Auswirkungen der Pandemie auf die Arbeit in der Finanzbranche 4/21 - irf@fhnw
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21 4/ Magazin des Schweizerischen Bankpersonalverbands Auswirkungen der Pandemie auf die Arbeit in der Finanzbranche
auf kollektiver Ebene sind wir unseren Mit- gliedern weiterhin kompetenter Berater und starker Partner – immer stärker werdend! Wir wollen flexibel sein. Flexibel und Editorial darüber hinaus proaktiv, antizipativ und in- Natalia Ferrara und Anne-Wienke Palm itiativ, um notwendige Veränderungen ein- leiten zu können. Wir möchten die Bezie- hungen zu unseren Mitgliedern ausbauen, wir möchten wissen, was die Mitarbeitenden sich unter dem Finanzplatz Schweiz 2030 vorstellen, und wir möchten ihnen das best- mögliche Rüstzeug an die Hand geben, um für alle kommenden Herausforderungen ge- wappnet zu sein. Wir werden unsere Kommunikations- Geschätzte Mitglieder weise verändern. Das werden Sie, unsere Liebe Leserinnen und Leser geschätzten Mitglieder, aber auch unser Vorstand, die Delegierten und verschie- Mit Doppelspitze in die Zukunft dene Stakeholder schon bald bemerken! Pointiert, am Puls der Zeit und in richtigen Seit dem 1. März 2021 dürfen wir die ge- Formen für die verschiedenen Zielgruppen schäftlichen Geschicke des SBPV als Co-Ge- aufbereitet, so werden wir alle Alters- und schäftsführerinnen lenken. Für die ermuti- Zielgruppen adressieren. Wir werden In- genden und bestärkenden Worte, mit denen halte analysieren und zur Verfügung stel- Denise Chervet uns dieses Amt übergeben len, unser Netzwerk mit den Personalkom- hat, danken wir ihr herzlich. Sie hat in den missionen ausbauen und den Austausch mit letzten zwölf Jahren viel für den SBPV und ihnen intensivieren. Jüngere Mitglieder an- für die Bankangestellten in der Schweiz er- sprechen, ein Angebot für Lernende ausar- reicht und sich immer mit aller Kraft für sie beiten und – nicht nur neue – Mitglieder eingesetzt. Wir sind uns der grossen Verant- motivieren, sich gemeinsam mit uns fürei- wortung bewusst, die dieses Erbe mit sich nander und miteinander zu engagieren, das bringt. Es ist nicht leicht, einen über 100-jäh- sind weitere erklärte Ziele. Mit diesem ers- rigen Verband erfolgreich in die Zukunft zu ten Einblick in unsere Ziele, Ideen und Ent- führen: Traditionen wollen gewahrt wer- wicklungsvorstellungen möchten wir Ihnen den, und gleichzeitig erfordert die heutige sagen: Die Zukunft ist jetzt, wir sind bereit Zeit Modernisierungen und Veränderun- und freuen uns darauf, Sie auf die Reise in gen, damit sich der SBPV zeitgemäss entwi- Richtung 2030 mitzunehmen! ckeln kann und wir gemeinsam die Arbeits- bedingungen im Finanzplatz Schweiz 2030 nicht nur jetzt schon mitdefinieren, sondern Natalia Ferrara, Co-Geschäftsführerin Mitglieder schlussendlich auch prägen können. und Vertragspolitik SBPV In unserem Fokus stehen die Interessen der Mitarbeitenden der Finanzbranche in der Schweiz. Die Hauptaufgabe ist dabei im- mer das gewerkschaftliche Engagement mit Konzentration auf Themen, die stichhaltige und schlagkräftige Argumente für die For- derungen an die Arbeitgeber liefern. Uns ist klar, dass sozialpartnerschaftliche Lösungen Anne-Wienke Palm, Co-Geschäftsführerin Kommuni- Zeit, Geduld und Hartnäckigkeit vorausset- kation und Organisation SBPV zen und dass wir nicht alles auf einmal er- reichen können. Doch mit geschickten und klugen Verhandlungen werden wir gemein- sam mit unseren Mitgliedern deren Arbeits- bedingungen weiterhin stärken, verbessern und modernisieren. Auf individueller und
