür, die Menschen in den Dörfern mit Brunnen zu versorgen. Von den Nöten und Hoffnungen rund ums FAIRER HANDEL tägliche Trinkwasser berichten wir in dieser Ausgabe. Designerin Eliane Herzlich Ceschi hat für Helvetas eine neue Linie entworfen, mit lockeren Schnitten und verspielten susanne.straessle@helvetas.org Details wie einem zarten Wasser- tropfen-Design. HELVETAS Swiss Intercooperation Weinbergstrasse 22a, Postfach, CH-8021 Zürich Tel +41 (0)44 368 65 00 Fax +41 (0)44 368 65 80 info@helvetas.org, www.helvetas.ch PC 80-3130-4 3 EDITORIAL
215 /14 Partnerschaft TRAGENDE ROLLEN © Flurina Rothenberger © Keystone/Andreas Frossard Wassertragen gehört in Mosambik für viele Frauen und Mädchen zum harten Alltag. In der Schweiz müssten wir eigentlich nur den Wasserhahn aufdrehen, und doch lassen es sich viele nicht nehmen, Mineralwasserflaschen und Getränkedosen aus dem Supermarkt nachhause zu tragen. Und wer über einen Funken grünen Gewissens verfügt, der trägt sie auch bereitwillig wieder zurück zur Altglas-, PET- oder Alu-Sammelstelle. Wie die Familie aus Lostorf, die für ihre Sammelaktion im Dorf ausgezeichnet wurde. So sorgt unser Bedürfnis nach Abwechslung im Glas dafür, dass das Schlep- pen von Trinkvorräten auch im Norden nie ganz verschwindet – während andere sich nichts sehnli- cher wünschen als einen eigenen Wasserhahn. –SUS 4 PERSPEKTIVEN
215 /14 Partnerschaft WASSER IST KEINE PRIVATSACHE In Bern haben die Mitglieder von Stadt- re Leistungsaufträge müssen Rechte und was immer wieder soziale Unruhen aus- regierung und Verwaltung beschlossen, Pflichten aller Beteiligten regeln und löst. Deshalb steht Helvetas der Privati- in ihren Sitzungen nur noch Hahnen- diese von unabhängiger Seite überprüft sierung grösserer Versorgungen kritisch wasser zu trinken. Die öffentliche Ab- werden. Eine solche lokale Partnerschaft gegenüber. Insbesondere setzen wir uns sage der «blue community» an Mine- kann die Wasserversorgung effektiv ver- für eine transparente Rechenschaftsle- ralwasser in Flaschen hat in der ganzen bessern und die Entwicklung lokaler gung in der Wasserversorgung ein, ob Schweiz für Schlagzeilen gesorgt, und KMUs stärken. Wir kennen aus unseren öffentlich oder privat. der Schweizer Mineralwasserverband Programmen Beispiele dafür. Zu einer effizienten Versorgung verstieg sich zur Behauptung, in Bern In grösseren Städten aber birgt leisten Initiativen wie die der Stadt Bern herrschten «nordkoreanische Zustän- die Zusammenarbeit zwischen einem zwar keinen direkten Beitrag. Es nützt de». Das sind harte Worte für etwas, das zu schwachen Staat und zu starken Fir- Menschen im Süden nicht unmittel- in vielen Schweizer Haushalten selbst- men zahlreiche Gefahren für die Nutzer. bar, wenn wir weniger Flaschenwasser verständlich ist: 80 Prozent aller Ein- Denn Wasser ist in den Augen vieler trinken. Aber es schärft das kritische Analysten die wertvollste Ressource des Bewusstsein für unseren energieintensi- 21. Jahrhunderts, das fördert Begehr- ven Lebensstil und den allzu sorglosen «Ein zu schwacher Staat lichkeiten. Internationale Grosskonzer- Umgang mit einem wertvollen Gut. Das ne versuchen, sich exklusive Rechte an erinnert uns daran, dass sauberes Was- und zu starke Firmen – wichtigen Quellen zu sichern. Zwischen ser für viele Menschen alles andere als das birgt Gefahren für staatlichen und privaten Akteuren kann selbstverständlich ist. die Wassernutzer.» es zu unguten Verbandelungen kom- men. Die Erfahrung in privat betriebe- nen Wasserversorgungen von Manila bis wohnerinnen und Einwohner geben an, Buenos Aires zeigt, dass private Firmen daheim regelmässig Hahnenwasser zu zu wenig in den Unterhalt und kaum in trinken. den Ausbau der Netze investieren. Meist Melchior Lengsfeld, Geschäftsleiter von Für 768 Millionen Menschen ist kommt es auch zu steigenden Tarifen, HELVETAS Swiss Intercooperation das ein frommer Wunsch, denn sie ha- ben keinen Zugang zu sauberem Trink- wasser. Ihr Menschenrecht auf Wasser wird missachtet. Nicht, weil es für sie kein Wasser gäbe, sondern weil die öf- fentliche Hand in ihrem Land nicht in der Lage ist, sie damit zu versorgen. Es fehlt an guter Planung und Verwaltung, an Mitteln und Know-how. Wäre der Privatsektor nicht besser geeignet, die Erschliessung von Wasservorkommen und die Verteilung zu übernehmen? Die Frage ist nicht einfach mit Ja oder Nein zu beantworten. Auf lokaler Ebene, in einer länd- lichen Kleinstadt etwa, kann eine so genannte «Public Private Partnership» zwischen Behörden und Privatunterneh- men für alle gewinnbringend sein, wenn in der lokalen Verwaltung entsprechen- de Kompetenzen fehlen. Allerdings nur dort, wo die öffentliche Hand eine wirk- same Kontrolle über das Wasser behält © Maurice K. Grünig und die Privaten einzig die Verteilung des Wassers, unter Umständen noch den Unterhalt des Netzes, übernehmen. Kla- 5 KLARTEXT
215 /14 Partnerschaft WASSERFRAU Die Kinder von Marieta Khuluvela müssen den langen Weg nicht mehr auf sich nehmen, den ihre Mutter so oft gegangen ist. Als Brunnenwartin sorgt Marieta dafür, dass die Menschen im Dorf Naua in Mosambik immer sauberes Wasser bekommen. Was sie damit verdient, kann die Familie gut gebrauchen. Von Hanspeter Bundi (Text) und Flurina Rothenberger (Fotos) Dreimal in der Woche ist Marieta Khuluvela die wichtigste Töchter Rosa und Elsa geweckt und sich eine saubere Katenge Frau in Naua. Dann nämlich, wenn sie am Morgen den Brun- umgebunden, denn ihrer Meinung nach gehört es sich nicht, nen in Betrieb nimmt. Es ist fünf Uhr. Marieta nestelt einen dass die Brunnenwartin von Naua ihr Amt in schmutzigen kleinen Schlüssel aus den Falten ihrer Katenge, des farbigen Kleidern versieht. Wickeltuchs, und öffnet das Vorhängeschloss, das den Arm Rosa und Elsa haben Schulferien. Deshalb kochen die der Pumpe blockiert. Marieta ist früher dran als sonst, denn neun- und zwölfjährigen Mädchen heute das Frühstück, Kar- mit dem Beginn der Regenzeit wollen viele Frauen die Haus- toffeln vor allem, die mit Salz oder mit etwas Zucker geges- arbeit so zeitig wie möglich erledigen und zur Machamba auf- sen werden. Sie wischen die festgestampfte