Auf Tuchfühlung MISEREOR HUNGERTÜCHER 1976 -2020
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Die MISEREOR- Die Bibel der Armen: Die Hungertuch-Idee entstammt einem Schatz allgemein verständlicher Muster. Des- einem alten, kirchlichen Brauch, der bis vor das Jahr halb kann sie universal verstanden werden. Viele der Hungertücher 1000 n. Chr. zurückgeht. Die Tücher zeigten Bildmo- Künstler*innen kennen beides, den Süden und den Kunst als tive aus der Heilsgeschichte des Alten und Neuen Testaments. Einerseits verdeckten sie das heilige Ge- Norden, und konnten so zu Brückenbauern zwischen ihrer eigenen und unserer Kultur und Spiritualität Ort des Dialogs schehen am Altar, andererseits erzählten sie die bib- lischen Geschichten von der Schöpfung bis zur Wie- werden. derkunft Christi und stellten so als »Armenbibel« der Kultur und Entwicklungszusammenarbeit: Wie passt des Lesens meist unkundigen Gemeinde die Heilsge- das zusammen? In der Entwicklungszusammenarbeit schichte in Bildern vor Augen. geht es doch eher um Armutsbekämpfung, politische und wirtschaftliche Strukturen, das Eintreten für eine Eine alte Tradition neu belebt: Das bischöfliche Hilfs- gerechte Weltordnung. Das kann aber nur gelin- werk MISEREOR hat 1976 die Tradition der Hungertü- gen, wenn wir uns um andere Menschenbilder und cher wieder aufgegriffen und ihr eine weltweite Reso- Werthaltungen bemühen. Kunst, Kultur und Religion nanz verschafft. Alle zwei Jahre wird ein neues Bild von sind Orte, an denen solche Utopien entworfen und engagierten Künstler*innen aus Afrika, Lateinamerika diskutiert werden. Verschiedene UN-Weltkonferenzen und Asien gestaltet und ermöglicht Einsichten in das haben Kultur als existentielles Element für die Ent- Leben und den Glauben von Menschen uns fremder wicklungsfähigkeit von Gesellschaften herausgestellt. Kulturen. Die modernen Bilder laden, ganz in der Tra- Künste und Kultur sind geistiges Lebens-Mittel, so dition der mittelalterlichen Tücher, zur Betrachtung des notwendig wie Essen und Trinken. Künstler können Leidens Christi ein. Neu daran ist, dass eine Verbin- Anstöße geben und bei der Orientierung helfen. dung mit dem Hunger und der Armut, aber auch dem kulturellen und spirituellen Reichtum der Menschen in Schaubilder des Glaubens: Im Laufe der Jahrzehnte den Ländern des Südens hergestellt wird. wurden die MISEREOR-Hungertücher in vielen christ- lichen Kirchen zu einem festen Bestandteil der Fa- Kunst als Ort des Dialogs: MISEREOR begann diese stenzeit. Sie geben mit ihrer eindrucksvollen und viel- Zusammenarbeit in einer Zeit, als die Werke von fältigen Bildsprache Zeugnis von der Solidarität mit Künstler*innen aus dem Süden ihren Platz noch in den Armen, Schwachen und Ausgegrenzten und sind Völkerkundemuseen hatten. Kunst ist jedoch mehr immer auch Anfrage an unser Christsein und unseren als schöner Schein. Sie ist Element der Gestal- Lebensstil. tung des gemeinschaftlichen Lebens. Sie entspringt dem tiefsten Wesen des Menschen und gründet auf Dr. Claudia Kolletzki
1976 Christus im Lebensbaum – Hoffnung für alle Der Künstler Das erste MISEREOR-Hungertuch verbindet thematisch In der Mitte des Bildes ein Baum – die eine Hälfte Leiden und Auferstehung Christi mit der Menschheits dürr und kahl, die andere voller Blätter und Früchte: der passion der heutigen Zeit: „Christus im Lebensbaum – Weltenbaum wird durch die Liebe Christi verwandelt. Die Hoffnung für alle“. beiden großen Äste bilden eine Mandorla, das mandel- Jyoti Sahi hat sich intensiv mit der Mythologie und förmige Meditationsmotiv. Christus ist angenagelt und Philosophie des Hinduismus beschäftigt und setzt auch zugleich schreitend dargestellt. Der indische Künstler in diesem Meditationsbild naturhafte Symbole, die der nennt diesen Christus „Herr des Tanzes“. Im Lebens- Hinduismus ausgedeutet hat, mit christlichen Bildern in baum, im Herzen des Universums, gibt er das Zeichen zu Beziehung. einem Fest: Hoffnung für alle. Durch die Biene wird in der indischen Poesie der Durst Die Symbolgruppe auf grauem Hintergrund links zeigt symbolisiert. Sie liebt besonders die Blüten des Mango die Zeit vor Christi Tod. Die durch leuchtendes Safran- baumes. Die goldene Wabe ist Erwartung des himm- gelb unterlegten Bilder rechts versinnbildlichen die Hoff- lischen Jerusalem. nung der Auferstehung. Jyoti Sahi wurde 1944 in Poona bei Der Schirm oder Baldachin ist Zeichen für die Ankunft Alles beginnt zu leben, selbst aus dem Schädel Adams Bombay als Sohn einer englischen des Göttlichen. Er gilt in Indien als Symbol für Autorität, sprießt ein Zweig hervor. Mutter und eines indischen Vaters geboren. Nach einem Kunststudium die Hände sind Bild für den Bund der Ehe. Der Schmetterling auf der Lotusblüte ist Hinweis auf in London kehrte er nach Indien Der Blutstropfen weist auf die Todesangst Jesu am Öl- die Auferstehung Christi. Aus der Larve wird auf dem zurück und lehrte Kunst an verschie- berg hin. Ein leuchtender Stern fasst ihn ein, acht Kelche Weg über den scheinbar im Tod erstarrten Kokon etwas denen Schulen. Jyoti Sahi ist mit mit Hostien rahmen ihn: Christus, der mit menschlicher Neues und Schönes. einer Engländerin verheiratet und Angst vertraut ist, stärkt die vom Tod bedrohten Men- hat fünf Kinder. Die Familie lebt in schen mit seinem Fleisch und Blut. einem Künstler-Ashram im Raum Die Schlange erinnert an die Wellen des Wassers. Nie- Bangalore, wo Jyoti Sahi auch seine mand wasche seine Hände in Unschuld wie Pilatus. Begegnungsstätte „Indian School of Wir sehen die Lanze, mit der das Herz Christi durch- Art for Peace” betreibt. Er ist einer der bedeutendsten christlichen bohrt wurde und die Leiter, über die man den Leichnam Künstler des modernen Indien. vom Kreuz abnahm. Die Dornenkrone mit drei Nägeln scheint wie eine Blüte auf, die neues Leben ankündigt. Das kleine Samenkorn muss sterben, bevor es Frucht bringen kann (Joh 12, 24).
