Mit Prävention die Zukunft gewinnen - Strategien für eine demographiefeste Arbeitswelt - Zweites Memorandum
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Mit Prävention die Zukunft gewinnen Strategien für eine demographiefeste Arbeitswelt Zweites Memorandum
Mit Prävention die Zukunft gewinnen Strategien für eine demographiefeste Arbeitswelt Zweites Memorandum
3 Inhalt 5 Standortbestimmung 7 Perspektive Arbeit 2020 13 Prävention als Schlüssel für die Zukunft 25 Agenda 2020 29 Handlungsempfehlungen 30 Ausblick 31 Literatur & Links
5 Standortbestimmung Der demographische Wandel ist nicht schnitt. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 ten, Wissenschaftler und Akteure der länger fernes Zukunftsszenario, er waren gerade 37,6 % der Älteren in Kranken- und Unfallversicherungsträger bestimmt bereits die Gegenwart. Wirt- Deutschland erwerbstätig. Lösungen für eine sichere, gesunde und schaft, Staat und Gesellschaft beginnen, wettbewerbsfähige Arbeitswelt. INQA ist sich den Herausforderungen der alternden INQA, die Initiative Neue Qualität der dabei Plattform für Entwicklung, Aus- Gesellschaft zu stellen. Dabei zeigt sich, Arbeit, hat zu dieser ebenso erfreulichen tausch und Transfer von Handlungswissen. dass viele dieser Aufgaben und Probleme wie notwendigen Entwicklung beigetragen. Die Initiative zeigt Wege zu einer Arbeits- zu bewältigen sind, wenn alle Beteiligten Bereits 2004 hat INQA im Memorandum gestaltung, die ökonomisch nachhaltig ist das wirklich wollen. Vor allem die noch zu ›Demographischer Wandel und Beschäfti- und von Beschäftigten aller Altersgruppen Beginn des Jahrtausends besorgt gestellte gung‹ betont, dass am Beginn der Ausein- positiv erlebt wird. INQA fördert dazu auf Frage, ob mit älteren Beschäftigten die andersetzung mit dem demographischen unterschiedlichen Handlungsfeldern unter- Konkurrenzfähigkeit deutscher Unterneh- Wandel ein Umdenken stattfinden muss nehmensbezogene Projekte, transferiert men im globalen Wettbewerb zu gewähr- – weg vom Defizitmodell hin zum Kompe- das Wissen in die Betriebe und unterstützt leisten ist, kann positiv beantwortet tenzmodell. Letzteres besagt, dass Altern die Umsetzung in die Praxis. So bietet werden. Die deutsche Wirtschaft hat die eben keineswegs nur mit dem Verlust von INQA ein solides Wissensreservoir und ist Finanz- und Wirtschaftskrise gut überstan- Fähigkeiten einhergeht, sondern auch mit gleichzeitig Multiplikator für das Know- den, steht im Hinblick auf Wachstum und einem Zuwachs an solchen Kompetenzen how, das Unternehmen und Organisatio- Beschäftigung besser da als viele Mitglied- verbunden sein kann, die gerade in der mo- nen für aktuelle und künftige Verände- staaten der EU und exportiert ihre dernen Arbeitswelt stark nachgefragt sind: rungsprozesse brauchen. Produkte weltweit – und das auch durch Problemlösungskompetenzen aufgrund die engagierte Beteiligung durchschnittlich von Erfahrungswissen, Kommunikationsfä- In diesem Kontext bildet das Thema älterer Belegschaften. higkeit, soziale Kompetenz, Qualitätsbe- Demographie bei INQA einen inhaltlichen wusstsein und Loyalität. Das Kompetenz- Schwerpunkt, der von einem Thematischen Dass die Unternehmen nach der Krise die modell war damals keineswegs ein neuer Initiativkreis (TIK) bearbeitet und betreut Produktion so schnell und erfolgreich Ansatz, sondern in der Fachwelt bekannt wird. Der 2004 gegründete TIK ›30-40- wieder hochfahren konnten, ist auch einem und unstrittig – aber es war in vielen 50plus – Älterwerden in Beschäftigung‹ Paradigmenwechsel in Wirtschaft und Unternehmen und Personalabteilungen zeichnet sich heute als Expertennetzwerk Politik zu verdanken. Noch vor ein paar unbekannt. INQA hat sich seinerzeit die aus, das neben der Wissensgenerierung Jahren wäre es wahrscheinlich gewesen, Aufgabe gestellt, das zu ändern. Heute hat den institutionsübergreifenden Dialog im dass viele Unternehmen die Krise zur die Initiative schon viel erreicht, zahlreiche Bereich ›Demographischer Wandel‹ Freisetzung der älteren Beschäftigten Unternehmen sind engagiert und profitie- initiiert und organisiert. Dank dieses genutzt hätten – Stichwort Frühverrentung. ren von den vielfältigen INQA-Aktivitäten. frühen Engagements aller Initiatoren, Jetzt hingegen wurde versucht, die Dieser in Zukunft weiter auszubauende Partner und Akteure verfügt INQA aktuell Belegschaften mittels Kurzarbeit durch die Erfolg ist auch der besonderen Struktur über eine Vielzahl von Instrumenten, Krise zu bringen und so die Erfahrung in und der Arbeitsweise von INQA zu welche die Unternehmen bei ihrem den Unternehmen zu halten. Dahinter verdanken. betrieblichen Generationen-Management steht eine Anerkennung und Wertschät- unterstützen. So stehen Tools zum zung der Kompetenzen älterer Beschäftig- Gemeinsam von Bund, Ländern, Sozial- Wissenstransfer im Unternehmen ebenso ter, die neu ist, die weiter wachsen wird – partnern, Sozialversicherungen und zur Verfügung wie Trainingsprogramme und die sich auch statistisch niederschlägt. Stiftungen im Jahr 2002 gegründet, ist für die geistige Fitness älterer Mitarbeiter Noch nie zuvor waren in Deutschland so INQA heute ein aktivierendes und sehr oder flächendeckende Angebote zur viele Ältere in Beschäftigung wie aktuell: aktives Netzwerk, das alle gesellschaftli- Demographieberatung. Die Beschäftigtenquote der 55- bis 64-Jähri- chen Kräfte bündelt. Hier finden Unter- gen lag 2009 bei 56,2 % und damit mehr nehmer und Personalverantwortliche, Auch ›Das Demographie Netzwerk‹ (ddn) als 10 % über dem europäischen Durch- Arbeitnehmervertreter, Gesundheitsexper- gründete sich 2006 auf Initiative und mit
6 Unterstützung von INQA. Heute hat sich Den Auftakt für diese zweite Runde macht das Netzwerk von Unternehmen für das vorliegende Memorandum. Es nimmt Unternehmen erfolgreich platziert und die Fäden des ersten Memorandums auf viele Unternehmen, Institutionen und und spinnt sie ein Stück weiter. So werden Privatpersonen als Mitglieder und Multipli- die alter(n)sgerechte Arbeitsgestaltung, die katoren gewinnen können. INQA unter- betriebliche Gesundheitsförderung und das stützt ddn mit Experten-Input und lebenslange Lernen weiterhin Kernpunkte organisiert gemeinsam mit dem Netzwerk der INQA-Aktivitäten in Sachen Demogra- den seit 2006 jährlich stattfindenden phie bleiben. Aber sie sollen künftig noch Know-how-Kongress, der sich als bundes- stärker als bisher verzahnt werden im weites Demographieforum für Fachleute Sinne eines erweiterten Präventionsver- und Unternehmen etabliert hat. ständnisses. Dieses verfolgt eine langfristi- ge Perspektive und betrachtet die gesamte Der kurze und lückenhafte Überblick zeigt: Erwerbsbiographie eines Menschen unter Es ist in den vergangenen Jahren gelungen, dem Aspekt Gesundheit und Beschäfti- was im ersten INQA-Demographie-Memo- gungsfähigkeit. Als Ergebnis muss eine randum noch als Hoffung formuliert war individuelle Erwerbsbiographie verwirk- – verlorenen Boden gut zu machen. licht werden, die Anforderungen, Anreize Zahlreiche Unternehmen haben bereits und Belastungen so ›ordnet‹, dass die wichtige Fortschritte in Sachen Demogra- Beschäftigten das gesetzliche Rentenalter phiefestigkeit gemacht – wenngleich gesund erreichen. Damit wird auch eine immer noch zu viele zu wenig in ihre gesundes Leben im Alter möglich. Für Zukunftsfähigkeit investieren. Das zu dieses Modell zu werben, praxisgerechte ändern und noch mehr Unternehmen und Lösungen zu entwickeln und diese dann Organisationen für das Thema zu gewin- auf betrieblicher Ebene umzusetzen, ist nen und zum konkreten Handeln zu zweifellos ein ehrgeiziges Ziel. Aber mit motivieren, ist das Ziel von INQA für die Blick auf die erfolgreiche Arbeit der nächsten Jahre. vergangenen Jahre ein erreichbares.
