Anwerbung und Arbeits bedingungen von Saisonarbeitskräften
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Anwerbung und Arbeitsbedingungen von Saisonarbeitskräften Studie der deutschen nationalen Kontaktstelle für das Europäische Migrationsnetzwerk (EMN) Working Paper 89 Claudia Lechner Forschung Kofinanziert durch den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union
Anwerbung und Arbeitsbedingungen von Saisonarbeitskräften Studie der deutschen nationalen Kontaktstelle für das Europäische Migrationsnetzwerk (EMN) Claudia Lechner Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2020
4 Das Europäische Migrationsnetzwerk Das Europäische Migrationsnetzwerk Das Europäische Migrationsnetzwerk (EMN) wurde Im Rahmen des EMN wird in der Regel keine Primär- im Jahr 2003 von der Europäischen Kommission im forschung betrieben, sondern es werden bereits vor- Auftrag des Europäischen Rates eingerichtet, um dem handene Daten und Informationen aufbereitet und Bedarf eines regelmäßigen Austausches von verläss- analysiert; nur bei Bedarf werden diese durch eigen- lichen Informationen im Migrations- und Asylbereich ständige Erhebung von Daten und Informationen er- auf europäischer Ebene nachzukommen. Seit 2008 bil- gänzt. EMN-Studien werden nach einheitlichen Spe- det die Ratsentscheidung 2008/381/EG die dauerhafte zifikationen erstellt, um innerhalb der Europäischen Rechtsgrundlage des EMN, und es wurden nationale Union und Norwegens vergleichbare Ergebnisse zu Kontaktstellen in den Mitgliedstaaten der Europäi- erzielen. Um auch begriffliche Vergleichbarkeit zu ge- schen Union (mit Ausnahme Dänemarks, welches Be- währleisten, wurde ein Glossar erstellt, das über die obachterstatus hat) und in Norwegen geschaffen. nationalen und internationalen EMN-Webseiten zu- gänglich ist. Aufgabe des EMN ist es, die Organe der Europäischen Union, nationale Institutionen und Behörden sowie die Nach der Fertigstellung der nationalen Studien wird Öffentlichkeit mit aktuellen, objektiven, verlässlichen ein Synthesebericht erstellt, der die wichtigsten Ergeb- und vergleichbaren Informationen über Migration und nisse der einzelnen nationalen Berichte zusammen- Asyl im Hinblick auf eine Unterstützung der Politik in fasst und so einen europäischen Überblick erlaubt. diesem Bereich zu versorgen. Die deutsche Nationale Dazu kommen themenspezifische Informationsblät- Kontaktstelle ist beim Bundesamt für Migration und ter (EMN-Informs), die knapp und präzise ausgewählte Flüchtlinge in Nürnberg angesiedelt. Themen präsentieren. Das EMN-Bulletin liefert vier- teljährlich Informationen über die aktuellen Entwick- Zu den Hauptaufgaben der nationalen Kontaktstelle lungen in der EU und ihren Mitgliedstaaten. Mit dem gehört die Umsetzung des jährlichen EMN-Arbeits- Arbeitsprogramm 2014 wurde des Weiteren die Ar- programms. Dies umfasst die Erstellung des jährlichen beitsgruppe Return Expert Group (REG) eingerichtet. Politikberichts „Migration, Integration, Asyl“, die Er- Diese beschäftigt sich mit Aspekten der freiwilligen arbeitung von bis zu vier themenspezifischen Studien, Rückkehr, der Reintegration und der zwangsweisen die Beantwortung von an das Netzwerk gestellten Ad- Rückführung. hoc-Anfragen sowie die Informationsvermittlung in unterschiedlichen Foren, z. B. durch die Organisation Alle EMN-Publikationen sind auf der Webseite der Ge- von eigenen Tagungen und die Teilnahme an Tagungen neraldirektion Migration und Inneres der Europäischen im In- und Ausland. Darüber hinaus richten die Natio- Kommission verfügbar. Die Studien der deutschen Na- nalen Kontaktstellen jeweils nationale Netzwerke aus tionalen Kontaktstelle sowie die Syntheseberichte, In- Organisationen, Institutionen und Einzelpersonen ein, forms und das Glossar finden sich auch auf der natio- die im Bereich Migration und Asyl tätig sind. nalen Webseite: www.emn-deutschland.de.
Zusammenfassung 5 Zusammenfassung Die vorliegende Studie stellt den deutschen Beitrag Umsetzung der EU-Saisonarbeitnehmerrichtlinie zur EMN-Studie ‚Attracting and Protecting Seasonal (2014/36/EU) Workers from Third Countries in the EU‘ dar. Sie wird in allen beteiligten EU-Mitgliedstaaten und Norwe- In Deutschland können Drittstaatsangehörige gemäß gen nach gemeinsamen Vorgaben durchgeführt. Die der EU-Richtlinie zu Saisonarbeitskräften (2014/36/ Ergebnisse der nationalen Studie fließen anschließend EU)1, umgesetzt in § 15a der Beschäftigungsverord- in einen vergleichenden Synthesebericht ein, der einen nung (BeschV), unter bestimmten Voraussetzungen gesamteuropäischen Überblick über die Maßnahmen und Bedingungen als Saisonarbeitskräfte beschäftigt der Anwerbung und der Arbeitsbedingungen von Sai- werden. Grundlage für die Umsetzung der EU-Richtli- sonarbeitskräften gibt. nie zu Saisonarbeitskräften in Deutschland sind bilate- rale Absprachen der Bundesagentur für Arbeit (BA) mit Hoher Bedarf an ausländischen den in Frage kommenden Drittstaaten. Die Vermitt- Saisonarbeitskräften lung der Saisonarbeitskräfte übernimmt die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Saisonale Wirtschaftsbereiche – wie die Landwirt- Arbeit (ZAV). schaft, der Tourismus und das Schaustellergewerbe – sind häufig auf Saisonarbeitskräfte angewiesen. Erste Vermittlungsabsprachen mit Drittstaaten Deutschland hatte in der Vergangenheit und hat auch gegenwärtig einen hohen Bedarf an Saisonarbeits- Mit den ehemaligen EU-Beitrittskandidaten Polen, kräften aus dem Ausland. Deutlich wurde dies insbe- Tschechien, Slowakei, Ungarn sowie Rumänien, Bul- sondere durch die Einreisebeschränkungen aufgrund garien und Kroatien bestanden Vermittlungsabspra- des COVID-19 Ausbruchs Anfang 2020. Im März 2020 chen, die jedoch mit ihrem Beitritt ausgelaufen sind, fehlten mehrere zehntausend Saisonarbeitskräfte aus seitdem gilt für sie Arbeitsnehmerfreizügigkeit. Der dem Ausland, die nicht durch inländische Arbeitskräfte Bedarf an Saisonarbeitskräften wurde wie bereits vor ersetzt werden konnten. Infolge dessen musste eine ihrem EU-Beitritt überwiegend aus diesen Ländern ge- Sonderregelung geschaffen werden, die eine begrenzte deckt. Seit Ende 2018 ist die BA ermächtigt, Abkom- Anzahl an ausländischen Saisonarbeitskräften als Ernt- men zur Rekrutierung Saisonbeschäftigter aus Dritt- ehelferinnen und -helfer unter strengen Auflagen zu- staaten im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit ließ. und Soziales (BMAS) und des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) abzuschließen. Beschäftigung von Saisonarbeitskräften aus den Anfang 2020 wurde dann eine Vermittlungsabsprache EU- Mitgliedstaaten mit Georgien abgeschlossen. Die Vermittlung von Sai- sonarbeitskräften in der Landwirtschaft, die als Pilot- Anders als in vielen anderen EU-Mitgliedstaaten verfahren ab Mai 2020 geplant war, wurde jedoch auf- konnte der Bedarf an Saisonarbeitskräften in Deutsch- grund des Ausbruchs von COVID-19 verschoben. Die land bisher mehrheitlich mit EU-Bürgerinnen und BA steht zur Anbahnung bilateraler Vermittlungsab- -Bürgern, unter anderem aus Polen und Rumänien, sprachen mit weiteren Drittstaaten wie z. B. Bosnien- gedeckt werden. Nach Aussagen der Arbeitgeberver- Herzegowina, Albanien, Moldawien und Nordmazedo- bände sowie der Bundesagentur für Arbeit lässt sich nien in Kontakt. in den letzten Jahren beobachten, dass das Interesse der EU-Bürgerinnen und -Bürger an einer Saisonar- Die bilaterale Kooperationsvereinbarung der BA mit beit in Deutschland – vor allem in der Landwirtschaft dem georgischen Arbeitsministerium stützt sich auf – zurückgeht. Sofern sich die Entwicklungen nicht die EU-Saisonarbeitnehmerrichtlinie, wodurch sicher- verändern, kann künftig, so die Annahme, von einem gestellt werden soll, in allen Aspekten der Vermitt- wachsenden Bedarf an Saisonarbeitskräften aus Dritt- staaten ausgegangen werden. 1 Richtlinie 2014/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Bedingungen für die Ein- reise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zwecks Beschäftigung als Saisonarbeitnehmer.