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1978 Das Hungertuch aus Äthiopien Der Künstler Das Hungertuch aus Äthiopien zeigt in elf Bildern (ge- terisches Verhalten hat er sich von der menschlichen kennzeichnet durch römische Ziffern von I-XI) fünf Ge- Gemeinschaft ausgegrenzt und kann daher Jesus nicht schichten aus der Bibel: 1. Kain und der Brudermord (I). sehen (Lk 19, 1-9). 2. Noah und die Flut (II-IV). 3. Jesus und Zachäus (V-VIII). Doch Christus sucht gerade ihn (Bild VI) und kehrt bei 4. Mich erbarmt des Volkes. Jesus und die Kranken, die ihm ein. Die Menschen im Hintergrund murren hinter Armen (IX) und die hungrige Menge (X). 5. Jesus, der lei- vorgehaltener Hand: »Bei einem Sünder ist er zu Gast.« dende Gottesknecht (XI). (Bild VII) 1. Der Künstler stellt den ersten Brudermord dar (Bild Die Begegnung mit Jesus (Bild VIII) verändert Zachäus. I). In der zweiten Bildszene fragt er uns, wo wir Gemein- Er bekehrt sich. Er wendet sich vom Unrecht ab und schaft und Leben nicht fördern: durch Vorurteile, durch durch Teilen und Helfen den Menschen zu. So wird er in ungerechte Strukturen, die Armut und Tod vieler Men- die menschliche Gemeinschaft eingegliedert. schen in Afrika, Asien und Lateinamerika bewirken. 4. Der Künstler zeigt, dass Jesus den Menschen ernst 2. Die erste Szene (Bild II) zeigt Menschen, die alle nimmt (Bild IX). Ob arm oder krank, ob weiß oder farbig: Alemayehu Bizuneh aus Addis ihren eigenen Interessen und Geschäften nachgehen. Der Jeder darf der Zuwendung Jesu sicher sein. Abeba/Äthopien wurde 1934 in der dunkle Himmel weist auf die isolierte Selbstbehauptung Gott ist es nicht zu gering, sich um den Hunger der Provinz Hararghe geboren. Nach des Menschen hin, der nicht bereit ist, sich auf Gott ein- Menschen zu kümmern (Bild X). Am Anfang und Ende der seiner Schulzeit wurde er 1958 in die neueröffnete Kunstschule der Haupt- zulassen. Eine unsolidarische Menschheit, die sich von Wege Gottes steht Menschlichkeit, steht die »Mensch- stadt Addis Abeba aufgenommen, ihrem Schöpfer abwendet! Werdung«. die er nach fünf Jahren erfolgreich Nur Noah und die Seinen (Bild III) stehen zu Gott und Alle Geschichten kreisen um das Bild in der Mitte absolvierte. Lediglich unterbrochen werden so in der Arche aus der Sintflut gerettet. Durch (Bild XI). Es zeigt Jesus in der Darstellung des leidenden von zwei Stipendienaufenthalten in Solidarität ist Überleben möglich: das erfahren die Armen Gottesknechtes (vgl. Jes 50, 4-9), der als »Keltertreter« Paris, arbeitet Alemayehu Bizuneh in den MISEREOR-Projekten. Und in ihrem solidarischen die Leiden der Menschen auf sich nimmt. seitdem am äthiopischen National- Miteinander erscheint Gottes verlässliche Gegenwart. museum als Bildhauer, Maler und Der Regenbogen (Bild IV) – Gottes Bundeszeichen – Restaurator alter Kunstwerke. trennt das Chaos von der »neuen Erde«. Er ist Auftrag und Verheißung zugleich (vgl. Gen 9). Lassen sich die Menschen auf Gott und auf ein neues Verhältnis zum Mit- menschen und zur Schöpfung ein? 3. Der Künstler malt den reichen Oberzöllner (Bild V) ganz klein, in die Ecke gedrängt. Durch sein ausbeu-
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1980 Die Werke der Barmherzigkeit Der Künstler Das Hungertuch aus dem Mittelalter zeigt die zu dieser 4. Gefangennahme Jesu (Lk 22, 47-54): Judas verrät Zeit üblichen Weltgerichtstafeln (Mt 25). Christus der den Menschensohn. Petrus schlägt mit dem Schwert zu. Bruder Klaus, der Schweizer Friedensheilige von Flüe (1417-1487), Weltenrichter ist umgeben von Bildmotiven der wich- Jesus heilt das Ohr des Malchus. Gefangennahme Jesu. soll der Überlieferung nach das Bild tigsten Heilsereignisse, denen die Symbole der sieben Fessel: »Gefangene besuchen und befreien«. angeregt haben. Jedenfalls ist es in Werke der Barmherzigkeit zugeordnet sind. Sie verwei- 5. Kreuzigung Jesu (Lk 23, 33-46): Jesus stirbt als Hei- die räumliche und geistige Nähe des sen auf die Grundbedürfnisse und Grundrechte der Men- land der Menschen am Kreuz. Heiligen gerückt, der zwanzig Jahre schen: das Recht auf Gesundheit von Beginn an, auf ein Gewand Jesu: »Nackte bekleiden« (vgl. Joh 19, 23f.). als Einsiedler in der Ranftschlucht schützendes Dach über dem Kopf, auf Nahrung und Was- 6. Eucharistiefeier: Priester bei der Feier der hl. Eucha nahe bei Sachseln am Sarner See im ser, auf Freiheit, auf Bekleidung und einen menschen- ristie. schweizerischen Kanton Obwalden würdigen Tod. Für die Bedürfnisse und Grundrechte set- Totenbahre: »Tote begraben«. gelebt hat. Vielen wurde er zum zen sich MISEREOR-Förderer und -Partner in Nord und In einem Rechteck angeordnet sind die vier Evange- Vorbild, Ratgeber und Seelsorger. Das Original des Bildes befindet sich Süd ein. listensymbole, rechts oben beginnend mit Matthäus wenige Schritte vom Grabaltar des In der Bildmitte: Christus-König, zugleich der Leidende (Mensch), rechts unten Markus (Löwe), links unten Lukas Bruder Klaus entfernt in der Pfarr und Auferstandene: je drei Strahlen gehen von ihm aus (Stier) und links oben Johannes (Adler). Je zwei Rund- kirche von Sachseln. und führen auf ihn zu. Er sieht, hört und spricht, er bilder werden von einem Evangelisten-Viereck berührt, schenkt sich und gibt Anteil an seinem Leben. das heißt, das ganze Bild ist vom Evangelium her be- Die Reihe der Rundbilder, beginnend unten in der gründet und inspiriert. Mitte: Das MISEREOR-Hungertuch ist das bildgewordene 1. Verkündigung an Maria (Lk 1, 26-38): Der Engel Evangelium von der Wiederkunft Christi zum Weltge- Gabriel bringt der Jungfrau Maria die Botschaft von der richt nach Mt 25, 31-46. Jesus identifiziert sich mit den Menschwerdung Gottes. Krücken: »Kranke besuchen«. Ärmsten: »Was ihr den Geringsten getan habt, das habt 2. Geburt Jesu (Lk 2, 1-20): Maria kniet als Mutter vor ihr MIR getan« (Mt 25, 40) oder »nicht getan« (Mt 25, 45). ihrem göttlichen Kind. Wanderstab und Reisetasche: Auf die Einheit von Glauben und Leben kommt es an. »Fremde beherbergen« (vgl. Lk 2, 7). 3. Evangelium von der Wiederkunft Christi (Mt 25, 31- 46): Als Weltenrichter spricht Christus sein Urteil über den von Engeln ins Gericht geführten Menschen. Brot und Kanne: »Ich war hungrig, und ihr gabt mir zu essen. Ich war durstig und ihr gabt mir zu trinken.«