7 1. Perspektive Arbeit 2020 Das von der Fachwelt prognostizierte Die mit Blick auf die künftige Finanzierbar- menskultur skizzieren. Unternehmensin- Ergebnis des demographischen Wandels keit der sozialen Sicherungssysteme haber, Vorgesetzte, Betriebs- und Marktlei- lässt sich kurz zusammenfassen: Die Zahl getroffene Entscheidung der Politik, das ter, Abteilungs- und Teamleiter, Personal- der jungen Menschen wird in Zukunft Renteneintrittsalter ab dem Jahr 2012 und Betriebsräte gewinnen damit die weiter abnehmen, während die Zahl der stufenweise bis 2029 auf 67 Jahre anzuhe- Orientierung, betriebsindividuell Maßnah- Älteren weiter zunehmen wird. Eine ben, hat eine neue Dynamik in die men zu entwickeln und zu einer passen- Konsequenz dieser Entwicklung ist, dass Diskussion um die Chancen und Risiken den Strategie auszubauen. die Bevölkerung im Durchschnitt älter als des demographischen Wandels gebracht. gegenwärtig sein wird. Verantwortlich für Politik und Wirtschaft stehen vor der Eckpunkte dieser Strategie sind: diese Entwicklung sind nach Expertenmei- Aufgabe, solche Strategien zu entwickeln 3 Die flächendeckende Umsetzung einer nung die folgenden Faktoren: und auf gesellschaftlicher sowie betrieb- gesundheitsgerechten und -förderlichen licher Ebene umzusetzen, die den Erhalt Gestaltung der Arbeit und der betriebli- 3 die u. a. durch den medizinischen und die Förderung der Arbeits- und chen Arbeitsorganisation Fortschritt steigende Lebenserwartung Beschäftigungsfähigkeit der Menschen bis 3 Der Erhalt und die Förderung der 3 die deutliche Zunahme der Altersgruppe zum Erreichen des gesetzlichen Rentenein- Gesundheit der Beschäftigten als der über 65-Jährigen bis zum Jahr 2030, trittsalters sicherstellen. Als solides wichtiges Unternehmensziel wenn die stark besetzten Jahrgänge der Fundament für die Weiterentwicklung der 3 Die positive Beeinflussung der Beschäf- ›Baby-Boom-Generation‹ das Rentenalter Arbeitswelt ist ein umfassender Präventi- tigungsfähigkeit durch einen gesund- erreichen onsbegriff unverzichtbar. heitsförderlichen Lebensstil 3 die seit Jahrzehnten auf niedrigem 3 Lebenslanges Lernen als notwendige Niveau stagnierende Geburtenrate Dieses umfassende Präventionsverständnis Voraussetzung für eine über das 3 die geringe Zuwanderung und die hohe integriert die fünf Handlungsfelder des gesamte Erwerbsleben andauernde Auswanderungsquote /// Memorandums ›Demographischer Wandel Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit als und Beschäftigung‹ aus dem Jahr 2004 Selbstverständlichkeit für Arbeitnehmer Diese Trends sind regional unterschiedlich und komprimiert sie auf die Kernfelder und Betriebe stark ausgeprägt. Sie werden in den neuen Gesundheit, Arbeitsgestaltung und 3 Die Förderung von Tätigkeits- und damit Bundesländern durch ein negatives Qualifizierung. Durch die Verdichtung soll Belastungswechseln in der Berufsbio- Binnenwanderungssaldo noch deutlich das Umsetzungsdefizit auf der betriebli- grafie zum Erhalt der Beschäftigungs- verstärkt. chen Ebene überwunden werden. Die fähigkeit. Konzentration auf die drei Kernfelder trägt der Beobachtung Rechnung, dass eine Mit der beschriebenen demographischen Sensibilität der Verantwortlichen für Situation sind große Herausforderungen Fragen des demographischen Wandels für die Sozialpolitik verbunden, wie z. B.: mittlerweile zwar in den Personalbereichen vieler (Groß)unternehmen vorhanden ist, 3 die wachsenden Ansprüche an die aber bei Personalverantwortlichen im Einrichtungen der gesetzlichen Alters- operativen Geschäft und in kleineren sicherung, Unternehmen noch weitgehend fehlt. 3 die verstärkte Nachfrage nach Gesund- Herausforderung und Ertrag erweiterter heitsdienstleistungen, Prävention werden deshalb mit Blick auf 3 die Verschiebung des Altersquotienten diese Zielgruppe nun deutlicher konturiert. und – damit eng verbunden – die Mit dem vorliegenden Memorandum materielle Sicherung der Sozialsysteme möchte der der TIK ›30, 40, 50plus – Älter- generell. werden in Beschäftigung‹ die Eckpunkte einer präventionsbezogenen Unterneh-
8 Altersauf bau der Bevölkerung in Deutschland am 31.12.1910 am 31.12.2008 Alter in Jahren Alter in Jahren 100 100 Männer Frauen Männer Frauen 90 90 80 80 70 70 60 60 50 50 Quelle: Statistisches Bundesamt 40 40 30 30 20 20 10 10 0 0 1000 800 600 400 200 0 0 200 400 600 800 1000 1000 800 600 400 200 0 0 200 400 600 800 1000 Tausend Personen Tausend Personen Tausend Personen Tausend Personen
9 Allerdings wird es auch in Zukunft Berufe und Tätigkeiten geben, bei denen selbst die altern(s)gerechte Gestaltung an Grenzen stoßen wird. In solchen Bereichen wird es am 31.12.2060 unwahrscheinlich bleiben, dass die Alter in Jahren Menschen bis zum Renteneintrittsalter 100 arbeiten. Auch vor diesem Hintergrund ist Männer Frauen die Gestaltung von Berufsverläufen nicht 90 nur in Unternehmen, sondern auch unternehmens- und branchenübergreifend 80 eine Aufgabe, der sich die Sozialpartner stellen müssen. Gesellschaft und Politik 70 sind dabei aufgefordert, die dafür notwen- digen Rahmenbedingungen – insbeson- 60 dere im Bildungswesen – zu schaffen. Die Europäische Kommission hat in ihrer 50 Mitteilung ›Europa 2020. Eine Strategie für Quelle: Statistisches Bundesamt intelligentes, nachhaltiges und integratives 40 Wachstum‹ eine Erwerbsbeteiligung der Untergrenze der 20- bis 64-Jährigen von 75 Prozent zum ›mittleren‹ Bevölkerung 30 Hauptziel erklärt. Voraussetzung für eine Obergrenze der derartig hohe Erwerbsbeteiligung aller ›mittleren‹ Bevölkerung 20 Altersgruppen ist die Etablierung einer Präventionskultur in Gesellschaft und 10 Unternehmen, die dazu beiträgt, dass Arbeit nicht nur vorrangig Einkommens- 0 quelle bleibt wie bisher, sondern künftig 1000 800 600 400 200 0 0 200 400 600 800 1000 zur Quelle von Gesundheit, Wohlbefinden Tausend Personen Tausend Personen und Zufriedenheit wird. Die Arbeitswelt steht mit Blick auf die demographische Entwicklung gleich in mehrfacher Hinsicht vor großen Heraus- forderungen. So stellen das steigende Durchschnittsalter der Belegschaften und der höhere Anteil von Beschäftigten der Altersgruppe 50plus höhere Anforderun- gen an Arbeitsgestaltung und -organisati- on, an betriebliche Gesundheitsförderung und Prävention. Von der Entwicklung ebenfalls berührt werden die Rekrutie- rungs- und Personalpolitik der Unterneh- men sowie die Strategien zur Weiterbil- dung ihrer Mitarbeiter.
