Ausgabe 1/2020 Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz - mfe Standpunkte
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Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz Inhalt EDITORIAL Wir sind bereit! KERNTHEMA «Wir können Corona» – starke Versorgungskette ist entscheidend FOKUS Qualitätsicherung in der Haus- und Kinderarztmedizin REGIONALES Hausärztin und Freiwillige an der COVID-19-Front – So ein Covid-Tag im Leben einer Hausärztin REGIONALES Tagebuch eines am Corona-Virus erkrankten Hausarztes. Wieder gesund. Und doch kein ganzes Happy-End. FORSCHUNGSTRIBÜNE Das Coronavirus und die Forschung – eine weitere Pandemie KAMPAGNE Die Lösung heisst Hausarztmedizin 2
Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz EDITORIAL Wir sind bereit! Wie fühlt es sich an? Raschelt es? Riecht es? Auch wenn sie digital daherkommen? Vielleicht wird man eines Ta- ges das entsprechende Gefühl noch ergänzen können, für diejenigen, die sich vom Papier nicht lösen wollen. Gut, mit genügend Fantasie kann man die eine Herausforderung darstellen. sundheitswesens einen wichtigen sich vorstellen, dass der Druck auf die Meistens sind diese aussergewöhnli- Beitrag leisten, dass wir die erste Tastatur nach Umblättern tönt. Dass chen Zeiten sehr persönlich, treffen Phase gut überstanden haben. unsere «Standpunkte» nicht mehr auf unsere Familie oder unsere Arbeit. Papier erscheinen sollen, hatten wir Dass die Gesellschaft als Ganzes, und Umso wichtiger ist es jetzt, die letzten schon entschieden, bevor die ganze dazu über den Globus verteilt, eine Wochen zu analysieren, um Fehler zu Welt aus einem anderen Grund digi- solche Krise durchstehen muss, pas- erkennen, daraus Schlüsse zu ziehen talisiert wurde. Papier zu verschicken siert glücklicherweise selten. Entspre- und Korrekturen anzubringen. Ohne und zu verteilen erschien uns nicht chend gross waren die Unsicherhei- den Einbezug der Haus- und Kinder- mehr zeitgemäss und sicher nicht ten, welches der richtige Weg ist, um ärzte wird das nicht sinnvoll sein. Wir ökologisch.DasResultat:«Standpunk- diese Krise zu meistern. sind bereit. te» in neuer, moderner, nachhaltiger Form: viel Vergnügen bei der Lektüre! Haus- und Kinderärztinnen arbeiten Autor: Philippe Luchsinger, Präsident Reaktionen auf das neue Lesegefühl täglich in der Ungewissheit, und sind würden uns freuen. sich gewohnt, auf aussergewöhnliche Situationen überlegt zu reagieren. Sie Krisen sind Teil unseres Daseins. Jede konnten zusammen mit allen anderen und jeder von uns erlebt Situationen, Berufen und Institutionen des Ge- 3
Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz KERNTHEMA «Wir können Corona» – starke Versor- gungskette ist entscheidend Erinnern wir uns an die ersten Wochen der Corona-Krise in Europa. Die Gerüchte aus Mailand schiessen ins Kraut, die Bilder aus Wuhan geben zu denken, aber alles wirkt noch fern und kaum jemand macht sich grosse Sorgen oder rechnet mit ähnlichen Herausforderungen für die Schweiz. Dass am 23. Februar elf Dörfer in der abgesagt. Italien: Zwar verfügt die Lombardei in Lombardei abgeriegelt werden, er- der Spitzenmedizin über viel Wissen. staunt und beruhigt gleichzeitig. In- Wenig später: Die Bilder aus Berga- Diese rentable Medizin ist aber nach nert zwei Wochen soll so das Pro- mo haben Eindruck hinterlassen und 25 Jahren rechter Regionalregierun- blem eingedämmt werden... wirkten wie Katalysatoren, um die gen (die italienischen Regionen sind Schweiz zu motivieren, es nicht so wie die Kantone in der Schweiz weit- In der Schweiz ist der erste positiv ge- weit kommen zu lassen. Der Lock- gehend für die Gesundheitspolitik zu- testete Patient ein 70jähriger Tessiner down „made in Switzerland“ wird am ständig) völlig privatisiert. Der dafür am 25. Februar, angesteckt in Mai- 13. März verkündet, zwei Monate Verantwortliche – Gouverneur für die land. Bereits am 28. Februar werden später erst kommen wir vorsichtig in Berlusconi-Partei während 18 Jahren vom Bundesrat Massnahmen auf der die zweite Phase der Lockerung. Und – sitzt zwar seit Februar 2019 wegen Grundlage des neuen Epidemienge- damit beginnen Analysen und Kriti- Korruption im Gefängnis, doch die setzes ergriffen, Grossveranstaltun- ken, erste Lehren können gezogen Folgen seiner Politik ändern sich nicht gen wie die Basler Fasnacht werden werden. so rasch: die medizinische Versor- 4
Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz gung mit Hausärzten, die öffentlichen Grundversorgung allein nicht mehr Spitäler oder die Heimpflege sind in viel ausrichten kann, wenn Spitäler einem traurigen Zustand. und Alterspflege leiden sowie die Po- Kleine Chronologie: litik nicht mitspielt. Entsprechend drängen Corona-Kran- Ende 2019 ke mit leichten Symptomen ab Ende Angesichts der Opferzahlen hat die eine neuartige Krankheit taucht in Februar in die Spitäler, wo die Kapazi- Schweiz wohl einiges richtig gemacht, Wuhan, in der Provinz Hubei in China täten bald erschöpft sind. Dieser Eng- trotz nicht weniger starker Betroffen- auf pass führt zu einem folgenschweren heit. So hat der Bundesrat recht früh Fehlentscheid: Die Behörden verlegen und konsequent reagiert und trotz- 31. 12. 2019 Corona-Patienten mit leichten Sym- dem den totalen Lockdown vermie- die WHO wird eingeschaltet ptomen von den überfüllten Spitälern den. Das Gesundheitssystem hat sich aufPflegestationenvonAltersheimen. als robust erwiesen und ist nicht an 11. 01. 2020 Dort werden Covid-Patienten und be- seine Grenzen gelangt. Die Grundver- offiziell erster Todesfall in China tagte Bewohner vermischt, in den sorger konnten ihre Rolle wahrneh- Heimen fehlt es an Schutzmasken, men, Gesundheitspersonal in den Spi- 25. 01. 2020 Schutzkleidung oder Corona-Tests. tälern mit Vermittlungsbörsen, Frei- erste Fälle in Europa, Frankreich Die tragischen Folgen sind bekannt: willigen, Umorganisationen auch zwi- Allein im grössten Altersheim Europas schen öffentlichen und privaten Ein- 30. 01. 2020 in Mailand sterben 200 von 700 In- richtungen, ja sogar mit Armeeange- die WHO erklärt die internationale sassen. hörigen verstärkt und entlastet wer- Notlage, Feiern zum Brexit den. Trotz ungenügender Pandemie- Damit nicht genug: Mode und Fuss- vorsorge waren schliesslich keine In- 11. 02. 2020 ball, zwei italienische Markenzeichen, tensivstationen überfüllt und die Kur- Die neuartige Lungenerkrankung aus verschlimmern die Lage. Vom 18. bis ve konnte rasch abgeflacht werden. China wird von der WHO Covid-19 24. Februar findet die Internationale Seien wir froh darüber! genannt. Das Virus erhält den Namen Fashion Week in Milano mit 170 Mo- Sars-CoV-2. de-Defilées statt. Und am 19. Februar Was lernen wir? spielen im Champions-League-Spiel 19. 02. 2020 Atalanta Bergamo und Valencia in Es braucht die ganze starke Kette in Champions-League Spiel Atalanta Mailand vor über 45’000 Zuschauern, der Versorgung, von den Möglichkei- Bergamo-Valencia in Mailand, 45'000 was jetzt schon in die Epidemienge- ten zuhause (Spitex), über die Haus- Zuschauer schichte als „Spiel Null“ des Corona- und Kinderärzte, die Alters- und Pfle- Virus eingeht. geheime bis hin zu den Spitälern, ob 21. 02. 2020 regional oder zentral. Dass mit dem erster Todesfall in Italien Ähnliche Geschichten gibt es auch Epidemiengesetz auch gewisse Leh- aus Spanien und Grossbritannien zu ren aus den kleineren Epidemien wie 25. 02. 2020 erzählen: mildes Frühlingswetter Sars1 gezogen wurden, war sehr hilf- erster positiver Test in der Schweiz treibt die Leute auf die Strassen, reich. Grossveranstaltungen werden bis 28. 02. 2020 weit in den März hinein durchgeführt, Es braucht also eine starke Grundver- besondere Lage gemäss EpG trotz eindringlicher Warnungen der sorgung mit eigenen Handlungsmög- Gesundheitsexperten. Der Lockdown lichkeiten, eine Pflege mit den nötigen 05. 03. 2020 kommt zögerlich und spät. Das Ge- Ressourcen, die Möglichkeit zum Erster Todesfall in der Schweiz sundheits- und Pflegesystem in bei- schnellen Entscheid im Gesundheits- den Ländern ist von Sparmassnah- system und schliesslich die Fähigkeit 07. 03. 2020 men und liberalen Reformen ge- zur Betreuung vieler schwerer Fälle in Rugby-Match England-Wales in schwächt und schnell überfordert. kurzer Zeit. Pflegen wir diese Grund- Twickenham, 82'000 Zuschauer, mit Dies ist angesichts der medizinischen lagen, verbessern wir, was fehlte, ver- demonstrativem Auftritt des Premier- Grundversorgung in diesen beiden hindern wir die nächste Welle! ministers Ländern, die von der WONCA (Welt- organisation für Allgemein- und Fami- 08. 03. 2020 lienmedizin) als gut befunden wird, Grosse Demonstrationen in Spanien erschreckend, zeigt aber, dass die zum Frauentag, von der Regierung 5
Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz unterstützt 10.-13. 3. 2020 Cheltenham-Festival (Pferderennen) in GB mit 250‘000 Zuschauern 11. 03. 2020 Champions-League-MatchLiverpool- Atletico, 52‘000 Zuschauer 17. 03. 2020 ausserordentliche Lage gemäss Art. 7 EpG Autor: Reto Wiesli, Geschäftsführer 6
Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz FOKUS Qualitätsicherung in der Haus- und Kin- derarztmedizin Das Angebot einer hochwertigen Haus- und Kinderarztmedizin hat für mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz ober- ste Priorität. Der Verband ist bestrebt, an der Qualitäts-Entwicklung mitzuwirken, damit sowohl die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten berücksichtigt werden, als auch die reale Situation in der Haus- und Kinderarzt- praxis abgebildet wird. Seit die Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KGV) bezüglich Qualität und Wirtschaftlichkeit im Juni 2019 von den eidgenössischen Räten angenommen wurde, engagiert sich mfe noch intensiver für dieses Thema und vertritt die Belange der Haus- und Kinderärzte gegenüber den Ent- scheidungsträgern. Das Thema Qualität ist für mfe Haus- gemeine Innere Medizin (SGAIM) fu- viert. Unter der Leitung von mfe ver- und Kinderärzte Schweiz nicht neu. sioniert und eine Qualitätsstrategie eint diese Delegation Vertreterinnen Schon seit vielen Jahren setzt sich der formuliert. Ausserdem engagiert sich und Vertreter der Schweizerischen Verband im Rahmen einer eigenen mfe in der Schweizer Akademie für Gesellschaft für Allgemeine Innere Kommission für Qualität in der Medi- Qualität in der Medizin (SAQM) der Medizin (SGAIM), der Schweizeri- zin ein. Um Synergieeffekte nutzen FMH, welche die Qualitätsmassnah- schen Gesellschaft für Pädiatrie und Redundanzen vermeiden zu kön- men der Ärztinnen und Ärzte koordi- (SGP), des Vereins Junge Hausärztin- nen, hat diese Kommission mit der niert. Mit der Bildung einer Delegation nen und -ärzte Schweiz (JHaS) und entsprechenden Kommission der Qualität im November 2019 wurde des Kollegiums für Hausarztmedizin Schweizerischen Gesellschaft für All- diese Zusammenarbeit weiter intensi- (KHM), um unsere politischen Positio- 7
Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz nen zu konsolidieren und sie gegen- meinsame Definition entsprechender gung, indem der Verband seinen Mit- über den Entscheidungsträgern und Massnahmen zur Qualitätsverbesse- gliedern zusammen mit Partnern wie Partnern im Gesundheitswesen klar rung. Nach Ansicht von mfe sollten der SGAIM, der SGP, dem KMH, den zu vertreten. die Haus- und Kinderärzte massgeb- JHaS, den Instituten für Hausarztme- lich an der Definition von «Qualität» dizin und der FMH Weiterbildungs- Neue Qualitätsvorschriften in- mitwirken. Unsere Bedürfnisse und programme anbietet. Die bewährten tegrativ entwickeln Forderungen legen wir in den aktuel- Qualitätszirkel sind ein effizientes In- len Verhandlungen zwischen der FMH strument zur Verbesserung der Quali- Qualität ist ein komplexes, im ständi- und den Versicherern dar. mfe hält es tät und müssen daher unterstützt gen Wandel begriffenes Thema. An für unbedingt erforderlich, dass die werden. Auch nimmt die Zahl der in ihrer Entwicklung sollten sich alle vielen bereits vorhandenen Verfahren medizinischen Einrichtungen und Partner und Akteure im Gesundheits- zur Qualitätsicherung der der Haus- Arztpraxen eingeführten Qualitäts- system auf der Basis eines integrati- und Kinderarztmedizin anerkannt und massnahmen stetig zu. Die Entschei- ven Ansatzes beteiligen. Die Haus- in künftige Qualitätsvereinbarungen dungsträger und Partner im Gesund- und Kinderärzte tragen massgeblich aufgenommen werden. Für eine opti- heitswesen darüber zu informieren, dazu bei, dass das schweizerische male Umsetzung praxisgerechter sieht mfe als seine Aufgabe an. Das Gesundheitswesen seine Qualitäts- Qualitätsmassnahmenmussmfeaktiv «Ahnden» von Verstössen ist kein ziele erreichen kann. Daher muss das in die Überlegungen und in die Ent- konstruktiver Ansatz zur Förderung zur Qualitätsverbesserung geschaffe- wicklung von Projekten, die die ambu- einer Qualitätskultur. mfe setzt hier ne Verfahren auch unbedingt die For- lanten Arztpraxen betreffen, einge- auf Lernprozesse, statt auf Sanktio- derungen und Bedürfnisse der Haus- bunden werden. Dieser Prozess ist nen. und Kinderärzte berücksichtigen. auf gutem Weg: Unter der Leitung der Schweizerischen Akademie für Quali- Verwaltungsaufwandbesserentschä- EidgenössischeQualitätskom- tät in der Medizin (SAQM) der FMH digen entwickeln die SGAIM, die SGP, mfe Damit die Haus- und Kinderärzte täg- mission: Haus- oder Kinder- und die Versicherer Hand in Hand ein lich eine hochwertige und patienten- arzt dabei auf die Arztpraxen zugeschnittenes zentrierte Gesundheitsversorgung si- «Qualitätskonzept».DieQualitätskom- cherstellen können, ist eine gewisse Diese vom Bundesrat eingesetzte mission der SGAIM sowie die Vertre- Freiheit bei der Therapiewahl und den Kommission soll zur Entwicklung und terinnen und Vertreter von mfe haben Sprechstundenzeiten unerlässlich. Förderung der Qualität beitragen und ausserdem vier Massnahmen zur Prävention, integrative Medizin und den Bundesrat bei der Umsetzung Qualitätssicherung erarbeitet, die ab interprofessionelle Zusammenarbeit seinerQualitätsstrategieunterstützen. 