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1982 Das Hungertuch aus Haiti Der Künstler Das Hungertuch aus Haiti orientiert sich an den Bibeltex- gemalt, dessen Wurzeln tief in das Dunkel der »Sintflut« ten der fünf Fastensonntage im Lesejahr B. Vom Künstler reichen. Dazwischen keimen die Samen als Zeichen der wurden diese Texte mit Darstellungen des Tages- und Hoffnung. Der Künstler bringt das Leiden und Opfer Chri- Weltgeschehens verwoben. Auf der unteren Ebene zei- sti in Verbindung mit der Szene im Halbdunkel des Wur- gen die Bilder Szenen der Heimatlosigkeit, der Friedlo- zelwerkes. Es ist derselbe Christus, der am Kreuz hängt, sigkeit und der Orientierungslosigkeit. Christus überwin- der im Boot der Flüchtlinge sitzt, der unter den Knüppeln det in den Bildmotiven der mittleren Ebene das Böse. der Soldaten zusammengebrochen ist. In der oberen Ebene sehen wir Bilder der Hoffnung, der Der siebenfarbige Regenbogen umspannt das Ge- neuen Schöpfung und der uns allen verheißenen Tisch- samtbild. Das dunkle Blau wiederholt sich im Wasser der gemeinschaft. – Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung Sintflut. Dieser Regenbogen ist Zeichen für das Ja Gottes der Schöpfung kennzeichnen in der Nachtfolge Jesu die zum Leben des Menschen und zur ganzen Schöpfung: Ausrichtung MISEREORs. die Erde ist Wohnraum für alle Menschen (Gen 9, 8-15). Die linke senkrechte Bildfolge zeigt Jesus als den Die rechte senkrechte Bildfolge zeigt die Menschen, neuen Adam (Mitte), der die Versuchung in der Wüste die in die Gefangenschaft nach Babel geführt wurden (2 Jacques Chéry wurde 1928 in Cap bestanden hat (Mk 1, 13) und im Frieden mit den wilden Chr 36, 14-16). Die einen sitzen am Fluss und weinen; Haitien/Haiti geboren und lebt seit Tieren lebt. In dieser Überwindung erweist er sich als der die Mehrheit arbeitet an einem turmartigen Berg, der aus den 60er Jahren in der Hauptstadt Port-au-Prince. Ehe er in der Lage »Menschensohn« (Mk 9, 9). Der Künstler malt die Ver- dem Wasser ragt. Sie versuchen den Gipfel zu erreichen war, sich und seine Familie durch suchung zu Reichtum, Vergnügen und Macht in bildhaft- und benutzen dabei rücksichtslos ihre Mitmenschen als seine Kunst zu ernähren, arbeitete symbolischer Art: Die Versuchung Jesu wiederholt sich in Trittbretter. er unter anderem als Friseur und als unserem Leben. Jesus protestiert gegen den Tempelmarkt (Joh 2, 13- Tankwart. Mit 17 Jahren besuchte Mit den Zehn Geboten verweist der Künstler auf den 22). Er weist im Bild der Tempelreinigung auf die Tisch- er für ein Jahr die Schule »Centre d‘ Bund zwischen Gott und Israel. Er bringt sie mit den gemeinschaft, zu der sich Menschen aller Rassen ver- Art« in Cap Haitien. Er zählt in Haiti Menschenrechten, die oft genug mit Füßen getreten wer- sammelt haben: sie ist Maßstab für jede brüderliche und zu den bekanntesten »primitiven« den, in Verbindung. Die »Sintflut« (unten) als Bedrohung schwesterliche Gemeinschaft. Künstlern, deren optimistische und des Menschen ist nicht zu Ende. Konkret wird das Recht ausdrucksstarke Kunst in der Frische ihrer Bilder und ihrem außergewöhn- des Menschen auf Heimat missachtet. Jesus ist mitten lichen Sinn für Formen und Farben unter den Heimatlosen. begründet ist. Die mittlere senkrechte Bildfolge zeigt Jesus gleich der Schlange, die Mose in der Wüste erhöht hat (Joh 3, 14-21), am Kreuz hängend. Der Künstler hat einen Kreuzesbaum
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1984 Leben – Wasser und Licht Der Künstler Das Hungertuch aus Indien lässt sich von den gottes- – Der linke Lichtstrahl, der das Mausoleum berührt, ist dienstlichen Lesungen der fünf Fastensonntage im Lese- ein Verweis auf den Islam und dessen Auferstehungs- jahr A inspirieren. Das Thema lautet: »Leben – Wasser hoffnung. und Licht«. – Der zweite verweist auf Hinduismus und Buddhismus, Im Zentrum des Hungertuches sehen wir die Gestalt für die die Symbole »Fluss« und »Baum« besonders Christi. Sein Antlitz weist nach oben, seine Hände öffnen wichtig sind. Der Fluss entspringt neben einem heili- sich nach unten wie Gefäße, den Bedürfnissen der Müh- gen Banyan-Baum, dort, wo der Lichtstrahl die Erde seligen und Beladenen entgegengestreckt. Leuchtendes berührt. Wasser ergießt sich von oben über seine Gestalt: Chris – Der dritte Lichtstrahl leuchtet über der Christusgestalt. tus ist lebendiges Wasser für alle, die nach Gerechtigkeit Christus ist der vom Vater Verherrlichte (Mt 17, 1-9). dürsten. Mose ist als Führer seines Volkes, der mit sei- – Das rechte Lichtbündel trifft die Frau am Brunnen und nem Stab Wasser aus dem Felsen schlägt, gleichzeitig erinnert an die Offenbarung Gottes in uns Menschen der Zeuge, der durch Askese und Meditation für sich und selbst, an »jenes Licht, das jeden Menschen erleuch- andere die Quelle der himmlischen Gnade erschließt. tet« (Joh 1, 9). Jyoti Sahi wurde 1944 in Poona bei Auch Licht symbolisiert für den Künstler Leben: Licht Auferstehung und Leben sind für den Künstler eine Bombay/Indien als Sohn einer trifft das Mausoleum und die Gestalt des Lazarus. Es ist reale Hoffnung. Diese Hoffnung begründet den Glauben englischen Mutter und eines in- dischen Vaters geboren. Als junger das Licht der Auferweckung und des Ostermorgens. Licht an den großen Reichtum menschlichen Lebens: Die dun- Mann besuchte er die Kunsthoch- schenkt dem Blindgeborenen Sehvermögen und neues kelhäutigen Menschen links unten sind als Angehörige schule in London, lehrte Kunst an Leben. Licht trifft die Menschen mit den Wasserkrügen, der niedrigsten sozialen Schichten gekennzeichnet. Der verschiedenen Schulen. Wanderarbeiter, Kastenlose. Auch sie werden aufge- ebenfalls dunkle Christus wendet sich ihnen zu. Jyoti Sahi ist mit einer Engländerin weckt; aus Getretenen und Gebeugten werden aufrechte Die Samariterin am Jakobsbrunnen (Joh 4) im blauen verheiratet und hat fünf Kinder. Menschen, ihrer Würde bewusst. Gewand der Unberührbaren ist wie die indische Harijan- Die Familie lebt in einem Künstler Licht, das sich mit dem Wasser verbindet, trifft die Ge- Frau, die den Angehörigen der höheren Kaste kein Was- Ashram im Raum Bangalore, wo stalt Christi. ser reichen darf. Christus durchbricht diese Schranken Jyoti Sahi auch seine Begegnungs- Licht trifft den Baum am Brunnen und lässt den Lotos zwischen Mann und Frau, zwischen dem Kastenhindu stätte „Indian School of Art for aus dem Krug hervorbrechen. und dem Kastenlosen. Die Frau in der blauen Mandorla Peace” betreibt. Er ist einer der Die vier Lichtströme stehen bei dem Künstler für vier hat der Künstler als Träne Jesu dargestellt. Es ist Maria, bedeutendsten christlichen Künstler Weisen der Offenbarung Gottes. Damit will er zugleich die Schwester des Lazarus, die um ihren Bruder weint. des modernen Indien. die Hochschätzung anderer Religionen betonen. Jesus begibt sich mitten in das Leid der Menschen und schafft neues Leben.