Erde rund um das brechen, dem oft weit entfernten Feld der Familie. Einige ha- Haus, sie machen die Latrine sauber, sie waschen die Kleider, ben ihre Kanister und Kübel bereits aufgestellt. Marieta drückt langsam alles, ohne Hast, fast spielerisch. Früher war das an- den Arm der Pumpe einige Male nach unten, bis klares Wasser ders. Da war es in vielen Familien selbstverständlich, dass die in den Kanister unter dem Ausfluss sprudelt. Es ist der erste Mädchen ihre Mutter zu den Wasserlöchern des Rio Tikitini- von dreihundert oder vierhundert Kanistern und Kübeln, die me oder des Rio Malembe begleiteten und einen kleinen Ka- im Lauf des Tages hier gefüllt werden. nister mit Wasser heimtrugen. Die Wasserstelle am Tikitinime liegt etwa 20 Minuten vom Dorf entfernt, doch das Wasser ist Weite Wege zu schmutzigen Flüssen bitter. Zum süssen Wasser des Malembe mussten die Frauen Marieta Khuluvela ist schon seit vier Uhr auf den Beinen. Der dreimal so lange gehen, eine Stunde hin, eine zurück. Sauber erste Weg des Tages hat die Mittvierzigerin zum Brunnen ge- ist das Wasser weder bei der einen noch bei der anderen Was- führt. Während ihr Mann Arlindo zur Machamba gegangen serstelle. ist, hat sie Blätter aus der Betonwanne gewischt, einen Mango- Rosa und Elsa haben die Mühsal des Wassertragens kern herausgeklaubt, den ein Kind dort hat fallen lassen, und nicht mehr erlebt. Als der Brunnen von Naua gebaut wurde, sie hat den rotbraunen Staub weggespült, die Erde, die hier waren sie noch zu klein. Doch 71 Prozent der ländlichen Be- überall liegt und die Landschaft ebenso prägt wie die Häuser. völkerung Mosambiks haben auch heute noch keinen Zugang Dann ist sie zurück zu ihrem Haus gegangen, hat ihre beiden zu sauberem Trinkwasser. Frauen und Mädchen müssen jeden 7 REPORTAGE
215 /14 Partnerschaft Tag weite Wege gehen, um Wasser für die Familie zu holen. Da- die Häuser draussen auf dem Land. Lehmwände, die um Ge- runter leidet die Schulbildung. 57 Prozent der Frauen können rippe aus Bambusrohren hochgezogen werden, grasgedeckte weder lesen noch schreiben. Bei den Männern sind es nur halb Walmdächer, ein, zwei winzige Fenster, deren Läden kaum je so viele. aufgestossen werden. Da ist nur wenig, was auf das 21. Jahr- Beim Brunnen von Naua ist die Sonne aufgegangen. hundert hinweist: hin und wieder ein Fahrrad, der Rufton eines Die Schatten der Bäume, der Menschen und der Häuser sind Handys, selten einmal ein Auto, der Brunnen schliesslich und noch lang, die Luft ist angenehm warm. Doch schon in zwei die vielen Plastikbehälter, die von den Frauen hergebracht wor- Stunden wird es heiss sein. den sind. Die Frauen werden im Vor mehr als sieben Schatten warten, bis die Rei- Jahren hatte sich das Dorf- he an ihnen ist. Die Frau des «Wir haben es besser als unsere komitee mit der Bitte um Gemeindevorstehers wird Eltern, und unsere Kinder sollen es einen Brunnen an die Di- sich vordrängen wie immer, striktverwaltung gewandt. und die anderen werden sie noch einmal besser haben.» Zusammen mit Helvetas, die Marieta Khuluvela, Brunnenwartin zurechtweisen, ebenfalls wie in dem mosambikanischen immer. Es ist auch schon Wasserprojekt eng mit den vorgekommen, dass sie den lokalen Behörden zusam- Aufseher rufen mussten, den Dorfpolizisten von Naua, der menarbeitet, wurde die Anfrage geprüft. Die Familien von bei Streitigkeiten einschreitet, doch heute bleibt die Stimmung Naua sammelten einen ersten, kleinen Beitrag an das wichtige entspannt. Werk, und seit 2007 können sich am Brunnen 520 Familien mit Naua ist Teil eines Strassenstädtchens in der Provinz sauberem Trinkwasser versorgen. Sie haben ein Wasserkomitee Cabo Delgado im Norden Mosambiks und zugleich ein in sich gewählt, das für den Unterhalt des Brunnens zuständig ist, und geschlossenes Dorf. Die Lehmhäuser sind genau so gebaut wie vor einem halben Jahr haben sie bestimmt, dass Marieta als Am Morgen ist der Andrang gross. Der Brunnen ist auch ein Ort, wo Neuigkeiten die Runde machen und man sich mit Nachbarinnen austauscht. 8 REPORTAGE REPORTAGE
215 /14 Partnerschaft Marieta erhält als Lohn einen kleinen Teil der Einnahmen, der Rest Sauberes Wasser ist vor allem für die Kinder unverzichtbar, das fliesst in den Unterhalt des Brunnens. wissen die Mütter in Naua. eine von zwei Brunnenwartinnen das Wassergeld einkassieren geschieht. Alles andere würde in Mosambik, wo auf allen Ver- soll. Das System ist einfach. Für jeden gefüllten Behälter ver- waltungsebenen Geld verschwindet, zu Geschwätz und bösen langt Marieta einen Metical bar auf die Hand. Diese drei Rap- Vermutungen führen. Aus dem gleichen Grund führt Marieta pen sind zwar kein Vermögen, aber für viele doch ein Betrag, auch den Relatório, das Buch, in dem alle Wassereinnahmen der ins Gewicht fällt. Trotzdem bezahlen die Frauen, ohne zu vermerkt sind. Das Wasserkomitee kontrolliert ihre Buchfüh- murren. Das Wasser aus dem Brunnen schmeckt gut. Wer es rung, verwaltet das Wassergeld und beschliesst, wann welche sich leisten kann und will, holt alles Wasser beim Brunnen. Reparaturen auszuführen sind. Das läuft nicht immer korrekt ab. Letztes Jahr zum Unsaubere Geschäfte verhindern Beispiel zweigte der damalige Präsident des Wasserkomitees Als Brunnenwartin und Kassiererin erhält Marieta 15 Prozent Geld für sich selber ab. Der Administrator der regionalen Was- der Bruttoeinnahmen, der Rest dient dem Unterhalt. Die 45 serbehörde musste eingreifen und ihm den Zugang zur Kasse Meticais entsprechen dem Lohn eines landwirtschaftlichen sperren. Marieta erzählt gelassen davon. Es gehört zum mo- Tagelöhners. Für dieses Entgelt hält sie den Brunnen den gan- sambikanischen Alltag, dass jemand seine Stellung dazu miss- zen Tag über offen, von morgens um fünf oder sechs bis zum braucht, öffentliches Geld in die eigenen Taschen zu leiten. Einbruch der Dunkelheit. Marieta ist die ideale Person für das Amt. Sie wohnt in Rufweite und kann am Mittag, wenn der Das andere Mosambik auf der Überholspur grosse Ansturm vorbei ist, den Brunnen für kurze Zeit schlies- Wir sitzen im Schatten von Marietas Haus. Vom Bambusvor- sen. Damit ihr neben dem Brunnen auch noch Zeit für die hang her ist das Kichern von Rosa und Elsa zu hören, die sich Feldarbeit bleibt, arbeitet Marieta nur drei Tage pro Woche als im Vorraum der Latrine das Gesicht waschen und sich dabei Brunnenwartin. fotografieren lassen. Von der «Nacional 242» kommt gedämpft Um in Ruhe mit uns sprechen zu können, hat sie ihre das Dröhnen von Lastwagen, die zu den Minen von Montepu- Stellvertreterin gebeten, den Brunnen offen zu halten. «Selbst- ez unterwegs sind. verständlich muss auch ich für das Wasser zahlen», sagt sie. Die Lastwagen sind Teil einer Wirtschaft, die jedes «Ich zahle jeweils direkt an die Präsidentin des Wasserkomi- Jahr um acht Prozent wächst. Der Boom wird Teile des Lan- tees.» Marieta ist sehr darauf bedacht, dass dies vor Zeugen des zwar in ein anderes Zeitalter katapultieren, doch bis jetzt 9 REPORTAGE