6 Zusammenfassung lungsabsprache dem Schutz der Rechte der Saisonar- beitskräfte gerecht zu werden. Die in diesem Rahmen eingesetzten Arbeitskräfte in der Bundesrepublik Deutschland dürfen grundsätzlich nicht zu schlechte- ren Bedingungen beschäftigt werden als vergleichbare inländische oder diesen gleichgestellten Arbeitneh- merinnen oder -nehmer. So gelten auch für sie bei- spielsweise der Mindestlohn sowie gesetzlich festge- legte Arbeitszeiten. Arbeitsbedingungen und Maßnahmen der Sicherung der Rechte von Saisonarbeitskräften Zur Überwachung der Beschäftigungsbedingungen sowie zum Schutz der Rechte der Saisonarbeitskräfte wurden Regularien festgehalten. Nach den Vorga- ben des Mindestlohngesetzes (MiLoG) besteht etwa die Verpflichtung der Arbeitgeber, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzuzeichnen. Des Weiteren wird u. a. die Bereitstellung einer angemes- senen Unterkunft durch den Betrieb oder die Formu- lierung der Arbeitsverträge in der jeweiligen Landes- sprache kontrolliert. Die Bundesagentur für Arbeit konstatiert, dass die Si- cherstellung von fairen und attraktiven Lohn- und Arbeitsbedingungen ein wichtiger Faktor ist, um auf europaweiten Arbeitsmärkten für Saisonarbeitskräfte konkurrenzfähig zu bleiben. Herausforderungen erge- ben sich u. a. im Zusammenhang mit der Übertragbar- keit der Sozialversicherungsbeiträge in die Herkunfts- länder der Saisonarbeitskräfte.
Inhaltsübersicht 7 Inhaltsübersicht Das Europäische Migrationsnetzwerk 4 Zusammenfassung 5 1 Einleitung 11 2 Hintergrund, rechtliche Rahmenbedingungen und Zusammensetzung der Saisonarbeitskräfte in Deutschland 12 3 Anwerbung von Saisonarbeitskräften 17 4 Arbeitsbedingungen und Maßnahmen der Sicherung der Rechte von Saisonarbeitskräften 23 5 Fazit 26 Literaturverzeichnis 27 Abkürzungsverzeichnis 31 Tabellenverzeichnis 32 Publikationen des Forschungszentrums Migration, Integration und Asyl 33
Inhaltsverzeichnis 9 Inhaltsverzeichnis Das Europäische Migrationsnetzwerk 4 Zusammenfassung 5 1 Einleitung 11 2 Hintergrund, rechtliche Rahmenbedingungen und Zusammensetzung der Saisonarbeitskräfte in Deutschland 12 2.1 Definition und Hintergrund von Saisonarbeit 12 2.2 Möglichkeiten temporärer Arbeitsaufnahme in Saisonbetrieben für Drittstaatsangehörige 13 2.2.1 Beschäftigung von Saisonarbeitskräften unter der EU-Saisonarbeitnehmerrichtlinie (RL 2014/36/EU) 13 2.2.2 Alternative Möglichkeiten der saisonalen Arbeitsaufnahme für Drittstaatsangehörige 15 2.3 Zusammensetzung der Saisonarbeitskräfte 15 3 Anwerbung von Saisonarbeitskräften 17 3.1 Vermittlungsabsprachen mit Drittstaaten 17 3.1.1 Sektorale und zeitliche Einsatzbeschränkungen 18 3.1.2 Arbeitsbedingungen 18 3.2 Neuere Entwicklungen aufgrund von COVID-19 21 4 Arbeitsbedingungen und Maßnahmen der Sicherung der Rechte von Saisonarbeitskräften 23 4.1 Überwachung der Beschäftigungsbedingungen zum Schutz der Rechte der Saisonarbeitskräfte 23 4.2 Arbeitsbedingungen der Saisonarbeitskräfte 24 5 Fazit 26 Literaturverzeichnis 27 Abkürzungsverzeichnis 31 Tabellenverzeichnis 32 Publikationen des Forschungszentrums Migration, Integration und Asyl 33
Einleitung 11 1 Einleitung Saisonale Wirtschaftsbereiche wie die Landwirtschaft matisiert. In der Studie werden weiterhin die Maßnah- haben zu Spitzenzeiten vielfach Schwierigkeiten, aus- men zur Sicherung der Rechte von Saisonarbeitskräf- reichend inländische Arbeitskräfte zu finden, weshalb ten untersucht und kurz die Arbeitsbedingungen der sie temporär auf ausländische Saisonarbeitskräfte an- Saisonarbeitskräfte beleuchtet (Kapitel 4). Schließlich gewiesen sind. Während Arbeitskräfte aus den EU- werden in Kapitel 5 die zentralen Ergebnisse zusam- Mitgliedstaaten in Deutschland uneingeschränkte mengefasst. Arbeitnehmerfreizügigkeit genießen und dafür keine Arbeitserlaubnis benötigen, gelten für Saisonarbeits- Die Studie basiert vorwiegend auf Auswertungen der kräfte aus Drittstaaten andere Regeln. Literatur zu ausgewählten Aspekten des Themas sowie auf Analysen einschlägiger rechtlicher Bestimmungen. In Deutschland können Drittstaatsangehörige auf- Zur Konkretisierung wurden Mitarbeitende der Bun- grund der EU-Richtlinie zu Saisonarbeitnehmenden desagentur für Arbeit befragt. (2014/36/EU)2, umgesetzt in § 15a der Beschäfti- gungsverordnung (BeschV), unter bestimmten Vor- Die vorliegende Studie stellt den deutschen Beitrag aussetzungen und Bedingungen als Saisonarbeitskraft zur EMN-Studie „Attracting and Protecting Seasonal beschäftigt werden. Grundlage für die Umsetzung der Workers from Third Countries in the EU“ dar. Sie wird EU-Richtlinie zu Saisonarbeitnehmenden in Deutsch- in allen beteiligten EU-Mitgliedstaaten und Norwe- land sind bilaterale Absprachen der Bundesagentur für gen nach gemeinsamen Vorgaben durchgeführt. Die Arbeit (BA) mit interessierten Drittstaaten bzw. den in Ergebnisse der nationalen Studie fließen anschließend Frage kommenden Ländern. Seit dem Auslaufen der in einen vergleichenden Synthesebericht ein, der einen Absprachen mit den ehemaligen EU-Beitrittskandida- vergleichenden Überblick über die Maßnahmen der ten wurden zunächst keine weiteren Vereinbarungen Anwerbung und der Arbeitsbedingungen von Saison- getroffen. Eine Vermittlungsabsprache wurde Anfang arbeitskräften in den EU-Mitgliedstaaten gibt. 2020 mit Georgien abgeschlossen. Ziel dieser EMN-Studie ist es, einen Überblick über die Maßnahmen zur Anwerbung und die Arbeitsbe- dingungen von Saisonarbeitskräften aus Drittstaaten zu geben. Da der Großteil der eingesetzten Saison- arbeitskräfte in Deutschland weiterhin aus EU-Staa- ten kommt, beziehen sich die in der Studie genannten Zahlen und Ausführungen zur Beschäftigung auslän- discher Saisonarbeitskräfte häufig nicht ausschließlich auf Drittstaatsangehörige, sondern betreffen teilweise auch Saisonarbeitskräfte aus den EU-Mitgliedstaaten. Die Studie gibt zunächst einen Überblick über den Hintergrund, die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Zusammensetzung der Saisonarbeitskräfte in Deutschland (Kapitel 2). In Kapitel 3 geht die Studie detaillierter auf die Anwerbung von Saisonarbeitskräf- ten, die gesetzlichen Grundlagen und Regelungen der Vermittlungsabsprachen ein. Des Weiteren werden neuere Entwicklungen aufgrund von COVID-19 the- 2 Richtlinie 2014/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Bedingungen für die Ein- reise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zwecks Beschäftigung als Saisonarbeitnehmer.