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1986 Als Christen auf dem Weg Die Künstlerinnen & Bild 1 ist Einstieg und Schlussbild zugleich. Die Motive Bild 5: Verlorene Gemeinde – Irrwege und Umkehr Künstler 2-8 sind mit ihren biblischen Texten den einzelnen Sonn- (Lk 15, 11-32) – Die Leute von Santiago de Pupuja erzäh- tagen der österlichen Bußzeit sowie dem Ostersonntag len von den Fesseln am Bein ihrer eigenen Gemeinde: von Lesejahr C zugeordnet. Die Bilder sind das sichtbare Abhängigkeiten vom Alkohol und von geschenkten Le- Ergebnis der gemeinsamen Reflexion von Frauen und bensmitteln. Männern der Gemeinde Santiago de Pupuja: »Als Chris- Bild 6: Gemeinde des Exodus (Jes 43, 16-21) – Die ten auf dem Weg«. Hauptsymbol ist der Fuß. Sie deu- Indios identifizieren sich mit Israel und seiner Heraus- ten damit das »Auf-dem-Weg-Sein« ihrer Gemeinde an. führung aus Ägypten. Sie gehen als Gemeinde gerettet Das Symbol der Hände ist Inbegriff des verantwortlichen, und befreit durch das Meer der Bedrängnis, in das sie Die Bilder des Hungertuches aus gegenseitigen Helfens. Das Buch der Bibel ist die Brille, den Doppelgesichtigen, den Alkoholabhängigen und den Peru wurden von Frauen und Män- durch die sie ihre Welt neu entdecken und verstehen. dürren Baum als Inbegriff einer toten Gemeinde gemalt nern aus Santiago de Pupuja gemalt, Bild 1: Gemeinde als der fruchtbringende Baum haben. Christus lebt in und durch diese Gemeinde. Sie- einem Dorf in den Südanden Perus. (Lk 13, 6-9) – Die Gemeinde sieht sich im Bild des frucht- ben Sterne (Offb 1, 16ff.) schmücken sein Gewand; seine tragenden Feigenbaums. Auf dem Anzug des Animadór Brust weitet sich zum Tor des Lebens (Joh 10, 7-9). 1978 haben sie damit begonnen, ihr hartes Leben als indianische Bauern entdecken wir ihre »Früchte«: die Errichtung eines Ge- Bild 7: Kraft des Leidens (Lk 23, 26-31) – Die Indio- gemeinsam und selbstverantwortlich meinschaftshauses, das Pflanzen von Bäumen, die Gemeinde hat ihre konkreten Leiden in das Kreuzesholz zu gestalten. Die Bibel hilft ihnen, gleichberechtigte Zusammenarbeit von Mann und Frau. hinein gemalt: den leeren Krug, Symbol des Hungers; die dieses Leben im Licht des Evange Bild 2: Versuchungen (Lk 4, 1-13) – Das Bild zeigt den erdrückende Last, Symbol endloser Armut; das angst- liums neu zu verstehen und zu erken- »Versucher« in der Gestalt des »Doppelgesichtigen«. Er volle Gesicht, Sinnbild für den Schrei nach Gerechtigkeit. nen, dass Gottes Verheißung für die schenkt den Indios Nahrungsmittel, Früchte und Dollars. Bild 8: Österliche Hoffnung (Kol 3, 1-4) – Das »neue Armen auch ihnen gilt. Diese Bilder Die Menschen sind glücklich und beklatschen ihn, aber Jerusalem«, die »Stadt, erbaut aus lebendigen Steinen« einer armen Indio-Gemeinde sind in er nimmt sie auf der anderen Seite gefangen. (Offb 21), ist Heimat für die Indios. Diese Hoffnung steht ihrer naiven Technik eine glaubwür- Bild 3: Christus als Hütte (Lk 9, 28-36) – Die Indios malen für sie auf vier festen »Füßen«. Auf den Füßen lesen wir: dige und authentische Botschaft für die Glaubensbrüder und -schwestern Christus als Hütte, auf die sie zugehen. Er selbst ist das »Auferstehung«, »Werke«, »gehend machen«, »sehend in Europa. Sie waren gleichzeitig Haus, seine ausgebreiteten Hände das Dach. machen«. Die Reichtümer der indigenen Völker sucht Anstoß dafür, dass zahlreiche Grup- Bild 4: Gottes »Ja« zu den Armen (Ex 3, 1-8) – Gott MISEREOR zu vermitteln. pen und Gemeinden bei uns Hunger- offenbart sich dem Mose im brennenden Dornbusch. Die- tücher anfertigten, die Zeugen selbe Fackel, Symbol der rettend-befreienden Gegenwart des eigenen Lebens und Glaubens Gottes, schlägt auch aus dem Fuß, dem Sinnbild für die sein sollten. Gemeinde auf dem Weg.
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1988 Vater unser im Himmel Der Künstler Das Hungertuch aus Kamerun ist in seinen Bildmotiven nahrungsmittel im Süden und Norden Kameruns. Dazwi- geprägt von der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und schen zeigt er den Weg des Menschen, ein Kampf ums kulturellen Situation Kameruns. Zentrales Thema sind die tägliche »Brot«, von der Geburt bis zum Tod. Christus Vaterunser-Bitten (Mt 6, 9-14). Gott begleitet die Afrika- reiht sich ein in diesen Kampf ums tägliche Überleben. Er ner in ihrem täglichen Leben. Als Immanuel und Urahn ist Lasten- und Segensträger zugleich. lebt er, erkennbar am roten Gewand, mitten unter den Vergib uns unsere Schuld – und führe uns nicht in Ver Menschen (Mt 18, 20). Die Ahnen, dargestellt in der suchung: Die afrikanische Lebenswirklichkeit ist keine Randleiste des Hungertuches, sind wesentliches Lebens heile Welt. Neben den Masken hat der Künstler diese prinzip afrikanischer Existenz. Sie sind Mittler zu Gott »Versuchungen« dargestellt: und tatkräftige Helfer in der Bewältigung des Lebens. Die Kakaosäcke symbolisieren, wie die Baumwolle, die Vater unser im Himmel: Im Mittelpunkt des Hunger- Weltmarktabhängigkeit Kameruns. tuchbildes sehen wir die Mahlgemeinschaft. Vier Erwach- Der Alkoholismus ist Ausdruck von Orientierungslosig- sene sitzen um einen Topf und essen gemeinsam daraus. keit und Verzweiflung. Auch das Kind und die Tiere erhalten ihren Teil. Mit dem Die Korruption trifft vor allem die kleinen Leute. Das René Tchebetchou wurde 1949 in Mahl verweist der Künstler auf die ganzheitliche Gottes- Schicksal der Kranken wird von schlecht ausgestat- Westkamerun geboren. Er wuchs in erfahrung der Afrikaner und zeigt, wie Gottes- und Näch- teten Krankenhäusern bestimmt. Die Jugend hat kaum einer Familie mit sieben Kindern auf. Mit fünf Jahren gaben die Eltern ihren stenliebe zusammengehören. Christus sitzt mitten unter Berufschancen. Nahrungsmittellieferungen aus den USA Sohn einem Onkel in Obhut, damit ihnen, nur erkennbar am roten Gewand. und der EU überschwemmen den einheimischen Markt. er in der Stadt die Schule besuchen Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, im Him- MISEREOR, das Werk, das Gottes erbarmende Gerechtig- konnte. 1976 ging er nach Paris. Dem mel wie auf Erden: Unter der Mahlszene sehen wir eine keit bezeugen will, stärkt dagegen die Eigenkräfte der Diplom an der ,École des Beaux Arts‘ Gruppe tanzender Menschen. Der Künstler malte Christus Armen. folgte das Lizentiat in plastischer als Trommler: Er bestimmt Takt und Rhythmus, er stif- … sondern erlöse uns von dem Bösen: Mit dem äuße- Kunst an der Universität VIII. tet die Menschen zur Freude an. Mahl- und Tanzszene ren Bildrahmen der Ahnen wird der Kreis geschlossen. lm Oktober 1981 kehrte René Tche- zeigen, wie sehr die Afrikaner eingebunden sind in die Nur wenn die afrikanische Gesellschaft ihrer Ahnen ge- betchou nach Kamerun zurück. Seine Gemeinschaft mit Gott, mit allen Mitmenschen, ob ver- denkt, wenn Christus durch seine Geburt, sein Leiden, auf zahlreichen nationalen und inter- storben, lebend oder noch nicht geboren, mit allen Lebe- seinen Tod und seine Auferstehung in diese Gemein- nationalen Ausstellungen gezeigten wesen sowie der gesamten Natur. schaft als »Erster unter den Ahnen« eingegliedert wird, Bilder finden wegen ihrer künstle- Gib uns heute unsere tägliche Nahrung: Der Künstler nur dann wird die befreiende Botschaft der Bibel neue rischen Kraft und Originalität weite malt dazu die Bananenstaude links und die Hirsepflanze Impulse setzen. Anerkennung. rechts von der Mahl- und Tanzszene. Es sind die Grund-
