Mit Prävention die Zukunft gewinnen - Strategien für eine demographiefeste Arbeitswelt - Zweites Memorandum

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Mit Prävention die Zukunft gewinnen - Strategien für eine demographiefeste Arbeitswelt - Zweites Memorandum
Mit Prävention
die Zukunft gewinnen
Strategien für eine
demographiefeste Arbeitswelt
Zweites Memorandum
Mit Prävention
die Zukunft gewinnen
Strategien für eine
demographiefeste Arbeitswelt
Zweites Memorandum
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     Inhalt

 5   Standortbestimmung

 7   Perspektive Arbeit 2020

13   Prävention als Schlüssel für die Zukunft

25   Agenda 2020

29   Handlungsempfehlungen

30   Ausblick

31   Literatur & Links
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Standortbestimmung

Der demographische Wandel ist nicht            schnitt. Zum Vergleich: Im Jahr 2000             ten, Wissenschaftler und Akteure der
länger fernes Zukunftsszenario, er             waren gerade 37,6 % der Älteren in               Kranken- und Unfallversicherungsträger
bestimmt bereits die Gegenwart. Wirt-          Deutschland erwerbstätig.                        Lösungen für eine sichere, gesunde und
schaft, Staat und Gesellschaft beginnen,                                                        wettbewerbsfähige Arbeitswelt. INQA ist
sich den Herausforderungen der alternden       INQA, die Initiative Neue Qualität der           dabei Plattform für Entwicklung, Aus-
Gesellschaft zu stellen. Dabei zeigt sich,     Arbeit, hat zu dieser ebenso erfreulichen        tausch und Transfer von Handlungswissen.
dass viele dieser Aufgaben und Probleme        wie notwendigen Entwicklung beigetragen.         Die Initiative zeigt Wege zu einer Arbeits-
zu bewältigen sind, wenn alle Beteiligten      Bereits 2004 hat INQA im Memorandum              gestaltung, die ökonomisch nachhaltig ist
das wirklich wollen. Vor allem die noch zu     ›Demographischer Wandel und Beschäfti-           und von Beschäftigten aller Altersgruppen
Beginn des Jahrtausends besorgt gestellte      gung‹ betont, dass am Beginn der Ausein-         positiv erlebt wird. INQA fördert dazu auf
Frage, ob mit älteren Beschäftigten die        andersetzung mit dem demographischen             unterschiedlichen Handlungsfeldern unter-
Konkurrenzfähigkeit deutscher Unterneh-        Wandel ein Umdenken stattfinden muss             nehmensbezogene Projekte, transferiert
men im globalen Wettbewerb zu gewähr-          – weg vom Defizitmodell hin zum Kompe-           das Wissen in die Betriebe und unterstützt
leisten ist, kann positiv beantwortet          tenzmodell. Letzteres besagt, dass Altern        die Umsetzung in die Praxis. So bietet
werden. Die deutsche Wirtschaft hat die        eben keineswegs nur mit dem Verlust von          INQA ein solides Wissensreservoir und ist
Finanz- und Wirtschaftskrise gut überstan-     Fähigkeiten einhergeht, sondern auch mit         gleichzeitig Multiplikator für das Know-
den, steht im Hinblick auf Wachstum und        einem Zuwachs an solchen Kompetenzen             how, das Unternehmen und Organisatio-
Beschäftigung besser da als viele Mitglied-    verbunden sein kann, die gerade in der mo-       nen für aktuelle und künftige Verände-
staaten der EU und exportiert ihre             dernen Arbeitswelt stark nachgefragt sind:       rungsprozesse brauchen.
Produkte weltweit – und das auch durch         Problemlösungskompetenzen aufgrund
die engagierte Beteiligung durchschnittlich    von Erfahrungswissen, Kommunikationsfä-          In diesem Kontext bildet das Thema
älterer Belegschaften.                         higkeit, soziale Kompetenz, Qualitätsbe-         Demographie bei INQA einen inhaltlichen
                                               wusstsein und Loyalität. Das Kompetenz-          Schwerpunkt, der von einem Thematischen
Dass die Unternehmen nach der Krise die        modell war damals keineswegs ein neuer           Initiativkreis (TIK) bearbeitet und betreut
Produktion so schnell und erfolgreich          Ansatz, sondern in der Fachwelt bekannt          wird. Der 2004 gegründete TIK ›30-40-
wieder hochfahren konnten, ist auch einem      und unstrittig – aber es war in vielen           50plus – Älterwerden in Beschäftigung‹
Paradigmenwechsel in Wirtschaft und            Unternehmen und Personalabteilungen              zeichnet sich heute als Expertennetzwerk
Politik zu verdanken. Noch vor ein paar        unbekannt. INQA hat sich seinerzeit die          aus, das neben der Wissensgenerierung
Jahren wäre es wahrscheinlich gewesen,         Aufgabe gestellt, das zu ändern. Heute hat       den institutionsübergreifenden Dialog im
dass viele Unternehmen die Krise zur           die Initiative schon viel erreicht, zahlreiche   Bereich ›Demographischer Wandel‹
Freisetzung der älteren Beschäftigten          Unternehmen sind engagiert und profitie-         initiiert und organisiert. Dank dieses
genutzt hätten – Stichwort Frühverrentung.     ren von den vielfältigen INQA-Aktivitäten.       frühen Engagements aller Initiatoren,
Jetzt hingegen wurde versucht, die             Dieser in Zukunft weiter auszubauende            Partner und Akteure verfügt INQA aktuell
Belegschaften mittels Kurzarbeit durch die     Erfolg ist auch der besonderen Struktur          über eine Vielzahl von Instrumenten,
Krise zu bringen und so die Erfahrung in       und der Arbeitsweise von INQA zu                 welche die Unternehmen bei ihrem
den Unternehmen zu halten. Dahinter            verdanken.                                       betrieblichen Generationen-Management
steht eine Anerkennung und Wertschät-                                                           unterstützen. So stehen Tools zum
zung der Kompetenzen älterer Beschäftig-       Gemeinsam von Bund, Ländern, Sozial-             Wissenstransfer im Unternehmen ebenso
ter, die neu ist, die weiter wachsen wird –    partnern, Sozialversicherungen und               zur Verfügung wie Trainingsprogramme
und die sich auch statistisch niederschlägt.   Stiftungen im Jahr 2002 gegründet, ist           für die geistige Fitness älterer Mitarbeiter
Noch nie zuvor waren in Deutschland so         INQA heute ein aktivierendes und sehr            oder flächendeckende Angebote zur
viele Ältere in Beschäftigung wie aktuell:     aktives Netzwerk, das alle gesellschaftli-       Demographieberatung.
Die Beschäftigtenquote der 55- bis 64-Jähri-   chen Kräfte bündelt. Hier finden Unter-
gen lag 2009 bei 56,2 % und damit mehr         nehmer und Personalverantwortliche,              Auch ›Das Demographie Netzwerk‹ (ddn)
als 10 % über dem europäischen Durch-          Arbeitnehmervertreter, Gesundheitsexper-         gründete sich 2006 auf Initiative und mit
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Unterstützung von INQA. Heute hat sich        Den Auftakt für diese zweite Runde macht
das Netzwerk von Unternehmen für              das vorliegende Memorandum. Es nimmt
Unternehmen erfolgreich platziert und         die Fäden des ersten Memorandums auf
viele Unternehmen, Institutionen und          und spinnt sie ein Stück weiter. So werden
Privatpersonen als Mitglieder und Multipli-   die alter(n)sgerechte Arbeitsgestaltung, die
katoren gewinnen können. INQA unter-          betriebliche Gesundheitsförderung und das
stützt ddn mit Experten-Input und             lebenslange Lernen weiterhin Kernpunkte
organisiert gemeinsam mit dem Netzwerk        der INQA-Aktivitäten in Sachen Demogra-
den seit 2006 jährlich stattfindenden         phie bleiben. Aber sie sollen künftig noch
Know-how-Kongress, der sich als bundes-       stärker als bisher verzahnt werden im
weites Demographieforum für Fachleute         Sinne eines erweiterten Präventionsver-
und Unternehmen etabliert hat.                ständnisses. Dieses verfolgt eine langfristi-
                                              ge Perspektive und betrachtet die gesamte
Der kurze und lückenhafte Überblick zeigt:    Erwerbsbiographie eines Menschen unter
Es ist in den vergangenen Jahren gelungen,    dem Aspekt Gesundheit und Beschäfti-
was im ersten INQA-Demographie-Memo-          gungsfähigkeit. Als Ergebnis muss eine
randum noch als Hoffung formuliert war        individuelle Erwerbsbiographie verwirk-
– verlorenen Boden gut zu machen.             licht werden, die Anforderungen, Anreize
Zahlreiche Unternehmen haben bereits          und Belastungen so ›ordnet‹, dass die
wichtige Fortschritte in Sachen Demogra-      Beschäftigten das gesetzliche Rentenalter
phiefestigkeit gemacht – wenngleich           gesund erreichen. Damit wird auch eine
immer noch zu viele zu wenig in ihre          gesundes Leben im Alter möglich. Für
Zukunftsfähigkeit investieren. Das zu         dieses Modell zu werben, praxisgerechte
ändern und noch mehr Unternehmen und          Lösungen zu entwickeln und diese dann
Organisationen für das Thema zu gewin-        auf betrieblicher Ebene umzusetzen, ist
nen und zum konkreten Handeln zu              zweifellos ein ehrgeiziges Ziel. Aber mit
motivieren, ist das Ziel von INQA für die     Blick auf die erfolgreiche Arbeit der
nächsten Jahre.                               vergangenen Jahre ein erreichbares.
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1. Perspektive Arbeit 2020