12 Hintergrund, rechtliche Rahmenbedingungen und Zusammensetzung der Saisonarbeitskräfte in Deutschland 2 Hintergrund, rechtliche Rahmenbedingungen und Zusammensetzung der Saisonarbeitskräfte in Deutschland 2.1 Definition und Hintergrund Die Beschäftigung von Saisonarbeitskräften ist für viele Betriebe in den oben genannten Branchen von von Saisonarbeit großer Bedeutung. „Die Betriebe müssen ihren saiso- nalen Arbeitskräftebedarf in Abhängigkeit von Um- Eine einheitliche Definition von Saisonarbeit existiert ständen wie Wetter oder Marktsituation flexibel nicht. Die unterschiedlichen Definitionen beinhalten decken können“ (BMEL 2020a). Aufgrund der for- jedoch dieselben Merkmale: saisonbedingte Schwan- dernden Arbeitsbedingungen und fehlenden inländi- kungen des Arbeitssaufkommens und davon abhängig schen Nachwuchskräfte im Bereich kann der Bedarf die Befristung des Arbeitsverhältnisses. Dabei verlegen vielfach jedoch nicht mit inländischen Arbeitskräften die saisonal Beschäftigten ihren Wohnsitz meist nicht gedeckt werden, wodurch die Betriebe auf ausländi- an den Ort, an dem die Beschäftigung erfolgt. Im Falle sche Arbeitskräfte angewiesen sind (Parusel/Schneider von ausländischen beschäftigten Personen verbleibt 2010: 67). der Wohnsitz in einem anderen Land als dem, in dem die saisonale Beschäftigung erfolgt (Späth et al. 2018; Ziel der Regelungen zur Saisonbeschäftigung ist OECD 2008; López-Sala et al. 2016). es, einen vorübergehenden „Arbeitskräftebedarf zu Spitzenzeiten“ zu überbrücken (Parusel/Schneider Die Bundesregierung definiert Saisonarbeitskräfte als 2010: 21). Die Zuwanderung von Saisonarbeitskräf- „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die befris- ten gilt in Deutschland als Zuwanderung von Personen tet bei einem im Inland ansässigen Arbeitgeber ange- ohne qualifizierte Berufsausbildung, die im deutschen stellt sind und Tätigkeiten ausüben, die aufgrund eines Zuwanderungsrecht nur in begrenztem Maße vorgese- immer wiederkehrenden saisonbedingten Ereignisses hen ist (SVR 2018: 21). Ausnahmen von dieser Rege- oder einer immer wiederkehrenden Abfolge saisonbe- lung bestehen jedoch, „wenn ergänzende Bestimmun- dingter Ereignisse an eine Jahreszeit gebunden sind, gen der Beschäftigungsverordnung dies zulassen oder während der Bedarf an Arbeitskräften den für ge- eine zwischenstaatliche Vereinbarung existiert“ (SVR wöhnlich durchgeführte Tätigkeiten erforderlichen Be- 2018: 21). darf in erheblichem Maße übersteigt“ (Deutscher Bun- destag 2015: 4). Während Arbeitskräfte aus den EU-Mitgliedstaaten keine Arbeitserlaubnis benötigen, setzt die Zulassung Dies sind in Deutschland insbesondere Beschäftigte ausländischer Saisonarbeitskräfte aus Drittstaaten bi- laterale Vermittlungsabsprachen der BA mit dem Ar- in der Landwirtschaft und im Gartenbau (z. B. Ernt- beitsministerium oder einer adäquaten Institution des ehelferinnen und -helfer in Sonderkulturbetrieben jeweiligen Herkunftslandes voraus (Kapitel 3.1). Die wie Obst-, Gemüse- oder Weinanbau), Vermittlung der Saisonarbeitskräfte übernimmt die im Tourismus, insbesondere in Gaststätten und Ho- Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundes- tels und in Betrieben oder Teilen von Betrieben, die agentur für Arbeit (ZAV). nicht ganzjährig geöffnet sind (z. B. Biergärten, Ski- hütten) oder die während bestimmter befristeter Vor der EU-Osterweiterung galten bilaterale Abkom- Zeiträume einen erhöhten Arbeitskräftebedarf ab- men zur Saisonarbeit mit Polen, Rumänien, Ungarn, decken müssen (z. B. Ausflugslokale) und der Slowakei, Tschechien, Kroatien, Slowenien und im Schaustellergewerbe (z. B. Begleitpersonal von Bulgarien (SVR 2018: 21). Mit dem Beitritt dieser Staa- Fahrgeschäften) (Zoll o. J.). ten in die EU 2004, 2007 bzw. 2013 sowie dem Aus- laufen der Übergangsregelungen in Bezug auf die Ar-
Hintergrund, rechtliche Rahmenbedingungen und Zusammensetzung der Saisonarbeitskräfte in Deutschland 13 beitnehmerfreizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und haltsregelungen“ definiert werden. Zudem schafft sie Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedstaaten „Garantien […], um zu verhindern, dass die zulässige (2011, 2014 bzw. 2015) liefen auch die Vermittlungsab- Aufenthaltsdauer überschritten und aus einem be- kommen mit diesen Staaten aus. fristeten Aufenthalt ein Daueraufenthalt wird.“ Zum anderen zielt sie auf die „Gewährleistung menschen- Daraufhin wurden bis 2020 keine Vermittlungsabspra- würdiger Arbeits- und Lebensbedingungen“ für Sai- chen mit Drittstaaten getroffen, was unter anderem sonarbeitskräfte (Erwägungsgrund 7 der Saisonarbei- darauf zurückzuführen ist, dass nach Auffassung der terrichtlinie (RL 2014/115/EU)). Bundesregierung, der Bedarf an Saisonarbeitskräf- ten ausschließlich mit inländischen und EU-Bürgerin- In einigen Punkten macht die Richtlinie den EU-Mit- nen und -Bürgern gedeckt werden konnte (Brinkmann gliedstaaten konkrete Vorgaben (SVR 2018: 18): So ist 2017: 4). Insbesondere das Hotel- und Gaststättenge- beispielsweise der Zeitraum des Aufenthalts der Sai- werbe und die Baubranche sowie jüngst die Landwirt- sonarbeitskräfte in der Europäischen Union auf fünf schaft klagten vermehrt über Engpässe, die durch Ar- bis neun Monate pro Jahr begrenzt, wobei ihr Haupt- beitskräfte aus der EU nicht mehr überbrückt werden wohnsitz in dieser Zeit im Drittstaat bleibt. Darüber könnten (SVR 2018: 16). Expertinnen und Experten hinaus bleibt den Mitgliedstaaten jedoch ein gewis- gehen davon aus, dass sich diese Situation in Zukunft ser Entscheidungsspielraum, beispielsweise hinsicht- noch verschärfen werde, da u. a. „das Angebot an frei- lich der Festlegung des Umfangs der Zuwanderung. So zügigkeitsberechtigten Arbeitnehmerinnen und -neh- ist es beispielsweise den Mitgliedstaaten überlassen, mern aus den östlichen EU-Mitgliedstaaten aufgrund welche und wie viele Migrantinnen und Migranten sie der Verbesserung der dortigen wirtschaftlichen Situ- aufnehmen. ation weiter sinken wird“ (GLFA 2019; SVR 2018: 16; Fuchs/Kubis/Schneider 2018; Antwort der BA). Umsetzung der EU-Saisonarbeitnehmerrichtlinie (2014/36/EU) in deutsches Recht Deutschland hat die Richtlinie in nationales Recht um- 2.2 Möglichkeiten temporärer gesetzt. Die Umsetzung erfolgte mit dem ‚Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Eu- Arbeitsaufnahme in ropäischen Union zur Arbeitsmigration‘, das