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1990 Biblische Frauengestalten – Wegweiser zum Reich Gottes Die Künstlerin Das Hungertuch »Biblische Frauengestalten« zeigt Frauen Rut – Drei Menschen sind in diesem Bild einander zu- der Bibel als Führerinnen und Begleiterinnen zum Reich gewandt: Die dunkelhäutige Rut und ihre Schwiegermut- Gottes. Mittelpunkt des Hungertuches ist eine sym- ter Naomi, sowie Boas. Garben von Korn verbinden die bolhafte Darstellung des Gleichnisses Jesu vom Reich drei (Rut 1,22; Rut 2,8; Rut 4, 13.17). Gemeinsam sorgen Gottes: Es ist wie der Sauerteig und wie ein Senfkorn. Frauen und Männer für eine gerechtere Welt. Zwei Frauen Die Künstlerin malte das Meditationsbild in der Mitte als unterschiedlichen Alters, beide arm und heimatlos, hal- Mandala. Es ermöglicht die »Reise nach innen«, wenn ten zusammen und erneuern das Volk Israel. wir über das Wachsen des Reiches Gottes nachdenken. Maria und Elisabeth – Die schwangere Elisabeth Die biblischen Gestalten der übrigen sechs Bildmotive tanzt auf Maria zu, die im Magnificat ausruft: »Er stürzt sind Führerinnen und Begleiterinnen bei der »Reise nach die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.« außen«, auf unserem Weg zu den Armen, Unterdrückten (Lk 1, 52). und Ausgeschlossenen. Jesus und die syrophönizische Frau – Die syrophöni- Das Reich Gottes ist wie ein Sauerteig – Eine Frau sitzt zische Frau steht mit beschwörender Gebärde vor Jesus Lucy D‘Souza wurde 1949 in Goa/ Indien geboren. Nach ihrem Stu- in einem Weizenkorn, wirkt Sauerteig ins Mehl und kne- und deutet auf ihre kranke Tochter. Jesus weist sie zu- dium, das sie mit einem Bachelor tet es zu Brot. Das Wachsen des Reiches Gottes ist für sie nächst ab. In ihrem Hinweis auf die Hündchen, die von of Arts und einem Bachelor of Edu- ein Durchsäuerungsprozess, der immer durch den Tod den Brocken fressen, welche vom Tisch ihrer Herren fallen, cation abschloss, unterrichtete sie zum Leben geht. erkennt Jesus ihren tiefen Glauben. vier Jahre lang in ihrem Heimatdorf. Die Prophetin Mirjam, Schwester des Mose und Aaron, Maria von Magdala schreitet aus dem Licht des Aufer- 1976 trat sie in das Säkularinstitut feiert die Befreiung ihres Volkes aus der Hand der Ägyp- standenen in das Dunkel der Furcht, in dem die Jünger der Khristsevikas in Raipur im Bun- ter (oben links). Das Element Wasser bestimmt diese angstvoll verharren. »Sie verkündete ihnen: Ich habe den desstaat Madhya Pradesh ein und Szene, ein Hinweis auf die Schwerarbeit zahlloser Frauen Herrn gesehen. Und sie richtete aus, was er ihr gesagt arbeitete als Sozialarbeiterin auf in Indien. hatte« (Joh 20, 18). Jesus beauftragt sie, das Evangelium dem Gebiet der Aus- und Weiterbil- dung für Frauen und Kinder. Im April Schifra und Pua – gewaltloser Widerstand ist möglich: von der Auferstehung zu verkünden. »Apostolin der Apo- 1983 ging sie nach Bangalore, um Drohendes Dunkel und wärmendes Feuer kennzeichnen stel« nennt sie der Heilige Austinus. MISEREOR-Partner von dem indischen Künstler Shri Jyoti diese Szene. Die beiden Hebammen Schifra und Pua der Südkontinente führen uns klar vor Augen, wie ge- Sahi zu lernen. Sie lebt heute in Wal- widerstehen dem Pharao und retten die neugeborenen rade Frauen die Protagonistinnen von Entwicklung und dems/Deutschland. Knaben der Hebräer mit List und fast tollkühnem Mut Gerechtigkeit sind. (Ex 1, 15-21). Sie sind Vorbild und Hilfe für alle tapferen Frauen, die heute gegen die Drohung des Todes für Leben, Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden kämpfen.
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1992 Ein neuer Himmel und eine neue Erde Der Künstler Das Hungertuch aus Lateinamerika ist die 15. Station eines – Ita Ford, die in El Salvador ermordete Maryknoll- Kreuzweges. Entstanden aus Anlass des Gedächtnisjahres Schwester aus den USA; »500 Jahre Lateinamerika«, zeigen die Kreuzwegbilder den – die als »Doña Tingo« bekannte Florinda Soriano aus Weg des Leidens, den die lateinamerikanischen Völker in der Dominikanischen Republik; den vergangenen Jahrhunderten gegangen sind. Der aufer- – die Mütter von der Plaza de Mayo, die nicht aufhören, standene Christus ist umgeben von lateinamerikanischen nach den Verschwundenen zu fragen. Märtyrerinnen und Märtyrern unserer Tage. Thema ist die bi- Auf der rechten Seite (vom Betrachter aus gesehen blische Vision: »Wir erwarten einen neuen Himmel und eine sehen wir: neue Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt« (2 Petr 3, 13). – Vicente Menchu, den vom guatemaltekischen Militär In der Bilderwelt des MISEREOR-Hungertuches aus Latein- ermordeten Bauernführer; amerika, mit der uns MISEREOR auch an die Folgen der un- – zwei Straßenkinder, die von Killerbanden ermordet menschlichen Kolonialzeit bis heute erinnern will, treten die wurden; unterschiedlichen VertreterInnen der lateinamerikanischen – einen peruanischen Bergarbeiter; Völker und ihrer Kirche vor unsere Augen. Mitten unter den – den Inka Tupac Amaru, der im 18. Jahrhundert gegen Adolfo Pérez Esquivel wurde 1931 Straßenkindern, IndianerInnen, Bischöfen, Landarbeitern, die Unterdrückung der Spanier rebellierte und auf dem in Buenos Aires/Argentinien ge- Ordensfrauen und Indios steht Christus, der Auferstandene. Marktplatz von Cusco gevierteilt wurde; boren, Bildhauer, Architekt und Bürgerrechtler. 1980 zeichnete das Neben der Gestalt des Auferstandenen (links vom – eine Indianerin und einen Indianer; Nobelpreis-Komitee ihn mit dem Betrachter) sehen wir – Zumbi, den ermordeten Schwarzenführer aus Los Friedenspreis aus. Professor an der – Chico Mendes aus Acre/Brasilien, der für den Bestand Palmares. Universität von La Plata und an der des Regenwalds eintrat und ermordet wurde; Links unten sitzt als Symbolfigur die Pachamama, die »Escuela de Bellas Artes« in Buenos – Luisito Torres aus El Salvador, der aus der katholischen Mutter Erde. Aires. 1974 Generalsekretär der Jugendarbeit kam; Rechts oben sehen wir die Ankunft der Karavellen des Organisation Servicio Paz y Justicia – Erzbischof Oscar Romero aus El Salvador, Kolumbus, die Conquista und ihre Folgen für die india- (SERPAJ). Am 4. April 1977 wurde er ermordet 1980; nischen Völker (millionenfacher Völkermord). von den argentinischen Militärs ver- – Santo Dias, einen brasilianischen Gewerkschaftler Links oben die lateinamerikanischen Großstädte mit haftet und blieb ohne Anklage und ohne Prozess bis zum 22. Juni 1978 aus São Paulo; ihren Hochhäusern, Fabriken und Favelas. im Gefängnis. Er doziert in Buenos – Lucho Espinal, den in Bolivien ermordeten Jesuiten Im Mittelteil des Bildes sehen wir die Ruinen von Machu Aires an der Fakultät für Sozial aus Spanien; Picchu, die Stufenpyramiden der Maya und Azteken, das wissenschaften. – Alice Dumont, die in Argentinien ermordete französische Sonnentor von Tiahuanaco: Zeugen der indigenen Hochkul- Seit 2004 ist Esquivel Mitglied der Ordensschwester; turen aus der Vergangenheit des Kontinents. Jury des Internationalen Nürnberger – Msgr. Enrique Angelelli, Bischof von La Rioja/ Menschenrechtspreises. Argentinien;
