BAG-Bulletin 48/2020 - SO SCHÜTZEN WIR UNS. www.bag-coronavirus.ch

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BAG-Bulletin 48/2020 - SO SCHÜTZEN WIR UNS. www.bag-coronavirus.ch
Ausgabe vom 23. November 2020

BAG-Bulletin 48/2020
                                               Woche

Informationsmagazin für medizinische Fachpersonen und Medienschaffende

SO SCHÜTZEN
WIR UNS.
www.bag-coronavirus.ch
Impressum

       HERAUSGEBER
       Bundesamt für Gesundheit
       CH-3003 Bern (Schweiz)
       www.bag.admin.ch

       REDAKTION
       Bundesamt für Gesundheit
       CH-3003 Bern
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       ISSN 1420-4266

       DISCLAIMER
       Das BAG-Bulletin ist eine amtliche Fachzeitschrift, die wöchentlich in französischer und deutscher Sprache erscheint.
       Sie richtet sich an Medizinfachpersonen, Medienschaffende, aber auch Interessierte.
       Die Publikation informiert aus erster Hand über die aktuellsten Gesundheitszahlen und relevante Informationen des BAG.

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BAG-Bulletin 48 vom 23. November 2020
Inhalt

Meldungen Infektionskrankheiten 4
Sentinella-Statistik 6
Wochenbericht zu den ­grippeähnlichen ­Erkrankungen 6
So schützen wir uns: www.bag-coronavirus.ch 7
HIV, Syphilis, Gonorrhoe und Chlamydiose in der Schweiz im Jahr 2019:
­eine epidemiologische Übersicht 8
HIV und Aids in der Schweiz im Jahr 2019 12
Syphilis in der Schweiz im Jahr 2019 21
Gonorrhoe in der Schweiz im Jahr 2019 28
Chlamydiose in der Schweiz im Jahr 2019 33
Testsurveillance 36
Rezeptsperrung 39

                                                                        BAG-Bulletin 48 vom 23. November 2020
4            48/20              ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN

       Meldungen Infektionskrankheiten
       Stand am Ende der 46. Woche (17.11.2020)a
       a
             Arzt- oder Labormeldungen laut Meldeverordnung. Ausgeschlossen sind Fälle von Personen mit Wohnsitz ausserhalb der Schweiz bzw. des Fürstentums Liechten­
             stein. Zahlen provisorisch nach Eingangsdatum. Bei den in grauer Schrift angegebenen Daten handelt es sich um annualisierte Angaben: Fälle pro Jahr und
             100 000 Per­sonen der Wohnbevölkerung (gemäss Statistischem Jahrbuch der Schweiz). Die annualisierte Inzidenz erlaubt einen Vergleich unterschiedlicher Zeit­
             perioden.
       b
             Siehe Influenzaüberwachung im Sentinella-Meldesystem www.bag.admin.ch/grippebericht.
       c
             Ausgeschlossen sind materno-fötale Röteln.
       d
             Bei schwangeren Frauen und Neugeborenen
       e
             Die Fallzahlen für Gonorrhoe sind aufgrund einer Anpassung der Definition für eine Reinfektion erhöht und nicht mit denjenigen in früheren Bulletin-Ausgaben
             vergleichbar. Meldungen zum gleichen Patienten, die im Abstand von mindestens 4 Wochen eintreffen, werden neu als separate Fälle gezählt.
       f
             Primäre, sekundäre bzw. frühlatente Syphilis.
       g
             Die Fallzahlen für Syphilis sind aufgrund einer Anpassung der Falldefinition nicht mehr mit denjenigen in früheren Bulletin-Ausgaben vergleichbar.
       h
             Eingeschlossen sind Fälle von Haut- und Rachendiphtherie, aktuell gibt es ausschliesslich Fälle von Hautdiphtherie.