trauten. Ich habe sie nicht vergessen und sie hinterlassen bei mir einen leicht bitteren Nachgeschmack. Bis heute bedaure ich, dass es mir nicht gelungen ist, sie zu überzeugen, Rückblick und Wünsche für den ihre Angst zu überwinden, um gemeinsam SBPV und die Bankangestellten zu versuchen, die Auswirkungen der Re- Denise Chervet strukturierungen zu vermindern. Die Sozialpartnerschaft am Scheideweg Nebst den Restrukturierungen war die Sozi- alpartnerschaft der zweite Schwerpunkt mei- nes Engagements beim SBPV. Notgedrungen hatten wir Streitigkeiten mit Arbeitgebern, Meine Bilanz wobei wir oft Lösungen für die auftretenden Probleme finden konnten. Dies war z.B. der Anfang März 2021 habe ich die Geschäfts- Fall, als es um die Übermittlung von Daten führung des SBPV an Natalia Ferrara und von Bankangestellten an die USA oder um Anne-Wienke Palm übergeben. Mit meiner die Erfassung der Arbeitszeit ging. Pensionierung verlasse ich den SBPV im Wis- Leider blieb einiges ungeklärt, wie z.B. sen, dass ich meine Aufgabe nicht ganz erfüllt die Zuteilung von Familienzulagen ge- habe − es gibt noch viele offene Dossiers, mäss VAB, das Recht auf bezahlte Weiter- zu realisierende Projekte und Botschaften, bildung, der Kündigungsschutz für ältere die weitergegeben werden müssen −, dafür Mitarbeitende usw. Darüber hinaus gibt es habe ich Gewissheit, dass das Team die Ener- neue Formen der Arbeit, die neue Rege- gie, das Talent und die Fähigkeiten hat, das lungen erfordern. Ruder zu übernehmen und das Engagement für die Bankangestellten fortzusetzen. Nur zusammen sind wir stärker Zwölf Jahre sind in einem mehr als hun- dert Jahre alten Verband wenig, und doch Wenn sich die Mitarbeitenden nicht organi- hat sich in dieser Zeit der Finanzbereich sieren, wird es schwierig sein, ihre Interessen tiefgreifend verändert. Sei es mit dem Ende zu verteidigen. Zu diesem Zweck sind Ge- des Bankgeheimnisses, dem verstärkten werkschaften gegründet worden. Ihre Stärke Kampf gegen Geldwäscherei, der Digitali- hängt von der Anzahl Mitglieder und deren sierung, der Globalisierung usw. Der SBPV konkreten Unterstützung ab, sei es durch die hat sich stetig angepasst, um für die neuen Teilnahme an Veranstaltungen oder durch So- Herausforderungen gewappnet zu sein. lidarität mit den KollegInnen in der eigenen Bank, anderen Finanzinstituten und auch mit Restrukturierungen zuhauf KollegInnen anderer Wirtschaftssektoren. Ich wünsche der neuen Leitung des In meiner Zeit beim SBPV gab es zahlrei- SBPV und ihrem Team die Kraft und Ener- che Restrukturierungen von Banken. Jedes gie, all diese Herausforderungen erfolgreich Mal war es eine Gelegenheit, die Belegschaft zu meistern und entlang dieses Weges viele zu treffen und zu organisieren und ihr den neue engagierte Mitglieder zu gewinnen und Mehrwert von Solidarität und der gewerk- zu begeistern. schaftlichen Organisation zu zeigen. In den meisten Fällen haben wir das Vertrauen der Mitarbeitenden gewonnen und konnten gute Denise Chervet, Geschäftsführerin SBPV Sozialpläne aushandeln. Ich erinnere mich von 2009 bis 2021 gerne an überfüllte Säle und Angestellte, die dankbar und teilweise auch beruhigt waren über ihre Zukunft dank den verhandelten Unterstützungsmassnahmen. Es gab auch Misserfolge, wenn Mitar- beitende sich selbst und dem SBPV nicht