215 /14 Partnerschaft Naua ist ein typisches mosambikanisches Strassendorf. Weil es eine Schule und einen Brunnen gibt, lässt es sich hier gut leben. hängt dieser Boom ganz vom Export von Rohstoffen ab. Ein stadt. Patchwork nach mosambikanischer Art. Marieta sagt: Bauer findet auf seinem Feld Rubine. Graphitminen werden «Am wichtigsten ist es, einen guten Mann zu haben.» Einen, eröffnet. Gold, Kohle, Erdöl werden gefördert. Vor den Küsten der bei der Familie bleibt. Einen, der gern in der Machamba im Norden liegen 1’500 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Das ist arbeitet. Einen, der nicht trinkt und sich nicht zu schade ist, mehr als im legendären norwegischen Gasfeld «Troll», einem am Abend Holz mit nach Hause zu tragen. Sie hat es gut ge- der grössten der Welt. troffen. Seit vielen Jahren ist sie mit ihrem Mann zusammen. Eigentlich sollten die Erträge aus dem Rohstoffsektor dem Volk zugute kommen. So jedenfalls steht es im Gesetz. Doch bisher deutet wenig darauf hin, dass dies auch so ist. Die herrschende FRELIMO hat die Verträge zwischen dem Staat und den Rohstofffirmen (der amerikanischen Anadrako, der italienischen ENI und der norwegischen Statoil) als geheim de- klariert. Eine Zivilgesellschaft, die eine Einhaltung der Geset- ze einfordern könnte, gibt es nicht, und Beobachter vermuten, dass die Rohstoffgeschäfte in Mosambik ähnlich abgewickelt werden wie in Angola, der zweiten früheren portugiesischen Kolonie im Süden Afrikas. Dort haben die Bodenschätze eine sehr kleine Schicht sehr reich gemacht. Die arme Bevölkerung hingegen ist arm geblieben. neu Erinnerungen an wasserlose Zeiten Marieta Khuluvela ist in Naua aufgewachsen, suchte in der Stadt vergeblich ein besseres Leben, und nach dem Tod ihrer Mutter kehrte sie nach Naua zurück. Zusammen mit ihrem Mann übernahm sie die beiden Felder der Mutter. «In der Stadt sitzt man nur da und tut nichts», sagt Marieta. Es ist eine Migrationsgeschichte, wie man sie in Mo- sambik auch in den Dörfern häufig findet. Eine der Folgen davon sind komplizierte Familienverhältnisse. Männer lassen ihre erste Frau mit den Kindern sitzen und gründen formlos eine neue Familie. Oder sie gehen in der besten Absicht, die Familie zu unterstützen, in die Städte und kümmern sich dann doch nicht um sie. Junge Mädchen haben ein Kind von einem Mann, der schon längst weitergezogen ist. Kinder von Bauern- familien leben bei ihren Verwandten in der Stadt. Im nahen Marieta reinigt die Latrine. Als Brunnenwartin weiss sie, wie wichtig Pemba oder in Beira oder sogar in der weit entfernten Haupt- Hygiene ist. 10 REPORTAGE
215 /14 Partnerschaft Neben Maniok, Süsskartoffeln, Mais und Bohnen pflanzen sie 3 Fragen an Karin Voigt, Regional- koordinatorin in Cabo Delgado auf einem Stück von vielleicht zwanzig Aren sogar Reis an. Das kann nicht jede Familie von sich sagen. Marieta Khuluvela erzählt, Marieta sieht auch über die eigene Familie hinaus. dass der Brunnen von Naua «Nicht nur uns, auch vielen anderen geht es besser», sagt sie. letztes Jahr nach einer Panne «Jetzt ist etwas Geld da. Jetzt können wir uns Sachen kaufen. innert nur drei Tagen repariert Schuhe, Töpfe und Teller. Das gab es früher nicht. Wir haben es wurde. Ist das Wasserkomitee besser als unsere Eltern, und unsere Kinder sollen es noch ein- von Naua besonders initiativ? mal besser haben.» Rosa und Elsa haben klare Vorstellungen Meine Erfahrung zeigt, dass da von ihrer Zukunft. Rosa möchte Schuldirektorin werden, und meistens eine starke, entschlos- Elsa will in einem Spital arbeiten. Die Mutter hört das gern. sene Persönlichkeit dahinter- Sie selber hätte nicht im Traum an eine Berufsbildung den- steht. Das kann ein Dorfchef ken können. «Wenn die Mädchen die Möglichkeit haben, ihr sein. Oder der Präsident des Wasserkomitees. Engagierte Leben zu verbessern, sollen sie das tun», sagt sie. «Hier oder Menschen, die das Grundrecht auf Wasser nicht für selbst- in der Stadt.» verständlich nehmen, sondern sich selber darum kümmern. Marieta aber wird im Dorf bleiben. «Es ist gut, in Naua zu leben. Hier haben wir alles, was wir brauchen», sagt sie. Soll man also besser auf Einzelne statt auf das Verant- Mit «alles» meint sie ein Haus, ein Feld, eine Schule und den wortungsgefühl einer Gemeinschaft setzen? Das nicht, denn beim Wasser geht es nicht um eine kleine Gruppe, die wie Bauern oder Kleinsparerinnen ihre eige- nen Interessen vertritt, sondern um die gesamte Dorfge- meinschaft. Diese Dorfgemeinschaft ist aber in Mosambik nicht organisiert. Deshalb ist die Rolle der lokalen Behör- den ebenso wichtig. Auch hier finden sich viele engagierte Menschen, die nicht einfach nur ihren eigenen Job, son- dern das Wohl der Menschen eines Dorfes, eines Bezirks oder der Provinz im Auge haben. Mit ihnen arbeiten wir eng zusammen. Würde am besten der Staat alle Verantwortung über- nehmen? Nein. Der Staat und die Menschen, die in diesem Staat leben. In unseren Latrinenprogrammen sehe ich, dass die Familien die Latrinen sorgfältig und mit viel Liebe zum Detail bauen und unterhalten, ohne dafür Geld oder ande- re materielle Vorteile zu erwarten. Sie fühlen sich für ihre Latrinen verantwortlich. Dieses Verantwortungsgefühl müssen wir stärken. Sei das im privaten Bereich oder mit der Förderung der Zusammenarbeit zwischen der öffentli- chen Hand und lokalen Unternehmern. So entstehen mitt- lere, kleine und kleinste Unternehmen, die ihr Geld damit verdienen, dass sie zum Beispiel lokale Wassersysteme betreiben und warten. Brunnen. Vor einem Jahr hat ein Schaden am Brunnen gezeigt, wie mühsam das Leben ohne ihn wäre. Wie früher mussten die Frauen wieder zum Tikitinime oder zum Malembe hin- ausgehen, um dort trübes Wasser zu schöpfen. «Der Defekt hat allen gezeigt, wie gut und wichtig der Brunnen ist», sagt Marieta. «Den Mädchen, die nur ein Leben mit dem Brunnen In der schulfreien Zeit helfen die Mädchen im Haushalt, während die kennen. Und auch den Müttern, die alle früheren Mühen ver- Mutter am Brunnen arbeitet. gessen hatten.» 11 REPORTAGE