Das von der Fachwelt prognostizierte          Die mit Blick auf die künftige Finanzierbar-   menskultur skizzieren. Unternehmensin-
Ergebnis des demographischen Wandels          keit der sozialen Sicherungssysteme            haber, Vorgesetzte, Betriebs- und Marktlei-
lässt sich kurz zusammenfassen: Die Zahl      getroffene Entscheidung der Politik, das       ter, Abteilungs- und Teamleiter, Personal-
der jungen Menschen wird in Zukunft           Renteneintrittsalter ab dem Jahr 2012          und Betriebsräte gewinnen damit die
weiter abnehmen, während die Zahl der         stufenweise bis 2029 auf 67 Jahre anzuhe-      Orientierung, betriebsindividuell Maßnah-
Älteren weiter zunehmen wird. Eine            ben, hat eine neue Dynamik in die              men zu entwickeln und zu einer passen-
Konsequenz dieser Entwicklung ist, dass       Diskussion um die Chancen und Risiken          den Strategie auszubauen.
die Bevölkerung im Durchschnitt älter als     des demographischen Wandels gebracht.
gegenwärtig sein wird. Verantwortlich für     Politik und Wirtschaft stehen vor der          Eckpunkte dieser Strategie sind:
diese Entwicklung sind nach Expertenmei-      Aufgabe, solche Strategien zu entwickeln       3 Die flächendeckende Umsetzung einer
nung die folgenden Faktoren:                  und auf gesellschaftlicher sowie betrieb-        gesundheitsgerechten und -förderlichen
                                              licher Ebene umzusetzen, die den Erhalt          Gestaltung der Arbeit und der betriebli-
3 die u. a. durch den medizinischen           und die Förderung der Arbeits- und               chen Arbeitsorganisation
  Fortschritt steigende Lebenserwartung       Beschäftigungsfähigkeit der Menschen bis       3 Der Erhalt und die Förderung der
3 die deutliche Zunahme der Altersgruppe      zum Erreichen des gesetzlichen Rentenein-        Gesundheit der Beschäftigten als
  der über 65-Jährigen bis zum Jahr 2030,     trittsalters sicherstellen. Als solides          wichtiges Unternehmensziel
  wenn die stark besetzten Jahrgänge der      Fundament für die Weiterentwicklung der        3 Die positive Beeinflussung der Beschäf-
  ›Baby-Boom-Generation‹ das Rentenalter      Arbeitswelt ist ein umfassender Präventi-        tigungsfähigkeit durch einen gesund-
  erreichen                                   onsbegriff unverzichtbar.                        heitsförderlichen Lebensstil
3 die seit Jahrzehnten auf niedrigem                                                         3 Lebenslanges Lernen als notwendige
  Niveau stagnierende Geburtenrate            Dieses umfassende Präventionsverständnis         Voraussetzung für eine über das
3 die geringe Zuwanderung und die hohe        integriert die fünf Handlungsfelder des          gesamte Erwerbsleben andauernde
  Auswanderungsquote ///                      Memorandums ›Demographischer Wandel              Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit als
                                              und Beschäftigung‹ aus dem Jahr 2004             Selbstverständlichkeit für Arbeitnehmer
Diese Trends sind regional unterschiedlich    und komprimiert sie auf die Kernfelder           und Betriebe
stark ausgeprägt. Sie werden in den neuen     Gesundheit, Arbeitsgestaltung und              3 Die Förderung von Tätigkeits- und damit
Bundesländern durch ein negatives             Qualifizierung. Durch die Verdichtung soll       Belastungswechseln in der Berufsbio-
Binnenwanderungssaldo noch deutlich           das Umsetzungsdefizit auf der betriebli-         grafie zum Erhalt der Beschäftigungs-
verstärkt.                                    chen Ebene überwunden werden. Die                fähigkeit.
                                              Konzentration auf die drei Kernfelder trägt
                                              der Beobachtung Rechnung, dass eine
Mit der beschriebenen demographischen         Sensibilität der Verantwortlichen für
Situation sind große Herausforderungen        Fragen des demographischen Wandels
für die Sozialpolitik verbunden, wie z. B.:   mittlerweile zwar in den Personalbereichen
                                              vieler (Groß)unternehmen vorhanden ist,
3 die wachsenden Ansprüche an die             aber bei Personalverantwortlichen im
  Einrichtungen der gesetzlichen Alters-      operativen Geschäft und in kleineren
  sicherung,                                  Unternehmen noch weitgehend fehlt.
3 die verstärkte Nachfrage nach Gesund-       Herausforderung und Ertrag erweiterter
  heitsdienstleistungen,                      Prävention werden deshalb mit Blick auf
3 die Verschiebung des Altersquotienten       diese Zielgruppe nun deutlicher konturiert.
  und – damit eng verbunden – die             Mit dem vorliegenden Memorandum
  materielle Sicherung der Sozialsysteme      möchte der der TIK ›30, 40, 50plus – Älter-
  generell.                                   werden in Beschäftigung‹ die Eckpunkte
                                              einer präventionsbezogenen Unterneh-
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    Altersauf bau der Bevölkerung in Deutschland

    am 31.12.1910                                                            am 31.12.2008
                              Alter in Jahren                                                     Alter in Jahren
                                      100                                                                 100
                      Männer                    Frauen                                       Männer                 Frauen
                                      90                                                                  90

                                      80                                                                  80

                                      70                                                                  70

                                      60                                                                  60

                                      50                                                                  50

                                                                                                                                            Quelle: Statistisches Bundesamt
                                      40                                                                  40

                                      30                                                                  30

                                      20                                                                  20

                                      10                                                                  10

                                      0                                                                   0
     1000 800   600   400   200   0         0   200   400   600   800 1000   1000 800 600 400 200     0         0   200 400 600 800 1000
     Tausend Personen                                 Tausend Personen       Tausend Personen                            Tausend Personen
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Allerdings wird es auch in Zukunft Berufe
und Tätigkeiten geben, bei denen selbst die
altern(s)gerechte Gestaltung an Grenzen
stoßen wird. In solchen Bereichen wird es      am 31.12.2060
unwahrscheinlich bleiben, dass die                                                      Alter in Jahren
Menschen bis zum Renteneintrittsalter                                                          100
arbeiten. Auch vor diesem Hintergrund ist                                      Männer                       Frauen
die Gestaltung von Berufsverläufen nicht                                                       90
nur in Unternehmen, sondern auch
unternehmens- und branchenübergreifend                                                         80
eine Aufgabe, der sich die Sozialpartner
stellen müssen. Gesellschaft und Politik                                                       70
sind dabei aufgefordert, die dafür notwen-
digen Rahmenbedingungen – insbeson-                                                            60
dere im Bildungswesen – zu schaffen.
Die Europäische Kommission hat in ihrer                                                        50
Mitteilung ›Europa 2020. Eine Strategie für

                                                                                                                                Quelle: Statistisches Bundesamt
intelligentes, nachhaltiges und integratives                                                   40
Wachstum‹ eine Erwerbsbeteiligung der                Untergrenze der
20- bis 64-Jährigen von 75 Prozent zum               ›mittleren‹ Bevölkerung                   30
Hauptziel erklärt. Voraussetzung für eine            Obergrenze der
derartig hohe Erwerbsbeteiligung aller               ›mittleren‹ Bevölkerung                   20
Altersgruppen ist die Etablierung einer
Präventionskultur in Gesellschaft und                                                          10
Unternehmen, die dazu beiträgt, dass
Arbeit nicht nur vorrangig Einkommens-                                                         0
quelle bleibt wie bisher, sondern künftig                       1000 800 600 400 200       0         0   200 400 600 800 1000
zur Quelle von Gesundheit, Wohlbefinden                         Tausend Personen                             Tausend Personen
und Zufriedenheit wird.