Der Arbeitgeber könnte allerdings ein überwiegendes Interesse gel- tend machen, falls diese Informa- tionen erforderlich sind, um die Gesundheit von Mitarbeitenden Wichtige Fragen an die Arbeitgeber oder der Kundschaft zu schützen. der Finanzbranche hinsichtlich Covid-19-Impfung Wäre es angesichts möglicher Interview mit Balz Stückelberger, Nebenwirkungen denkbar, nach der Impfung eine Direktor Arbeitgeber Banken Erholungszeit vorzusehen? BS Falls Komplikationen auf- treten, ist dies als Krankheit zu werten und die erforderliche Er- holung zu gewähren. Zum Glück sind solche Fälle aber sehr selten. GiRO W elche Haltung hat Einschätzung von Werden Menschen, die Arbeitgeber Banken zur Luca Cirigliano, Jurist nicht geimpft sind, Covid-19-Impfung? beim Schweizerischen noch länger zu Hause Gewerkschaftsbund SGB arbeiten müssen? BS Wir sehen eine möglichst breite «Durchimpfung» als einzige Für die Bankenbranche gibt es mei- BS Es ist durchaus denkbar und Massnahme, um Corona endlich nes Erachtens keine Grundlage auch zulässig, dass geimpfte Per- und nachhaltig zu bewältigen. Vor für den Arbeitgeber, einen «Impf- sonen früher von betrieblichen diesem Hintergrund lautet unsere zwang» auszusprechen, weil regel- Lockerungen profitieren. Empfehlung ganz klar: Lassen Sie mässig mildere Gesundheitsschutz- sich impfen! Leider kommt die Massnahmen vorhanden sein Werden Sie sich selbst Impfkampagne in der Schweiz aber dürften (Änderung der Büroein- impfen lassen? nur schleppend voran. richtung, Einzelbüros statt Gross- raumbüros, bessere Lüftung, mehr BS Selbstverständlich. Ziehen die Banken einen Abstände, Tragen von Maske, Ein- Impfzwang in Betracht? führung von Schutzkonzepten mit Risikoanalysen usw.). Personen, Balz Stückelberger, BS Die Covid-19-Impfung sollte denen aufgrund einer Weigerung Geschäftsführer Arbeitgeber auf dem Grundsatz der Freiwillig- gekündigt werden würde, könnten Banken keit beruhen. Abgesehen davon sich wegen Missbräuchlichkeit der ist ein absoluter Impfzwang recht- Kündigung wehren. Das Gleiche lich gar nicht zulässig. Interessant gilt für die Erkundigung, ob eine ist hingegen die Frage des in- Impfung gemacht wurde: Es müs- direkten Zwangs, wenn also sen besondere Gründe vorliegen. gewisse Tätigkeiten wie zum Bei- spiel Kundenbesuche nur durch geimpfte Mitarbeitende ausgeübt werden dürfen. Solche Mass- Werden sich die Arbeit nahmen erachte ich grundsätzlich nehmenden während als zulässig. Ich hoffe aber auf ihrer Arbeitszeit impfen eine genügend grosse Impfbereit- lassen können? schaft, damit solche Fragen gar nicht geklärt werden müssen. BS Ich gehe davon aus, dass sich die meisten Banken kulant zeigen Werden die Banken zum werden, falls der Impftermin in die Schutz der Gesundheit Arbeitszeit fällt. ihrer Mitarbeitenden Anreize für breit angelegte Haben die Arbeitgeber die Impfungen schaffen? Absicht oder gar das Recht zu kontrollieren, ob sich BS Der Schutz der eigenen ihre Angestellten haben Gesundheit und derjenigen der impfen lassen? Kolleginnen und Kollegen sollte Anreiz genug sein, um sich impfen BS Derzeit sind keine solchen zu lassen. Die Banken können Absichten bekannt. Ein betrieb- den Impfprozess mit betriebs- liches «Impfregister» sollte aber internen Aktionen wie bei der auf freiwilligen Angaben beruhen. Grippeimpfung unterstützen. Ob Eine Auskunftspflicht über den und wann dies möglich sein wird, eigenen Impfstatus ist heikel, weil ist aber noch nicht klar. es sich um besonders schützens- werte Gesundheitsdaten handelt.