2020 erprobt werden sollen. sind entscheidende Voraussetzungen Vier der vorgesehenen 15 Mitglieder für die Verbesserung der Gesundheit sollen die Dienstleister vertreten. Für Was sagt mfe zum zum The- der Patientinnen und Patienten und mfe ist es entscheidend, dass minde- wirken sich nicht zuletzt auch positiv ma «Qualitätverbesserung»? stens ein Kommissionsmitglied Haus- auf die Gesundheitskosten aus. oder Kinderarzt ist und Erfahrung auf Schon heute sind Ärztinnen und Ärzte Qualitätskultur entwickeln dem Gebiet der medizinischen Grund- mit Verwaltungsaufgaben überlastet. mfe engagiert sich für eine kontinuier- versorgung hat, um die Kommission mfe kann die Qualitätspolitik, die der- liche Verbesserung der Behandlungs- für die Bedürfnisse und die Arbeits- zeit erarbeitet wird, nur unterstützen, qualität. Unter diesem Blickwinkel umstände in diesem Bereich zu sensi- wenn der sich daraus ergebende Ver- geht es darum, einerseits das «Quali- bilisieren. waltungsaufwand in einem vernünfti- tätskonzept» auf allen Ausbildungs- ebenen zu verankern und anderseits gen Rahmen bleibt. Qualitätsvereinbarungendefi- die Bedürfnisse der Haus- und Kin- Zu beklagen ist, dass keinerlei finanzi- nieren Verbesserungen derärztenachdem«Bottom-up»-Prin- elle Mittel für Qualitätsmassnahmen zip zu berücksichtigen. Die Qualitäts- bereitgestellt werden sollen, obwohl Das neue Gesetz verpflichtet die Ver- ziele für die Grundausbildung sind in die Honorare nachweislich nicht die bände der Dienstleister und der Versi- PROFILES verankert, dem Lernziele- mit der Leistung der Ärztinnen und cherer, Vereinbarungen für eine katalogfürMedizinstudierende.Bezo- Ärzte verbundenen administrativen schweizweite Verbesserung der Qua- gen auf die Graduiertenstufe und die Kosten decken. Verwaltungsarbeit ist lität in der Medizin zu treffen. Der Ab- Weiterbildung engagiert sich mfe für zeitaufwändig. Somit ist es legitim, schluss solcher Vereinbarungen ist ei- eine hochwertige Gesundheitsversor- wenn die Ärzteschaft für diesen Auf- ne wichtige Voraussetzung für die ge- wand eine angemessene Vergütung 8
Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz fordert. Interprofessionelle Zusammenarbeit verbessert die Qualität der Gesund- heitsversorgung. Daher erscheint es uns wichtig, neue Indikatoren zu ent- wickeln, die diesen Faktor berücksich- tigen. Ausserdem fordert mfe die Ein- führungeinesvoninterprofessionellen Teams geleiteten Qualitätsmanage- ments. Ziele 2020: Mehr Austausch, Teilnahme an Vernehmlas- sung, mehr Zusammenarbeit Eine hochwertige Haus- und Kinder- arztmedizin zu fördern, ist eines der Hauptanliegen von mfe. Für 2020 hat sich der Verband diesbezüglich meh- rere Ziele gesetzt. Erstens setzen wir uns im Rahmen der Delegation Quali- tät für einen verstärkten Austausch über das Thema Qualität ein, um ge- meinsame Positionen zu entwickeln, die auch von der Basis unterstützt werden. In diesem Sinne soll im Laufe des Jahres ein gemeinsam von SGAIM, SGP, KHM, JHaS und mfe er- arbeitetes «Qualitätspapier» verab- schiedet werden. Zweitens verfolgen wir sehr aufmerk- sam das Verfahren im Zusammen- hang mit dem neuen KGV-Gesetz und bringen unsere Positionen und Forde- rungen bei jeder sich bietenden Gele- genheit ein, wie beispielsweise aktuell im Rahmen der Vernehmlassung über die Änderung der KVV. Drittens plant mfe, angesichts der grossen politischen Bedeutung des Themas Qualität, den eingeschlage- nen Weg fortzusetzen und noch in- tensiver mit den Vertreterinnen und Vertretern von Politik, Behörden, Bun- desverwaltung, Berufsverbänden im Gesundheitswesen und Versicherern zusammenzuarbeiten. Autor: Katrina Riva, Geschäftsstelle, Philippe Luchsinger, Präsident 9
Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz REGIONALES Hausärztin und Freiwillige an der CO- VID-19-Front – So ein Covid-Tag im Leben einer Hausärztin Auch wenn diese Pandemie für einige Menschen tragisch war, muss ich gestehen, dass ich sie als Atempause in einem übervollen Terminkalender empfunden habe – als eine Übung in Kreativität, Solidarität und Wohlwollen und als eine Lehrzeit. Unser Praxisteam hat hart gearbeitet, rem alten Springbrunnen baute, wäh- während die Zahl der Praxisbesucher rend zwei übermütige, neugierige wie Butter in der Sonne schmolz. Ich Eichhörnchen unsere alte Tanne zu ih- habe, wie so viele, vom «slow down» rem neuen Wohnsitz erkoren. Es gibt profitiert. Entschleunigen. Sich die Zeit also noch ein Leben ausserhalb von nehmen, einmal nichts zu tun. Der COVID-19 und der Angst vor Krank- Stille lauschen. Die Natur beobachten. heit und Tod! Ich habe tolle Dinge entdeckt. Einmal, Kreativität … Dr. med. Brigitte Zirbs Savigny als ich früher nach Hause kam, habe ich entzückt ein Blaumeisenpaar ent- Unser Team hat sich täglich neu er- Atempause ... deckt, das gerade sein Nest in unse- funden. In erster Linie, um all die Mails 10
Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz zu lesen, zu verstehen und umzuset- beunruhigt, isoliert – zu begleiten, die krankte betreut haben. zen, die von den vielen verschiedenen uns sagten, dass es weniger schlimm politischen Instanzen und Fachgremi- sei, an COVID-19 zu sterben als an Wohlwollen ... en verschickt wurden. Und die sich al- Kummer und Einsamkeit. Wir haben le irgendwie glichen und doch nie hunderte Telefonate geführt und im- Alle Patientinnen und Patienten, die gleichwaren.KomplexeAnweisungen mer wieder neue Worte gefunden, um ich im Testzentrum untersucht und mussten in eine Sprache übersetzt die Menschen zu beruhigen und die anschliessend alle zwei Tage angeru- werden, die auch für die durch Hor- Fakten zu relativieren. fen habe, waren sehr dankbar für die rormeldungen in der Presse verunsi- Aufmerksamkeit, die ihnen geschenkt cherten Patientinnen und Patienten Lehrzeit ... wurde. Auch unsere eigenen Patien- verständlich war. Wir mussten die tinnen und Patienten waren froh über richtigen Worte finden, um die Men- Ich habe in den letzten drei Monaten die Anrufe und die proaktiven Mass- schen zu beruhigen, durften dabei mehr gelernt als sonst in zehn Jahren! nahmen, mit denen wir sie – ob er- aber nicht die Risiken verschweigen, In meiner 30-jährigen Berufspraxis krankt oder gesund – durch diese Zeit die diese hoch ansteckende Krankheit habe ich zum ersten Mal verschiedene begleitet haben. birgt, die wir ja selbst gerade erst ken- audiovisuelle Plattformen für die nen lernten. Sprechstunde, für Ausschusssitzun- Fazit gen, Interviews und die Veranstaltung Wir haben unsere gesamte verfügba- von Kursen per Videokonferenz ge- «Was mich nicht umbringt, macht re Kreativität aufgeboten, um Tipps nutzt. Anfangs zwar manchmal ohne mich stärker.» Nietzsche für die jungen Eltern zu finden, die bei Ton oder ohne Bild ... aber inzwischen Ich wünsche uns allen, dass wir durch der Rundum-Betreuung ihrer manch- bin ich «audiovisuell» fit! Ich habe mich COVID-19 stärker werden – indem mal schwierigen und kaum zu bändi- sogar zu einem echten Profi in Sachen wir Solidarität, Kreativität und Respekt genden Kleinkinder kurz davor waren, Fernkommunikation entwickelt! leben. dieNervenzuverlieren.WirhabenTV- Programme nach Gymnastikkursen Solidarität ... Autor: Dr. med. Brigitte Zirbs Savigny, für die ganze Familie durchforstet. Vizepräsidentin Oder anderen Patienten Yoga vorge- Angesichts des erwarteten Ausmas- schlagen. Den Grosseltern haben wir ses der Pandemie hat unser kantona- empfohlen, sich das Warten auf bes- ler Berufsverband Freiwillige gesucht, sere Zeiten mit Stricken oder Marme- die sich um die Patientinnen und Pati- ladekochen zu verkürzen. Oder die enten in den Testzentren kümmern. «gesunde» Küche auszuprobieren, mit Im Notfall einspringen: eine Selbstver- regionalen und ökologisch angebau- ständlichkeit. Unser Team, das aus ten Produkten. Eine anstrengende vier Ärzten, vielen Bürgern, Angehöri- Aufgabe, aber auch ein gutes Beispiel gen der freiwilligen Feuerwehr, ehren- für eine Medizin, die den Menschen amtlicharbeitendenStudierendenund ins Zentrum stellt. Oder bei welcher zwei speziell für die Tests ausgebilde- der Mensch manchmal sogar einen ten Pflegeteams bestand, führte an- Schritt voraus ist ... Und das alles ne- fangs 120 bis 150 Untersuchungen ben den üblichen Notfällen. Denn nur, durch. Wir mussten sehr sparsam mit weil COVID-19 grassiert, hören die den verfügbaren Masken (eine pro Menschen ja nicht plötzlich auf zu Tag) und Desinfektionsmitteln umge- stürzen, Gallenkoliken zu bekommen hen. Im Zelt pfiff entweder ein kalter oder an Nesselfieber zu erkranken. Wind oder man schmorte in der Son- Meine Fotogalerie ist inzwischen ein ne, aber der ungewöhnliche Arbeits- echtes Horrorkabinett: Wunden, Beu- platz ermöglichte auch schöne Be- len, Pickel aller Art. Denn wenn man gegnungenundechtesinterprofessio- nichts berühren darf, muss man es nelles Arbeiten. Wir haben uns ge- wenigstens anschauen, um es heilen genseitig unterstützt und bei den zu können! manchmal doch schwierigen Fällen Wir mussten auch Mittel und Wege geholfen. Vor allem haben wir uns alle finden, um unsere älteren Patientin- nützlich gefühlt, weil wir die Kollegen nen und Patienten – zum Teil krank, in den Spitälern unterstützt und Er- 11
Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz REGIONALES Tagebuch eines am Corona-Virus er- krankten Hausarztes. Wieder gesund. Und doch kein ganzes Happy-End. Ende Februar hatte ich Gelegenheit, am 17. Clinical Microsystem Festival der Universität Jönköping in Schweden teilzunehmen. Das Besondere an diesem interprofessionellen Kongress: Unter den Teilnehmern sind auch Patien- tinnen und Patienten – sozusagen als «living library». Jedem Seminar ist ein Patient zuge- ständig beschäftigt ... «If your com- ordnet, der sich aktiv beteiligt und alle passion does not include yourself, it is möglichen Fragen beantwortet. Hier incomplete» (Buddha). steht der Patient wirklich im Mittel- punkt! Dazu kommen: Viele Berichte – Und hier kommt meine Geschichte. einige davon erschütternd – und ein Am 14. März, einem Samstag, gehe sehr herzlicher Empfang. Und jede ich in den Tea-Room der Bäckerei La Menge Kreativität; überall an den Fontaine in Aubonne, um Zeitung zu Wänden, sogar auf den Spiegeln in lesen. Ein Freund gesellt sich zu mir. Dr. Sébastien Jotterand, Vorstands- den Waschräumen, stehen Zitate – «Hast du Husten?» fragt er mich. mitglied mfe teils ausgedachte, teils von berühm- «Nein, nein ... Alles in Ordnung.» Mir ten Persönlichkeiten. Der Kopf ist war der Husten auch aufgefallen, aber 12
Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz ich hatte ihn nicht weiter beachtet. kehre ich mit dem Auto von einer Strahlender Sonnenschein und ideale Stippvisite ins Büro zurück. Auf dem Schneebedingungen im Jura animie- kurzen Weg zum Haus weht ein kal- Video ren mich zu einer Langlauf-Tour im ter Wind. Plötzlich klappern mir die Gebiet von Amburnex. Herrlich! Zähne und ich zittere am ganzen Kör- Covid-19 Préventions: Le téléphone per. Was ist das denn jetzt? Schnell Covid-19 Préventions: Le Rappel Am Abend bin ich vollkommen erle- wieder ins Bett, ohne Essen, wie am Covid-19 Préventions: La Visite digt und falle nur noch ins Bett, ohne ersten Tag. Ich habe erneut 38° Fie- Covid-19 Préventions: Le bon réflexe Abendessen. Ich gehe in Quarantäne. ber. Haben die Experten im Radio Covid-19 Préventions: Home Am Sonntagmorgen huste ich leicht, nicht gesagt, dass «die Komplikatio- Covid-19 Préventions: La Cena habe aber kein Fieber. Ich denke, das nen meistens nach 7–10 Tagen auf- ist nur ein «Durchhänger», und gehe treten»? Ich sehe mich schon auf der wieder in den Tiefschnee. Diesmal Intensivstation – intubiert und auf kehre ich aber schon nach 20 Minuten dem Bauch liegend – und sage zu Unterdessen steigt die Zahl der Toten um – total schlapp! Zu Hause messe meiner Frau, dass sie im Notfall die im Kanton auf über 400. Das ist ein ich die Körpertemperatur – Fieber, 144 anrufen soll. Aber wird es nicht Viertel aller Todesfälle in der Schweiz, 38°, dazu Kopfschmerzen, Schwindel manchmal wieder schlimmer, bevor während unser Anteil an der Gesamt- und dieses Schwächegefühl. Ich gehe die Genesung einsetzt? Das Fieber bevölkerung nur 10% beträgt. Beson- zum Notarzt: Niemand da – ausser steigt nicht weiter, ich schlafe gut in ders stark betroffen sind die Alters- mir! Zwanzig Minuten später bin ich dieser Nacht. Das war ein Fieberrück- und Pflegeheime, einige sind richtige wieder draussen und beruhigt: Sätti- fall, sozusagen «der zweite Höcker Hotspots. Dazu muss man wissen, gung 96%, kardiopulmonale Auskul- des Kamels». Ich beschliesse, die dass in den Kantonen nicht nur die tation o. B., Abstriche genommen. nächsten zwei Tage nicht in meine positiv getesteten Personen gezählt «Sie gehen in Quarantäne.» «Jawohl, Mailbox zu schauen, und es geht mir werden, sondern auch die Verdachts- Herr Doktor.» Gehorchen kann ja so schon viel besser! fälle. Viele Menschen sterben auch zu guttun! Jedenfalls bin ich total KO. Ich Hause, weil sie in ihrer Patientenver- bestelle meine Patienten für Montag Ich fange wieder an zu arbeiten. Ich fügung bestimmt haben, dass sie ab und lasse mir mein Essen ins Gä- habe viel Zeit; die Praxis ist nur halb nicht ins Spital und schon gar nicht stezimmer bringen. so voll wie sonst. Ich rufe meine Risi- auf die Intensivstation verlegt werden kopatienten an, um zu hören, wie es wollen. Palliativmedizinische Pro- 24 Stunden später ruft mich die Leite- ihnen geht, ob sie die Empfehlungen gramme werden eingeführt. Die In- rin des Spitals an: «Der Abstrich ist des BAG verstanden haben, ob je- tensivstationen sind vorbereitet, ein positiv.» Meine Familie muss jetzt mand für sie einkauft, ob sie ihre The- Kollege wird ins Spital eingeliefert und auch in Quarantäne. Glücklicherweise rapie fortsetzen. Ich versichere ihnen, intubiert. Mein Sohn, der in einem Ho- gehört niemand von ihnen zu einer Ri- dass die Praxis geöffnet ist, dass sie tel am Empfang arbeitet und in der sikogruppe. Allerdings habe ich am kommen können, dass sie ruhig an der Stadt wohnt, erkrankt. Er hat einen 13. an der Trauerfeier der Tante mei- frischen Luft spazieren gehen sollen, ganzen Tag lang Fieber, dann ist alles ner Frau teilgenommen und am 12. an um sich etwas Gutes zu tun, und wir wieder gut. Meinem Schwager (62) der Vorstandssitzung von mfe. Ich ha- sprechen über das, was sie erlebt ha- geht es nicht gut: Kurzatmigkeit. Er be vielleicht meine 96-jährige ben. Ich mache mit beim Programm sucht seinen Kardiologen auf, weil er Schwiegermutter angesteckt, die die «Primäre Prävention», das ein Kollege vor zwei Jahren einen STEMI hatte: beste Pizza der Welt backt, oder gar aus dem Vorstand der Hausärzte kein Problem. Drei Tage später rät Philippe, den Präsidenten von mfe! Waadt, Dr. Jean-Pierre Vez de Cha- ihm sein Hausarzt, in Quarantäne zu Glücklicherweise hatten wir die Ab- vornay, lanciert hat und das in unse- gehen. Fünf Tage später besuchen standsregeln beachtet. rem Kanton sehr erfolgreich war: 800 wir ihn, weil wir am Telefon den Ein- Ärzte haben sich beteiligt und jeweils