am 1. Au- Saisonbetrieben für gust 2017 in Kraft trat.3 Drittstaatsangehörige Mit der Umsetzung der Richtlinie wurde § 15a Be- schäftigungsverordnung (BeschV) eingefügt, der die Voraussetzungen der Erteilung einer Arbeitserlaubnis 2.2.1 Beschäftigung von Saison für kurzfristige Aufenthalte bis zu 90 Tage sowie die arbeitskräften unter der EU-Saison Einreise und Beschäftigung von Drittstaatsangehöri- gen für eine Dauer von bis zu sechs Monaten ermög- arbeitnehmerrichtlinie (RL 2014/36/EU) licht (Bundesrat 2017: 1). Die am 26. Februar 2014 verabschiedete Richtlinie 2014/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zwecks Be- schäftigung als Saisonarbeitnehmer dient der Harmo- nisierung der Programme für Saisonarbeitskräfte. Sie wurde primär geschaffen, um einen Beitrag zur Steu- erung oder Lenkung der saisonal bedingten Migrati- onsströme sowie zum Schutz der Rechte der Saisonar- beitskräfte zu leisten. Die Richtlinie legt dabei die Voraussetzungen und Standards für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Falle der Beschäftigung als 3 Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Saisonarbeitskraft fest (SVR 2018: 18). Laut Richtlinie Europäischen Union zur Arbeitsmigration vom 12. Mai 2017. sollen „gerechte und klare Zulassungs- und Aufent- BGBl. I 2017 S. 1106.
14 Hintergrund, rechtliche Rahmenbedingungen und Zusammensetzung der Saisonarbeitskräfte in Deutschland Tabelle 1: Umsetzung der EU-Saisonarbeitnehmerrichtlinie in deutsches Recht Neuregelungen zur Saisonarbeit: Umsetzung der EU-Saisonarbeitnehmerrichtlinie (2014/36/EU) in deutsches Recht § 15a BeschV definiert Voraussetzungen der Erteilung einer Arbeitserlaubnis für kurzfristige Aufenthalte bis zu § 15a BeschV 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen sowie für die Einreise und Beschäftigung von Drittstaatsan- gehörigen für eine Dauer von grundsätzlich bis zu sechs Monaten. Für den Kurzaufenthalt bis zu 90 Tagen innerhalb eines Bezugszeitraums von 180 Tagen benötigen visumsbe- freite Drittstaatsangehörige kein Visum als Saisonarbeitskraft und damit keinen Aufenthaltstitel. Die BA erteilt in diesen Fällen eine Arbeitserlaubnis nach § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeschV. Für eine Aufenthaltsdauer von § 4a Abs. 4 AufenthG mehr als 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen erteilt die BA eine Zustimmung. Die Person benötigt allerdings eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19c Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a) BeschV. Diese erteilt die Ausländerbehörde. Visumspflichtige Drittstaatsangehörige benötigen insofern immer einen Aufenthaltsti- tel. Die Zustimmung kann widerrufen und die Arbeitserlaubnis zum Zwecke der Saisonbeschäftigung entzogen § 41 AufenthG werden, falls Saisonarbeitskräfte zu ungünstigeren Bedingungen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmerin- nen und -nehmer beschäftigt werden oder ein Versagungsgrund i. S. v. § 40 AufenthG einschlägig ist. Die BA kann am Bedarf orientierte Zulassungszahlen für Saisonarbeitskräfte festlegen (§ 39 Abs. 6 Satz 3 AufenthG). Sofern sie solche Zulassungszahlen festgelegt hat, wird auf eine Vorrangprüfung verzichtet (§ 15a § 39 Abs. 6 Satz 3 AufenthG Abs. 6 BeschV). Wird von der BA keine Zulassungszahl festgelegt, erfolgt eine Vorrangprüfung nach § 39 Abs. 2 und 6 AufenthG. Visumserfordernis und Arbeitserlaubnis für Grundvoraussetzungen für die Zustimmung zur Saisonarbeitskräfte Erteilung eines Aufenthaltstitels oder für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis Saisonarbeitskräfte visumbefreiter Staaten benötigen mit der Umsetzung der Richtlinie für die Einreise und Die Voraussetzungen für die Zustimmung zur Ertei- Beschäftigung keinen Aufenthaltstitel mehr, sofern die lung eines Aufenthaltstitels oder für die Erteilung einer Beschäftigungsdauer 90 Tage innerhalb eines Zeit- Arbeitserlaubnis normiert § 15a Abs. 2 BeschV. Danach raums von 180 Tagen nicht überschreitet (§ 4a Abs. 4 müssen folgende Voraussetzungen erbracht werden: Aufenthaltsgesetz (AufenthG) i. V. m. § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeschV). Jedoch dürfen diese eine Saison- 1. der Nachweis über einen ausreichenden Kran- beschäftigung nur dann ausüben, wenn sie eine vom kenversicherungsschutz, Arbeitgeber zu beantragende Arbeitserlaubnis von 2. das zur Verfügung stehen einer angemessenen der BA nach § 39 Abs. 4 AufenthG i. V. m. § 15a Abs. 4 Unterkunft und BeschV zum Zweck der Saisonbeschäftigung besit- 3. das Vorliegen eines konkreten Arbeitsplatzan- zen. Sofern sich im Falle einer ursprünglich erteilten gebotes oder eines gültigen Arbeitsvertrags, in Arbeitserlaubnis der Aufenthaltszeitraum über die er- dem bestimmte Punkte, unter anderem etwa laubten visumfreien 90 Tage innerhalb des 180 Tage- die Vergütung, Arbeitszeit und die Dauer des Zeitraums verlängert, benötigt der Saisonbeschäftigte bezahlten Urlaubs, festgelegt sind. einen Aufenthaltstitel, der in Deutschland beantragt werden kann und durch die Ausländerbehörde erteilt Vorrangprüfung wird (§ 39 Nr. 11 Aufenthaltsverordnung (AufenthV)). Die Erteilung des Aufenthaltstitels bedarf der Zustim- Bei der Erteilung der Arbeitserlaubnis wird auf eine mung der BA. Vorrangprüfung verzichtet, sofern die BA Zulassungs- zahlen festgelegt hat (§ 15a Abs. 6 BeschV). Wird keine Saisonarbeitskräfte nicht visumsbefreiter Staaten Zulassungszahl festgelegt, erfolgt eine Vorrangprü- benötigen weiterhin ein Visum (§ 15a Abs. 1 Satz 1 fung nach § 39 Abs. 2 und 6 AufenthG. Die Vorrang- Nr. 2b BeschV). Hier wird wie bei anderen Arbeitsvisa prüfung umfasst dabei „die Prüfung, ob für den kon- auch, die BA im Zustimmungsverfahren beteiligt. Für kreten Arbeitsplatz bevorrechtigte inländische oder Saisonbeschäftigungen, die von Beginn an für mehr ihnen gleichgestellte Bewerber zur Verfügung stehen“ als 90 Tage geplant sind (§ 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a (BA 2017: 18). Bevorrechtigt sind deutsche Staatsan- BeschV), ist die Erteilung eines nationalen Visums für gehörige, Bewerberinnen und Bewerber aus der Euro- Drittstaatsangehörige erforderlich. Auch in diesen Fäl- päischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraumes len muss die BA ihre Zustimmung erklären. und der Schweiz sowie Drittstaatsangehörige mit un- eingeschränktem Arbeitsmarktzugang wie beispiels- weise anerkannte Flüchtlinge.