215 /14 Partnerschaft LAUFEN FÜR EINE BESSERE WELT Setzen Sie sich neben Ihrem sportlichen auch ein ideelles Ziel: Zürich Marathon: Laufen Sie für Schulkinder in Benin. Letzte Chance zum Anmelden! © Marc Weiler Sie möchten als Helvetas Charity Runner am Zürich Marathon, Team Run oder City Run laufen und haben noch keinen Startplatz? Melden Sie sich bis 31. März bei: christine.bill@helvetas.org Als Helvetas Charity Runner kom- men Sie in den Genuss zahlreicher Extras: Funktionales Helvetas Cha- rity Runner T-Shirt, Startnummern- bezug am VIP-Schalter, eigene Gar- derobe und Duschmöglichkeit nahe Start-/Zielgelände sowie attraktive Überraschungen am Lauftag. Von Christine Bill sammeln Sie so Geld für Brunnen an Videos dokumentieren und Ihre Freun- Schulen in Benin. Mit 30 Franken er- dinnen und Freunde zum Mitmachen Sportliche Höchstleistung und sozia- möglichen Sie einem Kind Zugang zu und Spenden einladen. les Engagement in einem. Das bieten sauberem Trinkwasser. Als Dank wer- Übrigens: auf www.Mein-Ziel.ch Veranstaltungen wie der London oder den wir und unser Sponsor Valais mit können Sie auch mit anderen sportlichen Berlin Marathon ihren Teilnehmern be- attraktiven Extras dafür sorgen, dass der Aktivitäten Gutes tun. Setzen Sie sich Ihr reits an. Helvetas bringt diese Form des Zürich Marathon für Sie besonders an- eigenes Ziel: Besteigen Sie einen Berg, ra- Spendensammelns als erste Organisati- genehm wird. deln Sie um einen See oder laufen Sie quer on auch in die Schweiz. Der Zürich Ma- Auf unserer Online-Sammel- durch die Schweiz. Alles ist möglich. rathon macht am 6. April den Anfang. plattform www.Mein-Ziel.ch starten Sie www.Mein-Ziel.ch Laufen Sie mit als Helvetas Cha- mit wenigen Klicks Ihre eigene Sammel- rity Runner, lassen Sie sich von Freun- aktion. Sie können dort Ihr Training den und Bekannten «sponsern» und und Ihren Lauf mit Bildern, Texten und bin 2005 meinen ersten Marathon ge- Laufend engagiert Richard Gerster, Entwicklungsexperte, laufen. 2014 setzt es ein kleines Jubi- Publizist und Mitglied läum: mein 10. Zürich Marathon. Dafür Warum laufen Sie am des Zentralvorstands trainiere ich gut 50 km pro Woche. von Helvetas Zürich Marathon als Laufen ist aber nicht nur Anstrengung: Helvetas Charity Runner? Die Gedanken fliessen ungefiltert, und Ich kann damit zwei persönliche Lei- am Ende eines guten Laufs schwebst denschaften verbinden: das Laufen in lichkeit, in Benin ist das für viele Kinder du auf Wolke sieben. meiner Freizeit mit meinem beruflichen nicht der Fall. Ob sie gesund aufwach- Engagement für mehr Gerechtigkeit sen können, ist oft ungewiss. Ich kenne Haben Sie sich ein persönliches und die Entwicklungszusammenarbeit. Benin von beruflichen Aufenthalten. Als Ziel gesetzt, sportlich oder für die stabiler, überschaubarer Kleinstaat ist Sammelaktion? Gesammelt wird für ein Wasserpro- Benin ein attraktives Partnerland. Und Mit 68 ist es nicht mehr selbstver- jekt in Benin. Für Sie ein motivieren- die Projekte von Helvetas setzen bei ständlich, 42 km joggen zu können. des Ziel? den drängenden Problemen der Bevöl- So hoffe ich einfach, das Ziel zu er- In der Schweiz geniessen wir das Pri- kerung an. reichen. Und wenn dadurch erst noch vileg der Geburt: Für meine Kinder Menschen in Benin sauberes Trink- und Enkel ist der Zugang zu saube- Laufen Sie regelmässig Marathons? wasser bekommen, stellt mich das rem Trinkwasser eine Selbstverständ- Mit Laufen habe ich spät begonnen und doppelt auf. –SUS 12 SCHWEIZ
215 /14 Partnerschaft FOKUS Wenn das Wasser fehlt GEFÄHRDETES WASSER Mit Brunnen allein ist es nicht getan. Nur wo das Wasser sicher ist, sind es auch die Menschen. Dafür braucht es Schutzmassnahmen, praxistaugliche Wasserreinigung und Aufklärung – über Hygiene, aber auch über die Vorteile von Prestige und Komfort. © Simon B. Opladen gebaut, galt die Sache für die Hilfswer- Von Susanne Strässle ke früher als erledigt», sagt Valérie Ca- vin, Wasserexpertin bei Helvetas. «Man Wenn Assana in Benin mit ihrer Schwes- nahm einfach an, dass sauberes Brun- ter Mariam Wasser holt, dann nimmt sie nenwasser auch sauberes Trinkwasser den gelben Kanister mit, der seit Jahren im Haus bedeutet.» Qualitätsprüfungen im Einsatz ist. Dass sich darin schädli- waren selten. So genau wollten das viele che Bakterien ansiedeln können, weiss gar nicht wissen. sie nicht. Mariam trägt eine offene Was- Helvetas schaut heute genau hin. serschüssel über die staubigen Strassen Auch auf kritische Resultate. Misst man nach Hause. Dort schütten beide das an der Wasserstelle, ist der Unterschied Wasser in einen offenen Tontopf, in dem der Wasserqualität zwischen Dörfern es bis zum Gebrauch lagert. Reinigen mit und ohne Pumpbrunnen deutlich. lässt sich dieser kaum. Aus dem Topf Prüft man das Wasser aber zuhause bei schöpfen alle Familienmitglieder, da- den Familien, etwa in den grossen Töp- bei kommen auch ihre Hände mit dem fen, in denen es oft aufbewahrt wird, Trinkwasser in Kontakt. Hände, die sie schwindet dieser «Vorsprung» drastisch. nicht gut reinigen können, weil es neben Auch Helvetas hat längst erkannt, dass ihrer Latrine keine Waschgelegenheit Hygiene und Verhaltensänderungen viel gibt. Viele andere im Dorf haben noch entscheidender sind, als NGOs früher nicht mal eine Latrine. Und wie sauber dachten. «Natürlich, das Ingenieurwis- In offenen Tontöpfen bleibt das Trinkwasser ist schliesslich der