10 körperlichen und psychischen Verfasstheit Arbeitsunfähigkeit nach Altersgruppen ein Mensch das fortgeschrittene Alter erreicht. Alter 150 Das erklärt, warum vor allem solche 15–19 5 Beschäftigtengruppen von hohen Kranken- 130 ständen betroffen sind, die Tätigkeiten von 20–24 6 geringer Qualifikation mit hohen Anteilen 98 an schwerer körperlicher Arbeit sowie 25–29 8 geringen individuellen Handlungsspielräu- men ausüben. Vielfach mündet das 97 30–34 arbeitsplatzbedingt höhere Krankheitsrisi- 9 ko dieser Beschäftigtengruppe sogar in die 101 vorzeitige Minderung oder den vollständi- 35–39 11 gen Verlust der Erwerbsfähigkeit./// 103 40–44 12 Im Unterschied dazu spielen in Branchen 106 und Berufen, die mit hoher Qualifikation 45–49 14 und großen Gestaltungsspielräumen verbunden sind, Verrentungen wegen 113 50–54 vorzeitiger Erwerbsminderung kaum eine 16 Rolle. 2004 erreichten etwa 97 Prozent der 55–59 121 Ärzteschaft, 92 Prozent des Hochschullehr- 18 personals, 93 Prozent der Rechtsberater- 60–64 110 und -beraterinnen und 91 Prozent der 22 Ingenieurinnen und Ingenieure das 34 gesetzliche Rentenalter im Beruf. Dagegen ≥65 19 gingen 86 Prozent der Bergleute, 37 Quelle: SUGA 2008 Prozent der Maurer, 32 Prozent der Gesamt 110 12 Schweißer und 36 Prozent der Rohrinstal- lateure gesundheitsbedingt vorzeitig in Fälle je 100 Versicherte Tage je Fall Rente. Beruf und ausgeübte Tätigkeit sind damit die bestimmenden Größen für die Chance, das Renteneintrittsalter gesund Die gute Botschaft ist: So groß die genann- der Erkrankungen allerdings länger als bei und leistungsfähig zu erreichen. ten Herausforderungen auch sein mögen, jüngeren. Die durchschnittlich längeren sie sind zu bewältigen. Denn grundsätz- Ausfallzeiten der Älteren sind dabei weder lich, das zeigt die Forschung, geht mit der schicksalhaft noch ausschließlich dem biologischen Alterung keine zwangsläufige Alter geschuldet, sie resultieren vielmehr Minderung der beruflichen Leistungsfähig- oft aus zahlreichen negativen Einflussfak- keit einher. Zwar zeigen die Statistiken der toren der Arbeitswelt, die im Lauf eines Krankenkassen einen Zusammenhang langen Erwerbslebens eingewirkt haben. zwischen Alter und Krankheit, aber ältere Neben dieser Kumulation von Belastungen Arbeitnehmer sind nicht öfter krank als spielen auch anlage- und lebensstilbedingte jüngere. Im Krankheitsfalle ist die Dauer Einflussgrößen eine Rolle dabei, in welcher
11 Verbreitung Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) Im IGA-Report 20 ›Motive und Hemmnisse für Betriebliches Gesundheitsmanagement‹ wurden 500 Betriebe unterschiedlicher Größenklassen dazu befragt, ob sie Betriebliches Gesundheitsmanagement gegenwärtig durchführen, als Projekt abgeschlossen haben oder planen, in den nächsten zwölf Monaten einzuführen. Auf diese Frage gibt insgesamt mehr als jeder dritte Betrieb an, gegenwärtig Betriebliches Gesundheitsmanagement durchzuführen (36 %). 50 – 99 100 – 199 200 – 400 Alle Mitarbeiter Mitarbeiter Mitarbeiter Betriebe BGM wird durchgeführt 35 % 30 % 47 % 36 % BGM wird nicht durchgeführt 64 % 69 % 49 % 63 % Projekt bereits abgeschlossen 0% 1% 3% 1% Alle Studien zeigen darüber hinaus, dass beruflichen Weiterbildung größere sind. Erforderlich ist darum eine konzer- eine gesundheitsförderliche Gestaltung der Bedeutung beimessen. tierte Aktion auf allen Ebenen. So müssen Arbeitswelt sowie gesundheitsbezogene die Unternehmen über ihre betriebliche Veränderungen im persönlichen Lebensstil Ob das Ziel ›Älter werden in Beschäfti- Neuausrichtung unter Nutzung der bereits Gesundheit und Arbeitsfähigkeit positiv gung‹ in Zukunft erreicht werden kann, zahlreich vorhandenen Instrumente und beeinflussen. Aus aktuellen Studien ist hängt darüber hinaus auch von gesell- Methoden ebenso nachdenken, wie die bekannt, dass 36 Prozent der mittelgroßen schaftlichen Trends, Werten und soziokul- Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik aufgefor- Unternehmen über ein betriebliches turellen Haltungen ab. Noch immer ist in dert ist, für eine neue demographiesensible Gesundheitsmanagement verfügen, bei vielen Betrieben offene oder verdeckte Arbeitskultur Lösungen zu entwickeln und Großunternehmen dürfte der Anteil bei Altersdiskriminierung gelebte Alltagspra- dauerhaft in der betrieblichen Praxis zu etwa 50 Prozent liegen. /// xis, nach wie vor stoßen Ältere an sichtbare verankern. und unsichtbare Altersgrenzen bei der Aus- und Weiterbildung sind weitere Einstellung, Weiterbildung und Beförde- wichtige Schlüssel für die nachhaltige rung, die oft auf Vorurteilen sowie einer Beschäftigung von Arbeitnehmern bis zum systematischen Unterschätzung des gesetzlichen Rentenalter. Mehr als 60 % Erfahrungswissens Älterer beruhen. Hier der hochqualifizierten Beschäftigten gilt es, die Erkenntnisse der Altersfor- zwischen 55 und 64 stehen noch im schung bekannt zu machen und für sie zu Berufsleben, bei den geringer qualifizierten werben, damit Wirtschaft und Gesellschaft Beschäftigten liegt die Quote dagegen bei vorhandene Vorurteile durch wissensba- unter 38 % (IAQ 2010). Zudem sind ältere sierte Fakten ersetzt. und geringer qualifizierte Erwerbstätige wesentlich seltener an Weiterbildungen Schon diese wenigen Aspekte zeigen: Die beteiligt als andere Beschäftigtengruppen. Arbeitswelt steht im Kontext des demogra- Insbesondere mit Blick auf den sich phischen Wandels vor Herausforderungen, abzeichnenden Fachkräftemangel sollten die komplex, generationenübergreifend Unternehmen und Beschäftigte der und regional unterschiedlich ausgeprägt
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13 2. Prävention als Schlüssel für die Zukunft und Arbeitnehmern. Auch die Sozialversi- Zunahme interindividueller Leistungsunterschiede cherungsträger, Sozialpartner und die mit steigendem Alter Politik sind hier gefordert, Rahmenbedin- gungen zu schaffen, die ein solches Präventionsverständnis und die dazu Einflussfaktoren auf Leistungsfähigkeit: nötige Flexibilität unterstützen und 3 private Lebensführung absichern. Quelle: Fraunhofer- Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation (IAO) 3 Sozialisation, Ausbildung 3 Selbstkonzept, Fremdkonzept 3 Bisherige Tätigkeiten (Belastungen, Training) Arbeitsgestaltung 3 Leistungsanforderungen in der Arbeit Psychische und physiologische Leistungsfähigkeit 3 Lernanregungen durch die Arbeit Grundsätzlich unterscheidet sich die Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer nicht von der ihrer jüngeren Kollegen. Zwar nimmt sie in einzelnen Leistungsbe- reichen – wie körperliche Ausdauer und Interindividuelle Beweglichkeit – ab, im Gegenzug sind z. B. Unterschiede Erfahrungswissen oder Verantwortungsbe- wusstsein im Alter stärker ausgeprägt. Arbeitswissenschaftliche Untersuchungen zeigen darüber hinaus, dass interindividu- elle Leistungsunterschiede