Hintergrund, rechtliche Rahmenbedingungen und Zusammensetzung der Saisonarbeitskräfte in Deutschland 15 Widerruf der Zustimmung und Entzug der tion des jeweiligen Herkunftslandes über das Verfah- Arbeitserlaubnis ren und die Auswahl zum Zweck der Saisonbeschäfti- gung besteht (§ 15a Abs. 1 BeschV). Des Weiteren darf Zur Sicherung der Stabilität und Kontrolle des Arbeits- eine am Bedarf orientierte Zulassungszahl, falls sie marktes sowie des sozialen Schutzes ausländischer durch die BA nach § 39 Abs. 6 Satz 3 BeschV festgelegt Arbeitnehmerinnen und -nehmer wurden Regelungen wurde, noch nicht erreicht worden sein (BMI 2017: 48) über den Widerruf der Zustimmung und Entzug der (Kapitel 3). Arbeitserlaubnis durch die BA eingeführt (Huber/Gö- bel-Zimmermann 2016). Hierdurch sollen u. a. inländi- sche Arbeitskräfte vor Lohndumping geschützt werden 2.2.2 Alternative Möglichkeiten der können (Deutscher Bundestag 2017). Nach § 41 Auf- saisonalen Arbeitsaufnahme für enthG kann eine erteilte Arbeitserlaubnis durch die BA Drittstaatsangehörige zum Zweck der Saisonbeschäftigung entzogen werden, falls Saisonarbeitskräfte zu ungünstigeren Bedingun- gen als vergleichbare inländische Arbeitnehmerinnen In Deutschland gibt es keine alternativen Regelungen, und -nehmer beschäftigt werden oder ein Versagungs- die die Möglichkeit einer temporären Arbeitsaufnahme grund nach § 40 AufenthG einschlägig ist. Drittstaatsangehöriger auch ohne Qualifikationen – wie dies bei der Saisonarbeit möglich ist – zulassen. Danach ist die Zustimmung zur Beschäftigung nach So sind beispielsweise die finanziellen und fachli- § 39 AufenthG zu versagen, wenn das Arbeitsverhältnis chen Ausgangsvoraussetzungen sowie Sprachbarrie- aufgrund einer unerlaubten Arbeitsvermittlung oder ren bei Saisonarbeit gering und leicht zu erfüllen (SVR Anwerbung zustande gekommen ist oder die Auslän- 2018: 42). derinnen oder Ausländer als Leiharbeitnehmerinnen und -nehmer (§ 1 Abs. 1 des Arbeitnehmerüberlas- Eine Ausnahme stellt hier die Ferienbeschäftigung für sungsgesetzes (AÜG)4) tätig werden wollen. Des Wei- ausländische Studierende dar (§ 14 Abs. 2 BeschV). Da- teren kann die Zustimmung nach § 40 Abs. 1 oder 2 nach können Studierende ausländischer Hochschu- AufenthG versagt werden, wenn der Tatbestand der len und Fachschulen für einen Zeitraum von bis zu Schwarzarbeit erfüllt ist oder ein sonstiger wichtiger 90 Tagen innerhalb von zwölf Monaten in ihren Se- Grund in der Person selbst vorliegt. Für den Widerruf mesterferien einer Ferienbeschäftigung in Deutsch- müssen begründende Tatsachen vorliegen (Huber/Gö- land nachgehen. Diese muss durch die BA vermittelt bel-Zimmermann 2016). Die Gründe, die in der Person worden sein. liegen, müssen darauf hindeuten, dass sie „eine ‚Unzu- verlässigkeit‘ im Hinblick auf die zukünftige Einhaltung der sie treffenden gesetzlichen Pflichten im Zusam- menhang mit dem Arbeitsverhältnis an den Tag legen 2.3 Zusammensetzung der wird“ (Hänsle 2020). Das ist beispielsweise der Fall, „wenn Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Ände- Saisonarbeitskräfte rung der Personendaten“ durch die Person vorliegen (Hänsle 2020). Derzeit sind keine Saisonarbeitskräfte aus Drittstaa- ten gemäß der EU-Saisonarbeitnehmerrichtlinie in Bilaterale Absprachen zwischen der BA und der Deutschland beschäftigt. Mehrheitlich wird Saison- Arbeitsverwaltung des Herkunftsstaates arbeit von Arbeitskräften aus EU-Mitgliedstaaten er- bracht, wobei hierzu keine genauen Statistiken vorlie- Die Möglichkeit für Drittstaatsangehörige, eine Saison- gen. Schätzungen zufolge stammen beispielsweise die beschäftigung auszuüben, setzt jedoch immer voraus, in der Landwirtschaft beschäftigten ausländischen Ar- dass eine bilaterale Absprache zwischen der BA und beitskräfte weiterhin aus Polen und Rumänien (GLFA dem Arbeitsministerium oder einer adäquaten Institu- 2019). Aufgrund der unzureichenden Datenlage und des Mangels an wissenschaftlichen Studien lassen sich jedoch keine genauen Angaben über die Zusammen- 4 § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG umschreibt das Leiharbeitsverhältnis wie folgt: Arbeitgeber überlassen im Rahmen ihrer wirtschaftlichen setzung, die Herkunftsländer und die Arbeitsbedin- Tätigkeit ihre Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) Dritten (Ent- gungen der Saisonarbeitskräfte machen (GLFA 2019; leihern) zur Arbeitsleistung. Arbeitnehmer werden zur Arbeits- Späth et al. 2018; Wagner/Hassel 2015: 35). leistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG).