Becher, aus dem Assa- sen ist wichtig», betont Valérie Cavin. oft nicht sauber. na trinkt, wenn sie durstig ist? Wo gibt es überhaupt Wasser? Wie fasst Wasser ist stets gefährdet. Und man Quellen? Wie wird die Arbeit, wie mit ihm sind es die Menschen. Auch wo das knappe Gut gerecht verteilt? All die- Wasser vorhanden ist, ist es noch längst se Fragen müssen geklärt werden. «Aber nicht sauber. Selbst wo Wasser keimfrei «Früher nahm man ein- die Menschen werden trotzdem krank, aus der Pumpe sprudelt, bedeutet dies fach an, dass sauberes wenn sie ihr Wasser nicht schützen kön- noch lange nicht, dass die Leute auch nen. Und das ist in warmen Ländern, wo gesundes Wasser trinken. Brunnenwasser auch die Leute ohne Wassertanks, Hähne und sauberes Trinkwasser Seifen in strohgedeckten Lehmhütten le- Auch Hilfswerke lernen dazu im Haus bedeutet.» ben, viel schwieriger.» Das müssen nicht nur die Menschen vor Deshalb erklären die Projekt- Valérie Cavin, Helvetas-Wasserexpertin Ort lernen, sondern auch Entwicklungs- mitarbeitenden den Leuten, wie sie ihre organisationen. «Waren die Brunnen Gerätschaften reinigen können oder wa- 13 FOKUS
215 /14 Partnerschaft rum Wasserbehälter Deckel brauchen. wie kleine Kläranlagen funktionieren. Sie zeigen auf, warum Händewaschen Wo das Wasser von Natur aus mit Ar- so wichtig ist. Und es werden einfache, sen belastet ist, wie in Nepal oder Ban- lokal produzierte Lösungen eingeführt, gladesch, wird eine Schicht Nägel einge- die Abhilfe schaffen: Kleine Hähne an fügt, da Eisen das Arsen bindet. den nun gedeckten Wasservorratstöpfen Diese Methoden können die Fa- verhindern, dass beim Schöpfen Kei- milien direkt im Haus anwenden, und me hineingelangen. Latrinen werden doch müssen auch sie erst verstanden ausgehoben und gleich daneben Hand- und akzeptiert werden, um wirksam waschgelegenheiten geschaffen. Wo zu sein. Hygienewissen darf nicht als keine Zapfstelle in der Nähe ist, kann selbstverständlich vorausgesetzt wer- ein Eimer mit Wasserhahn dem Hän- den. Es braucht Aufklärung. Nicht un- dewaschen dienen. Noch einfacher geht ähnlich dem Zähneputzen bei uns, das es mit einer gefüllten PET-Flasche mit erst durch die Schulzahnpflege breit im Löchern im Deckel, die ähnlich wie eine Bewusstsein verankert wurde. Giesskanne benutzt wird, oder ganz ein- 6 Std. fach mit Krug und Wasserbecken, wenn Punkten mit Prestige jemand dabei assistieren kann. Bei der SODIS-Methode entkeimt Sonnen- Noch eine entscheidende – und über- licht das Wasser in PET-Flaschen. raschende – Einsicht haben NGOs in Wasser entkeimen leicht gemacht Sachen Hygieneaufklärung erst kürzlich Wo das Wasser selbst am Brunnen oder destens sechs Stunden dem Sonnenlicht gewonnen. Gesundheit mag das wich- ab dem Hahn nicht keimfrei ist, sind zu- ausgesetzt. Die UV-Strahlen töten die tigste Argument für den hygienischen sätzliche Reinigungsmethoden oder Fil- Keime zuverlässig ab. Anderenorts kom- Umgang mit Wasser sein, doch für die ter unverzichtbar. «Damit soll das Was- men Keramikfilter aus lokaler Produkti- lokale Bevölkerung sind es oft nicht diese ser direkt vor dem Gebrauch gereinigt on zum Einsatz. Oder eine Chlorlösung, für sie recht abstrakten Zusammenhän- werden», sagt die Wasserexpertin. «Jede die vor Ort produziert werden kann, in- ge, die sie am meisten überzeugen. Va- Lagerung birgt neue Risiken.» Auch hier dem man mit Strom Kochsalz (NaCl) in lérie Cavin erstaunt das nicht: «An man- bieten sich günstige Wege an. Etwa die Chlor und Natrium spaltet. Einfach ist chen Orten ist Durchfall bei Kindern so SODIS-Methode: Verunreinigtes Wasser auch die Herstellung von Sandfiltern mit verbreitet, dass man ihn als normale Be- wird in PET-Flaschen gefüllt und min- einer organischen Schlammschicht, die gleiterscheinung der Kinderjahre sieht, © Simon B. Opladen © HELVETAS Swiss Intercooperation SODIS-Wasserreinigung wird in Bolivien an In Nepal haben Familien dank lokal hergestellten Sandfiltern sauberes Wasser direkt bei Schulen praktiziert. ihrem Haus. 14FOKUS
215 /14 Partnerschaft beres Wasser anbieten zu können, ist das eine starke Motivation. Wenn angesehe- 0,5 l Wasser (Solar-)Strom Deckel ne Mitbürger eine Methode anwenden, trägt das entscheidend zur Akzeptanz bei. Ebenso überzeugend sind Kom- Kontaminiertes fortargumente. «Es hilft zu argumen- Wasser 40 ml tieren, dass Hände nach dem Waschen gesättigte Schlamm gut riechen. Dass ein Latrinenhäuschen Salzlösung auch vor Regen und Blicken schützt. Sand Und Kinder verstehen, dass ihre Bücher schön bleiben, wenn die Finger sauber Kiesel fein sind», sagt Valérie Cavin. Sie berät alle Wasserprojekte von Kiesel grob Helvetas, das fördert den Austausch. So kann eine Lösung aus Mali vielleicht 5 Std. auch in Bangladesch die Wassernot ent- schärfen. Und doch gibt es kein Patent- Wie in einer Kläranlage reinigen Kies, Sand rezept. Was entscheidet darüber, ob eine Chlor zur Wasserdesinfektion wird und Schlamm in Sandfiltern das Wasser. Methode greift? Schon von Dorf zu Dorf mit Strom aus Kochsalz (NaCl) gewonnen. kann die Antwort ganz anders sein. Um nicht als verhinderbare Krankheit.» Viel herauszufinden, was Menschen antreibt, tagspraktischen Lösung. Ob in Haiti, entscheidender fürs Umdenken sind sind Befragungen nötig. «Hinter einer Nepal oder Mosambik: Hygieneaufklä- sozialer Druck – und Prestige. Ähnlich Ablehnung kann die Vorstellung ste- rung und soziale Aspekte gehören zu wie bei jungen Menschen, die kaum auf- hen, Chlor mache unfruchtbar, oder die jedem Wasserprojekt von Helvetas. Im hören zu rauchen, weil es schädlich ist, Angst, dass Wasser, das in Flaschen auf westafrikanischen Benin hat Hygiene sondern erst, wenn es bei den Kollegen dem Dach liegt, verhext werden kann, vom Händewaschen bis zur Wasserlage- nicht mehr angesagt ist. weil es so exponiert ist», erklärt Valérie rung bereits einen festen Platz auf dem Wird Hygiene und die eigene La- Cavin. Andere fänden, es sei früher ja Stundenplan. Damit auch Assana und trine mit einem Statusgewinn verbun- auch ohne die Neuerungen gegangen. Mariam dieses Wissen nach Hause in den oder macht es stolz, einem Gast sau- Oder es fehle ganz einfach an einer all- ihre Familie tragen können. © Tom Malecha © Simon B. Opladen Deckel Keramiktopf Auffang- gefäss Wasserhahn Praktischer Hygieneunterricht an einer In Keramikfiltern fliesst das Wasser durch Einfach und innovativ: Händewaschen, wo Schule in Benin. Poren, die für Bakterien zu fein sind. es keinen Wasserhahn gibt, in Bolivien. 15 FOKUS