mit zunehmen- Lebensalter dem Lebensalter größer werden. Das bedeutet, dass das Alter allein zunächst wenig über das Leistungsvermögen eines Die elementare Voraussetzung, um den Insofern eröffnet lebenslanges Lernen den Menschen aussagt – es gibt Ältere, die demographischen Wandel auf betrieblicher Betrieben die Chance auf flexibel einsetzba- Jüngeren psychisch wie physisch überlegen Ebene als Chance nutzen und gestalten zu res Personal, während den Beschäftigten sind, wie es auch solche gibt, die körperlich können, ist ein erweitertes Präventionsver- einseitige und damit wenig gesundheitsför- und geistig – z. B. aufgrund von negativen ständnis. Es lässt sich insbesondere durch derliche Belastungen erspart bleiben. Arbeitseinflüssen – stärker abgebaut zwei Aspekte charakterisieren: Seine haben./// Ausrichtung ist langfristig und es umfasst Die betrieblichen Demographieprojekte Maßnahmen in den Handlungsfeldern der vergangenen Jahre haben aber auch Arbeitsgestaltung, Gesundheit und gezeigt, dass es die einzig richtige Lösung Qualifizierung. Dieser Ansatz geht über die im Umgang mit dem demographischen betriebliche Gesundheitsförderung hinaus, Wandel auf betrieblicher Ebene nicht gibt. indem z. B. Maßnahmen des lebensbeglei- Jedes Unternehmen muss seinen eigenen tenden Lernens mit dem Ziel integriert Weg der Anpassung an das sich verän- werden, die Beschäftigungsfähigkeit ein dernde Erwerbpersonenpotenzial finden. Erwerbsleben lang zu sichern. Nur wenn es Dabei können Beispiele guter Praxis als gelingt, die geistige Flexibilität der Anregung und Orientierung dienen. Beschäftigten durch lebenslanges Lernen Grundsätzlich – das zeichnet sich bereits dauerhaft zu erhalten, bleiben Tätigkeits- heute ab – verlangen die demographiebe- wechsel im Lebensverlauf möglich, womit dingten personalpolitischen Entwicklun- der Wechsel von Belastungen einhergeht. gen mehr Flexibilität von Arbeitgebern
14 Einig ist sich die Arbeitswissenschaft darin, dass extreme Umgebungseinflüsse wie Handlungsempfehlungen zur Nacht- und Schichtarbeit Hitze, Kälte oder hohe Luftfeuchtigkeit, schwere körperliche Tätigkeiten und 1. Die Anzahl der aufeinander folgenden Nachtschichten sollte möglichst gering sein. Zwangshaltungen, Aufgaben, die ein differenziertes Seh- und Hörvermögen 2. Nach einer Nachtschichtphase sollte eine möglichst lange Ruhephase folgen. beinhalten, hoher Zeit- und Leistungsdruck Sie sollte auf keinen Fall weniger als 24 Stunden betragen. oder fremdbestimmtes Arbeitstempo sowie 3. Geblockte Wochenendfreizeiten sind besser als einzelne freie Tage am Wochenende. Arbeiten, die eine ausreichende Erholung nicht zulassen, Jüngere und Ältere 4. Schichtarbeiter sollten möglichst mehr freie Tage im Jahr haben als Tagarbeiter. beanspruchen, Ältere aber stärker. Allerdings lassen sich viele dieser Belastun- 5. Ungünstige Schichtfolgen sollten vermieden werden, d. h. immer vorwärts rotieren. gen durch einfache ergonomische Maß- 6. Die Frühschicht sollte nicht zu früh beginnen. nahmen (wie z. B. Tragehilfen, Klimaopti- mierung) reduzieren. Solche Maßnahmen 7. Die Nachtschicht sollte möglichst früh enden. wirken positiv auf Jung und Alt – einziger Unterschied: Während sie den Jüngeren 8. Zugunsten individueller Vorlieben sollte auf starre Anfangszeiten verzichtet werden. die Arbeit erleichtern, machen sie die 9. Die Massierung von Arbeitstagen oder Arbeitszeiten auf einen Tag sollte begrenzt Arbeit für die Älteren oft erst bzw. wieder werden. möglich. /// 10. Schichtpläne sollen vorhersagbar und überschaubar sein. Eine gleichzeitige Erfüllung aller Empfehlungen ist nicht immer möglich. Wichtig ist, die Massierung von Arbeitsbelastungen durch Arbeitszeit ebenso wie zu viele Nachtschichten in Folge zu vermeiden und ausreichend lange Ruhezeiten für eine effektive Erholung zwischen den Schichten einzurichten. Quelle: BAuA
15 Mit Blick auf den Erhalt und die Förderung bedeutsamer Beitrag für eine alter(n)s- Arbeitswissenschaft hat konkrete Hinweise der Arbeitsfähigkeit aller Beschäftigten gerechte Arbeitswelt. für die Praxis entwickelt, die eine gute und jeden Alters stehen deshalb Arbeitsgestal- altersensible Ausgestaltung von Arbeits- tung und Arbeitsorganisation im Fokus Die Arbeitszeit ist ein weiterer wichtiger zeitmodellen ermöglichen, wie z. B. die betrieblicher Maßnahmen. Systematische Baustein für alter(n)sgerechte Arbeitsbe- Beachtung der Erkenntnisse zur ergonomi- Belastungswechsel und Lernanreize bei der dingungen. Schicht- und Nachtarbeit sowie schen Organisation von Nacht- und Arbeit sind Schlüsselfaktoren, um die hochflexible nachfrageorientierte Arbeits- Schichtarbeit, die Verkürzung der Ar- physische und psychische Leistungsfähig- zeitmuster sind Formen der Arbeitszeitge- beitschichten oder auch die Einführung keit der Beschäftigten lebenslang zu staltung, die dauerhaft zu erheblichen von Kurzpausen u. ä. /// fördern. Möglich wird das durch die Belastungen führen. Hier können alterns- Umsetzung des Prinzips der differentiellen gerechte Arbeitszeitregelungen physische Arbeitsgestaltung (Ulich, 1978, 2001). Die und psychosoziale Belastungen bis zu Arbeitswissenschaft versteht darunter das einem gewissen Grad reduzieren, wobei gleichzeitige Angebot alternativer Arbeits- vor allem Lage und Verteilung der Arbeits- strukturen, zwischen denen die Beschäftig- zeit eine wichtige Rolle spielen. Die ten wählen können. Dieses Prinzip gewähr- leistet die optimale Entwicklung der Persönlichkeit in der Auseinandersetzung mit der Arbeitstätigkeit vor dem Hinter- Handlungsfelder alternsgerechter Arbeitsgestaltung grund individueller Besonderheiten. So arbeitet der eine vielleicht bevorzugt in teilautonomen Arbeitsgruppen, um ein Werden Tätigkeiten mit 3 Gleichförmige Arbeitsabläufe Produkt oder Werkstück gemeinsam mit solchen Anforderungen 3 Daueraufmerksamkeit anderen herzustellen, währen der andere auf Dauer ausgeübt, 3 Zwangshaltungen dem Einzelarbeitsplatz den Vorzug gibt, an ist es schwer, mit dem 3 Nachtschichten dem er die komplette Montage allein Älterwerden gesund und 3 Körperlich anstrengende Arbeiten durchführt. Die angebotenen Arbeitswei- leistungsfähig zu bleiben. 3 Taktgebundene Arbeit sen unterscheiden sich in der Komplexität 3 Hitze, Lärm, Stäube der Anforderungen und der Zyklusdauer, 3 Hoher Zeitdruck was den Beschäftigten die Möglichkeit gibt, ihr Leistungsvermögen mit der jeweiligen Leistungsanforderung individuell zu Handlungsfelder 3 Ergonomische Gestaltung synchronisieren. Wichtig ist dabei, dass die von Arbeitsplätzen Beschäftigten jederzeit die Möglichkeit 3 Förderung gesundheitsschonender haben, ihre Wahl im Falle der Über- oder Arbeitsausführung Unterforderung zu korrigieren. 3 Arbeitsanreicherung durch Verän- derung des Zuschnitts von Arbeits- Die Umsetzung dieses Prinzips bedeutet tätigkeiten oder Mischarbeit die Abkehr von der Suche nach dem ›einen 3 Verringerung von Zeitdruck richtigen Weg‹ der Ausführung von 3 Begrenzung der Verweildauer Arbeitstätigkeiten und Arbeitsabläufen. Für die Arbeitnehmer bringt sie einen erhebli- Ziel: chen Zuwachs an Autonomie und Kontrol- Erhalt und Förderung von Gesundheit, Motivation und Qualifikation im Erwerbsverlauf le über die eigenen Arbeitsbedingungen. Quelle: Fraunhofer-Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation (IAO), nach Foliensatz von www.demotrans.de Besonders deshalb ist dieser Ansatz ein