       Infektionskrankheiten:
       Stand am Ende der 46. Woche (17.11.2020)a
                                                     Woche 46                  letzte 4 Wochen                  letzte 52 Wochen                seit Jahresbeginn
                                           2020        2019   2018          2020     2019     2018            2020     2019   2018            2020     2019    2018

           Respiratorische Übertragung

           Haemophilus influenzae:                          1          4         4            6        14         87       123        137         71       108       123
           invasive Erkrankung                           0.60       2.40      0.60         0.90      2.10       1.00       1.40       1.60      0.90       1.40      1.60
           Influenzavirus-Infektion,                       16          9         1           34        30     11737     13702      14967 11332 13363 13647
           saisonale Typen und                           9.70       5.40      0.20         5.20      4.50    136.80     159.60     174.40 149.20 176.00 179.70
           Subtypenb
                                                 7         14          8        27           58        52       488        581        562       438         531       517
           Legionellose
                                              4.20       8.50       4.80      4.10         8.80      7.90       5.70       6.80       6.60      5.80       7.00      6.80
                                                            1          1                      1         4         44        213         48        35       212         47
           Masern
                                                         0.60       0.60                   0.20      0.60       0.50       2.50       0.60      0.50       2.80      0.60
           Meningokokken:                                   2          3                      6         4         24         44         59        18         38        57
           invasive Erkrankung                           1.20       1.80                   0.90      0.60       0.30       0.50       0.70      0.20       0.50      0.80
           Pneumokokken:                         7          9        22         22           45        60       624        885       965        507       756        837
           invasive Erkrankung                4.20       5.40     13.30       3.30         6.80      9.10       7.30      10.30     11.20       6.70     10.00      11.00
                                                                                                                              1          2                    1         2
           Rötelnc
                                                                                                                           0.01       0.02                 0.01      0.03

           Röteln, materno-fötald

                                                 1                     5        10           18        28        374       422        507       322        379       466
           Tuberkulose
                                              0.60                  3.00      1.50         2.70      4.20       4.40       4.90       5.90      4.20       5.00      6.10

           Faeco-orale Übertragung

                                               59       137         141        275        592        586       6023       7357       7482       5310     6593       6909
           Campylobacteriose                35.80      83.00      85.40      41.60       89.70      88.80      70.20      85.70      87.20     69.90     86.80      91.00
           Enterohämorrhagische                 15          9        24          50         77         77       779        1109       802       666       1017        749
           E.-coli-Infektion                  9.10       5.40     14.50        7.60      11.70      11.70       9.10      12.90       9.30      8.80     13.40       9.90
                                                 3          2         10         7            4        24         85         76         99        71         64        92
           Hepatitis A
                                              1.80       1.20       6.10      1.10         0.60      3.60       1.00       0.90       1.20      0.90       0.80      1.20
                                                 1          1          2         7            4         6         82       112          57        65         96        57
           Hepatitis E
                                              0.60       0.60       1.20      1.10         0.60      0.90       1.00       1.30       0.70      0.90       1.30      0.80
                                                            1                    3            3         1         55         37         52        51         32        49
           Listeriose
                                                         0.60                 0.40         0.40      0.20       0.60       0.40       0.60      0.70       0.40      0.60
           Salmonellose, S. typhi/                                     1                                2         14         20         22        11         18        21
           paratyphi                                                0.60                             0.30       0.20       0.20       0.30      0.10       0.20      0.30
                                               20         39         38         94        166         142      1266       1531       1480      1131       1414      1361
           Salmonellose, übrige
                                            12.10      23.60      23.00      14.20       25.10      21.50      14.80      17.80      17.20     14.90     18.60      17.90
                                                            5          9         2           33        33         76       222        238         55       195       222
           Shigellose
                                                         3.00       5.40      0.30         5.00      5.00       0.90       2.60       2.80      0.70       2.60      2.90

BAG-Bulletin 48 vom 23. November 2020
ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN                          48/20              5

                                     Woche 46              letzte 4 Wochen           letzte 52 Wochen            seit Jahresbeginn
                           2020        2019   2018      2020     2019    2018      2020     2019   2018        2020     2019    2018