215 /14 Partnerschaft GESCHENK DES HIMMELS Wo Dörfer vom Grundwasser abgeschnitten sind, hilft nur Regenwasser gegen die Not in Mali. Sanamba Doumbia und ihre Kinder haben dank der neuen Zisterne selbst in der Trockenzeit sauberes Trinkwasser. © Tanja Demarmels Von Anita Baumgartner Zugegeben, schön sind sie nicht. Die bunkerartigen Zementzisternen wirken wie Fremdkörper im traditionellen afri- kanischen Dorfbild. Sanamba Doumbia stört das nicht. Im Gegenteil. Der graue Regenwassertank ist ihr ganzer Stolz. Den Schlüssel zum Wasserhahn hütet sie wie einen Schatz. «Dank der Zisterne haben wir das ganze Jahr über sauberes Trinkwasser, und das direkt beim Haus», sagt sie, und man spürt, was das für sie bedeutet. Die 42-jährige Sanamba lebt seit dem Tod ihres Mannes vor zwei Jahren mit ihren Kindern wieder in ihrem Hei- matdorf Mafélé im Süden von Mali. Als Witwe gehört sie zu den Ärmsten im Dorf. Ihre Kinder versorgt sie allein. Das bedeutet viel Arbeit im Haushalt und auf In der Zisterne von Sanamba Doumbia sammelt sich genug Regenwasser fürs ganze Jahr. den zwei kleinen Feldern, auf denen sie Mais für die Familie und Bio-Baumwolle für den Verkauf anbaut. Wenn möglich In Dörfern wie diesem gibt es nur eine dafür; jede Familie packt beim Bau ihrer hilft sie gegen Entgelt noch anderen Fa- Alternative: das Sammeln von Regen in Zisterne mit an. Mit den älteren Kindern milien bei der Feldarbeit. Nur mit die- der viermonatigen Regenzeit. Helvetas hat sie Backsteine hergestellt. Sie holten sem Effort kann sie das Schulgeld für die führt in Mali ein Kompetenzzentrum Holzpfähle aus dem Wald, Sand, Kies und Kinder aufbringen. Dass sie dank dem für Regenwassersammlung. Das System spezielles Gras, das geflochten dem noch Wassertank kaum noch Zeit fürs Was- ist durchdacht. Die Zisternen halten nassen Zement Halt gibt. serholen benötigt und keines der Kinder über 20 Jahre, der Unterhalt ist unkom- Im ersten Jahr war die Skepsis statt in die Schule zum Bach schicken pliziert: Vor der Regenzeit werden die noch gross, wenige wollten in eine An- muss, erleichtert ihren Alltag enorm. Tanks geleert, von innen gereinigt und lage investieren. Dann stieg die Nach- Das Dorf Mafélé befindet sich mit Chlor desinfiziert. Daneben steht frage rasant. Die Leute waren erstaunt, geologisch an einem unglücklichen ein Häuschen mit Wellblechdach. Setzt dass man einem 10-Kubikmeter-Tank Ort: Es ist hier nicht möglich, mit ver- der Regen ein, lässt man das Dachwasser täglich rund 30 Liter Wasser entnehmen nünftigem Aufwand einen Brunnen zu zunächst ablaufen, um das Blech zu rei- kann, ohne dass das Wasser ausgeht. bauen, eine dicke Gesteinsschicht liegt nigen. Dann wird das Rohr angeschlos- «Wir nutzen das Wasser nur zum Trin- über dem Grundwasser. Während der sen, und der Tank füllt sich. ken, so reicht es das ganze Jahr», erklärt Regenzeit nutzten die Dorfbewohner Über 100 Familien hat Helvetas in Sanamba. «Seither sind wir fast nie mehr Wasserlöcher mit schmutzigem Wasser. Mafélé in zwei Jahren eine solche Wasser- krank.» Dann erzählt sie, dass sie zwei Zudem versiegten die Löcher bereits versorgung ermöglicht. Die meisten leis- Kinder verloren hat, sie litten an extre- wenige Wochen nach der Regenzeit. Frau- ten einen finanziellen Beitrag. Den Be- men Durchfällen. Darüber reden möch- en und Kinder waren gezwungen, täglich dürftigsten wird dieser erlassen. So auch te sie nicht. Über den Tod spricht man mehr als einen Kilometer zum Bach zu Sanamba, sie ist froh darüber. «Ich hätte nicht gern in Mali. laufen – einem Bach, in dem die Men- mir den Tank sonst nicht leisten können», Anita Baumgartner ist Teamleiterin Projektpart- schen auch baden und Wäsche waschen. sagt sie. Gearbeitet hat sie dennoch hart nerschaften. 16FOKUS
215 /14 Partnerschaft BECHER(N) FÜR BRUNNEN Seit vier Jahren engagiert sich Viva con Agua in der Schweiz, unter anderem auf Musikfestivals, mit kreativen Aktivitäten und finanziert mit dem Erlös Brunnen von Helvetas. Gemeinsam mit Rapper Knackeboul hat die Organisation Wasserprojekte in Mosambik besucht und mit lokalen Künstlern ein Festival veranstaltet. jekte, von denen heute 35’000 Menschen Von Gregor Anderhub profitieren. Run4Wash Eines dieser Wasserprojekte ha- Viva con Agua und Helvetas organi- Wer regelmässig Musikfestivals besucht, ben wir von Viva con Agua im Septem- sieren gemeinsam einen Spenden- ist ihnen schon begegnet: den bunten ber 2013 im Norden Mosambiks besucht. lauf am 27. Juni 2014. Infos für Trinkbechertonnen von Viva con Agua. Mit in unserer Crew waren auch Künst- Lehrpersonen, Schüler und Eltern: Dahinter steckt ein ebenso simples wie ler, darunter der bekannte Rapper Kna- www.vivaconagua.ch originelles und effektives Spendensys- ckeboul. In den Projektdörfern konnten tem. Statt am Getränkestand die zwei wir uns mit eigenen Augen von der Sinn- versorgung selbst, sondern auch, dass Franken Depot für den leeren Trinkbe- haftigkeit unseres Engagements überzeu- die Dorfbewohnerinnen und -bewoh- cher zurückzufordern, kann man ihn in gen und die Menschen kennenlernen, ner mitdenken und mitentscheiden. diese Tonnen werfen. Wir von Viva con die von den neuen Brunnen profitieren. «Bildung, für Frauen wie für Männer, Agua geben den Erlös an Helvetas weiter Die Dorfbevölkerung erklärte uns trotz ist unglaublich wichtig», ist Knacke- für Wasser- und Hygieneprojekte. Sprachbarrieren herzlich und frei von boul überzeugt. «Deshalb sind auch die Viva con Agua ist ein Netzwerk Berührungsängsten, wie die Wasserver- Hygieneschulungen so wichtig.» von über 4’000 ehrenamtlich Engagier- sorgung in der Gemeinschaft organisiert Nach dem Projektbesuch or- ten in drei Ländern, darunter auch vie- und sichergestellt wird. Übernachtet ganisierte Viva con Agua in der Dist- le Künstlerinnen und