Die Arbeitswelt steht mit Blick auf die
demographische Entwicklung gleich in
mehrfacher Hinsicht vor großen Heraus-
forderungen. So stellen das steigende
Durchschnittsalter der Belegschaften und
der höhere Anteil von Beschäftigten der
Altersgruppe 50plus höhere Anforderun-
gen an Arbeitsgestaltung und -organisati-
on, an betriebliche Gesundheitsförderung
und Prävention. Von der Entwicklung
ebenfalls berührt werden die Rekrutie-
rungs- und Personalpolitik der Unterneh-
men sowie die Strategien zur Weiterbil-
dung ihrer Mitarbeiter.
10

                                                                                                                             körperlichen und psychischen Verfasstheit
   Arbeitsunfähigkeit nach Altersgruppen                                                                                     ein Mensch das fortgeschrittene Alter
                                                                                                                             erreicht.
   Alter
                                                                                                   150                       Das erklärt, warum vor allem solche
   15–19
                               5
                                                                                                                             Beschäftigtengruppen von hohen Kranken-
                                                                                             130                             ständen betroffen sind, die Tätigkeiten von
   20–24
                                   6                                                                                         geringer Qualifikation mit hohen Anteilen
                                                                   98                                                        an schwerer körperlicher Arbeit sowie
   25–29
                                           8                                                                                 geringen individuellen Handlungsspielräu-
                                                                                                                             men ausüben. Vielfach mündet das
                                                                   97
   30–34                                                                                                                     arbeitsplatzbedingt höhere Krankheitsrisi-
                                                 9
                                                                                                                             ko dieser Beschäftigtengruppe sogar in die
                                                                      101                                                    vorzeitige Minderung oder den vollständi-
   35–39
                                                     11
                                                                                                                             gen Verlust der Erwerbsfähigkeit.///
                                                                      103
   40–44
                                                          12                                                                 Im Unterschied dazu spielen in Branchen
                                                                          106                                                und Berufen, die mit hoher Qualifikation
   45–49
                                                                 14                                                          und großen Gestaltungsspielräumen
                                                                                                                             verbunden sind, Verrentungen wegen
                                                                                 113
   50–54                                                                                                                     vorzeitiger Erwerbsminderung kaum eine
                                                                            16
                                                                                                                             Rolle. 2004 erreichten etwa 97 Prozent der
   55–59                                                                               121                                   Ärzteschaft, 92 Prozent des Hochschullehr-
                                                                                        18
                                                                                                                             personals, 93 Prozent der Rechtsberater-
   60–64                                                                    110                                              und -beraterinnen und 91 Prozent der
                                                                                                   22                        Ingenieurinnen und Ingenieure das
                              34                                                                                             gesetzliche Rentenalter im Beruf. Dagegen
   ≥65
                                                                                             19                              gingen 86 Prozent der Bergleute, 37
                                                                                                         Quelle: SUGA 2008

                                                                                                                             Prozent der Maurer, 32 Prozent der
   Gesamt                                                                   110
                                                          12                                                                 Schweißer und 36 Prozent der Rohrinstal-
                                                                                                                             lateure gesundheitsbedingt vorzeitig in
                      Fälle je 100 Versicherte             Tage je Fall
                                                                                                                             Rente. Beruf und ausgeübte Tätigkeit sind
                                                                                                                             damit die bestimmenden Größen für die
                                                                                                                             Chance, das Renteneintrittsalter gesund
Die gute Botschaft ist: So groß die genann-           der Erkrankungen allerdings länger als bei                             und leistungsfähig zu erreichen.
ten Herausforderungen auch sein mögen,                jüngeren. Die durchschnittlich längeren
sie sind zu bewältigen. Denn grundsätz-               Ausfallzeiten der Älteren sind dabei weder
lich, das zeigt die Forschung, geht mit der           schicksalhaft noch ausschließlich dem
biologischen Alterung keine zwangsläufige             Alter geschuldet, sie resultieren vielmehr
Minderung der beruflichen Leistungsfähig-             oft aus zahlreichen negativen Einflussfak-
keit einher. Zwar zeigen die Statistiken der          toren der Arbeitswelt, die im Lauf eines
Krankenkassen einen Zusammenhang                      langen Erwerbslebens eingewirkt haben.
zwischen Alter und Krankheit, aber ältere             Neben dieser Kumulation von Belastungen
Arbeitnehmer sind nicht öfter krank als               spielen auch anlage- und lebensstilbedingte
jüngere. Im Krankheitsfalle ist die Dauer             Einflussgrößen eine Rolle dabei, in welcher
11

   Verbreitung Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)

   Im IGA-Report 20 ›Motive und Hemmnisse für Betriebliches Gesundheitsmanagement‹ wurden 500 Betriebe unterschiedlicher
   Größenklassen dazu befragt, ob sie Betriebliches Gesundheitsmanagement gegenwärtig durchführen, als Projekt abgeschlossen
   haben oder planen, in den nächsten zwölf Monaten einzuführen. Auf diese Frage gibt insgesamt mehr als jeder dritte Betrieb an,
   gegenwärtig Betriebliches Gesundheitsmanagement durchzuführen (36 %).

                                     50 – 99                  100 – 199                 200 – 400                Alle
                                     Mitarbeiter              Mitarbeiter               Mitarbeiter              Betriebe

  BGM wird durchgeführt              35 %                     30 %                      47 %                     36 %

  BGM wird nicht durchgeführt        64 %                     69 %                      49 %                     63 %

  Projekt bereits abgeschlossen      0%                       1%                        3%                       1%

Alle Studien zeigen darüber hinaus, dass       beruflichen Weiterbildung größere               sind. Erforderlich ist darum eine konzer-
eine gesundheitsförderliche Gestaltung der     Bedeutung beimessen.                            tierte Aktion auf allen Ebenen. So müssen
Arbeitswelt sowie gesundheitsbezogene                                                          die Unternehmen über ihre betriebliche
Veränderungen im persönlichen Lebensstil       Ob das Ziel ›Älter werden in Beschäfti-         Neuausrichtung unter Nutzung der bereits
Gesundheit und Arbeitsfähigkeit positiv        gung‹ in Zukunft erreicht werden kann,          zahlreich vorhandenen Instrumente und
beeinflussen. Aus aktuellen Studien ist        hängt darüber hinaus auch von gesell-           Methoden ebenso nachdenken, wie die
bekannt, dass 36 Prozent der mittelgroßen      schaftlichen Trends, Werten und soziokul-       Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik aufgefor-
Unternehmen über ein betriebliches             turellen Haltungen ab. Noch immer ist in        dert ist, für eine neue demographiesensible
Gesundheitsmanagement verfügen, bei            vielen Betrieben offene oder verdeckte          Arbeitskultur Lösungen zu entwickeln und
Großunternehmen dürfte der Anteil bei          Altersdiskriminierung gelebte Alltagspra-       dauerhaft in der betrieblichen Praxis zu
etwa 50 Prozent liegen. ///                    xis, nach wie vor stoßen Ältere an sichtbare    verankern.
                                               und unsichtbare Altersgrenzen bei der
Aus- und Weiterbildung sind weitere            Einstellung, Weiterbildung und Beförde-
wichtige Schlüssel für die nachhaltige         rung, die oft auf Vorurteilen sowie einer
Beschäftigung von Arbeitnehmern bis zum        systematischen Unterschätzung des
gesetzlichen Rentenalter. Mehr als 60 %        Erfahrungswissens Älterer beruhen. Hier
der hochqualifizierten Beschäftigten           gilt es, die Erkenntnisse der Altersfor-
zwischen 55 und 64 stehen noch im              schung bekannt zu machen und für sie zu
Berufsleben, bei den geringer qualifizierten   werben, damit Wirtschaft und Gesellschaft
Beschäftigten liegt die Quote dagegen bei      vorhandene Vorurteile durch wissensba-
unter 38 % (IAQ 2010). Zudem sind ältere       sierte Fakten ersetzt.
und geringer qualifizierte Erwerbstätige
wesentlich seltener an Weiterbildungen         Schon diese wenigen Aspekte zeigen: Die
beteiligt als andere Beschäftigtengruppen.     Arbeitswelt steht im Kontext des demogra-
Insbesondere mit Blick auf den sich            phischen Wandels vor Herausforderungen,
abzeichnenden Fachkräftemangel sollten         die komplex, generationenübergreifend
Unternehmen und Beschäftigte der               und regional unterschiedlich ausgeprägt
12
13

2. Prävention als Schlüssel
für die Zukunft

                                                                                                                                                                                                           und Arbeitnehmern. Auch die Sozialversi-
  Zunahme interindividueller Leistungsunterschiede                                                                                                                                                         cherungsträger, Sozialpartner und die
  mit steigendem Alter                                                                                                                                                                                     Politik sind hier gefordert, Rahmenbedin-
                                                                                                                                                                                                           gungen zu schaffen, die ein solches
                                                                                                                                                                                                           Präventionsverständnis und die dazu
                                                       Einflussfaktoren auf Leistungsfähigkeit:                                                                                                            nötige Flexibilität unterstützen und
                                                       3 private Lebensführung                                                                                                                             absichern.