16 Mit Blick auf das schrumpfende Erwerbs- personenpotenzial wird es zudem zuneh- Arbeitszeitgestaltung mend wichtiger, die Beschäftigtenquote bei der tedrive Steering GmbH bislang noch unzureichend berücksichtig- ter Personengruppen zu erhöhen, wie z. B. Gute Auftragslage, neue Aufträge, Die Zwischenbilanz des neuen die der Frauen. Erreicht werden kann schwankendes Auftragsvolumen, Arbeitszeitmodells fällt durchweg dieses Ziel nur, wenn die Unternehmen Kostendruck und eine Belegschaft, positiv aus. Die Akzeptanz bei allen flexible Arbeitszeitmodelle anbieten, deren Durchschnittsalter demographie- Beteiligten ist gut, eine flexible welche die Bedürfnisse und Lebenslagen bedingt weiter ansteigt: Das war die Anpassung an Produktionsschwankun- der Beschäftigten ausreichend berücksich- Ausgangssituation für den Automobil- gen ist möglich, die Zeit für Qualifizie- tigen. Einige Unternehmen haben bereits zulieferer tedrive Steering, als man rung wird intensiv genutzt. Darüber gezeigt, dass es möglich ist, Arbeitszeitrege- 2005 daran ging, die Zukunft des hinaus haben sich die Produktivität lungen im Sinne der Beschäftigten zu Unternehmens aktiv zu planen. Ziel und damit auch die Kostenstruktur des flexibilisieren, um eine bessere Vereinbar- war es, die Arbeitszeiten nach neuesten Werks verbessert. Auf der anderen Seite keit von Familie und Beruf zu ermöglichen. arbeitswissenschaftlichen Erkenntnis- konnte das Verhältnis ›Beschäftigte sen so zu gestalten, dass die Wettbe- – Familie‹ positiv beeinflusst wie auch Grundsätzlich gilt für alle Maßnahmen im werbsfähigkeit des Unternehmens die gesundheitlichen Belastungen Bereich Arbeitsgestaltung: Da jeder Betrieb auch unter den Vorzeichen des reduziert werden, die mit Schichtarbeit seine eigenen Ausgangsbedingungen hat, demographischen Wandels erhalten verbunden sind. müssen Gestaltungsmaßnahmen den bleibt. Gleichzeitig sollte die neue praktischen Erfordernissen der Betriebe Schichtplangestaltung bei Bedarf und der Beschäftigten standhalten. längere Maschinenlaufzeiten ermögli- Konkrete Umsetzungen sind eng mit chen, Überstunden vermeiden helfen Sensibilisierungs- und Beratungsaktivitä- und insgesamt die gesundheitlichen ten verbunden. Voraussetzung für den und sozialen Belange der Beschäftigten Erfolg von Gestaltungsmaßnahmen ist die stärker berücksichtigen. sorgfältige Analyse der Situation mittels einer ganzheitlichen und demographiesen- Gemeinsam mit den Mitarbeitern siblen Gefährdungsbeurteilung, die haben die Geschäftsführung, der arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse auch Betriebsrat und ein beratendes Institut bei geplanten Arbeitsplätzen und Produkti- das Modell für einen neuen ergonomi- onsanlagen frühzeitig berücksichtigt. Sie schen Schichtplan entwickelt, mit dem verhindert vorzeitigen Verschleiß bei diese Ziele erreicht werden konnten. Beschäftigten jeden Alters und leistet so Kurze Schichten von maximal drei einen wichtigen Beitrag zum Erhalt und Tagen, Freizeitblöcke auch während der zur Förderung der Arbeitsfähigkeit. Um Woche und möglichst viele freie zusätzlich gleiche Chancen auf Beschäfti- Sonntage kommen den Beschäftigten gungsfähigkeit für Frauen wie Männer zu entgegen, während z. B. mittels ermöglichen, ist es auch erforderlich, die sogenannter Einbringschichten und jeweils spezifischen Lebenslagen und aktiver Schichtübergabe die Interessen Arbeitssituationen zu erkennen, um sie in des Unternehmens an Produktivitäts- der Arbeitsgestaltung adäquat, d. h. verbesserungen gewahrt bleiben. lebensphasenbezogen (z. B. hinsichtlich Zeitbedarfe) berücksichtigen zu können.
17 Qualifikation Eine Gesellschaft mit abnehmender und tems müssen Bedingungen geschaffen älter werdender Erwerbsbevölkerung steht werden, um die vorhandenen Talente der vor der dringlichen Aufgabe, die vorhande- Menschen unabhängig von sozialer nen Humanressourcen auf allen Ebenen Herkunft, Einkommen, Alter, ethnischer des Bildungs- und Beschäftigungssystems Zugehörigkeit und Geschlecht so optimal so nachhaltig wie möglich zu entwickeln. wie möglich zu entwickeln. Das ist Bildung und insbesondere lebenslanges angesichts schrumpfender Jahrgänge von Lernen spielen in diesem Kontext die Schulabgängern und wachsenden Verren- zentrale Rolle. Diese Aufgabe stellt sich für tungszahlen sowohl eine soziale als auch alle Alters- und Qualifikationsgruppen. eine wirtschaftspolitische Notwendigkeit. /// Dabei umfasst die Verwirklichung des ›Lernens im Lebenslauf‹ alle Bildungsbe- reiche. Auf allen Stufen des Bildungssys- Sinkende Absolventenzahlen 2009 Übergangsquote 2020 Veränderung in % Absolventen 902.560 780.750 -13,50 % allgemein bildender Schulen Darunter: 199.200 160.600 -19,40 % mit Hauptschulabschluss mit Hochschulreife 267.500 251.980 -5,80 % Absolventen 1.140.350 948.570 -16,80 % beruflicher Schulen Hochschulabsolventen 306.131 bei 75 % igem Übergang 277.300 -9,40 % (inklusive Fachhochschulen und Berufsakademien) bei 85 % igem Übergang 307.500 0,40 % Quelle: Kultusministerkonferenz, Wissenschaftsrat
18 Die Voraussetzungen für die Bewältigung Die Verwirklichung des Lernens im profitieren. Außerdem nimmt die Weiter- der Anforderungen im Arbeitsleben Lebenslauf ist entscheidend für die bildungsbeteiligung in vielen Berufsfeldern werden ab der frühkindlichen Bildung und Perspektive des Einzelnen, den Erfolg der mit dem Alter ab. Das ist unter den mit den Bildungs- und Ausbildungsinhal- Wirtschaft und die Zukunft der Gesell- Bedingungen des demographischen ten in der Schule, in der Berufsausbildung schaft. Dieser Herausforderung erfolgreich Wandels ebenso problematisch wie das und an der Hochschule geschaffen. Hier zu begegnen, gehört zu den vorrangigen Verlassen der Schule ohne Abschluss. Es entsteht das Fundament an Wissen, bildungspolitischen Aufgaben. gilt daher die Weiterbildungsbeteiligung Können und Verhaltensnormen. Vor allem aller Berufs- und Altersgruppen schrittwei- wachsen in dieser Zeit auch die Motivation Aus dem Berufsbildungsbericht 2009 geht se zu erhöhen, um auf diese Weise zu und die Befähigung zum selbständigen hervor, dass im Jahr 2007 gut 22 Prozent erreichen, dass der demographiebedingt Lernen, welche Motor und Treibstoff für der Beschäftigten in Weiterbildungsmaß- zurückgehende