Durch Blut oder sexuell übertragen

                                                    1        2       6        8       58       76       75        45        68        70
Aids                                             0.60     0.30    0.90     1.20     0.70     0.90     0.90      0.60      0.90      0.90
                              231   268           217      675 1058        882     10727   12233     11081     9287     10970     9884
Chlamydiose
                           140.00 162.40       131.50   102.20 160.20    133.60   125.00   142.50   129.10    122.30    144.50   130.20
                               57         61       51     212      314     250     3333     3885     2809      2906      3490     2542
Gonorrhoee
                            34.50      37.00    30.90    32.10   47.60    37.90    38.80    45.30    32.70     38.30     46.00    33.50
                                                                     3        3       10       27       38         6        24        31
Hepatitis B, akut
                                                                  0.40     0.40     0.10     0.30     0.40      0.08      0.30      0.40
Hepatitis B,                   19        22       16       64      84       83      959     1081     1231        812       950     1072
total Meldungen
                                                    1                1        3        2       30       30         2        27        26
Hepatitis C, akut
                                                 0.60             0.20     0.40     0.02     0.40     0.40      0.03      0.40      0.30
Hepatitis C,                   10        13       30       58      81      102      903     1026     1327        783       909     1170
total Meldungen
                                2         15        8       18      33       30     286      426       412      236       380        361
HIV-Infektion
                             1.20       9.10     4.80     2.70    5.00     4.50     3.30     5.00     4.80      3.10      5.00      4.80
                                2         20        8       14      66       47     542       712     533       451       642       533
Syphilis, Frühstadienf
                             1.20      12.10     4.80     2.10   10.00     7.10     6.30     8.30     6.20      5.90      8.50      7.00
                                2         30       10       17      95       61     724      1031      911      605        923      820
Syphilis , totalg
                             1.20      18.20     6.10     2.60   14.40     9.20     8.40    12.00    10.60      8.00     12.20     10.80

Zoonosen und andere durch Vektoren übertragbare Krankheiten

                                                                                     11        6        4          9         5        4
Brucellose
                                                                                   0.10     0.07     0.05       0.10      0.07     0.05
                                          1                         3        1       14       38        4         10       37         4
Chikungunya-Fieber
                                       0.60                      0.40     0.20     0.20     0.40     0.05       0.10     0.50      0.05
                                          6        6               33       21      109      237     166          70      218      152
Dengue-Fieber                          3.60     3.60             5.00     3.20     1.30     2.80     1.90       0.90     2.90      2.00
                                                                                                        1                             1
Gelbfieber
                                                                                                     0.01                          0.01
                                                                                                        1                             1
Hantavirus-Infektion
                                                                                                     0.01                          0.01
                                2         9       13        13     28       31      147      275     306         117      256       274
Malaria
                             1.20      5.40     7.90      2.00   4.20     4.70     1.70     3.20     3.60       1.50      3.40     3.60
                                          1        2                3        4       49      102       53         43       96        47
Q-Fieber
                                       0.60     1.20             0.40     0.60     0.60     1.20     0.60       0.60     1.30      0.60
                                                                                      3        2        1          3        2
Trichinellose
                                                                                   0.03     0.02     0.01       0.04     0.03
                                1         8        3         2     21       15      106      141     126          89      131       111
Tularämie
                             0.60      4.80     1.80      0.30   3.20     2.30     1.20     1.60     1.50       1.20      1.70     1.50
                                                                                      1        1                   1        1
West-Nil-Fieber
                                                                                   0.01     0.01                0.01     0.01
                                2         5        7        11     16       21      451     261      373        442      253        367
Zeckenenzephalitis
                             1.20      3.00     4.20      1.70   2.40     3.20     5.20     3.00     4.40       5.80     3.30      4.80
                                          1                         1                          1        6                    1        3
Zika-Virus Infektion
                                       0.60                      0.20                       0.01     0.07                 0.01     0.04

Andere Meldungen

Botulismus

Creutzfeldt-Jakob-­                                1                         1       19       20       16         16       14        13
Krankheit                                       0.60                      0.20     0.20     0.20     0.20       0.20     0.20      0.20
                                                                             1        3        2        5          3        2         5
Diphtherieh
                                                                          0.20     0.03     0.02     0.06       0.04     0.03      0.07