16 Hintergrund, rechtliche Rahmenbedingungen und Zusammensetzung der Saisonarbeitskräfte in Deutschland Differenziert nach Branchen wird der Saisonarbeit vor allem in der Landwirtschaft eine hohe Bedeutung zu- gesprochen (Späth et al. 2018). Eine nicht repräsenta- tive Untersuchung der Saisonarbeit in der Landwirt- schaft von Garming (2016) zeigt beispielsweise, dass dort etwa jeder zweite Betrieb Saisonarbeitskräfte be- schäftigt (Garming 2016: 15). Die derzeit aktuellsten verfügbaren amtlichen Daten zur Gesamtzahl der Saisonarbeitskräfte in der Land- wirtschaft basieren auf den Agrarstrukturerhebun- gen des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2016. Danach waren 2016 286.300 Saisonarbeitskräfte in landwirtschaftlichen Betrieben tätig (Deutscher Bun- destag 2019: 54). In den Produktionsbetrieben des Gemüsebaus waren 2016 124.929 Beschäftigte tätig, davon waren über 90 Prozent Saisonarbeitskräfte, also 113.072. Wie der Gemüsebau ist auch der Obstbau durch die Beschäftigung von Saisonarbeitskräften ge- prägt. Diese hatten einen Anteil von 73 Prozent an der Gesamtzahl der Beschäftigten im Obstbau (33.086 Sai- sonarbeitskräfte) (Deutscher Bundestag 2020: 81ff.). Vor allem in der Landwirtschaft wird – laut dem Ge- samtverband der deutschen Land- und Forstwirt- schaftlichen Arbeitgeberverbände – ein abnehmendes Interesse von Saisonarbeitskräften aus den EU-Mit- gliedstaaten beobachtet (GLFA 2019). Dies wird vor allem auf die Verbesserung von Lohn- und Arbeitsbe- dingungen bei konkurrierenden Arbeitgebern zurück- geführt. Insbesondere spielen hier die insgesamt po- sitiven wirtschaftlichen Entwicklungen in Polen und Rumänien sowie die steigende Konkurrenz um Ar- beitskräfte in der EU in der Landwirtschaft sowie in anderen Wirtschaftszweigen (u. a. Bauindustrie oder Tourismusbranche) eine Rolle (SVR 2018: 16).
Anwerbung von Saisonarbeitskräften 17 3 Anwerbung von Saisonarbeitskräften 3.1 Vermittlungsabsprachen Deutschland und dem jeweiligen Drittstaat ausgehan- delt und geschlossen werden. Sie umfassen unter an- mit Drittstaaten derem Regelungen zu allgemeinen Grundsätzen wie dem Diskriminierungsverbot, Regelungen zu sektora- Deutschland besaß mit den ehemaligen Drittstaaten len Einsatzbeschränkungen, maximaler Dauer der Be- Polen, Rumänien, Ungarn, der Slowakei, Tschechien, schäftigung sowie Verfahrensprozesse der Vermittlung Kroatien, Slowenien und Bulgarien Vermittlungsab- und Beschäftigungsbedingungen. Die Vertragspartner sprachen für Berufe des Hotel- und Gaststättengewer- des Abkommens sind die BA im Auftrag des BMAS und bes und seit dem 24. April 2008 für die Bereiche Land- das Arbeitsministerium oder adäquate Institutionen und Forstwirtschaft, Obst- und Gemüseverarbeitung des Drittstaates, die ermächtigt sind, solche staatli- und in Sägewerken. Diese bilateralen Vermittlungsab- chen Vereinbarungen zu schließen. sprachen sind mit dem EU-Beitritt der genannten Län- der ausgelaufen. Allgemeine Grundsätze Da der Bedarf an Saisonarbeitskräften in Deutschland Zunächst gilt der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 bisher auch weiterhin größtenteils aus diesen Ländern Abs. 1 Grundgesetz (GG)): Gleiches darf nicht wesent- gedeckt werden konnte, wurden vorerst keine Vermitt- lich ungleich, Ungleiches darf nicht wesentlich gleich lungsabsprachen mit Drittstaaten geschlossen (Ant- behandelt werden. Des Weiteren gilt die Gleichbe- wort der BA). Seit Ende 2018 ist die BA ermächtigt, handlung von Männern und Frauen (Art. 3 Abs. 2 GG) Abkommen zur Rekrutierung Saisonbeschäftigter aus sowie das Verbot der Diskriminierung wegen des Ge- Drittstaaten im Auftrag des Bundesministeriums für schlechts, der Abstammung, der Rasse5, der Sprache, Arbeit und Soziales (BMAS) und des Bundesministe- der Heimat und Herkunft, des Glaubens, der religi- riums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ab- ösen oder politischen Anschauungen oder einer Be- zuschließen. Eine Vermittlungsabsprache wurde dann hinderung (Art. 3 Abs. 3 GG). Darüber hinaus wird das mit Georgien Anfang 2020 abgeschlossen, wobei die Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zur Ver- Vermittlung von Saisonarbeitskräfte in der Landwirt- hinderung oder Beseitigung der Benachteiligung aus schaft, die als Pilotverfahren ab Mai 2020 geplant war, Gründen der Rasse oder wegen der ethischen Her- aufgrund des Ausbruchs von COVID-19 und der damit kunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltan- einhergehenden aktuellen Einreisebeschränkungen schauung, einer Behinderung, des Alters oder der se- verschoben wurde. Weiterhin steht die BA zur Anbah- xuellen Identität berücksichtigt. nung bilateraler Vermittlungsabsprachen mit weiteren Drittstaaten wie z. B. Bosnien-Herzegowina, Albanien, Nach dem allgemeinen Gleichheitssatz sowie dem Moldawien und Nordmazedonien in Kontakt (Mävers AGG ist es unzulässig, dass die eingesetzten Arbeits- 2016; Antwort der BA). Nach Angaben der BA sind bi- kräfte in der Bundesrepublik Deutschland zu schlech- laterale Gespräche aufgrund der derzeitigen Umstände teren Bedingungen beschäftigt sind als vergleichbare durch COVID-19 und den aktuellen Einreisebeschrän- inländische oder gleichgestellte Arbeitnehmerinnen kungen mit Drittstaaten schwierig, werden jedoch wei- oder -nehmer (Antwort der BA). Daher gelten alle ein- terhin fortgesetzt (Antwort der BA). schlägigen deutschen Gesetze und Bestimmungen. Gesetzliche Grundlagen und Regelungen der Vermittlungsabsprachen Die Vermittlungsabsprachen stützen sich auf die EU- 5 Zur Problematik des Begriffs •Rasse• veröffentlichte u. a. das Saisonarbeitnehmerrichtlinie in Kombination mit Deutsche Institut für Menschenrechte zwei Publikationen. Darin sprechen sie sich gegen die Verwendung des Begriffs •Rasse• in § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeschV. Weiterhin gelten alle Gesetzestexten aus. So sei der Begriff •Rasse• historisch belas- einschlägigen deutschen Gesetze und Bestimmun- tet und sein Gebrauch fördere „rassistisches Denken […], da er gen bei der Arbeitsdurchführung. Bei den Vermitt- suggeriert, dass es unterschiedliche menschliche •Rassen• gebe“ (Cremer 2009). Zur Begriffskritik und den Alternativvorschlag, lungsabsprachen handelt es sich um bilaterale Ab- den Begriff durch •rassistisch• zu ersetzen, siehe auch Antidiskri- kommen, die individuell zwischen der Bundesrepublik minierungsstelle des Bundes (2015).