Zustrom junger gut das Weiterlernen in späteren Lebenspha- nahmen einbezogen waren. Die Unter- ausgebildeter Menschen auf den Arbeits- sen sind. Daher ist und bleibt der Schulab- scheidung zwischen qualifizierten markt durch die vorhandenen Erwerbsper- schluss die Grundlage für jede Bildungs- Beschäftigten und Beschäftigten in sonen ausgeglichen und möglichst biographie. Er muss für jeden Menschen in einfachen Tätigkeiten bestätigt ein auch in überkompensiert wird. /// möglichst hoher Qualität erreichbar sein. anderen Zusammenhängen immer Die Schulbildung und die fundierte wiederkehrendes Muster, wonach bereits Erstausbildung sind die beste Grundlage Begünstigte weiter begünstigt werden. So für das Weiterlernen. Die Bedeutung des verdeutlichen die Daten des IAB-Be- frühkindlichen und schulischen Lernens triebspanels, dass es vor allem die qualifi- ist kaum zu überschätzen und erfordert zierten Beschäftigten sind, die von den einen kontinuierliche Verbesserung der betrieblichen Bildungsbemühungen Rahmenbedingungen. Das gilt für alle Kinder und Jugendlichen, wobei die Förderung von besonders Begabten wie die Unterstützung benachteiligter Gruppen Weiterbildungsquoten in Ost- und Westdeutschland wie Kinder mit Migrationshintergrund nach Tätigkeitsgruppen (1. Halbjahr 2009) oder solche aus sozial schwachen Familien ausdrücklich eingeschlossen ist. Auch hier 46 % gilt es den sozialpolitischen mit dem West 39 % arbeitsmarktpolitischen Aspekt zu Ost verknüpfen. Wer heute keine ausreichende 32 % 31 % Qualifikation erreicht, verliert nicht nur dramatisch an Zukunftschancen. Er wird Quelle: IAB-Betriebspanel auch übermorgen am Arbeitsmarkt fehlen. In der Wissensgesellschaft endet das 14 % Lernen aber nicht mit dem Abschluss von 11 % Schule, Berufsausbildung oder Studium. Kontinuierliches Weiterlernen ist Grund- voraussetzung, um den sich schnell wandelnden Anforderungen des Arbeitsle- bens gerecht werden zu können. Das Beschäftigte mit Angestellte / Beamte Angestellte / Beamte Lernen im gesamten Lebenslauf gehört zu einfachen Tätigkeiten mit Berufsausbildung mit Hochschulabschluss den großen politischen und gesellschaftli- chen Herausforderungen in Deutschland.
19 Um die Weiterbildungsbeteiligung zu 3 In dem Maße, wie erwachsenengerechte erhöhen, müssen die Möglichkeiten für das Formen des selbstgesteuerten Lernens Lebenslanges Lernen bei der SMA Lernen im gesamten Lebenslauf verbessert Anwendung finden, muss auch die Solar Technology AG und attraktiver gestaltet werden, indem Anerkennung, Zertifizierung und neue Anreize geschaffen und bestehende Qualitätssicherung der Lernprozesse ein Das im Bereich regenerativer Energie- Hindernisse beseitigt werden: neues Niveau erreichen. Das ist nicht techniken tätige Unternehmen wurde nur eine Aufgabe für Bildungseinrich- bereits mehrfach für sein bundesweit 3 Jede Person muss ermutigt werden, das tungen und Unternehmen, sondern für einzigartiges Fortbildungsprogramm Lernen als bleibende Herausforderung alle (staatlichen) Stellen, die an der ausgezeichnet. Ein umfassendes und als Chance für die persönliche Planung und Finanzierung der Weiter- Angebot aus Seminaren und Weiterbil- Lebensgestaltung anzunehmen. bildung beteiligt sind. dungsmöglichkeiten, Erhebungen zum 3 Kein Abschluss soll ohne die Möglich- 3 Das ›Lernen im Lebenslauf‹ für und Qualifizierungsbedarf sowie einer keit eines Anschlusses zu einer weiteren mit Unternehmen muss ausgebaut Kultur des konstruktiven Umgangs mit Qualifizierung bleiben. werden. Ein besonderes Augenmerk gilt Fehlern sorgen für ein hohes Innovati- 3 Unternehmen und Verwaltungen dabei den kleinen und mittleren onspotenzial und kreative Beschäftigte. müssen ihre Personalentwicklung noch Unternehmen. Dabei gehört es zur gelebten Unterneh- stärker als bisher am ›Lernen im 3 Neben betriebsspezifischen Ansätzen mensphilosophie, das Wissen der Lebenslauf‹ und damit auf die bedarfs- zur Förderung der Weiterbildung Mitarbeiter als wichtiges Betriebskapi- orientierte, fortlaufende Qualifizierung gewinnen regionale Ansätze wie sie in tal zu sehen. Für Fortbildungen können während der gesamten Lebensarbeitszeit den ›Lernenden Regionen‹ (Programm die Beschäftigten an fünf bezahlten ausrichten. des BMBF) verwirklicht wurden, Arbeitstagen aus über 60 internen 3 Dies bedeutet ebenso, dass neben einer zunehmende Priorität. Im weltweiten Schulungen und mehr als 40 externen Angebots- auch eine verstärkte Nachfra- Wettbewerb der Regionen entwickelt Veranstaltungen auswählen. Darüber georientierung erforderlich ist. sich die Verfügbarkeit von Humanres- hinaus werden individuelle Maßnah- 3 Dabei sind – insbesondere im Rahmen sourcen immer mehr zum entscheiden- men für alle Mitarbeiter und finanzielle der öffentlich verantworteten Weiterbil- den Standortfaktor. Auch deshalb sind Förderung für Weiterbildungsmaßnah- dung – bezahlbare und zielgruppenspe- die regionalen Akteure zunehmend men bis hin zum Studium angeboten. zifische Angebote zu schaffen, die auch aufgefordert, ihre Aktivitäten miteinan- Die Basis dafür bildet die Qualifikati- bildungsferneren Schichten einen der zu vernetzen und zielgerichtet onsbedarfsanalyse, die zwei Mal einfachen Zugang zu Weiterbildung weiterzuentwickeln. jährlich durchgeführt wird. bieten. 3 Wichtig sind vor allem eine an der Die Förderung von Lernen und Qualifizie- Im Bereich Mitarbeiterentwicklung gibt Berufs- und Arbeitsbiographie und der rungsprozessen nimmt im erweiterten es drei Schwerpunkte: Für ungelernte Lebens- und Lernsituation der Menschen Präventionsverständnis für Betrieb und Kräfte werden zusätzliche Qualifizie- orientierte Bildungsberatung und Beschäftigte eine Schlüsselrolle ein. rungsmaßnahmen angeboten, für entsprechende Lernangebote. Das Auszubildende gibt es einen systemati- schließt eine konsequente Einbeziehung schen Einarbeitungsplan. Und der vielfältigen informellen Lernprozesse Ingenieure können nach einem außerhalb von Bildungsinstitutionen ein. Orientierungsseminar ihre persönliche Arbeitsprozesse müssen lernintensiver Entwicklungsrichtung bestimmen: gestaltet werden, um die Chancen des Personalverantwortung, Projektleitung Lernens am Arbeitsplatz besser zu oder Fachexperte. Eine weitere nutzen. Besonderheit der SMA Solar Technolo- gy AG ist der offene Umgang mit