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1994 Gott begegnen im Fremden Der Künstler Angesichts weltweiter Migrationsbewegungen wird der vergiften (rechts unten). Herrschende Denkweisen, die Umgang mit den Flüchtlingen und Fremden zum Testfall Ängste schüren – um Eigentum und Arbeitsplatz, um christlicher Solidarität. MISEREOR fördert in Afrika, Asien die nationale Identität – erzeugen eine Stimmung gegen und Lateinamerika viele Projekte, um vor allem gegen Fremde, der sich der Einzelne nur schwer entziehen kann. das Elend von Frauen und Kindern auf der Flucht vor Flucht als Befreiung – Die Mosesgeschichte: Moses Gewalt und Krieg anzugehen. steht mit Aaron vor dem Pharao (rechts oben). Sie bit- Der Künstler verknüpft in Linoltechnik biblische Aus- ten: »Lass unser Volk ziehen«. Jahwe befreit sein Volk sagen mit afrikanischer Realität. Im Mittelpunkt steht die aus dem Sklavenhaus (Ex 20, 2). Auf diesen Liebesbe- Emmausgeschichte (Lk 24), die deutlich macht: Wer dem weis Gottes, der gegen jegliche Sklaverei und Unterdrü- Fremden begegnet und ihn aufnimmt, findet Gott und ckung ist, soll das Volk seinerseits mit Achtung und Ge- sich selbst (Lk 24, 13-35). rechtigkeit den sozial Schwachen, Witwen, Waisen und Bleibe bei uns, Fremder – Die Emmausgeschichte: Fremden gegenüber antworten. So bekräftigt es, dass es Zwei Männer, mit Reisesack unterwegs, laden einen an Gottes Bund festhält. Azaria Mbatha wurde 1941 in Makeba Fremden zu Gast bei sich ein. Erst beim Brotbrechen er- Zusammenleben mit Fremden – Das himmlische Jeru /Südafrika geboren. 1961 lernte er kennen sie Jesus (Bildmitte). Der Auferstandene will sich salem: Mbatha malt das neue Jerusalem als Haus mit den schwedischen Missionar Peder auch heute als Fremder und Ausgestoßener denen zu er- vielen Wohnungen (Mitte oben). Das Reich Gottes, ge- Gowenius kennen, der ihn in die Technik des Linolschnittes einführte. kennen geben, die seine Jünger sein wollen. fährdet wie ein winziges Senfkorn, wird doch zum Baum, Er begleitete ihn nach Umpumulo Die Hölle auf Erden – Alltag für Millionen: Menschen in dessen Zweigen die Vögel des Himmels Wohnung fin- (Natal), wo beide eine Kunstschule sind auf der Flucht und stehen als Fremde vor unserer den (vgl. Mk 4, 30-32). So wie diese Vögel dürfen die für Afrikaner aufbauten. 1963 wurde Tür. Der Künstler zeigt eine Gruppe von Sklaven, mit Menschen aller Rassen und Hautfarben im Schatten des diese Kunstschule an ihren heutigen Ketten gebunden (links unten). Schätzungen sprechen »Reich-Gottes-Baumes« leben. Der Künstler lädt uns ein, Sitz nach Rorke’s Drift, Natal, verlegt, von rund 100 Millionen Menschen, die allein in Afrika als in der Jesus-Figur der Emmausgeschichte auch Jahwe zu wo Mbatha mehrere Jahre unter- Sklaven und Sklavinnen verschleppt wurden. sehen, der von uns fordert: »Das ist ein Fasten, wie ich richtete. 1965 bis 1967 Stipendium Aufbruch zu einem neuen Leben – Die Abrahamge- es liebe: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke für die Kunstfachschule Stockholm. schichte: Abraham verlässt mit seiner Familie seine Hei- des Jochs zu entfernen, … die obdachlosen Armen ins 1968/69 lehrte er wieder Kunst in Rorke’s Drift. mat Haran. Er wurde zum Prototyp für den Menschen, Haus aufzunehmen« (Jes 58, 6-7). der »unbehaust« ist (links oben). 1970 kehrte er nach Schweden Struktur des Todes – Kultur des Lebens: Wir sehen zurück, studierte Kunstgeschichte ein großes Spinnennetz, gefüllt mit hilflosen Menschen und Sozialwissenschaften. Lebt seit- dem als freischaffender Künstler in sowie Spinneneiern, von denen einige ihr Gift verströ- Schweden. men. Das Gespinst des Bösen kann ein ganzes Volk
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1996 Hoffnung den Ausgegrenzten Der Künstler Die ausdrucksstarken fünf Bilder des Tuches sind in Form Umweltzerstörung (Bild links unten) steht der retten- eines Triptychons gestaltet: den Arche Noah (Gen 6-9) und dem Regenbogen als In der Mitte ist Jesus in seinem Sterben dargestellt. Zeichen des Bundes zwischen Gott und den Menschen Der gequälte, geschundene und in die Leiden der Zeit gegenüber. eingebundene Körper hängt vor undurchdringlicher Mirjam (Bild l. o.), in deren Gewand die Farben des Re- Finsternis. Der Kopf ist nach hinten gefallen, die Augen genbogens eingewoben sind, tanzt gegen den Stachel- verschwinden im Dunkel. Im geschundenen Gottessohn draht der Sklavenhaltergesellschaft an. Der Tanz Israels erkennen wir alle leidenden, gedemütigten und ausge- gilt dem befreienden Gott nach dem Durchzug durch das grenzten Menschen. „Ecce homo“, sagte Pontius Pilatus rote Meer (Ex 14 u. 15). mit Blick auf den gemarterten Jesus: „Seht den Men- Der Teich von Betesta (Bild r. u.), an dem die Kranken schen!“ Ja, seht den Menschen angesichts der Finsternis, versammelt sind, wird zur Quelle der Hoffnung, weil in der Gottesferne, die zur Entfremdung seiner selbst und sein Wasser die Spur des Leidensantlitzes Jesu Christi ein- von Mitmenschen und Mitgeschöpfen führt: Leiden, Tod, geschrieben ist (Joh 5,1 – 18). Zerstörung und Gewalt sind die Folgen. Das Erlösungs- und Befreiungswerk Jesu Christi gip- Das Heilswirken Gottes selbst wird so ins Bild gesetzt felt in der Mahlgemeinschaft, welche die Ausgegrenzten Sieger Köder wurde am 1925 in Wasser und durch die beiden „Flügel“ beispielhaft dargestellt. umschließen will. Die Heilsspur des Auferstandenen und alfingen/Deutschland geboren und ist 2015 verstorben. Nach dem Abitur Sein Wirken in alt- bzw. neutestamentlicher Zeit, in der Brotbrechenden wirkt in seine Kirche und durch diese folgten Arbeitsdienst, Wehrmacht und Geschichte gibt Hoffnung (die beiden linken bzw. rechten – auch durch MISEREOR – in die Welt hinein, damit alle amerikanische Gefangenschaft. Von Bildszenen). Völker, die sich am Familientisch Gottes versammeln, 1947 bis 1951 Studium an der Kunst- Der Künstler überspielt nicht etwa leichthin das Lei- wirkliche Gemeinschaft und „Leben in Fülle“ erfahren. akademie Stuttgart. Nach zwei Jahren den aus der Glaubenserfahrung der Auferstehung. Die Anglistik-Studium von 1954 bis 1965 Wucht des ans Kreuz geschlagenen „Menschensohnes“, Kunsterzieher am Schubart-Gymnasium des leidenden „Gottesknechts“ (Jes 53, 4f) wirkt in ihrer Aalen. Ab 1965 in Tübingen und Mün- Schroffheit in die farbenfrohen Bilder hinein. Gewalt- und chen Studium (Philosophie und Theolo- Leiderfahrung in der Geschichte werden dialektisch im gie). 1971 Priesterweihe, bis 1975 Vikar an St. Suso, Ulm. Von 1975 bis 1995 Glauben ausgehalten: Christen, die sich vom Auferstan- Pfarrer der Gemeinden Hohenberg und denen gehalten wissen, stehen zu den Ausgegrenzten Rosenberg, seit Juni 1995 im Ruhestand und Leidenden, so wie sich Gott in Jesu inkarnierte und in Ellwangen/Jagst. am eigenen Fleisch die Leiden durchtrug.
