Aspect - Mit dem Rückhalt der Familie zurück im Alltag SANDRA BONER EIERSTOCKKREBS - Krebsliga
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Oktober 2019 aspect SANDRA BONER Mit dem Rückhalt der Familie zurück im Alltag EIERSTOCKKREBS KINDERWUNSCH INTERVIEW Eine seltene Kostenübernahme bei fruchtbarkeits- Kathrin Kramis blickt als CEO Frauenkrebsart erhaltenden Massnahmen und Betroffene zurück
Die Krebsliga in Ihrer Region 10 12 7 2 1 17 9 Wir sind immer 11 16 18 für Sie da! 8 3 6 4 14 15 13 5 1 Krebsliga Aargau 6 Krebsliga Graubünden 10 Krebsliga Schaffhausen 15 Krebsliga Wallis Telefon 062 834 75 75 Telefon 081 300 50 90 Telefon 052 741 45 45 Telefon 027 604 35 41 admin@krebsliga-aargau.ch info@krebsliga-gr.ch info@krebsliga-sh.ch info@krebsliga-wallis.ch PK 50-12121-7 PK 70-1442-0 PK 82-3096-2 PK 19-340-2 2 Krebsliga beider Basel 7 Ligue jurassienne 11 Krebsliga Solothurn 16 Krebsliga Zentralschweiz Telefon 061 319 99 88 contre le cancer Telefon 032 628 68 10 LU, OW, NW, SZ, UR, ZG info@klbb.ch Téléphone 032 422 20 30 info@krebsliga-so.ch Telefon 041 210 25 50 PK 40-28150-6 ligue.ju.cancer@bluewin.ch PK 45-1044-7 info@krebsliga.info CP 25-7881-3 PK 60-13232-5 3 Bernische Krebsliga 12 Thurgauische Krebsliga Telefon 031 313 24 24 8 Ligue neuchâteloise Telefon 071 626 70 00 17 Krebsliga Zürich info@bernischekrebsliga.ch contre le cancer info@tgkl.ch Telefon 044 388 55 00 PK 30-22695-4 Téléphone 032 886 85 90 PK 85-4796-4 info@krebsligazuerich.ch LNCC@ne.ch PK 80-868-5 4 Krebsliga Freiburg 13 Lega ticinese CP 20-6717-9 Telefon 026 426 02 90 contro il cancro 18 Krebshilfe Liechtenstein info@liguecancer-fr.ch 9 Krebsliga Ostschweiz Telefono 091 820 64 20 Telefon 00423 233 18 45 PK 17-6131-3 SG, AR, AI, GL info@legacancro-ti.ch admin@krebshilfe.li Telefon 071 242 70 00 CP 65-126-6 PK 90-4828-8 5 Ligue genevoise info@krebsliga-ostschweiz.ch contre le cancer 14 Ligue vaudoise PK 90-15390-1 Téléphone 022 322 13 33 contre le cancer ligue.cancer@mediane.ch Téléphone 021 623 11 11 CP 12-380-8 info@lvc.ch UBS 243-483205.01Y CCP UBS 80-2-2 Krebsforum www.krebsforum.ch das Internetforum der Krebsliga Krebstelefon 0800 11 88 11 Montag bis Freitag 9 bis 19 Uhr, Anruf kostenlos, helpline@krebsliga.ch Starten Sie Ihre eigene Spendenkampagne participate.krebsliga.ch Weitere Auskünfte Telefon 031 389 94 84 oder E-Mail: spenden@krebsliga.ch, www.krebsliga.ch/spenden Herzlichen Dank für Ihr Engagement und Ihre Solidarität! facebook.com/krebsliga twitter.com/krebsliga linkedin.com/company/krebsliga-schweiz youtube.com/krebsliga instagram.com/krebsliga Ihre Spende PERFORM ANCE neutral Drucksache 01-19-256801 myclimate.org in guten Händen. 2 aspect 4/19
Stabsübergabe an der Spitze der Krebsliga Schweiz: Starke Frauen im Dienste der Betroffenen und Angehörigen Liebe Leserin, lieber Leser Inhalt Zielstrebig und engagiert hat Kathrin Kramis die Krebsliga Schweiz acht Jahre lang geführt. Nun geht sie in Pension. Dass Panorama 4 sie während ihrer Zeit als Geschäftsführerin selbst an Krebs Neue Erklärvideos und interaktive Grafiken erkrankt ist, hat sie zusätzlich darin bestärkt, sich für eine best- im begehbaren Darmmodell. mögliche und massgeschneiderte Krebsversorgung einzuset- Aktuell 6 zen und so Betroffenen eine hohe Lebensqualität zu ermögli- Begeisterte Läuferin rennt für Betroffene chen. Kathrin Kramis hat in ihrer Amtszeit wertvolle Erneuerun- und sammelt über die Spenden-Plattform gen eingeführt, den Krebsliga-Verband professionalisiert, die participate.krebsliga.ch. «Nationale Strategie gegen Krebs» positioniert und die Wei- Fragen & Antworten 7 chen für die Zukunft gestellt. Erfahren Sie im Interview mit Frau Fragen an die Beraterinnen des Krebstelefons. Kramis (Seite 18 ff.), was ihr am Herzen liegt und wovon die Begegnung 8 Cancer Survivors heute dank der Krebsliga profitieren können. Eierstockkrebs ist selten. Dennoch fand Monika andere betroffene Frauen, um sich Am 1. Oktober 2019 übergibt sie die operative Führung an ihre mit ihnen auszutauschen. Nachfolgerin. Mit Daniela de la Cruz (47) haben wir eine erfah- Forschung 10 rene Persönlichkeit mit einem breiten Leistungsausweis gefun- Neue Strategie: Wie sich invasive Zellen in den. Sie hat sich während ihrer mehr als 20-jährigen Karriere harmlose Zellen verwandeln lassen. nicht nur ein profundes Wissen über das Schweizer Gesund- Leben mit Krebs (Titelstory) 12 heitswesen angeeignet, sondern auch grosse Erfahrung in der SRF-Meteofrau Sandra Boner erzählt über Zusammenarbeit mit Fachgesellschaften gesammelt. Daniela ihre Brustkrebserkrankung und warum ihr de la Cruz setzte sich intensiv mit der kantonalen Gesundheits- das Tragen einer Perücke wichtig war. versorgung auseinander, nahm die Aufsicht über die Gesund- Fokus 16 heitsversorgung sowie Schnittstellen zu kantonalen Spitälern Dank der Krebsliga werden Kosten für wahr und arbeitete in diesem Rahmen eng mit unterschied fruchtbarkeitserhaltende Massnahmen lichen regionalen Verbänden und NGOs zusammen. übernommen. Interview 18 Im Oktober zeigen wir uns mit den Frauen solidarisch, die Kathrin Kramis tritt als CEO der Krebsliga mit einer Brustkrebserkrankung und ihren Folgen zu kämp- Schweiz zurück. Sie reflektiert, wie sich fen haben. Fast ein Jahr lang ist die SRF-Wetter-Moderato- ihre Arbeit durch ihre Krebserkrankung rin Sandra Boner ihrem Arbeitsort ferngeblieben. Lesen Sie verändert hat. in unserer Titelgeschichte, wie schön das Gefühl war, endlich In Kürze 21 wieder ohne Perücke in den Himmel zu blicken. Selbstbestimmt und prozessbegleitet: Die Patientenverfügung «plus» ist ein Werkzeug Wir danken Ihnen für Ihre Treue und Ihre Spende, die dazu bei- für Kranke, aber auch für gesunde Menschen. trägt, dass wir Menschen helfen, begleiten und unterstützen Rätsel 22 können. Sie ermöglichen es mit Ihrem Beitrag, Hilfesuchende Mitmachen: Gewinnen Sie eines von fünf rasch und unkompliziert während und nach der Krankheit zu exklusiven Necessaires von KoKoTé. unterstützen. Persönlich 23 Beat A.: «Ich weiss heute, was ich an meinem Leben habe.» Herzlich, Anregungen? Fragen? Feedback? Ideen? PD Dr. med. Gilbert Zulian Präsident Schreiben Sie uns: aspect@krebsliga.ch Krebsliga Schweiz aspect 4/19 3