20 Gesundheit Fehlern: Fehler dürfen gemacht werden Im Rahmen der IT-Qualifizierung – sie werden analysiert, aber nicht standen praxisnahe PC-Anwendungen Der Paradigmenwechsel von der Politik der bestraft, sondern als Notwendigkeit im auf der Agenda. Die Beschäftigten im Frühverrentung zur Politik der Erhöhung Lernprozess betrachtet. Außerdem gilt Personalwesen sollten in das Schreiben des Renteneintrittalters erfordert komple- der Leitsatz ›Vernunft statt Macht‹. von Serienbriefen, das Erstellen von mentär einen Paradigmenwechsel von Durchsetzen soll sich das bessere Formularen sowie einige grundlegende einer nach- zu einer vorsorgenden Argument, nicht das des ›Mächtigsten‹. Funktionen einer Tabellenkalkulation Gesundheitskultur. Damit Beschäftigte in Dafür wurde eine konstruktive und eingewiesen werden. Andere Mitarbei- Erwerbstätigkeit gesund altern können, ist offene Diskussionshaltung über alle ter erhielten PC-Basiseinführungen. eine systematische und qualitätsgesicherte Hierarchieebenen hinweg geschaffen. Für die Auszubildenden lag die Prävention auf betrieblicher Ebene Die Ergebnisse motivieren zum Herausforderung in der systematischen notwendig. Auch im eigenen Interesse Nachmachen: Die Mitarbeiter sind Vorbereitung des Stoffes und in der sind Unternehmen deshalb gefordert, ein hoch motiviert, über 90 % aller didaktisch sinnvollen Aufbereitung. In effizientes betriebliches Gesundheitsma- Führungspositionen können intern der Durchführung galt es, die Rolle des nagement (BGM) aufzubauen und besetzt werden. Zudem hat das Lernenden gegen die des Lehrenden zu nachhaltig zu etablieren. Diese Aufgabe Unternehmen eine hohe Wachstums- tauschen. müssen die Unternehmen nicht alleine dynamik bei einer extrem niedrigen lösen – Unterstützung finden sie sowohl Fluktuationsrate (unter 0,5 %). Am Ende stand die Erkenntnis, dass bei den Trägern der Sozialversicherung als beide Seiten enorm profitiert haben. auch auf einem zunehmend größer Die älteren Teilnehmer haben u. a. werdenden Markt privater Anbieter. erfahren, dass sie auch mit geringen Voraussetzungen und trotz ihres Alters Maßnahmen müssen frühzeitig ansetzen, Wissenstransfer bei der Entertain- positive Lernerfahrungen machen um nachhaltig erfolgreich zu sein. Ein ment Distribution Company GmbH können, dass Wissensvermittlung präventives Gesundheitsmanagement durch Jüngere motivieren kann, dass konzentriert sich deshalb nicht allein auf Im Umgang mit Computern ist die jun- sie sich durch handlungsorientierte die älteren Beschäftigten und deren ge Generation meist bestens informiert. Aufgaben die Lösungen selbst erarbei- Arbeitsbedingungen, sondern hat die Diese Tatsache hat die Entertainment ten konnten. Die Jüngeren haben durch gesamte Belegschaft im Blick. Betriebliche Distributions Company GmbH (EDC), den Rollenwechsel eine neue Perspekti- Gesundheitsförderung im Zeitalter des ein Unternehmen mit 950 Mitarbei- ve auf das Lernen gewonnen, Metho- demographischen Wandels ist eine tern, zum Anlass genommen, um die den kennengelernt, die den Teilneh- Gesundheitsförderung für alle. Zumal in Möglichkeiten der Wissensvermittlung mern das eigenständige Lernen vielen Fällen erst durch die Neugestaltung von ›Jung‹ zu ›Alt‹ im Rahmen eines ermöglichen, und festgestellt, dass von Arbeitsplätzen solche Arbeitsbedin- Projekts zu untersuchen. Dabei ging es dann gut gelernt wird, wenn die gungen geschaffen werden, die das um die Zusammenarbeit und Wissens- Vermittlung von Inhalten mit (positi- gesunde Erreichen des angehobenen vermittlung im Kontext des demogra- ven) Empfindungen für die Lernenden Renteneintrittsalters für viele Beschäftigte phischen Wandels. Ausgangsfrage war: verbunden ist. – vor allem für solche auf hoch exponierten Wie kann ein Betrieb eine gute Arbeitsplätzen – realistisch machen. Kommunikation zwischen Älteren und Jüngeren gezielt fördern, um das Das betriebliche Gesundheitsmanagement Unternehmen in Sachen Wissenstrans- integriert den Arbeits- und Gesundheits- fer demographiefest zu machen? schutz, die betriebliche Gesundheitsförde- rung sowie das Altersmanagement. Darüber hinaus zielt es auf die Führung,
21 die Unternehmenskultur und das Betriebs- Arbeitsgestaltung, Qualifikation klima. Es gilt als ein sehr gut geeignetes Betriebliche Gesundheitsförderung und Gesundheit: Bausteine einer Instrument, um Arbeits- und Beschäfti- bei der InfraLeuna GmbH gelingenden Erwerbsbiographie gungsfähigkeit ein Erwerbsleben lang zu erhalten und zu fördern. Im betrieblichen Der Wunsch nach Senkung des Trotz der zahlreichen bestehenden Ansätze Gesundheitsmanagement wird die Gesund- Krankenstandes war bei der InfraLeuna und Möglichkeiten werden sich auch in heit der Beschäftigten als strategischer GmbH nur einer von mehreren Zukunft nicht alle Arbeitsplätze alter(n)s- Faktor in das Leitbild und in die Kultur Gründen, sich intensiver mit dem gerecht und gesundheitsförderlich sowie in die Strukturen und Prozesse der Thema Gesundheit auseinanderzuset- umgestalten lassen. Insofern wird es auch Organisation integriert. BGM ist folglich zen. Für Unternehmensleitung und morgen Arbeitsplätze geben, die aufgrund eine Managementaufgabe. Betriebsrat ging es auch darum, die ihrer Belastungsstruktur – wenn überhaupt Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit – nur für eine begrenzte Tätigkeitsdauer Ein weiteres Feld des betrieblichen des Unternehmens insgesamt zu geeignet sind. Gesund alt werden kann Gesundheitsmanagements ist neben der steigern. In Leuna ist man überzeugt, man auf ihnen nicht. Gesundheitsförderung und Prävention das dass sich Mitarbeiterinnen und betriebliche Eingliederungsmanagement Mitarbeiter stärker für ihr Unterneh- Insbesondere für diese Berufsgruppen und (BEM). Basierend auf § 84 Abs. 2 SGB IX men engagieren, wenn sie spüren, dass Tätigkeiten muss die Laufbahn- oder sind alle Arbeitgeber zum Eingliederungs- sich das Unternehmen auch für ihre Karriereplanung und -gestaltung stärker als management verpflichtet, sobald ein ganz persönlichen Belange einsetzt. bisher in den Fokus rücken. Dafür bedarf Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres es allerdings zunächst eines Einstellungs- länger als sechs Wochen ununterbrochen Deshalb haben Unternehmensleitung wandels aller Beteiligten. Derzeit erschwert oder wiederholt arbeitsunfähig ist. Ziele und Betriebsrat in einer Betriebsverein- die ausgeprägte Beruflichkeit in Deutsch- dieser Regelung sind, die krankheitsbe- barung den Rahmen für das Gesund- land den Wechsel in der Laufbahn. Mitten dingte Gefährdung des Arbeits- und heitsvorsorgeprogramm abgesteckt, im Erwerbsleben eine neue Ausbildung zu Beschäftigungsverhältnisses zu beseitigen wobei der Begriff ›Vorsorge‹ in Leuna beginnen, ist finanziell oft problematisch oder zu mindern, die Arbeitsunfähigkeit sehr weit gefasst wurde. Er steht und bisher eher ungewöhnlich. Ebenso möglichst zu überwinden und ihrem sowohl für eine bessere ergonomische wird der Wechsel aus einer Tätigkeit in erneuten Auftreten vorzubeugen. Mit Arbeitsplatzgestaltung als auch für einen gänzlich anderen Bereich heute noch einem erfolgreichen betrieblichen Einglie- betriebliche Gesundheitsförderung, eher als Bruch in der Erwerbsbiographie derungsmanagement kann sich nach medizinische Vorsorgeuntersuchungen angesehen denn als Weiterentwicklung Überzeugung des DGB die geschätzte Zahl und