Tetanus

                                                                                                             BAG-Bulletin 48 vom 23. November 2020
6          48/20             ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN

       Sentinella-Statistik

       Provisorische Daten

       Sentinella:
       Anzahl Meldungen (N) der letzten 4 Wochen bis am 13.11.2020 und Inzidenz pro 1000 Konsultationen (N/103)
       Freiwillige Erhebung bei Hausärztinnen und Hausärzten (Allgemeinpraktiker, Internisten und Pädiater)
        Woche                                 43                 44                 45                 46           Mittel 4 Wochen

                                        N          N/103   N          N/103   N          N/103   N          N/103    N       N/103
        Mumps                            0          0       1          0.1     0          0       0          0       0.3        0
        Pertussis                        1          0.1     0          0       0          0       0          0       0.3        0
        Zeckenstiche                     5          0.4     1          0.1    1           0.1     5          0.4     3         0.3
        Lyme Borreliose                  5          0.4     2          0.1     2          0.1     4          0.3     3.3       0.2
        Herpes Zoster                    9          0.7     8          0.6     6          0.4     8          0.6     7.8       0.6
        Post-Zoster-Neuralgie            1          0.1     0          0       0          0       1          0.1     0.5       0.1
        Meldende Ärzte                  159                165                166                159                162.3

       Wochenbericht zu den
       ­grippeähnlichen ­Erkrankungen
       Die Berichterstattung zur Grippe wurde im Zusammenhang mit
       der COVID-19 Pandemie überarbeitet. Sie ist unter ­folgender
       Adresse zu finden: https://www.bag.admin.ch/grippebericht

BAG-Bulletin 48 vom 23. November 2020
Neues Coronavirus

  So schützen wir uns: www.bag-coronavirus.ch

                                                                                                      Aktualisiert am 29.10.2020

Weniger Menschen        Abstand halten.         Maskenpflicht, wenn      Maskenpflicht in              Wenn möglich im
treffen.                                        Abstandhalten nicht      öffentlich zugänglichen       Homeoffice arbeiten.
                                                möglich ist.             Innen- und Aussen-
                                                                         bereichen und im öffent-
                                                                         lichen Verkehr.

Gründlich Hände         In Taschentuch oder     Hände schütteln          Mehrmals täglich              Veranstaltungen:
waschen.                Armbeuge husten und     vermeiden.               lüften.                       Öffentlich max. 50 Pers.
                        niesen.                                                                        Privat max. 10 Pers.
                                                                                                       Ansammlungen im öff.
                                                                                                       Raum max. 15 Pers.

Bei Symptomen           Zur Rückverfolgung      Um Infektionsketten zu   Bei positivem Test:           Nur nach telefonischer
sofort testen lassen    immer vollständige      stoppen: SwissCovid      Isolation. Bei Kontakt mit    Anmeldung in Arztpraxis
und zu Hause bleiben.   Kontaktdaten angeben.   App downloaden und       positiv getesteter Person:    oder Notfallstation.
                                                aktivieren.              Quarantäne.

www.bag-coronavirus.ch                                                       In bestimmten Kantonen gelten strengere Regeln

                                                                                                                       SwissCovid App
                                                                                                                         Download

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8          48/20            ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN

       HIV, Syphilis, Gonorrhoe und Chlamydiose in der
       Schweiz im Jahr 2019: eine epidemiologische
       Übersicht