PANORAMA Krebsprävention Unsere Präventionsangebote Die Krebsliga Schweiz bietet Firmen, alters- und geschlechtsspezifische Rundgang durch das Darmmodell Gemeinden und Organisationen drei Informationen und Tipps, wie sie ihr bietet die einzigartige Möglichkeit, Angebote, um die Thematik Krebs Risiko vermindern können. Sie wer- sich über die Krankheit sowie deren erlebbarer zu machen und die Prä- den mittels Tablets auf einem indi- Früherkennung zu informieren. ventionsarbeit zu erleichtern. Jeder viduellen Rundgang durch die Aus- Auftritt wird von geschulten Mitar- stellung geleitet. Das begehbare Brustmodell beitenden des Präventionsteams der Krebsliga begleitet. Zudem liegen Das begehbare Darmmodell verschiedene Informationsmateria- lien zum jeweiligen Thema auf. Der Präventionsbus Das Modell veranschaulicht auf einfache Art und Weise den Auf- Im Innern des acht Meter langen bau der weiblichen Brust, mögliche Modells werden den Besucherinnen gutartige Veränderungen sowie die und Besuchern auf eindrückliche verschiedenen Stadien einer Brust Weise die verschiedenen Entwick- krebserkrankung. Es sensibilisiert für Wie kann das persönliche Krebs lungsstufen von Darmkrebs demons- die Thematik Brustkrebs und zeigt risiko minimiert werden? Dies wird triert. Es zeigt auf, wie ein gesunder die Wichtigkeit von Selbstuntersu- im Präventionsbus in einer inter Darm aussieht, wie sich verschie- chungen auf. aktiven Ausstellung mit 44 Mini- dene Arten von Polypen bilden und Mehr Informationen: Inszenierungen visualisiert. Die Be wie sich diese zu einem bösarti- www.krebsliga.ch/ sucherinnen und Besucher erhalten gen Tumor verändern können. Der praeventionsangebote FOTOS: ZVG, QUELLE ZITAT: INTERVIEW DER KLS ZUR AUSZEICHNUNG DER KREBSMEDAILLE / FOTO: KEYSTONE-SDA, GAËTAN BALLY Unser Beitrag zur Nachhaltigkeit Neue Inhalte auf unserer Website Das Zitat Verpackung Ernährung Der nachhaltige Umgang mit Res- Neue Inhalte auf der Website der sourcen ist uns sehr wichtig. Aus Krebsliga Schweiz befassen sich mit diesem Grund wird für unser Themen zur Ernährung und Krebs. aspect-Magazin seit Anfang 2019 Sie beleuchten den Einfluss der Recyclingpapier verwendet. Damit Ernährung zur Prävention von ver- haben wir einen wichtigen Schritt in schiedenen Krebsarten. Es findet sich Richtung Nachhaltigkeit gemacht. Wissenswertes zu den verschiedenen «Mein grösster Manche Leser stört es, dass das Vitaminen, Mineral- und sekundären Magazin in einer dünnen Folie ver- Pflanzenstoffen sowie der richtigen Wunsch wäre, sandt wird. Zurzeit klären wir mit Zubereitung und Lagerung von die Schlagzeile unserer Druckerei und unserem Lebensmitteln. Die Inhalte erläutern zu lesen, Krebs Versandpartner ab, ob eine Folie aus auch verschiedene Risikofaktoren, abbaubaren Rohstoffen hergestellt die die Entstehung von Krebs för- ist besiegt.» werden kann. Eine optimale Lösung dern. Falls die Besucherin oder der Beatrice Tschanz, 75, wurde 2014 gibt es bis jetzt aber noch nicht. Besucher Fragen zur Ernährung und mit der Krebsmedaille der Krebsliga Wir sind jedoch stets auf der Suche Krebs hat, können diese kostenlos Schweiz für ihr langjähriges Engage- nach alternativen Möglichkeiten, um an die Fachspezialistin Ernährung der ment auf dem Gebiet der Prävention, der Früherkennung sowie der unser Magazin noch nachhaltiger zu Krebsliga Schweiz gestellt werden. Bekämpfung von Krebskrankheiten gestalten. www.krebsliga.ch/ernaehrung und ihrer Folgen ausgezeichnet. 4 aspect 4/19
Die Zahlen 36 Tage an 15 verschiedenen Standorten ist das Darmmodell 2019 im Einsatz. Das begehbare Darmmodell Neue Benutzeroberfläche 634 Stunden Beratung leistet das mit Animationsvideos Präventionsteam in diesem Jahr vor Ort. Im Zeitalter des digitalen Wandels sensvermittlung der T hematik mittels werden Videoformate zur Vermittlung Animations videos und interaktiver von Wissen immer wichtiger. Dies Grafiken. Die Kurzvideos beleuch- stellt neue Anforderungen an die Prä- ten verschiedene Themen wie die ventionsarbeit. Aus diesem Gesichts- Prävention und Risikofaktoren von 4040 punkt hat sich die Krebsliga Schweiz Darmkrebs oder die Früherkennung entschieden, das Darmmodell auf den und deren Methoden. Die Besuchen- Kilometer legt das begehbare neusten Stand der Technik zu brin- den können dabei selbstständig Darmmodell heuer im Lastwagen gen. Dafür wurde der im Modell inte- wählen, ob sie die Inhalte auf spiele- von Auftritt zu Auftritt zurück. grierte Flachbildschirm durch einen rische Art und Weise oder nur spezifi- www.krebsliga.ch/ Touchscreen-Monitor ersetzt und mit sche Videos aufgrund ihrer persönli- praeventionsangebote einer neuen Benutzeroberfläche aus- chen Interessen anschauen möchten. gestattet. Diese ermöglicht eine Wis- www.krebsliga.ch/darmmodell Neue Broschüre für Jugendliche Buchtipp Warum trifft es meine Tage wie Hunde Familie? Die Zürcher Schriftstellerin Ruth Schweikert hat vor drei Jahren die Diagnose Brustkrebs erhalten. In ihrem Wenn die Mutter oder der Vater an Krebs erkrankt, ist Buch «Tage wie Hunde» hat sie den Schock und die mit das zunächst ein Schock. Die Krebsdiagnose eines Eltern- der Krankheit verbundenen Erfahrungen literarisch teils verändert das Leben. Viele Jugendliche leiden unter verarbeitet. Was passiert mit dem eigenen Körper? Was dieser neuen, schwierigen Lebenssituation. Die neue glaube ich über Krebs zu wissen? In welchen Käfig aus Broschüre der Krebsliga gibt Tipps, wie man mit die- Vorstellungen und Gedanken gerät jemand, der an Krebs ser belastenden Lebenssitua- erkrankt? Es ist ein schonungsloses tion umgehen kann. Sie soll Buch über Einsamkeit und Scham, Krebs – helfen, die eigenen Gefühle über Krankheit und Tod. Gleich ICONS: WWW.SHUTTERSTOCK.COM, FOTO: ZVG warum trifft es meine Familie? sowie die Gefühle der erkrank- zeitig ist es heiter und ermunternd, ten Person besser zu verstehen wenn sie über Freundschaften, und einzuordnen. Zudem zeigt die Liebe und über die befreiende sie auf, was man für sich selber Ein Ratgeber der Krebsliga für Jugendliche Kraft des Schreibens erzählt. tun kann und wo man Unterstüt- Das Buch ist im Fachhandel für zung findet. rund CHF 22.– erhältlich. www.krebsliga.ch/shop aspect 4/19 5
AKTUELL 1894 Franken sammelte eine begeisterte Läuferin für Menschen in Not Karin Schober aus Chur ist viele Kilometer gerannt und hat dabei Geld für Krebs- betroffene gesammelt. Ihre Freunde und Laufkollegen begleiteten sie auf der Spenden-Plattform participate.krebsliga.ch. Zusammen brachten sie 1894 Franken für krebsbetroffene Menschen in finanzieller Not auf. Text: Simone Widler «Ich möchte mich nochmals bei ALLEN ganz herzlich bedanken, die mich unterstützt haben. Es war e infach grossartig ♥», schrieb Karin Schober zum Abschluss ihrer Spendenaktion. Das kleine Herz am Ende des Sat- zes lässt ihr grosses Engagement für Menschen erahnen. Ganz besonders am Herzen liegen ihr Krebsbetroffene, die sich aufgrund ihrer Erkrankung in einer finanziellen Notsituation befinden. Darum bestimmte sie bei ihrer Läuferin Karin Schober aus Chur sammelt Geld für Krebsbetroffene Aktion, dass die Spenden ihnen zukommen sollen. in finanzieller Not. Um für sie Geld zu sammeln, eröffnete Karin Schober auf der Plattform «Participate» der Krebsliga eine eigene So rundeten diese die Kilometer mit zusätzlichen Fran- Spendenaktion mit einer genialen Idee: Für jeden Kilo- ken grosszügig auf. Fast täglich durfte Karin Schober meter, den die ambitionierte Hobby-Sportlerin lief, eingehende Spenden mit persönlichen Worten verdan- spendete sie selber 50 Rappen. Ihre Freunde, Familie ken. «Gaaanz