das zweitwichtigste Risiko genannt worden. Bei systematisch risikobasiertem Vorgehen hätte sich also eigentlich kein Betrieb von Corona überrumpeln lassen müssen. Lehren aus der Pandemie für den Als Lehre aus der Corona-Pandemie Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz könnte resultieren, dass wir auch in der Sabine Steiger-Sackmann Schweiz regelmässige schriftliche Gefähr- dungsanalysen und darauf basierende Mass- nahmenpläne verlangen. Dies stellt sicher, dass sich Unternehmen kontinuierlich mit dem Thema Gesundheit am Arbeitsplatz befassen und Routine entwickeln im sach- gerechten Umgang mit Gesundheitsrisiken. Vollzug Verantwortung der Arbeitgebenden Eine nachhaltige Wirtschaft braucht ge- Arbeitgebende sind nicht nur in Pandemie- sunde Menschen, und diese brauchen Ar- Zeiten, sondern immer verpflichtet, alle beitsplätze, die sie nicht krank machen, so Massnahmen zu treffen, die für den Schutz dass sie das Gesundheits- und Sozialver- der Mitarbeitenden notwendig und gemäss sicherungssystem nicht übermässig belas- dem Wissensstand geeignet sowie ange- ten. Dies ist die Legitimation dafür, dass messen sind. Sie müssen sie vor physischen der Staat mit Behörden die Einhaltung des und psychischen Gesundheitsrisiken schüt- Gesundheitsschutzes an den Arbeitsplätzen zen; das kann – wie für Covid-19 relevant überwacht. Die kantonalen Arbeitsinspek- – Schutz vor biologischen Einflüssen sein; torate sind aber schon lange personell und es wird im Arbeitsgesetz aber auch explizit finanziell unterdotiert. Sie waren nicht in erwähnt, dass übermässig starke oder allzu der Lage, ihren gesetzlichen Auftrag zum einseitige Beanspruchung vermieden und Schutz der Arbeitnehmenden vor Corona- die Arbeit geeignet organisiert werden soll. Ansteckungen wahrzunehmen, so dass die Die Arbeitgebenden tragen also die Ver- Suva zu Hilfe kommen musste. antwortung, dass wegen Arbeitsbedingun- Aufgrund dieser Erfahrungen muss eine gen niemand krank wird oder verunfallt. Die Verbesserung der Strukturen und finan- Mitarbeitenden oder ihre Vertretung haben ziellen Ressourcen der Arbeitsaufsicht ins zudem ein Mitspracherecht «in allen Fra- Auge gefasst werden. Es braucht Institutio- gen des Gesundheitsschutzes». Arbeitneh- nen, welche die erforderlichen Kapazitäten mende ihrerseits sind verpflichtet, bezüglich haben, um über Gesundheitsschutzbestim- der Umsetzung der Schutzmassnahmen ak- mungen zu informieren und deren Einhal- tiv mitzuwirken (z.B. Maske tragen, Abstand tung wirksam zu kontrollieren. Dies würde einhalten). Dies entbindet aber Vorgesetzte bei Arbeitgebenden wiederum das nötige nicht davon, auf ihre Einhaltung zu pochen. Bewusstsein schaffen, dass der Gesundheits- schutz am Arbeitsplatz Pflicht und nicht Kür Risikoanalysen ist. Er sollte als Compliance-Thema nämlich endlich ernst genommen werden. Die Wahrnehmung der gesetzlichen Prä- ventionspflicht durch die Unternehmen setzt eine Gefährdungsermittlung unter Sabine Steiger-Sackmann ist Dozentin für Arbeits- und Mitwirkung der Arbeitnehmenden voraus. Sozialversicherungsrecht an Eine Risikoanalyse und insbesondere de- der Zürcher Hochschule ren schriftliche Dokumentation sind in der für Angewandte Wissenschaften Schweiz (anders als in der EU) jedoch nicht ZHAW. Zuvor war sie selb- ständige Anwältin und neben generell vorgeschrieben. In Gefährdungs- amtlich Mitglied der Eidgenössi- analysen hätte der Stand des Wissens ein- schen Arbeitskommission. fliessen können. Im Risikobericht des Bun- desamts für Bevölkerungsschutz von 2015 ist nämlich «Pandemie» nach Stromausfall als