       Seit 2002 sinkt in der Schweiz die Anzahl der HIV-Diagnosen. Auch im Jahr 2019 ist ein
       weiterer Rückgang der an das Bundesamt für Gesundheit (BAG) gemeldeten HIV-Diagno-
       sen zu verzeichnen. Zum dritten Mal seit Beginn der HIV-Epidemie Anfang der 1980er-Jah-
       re wurden dem BAG weniger als 500 Fälle gemeldet. In den 1990er-Jahren waren es im
       Durchschnitt 1300 Fälle pro Jahr. Diese Trendwende kann auf drei Faktoren zurückgeführt
       werden: Erstens lassen sich mehr Personen, die höheren Infektionsrisiken ausgesetzt
       sind, testen. Zweitens lassen sich in der Folge mehr Personen mit HIV früh behandeln und
       geben das Virus dann nicht mehr weiter. Drittens könnte auch die orale HIV-Chemopro-
       phylaxe (Präexpositionsprophylaxe, kurz «PrEP»), die spätestens seit 2016 in der Schweiz
       informell verfügbar ist und seit April 2019 im Rahmen eines nationalen Programmes und
       Forschungsprojekts implementiert wird, zu der Abnahme beigetragen haben. Entspre-
       chend liegt die Schweizer HIV-Kaskade im weltweiten Vergleich weit vorn: 93% aller im
       Jahr 2019 mit HIV in der Schweiz lebenden Personen haben eine entsprechende Diagnose
       erhalten und wussten somit von ihrer Infektion, 97% derer mit HIV-Diagnose erhielten
       eine medikamentöse HIV-Therapie, und 96% derer mit HIV-Therapie hatten eine Viruslast
       unter der Nachweisgrenze.
       Bei der Syphilis trat im Jahr 2018 eine grundlegende Vereinfachung der Falldefinition in
       Kraft – in dieser Ausgabe des Jahresberichts haben wir die Berechnung der Syphilis-Fall-
       zahlen früherer Jahre an die neue Falldefinition angepasst. Die Inzidenz von Syphilis-Dia-
       gnosen in der Schweiz entsprach im Jahr 2019 dem Durchschnitt der zwei Vorjahre.
       Bei den gemeldeten Gonorrhoe-Diagnosen ist erneut ein massiver Anstieg zu beobachten.
       Dieser ist, wie bereits in den Vorjahren, vor allem auf die Ausweitung des Testens auf
       asymptomatische Infektionen zurückzuführen. Dem BAG wurden 2019 wie auch in den
       Vorjahren keine Fälle von multiresistenten Gonokokken angezeigt.

       HIV-KASKADE IN DER SCHWEIZ 2019                                 von UNAIDS). Im Sommer 2020 wurde nun ein weltweiter Ver-
       Die Vereinten Nationen haben Ende 2014 das ehrgeizige Ziel      gleich der HIV-Kaskaden publiziert, in der die Schweiz weit
       verabschiedet, dass bis zum Jahr 2020 neunzig Prozent aller     vorne liegt [1]: 93 % aller im Jahr 2019 mit HIV in der Schweiz
       mit HIV lebenden Personen eine entsprechende Diagnose er-       lebenden Personen haben eine entsprechende Diagnose erhal-
       halten haben, dass weiterhin neunzig Prozent derer mit          ten und wussten somit von ihrer Infektion, 97 % derer mit
       HIV-Diagnose eine medikamentöse HIV-Therapie erhalten (an-      HIV-Diagnose erhielten eine medikamentöse HIV-Therapie, und
       ti-retrovirale Therapie = ART), und dass neunzig Prozent von    96 % derer mit HIV-Therapie hatten eine Viruslast unter der
       diesen optimal behandelt sind, also mit den gängigen Verfah-    Nachweisgrenze von 50 Kopien pro Milliliter (Abbildung 1). In
       ren keine Viren im Blut mehr nachweisbar sind (90-90-90-Ziele   der Schweiz wurden die 90-90-90-Ziele vermutlich bereits

BAG-Bulletin 48 vom 23. November 2020
ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN                        48/20              9