herzlichen Dank, liebe Claudia, für deine und Bekannten steckte sie mit ihrer Begeisterung an. Spende. Es ist wunderschön, dass du meine Kilometer- Sammlung zugunsten der Krebsliga auch unterstützt», schrieb sie ihrer Freundin. Die Aktion übertraf sogar participate.krebsliga.ch ihre Erwartungen. Anstatt der erhofften 1700 Franken sammelten sie und ihre Freunde während eines Monats So können auch Sie helfen 1894 Franken. Möchten auch Sie Krebsbetroffene ganz konkret Dieses Geld wird dringend gebraucht unterstützen? Feiern Sie ein Jubiläum und möchten Denn Krebs kann schwerwiegende Auswirkungen auf auf Geschenke verzichten? Ist Ihr G eburtstagswunsch, die finanzielle Situation von Betroffenen haben. Beson- etwas für Menschen mit Krebs zu tun? Die Plattform ders, wenn durch die Krankheit Kosten anfallen, die die «Participate» der Krebsliga für Sammelaktionen gibt Krankenkasse nicht übernimmt, und wenn Einkommens es nun seit einem Jahr. einbussen in Kauf genommen werden müssen. Manch- mal reicht das Geld nicht, um die zusätzlichen Transporte ins Spital zu bezahlen. Oder die Kinder müssen betreut werden, wenn betroffene Eltern abwesend sind. Die Krebsliga hat dazu einen Hilfsfonds errichtet, mit dem sie Engpässe in Familien und bei betroffenen Einzelper- Helfen Sie mit: sonen überbrücken kann. Dank den Beiträgen von Karin participate.krebsliga.ch Schober und anderen kann die Krebsliga den Alltag von Krebsbetroffenen in Notsituationen etwas erleichtern. FOTO: ZVG 6 aspect 4/19
FRAGEN & ANTWORTEN Gespräche können Klarheit und Erleichterung bringen Eine Auswahl aktueller Fragen, welche die Bera- terinnen am Krebstelefon erreichen. «Mein Vater hat Krebs. Er spricht nicht viel mit mir darüber, weil er mich nicht reinziehen will. Mich beschäftigt das aber sehr.» Die Diagnose Krebs ist nicht nur für Das Team von Anna Zahno (Dritte von links) beantwortet jährlich rund 5800 Anfragen. die erkrankte Person ein Schock, sie betrifft die ganze Familie. Damit verändern sich einige Dinge. Die Schweiz empfiehlt die HPV-Impfung tung. Es empfiehlt sich, diese Frage Behandlungen können belastend Mädchen und Jungen ab 11 Jahren, mit der Gynäkologin oder dem sein, und so bleibt der erkrankten bzw. Männern und Frauen bis 26 Gynäkologen zu besprechen. Even- Person oftmals weniger Zeit und Jahren zur Prävention von Gebär- tuell wird eine genetische Beratung Kraft für die Familie. Ein Gespräch mutterhalskrebs und anderen ein Thema sein, um eine allfällige innerhalb der Familie kann helfen, HPV-bedingten Krebserkrankungen. Indikation für eine genetische Unter- mit den Veränderungen besser klar- Zum Thema gibt es mehrere Broschüren bei suchung zu stellen. zukommen. Es gibt einem mehr uns im Shop: In der Expertensprechstunde vom Krebs www.krebsliga.ch/shop telefon geht es den ganzen Oktober um Sicherheit im Umgang mit der Die regionalen und kantonalen Krebsligen Frauentumore und Frauengesundheit: Krankheit. Manche sprechen aber beraten Sie gerne: www.krebsforum.ch lieber mit einer aussenstehenden www.krebsliga.ch/regionen Genetische Beratungsstellen: Fachperson darüber, auch das ist https://bit.ly/2LWyCTY möglich. «Ich bin an Brustkrebs erkrankt, Allgemeine Informationen finden Sie in der Ratgeber für Jugendliche von krebsbetrof- meine Mutter vor einigen Jahren Broschüre «Familiäre Krebsrisiken»: fenen Eltern. «Krebs – warum trifft es meine www.krebsliga.ch/familiaere- ebenfalls. Wie gross ist das Risiko, krebsrisiken Familie?»: www.krebsliga.ch/krebs-familie dass meine beiden Töchter eben- www.krebsliga.ch/regionen falls an Brustkrebs erkranken?» Krebstelefon Das Risiko, ebenfalls an Brustkrebs «Ich habe erfahren, dass meine zu erkranken, ist leicht erhöht, wenn Fragen Sie uns Ex-Partnerin an Gebärmutterhals- eine Verwandte ersten Grades, also krebs erkrankt ist. Sollte ich meine Mutter oder Tochter, bereits an Haben Sie Fragen zu Krebs? aktuelle Partnerin darüber infor- Brustkrebs erkrankt ist. Um jedoch Möchten Sie über Ihre Ängste mieren?» das persönliche Brustkrebsrisiko oder Erfahrungen sprechen? Um es vorwegzunehmen: Gebär- besser abschätzen zu können, benö- Wir helfen Ihnen weiter: mutterhalskrebs ist nicht anste- tigt es mehr Informationen. Gratis-Telefon (Mo – Fr, 9 – 19 Uhr) ckend. Die meisten bösartigen So ist das Alter der Mutter zum Zeit- 0800 11 88 11 Zellveränderungen des Gebär- punkt der Diagnosestellung wichtig, E-Mail mutterhalses entstehen durch eine denn Brustkrebserkrankungen, die helpline@krebsliga.ch Infektion mit bestimmten Arten durch eine genetische Veranlagung Chat (Mo – Fr, 11 – 16 Uhr) von humanen Papillomaviren (HPV). bedingt sind, treten in der Regel vor www.krebsliga.ch/cancerline Diese Viren befallen ausschliess- dem 50. Lebensjahr auf. Daneben Skype (Mo – Fr, 11 – 16 Uhr) lich die Haut und die Schleimhaut. sind auch feingewebliche Merkmale krebstelefon.ch Nur selten entwickeln sich aus einer des Tumorgewebes (Histopatholo- Forum HPV-Infektion Warzen, Krebsvor- gie) für eine Beurteilung des famili- www.krebsforum.ch stufen oder Krebs. Die Krebsliga ären Brustkrebsrisikos von Bedeu- FOTO: ZVG aspect 4/19 7
BEGEGNUNG Der unbekannten Krebsart ein Gesicht g eben Die Diagnose Eierstockkrebs kam für Monika Christen überraschend. Sie wusste nur wenig über diese Krebsart und war froh, dass sie mit anderen betroffenen Frauen darüber reden konnte. Text: Joëlle Beeler, Fotos: Gaëtan Bally E s ist ein sonniger Tag in der Zentralschweiz. Am Ufer des Sarnersees blickt Monika Christen auf den Giswilerstock. «Lange Spaziergänge am See und in Monika Christen ging stets offen mit ihrer Krebsdiagnose um. der herrlichen Obwaldner Landschaft haben mir immer sehr gutgetan.» nicht gehen lassen. Schliesslich waren es die langersehn- Monika Christen aus Kerns im Kanton Obwalden ten Ferien mit ihrem Mann. «Ich riss mich zusammen und erkrankte vor gut einem Jahr an Eierstockkrebs. Symp- fand so langsam wieder ins Leben zurück.» tome habe sie zwar gehabt, habe sie aber falsch gedeu- tet, sagt sie. Vieles schrieb sie den Wechseljahren zu: Gleichgesinnte gesucht «Ich habe abgenommen, aber mein Bauchumfang wurde Im Januar 2019 hatte Monika Christen ihre letzte Chemo grösser. Nach einer schlaflosen Nacht bin ich wegen Übel- und eine abschliessende Besprechung mit dem Arzt. Für keit und grosser Bauchschmerzen dann doch ins Spital sie kam das Ende der ärztlichen Betreuung zu abrupt: gegangen.» Die Diagnose Eierstockkrebs war ein regel- «Die lassen mich jetzt einfach alleine», dachte sie. Dabei rechter Schock für die heute 50-Jährige: «Ich dachte, das wusste sie, dass bei Eierstockkrebs jederzeit ein Rezidiv ist ein böser Traum. Das kann doch gar nicht sein.» möglich ist. Deshalb suchte sie Rat bei der Beratungs- Doch die Realität holte die Frau schnell ein. Der grosse stelle der Krebsliga Zentralschweiz in Stans. «Die Berate- chirurgische Eingriff und die drei Wochen danach prägten rin machte