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                                                       3 Sozialisation, Ausbildung
                                                       3 Selbstkonzept, Fremdkonzept
                                                       3 Bisherige Tätigkeiten (Belastungen, Training)                                                                                                     Arbeitsgestaltung
                                                       3 Leistungsanforderungen in der Arbeit
    Psychische und physiologische Leistungsfähigkeit

                                                       3 Lernanregungen durch die Arbeit                                                                                                                   Grundsätzlich unterscheidet sich die
                                                                                                                                                                                                           Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer
                                                                                                                                                                                                           nicht von der ihrer jüngeren Kollegen.
                                                                                                                                                                                                           Zwar nimmt sie in einzelnen Leistungsbe-
                                                                                                                                                                                                           reichen – wie körperliche Ausdauer und
                                                                                                         Interindividuelle                                                                                 Beweglichkeit – ab, im Gegenzug sind z. B.
                                                                                                         Unterschiede                                                                                      Erfahrungswissen oder Verantwortungsbe-
                                                                                                                                                                                                           wusstsein im Alter stärker ausgeprägt.
                                                                                                                                                                                                           Arbeitswissenschaftliche Untersuchungen
                                                                                                                                                                                                           zeigen darüber hinaus, dass interindividu-
                                                                                                                                                                                                           elle Leistungsunterschiede mit zunehmen-
                                                       Lebensalter                                                                                                                                         dem Lebensalter größer werden. Das
                                                                                                                                                                                                           bedeutet, dass das Alter allein zunächst
                                                                                                                                                                                                           wenig über das Leistungsvermögen eines
Die elementare Voraussetzung, um den                                               Insofern eröffnet lebenslanges Lernen den                                                                               Menschen aussagt – es gibt Ältere, die
demographischen Wandel auf betrieblicher                                           Betrieben die Chance auf flexibel einsetzba-                                                                            Jüngeren psychisch wie physisch überlegen
Ebene als Chance nutzen und gestalten zu                                           res Personal, während den Beschäftigten                                                                                 sind, wie es auch solche gibt, die körperlich
können, ist ein erweitertes Präventionsver-                                        einseitige und damit wenig gesundheitsför-                                                                              und geistig – z. B. aufgrund von negativen
ständnis. Es lässt sich insbesondere durch                                         derliche Belastungen erspart bleiben.                                                                                   Arbeitseinflüssen – stärker abgebaut
zwei Aspekte charakterisieren: Seine                                                                                                                                                                       haben.///
Ausrichtung ist langfristig und es umfasst                                         Die betrieblichen Demographieprojekte
Maßnahmen in den Handlungsfeldern                                                  der vergangenen Jahre haben aber auch
Arbeitsgestaltung, Gesundheit und                                                  gezeigt, dass es die einzig richtige Lösung
Qualifizierung. Dieser Ansatz geht über die                                        im Umgang mit dem demographischen
betriebliche Gesundheitsförderung hinaus,                                          Wandel auf betrieblicher Ebene nicht gibt.
indem z. B. Maßnahmen des lebensbeglei-                                            Jedes Unternehmen muss seinen eigenen
tenden Lernens mit dem Ziel integriert                                             Weg der Anpassung an das sich verän-
werden, die Beschäftigungsfähigkeit ein                                            dernde Erwerbpersonenpotenzial finden.
Erwerbsleben lang zu sichern. Nur wenn es                                          Dabei können Beispiele guter Praxis als
gelingt, die geistige Flexibilität der                                             Anregung und Orientierung dienen.
Beschäftigten durch lebenslanges Lernen                                            Grundsätzlich – das zeichnet sich bereits
dauerhaft zu erhalten, bleiben Tätigkeits-                                         heute ab – verlangen die demographiebe-
wechsel im Lebensverlauf möglich, womit                                            dingten personalpolitischen Entwicklun-
der Wechsel von Belastungen einhergeht.                                            gen mehr Flexibilität von Arbeitgebern
14

Einig ist sich die Arbeitswissenschaft darin,
dass extreme Umgebungseinflüsse wie                 Handlungsempfehlungen zur Nacht- und Schichtarbeit
Hitze, Kälte oder hohe Luftfeuchtigkeit,
schwere körperliche Tätigkeiten und              1. Die Anzahl der aufeinander folgenden Nachtschichten sollte möglichst gering sein.
Zwangshaltungen, Aufgaben, die ein
differenziertes Seh- und Hörvermögen             2. Nach einer Nachtschichtphase sollte eine möglichst lange Ruhephase folgen.
beinhalten, hoher Zeit- und Leistungsdruck          Sie sollte auf keinen Fall weniger als 24 Stunden betragen.
oder fremdbestimmtes Arbeitstempo sowie
                                                 3. Geblockte Wochenendfreizeiten sind besser als einzelne freie Tage am Wochenende.
Arbeiten, die eine ausreichende Erholung
nicht zulassen, Jüngere und Ältere               4. Schichtarbeiter sollten möglichst mehr freie Tage im Jahr haben als Tagarbeiter.
beanspruchen, Ältere aber stärker.
Allerdings lassen sich viele dieser Belastun-    5. Ungünstige Schichtfolgen sollten vermieden werden, d. h. immer vorwärts rotieren.
gen durch einfache ergonomische Maß-            6. Die Frühschicht sollte nicht zu früh beginnen.
nahmen (wie z. B. Tragehilfen, Klimaopti-
mierung) reduzieren. Solche Maßnahmen            7. Die Nachtschicht sollte möglichst früh enden.
wirken positiv auf Jung und Alt – einziger
Unterschied: Während sie den Jüngeren            8. Zugunsten individueller Vorlieben sollte auf starre Anfangszeiten verzichtet werden.
die Arbeit erleichtern, machen sie die          9. Die Massierung von Arbeitstagen oder Arbeitszeiten auf einen Tag sollte begrenzt
Arbeit für die Älteren oft erst bzw. wieder        werden.
möglich. ///
                                                10. Schichtpläne sollen vorhersagbar und überschaubar sein.

                                                    Eine gleichzeitige Erfüllung aller Empfehlungen ist nicht immer möglich. Wichtig
                                                    ist, die Massierung von Arbeitsbelastungen durch Arbeitszeit ebenso wie zu viele
                                                    Nachtschichten in Folge zu vermeiden und ausreichend lange Ruhezeiten für eine
                                                    effektive Erholung zwischen den Schichten einzurichten.

                                                    Quelle: BAuA
15

Mit Blick auf den Erhalt und die Förderung     bedeutsamer Beitrag für eine alter(n)s-                        Arbeitswissenschaft hat konkrete Hinweise
der Arbeitsfähigkeit aller Beschäftigten       gerechte Arbeitswelt.                                          für die Praxis entwickelt, die eine gute und
jeden Alters stehen deshalb Arbeitsgestal-                                                                    altersensible Ausgestaltung von Arbeits-
tung und Arbeitsorganisation im Fokus          Die Arbeitszeit ist ein weiterer wichtiger                     zeitmodellen ermöglichen, wie z. B. die
betrieblicher Maßnahmen. Systematische         Baustein für alter(n)sgerechte Arbeitsbe-                      Beachtung der Erkenntnisse zur ergonomi-
Belastungswechsel und Lernanreize bei der      dingungen. Schicht- und Nachtarbeit sowie                      schen Organisation von Nacht- und
Arbeit sind Schlüsselfaktoren, um die          hochflexible nachfrageorientierte Arbeits-                     Schichtarbeit, die Verkürzung der Ar-
physische und psychische Leistungsfähig-       zeitmuster sind Formen der Arbeitszeitge-                      beitschichten oder auch die Einführung
keit der Beschäftigten lebenslang zu           staltung, die dauerhaft zu erheblichen                         von Kurzpausen u. ä. ///
fördern. Möglich wird das durch die            Belastungen führen. Hier können alterns-
Umsetzung des Prinzips der differentiellen     gerechte Arbeitszeitregelungen physische
Arbeitsgestaltung (Ulich, 1978, 2001). Die     und psychosoziale Belastungen bis zu
Arbeitswissenschaft versteht darunter das      einem gewissen Grad reduzieren, wobei
gleichzeitige Angebot alternativer Arbeits-    vor allem Lage und Verteilung der Arbeits-
strukturen, zwischen denen die Beschäftig-     zeit eine wichtige Rolle spielen. Die
ten wählen können. Dieses Prinzip gewähr-
leistet die optimale Entwicklung der
Persönlichkeit in der Auseinandersetzung
mit der Arbeitstätigkeit vor dem Hinter-          Handlungsfelder alternsgerechter Arbeitsgestaltung
grund individueller Besonderheiten. So
arbeitet der eine vielleicht bevorzugt in
teilautonomen Arbeitsgruppen, um ein              Werden Tätigkeiten mit                                          3 Gleichförmige Arbeitsabläufe
Produkt oder Werkstück gemeinsam mit              solchen Anforderungen                                           3 Daueraufmerksamkeit
anderen herzustellen, währen der andere           auf Dauer ausgeübt,                                             3 Zwangshaltungen
dem Einzelarbeitsplatz den Vorzug gibt, an        ist es schwer, mit dem                                          3 Nachtschichten
dem er die komplette Montage allein               Älterwerden gesund und                                          3 Körperlich anstrengende Arbeiten
durchführt. Die angebotenen Arbeitswei-           leistungsfähig zu bleiben.                                      3 Taktgebundene Arbeit
sen unterscheiden sich in der Komplexität                                                                         3 Hitze, Lärm, Stäube
der Anforderungen und der Zyklusdauer,                                                                            3 Hoher Zeitdruck
was den Beschäftigten die Möglichkeit gibt,
ihr Leistungsvermögen mit der jeweiligen
Leistungsanforderung individuell zu               Handlungsfelder                                                 3 Ergonomische Gestaltung
synchronisieren. Wichtig ist dabei, dass die                                                                         von Arbeitsplätzen
Beschäftigten jederzeit die Möglichkeit                                                                           3 Förderung gesundheitsschonender
haben, ihre Wahl im Falle der Über- oder                                                                             Arbeitsausführung
Unterforderung zu korrigieren.                                                                                    3 Arbeitsanreicherung durch Verän-
                                                                                                                    derung des Zuschnitts von Arbeits-
Die Umsetzung dieses Prinzips bedeutet                                                                              tätigkeiten oder Mischarbeit
die Abkehr von der Suche nach dem ›einen                                                                          3 Verringerung von Zeitdruck
richtigen Weg‹ der Ausführung von                                                                                 3 Begrenzung der Verweildauer
Arbeitstätigkeiten und Arbeitsabläufen. Für
die Arbeitnehmer bringt sie einen erhebli-        Ziel:
chen Zuwachs an Autonomie und Kontrol-            Erhalt und Förderung von Gesundheit, Motivation und Qualifikation im Erwerbsverlauf
le über die eigenen Arbeitsbedingungen.           Quelle: Fraunhofer-Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation (IAO), nach Foliensatz von www.demotrans.de
Besonders deshalb ist dieser Ansatz ein
16