18 Anwerbung von Saisonarbeitskräften Verfahrensprozess der Vermittlung schäftigungen als geringqualifizierte Arbeitskraft, so dass ein durchgehender Aufenthalt in Deutschland er- Die Anwerbung und Auswahl der Saisonarbeitskräfte zielt wird, nicht zulässig. Nicht ausgeschlossen ist es erfolgt durch die Partnerverwaltungen, die staat- jedoch, dass eine Saisonarbeitskraft dieselbe Art der lich sind. In Georgien übernimmt dies die staatli- Beschäftigung in mehreren Abschnitten eines Kalen- che Arbeitsverwaltung (Antwort der BA). In den Ver- derjahres ausübt, solange hierbei nur die zeitlichen mittlungsabsprachen wird auf Basis gemeinsamer Höchstgrenzen der Vorschrift eingehalten werden. Abstimmungen zu Angebot und Nachfrage von Sai- sonarbeitskräften unter anderem die Anzahl an Perso- Weiterhin ist der Zeitraum für die Beschäftigung von nen, die vermittelt werden können, auf eine bestimmte Saisonbeschäftigten für einen Betrieb auf acht Mo- Anzahl beschränkt. Dabei ist es weder der georgischen nate innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten Partnerverwaltung noch der BA gestattet, Gebühren, begrenzt (§ 15a Abs. 1 Satz 6 BeschV). Es ist daher bei- unabhängig von deren Bestimmung, für die in der Ver- spielsweise möglich, Saisonarbeitskräfte zunächst für einbarung beschriebenen Auswahl- und Vermittlungs- einen Zeitraum von vier Monaten im Frühjahr sowie dienstleistungen zu erheben (Antwort der BA). Auch sodann für einen weiteren Zeitraum von bis zu wei- wird festgelegt, ob ein Wechsel des Arbeitgebers im teren vier Monaten im Herbst als Erntehelfenden zu Rahmen einer Beschäftigung möglich ist: so wurde beschäftigen. Durch die zeitliche Beschränkung soll beispielsweise mit Georgien vereinbart, in welchen verhindert werden, dass Dauerarbeitsplätze durch die Ausnahmetatbeständen ein Wechsel möglich ist (Ant- Beschäftigung mehrerer ausländischer Saisonarbei- wort der BA). ter zum Nachteil für inländische Bewerber in zeit- lich begrenzte Beschäftigungen umgewandelt wer- den. Die zeitliche Beschränkung gilt nicht für Betriebe 3.1.1 Sektorale und zeitliche des Obst-, Gemüse-, Wein-, Hopfen und Tabakanbaus Einsatzbeschränkungen (§ 15a Abs. 1 Satz 7 BeschV). Ausländerinnen und Ausländern, die in den letzten Sektorale Einsatzbeschränkungen fünf Jahren mindestens einmal als Saisonbeschäf- tigte im Bundesgebiet tätig waren, sind im Rahmen Die Anwerbung ausländischer Saisonarbeitskräfte ist der durch die BA festgelegten Zahl der Arbeitserlaub- auf bestimmte Branchen beschränkt. Nach der gel- nisse und Zustimmungen bevorrechtigt zu berücksich- tenden gesetzlichen Regelung kann die Zustimmung tigen (§ 15a Abs. 1 Satz 5 BeschV). Zudem ist vorge- zu Saisonbeschäftigungen in der Land- und Forstwirt- sehen, dass die Beschäftigung bei einer regelmäßigen schaft, im Gartenbau, im Hotel- und Gaststättenge- Arbeitszeit von mindestens 30 Stunden wöchentlich werbe, in der Obst- und Gemüseverarbeitung sowie in zu erfolgen hat (§ 15a Abs. 1 Satz 1 BeschV).6 Darüber Sägewerken erteilt werden (§ 15a Abs. 1 BeschV). Die hinaus gilt die Begrenzung der Arbeitszeit nach dem Vermittlungsabsprache mit Georgien ist auf den Ag- Arbeitszeitgesetz (ArbZG): danach dürfen die Arbeits- rarsektor beschränkt. Die Entscheidung der Beschrän- kräfte höchstens zehn Stunden am Tag arbeiten und es kung auf die Anwerbung von Erntehelferinnen und müssen Pausen sowie eine Ruhezeit von elf Stunden -helfern basiert zum einen auf dem Bedarf der Bun- eingehalten werden (§§ 3ff. ArbZG). desrepublik Deutschland, zum anderen Seite aber auch auf dem Bedarf und der Lage im Herkunftsland (Ant- wort der BA). Mit den Regelungen sollen die Interes- 3.1.2 Arbeitsbedingungen sen deutscher Arbeitgeber berücksichtigt werden und gleichzeitig ein langfristiger Braindrain für die „Part- nerstaaten“ verhindert werden (SVR 2018: 30). Sind die Saisonarbeitskräfte in Deutschland beschäf- tigt, gelten alle einschlägigen deutschen Gesetze Zeitliche Beschränkung und Bestimmungen bei der Arbeitsdurchführung. Die eingesetzten Arbeitskräfte in der Bundesrepublik Die Beschäftigung von Saisonarbeitskräften in den Deutschland dürfen nicht zu schlechteren Bedingun- vorgenannten Branchen ist des Weiteren in mehrfa- gen beschäftigt werden als vergleichbare inländische cher Hinsicht zeitlich beschränkt. So darf die saison- oder gleichgestellte Arbeitnehmerinnen oder -nehmer abhängige Beschäftigung eines Ausländers oder einer (Antwort der BA). So existieren beispielsweise keine Ausländerin sechs Monate innerhalb eines Zeitraums Sonderregelungen für Saisonarbeitskräfte aus Dritt- von zwölf Monaten nicht überschreiten. Dabei ist die Hintereinanderschaltung verschiedener befristeter Be- 6 Darüber hinaus gilt das Arbeitszeitgesetz.
Anwerbung von Saisonarbeitskräften 19 staaten im Hinblick auf das deutsche Sozialversiche- nach Ablauf von 24 Kalendermonaten von der Ren- rungsrecht. tenversicherung die Erstattung ihrer Arbeitnehmer- beiträge zur Rentenversicherung verlangen, soweit sie Regelungen zur Sozialversicherungspflicht nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben und ein gegebenenfalls zu beachtendes zwischen- Saisonarbeitskräfte aus Drittstaaten, die in Deutsch- staatliches Sozialversicherungsabkommen einer sol- land beschäftigt sind, unterliegen grundsätzlich der chen Beitragserstattung nicht entgegensteht. Auch der Sozialversicherungspflicht. Die Sozialversicherung Anspruch auf Arbeitslosengeld setzt eine gewisse Min- setzt sich aus Krankenversicherung, Pflegeversiche- destversicherungszeit in der Arbeitslosenversicherung rung, Unfallversicherung, Rentenversicherung sowie voraus. Diese Anwartschaftszeit beträgt zwölf Monate Arbeitslosenversicherung zusammen. Mit Ausnahme innerhalb einer Rahmenfrist von 24 Kalendermonaten der Unfallversicherung besteht die Sozialversiche- (§ 142 SGB III). rungspflicht jedoch nicht, wenn es sich um eine kurz- fristige Beschäftigung handelt. Dies ist der Fall, wenn Grundsätzlich können die Sozialversicherungsabga- die Tätigkeit innerhalb eines Jahres auf längstens ben nicht in das Herkunftsland transferiert werden, drei Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer Eigen- wenn keine Sozialversicherungsabkommen zwischen art begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertrag- Deutschland und dem Entsendeland existieren. Der- lich begrenzt ist (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 Viertes Buch Sozi- artige Abkommen existieren nur mit einigen weni- algesetzbuch (SGB IV)). Sofern das Arbeitsentgelt im gen Drittstaaten wie Albanien, Bosnien-Herzegowina Monat 450 Euro überschreitet, gilt für eine kurzfris- sowie China. Nach Angaben der BA bestehen keine So- tige Beschäftigung weiterhin, dass diese Beschäftigung zialversicherungsabkommen mit Georgien. nicht berufsmäßig, sondern beispielsweise als Stu- dierende bzw. Studierender ausgeübt wird (§ 8 Abs. 1 Verpflichtender Nachweis über einen Nr. 2 SGB IV). Liegt nur eine geringfügige Beschäfti- ausreichenden Krankenversicherungsschutz gung i. S. v. § 8 SGB IV vor, ist diese in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, und Arbeitslosenversicherung versi- Für Saisonarbeitskräfte aus den EU-Mitgliedstaaten cherungsfrei (§ 7 SGB V; § 27 Abs. 2 SGB III). Versiche- besteht keine Verpflichtung