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1998 Barmherzigkeit und Gerechtigkeit Bildaufbau Das Misereor-Hungertuch »Barmherzigkeit und Gerech- ist nicht mehr möglich, die Zivilbevölkerung zu scho- tigkeit« stellt in einer Verbindung spätmittelalterlicher nen; die Waffenentwicklung hat apokalyptische Aus- Das Hungertuch „Barmherzigkeit und Gerechtigkeit“ ist zum einen eine und zeitgenössischer Bildsprache die aus der christ- maße angenommen. Unter modernen Bedingungen drucktechnisch verbesserte Neuauf- lichen Tradition bekannten »Werke der Barmherzigkeit« heißt der Imperativ: Krieg darf keine politische Option lage des spätmittelalterlichen Me- in die aktuellen Rahmenbedingungen weltweiter Soli- mehr sein. Der Weg dazu ist Gerechtigkeit, denn »Ge- ditationsbildes aus dem Umfeld von darität. Dieses Hungertuch ist damit der Versuch, die rechtigkeit schafft Frieden«. Nikolaus von Flüe, das bereits 1980 Tradition zu aktualisieren und über ein Grundthema der MISEREOR-Hungertuch war. Zum christlichen Überlieferung nachzudenken: das Verhält- Bewahrung der Schöpfung – Bauer in Bangladesch: Ein anderen wurde dieses Meditations- nis zwischen Liebe und Gerechtigkeit, zwischen Barm- Mann bearbeitet ein Feld in mühevoller Handarbeit: Er bild um vier Fotografien erweitert, herzigkeit und Politik. ist ein Mensch in seiner Umwelt, nicht jemand, der sich die einen Rahmen bilden, in den das Die Fotos stehen ebenfalls für die »Taten der Gerech- die Natur zerstörend unterwirft, sondern der sie behut- spätmittelalterliche Hungertuch nun eingelassen ist. tigkeit«: Sie greifen die Rahmenbedingungen auf, die sam gestaltet. Er steht für einen nachhaltigen Umgang verantwortlich für Ausmaß und Formen der Armut sind, mit der Natur, in dem die Interessen der jetzt lebenden mit denen das konkrete Handeln konfrontiert wird. Menschen nicht den Interessen der kommenden Gene- rationen übergeordnet werden. Gerechtigkeit – Markthändlerin in Südindien: Diese Frau ist eine »Justitia« aus der Dritten Welt – Urbild Rechte der Frauen – Frauen in Bangladesch: Dieses Bild der Taten der Gerechtigkeit. Sie befindet sich auf dem steht für die rechtliche Gleichstellung von Frauen. Die Markt, was ein Hinweis darauf ist, dass es hier beson- vordere der beiden scheint etwas zu erklären, wobei ihr ders um Fragen wirtschaftlicher Gerechtigkeit geht. Es Gesichtsausdruck und ihre Geste einen ruhig-selbstsi- ist die Waage, das Symbol ausgleichender Gerechtig- cheren Eindruck vermitteln, besonnene Kraftentfaltung. keit, mit der eine Überwindung der Ungleichgewichte Sie steht für den weltweiten Aufbruch der Frauen: Ge- in den sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen an- rechtigkeit in den Beziehungen und Arbeitsteilungen gemahnt wird. zwischen Frauen und Männern. Frieden – Bürgerkrieg im Libanon: Ein Mann in Uniform mit einem Maschinengewehr in der Hand steht einer Frau gegenüber, die ihm mit offenen Armen schutzlos ausgeliefert ist. Das Bild zeigt, wie sich das alte Thema von Krieg und Frieden in der Moderne verändert hat: Es
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2000 Ein Jahr, das Gott gefällt – Neubeginn und Befreiung Der Künstler Zum Jahr 2000, der Jahrtausendwende, bewegte viele Die Frauen – Frauenrechte stärken: Frauen sind keine Menschen die Idee des biblischen Jubeljahres (Lev 25). Opfer, sie stehen gemeinsam auf, sie wissen, dass sie Im Alten Testament wird damit ein Neuanfang, die Wie- ebenso wie die Männer Abbild Gottes sind (Gen 1, 26; derherstellung einer geschwisterlichen Gemeinschaft und Gal 3,28). der Erlass der Schulden verbunden. MISEREOR griff diese Die Opfer des Terrors – Die Gefesselten befreien: Die Idee auf und engagierte sich mit vielen seiner Partner bedrückenden Szenen der Tyrannei werden aufgebro- aus Afrika, Lateinamerika und Asien an der internationa- chen durch Zeichen der Solidarität untereinander: Män- len Erlassjahrkampagne. In verschiedenen Szenen greift ner und Frauen tragen den Bambus, das indonesische der Künstler Folgen der Verschuldung, aber auch Befrei- Symbol für nationale Identität. ung und Neuanfang auf. Der leere Krug – Schöpfung bewahren: Der Inhalt des Die Bilder-Spirale – In die Fülle des Lebens eintreten: leeren Kruges versickert im Sand, Sinnbild der zerstörten Anfang und Neubeginn sind etwas Dynamisches. Der Schöpfung. Aus Ölfässern entströmt eine giftige Brühe, Künstler hat – ausgehend vom Schöpfergott – im Uhrzei- in den Himmel ragende Industrieschlote verdunkeln die gersinn eine immer enger zulaufende Spirale gestaltet. Sonne. Suryo Indratno wurde 1969 auf Diese Bewegung symbolisiert den Rhythmus des Lebens Die Lastenträger – Gerechtigkeit schaffen: Im »Jahr, Java/Indonesien geboren und und der Schöpfung. Sie mündet ein in das zentrale Sym- das Gott gefällt« ließ man die Erde ruhen, gab den Skla- verstarb 2018. Er wollte Anwalt der Kleinen und Unterdrückten sein und bol des javanischen »Bergbaumes«, ein kosmisches Bild vinnen und Sklaven die Freiheit zurück und proklamierte die Not des Volkes ins Bewusstsein für die Harmonie zwischen allem, was lebt. den Erlass aller Schulden. rufen, aber auch der Hoffnung ein Gott der Schöpfer – Ins Leben rufen: Gott hat uns Men- Das Mahl – Neu beginnen: Um den Reisberg herum fei- Gesicht geben. »Kunst als Prophetie« schen nach seinem Bild geschaffen (Gen 1, 26f.). Und so ern Männer und Frauen verschiedener Herkunft ein Fest. – das war sein Anspruch. dürfen wir uns auch von ihm »ein Bild machen«. Suryo Dies ist das zentrale Symbol der Reich-Gottes-Vision. Indratno arbeitete seit 1990 als frei- hat ihn mit dunkler Haut und indonesischen Gesichtszü- Der javanische »Bergbaum« – In den Dialog der Re- schaffender Künstler in Yogyakarta. gen gemalt. ligionen eintreten: Christen tragen gemeinsam mit den Sein Werk ist mit mehreren Preisen Die Dorfbevölkerung – Die Früchte ihrer Arbeit genießen: Vertreter(inne)n aller anderen Religionen Verantwortung ausgezeichnet worden, unter ande- Der Künstler bricht die friedliche dörfliche Idylle auf und dafür, dass Brücken gebaut und nicht tiefere Gräben aus- rem wurde ihm der missio-Kunstpreis zeigt im Hintergrund protestierende Arbeiter, die sich mit gehoben werden. Der Bergbaum verbindet Himmel und 1995 verliehen. erhobenen Fäusten gegen Ausbeutung zur Wehr setzen. Erde. Der Lehrer – Zu Gerechtigkeit und Frieden erziehen: Der Lehrer weist auf eine Tafel, in der anderen Hand ba- lanciert er eine Waage, das Symbol für Gerechtigkeit.