Mit Blick auf das schrumpfende Erwerbs-
personenpotenzial wird es zudem zuneh-           Arbeitszeitgestaltung
mend wichtiger, die Beschäftigtenquote           bei der tedrive Steering GmbH
bislang noch unzureichend berücksichtig-
ter Personengruppen zu erhöhen, wie z. B.        Gute Auftragslage, neue Aufträge,         Die Zwischenbilanz des neuen
die der Frauen. Erreicht werden kann             schwankendes Auftragsvolumen,             Arbeitszeitmodells fällt durchweg
dieses Ziel nur, wenn die Unternehmen            Kostendruck und eine Belegschaft,         positiv aus. Die Akzeptanz bei allen
flexible Arbeitszeitmodelle anbieten,            deren Durchschnittsalter demographie-     Beteiligten ist gut, eine flexible
welche die Bedürfnisse und Lebenslagen           bedingt weiter ansteigt: Das war die      Anpassung an Produktionsschwankun-
der Beschäftigten ausreichend berücksich-        Ausgangssituation für den Automobil-      gen ist möglich, die Zeit für Qualifizie-
tigen. Einige Unternehmen haben bereits          zulieferer tedrive Steering, als man      rung wird intensiv genutzt. Darüber
gezeigt, dass es möglich ist, Arbeitszeitrege-   2005 daran ging, die Zukunft des          hinaus haben sich die Produktivität
lungen im Sinne der Beschäftigten zu             Unternehmens aktiv zu planen. Ziel        und damit auch die Kostenstruktur des
flexibilisieren, um eine bessere Vereinbar-      war es, die Arbeitszeiten nach neuesten   Werks verbessert. Auf der anderen Seite
keit von Familie und Beruf zu ermöglichen.       arbeitswissenschaftlichen Erkenntnis-     konnte das Verhältnis ›Beschäftigte
                                                 sen so zu gestalten, dass die Wettbe-     – Familie‹ positiv beeinflusst wie auch
Grundsätzlich gilt für alle Maßnahmen im         werbsfähigkeit des Unternehmens           die gesundheitlichen Belastungen
Bereich Arbeitsgestaltung: Da jeder Betrieb      auch unter den Vorzeichen des             reduziert werden, die mit Schichtarbeit
seine eigenen Ausgangsbedingungen hat,           demographischen Wandels erhalten          verbunden sind.
müssen Gestaltungsmaßnahmen den                  bleibt. Gleichzeitig sollte die neue
praktischen Erfordernissen der Betriebe          Schichtplangestaltung bei Bedarf
und der Beschäftigten standhalten.               längere Maschinenlaufzeiten ermögli-
Konkrete Umsetzungen sind eng mit                chen, Überstunden vermeiden helfen
Sensibilisierungs- und Beratungsaktivitä-        und insgesamt die gesundheitlichen
ten verbunden. Voraussetzung für den             und sozialen Belange der Beschäftigten
Erfolg von Gestaltungsmaßnahmen ist die          stärker berücksichtigen.
sorgfältige Analyse der Situation mittels
einer ganzheitlichen und demographiesen-         Gemeinsam mit den Mitarbeitern
siblen Gefährdungsbeurteilung, die               haben die Geschäftsführung, der
arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse auch       Betriebsrat und ein beratendes Institut
bei geplanten Arbeitsplätzen und Produkti-       das Modell für einen neuen ergonomi-
onsanlagen frühzeitig berücksichtigt. Sie        schen Schichtplan entwickelt, mit dem
verhindert vorzeitigen Verschleiß bei            diese Ziele erreicht werden konnten.
Beschäftigten jeden Alters und leistet so        Kurze Schichten von maximal drei
einen wichtigen Beitrag zum Erhalt und           Tagen, Freizeitblöcke auch während der
zur Förderung der Arbeitsfähigkeit. Um           Woche und möglichst viele freie
zusätzlich gleiche Chancen auf Beschäfti-        Sonntage kommen den Beschäftigten
gungsfähigkeit für Frauen wie Männer zu          entgegen, während z. B. mittels
ermöglichen, ist es auch erforderlich, die       sogenannter Einbringschichten und
jeweils spezifischen Lebenslagen und             aktiver Schichtübergabe die Interessen
Arbeitssituationen zu erkennen, um sie in        des Unternehmens an Produktivitäts-
der Arbeitsgestaltung adäquat, d. h.             verbesserungen gewahrt bleiben.
lebensphasenbezogen (z. B. hinsichtlich
Zeitbedarfe) berücksichtigen zu können.
17

Qualifikation

Eine Gesellschaft mit abnehmender und                         tems müssen Bedingungen geschaffen
älter werdender Erwerbsbevölkerung steht                      werden, um die vorhandenen Talente der
vor der dringlichen Aufgabe, die vorhande-                    Menschen unabhängig von sozialer
nen Humanressourcen auf allen Ebenen                          Herkunft, Einkommen, Alter, ethnischer
des Bildungs- und Beschäftigungssystems                       Zugehörigkeit und Geschlecht so optimal
so nachhaltig wie möglich zu entwickeln.                      wie möglich zu entwickeln. Das ist
Bildung und insbesondere lebenslanges                         angesichts schrumpfender Jahrgänge von
Lernen spielen in diesem Kontext die                          Schulabgängern und wachsenden Verren-
zentrale Rolle. Diese Aufgabe stellt sich für                 tungszahlen sowohl eine soziale als auch
alle Alters- und Qualifikationsgruppen.                       eine wirtschaftspolitische Notwendigkeit.
                                                              ///
Dabei umfasst die Verwirklichung des
›Lernens im Lebenslauf‹ alle Bildungsbe-
reiche. Auf allen Stufen des Bildungssys-

   Sinkende Absolventenzahlen

                                                       2009                 Übergangsquote                2020      Veränderung in %

   Absolventen                                         902.560                                            780.750   -13,50 %
   allgemein bildender Schulen

       Darunter:                                       199.200                                            160.600   -19,40 %
       mit Hauptschulabschluss

       mit Hochschulreife                              267.500                                            251.980   -5,80 %

   Absolventen                                         1.140.350                                          948.570   -16,80 %
   beruflicher Schulen

   Hochschulabsolventen                                306.131              bei 75 % igem Übergang        277.300   -9,40 %
   (inklusive Fachhochschulen und
   Berufsakademien)                                                         bei 85 % igem Übergang        307.500   0,40 %