druck haben, dass er kaum noch Luft Ich füge mich geduldig in mein zwischen 100 und 150 ihrer Patien- bekommt. Sauerstoffsättigung 89%, Schicksal, finde die Kraft für ein wenig ten angerufen! Es tut gut, von sich aus niedriger Blutdruck, Herzrhythmus- Gartenarbeit und schleiche mich am aktiv zu werden, und die Patienten störungen. Wir können ihn schliess- Abend heimlich ins Büro, um meine sind wirklich froh! Zusammen mit der lich überzeugen, sich testen zu lassen. Mails zu lesen. Mein Speichel ist Société Vaudoise de Médecine vertei- Er kommt ins Spital, weil die Sauer- merkwürdig, manchmal zäh, dann len wir die Unterlagen an unsere Mit- stoffsättigung weiter abgenommen wieder schaumig. «Was habe ich mir glieder. Es gibt sogar Video-Clips. hat und sein CT für eine CO- da bloss eingefangen?!» Am 8. Tag VID-19-Pneumonie typisch ist. Da er 13
Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz Schmerzen in der Wade hat, wird auch ein MRT gemacht. Ergebnis: Lungenembolie! Gerade erst hat man herausgefunden, dass das eine typi- sche Komplikation bei COVID-19 ist. Der Nasenabstrich ist zweimal nega- tiv. Für alle diese Menschen und für mei- ne betroffenen Patienten geht die Sa- che gut aus. Diese Zeit hat uns daran erinnert, dass die Gesellschaft auch solidarisch gegenüber Risikogruppen sein kann, dass wir einander nicht gleichgültig sind, dass wir unsere Familie und Freunde brauchen und ihnen das auch immer wieder sagen sollten. Der Lockdown wurde aufgehoben. Aber ich bin traurig. Mein Freund Oli- vier ist mit 56 Jahren gestorben, ver- mutlich an einem Herzinfarkt. Olivier Bugnon war Apotheker, Universitäts- professor in Lausanne und in Genf so- wie Co-Direktor des Département des policliniques am Unisanté. Eine Kory- phäe der Interprofessionalität. Und der freundlichste Mensch, den ich je kannte. Olivier, du fehlst mir. Ich fühle mit deiner Familie. Autor: Dr. Sébastien Jotterand, Vorstandsmitglied 14
Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz FORSCHUNGSTRIBÜNE Das Coronavirus und die Forschung – eine weitere Pandemie Einen kommentarwürdigen Forschungsbericht zum Thema «Coronavirus und Hausarztmedizin» finden? Ein Ding der Unmöglichkeit. Eine kurze Abfrage auf Google Schol- nachweisgestützten Antworten, um aufgeworfenen, drängenden Fragen ar zu diesen beiden Stichwörtern er- die eindringlichen Empfehlungen der zu beantworten und die Erwartungen gibt Mitte Mai schon mehr als 60'000 evidenzbasierten Medizin (EBM) zu der Politik oder der Bevölkerung mög- Treffer, obwohl das Virus noch keine untermauern, findet man diese nicht lichst schnell zu erfüllen? Manche sechs Monate bekannt ist. Unglaub- auf den üblichen, für ihre Seriosität Wissenschaftler sonnen sich auch in lich, wenn man weiss, wie langsam und Sorgfalt bekannten Websites wie früherem Ruhm und lassen sich als die Mühlen der Wissenschaft sonst McMaster (1) oder Cochrane (2). Chloroquin-Gurus zulasten jeglicher mahlen.EinewahrePublikations-Pan- Stattdessen immer das gleiche Fazit: kritischen Vernunft von Verschwö- demie: von den Ursprüngen des Virus unzureichende Evidenzstufe, Metho- rungstheoretikernvereinnahmen.Sind bis zu seinen Komplikationen, von den denverzerrung, zu kleine Testreihen, wir tatsächlich so wissenschaftsgläu- möglichen Medikamenten bis zu den um statistisch relevant zu sein. big zu denken, dass die Wissenschaft Massnahmen zum Schutz Einzelner alle unsere Fragen beantworten kann? oder der ganzen Bevölkerung. Wird hier im Namen der Wissen- Ein winziges Virus ... und schon gerät schaft geschludert? Wird zu hastig unser gesamtes Weltbild ins Wanken. Sucht man jedoch nach verlässlichen, publiziert, um die von der Epidemie 15
Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz Was nun? Opfern wir die Wissen- schaftlichkeit auf dem Altar der Dring- lichkeit und glauben der erstbesten Publikation, weil sie «eminenzbasiert» ist? Das wäre der Weg zurück zur Willkür, der im Absolutismus mit all seinen Folgen endet. Nein! Fragen wir uns lieber, ob die Studien zu Covid-19 nicht gerade deshalb noch so lückenhaft sind, weil es uns an Zeit, Sorgfalt und Kooperation fehlt. Gehört nicht vielleicht unser For- schungssystem auf den Prüfstand? Zu viele Einzelteams liefern sich einen hemmungslosen, narzisstischen Wettlauf um Veröffentlichung, Aner- kennung, Ruhm – denn, dem Ersten, der ein Medikament oder einen wirk- samen Impfstoff gegen das Coronavi- rus findet, winkt sicher der Nobelpreis. Lassen wir also Vorsicht walten, bis überzeugende Ergebnisse vorliegen: primum non nocere. Konzentrieren wir uns auf die Behandlung, solange es noch keinen Impfstoff gibt. Üben wir uns in Demut, angesichts des langen Atems der Natur – und bleiben wir kri- tisch. Denn seit jeher gilt: «Hochmut kommt vor dem Fall». Vor allem, wenn der Mensch mal wieder Gott spielen will ... 1. https://plus.mcmaster.ca/CO- VID-19/ 2. https://www.cochranelibrary.com/ Autor: Dr. François Héritier, Präsident KHM 16
Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz KAMPAGNE Die Lösung heisst Hausarztmedizin Das Dilemma der Schweizer Gesundheitspolitik wird immer akuter: Auf der einen Seite steigen die Ge- mfeTalk: Hans Stöckli (Video) sundheitskosten durch teure Infra- strukturen und nicht immer nötige Autor: Sandra Hügli Eingriffe und Behandlungen unauf- haltsam an. Auf der anderen Seite gibt es immer mehr Menschen, die sich dieses Gesundheitswesen kaum mehr leisten können und durch den Staat mit Prämienverbilligungen sub- ventioniert werden müssen. Trotz Überkapazitäten werden Spitäler und medizinische Infrastrukturen weiter ausgebaut – ein betriebs- und volks- wirtschaftlicher Unsinn. Die Lösung, um diesen Teufelskreis zu durch- bre- chen, liegt auf der Hand: Ein hausarzt- basiertes Gesundheitssystem, das günstiger arbeitet und qualitativ beste Resultate erzielt. 17
Online-Magazin von mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz Grundversorgerkonzept Wir Haus- und Kinderärzte sind die bereits gemeinsam erlernt haben. Wir zu halten. medizinischen Grundversorger. Um klären die Rollen und Verantwortlich- unsere Rolle in der schweizerischen keiten im Team. Gemeinsam vermei- Attraktiv und geschätzt Gesundheitsversorgungaktivmitzu- den wir Über-, Unter- oder Fehlver- Unser Beruf ist spannend, herausfor- gestalten, orientieren wir uns an fol- sorgung. dernd und für den Nachwuchs attrak- genden Grundsätzen: tiv. Das Berufsbild des Haus- und Kin- Unabhängig und selbstbestimmt derarztes geniesst ein hohes Ansehen Breit und facettenreich Die Wahl unseres Arbeits- und Pra- in der Öffentlichkeit. Wir sind die Generalisten der Grund- xismodells steht uns frei. Dabei sind versorgung und die Spezialisten der wir in unseren ärztlichen Entscheiden komplexen Fälle. Unsere Arbeit ist ge- selbständig und beurteilen, inwieweit prägt durch die Vielfalt der Menschen, Hausbesuche und Notfalldienste in der Erkrankungen und der Anliegen, unserem Gebiet sinnvoll sind. Die die uns täglich begegnen, ohne dass Möglichkeit zur Teilzeitarbeit stellt die IMPRESSUM im Voraus eine spezialisierte Auswahl Vereinbarkeit von Familie und Beruf mfe Haus- und Kinderärzte Schweiz getroffen wurde. Unvorhergesehene sicher. Innerhalb unseres Fachgebie- und vielfältige Tätigkeiten machen un- tes legen wir die Schwerpunkte unse- Geschäftsstelle: seren Beruf facettenreich und an- rer Arbeit autonom fest. Effingerstr. 2 spruchsvoll. 3011 Bern Unterstützt und honoriert Tel. 031 508 36 10 Qualitativ hochstehend Sämtliche technischen und organisa- E-Mail: gs@hausaerzteschweiz.ch Unsere Arbeit orientiert sich am Wohl torischen Hilfsmittel, welche zum Er- www.hausaerzteschweiz.ch des Patienten und basiert auf Evidenz füllen unserer Aufgaben notwendig Erscheinung: und Erfahrung. Die Betreuung unserer sind, stehen uns in der benötigten 3 - 4 × jährlich Patienten und ihres Umfeldes ist wis- Form, Menge und Qualität zur Verfü- senschaftlich fundiert, wirkungsorien- gung. Das Tarifsystem gewährt uns Technik und Gestaltung: tiert und multidisziplinär. Für diese und unseren Teams eine leistungsge- deinmagazin.ch Kompetenzen brauchen wir eine rechte Abgeltung und sichert uns so hochstehende akademische Aus-, die wirtschaftliche Unabhängigkeit. Redaktionskommission: Dr. Philippe Luchsinger Weiter- und Fortbildung und die ent- Das Gesundheitswesen garantiert der Dr. Heidi Zinggeler Fuhrer sprechende Forschung. Bevölkerung einen niederschwelligen Dr. François Héritier Zugang zum Haus- und Kinderarzt. Dr. Eva Kaiser Verlässlich und kontinuierlich Reto Wiesli Wir sind den Patienten und ihrem Vernetzt und engagiert Yvan Rielle Umfeld ein zuverlässiger und empa- Wir sind gut vernetzt und überneh- Sandra Hügli-Jost (Leitung) thischer Partner, der sie ganzheitlich mengesellschaftlicheVerantwortung. betrachtet und ihre Gesundheitskom- Unsere Anliegen vertreten wir in rele- petenz fördert. Wir bauen eine lang- vanten Gremien, pflegen so den Kon- fristige Beziehung zum Patienten auf takt zu den Anspruchsgruppen und und begleiten ihn in allen Situationen; vertreten die politischen Interessen von präventiven über akute und chro- unseres Berufsstandes. Unseren nische bis hin zu palliativen. Nachwuchs fördern wir aktiv. Interprofessionell und verantwort- Präventiv und wirkungsvoll lich Unsere ganzheitliche Sichtweise för- Wir arbeiten situativ alleine, interdis- dert die Entwicklung unserer Patien- ziplinär oder im interprofessionellen ten in ihrem Umfeld. Wir motivieren Team. Basierend auf gemeinsamen unsere Patienten, Ressourcen zu nut- Zielen und Werten setzen wir mit un- zen, Krankheiten zu vermeiden oder seren Partnern im Alltag um, was wir deren Auswirkungen möglichst klein 18
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