Künstler. In der haben wir im Dorf – ohne Strom. «Hier rikthauptstadt Pemba einen Aktionstag. Schweiz pflegen wir seit der Gründung trifft man auf Probleme, wie wir sie in Das Schweizer Duo QueenKong bemalte 2009 eine Partnerschaft mit Helvetas. der Schweiz schon lange nicht mehr ken- mit einheimischen Künstlern gemein- Das an Musikfestivals und mit weiteren nen», stellte Knackeboul fest. sam eine Stadionwand. An den Beatbox- kreativen Aktionen gesammelte Geld Ausschlaggebend für eine positi- und Kunst-Workshops nahmen über fliesst vollumfänglich in Helvetas-Pro- ve Entwicklung ist nicht nur die Wasser- 100 Kinder teil. Am Abend traten vor zahlreichem Publikum ein Dutzend ein- heimische Musiker und Comedians auf, © Thomas Koch und eine Modeschau präsentierte Mode aus Mosambik. Höhepunkt des Abends war der Auftritt von Knackeboul und Chocolocolo, die trotz Magenproblemen die Stimmung anheizten. Was bleibt, sind Erinnerungen an grossartige Erlebnisse und Erfahrun- gen, die uns motivieren, uns auch im kommenden Sommer gemeinsam mit Helvetas für eine Welt ohne Durst und Krankheit zu engagieren. Und ein Song, der unter die Haut geht: «Vamos là» von Knackeboul und dem einheimischen Rapper Shot-B, die zum Engagement für sauberes Wasser aufrufen. Gregor Anderhub ist Geschäftsleiter von Viva con Agua Schweiz Schauen Sie sich den Video-Clip von «Vamos là» an: www.youtube.com/VcASchweiz Rapper Knackeboul erweist sich auch in Mosambik als perfekter Entertainer. 17 FOKUS
215 /14 Partnerschaft Gastkommentar WASSERPARTNER Ein Dorf sucht nach Wasser Die Partnerschaft von Helvetas und Geberit für sauberes Seit Tagen sind wir mit dem Moun- Wasser und sanitäre Einrichtungen für die Ärmsten der Welt tainbike im alten Königreich Mustang soll weitergeführt – und ausgebaut – werden. in Nepal unterwegs. Wir suchen das Dorf Sam Dzong, nahe der Grenze zu Tibet. Mustang zählt zu den trocken- Von Hanspeter Bundi ten so selbstverständlich und logisch, als sten Hochtälern im Himalaya. Im würde sie schon viel länger bestehen. Ein Monsunschatten der Achttausender «Der Name Geberit steht für Spitzenleis- Gewinn für Helvetas, aber auch für Ge- Annapurna und Dhaulagiri erstreckt tungen und Qualität, wenn es um Sani- berit. «Die Unterstützung von Helvetas sich auf über 3’000 Meter über Meer täranlagen geht, das passt zu Helvetas. betont unsere nachhaltige Geschäftspoli- eine staubige und felsige Mondland- Umso mehr, als Geberit unternehme- tik», sagt Albert Baehny. Eine Geschäfts- schaft. Tief eingeschnittene Täler rischen Erfolg mit sozialer und ökolo- politik, die mit internationalen Nachhal- wechseln sich mit weiten Ebenen ab. gischer Nachhaltigkeit verknüpft.» So tigkeitspreisen ausgezeichnet wurde. Grüne Oasen gibt es nur dort, wo von kommentiert Helvetas-Geschäftsleiter Das gemeinsame Ziel, innert drei Menschenhand bewässert wird. Melchior Lengsfeld die Partnerschaft Jahren einer Million Menschen Zugang Auch wir müssen unsere Wasservor- zwischen Helvetas und dem Schweizer zu Trinkwasser zu ermöglichen, wurde räte genau planen. 23 Liter nehmen Unternehmen, das zu den führenden Sa- Ende 2012 vorzeitig erreicht. Geberit wir täglich mit und hoffen, am Abend nitärkonzernen der Welt gehört. verknüpfte eine Promotionskampagne wieder an einen Brunnen oder Bach zu Albert Baehny, CEO und Präsi- für ihre Dusch-WCs mit der Unterstüt- kommen. Nicht immer gelingt es uns, dent des Verwaltungsrats von Geberit, zung beim Bau von einfachen Latrinen sauberes Wasser zu finden. Manch- in Mosambik und Nepal. Auch im Unter- mal überlegen wir uns zweimal, ob wir nehmen ist die Partnerschaft gut veran- aus der Brühe schöpfen sollen. Zum © Catherine von Graffenried kert: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Glück haben wir modernste Entkei- sammelten in einer Weihnachtsaktion mungsgeräte dabei. Wir fragen uns, für Helvetas. wie die einheimische Bevölkerung Mit solchen Initiativen schlagen sich vor Keimen im Wasser schützt. Geberit und Helvetas eine Brücke zu den Nach sechs Tagen finden wir das Dorf Ärmsten der Welt. Sie lassen sich dabei Sam Dzong. Hier leben noch 18 Fa- von einer gemeinsamen Vision leiten: milien als Selbstversorger. Aufgrund sauberes Wasser und sanitäre Einrich- der Klimaveränderung ist das Wasser tungen für mehr Lebensqualität. 2013, in den letzten Jahren so knapp gewor- im UNO-Jahr der Wasserkooperationen, den, dass ihr Vieh kaum mehr Gras wurde die Partnerschaft von der DEZA findet und das Getreide nicht mehr Partner aus Überzeugung: Geberit-CEO Albert Baehny (l.) und Helvetas-Geschäfts- mit dem &-Signet gewürdigt, mit dem wächst. Schweren Herzens hat die leiter Melchior Lengsfeld. beispielhafte Zusammenarbeit zwischen Dorfbevölkerung entschieden, wegen Unternehmen und privaten Hilfswerken des Wassermangels ihr ganzes Dorf war es, der die Partnerschaft initiier- im Wasserbereich ausgezeichnet wurde. umzusiedeln. Zuerst musste unge- te, nachdem er eine Anzeige von Hel- Bei einem Treffen der Geschäftsleiter nutztes Land gefunden und terras- vetas in der Zeitung gesehen hatte: ein gegen Ende letzten Jahres wurden auch siert werden, jetzt müssen am neuen Trinkhalm, der aus einer WC-Schüssel Pläne für den Ausbau der Zusammenar- Ort Häuser gebaut werden – ein Jahr- ragt. Albert Baehny sah darin sofort die beit gemacht. «Ich habe Albert Baehny zehnteprojekt. Für uns ist ein Glas thematische Verwandtschaft zwischen eingeladen, unsere Wasserprojekte in Wasser jederzeit greifbar und selbst- Geberit und Helvetas. «Das Inserat war Nepal zu besuchen, damit er sich selbst verständlich. Für Millionen Menschen mutig. Ich bin nach wie vor beeindruckt, ein Bild machen kann», sagt Melchior weltweit ist Wassermangel existenz- wie konsequent Helvetas auf das schwie- Lengsfeld. Bislang war Geberit Schweiz bedrohend, wie für die Menschen in rige Thema der fehlenden sanitären der Partner von Helvetas, nun prüfen die Sam Dzong. Grundversorgung in Entwicklungslän- Verantwortlichen, ob die Partnerschaft zVg Dany Gehrig, CEO dern aufmerksam macht.» Baehny ver- auf die ganze Geberit Gruppe, mit Nie- Globetrotter Travel anlasste eine Kontaktaufnahme, wenige derlassungen in 41 Ländern, ausgewei- Service AG. Globe- Monate später vereinbarten Helvetas tet werden kann, denn, so CEO Albert trotter unterstützt die SODIS-Projekte von und Geberit eine Partnerschaft. Baehny: «Was Helvetas leistet, steht für Helvetas. Das war vor vier Jahren. Heute Schweizer Qualität. Das verdient unsere erscheint die Partnerschaft beiden Sei- volle Unterstützung.» 18 FOKUS