GIRO geht auch papierlos Das GIRO 2021 ist ein für uns wesentliches Medium, um Sie über Themen zu informieren, die uns in diesem Jahr beschäftigen – aus unserer Sicht, aus der Sicht von Fachexperten und im Gespräch mit wichtigen Stake- Herausgeber Übersetzungen holdern des SBPV. Dieses Angebot wollen wir Ihnen Schweizerischer Fabian Baer Bankpersonal natürlich weiterhin zur Verfügung stellen. Wir möchten verband SBPV Konzeption und Sie jedoch gerne nochmals auf die Möglichkeit zur Beethovenstrasse 49 Realisation Bestellung einer Online-Version hinweisen – für die 8002 Zürich Bonbon, Zürich info@sbpv.ch www.bonbon.li Nachhaltigkeit und um die wegen der aktuellen Lage www.sbpv.ch benötigte, auch örtliche Flexibilität zu berücksichtigen. T 0848 000 885 Druck Zur Schonung natürlicher Ressourcen, zur Steigerung Typotron AG, Redaktionsleitung St. Gallen der Kosteneffizienz zugunsten von anderen Angeboten, Fabian Baer www.typotron.ch die wir erarbeiten, und ganz einfach, damit Sie Ihr Kommunikation GIRO immer und überall lesen können. Selbstverständ- Erscheinungsweise lich bleibt die Option, ein gedrucktes Exemplar per Post Autoren 3 Ausgaben pro Jahr Sabine Steiger- zu erhalten bestehen – wir wissen, dass auch dies vielen Sackmann Quellen der Bilder Mitgliedern ein Anliegen ist. Bis wir Ihnen im neu Marcel Baumgartner S. 3: Andreas gestalteten Mitgliederbereich auf unserer Homepage Jörg Eigenmann Schwaiger, Foto von Denise Chervet Denise Chervet die Möglichkeit geben können, die Option selbst aus- Natalia Ferrara zuwählen, erlauben wir uns, Ihnen ab der kommenden Anne-Wienke Palm Ausgabe die Online-Version zuzusenden, und bitten Sie, uns eine E-Mail an kommunikation@sbpv.ch zu senden Illustrationen Alina Günter, Zürich oder uns unter 0848 000 885 anzurufen, sollten Sie ein www.alinaguenter.ch gedrucktes Exemplar wünschen. Korrektorat Renate Kinzl, Herzlichen Dank für Ihre Mithilfe! Spiegel b. Bern www.wort-spiegel.ch Beat Baumgartner Absolvent MAS in Swiss Finance Jetzt weiterbilden. CAS Innovatives Besuchen Sie unseren Online- Bankmanagement Infoanlass Digitalisierung und Innovation vorantreiben. ost.ch/cas-innovatives-bankmanagement
niedrigerem Wohlbefinden, sinkender Mo- tivation und auch zu einem Leistungsabfall. Wie kann diesem Verhalten und einer solchen gesundheitsgefährdenden Kultur Selbstverantwortung und entgegengewirkt werden? Dafür ist es wich- Selbstgefährdung im Homeoffice tig, auf den Ebenen Individuum, Team und Marcel Baumgartner Organisation anzusetzen und auch auf allen drei Ebenen aktiv zu werden. Individuum Die Selbstverantwortung liegt vor allem in der bewussten Reflexion über das eigene Verhalten und die eigenen Erwartungen im Homeoffice. Folgende Fragen können zu Die Corona-Pandemie beschäftigt uns seit Beginn der Woche oder des Arbeitstages über einem Jahr. Viele Mitarbeitende sind helfen, sich selbst eine Struktur zu geben: genauso lange bereits mehrheitlich im Home ⬤ Wann starte ich, wann beende ich office tätig. Entgegen einer – zumindest vor die Arbeit? Corona – weitverbreiteten Meinung zeigen ⬤ Wann mache ich Pausen? wissenschaftliche Studien, dass die Arbeits- ⬤ Wie komme ich während oder nach zeiten im Homeoffice länger und die Pau- einem langen Homeoffice-Tag wieder sen kürzer