mich auf den damals neugegründeten Selbst- sie nachhaltig: «Die komplexe Operation hinterliess eine hilfeverein «ElleHELP» (siehe Kasten) aufmerksam. Genau grosse senkrechte Narbe über meinen ganzen Bauch», das suchte ich. Ich konnte mich zum ersten Mal mit ande- erklärt sie. Nach dem Eingriff hatte sie Probleme mit der ren Frauen mit der gleichen Krebsart austauschen.» Verdauung, und die Wunde entzündete sich. «Es war eine Während der Behandlung begegnete Monika Christen zermürbende Zeit im Spital. Ich hatte immer wieder das ausschliesslich Frauen mit Brustkrebs. Eierstockkrebs Gefühl, meine Narbe könne jeden Moment platzen.» kommt im Vergleich zu Brustkrebs viel seltener vor. 600 Frauen erkranken in der Schweiz daran. Beim Brustkrebs Hilfe von der Familie sind es jährlich 6000. Die Probleme der beiden Krebs- Als sich ihr Zustand stabilisierte, konnte Monika Christen arten seien nicht identisch, so Christen. Umso wichtiger zwar aus dem Spital, war aber noch auf Hilfe angewiesen: seien Informationen und Unterstützung bei unbekannten «Deshalb ging ich zu meinen Eltern. Sie haben mich um Krebsarten, wie zum Beispiel dem Eierstockkrebs. sorgt und für mich gekocht, ich war nicht alleine. Für diese gemeinsame Zeit bin ich sehr dankbar. Das tat allen gut», Ein Teil vom Ganzen sagt sie. Monika Christen war es sehr wichtig, zur Arbeit zurück- Das Schlimmste lag nun hinter ihr. Die Chemothera- zukehren. Die gelernte Kauffrau ist in einem Traditions- pie machte ihr weniger zu schaffen als zuerst gedacht. unternehmen in Kerns beim Empfang und im Sekretariat Die Lebensfreude kam zurück, und sie verspürte Lust zum tätig. Anfang Jahr konnte sie niederprozentig wieder bei Reisen. Mit dem Auto fuhren sie und ihr Mann um den der gleichen Firma einsteigen und langsam aufstocken. Bodensee, ins Tessin und in die Romandie. «Zwischen den «Mit der Arbeit habe ich mein vorheriges Leben teilweise Chemotherapie-Zyklen im Spital konnte ich endlich raus wieder zurückbekommen. Ich habe wieder eine Aufgabe; an die Sonne, das war wunderbar.» Wegen der Chemo bin Teil vom Ganzen.» Sie sei ihrem Arbeitgeber dankbar, fühlte sie sich zwar nicht immer topfit. Aber sie wollte sich dass er sie die ganze Zeit unterstützt habe. 8 aspect 4/19
Was das Leben bietet Während der Behandlung hoffte Monika Christen, dass am Ende alles so sein werde wie vorher. Aber mit der Narbe, welche über den ganzen Bauch geht, realisierte sie plötzlich, es wird nie mehr wie früher sein. «Ich spüre die Narbe nach wie vor. Damit ist auch das Thema Krebs und die Angst vor einem Rückfall unweigerlich präsent.» Mental arbeite sie genau an diesem Punkt: Einerseits das Leben bejahen, Augenblicke geniessen, die Menschen und die Arbeit bewusst wahrnehmen und schätzen. Andererseits die Augen nicht davor verschliessen, dass der Krebs vielleicht wieder zurückkommen könnte. «Es ist ein Spagat, aber ich denke, ich bin auf gutem Weg», sagt die Obwaldnerin und schaut lächelnd in Richtung Giswilerstock. • ElleHELP Seltenen Frauenkrebs- arten mehr Bedeutung schenken Gynäkologische Tumore gehören zu den unbekannten Krebsarten der Frau. Einzeln betrachtet sind sie nicht sehr häufig, insgesamt gibt es jedoch in der Schweiz pro Jahr über 2000 betroffene Frauen. Auch wenn diese Erkrankungen sehr verschieden therapiert werden und unterschiedlich gute Prog- nosen haben, so beeinträchtigen sie oft nachhaltig die Lebensqualität. ElleHELP will diesen Betrof- fenen ein Netzwerk und eine Stimme geben. Mit Veranstaltungen fördert der Verein den Austausch unter Patientinnen und Fachpersonen. Der offene Austausch unter Betroffenen und die Gesprächs- runden zu ausgewählten Themen finden etwa alle zwei Monate in den Räumlichkeiten der Krebsliga Zentralschweiz in Luzern statt. Catherine Pilet, Mitgründerin von ElleHELP, betont, es gehe hauptsächlich um einen unkomplizierten und schnellen Zugriff auf Informationen für Akut-Betroffene: «Die Ratsuchenden sollen von Anfang an wissen, dass sie nicht alleine sind und die Möglichkeit haben sich auszutauschen. Über die fachlich-medizinische Versorgung hinaus besteht oft sehr viel Bedarf an Unterstützung und Verständ- nis, das auch bei Angehörigen nicht immer zu fin- den ist», erklärt Pilet. Der Verein biete genau hier- für eine Plattform; überregional und unabhängig. www.ellehelp.ch www.krebsliga.ch/regionen Monika Christen macht gerne Ausflüge an den Sarnersee. Die Obwaldnerin fühlt sich mit der Region verbunden. aspect 4/19 9
FORSCHUNG Invasive Zellen unschädlich machen Tödlich wird ein Tumor meistens erst dann, einfach zu verstehende Verwandlung: Die Zellen an der wenn er Ableger, so genannte Metastasen, Oberfläche – dem so genannten Epithel – eines Organs verlieren ihre bisherige Funktion und Identität. Sie for- streut. Oft ist den metastasierenden Krebs men sich in weniger differenzierte Zellen um. zellen mit einer herkömmlichen Chemo Bemerkenswert ist, dass der Identitätsverlust der Zel- therapie nicht beizukommen. Nun zeigt len mit einem Gewinn an Entwicklungsmöglichkeiten und eine neue Strategie auf, wie sich die gefähr- Plastizität einhergeht. So können die durch eine EMT transformierten Zellen nicht nur eine Chemotherapie lichen invasiven Zellen in harmlose Fett überleben, sondern sich auch von ihren Schwesterzellen zellen verwandeln lassen. im Tumor loslösen, in den Blutkreislauf wandern – und an Text: Ori Schipper einem anderen Ort im Körper einen neuen Ableger grün- den. Dort können sie sich in die schnell wachsende Form I n erster Linie besteht ein Tumor aus schnell wachsen- zurückverwandeln. Die grosse Plastizität von Krebszellen den und sich rasch teilenden Zellen. Bisher stehen sol- ist im Kampf gegen die Erkrankung deshalb eine riesige che Zellen bei der Entwicklung von Medikamenten im Herausforderung. Vordergrund: Die allermeisten Chemotherapeutika sind Zellgifte, die bei Zellen mit intensivem Stoffwechsel stär- Knorpel-, Knochen- und Fettzellen ker wirken als bei in sich ruhenden Zellen. Das Problem Doch in einem von der Stiftung Krebsforschung Schweiz ist, dass Tumore mehr als nur eine Masse von wuchernden geförderten Forschungsprojekt sehen Wissenschaftlerin- Zellen sind. Eine kleine Minderheit der Krebszellen ist nen und Wissenschaftler in dieser Herausforderung auch weniger aktiv – aber dafür umso anpassungs- und wider- eine Chance. «Wir haben in unserer Studie gezeigt, wie sich die grosse Plastizität von invasiven Brustkrebszellen therapeutisch ausnutzen lässt», sagt Gerhard Christofori vom Departement für Biomedizin der Universität Basel. Eine kleine Minderheit Wenn man nur die richtigen Wachstumsfaktoren zu den der Krebszellen ist zwar Zellkulturen hinzufüge, liessen sich EMT-transformierte Zellen im Labor in so gut wie alles umwandeln, meint der weniger aktiv, dafür aber Professor für Biochemie. In verschiedenen Versuchen hat umso anpassungs- und seine Forschungsgruppe aus den Krebszellen