Prävention wie z. B. Wirbelsäulen- gewertet. Hier ist ein neues Verständnis von 500 000 krankheitsbedingten gymnastik sowie Betriebssport wie von Laufbahngestaltung gefordert, womit Kündigungen pro Jahr deutlich reduzieren. Fußball, Volleyball und Schwimmen. eine umfassende, auf die gesamte Erwerbs- Die Ergebnisse des Programms biographie bezogene Organisation von sprechen für sich. So konnte der Erwerbsarbeit gemeint ist. Solche Laufbah- Krankenstand von 5,7 % im Jahre 2002 nen ›ordnen‹ Anforderungen, Anreize und auf 3,5 % im Jahre 2007 gesenkt Belastungen im Berufsverlauf so, dass die werden. Es besteht eine hohe Identifi- Arbeit bis ins gesetzliche Rentenalter kation der Beschäftigten mit dem hinein möglich ist – und zwar auch dann, Programm, bereits 10 % der Mitarbei- wenn die einzelne Tätigkeit nur befristet ter treiben Betriebssport, die Teilneh- ausgeübt werden kann. Ziel ist die merzahlen an sportlichen Aktivitäten möglichst lange ›produktive Beschäfti- und gesundheitsprophylaktischen gung‹, was im Idealfall über die gleichzeiti- Maßnahmen steigen stetig. ge Verknüpfung von Belastungsabbau, Weiterqualifizierung, Neuerwerb von
22 Typischer Verlauf einer Lauf bahn ... nach einem Berufswechsel aus gesundheitlichen Gründen Berufsberatung Berufseinstieg gesundheitliche Berufsaufgabe Berufswechsel Beeinträchtigungen Quelle: IGA-Report 17 Berufsausbildung Umschulung zweiter Beruf, im ersten Beruf neue Kompetenzanforderungen ... bei einem Wechsel aus Eigeninitiative Studium Weiterbildung Berufs- Berufsberatung Berufseinstieg Tätigkeits- Tätigkeits- Tätigkeits- wechsel wechsel wechsel wechsel Quelle: IGA-Report 17 Berufsausbildung Berufsausbildung zweiter Beruf, im ersten Beruf Unternehmens- im zweiten Beruf Nutzung bereits wechsel Studium oder Weiterbildung vorhandener bzw. Zusatzqualifizierung Kompetenzen Qualifikationen und Kompetenzen sowie Leistungswandels organisiert werden. Im dem Erleben einer positiven beruflichen letzten Abschnitt des Erwerbslebens sollten Veränderung erreicht werden könnte. dann solche Tätigkeiten stehen, die von Betriebliche Laufbahngestaltung ist somit älteren Beschäftigten besonders qualifiziert eine Personalentwicklungsaufgabe, bei der ausgefüllt werden können bzw. die mit es im Kern um einen die gesamte berufli- dem spezifischen Erfahrungspotenzial che Karriere umfassenden, ›passgenauen‹ Älterer besonders gut harmonieren. /// /// Abgleich alterstypischer Veränderungen im Leistungsvermögen mit spezifischen Arbeitsanforderungsprofilen geht. Anders ausgedrückt: In Zukunft müssen sowohl innerbetriebliche als auch berufliche Karrieren entlang des altersspezifischen
23 Die Verwirklichung dieser erwerbsbiogra- phischen Verlaufgestaltung setzt freilich eingesetzt, welche relativ wenig Betriebliches Gesundheits- die Existenz einer betrieblichen Personal- Berufserfahrung erfordert. Die nächste management bei der A. Frauenrath planung in längerfristiger Perspektive Stufe bildet dann die Montage im Bauunternehmen GmbH voraus, was für die Bundesrepublik eher Gebäudebestand (z. B. Umbau oder untypisch ist. Insofern gilt es, die Betriebe Neuinstallation von Anlagen). Hier Die höheren Anforderungen und die dafür wieder mehr zu sensibilisieren und werden Gesellen mit Berufserfahrung Wettbewerbssituation in der Bauwirt- zu motivieren. Angesprochen und eingesetzt, da die Vorgaben für die schaft führten auch beim mittelständi- gefordert sind hierbei neben den Personal- Montage weit weniger eindeutig sind schen Bauunternehmen Frauenrath am verantwortlichen auch die Betriebs- und als bei Neubauten – und damit Niederrhein zu einer hohen Belastung Personalräte. Bisher gibt es wenige entspre- komplizierter. Die dritte Stufe des und verstärkter Fluktuation der chende Modellvorhaben, welche die Laufbahnmodells bildet schließlich der Mitarbeiter. Vor dem Hintergrund des Gestaltung von Berufsverläufen einbe- Kundendienst. Hier arbeiten nur ältere drohendem Polier- und Facharbeiter- ziehen. Mitarbeiter mit viel Berufserfahrung, mangel wurde deshalb der Plan gefasst, da die Anforderungen an die Kompe- den wichtigsten Erfolgsfaktor des Über die Gestaltung von Laufbahnen in tenzen hoch, die körperlichen Belastun- Unternehmens – den Mitarbeiter – Unternehmen hinaus müssen zudem gen jedoch vergleichsweise gering sind. durch Qualifikation, Leistungsfähigkeit Strukturen geschaffen werden, die einen Darüber hinaus benötigt ein Service- und Motivation langfristig zu sichern. Wechsel auch branchen- und berufsüber- mitarbeiter aufgrund des intensiven Frauenrath macht seinen Mitarbeitern greifend erleichtern. Möglich würde das Kundenkontakts ein hohes Maß an verschiedene professionelle Hilfsange- z. B. durch entsprechende Weiterbildungs- sozialer Kompetenz. Anders als ältere bote unter Einbeziehung von Externen und Finanzierungsangebote. Beschäftigte sind jüngere mit diesen im Rahmen des betrieblichen Gesund- hohen Anforderungen oftmals heits- und Arbeitsschutzes. überfordert. Insofern findet sich hier eine für den Unternehmenserfolg Der Auswahl der Maßnahmenmodule Lauf bahngestaltung bei der unverzichtbare Tätigkeit für ältere ging eine Analyse der Arbeitsorganisa- Karl-Heinz Ef kemann Sanitär- Beschäftigte mit Erfahrung, was den tion und -bedingungen voraus. Dafür und Heizungsbau GmbH Verbleib im Unternehmen bis zum fanden systematisch aufeinander Rentenalter möglich macht. Damit sich aufbauende Methoden und Verfahren Seit 1926 besteht die Firma Karl-Heinz die Außendienstler aber nicht nur auf Anwendung. Unter anderem wurden Efkemann Sanitär- und Heizungsbau ihre Erfahrung stützen müssen, Mitarbeiterbefragungen und Gefähr- GmbH, die ihren Sitz in Duisburg hat werden sie bedarfsbezogen durch dungsbeurteilungen durchgeführt, und etwa 30 Mitarbeiter beschäftigt. interne Workshops und Schulungen Ergonomiegutachten erstellt, Sicher- Aber so alteingesessen das Unterneh- auf den Stand der Technik gebracht. heitskurzgespräche und Wochenge- men auch ist, altmodisch ist es deshalb Die Schulungen erhöhen insgesamt die spräche auf der Baustelle zum Thema nicht. Vielmehr hat sich hier ein Handlungsflexibilität und -sicherheit Sicherheit eingeführt. Es gab sowohl modernes Laufbahnmodell herausge- der Mitarbeiter bei den Kunden vor Ort. Analyse-Workshops als auch Angebote bildet, das die jeweiligen Kompetenzen zur Moderatorenausbildung oder und Erfahrungen der Mitarbeiter Hilfsangebote bei Nervosität, Schlafstö- berücksichtigt – und damit wegweisend rungen, Stress, depressiven Verstim- auch für andere Handwerksbetriebe mungen, psychosomatischen Be- sein kann. So werden jüngere Mitarbei- schwerden, Partner- und Familienprob- ter (Auszubildende und Junggesellen) lemen, Alkohol-, Medikamenten- und vor allem bei der Montage im Neubau Essproblemen. Alles zusammen – so
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