des Arbeitgebers, die Kos- rungsfreiheit besteht in der gesetzlichen Rentenversi- ten eines ausreichenden Krankenversicherungsschut- cherung auch für kurzfristige Beschäftigungen i. S. d. zes in Deutschland zu tragen soweit sie kurzfristig § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV („zeitgeringfügige Beschäfti- beschäftigt sind. Der Berufsstand empfiehlt den Ar- gung“), nicht aber bei einer geringfügig entlohnten beitgebern in diesen Fällen, eine private Gruppenver- Beschäftigung. Eine Ausnahme gilt für den Bereich sicherung abschließen, was in der Regel laut BA auch der gesetzlichen Unfallversicherung: Demnach sind vollzogen wird (Antwort der BA). auch kurzfristig beschäftigte Saisonarbeitskräfte ge- setzlich unfallversichert, wobei der Arbeitgeber den Für Saisonarbeitskräfte aus Drittstaaten ist jedoch ein Unfallversicherungsbeitrag trägt. verpflichtender Nachweis über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz geregelt. Laut der BA hat Anwartschaften bei Renten- und der Arbeitgeber die Kosten eines ausreichenden Kran- Arbeitslosenversicherung kenversicherungsschutzes in Deutschland zu tragen. Dennoch gibt es Einschränkungen: so können manche Wird eine Arbeitnehmerin bzw. ein Arbeitnehmer Leistungen der Sozialversicherung von Saisonarbeits- durch Arbeitsunfähigkeit infolge einer Krankheit an kräften aufgrund der maximalen Beschäftigungszeit seiner oder ihrer Arbeitsleistung verhindert, ohne dass von sechs Monaten im Kalenderjahr nicht in Anspruch sie bzw. ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch genommen werden, weil beispielsweise keine ausrei- auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den chenden Anwartschaften gesammelt werden können. Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur So setzt das deutsche Sozialversicherungsrecht teil- Dauer von sechs Wochen (§ 3 Entgeltfortzahlungsge- weise die Zurücklegung einer bestimmten Wartezeit, setz (EntgFG)). Jedoch wird der Anspruch erst erwor- das heißt einer bestimmten Mindestversicherungs- ben, wenn das Arbeitsverhältnis länger als vier Wochen dauer für einen Leistungsanspruch voraus. Die War- durchgehend bestand. tezeit für einen Anspruch auf Altersrente beträgt bei- spielsweise mindestens fünf Jahre (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Arbeitnehmerinnen und -nehmer, die – auch durch wiederholte Saisonarbeit – diese Wartezeit in der Rentenversicherung nicht erfüllt haben, können
20 Anwerbung von Saisonarbeitskräften Unterbringung in einer angemessenen merin bzw. -nehmer, die im Arbeitsvertrag niederge- Unterkunft legt sein muss (Zoll o. J.). Der Arbeitgeber ist angehalten, den vermittelten und Die Anrechnung muss dem Interesse der Arbeit- in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Ar- nehmerin bzw. -nehmers oder der Eigenart des Ar- beitnehmerinnen und -nehmern eine geeignete Un- beitsverhältnisses entsprechen. terkunft anzubieten oder ihre Unterbringung für die Die Anrechnung der Sachleistungen darf in allen Dauer ihrer Beschäftigung sicherzustellen (Antwort Fällen die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeits- der BA). Nach deutschem Recht muss die Unterkunft entgelts nicht übersteigen (§ 107 Abs. 2 Satz 5 die zutreffenden Anforderungen der Arbeitsstättenver- GewO in Verbindung mit § 394 Bürgerliches Ge- ordnung und der veröffentlichten Technischen Regeln setzbuch (BGB), Pfändungsfreigrenze). für Arbeitsstätten (ASR) erfüllen. Darin sind u. a. die Die vom Arbeitgeber gewährte Sachleistung muss Mindestnutzfläche der Unterkunft festgelegt (BAuA von "mittlerer Art und Güte" sein; d. h. Unterkunft 2010). Unberührt bleiben landesrechtliche Vorschrif- und Verpflegung dürfen qualitativ nicht zu bean- ten, wie „die bauordnungsrechtlichen Vorschriften der standen sein. Länder zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie zur Vermeidung von Urlaubsanspruch Missständen“ (ASR 2010: 2). Auch Saisonarbeitskräfte aus Drittstaaten haben In jedem Fall muss laut BA die vollständige Transpa- einen Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsge- renz hinsichtlich der verbundenen Kosten und deren setz (BUrlG). Arbeitskräfte erhalten jedoch erst ein Übernahme sichergestellt werden (Antwort der BA). Recht auf den vollen Urlaubsanspruch, nachdem das Die Kosten der Unterbringung müssen angemessen Arbeitsverhältnis sechs Monate bestanden hat (§ 4 und vorab der Saisonarbeitskraft bekannt sowie „von BUrlG). Dieser Anspruch wird demnach beispielsweise der Art und Beschaffenheit her wie auch preislich zu- nicht erworben, wenn die Saisonarbeitskraft kurzfris- mutbar“ (BA 2011: 1) sein. So muss für die Saisonar- tig beschäftigt ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass beitskräfte bekannt sein, ob sie die Unterbringungs- die Saisonarbeitskraft in diesen Fällen keinen Ur- kosten selbst tragen müssen oder der Arbeitgeber. laubsanspruch hat. So gilt § 5 BUrlG, wonach die Ar- beitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer Anspruch auf ein Der Arbeitgeber kann dabei entweder selbst einen Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Mietvertrag vorlegen oder die Unterbringung durch Bestehens des Arbeitsverhältnisses hat, wenn er vor einen Dritten anbieten. Wenn der Arbeitgeber die Un- erfüllter Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis ausschei- terkunft bereitstellt, schließen der Arbeitgeber und die det (§ 5 Abs. 1c BUrlG). Da der gesetzliche Urlaubsan- Saisonarbeitskraft einen Vertrag über die Unterkunft spruch bei einer Fünf-Tage-Woche bei 20 Tagen liegt (Antwort der BA). Die Unterbringungskosten müssen und Arbeitskräften pro Monat, in dem das Arbeitsver- in dem Mietvertrag angegeben sein und dürfen nicht hältnis besteht, ein Zwölftel des Jahresurlaubs zuste- vom Gehalt einbehalten werden (§ 15a Abs. 2 Satz 2 hen, bedeutet dies für Saisonarbeitskraft bei einem und Satz 3 BeschV). Monat Saisonarbeit einen Urlaubsanspruch von zwei Tagen. Auch hat der Arbeitgeber jeden Wechsel der Unter- kunft der Saisonbeschäftigten der BA unverzüglich an- Einschränkung für Drittstaatsangehörige bei der zuzeigen (§ 15a Abs. 2 Satz 4 BeschV). Mitnahme von Familienmitgliedern und in Bezug auf das Kindergeld Vergütung nach dem Mindestlohn Drittstaatsangehörige, die als Erntehelferinnen oder Für Saisonarbeitskräfte gilt der Mindestlohn von -helfer in Deutschland arbeiten, dürfen nicht mit ihren 9,35 Euro brutto pro Stunde (BMAS o. J.; Stand: Juni Familienmitgliedern nach Deutschland kommen. Seit 2020). Es ist jedoch möglich, Verpflegung und Unter- dem Gerichtsurteil des Europäischen Gerichtshofs kunft, sofern vom Arbeitgeber gestellt, als im Mindest- (EUGH) vom 12. Juni 2012 haben Saisonarbeitskräfte lohn enthaltene Vergütung anzurechnen (Brinkmann aus den EU-Mitgliedstaaten in Deutschland einen An- 2017: 6), was in der Konsequenz eine Unterschreitung spruch auf Kindergeld, auch wenn ihre Kinder weiter des Mindestlohns zur Folge haben kann. Nach § 107 im Herkunftsland leben. Anders ist dies bei Saisonar- Abs. 2 Gewerbeordnung (GewO) bedarf es dazu einer beitskräften aus Drittstaaten, die aufgrund der Befris- Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitneh- tung ihres Arbeitsvertrages nicht anspruchsberechtigt
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