etwa Knor- pel- oder Knochenzellen geformt. widerstandsfähiger. «Der Knackpunkt für uns aber war, herauszufinden, wie man mit möglichst wenigen Substanzen eine Ver- wandlung hinbekommt», erklärt Christofori. Weil es für die Umwandlung von Krebs- in Fettzellen nur zwei Medi- standsfähiger. Leider sind es auch genau diese Zellen, die kamente braucht, die zudem schon klinisch getestet bei der Bildung von Ablegern, so genannten Metastasen, und für andere Behandlungen zugelassen sind, sehen die Hauptrolle spielen. Deshalb sind diese Zellen für 90 die F orschenden in der Fettumwandlung das grösste Prozent aller Krebstodesfälle verantwortlich. therapeutische Potenzial. Ihr Rezept: Das Antidiabetikum Rosiglitazon und das Krebsarzneimittel Trametinib (das Identitätsverlust und grössere Plastizität sonst für die Behandlung von schwarzem Hautkrebs oder Diese anpassungsfähigen Killerzellen sind in vielen Lungenkrebs mit einer bestimmten genetischen Muta- Krebsarten – etwa in der Brust, der Niere, der Leber, der tion verwendet wird). Mit dieser Kombination gelang es Bauchspeicheldrüse oder der Lunge – identifiziert wor- den Forschenden, aus den gefährlichen invasiven Krebs den. Meist stammen sie zwar von den rasch wachsenden zellen harmlose Fettzellen herzustellen. «Fettzellen t eilen Zellen ab, durchlaufen aber in ihrer Entwicklung einen sich nicht mehr, deshalb neutralisiert diese Umwand- Prozess, der im Fachjargon als epitheliale-mesenchymale lung auch den Einfluss der vielen Mutationen, die sonst Transition (kurz: EMT) bezeichnet wird. Dieser Begriff tönt die Krebszellen zur raschen Vermehrung antreiben», sagt furchteinflössend kompliziert, doch er beschreibt eine Christofori. 10 aspect 4/19
mit Behandlung verwandelt sich Transformation in Fettzelle Krebszelle Invasive Tumor Krebszelle ohne Behandlung neue Metastasen entstehen Die Wandlungsfähigkeit von Krebszellen im Visier: Eine neue Therapiestrategie beugt Metastasen vor. Aus den invasiven Zellen werden Fett- zellen, die sich nicht mehr weiterteilen können. Die Bildung von Metastasen verhindern Wie funktioniert eigentlich? Sein Team hat die Fettumwandlungstherapie nicht nur in Zellkulturen, sondern auch in Versuchen mit Mäusen getestet – und dadurch zwei interessante Beobachtun- Die Entwicklung von gen gemacht. Erstens zeigte sich unter dem Mikroskop, dass die Behandlung den Rand von Tumoren glättete. Die Medikamenten Forschenden erklären sich diesen Befund mit dem Fehlen Jeder neuen Therapie geht ein intensiver und der invasiven Zellen, die die Grenze zum gesunden oft jahrzehntelanger Entwicklungsprozess voran. Gewebe normalerweise ausfransen lassen. Und zweitens Zuerst wird die Wirkung eines potenziellen Arznei stellte das Team um Christofori fest, dass ihre Fettum- mittels im Labor in so genannten präklinischen wandlungstherapie die Bildung von Metastasen hemmte. Versuchen an einzelnen Zellen und später auch Als Nächstes wollen die Forschenden nun prüfen, ob in Versuchen mit Tieren untersucht. Zeigen die sich die von ihnen verwendeten Medikamente mit einer Resultate, dass der Wirkstoff – ohne gravierende konventionellen Chemotherapie kombinieren lassen. Schäden zu verursachen – einen Krankheitsverlauf «Das Resultat wäre ein Ansatz, der sich sowohl gegen die günstig beeinflussen kann, folgen die klinischen invasiven wie auch gegen die sich rasch teilenden Krebs Versuche. Sie werden in mehrere Phasen unter- zellen richtet», sagt Christofori. Wenn auch diese Tests teilt: Phase-I-Versuche dienen der Dosisfindung. positiv ausfallen, müssen Investoren einsteigen, um die Mit Phase-II-Versuchen wird ein erstes Wirkungs- ILLUSTRATION: SOPHIE FREI, KREBSLIGA SCHWEIZ kostspieligen klinischen Versuche am Menschen zu finan- und Nebenwirkungsprofil errichtet. In den Phase- zieren. Ob das passiert, bleibt allerdings fraglich. Weil III-Versuchen wird die neue Therapie mit den bis- der Patentschutz für das Antidiabetikum Rosiglitazon her verfügbaren verglichen. Erweist sich die neue abgelaufen sei, bleibe das Interesse der Industrie an der Therapie als überlegen, kann der Hersteller bei den an sich vielversprechenden Idee verhalten, meint Chris- Behörden eine Zulassung beantragen. Erst wenn tofori. • eine Therapie zugelassen wird, kommt sie auf den Markt. aspect 4/19 11
LEBEN MIT KREBS Nach der Schwere kommt die Leichtigkeit Fast ein Jahr lang blieb die bekannte Was kurze Haare bewirken SRF-Moderatorin Sandra Boner dem Am Fernsehen ist die 44-jährige Sandra Boner bekannt für ihre kurzen, orange-farbenen Haare. Ausgerechnet Meteo-Dach fern. Mit «aspect» sprach vor der Diagnose habe sie sich ihre Haare etwas wachsen sie über ihre Brustkrebserkrankung, lassen, seufzt sie. «Ich habe geweint, als mir die Coiffeuse über ihre Familie und über neuentdeckte zu Beginn der Chemo die Haare ganz kurz geschnitten Lebensinhalte. hatte. Das war sehr emotional.» Aber in diesem Moment Text: Joëlle Beeler, Fotos: Gaëtan Bally «Endlich ohne Perücke. Dieses Gefühl war S andra Boner stand mitten im Leben, als sie letztes Jahr einen Knoten in ihrer Brust ertastete. Sofort so schön gewesen!» liess sie sich untersuchen. Das Resultat kam prompt Sandra Boner retour und war wie eine Ohrfeige: Brustkrebs – triple negativ, hormonunabhängig und hochaggressiv. Bevor sie mit der Chemotherapie startete, besprachen sie und ihr Partner mit den beiden Söhnen (9 und 10 Jahre) habe sie sich auch mondän gefühlt. «Mit diesen Stoppeln Folgendes: «Mami macht jetzt eine Therapie, um dieses und riesigen Ohrenclips hätte ich auch an eine schicke Ding, das Böse, zu eliminieren. Sie wird zwar ihre Haare Vernissage in Zürich gepasst.» Was Sandra Boner aber nicht erwartet hatte, war der Schmerz, als ihr die Haare wenig später wegen der Chemo ganz ausfielen. «Diesen Schmerz auf der Kopfhaut werde ich nicht so schnell ver- «Meine Familie hat mich gessen.» durch die Chemozeit Ihre Perücke aus echtem Haar (siehe Kasten, nächste Seite) wartete derweil schon. Sandra Boner hatte hohe getragen. Wegen ihr habe Ansprüche an die Anpassung. Sie wollte nicht, dass man ich durchgehalten.» auf den ersten Blick sieht: «Das ist eine Perücke. Die hat bestimmt Krebs.» Sie pflegte ihre zweiten Haare sorg- Sandra Boner fältig und brachte sie sogar zum Frisieren zum Coiffeur. «Ich fand meine Perücke megaschön und bekam Kompli- mente dafür.» Ihren kahlen Kopf zeigte sie auch zuhause nicht. «Ich habe mich in meine Jungs versetzt und dachte verlieren, aber es kommt alles wieder gut.» Dieser Plan dann, es sei besser, wenn sie ihr Mami ganz normal mit verhalf der ganzen Familie über die schwierige Zeit hin- Haaren oder Turban sehen würden.» Vor allem in den weg. Für die Solothurnerin war es wichtig, dass sich heissen Sommermonaten oder beim Grillieren sei ein der Alltag der Söhne trotz ihrer Erkrankung nicht kom- Kopftuch oder Turban viel angenehmer gewesen als die plett ändern würde: «Ich war genauso streng mit ihnen Perücke. wie zuvor. Mehr Glace haben sie deswegen auch nicht bekommen», schmunzelt sie. Aber das Mami war mehr Vergessene Gefühle zuhause. Statt am Abend auf dem SRF-Meteo-Dach zu Nach gut einem halben Jahr – im Herbst 2018 – konnte moderieren, brachte sie ihre Jungs regelmässig ins Bett. Sandra Boner das erste Mal aufatmen. Der Tumor in ihrer Was ihr die Familie während der Behandlungszeit Brust hatte gut auf die Chemotherapie angesprochen, die gegeben hat, weiss Sandra Boner sehr genau. Und sie Operation lag hinter ihr, jetzt kam nur noch die Bestrah- weiss es zu schätzen. «Die Familie gab mir einen enorm lung. In diesem Moment liess sie ihre Perücke liegen. «Die wichtigen Rückhalt. Sie hat mich durch die Chemozeit Kinder stockten zwar etwas, denn wirklich lange waren getragen. Wegen ihr bin ich am Morgen aufgestanden, meine Haare noch nicht.» Aber es sei so schön gewesen, wegen ihr habe ich durchgehalten.» endlich ohne Perücke! «Das erste Mal über eine Brücke 12 aspect 4/19