sind im Vergleich zum Arbeiten zu Energie? im Büro. Ausserdem ist auch eine Tendenz zu sehen, dass im Homeoffice öfter auch bei Für den Fall, dass man sich auffallend oft Krankheit gearbeitet wird. Diese Befunde nicht an die eigenen Vorgaben hält, sollte überraschen, da es in den eigenen vier Wän- nach dem «Warum?» gefragt werden. «Ich den ja keine soziale Kontrolle gibt, also keine arbeite länger als geplant, weil … Kolleginnen und Kollegen, keine Vorgesetz- ⬤ … ich ein Ziel erreichen will?» ten, die diesen Effort sehen würden. Es stellt ⬤ … ich einen Misserfolg vermeiden will?» sich deshalb die Frage, warum im Homeoffice mehr gearbeitet wird und nicht etwa weniger. Werden eine oder beide Fragen mit «Ja» Bei den aufgeführten Handlungsweisen beantwortet, sollten im Dialog mit der Füh- sprechen wir von einem selbstgefährdenden rungsperson die vereinbarten Ziele und Auf- Verhalten. Zwei Gründe begünstigen das gaben hinterfragt und angepasst werden. Auftreten von Selbstgefährdung im Home office: Erstens die fehlende Grenze zwischen Team den Lebensbereichen Arbeit und Privat- leben. Die Abgrenzung dieser Bereiche im Im Team kann eine gemeinsame Haltung zu Homeoffice muss viel stärker selbst geleistet einem gesundheitsförderlichen Umgang mit werden, da die räumliche Trennung von Ar- Homeoffice entwickelt werden. Dazu bedarf beit und Privatleben wegfällt. Dadurch sinkt es klarer Abmachungen und Grundsätze im für viele die Schwelle, aus Frei- und Ruhe Team. Folgende Punkte sind dabei beson- zeiten zusätzliche Arbeitszeit zu machen. ders wichtig: Verstärkt wird diese Tendenz, wenn noch ein zweiter Grund hinzukommt: Die Ar- Vereinbarungen treffen beitssituation ist geprägt durch permanen- ⬤ Wie und wann sollte jemand im ten Erfolgsdruck, Arbeitsplatzunsicherheit Homeoffice erreichbar sein? und wenig Interesse seitens der Führungs- ⬤ Was sind die Erwartungen bez. des kräfte an der Arbeitsbelastung. Dann fördert Beantwortens von E-Mails? Homeoffice die Entgrenzung. So entsteht ⬤ Welche Kanäle werden für die team auch eher eine Haltung wie: «zu krank, um interne Kommunikation benutzt? ins Büro zu kommen, aber gesund genug fürs Homeoffice». Solche Verhaltensweisen wir- ken zwar kurzfristig eher produktivitätsstei- gernd, führen mittel- und langfristig aber zu
Kommunikation der Vereinbarungen Führungsperson. Die HR-Abteilung oder gegen aussen die nächsthöhere Ebene werden bei dieser Welche Möglichkeiten stehen zur Verfügung, Variante nur bei Ablehnung mit einer Be- um auch für teamexterne Personen die Ver- gründung der Ablehnung beigezogen. einbarungen transparent zu machen? Ge- eignet sind z.B. Eintragungen im Outlook- c) Erreichbarkeit Kalender oder die «Out-of-Office-Reply». Dieser Aspekt wird von Mitarbeitenden oft als unklar geregelt empfunden und kann Regelmässige gemeinsame Reflexion deshalb zu Unsicherheiten führen. Gleich- der Vereinbarungen zeitig ist es ein Aspekt, der nur schwer Wiederkehrender Punkt auf der Team sinnvoll auf Organisationsebene geregelt meeting-Agenda: werden kann, ohne dass dies als Überregu- ⬤ Welche Erfahrungen wurden mit den lierung empfunden wird. Dieses Risiko kann Vereinbarungen gemacht? Welche haben ein Unternehmen entschärfen, indem es die sich bewährt? Welche nicht? Ausformulierung einer Abmachung zur Er- Welche müssen angepasst werden? reichbarkeit explizit an die Teams delegiert. Hierbei ist allerdings eine klare Kommuni- Organisation