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2002 Augen-Blicke des Friedens Der Künstler Das Hungertuch steht unter dem Thema »Frieden«. Frie- Krieg und Frieden. Es sind die Augen der Anderen, die den ist die Voraussetzung für jeden Entwicklungspro- uns anschauen, in denen wir uns spiegeln. So entsteht zess und umgekehrt fördert Entwicklungszusammenar- erst Dialog. Die ornamentalen »kosmischen Lettern« des beit Frieden. Dem weiß sich MISEREOR verpflichtet. Der Hintergrundes sind universale Zeichen, die einen welt- Wunsch nach einer friedlicheren Welt führt immer wieder umspannenden Dialog ermöglichen. Eine allen gemein- zum Menschen: Was ist der Mensch? Wie ist der Mensch? same Weltsprache könnte man es nennen. Der Mensch und seine Beziehung zu Mitmenschen, zur Kreuz, Baum und Taube: Das Kreuz ist ein uraltes Sym- Natur und zu Gott stehen im Mittelpunkt des Gesche- bol. Weg-Kreuzungen sind Treffpunkte und sie fordern hens. Entscheidungen. EL Loko malte das Kreuz Christi. Zudem Das Bild: 36 Gesichter schauen uns an. Ein helles Rot, ist es ein »Kreuz in Bewegung«, es bringt Dynamik in erdiges Ocker, Schwarz und Ultramarinblau leuchten uns die Ordnung der Gesichter und übergreift die vielen Ver- entgegen. Es sind die Farben der Menschen dieser Welt. einzelten und verheißt so seine Gemeinschaft. Das Ver- EL Loko wurde 1950 in Togo geboren Auf diesem Hungertuch ist die Welt wie ein aus Men- trauen darf wachsen, dass in der eigenen Gewaltlosigkeit und ist 2016 verstorben. Er verstand schengesichtern gewobener Teppich. Allen Gesichtern eine ganz andere Kraft und Macht Raum gewinnen kann. sich als Brückenbauer, der eine auf dem Tuch sind Zeichen eingeprägt: Der Dreizack der Dieser Raum kann beschrieben werden als Gerechtigkeit Verbindung zwischen afrikanischer Gewalt, die Krone der Weisheit, Eidechsen, Buchstaben, und Frieden. Frieden ist noch nicht verwirklicht und nur Kultur und Spiritualität und dem europäischen Kontext herstellte. Blumen, die aus Mündern erblühen. In diesen Gesichtern zu beschreiben als das, was noch nicht ist. Gleich da- Der ehemalige Meisterschüler von sind nicht nur die Menschen und ihre Vergangenheit da. neben, am Fuße des Baumes (der Erkenntnis) windet Joseph Beuys lebte und arbeitete in Die ganze Schöpfung ist symbolisch präsent und mit den sich die Schlange (vgl. Gen 3) – der Weg zum Frieden ist Togo und Deutschland. Zahlreiche Menschen verwoben. Zusammengehalten wird die Kom- immer noch gefährdet. Auszeichnungen, Studienaufenthalte position durch ein tiefblaues Kreuz, das sich schräg nach Augen-Blicke des Friedens: Das Hungertuch will Pro- im afrikanischen und europäischen oben hin aufrichtet, manche Gesichter in sich aufnimmt. zesse anstoßen: Im gemeinsamen Betrachten kann es Ausland und internationale Ausstel- Im Zentrum des Bildes ruht die Friedenstaube. geschehen, dass eine Vision, ein Traum von Frieden ent- lungen kennzeichneten seinen Weg. Weltengesichter und Kosmische Lettern: Für Men- steht, wachgehalten und weitergetragen wird. »Die Welt muss nicht bleiben, wie schen gibt es nichts Spannenderes als Gesichter. EL Ein Triptychon: Erst wenn alle drei Teile des Tripty- sie ist« – diese Worte von Beuys Loko, der Künstler, zeigt uns mit den »Weltengesichtern« chons zusammenkommen, ergibt sich das Ganze. wurden auch für EL Loko maßgeblich. den ganzen Reichtum der menschlichen Vielfalt, ohne Kunst gibt Anstöße und hilft bei der das Gemeinsame zu verleugnen. Erkennen wir Gottes Orientierung. Es braucht Menschen, Ebenbilder in ihnen? Jedem hat er individuelle Züge ver- welche die Welt verändern. Jeder und jede kann »Gesicht zeigen«. liehen. Sie erzählen Geschichten von Tod und Leben, von
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2004 Brot und Rosen – Unser tägliches Brot gib uns. Heute. Die Künstlerinnen Ein leuchtendes Rot strahlt uns entgegen. Die Farbe, die sind, von der Regierung eine Landreform und eigenes in allen Kulturen und zu allen Zeiten das Leben symboli- Land für die Landlosen, Zugang zu günstigen Krediten siert. Wir sehen Menschen und Hände, die handeln und oder Alphabetisierungskampagnen: Dies alles sind Vo- nicht resignieren. Das Brot wird geteilt, Frauen gehen auf raussetzungen dafür, um sich selbst ernähren zu können. die Straße und schlagen auf leere Töpfe, um auf ihre Si- Die Taube vor dem grünen Kreuz verbindet die drei tuation aufmerksam zu machen. Viele Hände sind aktiv: bisher genannten Bilder und verweist auf die Kraft des aus vollen Töpfen wird geschöpft, Körbe werden gefüllt. Heiligen Geistes, die Menschen zum Brot-Teilen beflü- Die Komposition erinnert an einen Computerbild- geln kann. schirm. Wir sehen kleine Bilder am Rand, Icons, die viele Arbeitende Hände, vor einem grünen Hintergrund Aspekte zum Thema Hunger darstellen. Große Fenster dargestellt, bringen die Hoffnung zum Ausdruck, dass bieten konkreten Einblick in das Thema Hunger und des- alle Menschen – egal welcher Hautfarbe – eines Tages sen Bekämpfung. unter Bedingungen leben, die es ihnen ermöglichen, ihre Sieben Lateinamerikanerinnen*, die Brot und Rosen setzen die zentrale Vater-unser-Bitte Körbe zu füllen und sich selbst zu ernähren. in einem Frankfurter Frauengefäng- »Unser tägliches Brot gib uns heute« (vgl. Mt 6, 9ff.) ins Volksküche. Volle Töpfe – leere Teller: Ein Blick von nis wegen Drogenkurierdiensten Bild. Dass wir von der Erfüllung dieses Rechts noch weit oben auf volle Töpfe und leere Teller machen einerseits inhaftiert waren, erarbeiteten unter entfernt sind, ist in den leeren Tellern und Töpfen auf auf die ungerechte Verteilung von Nahrung aufmerksam. Anleitung von zwei Künstlerinnen und einer Pfarrerin inhaltlich und dem Hungertuch symbolisiert. Andererseits zeigt das Bild zugleich die Basisinitiative gestalterisch das Thema »Unser täg- Die Rosen als Zeichen für Liebe, Solidarität und Ge- von Armen, die solidarisch handeln, um leere Teller zu liches Brot gib uns heute« und mal- rechtigkeit spiegeln sich wider in den Gemeinschaftspro- füllen: In den Volksküchen Lateinamerikas sind es die ten gemeinsam das Hungertuch. jekten, die auf dem Hungertuch dargestellt sind. Armen selbst, die gemeinsam das »tägliche Brot« zum Monika Wieczorek und Tania Lescano Das Kind auf der Straße will auf die dramatische Situ- Selbstkostenpreis zubereiten. (Deutschland, Abb. oben), Künstle- ation in der Welt aufmerksam machen, denn Kinder sind Im Hintergrund sind die Längen- und Breitengrade der rinnen mit viel pädagogischer Er- von Hunger besonders betroffen, obwohl es weltweit Welt angedeutet: Der Hunger und seine Bekämpfung sind fahrung, begleiteten die Frauen vom genug Nahrung für alle gäbe. nicht nur eine Herausforderung für den Süden. MISEREOR ersten Pinselstrich bis zum Malen am Die »Töpfe schlagenden Frauen« stehen für Protest- wurde 1958 gegründet als »Werk gegen Hunger und Hungertuch. bewegungen, die Menschenrechte und besonders das Krankheit« in der Welt. * Anm. d. Red.: Abbildungen und Recht auf Nahrung. So fordert beispielsweise die Land- Namensnennung der Gestalterinnen losen-Bewegung der Kirche in Brasilien, die von MISE- nicht gewünscht. REOR seit vielen Jahren unterstützt wird und in der 4,5 Millionen Bauern- und Landarbeiterfamilien verbunden
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