Nach abgeschlossener Therapie denkt TV-Frau Sandra Boner zurück an die Chemo: «Eine schöne Perücke war mir sehr wichtig.» aspect 4/19 13
LEBEN MIT KREBS Einblick in die Kabine: Mit viel Diskretion liess sich Sandra Boner von der Coiffeuse Laila Aviolat bezüglich Perücke beraten. gehen und den Wind auf der Kopfhaut spüren!» Erst in Neue Kraft gefunden diesem Moment wurde ihr bewusst, dass sie dieses frei- Einschnitte ins Leben gibt es verschiedene. Für Sandra heitliche Gefühl den ganzen Sommer über nicht gehabt Boner gab es ein Leben vor und nach den Kindern und und vermisst hatte. jetzt auch ein Leben vor und nach dem Krebs. «Man liest ja viel darüber, wie man sein Leben ändern oder opti- Söhne sind stark geworden mieren könnte. Ich esse gerne, trinke auch ab und zu ein Wenn Sandra Boner keine Familie hätte, würde sie heute Bier oder gehe in den Ausgang. Das möchte ich nicht – nach ihrer Erkrankung – anders leben: «Ich würde mehr ändern.» Aber bezüglich Bewegung habe sie noch Poten- auf den Putz hauen, viel ausgehen und die neugewon- zial gehabt. Das habe sie sich zu Herzen genommen, nene Freiheit in vollen Zügen geniessen.» Mit Kindern erzählt Sandra Boner. Sie besuchte mit anderen brust- sei die Situation etwas anders. «Ich geniesse jeden Tag, krebsbetroffenen Frauen im Bürgerspital Solothurn einen aber ich bin mir meiner Endlichkeit mehr bewusst. Mir ist ambulanten onkologischen Rehabilitationskurs. Das neue wichtig zu sehen, wie meine beiden Jungs gross werden, Angebot hatte zwei Effekte: Sie wurde nach der ganzen und ich möchte miterleben, wie sie die Schule abschlies Behandlung noch ein wenig weiter begleitet, und mit sen.» Diesbezüglich sei sie eine «Worst-Case-Lady», sie einem Kraft- und Ausdauer training bekam sie wieder rechne sich auch den schlimmsten Fall aus. Bei der Diag- mehr Vertrauen und mehr Gefühl in ihren eigenen Kör- nose habe sie Gedanken gehabt, wie: «Die Kinder wach- per zurück. sen ohne Mutter auf. Das ist schrecklich, sie werden Dazu hat die Solothurnerin das Joggen neu für sich abstürzen.» Rückblickend stellt die Familienfrau nun aber entdeckt. «Man sieht es mir ja nicht an, aber vor meiner fest: «Meine Söhne sind richtig stark und selbstbewusst Erkrankung war ich total unsportlich.» Neu macht sie jetzt geworden. Das beruhigt mich und gibt mir Sicherheit. Es mehrmals pro Woche ihre Aarerunde von rund fünf Kilo- ist sehr schön zu sehen, dass es auch ohne mich gehen metern und möchte bald auch zehn Kilometer schaffen. könnte. Aber das wird nicht eintreffen, noch nicht!» «Das Training tut mir total gut. Ich bin glücklich darüber.» 14 aspect 4/19
Eine grosse Auswahl an Perücken steht für Betroffene bereit. Form, Farbe und Haarlänge Jede Perücke wird individuell angepasst Für Krebspatienten ist der Verlust der Kopfhaare wegen einer Chemotherapie ein schwieriger Moment. Wie verändert es mein Aussehen? Sehen alle sofort, dass ich krank bin? Die betroffene Sandra Boner (siehe Haupttext) liess sich eine Echt- haarperücke anfertigen. «Ich fand meine Perücke megaschön, die Farbe hat exakt gepasst», sagt sie. Beraten wurde sie von Laila Aviolat. Die Zweithaar- spezialistin führt mit viel Empathie und Engage- ment das «The Hair Center» in Aarau in der zweiten Generation. Sie hat Sandra Boner mit Diskretion und Sorgfalt unterstützt: «Bei uns kommt kein Haar Massarbeit: Jede Perücke und jedes Zweithaar wird vom Spezialisten ersatz ohne individuelle Anpassung auf den Kopf. individuell bearbeitet und angepasst. Welche Wahl getroffen wird, hängt vom Anspruch und vom Bedürfnis ab. Gemeinsam ist jedoch allen, dass sie nicht als Perücke erkennbar sind.» Laut Laila Aviolat besteht das Lager aus mehreren Während des Joggens verarbeite sie viel und sage sich Tausend unterschiedlichen Perücken und Haar- immer wieder: «Ig bliibe gsung, ig wirde gsung, ig bliibe teilen: «Um so nahe wie möglich an die Original- gsung und ig wirde gsung.» Es ist so etwas wie der Lauf haare unserer Klienten heranzukommen, brauchen des Lebens, der ihr neue Kraft gibt. wir eine möglichst grosse Auswahl. Nur schon bei Wenn Sandra Boner nach diesem herausfordernden der Haarfarbe Grau gibt es etwa 45 verschiedene Jahr anderen Betroffenen etwas mitgeben möchte, dann Abstufungen. Was es nicht gibt, wird hergestellt.» dies: «Sobald es schwierig wird, unbedingt Hilfe anneh- Für Laila Aviolat ist diese Arbeit spannend und men. Während der intensiven Zeit der Behandlung kön- schön zugleich: «Sobald sich eine Kundin im Spie- nen Familie, Freunde und auch Ärztinnen, Ärzte oder gel auch mit Perücke wiedererkennt und sich dar- Pflegefachleute zu einer wichtigen Stütze werden. Deren über freut, habe ich meinen Job richtig gemacht! Hilfe und Ratschläge machen vieles einfacher.» • Damit können wir den Betroffenen und Angehöri- Informationen zu Brustkrebs: gen in einer schwierigen Zeit Freude bereiten.» www.krebsliga.ch/krebsarten-brustkrebs aspect 4/19 15