kation der Organisation (inkl. Aufzeigen der Vorteile dieses Vorgehens) notwendig. Grundsätzlich liegt die Schwierigkeit für Un- Bei einer Abmachung in den Teams ternehmen darin, den Mitarbeitenden genü- sollte das Abwägen zwischen ständiger Er- gend Orientierung zu Erwartungen, Freihei- reichbarkeit und der Möglichkeit, über ei- ten und Pflichten zum Thema Homeoffice nen längeren Zeitraum konzentriert arbei- zu geben, ohne durch eine Überregulierung ten zu können, im Zentrum stehen. den Handlungsspielraum zu stark einzu- schränken – ein schmaler Grat. d) Krankheit und Homeoffice Wenn eine explizite Klärung fehlt, entstehen Bei folgenden vier Themenfeldern lohnt bei Mitarbeitenden schnell Unsicherheiten. es sich für Organisationen, den Mitarbei- Es etabliert sich das ungeschriebene Ge- tenden mithilfe einer Policy Klarheit zur setz, dass Homeoffice und Krankheit wun- diesbezüglichen Haltung des Unterneh- derbar zusammenpassen. Um dieser Form mens zu geben: des Präsentismus (trotz Krankheit arbeiten) und dessen negativen Auswirkungen ent a) Häufigkeit von Homeoffice gegenzuwirken, sollte eine klare Unterneh- Spätestens in der Post-Corona-Zeit muss mens-Policy kommuniziert werden. Diese auf Unternehmensebene klar kommuni- könnte beispielweise lauten: «Wer krank ziert werden, welche Erwartungen seitens ist, erholt sich und arbeitet nicht – weder der Organisation bestehen. im Büro noch zu Hause.» Fällt auf, dass ⬤ Gibt es eine maximale Anzahl Home Mitarbeitende trotzdem bei Krankheit im office-Tage, die von den Mitarbeitenden Homeoffice arbeiten, sollte abgeklärt wer- nur in Ausnahmefällen überschritten den, inwieweit sich dieses Phänomen auf werden sollte? Entgrenzung (s. oben) zurückführen lässt. Hoher Erfolgsdruck, Arbeitsplatzunsicher- b) Genehmigungsprozess heit und fehlendes Interesse der Führungs- Genehmigungsprozesse für Homeoffice sind person können Treiber eines solchen selbst- in einigen Organisationen obsolet, da Ar- gefährdenden Verhaltens sein. beiten im Homeoffice eigenverantwortlich beschlossen werden kann und blosses Infor- mieren der Führungskraft bzw. des Teams Marcel Baumgartner ist Arbeits- und Organisations- ausreicht. Falls aber Genehmigungsprozesse psychologe und arbeitet an der nötig sein sollten, sollten diese möglichst Hochschule für Angewandte Psy- einfach und pragmatisch gestaltet und auf chologie FHNW. einer tiefen hierarchischen Ebene ange- siedelt sein. Viele Unternehmen berichten von positiven Erfahrungen mit der Geneh- migung von Homeoffice durch die direkte
Preis der Verfügbarkeit Doch die permanente Erreichbarkeit und die hohe Arbeitsintensität fordern ihren Psychosoziale Risiken aktiv managen Tribut. Ein Bericht zur Vertrauensarbeits- Jörg Eigenmann zeit bei Finanzinstituten zeigt auf, dass Bankangestellte vergleichsweise häufig an Schlafstörungen und Magenbeschwerden leiden – was eine Folge der Belastungen sein könnte. Unter Fachleuten jedenfalls ist unbestritten, dass andauernde psychosozi- ale Risikosituationen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen können. Ver- breitete Folgen sind zudem Motivations- verlust, Arbeitsunzufriedenheit oder Leis- 2:21 – Beat Bangeter* erschrak, als er auf tungsabfall. Wie lässt sich das verhindern? die Uhr blickte. Nach dem Abendessen hatte der 37-jährige Portfoliomanager bloss noch Gesundheitsschutz – rasch die Mails gecheckt – und war bei der eine kluge Investition