   Quelle: Kultusministerkonferenz, Wissenschaftsrat
18

Die Voraussetzungen für die Bewältigung       Die Verwirklichung des Lernens im                profitieren. Außerdem nimmt die Weiter-
der Anforderungen im Arbeitsleben             Lebenslauf ist entscheidend für die              bildungsbeteiligung in vielen Berufsfeldern
werden ab der frühkindlichen Bildung und      Perspektive des Einzelnen, den Erfolg der        mit dem Alter ab. Das ist unter den
mit den Bildungs- und Ausbildungsinhal-       Wirtschaft und die Zukunft der Gesell-           Bedingungen des demographischen
ten in der Schule, in der Berufsausbildung    schaft. Dieser Herausforderung erfolgreich       Wandels ebenso problematisch wie das
und an der Hochschule geschaffen. Hier        zu begegnen, gehört zu den vorrangigen           Verlassen der Schule ohne Abschluss. Es
entsteht das Fundament an Wissen,             bildungspolitischen Aufgaben.                    gilt daher die Weiterbildungsbeteiligung
Können und Verhaltensnormen. Vor allem                                                         aller Berufs- und Altersgruppen schrittwei-
wachsen in dieser Zeit auch die Motivation    Aus dem Berufsbildungsbericht 2009 geht          se zu erhöhen, um auf diese Weise zu
und die Befähigung zum selbständigen          hervor, dass im Jahr 2007 gut 22 Prozent         erreichen, dass der demographiebedingt
Lernen, welche Motor und Treibstoff für       der Beschäftigten in Weiterbildungsmaß-          zurückgehende Zustrom junger gut
das Weiterlernen in späteren Lebenspha-       nahmen einbezogen waren. Die Unter-              ausgebildeter Menschen auf den Arbeits-
sen sind. Daher ist und bleibt der Schulab-   scheidung zwischen qualifizierten                markt durch die vorhandenen Erwerbsper-
schluss die Grundlage für jede Bildungs-      Beschäftigten und Beschäftigten in               sonen ausgeglichen und möglichst
biographie. Er muss für jeden Menschen in     einfachen Tätigkeiten bestätigt ein auch in      überkompensiert wird. ///
möglichst hoher Qualität erreichbar sein.     anderen Zusammenhängen immer
Die Schulbildung und die fundierte            wiederkehrendes Muster, wonach bereits
Erstausbildung sind die beste Grundlage       Begünstigte weiter begünstigt werden. So
für das Weiterlernen. Die Bedeutung des       verdeutlichen die Daten des IAB-Be-
frühkindlichen und schulischen Lernens        triebspanels, dass es vor allem die qualifi-
ist kaum zu überschätzen und erfordert        zierten Beschäftigten sind, die von den
einen kontinuierliche Verbesserung der        betrieblichen Bildungsbemühungen
Rahmenbedingungen. Das gilt für alle
Kinder und Jugendlichen, wobei die
Förderung von besonders Begabten wie die
Unterstützung benachteiligter Gruppen            Weiterbildungsquoten in Ost- und Westdeutschland
wie Kinder mit Migrationshintergrund             nach Tätigkeitsgruppen (1. Halbjahr 2009)
oder solche aus sozial schwachen Familien
ausdrücklich eingeschlossen ist. Auch hier                                                                            46 %
gilt es den sozialpolitischen mit dem                     West
                                                                                                               39 %
arbeitsmarktpolitischen Aspekt zu
                                                          Ost
verknüpfen. Wer heute keine ausreichende                                                32 %
                                                                                 31 %
Qualifikation erreicht, verliert nicht nur
dramatisch an Zukunftschancen. Er wird
                                                                                                                                      Quelle: IAB-Betriebspanel

auch übermorgen am Arbeitsmarkt fehlen.
In der Wissensgesellschaft endet das                        14 %
Lernen aber nicht mit dem Abschluss von            11 %
Schule, Berufsausbildung oder Studium.
Kontinuierliches Weiterlernen ist Grund-
voraussetzung, um den sich schnell
wandelnden Anforderungen des Arbeitsle-
bens gerecht werden zu können. Das               Beschäftigte mit              Angestellte / Beamte          Angestellte / Beamte
Lernen im gesamten Lebenslauf gehört zu          einfachen Tätigkeiten         mit Berufsausbildung          mit Hochschulabschluss
den großen politischen und gesellschaftli-
chen Herausforderungen in Deutschland.
19

Um die Weiterbildungsbeteiligung zu             3 In dem Maße, wie erwachsenengerechte
erhöhen, müssen die Möglichkeiten für das         Formen des selbstgesteuerten Lernens       Lebenslanges Lernen bei der SMA
Lernen im gesamten Lebenslauf verbessert          Anwendung finden, muss auch die            Solar Technology AG
und attraktiver gestaltet werden, indem           Anerkennung, Zertifizierung und
neue Anreize geschaffen und bestehende            Qualitätssicherung der Lernprozesse ein    Das im Bereich regenerativer Energie-
Hindernisse beseitigt werden:                     neues Niveau erreichen. Das ist nicht      techniken tätige Unternehmen wurde
                                                  nur eine Aufgabe für Bildungseinrich-      bereits mehrfach für sein bundesweit
3 Jede Person muss ermutigt werden, das           tungen und Unternehmen, sondern für        einzigartiges Fortbildungsprogramm
    Lernen als bleibende Herausforderung          alle (staatlichen) Stellen, die an der     ausgezeichnet. Ein umfassendes
    und als Chance für die persönliche            Planung und Finanzierung der Weiter-       Angebot aus Seminaren und Weiterbil-
    Lebensgestaltung anzunehmen.                  bildung beteiligt sind.                    dungsmöglichkeiten, Erhebungen zum
3   Kein Abschluss soll ohne die Möglich-       3 Das ›Lernen im Lebenslauf‹ für und         Qualifizierungsbedarf sowie einer
    keit eines Anschlusses zu einer weiteren      mit Unternehmen muss ausgebaut             Kultur des konstruktiven Umgangs mit
    Qualifizierung bleiben.                       werden. Ein besonderes Augenmerk gilt      Fehlern sorgen für ein hohes Innovati-
3   Unternehmen und Verwaltungen                  dabei den kleinen und mittleren            onspotenzial und kreative Beschäftigte.
    müssen ihre Personalentwicklung noch          Unternehmen.                               Dabei gehört es zur gelebten Unterneh-
    stärker als bisher am ›Lernen im            3 Neben betriebsspezifischen Ansätzen        mensphilosophie, das Wissen der
    Lebenslauf‹ und damit auf die bedarfs-        zur Förderung der Weiterbildung            Mitarbeiter als wichtiges Betriebskapi-
    orientierte, fortlaufende Qualifizierung      gewinnen regionale Ansätze wie sie in      tal zu sehen. Für Fortbildungen können
    während der gesamten Lebensarbeitszeit        den ›Lernenden Regionen‹ (Programm         die Beschäftigten an fünf bezahlten
    ausrichten.                                   des BMBF) verwirklicht wurden,             Arbeitstagen aus über 60 internen
3   Dies bedeutet ebenso, dass neben einer        zunehmende Priorität. Im weltweiten        Schulungen und mehr als 40 externen
    Angebots- auch eine verstärkte Nachfra-       Wettbewerb der Regionen entwickelt         Veranstaltungen auswählen. Darüber
    georientierung erforderlich ist.              sich die Verfügbarkeit von Humanres-       hinaus werden individuelle Maßnah-
3   Dabei sind – insbesondere im Rahmen           sourcen immer mehr zum entscheiden-        men für alle Mitarbeiter und finanzielle
    der öffentlich verantworteten Weiterbil-      den Standortfaktor. Auch deshalb sind      Förderung für Weiterbildungsmaßnah-
    dung – bezahlbare und zielgruppenspe-         die regionalen Akteure zunehmend           men bis hin zum Studium angeboten.
    zifische Angebote zu schaffen, die auch       aufgefordert, ihre Aktivitäten miteinan-   Die Basis dafür bildet die Qualifikati-
    bildungsferneren Schichten einen              der zu vernetzen und zielgerichtet         onsbedarfsanalyse, die zwei Mal
    einfachen Zugang zu Weiterbildung             weiterzuentwickeln.                        jährlich durchgeführt wird.
    bieten.
3   Wichtig sind vor allem eine an der          Die Förderung von Lernen und Qualifizie-     Im Bereich Mitarbeiterentwicklung gibt
    Berufs- und Arbeitsbiographie und der       rungsprozessen nimmt im erweiterten          es drei Schwerpunkte: Für ungelernte
    Lebens- und Lernsituation der Menschen      Präventionsverständnis für Betrieb und       Kräfte werden zusätzliche Qualifizie-
    orientierte Bildungsberatung und            Beschäftigte eine Schlüsselrolle ein.        rungsmaßnahmen angeboten, für
    entsprechende Lernangebote. Das                                                          Auszubildende gibt es einen systemati-
    schließt eine konsequente Einbeziehung                                                   schen Einarbeitungsplan. Und
    der vielfältigen informellen Lernprozesse                                                Ingenieure können nach einem
    außerhalb von Bildungsinstitutionen ein.                                                 Orientierungsseminar ihre persönliche
    Arbeitsprozesse müssen lernintensiver                                                    Entwicklungsrichtung bestimmen:
    gestaltet werden, um die Chancen des                                                     Personalverantwortung, Projektleitung
    Lernens am Arbeitsplatz besser zu                                                        oder Fachexperte. Eine weitere
    nutzen.                                                                                  Besonderheit der SMA Solar Technolo-
                                                                                             gy AG ist der offene Umgang mit
20