FOKUS Trotz Krebs – Familiengründung soll eine Option bleiben Krebstherapien erhöhen das Risiko der Un- fruchtbarkeit. Die 24-jährige Daniela Tschan hegte schon immer einen Kinderwunsch. Durch das Einfrieren der Eizellen steht ihr diese Möglichkeit nach wie vor offen. Dank des Engagements der Krebsliga überneh- men seit dem 1. Juli 2019 neu die Kranken- kassen die Kosten. Text: Joëlle Beeler N eun Monate lang dauerte die Chemotherapie von Daniela Tschan aus Mümliswil. Etwa so lange wie eine Schwangerschaft. Vor rund vier Jahren entdeckte man bei der damals 20-Jährigen ein «Highgrade Osteosarkom» – einen bösartigen Knochentumor. Ihre erste Frage im Gespräch mit der Onkologin war: «Kann ich trotz Chemotherapie noch Kinder bekommen?» Der Umstand, dass sie Eizellen einfrieren könne, habe sie sehr beruhigt, erzählt Daniela Tschan rückblickend. Vor der Chemotherapie wurden ihr in der Frauenklinik des Universitätsspitals Basel insgesamt zehn unbefruch- «Es hat mich sehr beruhigt, dass ich vor der Chemo meine Eizellen einfrieren konnte.» Daniela Tschan Dokumentation: In diesem dicken Ordner bewahrt Daniela Tschan alle Unterlagen zu ihrer Krankheit und zu den fruchtbarkeitserhaltenden Massnahmen auf. tete Eizellen entnommen und zusammen mit Eierstock gewebe eingefroren. Es besteht auch die Möglichkeit, Zeitpunkt gerade erst ihre KV-Lehre abgeschlossen hatte Eizellen befruchtet einfrieren zu lassen. Die junge Frau und nur wenig erspartes Geld besass, war sie froh um lebte damals schon in einer stabilen Beziehung. «Wir ent- die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern. «Ich bin ihnen schieden uns jedoch dagegen. Man weiss nie, was nach unendlich dankbar, dass sie mir sofort geholfen haben. einer Krankheit in einem jungen Leben noch alles pas- Alleine hätte ich die mehreren tausend Franken für die siert», sagt sie. Entnahme von Eizellen und Eierstockgewebe nicht bezah- len können.» Zusätzlichen Support gab es von der Krebs- Kinderwunsch hat seinen Preis liga Solothurn. Daniela Tschan holte sich bei der Berate- Als Daniela Tschan vor vier Jahren an Knochenkrebs rin Barbara Aerni wertvolle Tipps für den Alltag. «Wenn erkrankte, waren fertilitätserhaltende Massnahmen ich nicht mehr weiterweiss, kontaktiere ich die Krebsliga bereits möglich, eine Kostenübernahme durch die Kran- Solothurn noch heute. Und ich empfehle sie auch weiter, kenkasse gab es damals aber noch nicht. Da sie zu diesem wenn jemand bezüglich Krebs Hilfe benötigt.» FOTO: ZVG 16 aspect 4/19
Krebsliga erwirkt Kostenübernahme Fruchtbarkeitserhaltende Massnahmen Die Krebsliga Schweiz hat Ende 2018 in Zusammen arbeit mit medizinischen Fachgesellschaften bei Das Leben geht weiter der Eidgenössischen Kommission für allgemeine Daniela Tschan hatte schon immer eine genaue Vorstel- Leistungen und Grundsatzfragen (ELGK) einen lung, wie ihr Leben einmal verlaufen sollte: Weisse Hoch- Antrag zur Kostenübernahme durch die obligatori- zeit feiern, Kinder bekommen und in ein Eigenheim zie- sche Krankenpflegeversicherung eingereicht. hen. Lebenspläne, die mit der Krebserkrankung durch- Nun hat das Eidgenössische Departement des einandergerieten. Wegen des Osteosarkoms musste ihr Inneren entschieden, dem Antrag stattzugeben: Seit dem 1. Juli 2019 werden die Kosten für eine Kryokonservierung von O varialgewebe, Eizellen oder Spermien während fünf Jahren «Ich hoffe, auf natürlichem übernommen. Wege schwanger zu Viele Krebstherapien sind so aggressiv, dass sie die Fruchtbarkeit von Patientinnen und Patienten werden. Sonst habe ich ja in Mitleidenschaft ziehen können. Das Problem der noch mein Back-up.» Infertilität ist – aufgrund der medizinischen Fort- schritte in der Behandlung von Krebsleiden – für Daniela Tschan eine immer grössere Zahl von Krebsbetroffenen von Bedeutung: Schätzungen zufolge hat ungefähr ein Drittel der gut 1000 Jugendlichen und jungen Erwachsenen (im Alter von unter 40 Jahren), die rechtes Kniegelenk und ein Teil des Oberschenkelkno- jedes Jahr neu an einer der fertilitätsgefährdenden chens entfernt und mit einer Prothese ersetzt werden. Krebsarten erkranken, Bedarf an Massnahmen zur Seit einem halben Jahr kann sie nun wieder normal gehen Erhaltung der Fruchtbarkeit. und sich fast schmerzfrei bewegen. Sie hat die Krankheit überwunden und gilt als geheilt. Das Ganze habe ihr etwas gezeigt, meint die heute 24-Jährige: «Im Leben passiert nichts ohne Grund. Ich bin durch die Krankheit stärker geworden und habe gelernt, manchmal auch Nein zu sagen.» Im Moment geniesse sie ihr neugewonnenes Leben in vollen Zügen. «Ich arbeite wieder, reise öfters und bin gerne mit meinen Freundin- nen unterwegs», erzählt sie und schmunzelt: «Wenn ich so weit bin, hoffe ich auf natürlichem Wege schwanger zu werden. Ansonsten habe ich ja noch mein eingefrorenes Grundsätzlich stehen der Fortpflanzungsmedizin Back-up.» mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Meist geht es darum, Geschlechtszellen – also Eizellen bei Wichtiges Engagement Frauen und Spermien bei Männern – noch vor Weil das Thema Fruchtbarkeit ein wichtiges Anliegen für Beginn der Behandlung zu entnehmen, bei sehr junge Krebspatientinnen und -patienten ist, macht sich tiefen Temperaturen einzufrieren und so die Zellen die Krebsliga stark für fertilitätserhaltende Massnahmen langfristig zu erhalten oder zu konservieren. Diese (siehe Kasten). Daniela Tschan findet es richtig und wich- so genannte Kryokonservierung gehörte früher tig, dass sich die Krebsliga dafür einsetzt: «Hat man die nicht zu den Pflichtleistungen in der Grundversiche- Therapien einmal hinter sich und die Krankheit überstan- rung. Deshalb mussten die Betroffenen, die diese den, sollte einem das Leben nach wie vor offenstehen. Massnahme in Anspruch nehmen wollten, die FOTO: WWW.SHUTTERSTOCK.COM Und es sollte noch möglich sein, eine Familie gründen zu Kosten selber tragen. Wir haben dazu beigetragen, können.» • dass diese Kosten nun übernommen werden. www.krebsliga.ch/kinderwunsch-trotz-krebs www.fertionco.ch aspect 4/19 17
INTERVIEW Mit Engagement und Leidenschaft im Dienste der Betroffenen und Angehörigen Zielstrebig und engagiert hat Kathrin etwa 320 000 Menschen mit einer Krebsdiagnose. In Kramis die Krebsliga Schweiz acht Jahre zehn Jahren werden es 500 000 sein. Wenn ich an die 1980er-Jahre zurückdenke, als wir die ersten Forschungs- lang geführt. Nun geht sie in Pension. Dass projekte zur psychischen Bewältigung von Krebsbetrof- sie während ihrer Zeit als CEO selbst an fenen durchführten, war der sich abzeichnende Wandel Krebs erkrankt ist, hat ihre Bemühungen von Krebs zur chronischen Krankheit weder sicht- noch bestätigt und verstärkt, sich für eine best- spürbar. Heute sprechen wir von «Cancer Survivorship», «Leben mit und nach Krebs». Die Survivorship-Heraus mögliche und individuell massgeschneider- forderungen von Krebsbetroffenen sind vielfältig, te Krebsversorgung einzusetzen, welche die komplexen und innovativen Behandlungsverläufe eine hohe Lebensqualität der Betroffenen anspruchsvoll, die Spätfolgen von Therapien nicht un ermöglichen soll. beachtlich. Die widersprüchlichen Gefühle belasten die Zukunftsperspektive. Ein Wechselbad zwischen Dank- Interview: Joëlle Beeler barkeit und Frustration, Ärger und Hoffnung, Lebens- freude und Unsicherheit begleitet den Weg zurück in Kathrin Kramis – Sie haben einen psychologisch- den Alltag. pädagogischen Hintergrund. Warum kam 2011 das Interesse an der Krebsliga? Wovon können Cancer Survivors heute profitieren? Vor über 30 Jahren habe ich mich im Rahmen eines For- Die kantonalen und regionalen Krebsligen leisten hier schungsprojekts an der Universität Fribourg mit Belas- einen grossen und bedeutsamen Beitrag, indem sie die tungen und Bewältigungsmöglichkeiten von Frauen mit Cancer Survivors auf diesem Weg professionell beglei- Brustkrebs auseinandergesetzt. Über mehrere Monate