Anfrage eines Privatkunden hängen geblie- ben. Daraus wurde dann die Ausarbeitung Ein wirksamer Ansatz sind der Gesundheits- einer ganzen Anlagestrategie. Beat Bangeter schutz und eine gute Work-Life-Balance fuhr den Rechner herunter, setzte die Tee- auf allen Ebenen der Unternehmenspolitik. tasse an die Lippen und noch vor dem ersten Denn: Mitarbeitende, die bei Stressbewäl- Schluck drängte sich der Gedanke vor: «Wie tigung unterstützt werden, sind nicht nur lange soll das noch so weitergehen?» leistungsfähiger. Sie sind auch motivierter und besser in der Lage, sich den Verände- Riskante Performance rungen im Betrieb anzupassen. Auf diese Weise erfüllt der Arbeitgeber zudem die ge- Was Herr Bangeter erlebt, ist nicht nur eine setzliche Verpflichtung, die physische und Ausweitung der Arbeitszeit. Es ist die Ent- psychische Gesundheit der Mitarbeitenden grenzung der Arbeit: die ständige Verfüg- zu schützen. barkeit, gekoppelt mit Termindruck und Beat Bangeters Arbeitgeber hat gehan- hoher Verantwortung. Solche Arbeitsbe- delt. Die traditionsreiche Vermögensver- dingungen bergen Gefahren, so genannte waltung spricht anlässlich der regelmässig psychosoziale Risiken. Sie entstehen ge- stattfindenden Mitarbeitendengespräche sys mäss dem Staatssekretariat für Wirtschaft tematisch die Belastungen an, die aus der ho- SECO aus «gesundheitsschädlichen Aspek- hen Arbeitsintensität erwachsen. Die durch- ten der Arbeitsaufgaben, Arbeitsorganisa- gehende Arbeitszeitaufzeichnung erlaubt tion und sozialen Verhältnisse». Dazu zäh- es, entsprechende Kennzahlen zu erheben. len unter anderem sexuelle Belästigung, In einem «Code of Conduct» ist überdies der Mobbing und Konflikte, aber ebenso mo- Umgang mit psychosozialen Risikofaktoren notone Arbeitsabläufe, unklare Aufgaben- festgehalten. So hat sich langsam durchge- übertragung oder mangelhafte Kommuni- setzt, dass am späten Abend und an den Wo- kation. In der Schweiz leiden dem SECO chenenden auf Kundenkontakt verzichtet zufolge die Angestellten am häufigsten un- wird. Davon profitiert auch Beat Bangeter. ter hohem Arbeitstempo, Termindruck und Der Anlageberater investiert die freien Wo- Arbeitsunterbrechungen. chenenden in seine neu entdeckte Passion: Mit seinem Arbeitsverhalten steht Herr Er züchtet Rosen. Alte und sehr edle Sorten. Bangeter nicht allein da. «Im Finanzsektor Das hat ihm eine wichtige Erkenntnis ge- ist es üblich, bis weit in die Abendstunden bracht – auch für seine Arbeit: «Was blühen zu arbeiten», verrät der Anlageberater, soll, braucht sorgfältige Pflege!» «schliesslich möchte niemand als ‹low per- former› gelten, alle wollen die Ziele errei- chen – auch deshalb, weil davon Status und Lohn abhängen.»
* Beat Bangeter ist eine fiktive Person. Seine Handlungen sind aus einer realen Fall konstellation abgeleitet. Jörg Eigenmann, MSc in Sozialer Arbeit, ist als Fachmitarbeiter Product Manage- ment bei der Movis AG tätig. member gets member Mitglieder werben, den SBPV stärken und Prämie erhalten! www.sbpv.ch/member-gets-member SBPV-Multi- Rechtsschutz Machen Sie mehr aus Ihrer Die optimale Ergänzung zum beruflichen Rechtsschutz im Mitgliedschaft und profitieren Sie vom Verkehrs- und Privatbereich. Inklusive Internet-Rechtsschutz! exklusiven SBPV-Multi-Rechtsschutz. Höchste Sicherheit für unschlagbare CHF 147.60. Mehr auf www.sbpv.ch/multi In Zusammenarbeit mit:
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