                                                                                    Gesundheit
Fehlern: Fehler dürfen gemacht werden     Im Rahmen der IT-Qualifizierung
– sie werden analysiert, aber nicht       standen praxisnahe PC-Anwendungen         Der Paradigmenwechsel von der Politik der
bestraft, sondern als Notwendigkeit im    auf der Agenda. Die Beschäftigten im      Frühverrentung zur Politik der Erhöhung
Lernprozess betrachtet. Außerdem gilt     Personalwesen sollten in das Schreiben    des Renteneintrittalters erfordert komple-
der Leitsatz ›Vernunft statt Macht‹.      von Serienbriefen, das Erstellen von      mentär einen Paradigmenwechsel von
Durchsetzen soll sich das bessere         Formularen sowie einige grundlegende      einer nach- zu einer vorsorgenden
Argument, nicht das des ›Mächtigsten‹.    Funktionen einer Tabellenkalkulation      Gesundheitskultur. Damit Beschäftigte in
Dafür wurde eine konstruktive und         eingewiesen werden. Andere Mitarbei-      Erwerbstätigkeit gesund altern können, ist
offene Diskussionshaltung über alle       ter erhielten PC-Basiseinführungen.       eine systematische und qualitätsgesicherte
Hierarchieebenen hinweg geschaffen.       Für die Auszubildenden lag die            Prävention auf betrieblicher Ebene
Die Ergebnisse motivieren zum             Herausforderung in der systematischen     notwendig. Auch im eigenen Interesse
Nachmachen: Die Mitarbeiter sind          Vorbereitung des Stoffes und in der       sind Unternehmen deshalb gefordert, ein
hoch motiviert, über 90 % aller           didaktisch sinnvollen Aufbereitung. In    effizientes betriebliches Gesundheitsma-
Führungspositionen können intern          der Durchführung galt es, die Rolle des   nagement (BGM) aufzubauen und
besetzt werden. Zudem hat das             Lernenden gegen die des Lehrenden zu      nachhaltig zu etablieren. Diese Aufgabe
Unternehmen eine hohe Wachstums-          tauschen.                                 müssen die Unternehmen nicht alleine
dynamik bei einer extrem niedrigen                                                  lösen – Unterstützung finden sie sowohl
Fluktuationsrate (unter 0,5 %).           Am Ende stand die Erkenntnis, dass        bei den Trägern der Sozialversicherung als
                                          beide Seiten enorm profitiert haben.      auch auf einem zunehmend größer
                                          Die älteren Teilnehmer haben u. a.        werdenden Markt privater Anbieter.
                                          erfahren, dass sie auch mit geringen
                                          Voraussetzungen und trotz ihres Alters    Maßnahmen müssen frühzeitig ansetzen,
Wissenstransfer bei der Entertain-        positive Lernerfahrungen machen           um nachhaltig erfolgreich zu sein. Ein
ment Distribution Company GmbH            können, dass Wissensvermittlung           präventives Gesundheitsmanagement
                                          durch Jüngere motivieren kann, dass       konzentriert sich deshalb nicht allein auf
Im Umgang mit Computern ist die jun-      sie sich durch handlungsorientierte       die älteren Beschäftigten und deren
ge Generation meist bestens informiert.   Aufgaben die Lösungen selbst erarbei-     Arbeitsbedingungen, sondern hat die
Diese Tatsache hat die Entertainment      ten konnten. Die Jüngeren haben durch     gesamte Belegschaft im Blick. Betriebliche
Distributions Company GmbH (EDC),         den Rollenwechsel eine neue Perspekti-    Gesundheitsförderung im Zeitalter des
ein Unternehmen mit 950 Mitarbei-         ve auf das Lernen gewonnen, Metho-        demographischen Wandels ist eine
tern, zum Anlass genommen, um die         den kennengelernt, die den Teilneh-       Gesundheitsförderung für alle. Zumal in
Möglichkeiten der Wissensvermittlung      mern das eigenständige Lernen             vielen Fällen erst durch die Neugestaltung
von ›Jung‹ zu ›Alt‹ im Rahmen eines       ermöglichen, und festgestellt, dass       von Arbeitsplätzen solche Arbeitsbedin-
Projekts zu untersuchen. Dabei ging es    dann gut gelernt wird, wenn die           gungen geschaffen werden, die das
um die Zusammenarbeit und Wissens-        Vermittlung von Inhalten mit (positi-     gesunde Erreichen des angehobenen
vermittlung im Kontext des demogra-       ven) Empfindungen für die Lernenden       Renteneintrittsalters für viele Beschäftigte
phischen Wandels. Ausgangsfrage war:      verbunden ist.                            – vor allem für solche auf hoch exponierten
Wie kann ein Betrieb eine gute                                                      Arbeitsplätzen – realistisch machen.
Kommunikation zwischen Älteren und
Jüngeren gezielt fördern, um das                                                    Das betriebliche Gesundheitsmanagement
Unternehmen in Sachen Wissenstrans-                                                 integriert den Arbeits- und Gesundheits-
fer demographiefest zu machen?                                                      schutz, die betriebliche Gesundheitsförde-
                                                                                    rung sowie das Altersmanagement.
                                                                                    Darüber hinaus zielt es auf die Führung,
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die Unternehmenskultur und das Betriebs-                                                Arbeitsgestaltung, Qualifikation
klima. Es gilt als ein sehr gut geeignetes   Betriebliche Gesundheitsförderung          und Gesundheit: Bausteine einer
Instrument, um Arbeits- und Beschäfti-       bei der InfraLeuna GmbH                    gelingenden Erwerbsbiographie
gungsfähigkeit ein Erwerbsleben lang zu
erhalten und zu fördern. Im betrieblichen    Der Wunsch nach Senkung des                Trotz der zahlreichen bestehenden Ansätze
Gesundheitsmanagement wird die Gesund-       Krankenstandes war bei der InfraLeuna      und Möglichkeiten werden sich auch in
heit der Beschäftigten als strategischer     GmbH nur einer von mehreren                Zukunft nicht alle Arbeitsplätze alter(n)s-
Faktor in das Leitbild und in die Kultur     Gründen, sich intensiver mit dem           gerecht und gesundheitsförderlich
sowie in die Strukturen und Prozesse der     Thema Gesundheit auseinanderzuset-         umgestalten lassen. Insofern wird es auch
Organisation integriert. BGM ist folglich    zen. Für Unternehmensleitung und           morgen Arbeitsplätze geben, die aufgrund
eine Managementaufgabe.                      Betriebsrat ging es auch darum, die        ihrer Belastungsstruktur – wenn überhaupt
                                             Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit     – nur für eine begrenzte Tätigkeitsdauer
Ein weiteres Feld des betrieblichen          des Unternehmens insgesamt zu              geeignet sind. Gesund alt werden kann
Gesundheitsmanagements ist neben der         steigern. In Leuna ist man überzeugt,      man auf ihnen nicht.
Gesundheitsförderung und Prävention das      dass sich Mitarbeiterinnen und
betriebliche Eingliederungsmanagement        Mitarbeiter stärker für ihr Unterneh-      Insbesondere für diese Berufsgruppen und
(BEM). Basierend auf § 84 Abs. 2 SGB IX      men engagieren, wenn sie spüren, dass      Tätigkeiten muss die Laufbahn- oder
sind alle Arbeitgeber zum Eingliederungs-    sich das Unternehmen auch für ihre         Karriereplanung und -gestaltung stärker als
management verpflichtet, sobald ein          ganz persönlichen Belange einsetzt.        bisher in den Fokus rücken. Dafür bedarf
Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres                                                     es allerdings zunächst eines Einstellungs-
länger als sechs Wochen ununterbrochen       Deshalb haben Unternehmensleitung          wandels aller Beteiligten. Derzeit erschwert
oder wiederholt arbeitsunfähig ist. Ziele    und Betriebsrat in einer Betriebsverein-   die ausgeprägte Beruflichkeit in Deutsch-
dieser Regelung sind, die krankheitsbe-      barung den Rahmen für das Gesund-          land den Wechsel in der Laufbahn. Mitten
dingte Gefährdung des Arbeits- und           heitsvorsorgeprogramm abgesteckt,          im Erwerbsleben eine neue Ausbildung zu
Beschäftigungsverhältnisses zu beseitigen    wobei der Begriff ›Vorsorge‹ in Leuna      beginnen, ist finanziell oft problematisch
oder zu mindern, die Arbeitsunfähigkeit      sehr weit gefasst wurde. Er steht          und bisher eher ungewöhnlich. Ebenso
möglichst zu überwinden und ihrem            sowohl für eine bessere ergonomische       wird der Wechsel aus einer Tätigkeit in
erneuten Auftreten vorzubeugen. Mit          Arbeitsplatzgestaltung als auch für        einen gänzlich anderen Bereich heute noch
einem erfolgreichen betrieblichen Einglie-   betriebliche Gesundheitsförderung,         eher als Bruch in der Erwerbsbiographie
derungsmanagement kann sich nach             medizinische Vorsorgeuntersuchungen        angesehen denn als Weiterentwicklung
Überzeugung des DGB die geschätzte Zahl      und Prävention wie z. B. Wirbelsäulen-     gewertet. Hier ist ein neues Verständnis
von 500 000 krankheitsbedingten              gymnastik sowie Betriebssport wie          von Laufbahngestaltung gefordert, womit
Kündigungen pro Jahr deutlich reduzieren.    Fußball, Volleyball und Schwimmen.         eine umfassende, auf die gesamte Erwerbs-
                                             Die Ergebnisse des Programms               biographie bezogene Organisation von
                                             sprechen für sich. So konnte der           Erwerbsarbeit gemeint ist. Solche Laufbah-
                                             Krankenstand von 5,7 % im Jahre 2002       nen ›ordnen‹ Anforderungen, Anreize und
                                             auf 3,5 % im Jahre 2007 gesenkt            Belastungen im Berufsverlauf so, dass die
                                             werden. Es besteht eine hohe Identifi-     Arbeit bis ins gesetzliche Rentenalter
                                             kation der Beschäftigten mit dem           hinein möglich ist – und zwar auch dann,
                                             Programm, bereits 10 % der Mitarbei-       wenn die einzelne Tätigkeit nur befristet
                                             ter treiben Betriebssport, die Teilneh-    ausgeübt werden kann. Ziel ist die
                                             merzahlen an sportlichen Aktivitäten       möglichst lange ›produktive Beschäfti-
                                             und gesundheitsprophylaktischen            gung‹, was im Idealfall über die gleichzeiti-
                                             Maßnahmen steigen stetig.                  ge Verknüpfung von Belastungsabbau,
                                                                                        Weiterqualifizierung, Neuerwerb von
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  Typischer Verlauf einer Lauf bahn
  ... nach einem Berufswechsel aus gesundheitlichen Gründen