ten, unterstützen und beraten. Ein wichtiges Angebot führte ich wöchentliche Gespräche mit betroffenen Frauen. Im Fokus standen Krankheitsverläufe und Bewäl- tigungsherausforderungen sowie individuell angepasste Beratungs- und Unterstützungsangebote: Wie verarbei- «Die kantonalen und ten die betroffenen Frauen den Diagnoseschock, die biografische Zäsur, Ängste, Sorgen und Unsicherheiten regionalen Ligen leisten einen im privaten Umfeld und im Versorgungssystem? Welche grossen Beitrag, indem sie Bewältigungsformen sind im Umgang mit den Krank- heits- und Therapiefolgen günstig und hilfreich? Wie Cancer Survivors lässt sich die Selbstwirksamkeit der Betroffenen fördern professionell begleiten.» und aufrechthalten? Diese überaus intensiven Gesprä- Kathrin Kramis, CEO Krebsliga Schweiz che hatten mich als junge Frau nachhaltig berührt und geprägt. Die Stelle der Krebsliga, welche ich viele Jahre später ausgeschrieben sah, weckte sehr schnell den Wunsch in mir, einen Beitrag im Umgang mit der gesell- schaftlichen Herausforderung «Krebs» leisten zu dürfen. sind die Rehabilitationen. Die Krebsliga Schweiz hat Broschüren für Betroffene und Faktenblätter zur onko- Was hat sich in dieser Zeit für die Betroffenen logischen Rehabilitation sowie zu Bewegungstherapie verändert? und Sport publiziert. Auch werden Online-Informationen Neue Behandlungsmöglichkeiten und verbesserte zum Thema fortlaufend ausgebaut. In den letzten Jahren Früherkennung haben die Chancen auf ein verlängertes haben wir an mehreren Standorten in der Deutsch- Leben deutlich erhöht. In westlichen Ländern geht man schweiz, in der Westschweiz und im Tessin beim Aufbau derzeit davon aus, dass etwa 60 % der Betroffenen eine ambulanter und stationärer onkologischer Rehabilitation Krebserkrankung fünf Jahre oder länger überleben. Bei Unterstützung und Beratung angeboten, sodass prak- etlichen Tumor-Entitäten ist heute ein Überleben von 20 tisch in jeder Region eine onkologische Rehabilitation in und mehr Jahren möglich. In der Schweiz leben heute Anspruch genommen werden kann. 18 aspect 4/19
Kathrin Kramis – nach fünf Jahren bei der Krebsliga CEO Krebsliga Schweiz Schweiz wurden Sie selbst zur Betroffenen. Wie gross Kathrin Kramis war der Schock? Der Befund kam unerwartet. Die Betroffenheit war gross. Bei mir, meinem Ehemann und meinem nächsten Dr. phil. Kathrin Umfeld. Das Leiomyosarkom, ein seltenes Weichteil Kramis-Aebischer hat sarkom, wurde dank einer fundierten Zweitmeinung nach sieben Jahren entfernt und richtig behandelt. Doch war ich nach der Tätigkeit als Primar Diagnose unsicher, ob ich zur Krebsliga zurückkehren lehrerin und Heilpäda kann, ob ich meine Mitarbeitenden über meine Diagnose gogin an der Universi- informieren sollte. Das Thema «Krebs am Arbeitsplatz» tät Freiburg klinische stellte sich mir unter ganz neuem Vorzeichen. Ich bin Psychologie und Erzie- heute noch dankbar, meiner inneren Stimme gefolgt und hungswissenschaften die Mitarbeitenden informiert zu haben. Ihr Mitgefühl, studiert und an der Uni auch heute, nach drei Jahren, war und ist eine Kraft- Fribourg promoviert. quelle sondergleichen. Sie hat einen Abschluss als Psychotherapeutin und wirkte mehrere Jahre u. a. als Psychotherapeutin, Ein seltener Krebs mit unsicherer Prognose. Hochschuldozentin, Führungsausbildnerin und Wie verarbeiteten Sie das? Institutsleiterin an der Pädagogischen Hochschule. Die vielen Gespräche mit meinem Ehemann haben mir Von 2011 bis Ende September 2019 war sie CEO sehr geholfen. Schonungslos, offen und ehrlich haben der Krebsliga Schweiz und leitete zudem die wir uns – und tun es immer noch – über Leben und Geschäftsstelle der Oncosuisse/NSK. Mit fast 65 Sterben, über die Sinnfrage des Lebens ausgetauscht. Jahren übergibt Kathrin Kramis nun die Leitung der Dies führt immer wieder zur Verarbeitung, zur inneren Krebsliga Schweiz an Daniela de la Cruz. Ruhe, zur erneuten Entdeckung der inneren Kräfte, zum achtsamen Umgang mit dem Hier und Jetzt. Rückblickend bin ich dankbar, mich in guten medizini- schen Händen zu wissen und mich von meinem Umfeld Krebs und Arbeit ist auch ein Projekt, welches Ihnen so herzlich begleitet zu spüren. Einzig, so denke ich, am Herzen liegt, wieso? hätte ich mir nach dem Eingriff wohl mehr Erholungszeit Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Mehr als nehmen müssen. Ich bedaure es nachträglich, dass ich 15 000 Menschen im Alter von 20 bis 64 Jahren erkran- «unsere» Reha-Angebote nicht genutzt habe. ken jedes Jahr neu an Krebs. Rund 64 000 Personen im erwerbsfähigen Alter leben in der Schweiz aktuell Wie hat sich Ihre Sicht auf Krebs durch diese mit einer Krebsdiagnose. Zwei Drittel aller Betroffenen persönliche Erfahrung verändert? kehren nach den Therapien wieder an ihren Arbeitsplatz Was oft zu kurz kommt, ist der Dialog: Der Dialog zurück. Ein Drittel jedoch verliert die Stelle. Der Weg in z wischen Betroffenen, Ärzten, Pflegenden, Psycholo- die Armutsfalle ist somit nicht ausgeschlossen. Je nach gen und Angehörigen. Aufeinander zugehen, einander Diagnose und Bewältigungsmöglichkeiten der betroffe- zuhören und nicht zuletzt voneinander lernen. Dieser nen Person möchten wir mit den Beteiligten eine indivi- Dialog in Form eines Anlasses für Betroffene, Angehö- duelle Lösung finden, um die Integration in den Arbeits- rige und Fachpersonen war ein lang gehegter Wunsch, prozess erfolgreich gestalten zu können. Die Berufs- welchen ich realisieren wollte. Die «Frühlingsbegeg- tätigkeit bedeutet für die Betroffenen einerseits eine nung» sollte den Kern eines Dialogs bilden, welcher in Einkommenssicherung, vermittelt andererseits jedoch einem wertschätzenden, stimmigen und empathischen eine wesentliche Struktur und hilft, soziale Kontakte Klima stattfindet und zugleich in ein neues Anlassformat aufrechtzuerhalten. Vorgesetzte stehen oft vor einem eingebettet ist. Zusammen mit Rolf Heusser, Direktor Balanceakt zwischen Verantwortung und Mitgefühl. Mit des Nationalen Instituts für Krebsepidemiologie und einer achtsamen und bewussten Begleitung ihrer Mit -registrierung (NICER), konnten wir im März 2018 diesen arbeitenden kann entscheidend Einfluss auf den Wie- Begegnungsanlass mit rund 100 Personen durchführen. dereingliederungsprozess und das Arbeitsklima genom- Der Erfolg zeigte sich in der grossen Nachfrage und dem men werden. Damit das Thema Krebs im Arbeitsprozess Interesse, sich im neu gegründeten Betroffenenrat ein enttabuisiert werden kann, haben wir im Jahre 2016 die zubringen. Für mich ein überaus eindrücklicher und wich- Fachstelle «Krebs & Arbeit» aufgebaut, welche für Unter- tiger Anlass, der mir unvergessen bleibt. nehmen bedarfsgerechte Angebote entwickelt, um Arbeitgeber und Personalverantwortliche in dieser her- ausfordernden Situation zu unterstützen. (Fortsetzung auf Seite 20) FOTO: ZVG aspect 4/19 19
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