215 /14 Partnerschaft DIE NASSE WAHRHEIT Die Fakten. Was Sie über Wassermangel wissen sollten. Wer geht am weitesten? Anteil der Bevölkerung in Ländern Afrikas, der über 30 Min. gehen muss, 768 Mio. Menschen Verloren um einen Kanister Wasser zu holen. haben keinen Zugang zu sauberem Der Mangel an sauberem Wasser, WHO/UNICEF 2010 Trinkwasser. Das ist rund jeder zehnte Latrinen und Hygiene bewirkt in den Mensch auf der Erde. WHO/UNICEF JMP 2013 Ländern Afrikas südlich der Sahara einen grösseren Verlust am Bruttoin- landprodukt als die ganze Entwicklungs- 700’000 Kinder sterben hilfe für den Kontinent umfasst. WHO 2004 jedes Jahr an Durchfall, verursacht von schmutzigem Trinkwasser. Das sind fast 2’000 Kinder pro Tag. UNICEF 2012 Benachteiligt Unter den Menschen ohne Zugang zu Wasser leben 66 Prozent von weniger > 3,4 Mio. Menschen als 2 Dollar pro Tag, 33 Prozent von we- keine Daten sterben jährlich an Krankheiten, die niger als 1 Dollar pro Tag. UNDP HDR 2006 durch verunreinigtes Wasser und man- > 25% 10 –25 % < 10% gelnde Hygiene verursacht werden. Fast die Hälfte der Bevölkerung in Ent- Ausgebeutet Menschen in Armensiedlungen und wicklungsländern leidet zu jedem Zeit- Slums zahlen oft 5 bis10 Mal mehr für punkt an solchen Krankheiten. ihr Wasser als Menschen in reichen WHO 2004/2008 Vierteln mit funktionierender Wasserver- sorgung in derselben Stadt. UNDP HDR 2006 200 Mio. Stunden werden jeden Tag aufgewendet, um Wasser zu Verbraucht holen (Schätzung der WHO). Zeit, die Eine Morgendusche von 5 Minuten für Erwerbsarbeit, Schule und Familie verbraucht so viel Wasser, wie einem fehlt. WHO/UNICEF 2010 Slumbewohner für den ganzen Tag zur Verfügung steht. water.org/UNDP HDR 2006 334’483 Menschen hat Investiert Helvetas im Jahr 2012 dauerhaft Jeder in Wasser und sanitäre Grundver- Zugang zu sauberem Trinkwasser sorgung investierte Franken steigert die ermöglicht. Helvetas Produktivität im Schnitt um 4 Franken. WHO 2004 30 CHF reichen, um einem Kind in Wer holt das Trinkwasser? Afrika Zugang zu sauberem Trinkwasser Die Frauen tragen die grösste Bürde. zu verschaffen. Helvetas WHO/UNICEF JMP 2013 4% 8% 24 % 64 % Frauen Mädchen Männer Knaben © Flurina Rothenberger 19 FOKUS
215 /14 Partnerschaft WASSER AUF TOUR Zwei Jahre lang war der Baselbieter Maurizio Ceraldi mit dem Velo in Afrika unterwegs und erfuhr am eigenen Leib, wie viel Arbeit sauberes Wasser machen kann. © Sekiji Yoshida Von Hanspeter Bundi Am 8. September 2013 notiert Mauri- zio Ceraldi auf seiner Website: «Ich bin nach 748 Tagen, 28’970 Kilometern und 26 Platten nach Liestal zurückgekehrt.» Es ist die Kürzestbilanz seiner grossen Veloreise, die ihn erst nach Gibraltar und dann im Gegenuhrzeigersinn rund um den afrikanischen Kontinent führ- te. Auf www.ceraldi.ch beschreibt der Jurist die Etappen seiner Reise in Wort und Bild. Es sind Szenen, die träumen lassen. Lange, schnurgerade Strassen durch aride Gebiete, Tiere, Ruinen, und immer wieder Menschen, Porträts, Strassenszenen. «Genügend essen und schlafen», Wasser: Für Maurizio Ceraldi nicht nur ein Sammelziel, sondern auch eine tägliche Heraus- sagt Ceraldi, seien wichtig, wenn man forderung auf seiner Tour. mit Muskelkraft durch Afrika reise. «Und vor allem genügend trinken.» Bier Online-Tagebuchs gespendet: für Was- de mir so richtig bewusst, wie wichtig oder Coke gab es fast überall zu kaufen. serprojekte, für ein Bildungsprojekt in sauberes Wasser ist», sagt Ceraldi. «Hier «Doch ich wollte und konnte nicht von Mosambik und für eine Hängebrücke in der Schweiz liefert uns die öffentliche Alkohol und Süssgetränken leben», sagt in Äthiopien. Auf die Frage, was ihn Wasserversorgung bestes Wasser fast er. Seinen Durst wollte er vor allem mit bei Helvetas am meisten beeindruckt, gratis ins Haus. In Afrika aber ist Was- Wasser löschen, mit sauberem Wasser. sagt er: «Die handfeste Arbeit und die ser immer mit Arbeit verbunden.» Das Er sah Wassertümpel, aus denen die Schweizer Qualität. Dank ihnen sind die gelte sogar in den Städten, sagt er und Menschen schöpften, Wasserverkäufer, Projekte nachhaltig.» erzählt von der Landeshauptstadt Gui- die das kostbare Nass von Eselskarren Ceraldis Unterstützung wurde in nea-Bissaus, wo sich zwanzig Haushalte verkauften, Frauen, die es in Tonkrügen Afrika dankbar aufgenommen. In der eine einzige öffentliche Zapfstelle teilen. oder Plastikkanistern nach Hause tru- Kleinstadt Matéri in Benin zum Beispiel, «Dort wurde sichtbar, wie sehr sich das gen, Wasser, das in kleinen Plastikbeu- wo Bevölkerung und Honoratioren ihn tägliche Leben ums Wasser dreht.» teln angeboten wurde. Er wusste aber mit Trommeln, Gesang und Lobreden nie, ob das scheinbar so saubere Wasser willkommen hiessen. zVg auch sicher war. Deshalb reinigte er es Mit Hilfe von Helvetas meist mit Entkeimungstabletten oder hatten Bevölkerung und mit seinem Keramikfilter. Und was er Behörden einen zerfalle- zu seinem Reisebudget sagt, gilt auch nen Brunnenschacht auf für seinen Wasserkonsum: «Es war mir dem Marktplatz instand immer bewusst, wie privilegiert ich bin.» gestellt, gedeckt und mit Mit seiner Reise rund um Afrika einer Fusspumpe verse- wollte Maurizio Ceraldi dazu beitragen, hen. Ceraldi überreichte die Kluft, die er erlebte, etwas kleiner zu der Stadt einen symbo- machen. Im Vorfeld hatte er angeboten, lischen Check, und der vor Ort unentgeltlich über Helvetas- verrückte Velofahrer Projekte zu berichten und Geld für sie aus der Schweiz wurde zu sammeln. Mehr als 15’000 Franken zum Ehrenbürger er- Maurizio übergibt in Benin den Check für den instand gestell- haben Leserinnen und Leser seines nannt. «In Afrika wur- ten Brunnen und wird von lokalen Medien interviewt. 20FOKUS
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