  Berufsberatung       Berufseinstieg     gesundheitliche             Berufsaufgabe      Berufswechsel
                                          Beeinträchtigungen

                                                                                                                                       Quelle: IGA-Report 17
          Berufsausbildung                                                      Umschulung        zweiter Beruf,
          im ersten Beruf                                                                         neue Kompetenzanforderungen

  ... bei einem Wechsel aus Eigeninitiative

                                                   Studium                                                             Weiterbildung

                                                                                                             Berufs-
  Berufsberatung      Berufseinstieg     Tätigkeits-         Tätigkeits-   Tätigkeits-                       wechsel
                                         wechsel             wechsel       wechsel
                                                                                                                                       Quelle: IGA-Report 17

       Berufsausbildung                                                         Berufsausbildung                zweiter Beruf,
       im ersten Beruf                    Unternehmens-                         im zweiten Beruf                Nutzung bereits
                                          wechsel                               Studium oder Weiterbildung      vorhandener
                                                                                bzw. Zusatzqualifizierung       Kompetenzen

Qualifikationen und Kompetenzen sowie          Leistungswandels organisiert werden. Im
dem Erleben einer positiven beruflichen        letzten Abschnitt des Erwerbslebens sollten
Veränderung erreicht werden könnte.            dann solche Tätigkeiten stehen, die von
Betriebliche Laufbahngestaltung ist somit      älteren Beschäftigten besonders qualifiziert
eine Personalentwicklungsaufgabe, bei der      ausgefüllt werden können bzw. die mit
es im Kern um einen die gesamte berufli-       dem spezifischen Erfahrungspotenzial
che Karriere umfassenden, ›passgenauen‹        Älterer besonders gut harmonieren. /// ///
Abgleich alterstypischer Veränderungen im
Leistungsvermögen mit spezifischen
Arbeitsanforderungsprofilen geht. Anders
ausgedrückt: In Zukunft müssen sowohl
innerbetriebliche als auch berufliche
Karrieren entlang des altersspezifischen
23

Die Verwirklichung dieser erwerbsbiogra-
phischen Verlaufgestaltung setzt freilich       eingesetzt, welche relativ wenig          Betriebliches Gesundheits-
die Existenz einer betrieblichen Personal-      Berufserfahrung erfordert. Die nächste    management bei der A. Frauenrath
planung in längerfristiger Perspektive          Stufe bildet dann die Montage im          Bauunternehmen GmbH
voraus, was für die Bundesrepublik eher         Gebäudebestand (z. B. Umbau oder
untypisch ist. Insofern gilt es, die Betriebe   Neuinstallation von Anlagen). Hier        Die höheren Anforderungen und die
dafür wieder mehr zu sensibilisieren und        werden Gesellen mit Berufserfahrung       Wettbewerbssituation in der Bauwirt-
zu motivieren. Angesprochen und                 eingesetzt, da die Vorgaben für die       schaft führten auch beim mittelständi-
gefordert sind hierbei neben den Personal-      Montage weit weniger eindeutig sind       schen Bauunternehmen Frauenrath am
verantwortlichen auch die Betriebs- und         als bei Neubauten – und damit             Niederrhein zu einer hohen Belastung
Personalräte. Bisher gibt es wenige entspre-    komplizierter. Die dritte Stufe des       und verstärkter Fluktuation der
chende Modellvorhaben, welche die               Laufbahnmodells bildet schließlich der    Mitarbeiter. Vor dem Hintergrund des
Gestaltung von Berufsverläufen einbe-           Kundendienst. Hier arbeiten nur ältere    drohendem Polier- und Facharbeiter-
ziehen.                                         Mitarbeiter mit viel Berufserfahrung,     mangel wurde deshalb der Plan gefasst,
                                                da die Anforderungen an die Kompe-        den wichtigsten Erfolgsfaktor des
Über die Gestaltung von Laufbahnen in           tenzen hoch, die körperlichen Belastun-   Unternehmens – den Mitarbeiter –
Unternehmen hinaus müssen zudem                 gen jedoch vergleichsweise gering sind.   durch Qualifikation, Leistungsfähigkeit
Strukturen geschaffen werden, die einen         Darüber hinaus benötigt ein Service-      und Motivation langfristig zu sichern.
Wechsel auch branchen- und berufsüber-          mitarbeiter aufgrund des intensiven       Frauenrath macht seinen Mitarbeitern
greifend erleichtern. Möglich würde das         Kundenkontakts ein hohes Maß an           verschiedene professionelle Hilfsange-
z. B. durch entsprechende Weiterbildungs-       sozialer Kompetenz. Anders als ältere     bote unter Einbeziehung von Externen
und Finanzierungsangebote.                      Beschäftigte sind jüngere mit diesen      im Rahmen des betrieblichen Gesund-
                                                hohen Anforderungen oftmals               heits- und Arbeitsschutzes.
                                                überfordert. Insofern findet sich hier
                                                eine für den Unternehmenserfolg           Der Auswahl der Maßnahmenmodule
 Lauf bahngestaltung bei der                    unverzichtbare Tätigkeit für ältere       ging eine Analyse der Arbeitsorganisa-
 Karl-Heinz Ef kemann Sanitär-                  Beschäftigte mit Erfahrung, was den       tion und -bedingungen voraus. Dafür
 und Heizungsbau GmbH                           Verbleib im Unternehmen bis zum           fanden systematisch aufeinander
                                                Rentenalter möglich macht. Damit sich     aufbauende Methoden und Verfahren
 Seit 1926 besteht die Firma Karl-Heinz         die Außendienstler aber nicht nur auf     Anwendung. Unter anderem wurden
 Efkemann Sanitär- und Heizungsbau              ihre Erfahrung stützen müssen,            Mitarbeiterbefragungen und Gefähr-
 GmbH, die ihren Sitz in Duisburg hat           werden sie bedarfsbezogen durch           dungsbeurteilungen durchgeführt,
 und etwa 30 Mitarbeiter beschäftigt.           interne Workshops und Schulungen          Ergonomiegutachten erstellt, Sicher-
 Aber so alteingesessen das Unterneh-           auf den Stand der Technik gebracht.       heitskurzgespräche und Wochenge-
 men auch ist, altmodisch ist es deshalb        Die Schulungen erhöhen insgesamt die      spräche auf der Baustelle zum Thema
 nicht. Vielmehr hat sich hier ein              Handlungsflexibilität und -sicherheit     Sicherheit eingeführt. Es gab sowohl
 modernes Laufbahnmodell herausge-              der Mitarbeiter bei den Kunden vor Ort.   Analyse-Workshops als auch Angebote
 bildet, das die jeweiligen Kompetenzen                                                   zur Moderatorenausbildung oder
 und Erfahrungen der Mitarbeiter                                                          Hilfsangebote bei Nervosität, Schlafstö-
 berücksichtigt – und damit wegweisend                                                    rungen, Stress, depressiven Verstim-
 auch für andere Handwerksbetriebe                                                        mungen, psychosomatischen Be-
 sein kann. So werden jüngere Mitarbei-                                                   schwerden, Partner- und Familienprob-
 ter (Auszubildende und Junggesellen)                                                     lemen, Alkohol-, Medikamenten- und
 vor allem bei der Montage im Neubau                                                      Essproblemen. Alles zusammen – so
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