2012 erreicht. Hohe Prozentwerte auf jeder Stufe der HIV-Kas-       deutlicher Effekt der PrEP zeigte (der Rückgang der Neudiagno-
kade sind essenziell für den Rückgang der HIV-Inzidenz.             sen blieb hinter dem Rückgang des Vorjahres zurück), ist das
Während der Prozentwert der ersten Stufe der Kaskade auf            BAG davon überzeugt, dass PrEP eine wichtige Ergänzung zum
Modellrechnungen basiert, beruhen die Prozentwerte der              Schutz vor HIV mit Kondomen ist.
zweiten und dritten Stufe wesentlich auf Daten der Schweizer
HIV-Kohortenstudie (SHCS). 93 % in der ersten Stufe bedeu-          Die Falldefinition der Syphilis wurde 2018 grundlegend verein-
tet, dass der geschätzte Anteil noch unerkannter HIV-Infektio-      facht. In diesem Bericht haben wir daher die Berechnung der
nen (Dunkelziffer) bei 7 % liegt. Durch immer frühere Testung       Syphilis-Fallzahlen früherer Jahre an die neue Falldefinition an-
und Behandlung verringert sich über die Zeit die Anzahl der         gepasst. Die Inzidenz von Syphilis-Diagnosen in der Schweiz
Personen, die HIV übertragen können.                                entsprach im Jahr 2019 dem Durchschnitt der zwei Vorjahre.
                                                                    Weil Laborresultate seit dieser Änderung BAG-seitig nicht
                                                                    mehr für die Syphilis-Falldefinition herangezogen werden, ist
Abbildung 1                                                         das BAG mehr denn je darauf angewiesen, dass Ärztinnen und
Schweizer HIV-Kaskade 2019                                          Ärzte sich im oberen Teil des Meldebogens eindeutig festle-
                                                                    gen, ob es sich um eine neu zu behandelnde Syphilis handelt
18’000
                                                                    (Erst- oder Reinfektion), oder aber um eine Verlaufskontrolle
16’000
                                                                    oder eine Seronarbe.
14’000
                           15’500

                                       15’000
            16’700

                                                      14’400

12’000
                                                                    Der starke Anstieg der dem BAG gemeldeten Gonorrhoe-Dia-
10’000
 8’000
                                                                    gnosen ist wie schon in den Vorjahren wesentlich auf die Aus-
 6’000
                                                                    weitung des Testens auf asymptomatische Infektionen zurück-
 4’000                                                              zuführen. Anders als HIV, welches lebenslänglich im Körper
 2’000                                                              verbleibt und einer Medikation bedarf, welche die Virusver-
                          93%          97%            96%
    -                                                               mehrung unterdrückt, können bakterielle Infektionen wie
          Infiziert   Diagnostiziert   ART      Nicht nachweisbar   ­Syphilis, Gonorrhoe und Chlamydien zwar geheilt, aber auch
                                                 (
10         48/20            ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN

       ckungsweg und ausländischer Nationalität mehrheitlich das                   Die deutliche Abnahme der HIV-Neudiagnosen verweist auf
       Ausland als Infektionsort angegeben (in der Regel das Her-                  die Wirksamkeit der Schweizer Präventionspolitik: vermehrtes
       kunftsland).                                                                Testen, vor allem der besonders exponierten Personengruppen,
       Für die Bewertung ist zu berücksichtigen: Je länger eine Infek-             frühzeitiger Therapiestart sowie eine kontinuierlich gute Be-
       tion zurückliegt, desto schwieriger wird es für Arzt und Pa­                gleitung der Patientinnen und Patienten. Hier sind auch die
       tient, richtig einzuschätzen, wo die Infektion erfolgt ist. Bei der         Verdienste der Aids-Hilfe Schweiz, der Checkpoints, der
       urethralen Gonorrhoe treten Symptome bereits nach wenigen                   Schweizerischen HIV-Kohorte (SHCS) und der mit ihr assoziier-
       Tagen auf. Auch die Syphilis wird mehrheitlich in frühen Sta­               ten Ärzteschaft zu erwähnen, welche die in die SHCS einge-
       dien diagnostiziert. Bei HIV-Diagnosen hingegen ist die Ein-                schlossenen Personen gemäss neustem Wissensstand behan-
       schätzung zum Infektionsort möglicherweise nicht immer zu-                  delt und eine hohe Therapietreue gewährleistet. Die
       treffend: Neuere Publikationen weisen darauf hin, dass sich                 Therapietreue wurde auch dank einer fortschrittlichen Emp-
       auch Migrantinnen und Migranten aus HIV-Hochprävalenzlän-                   fehlung, dem Swiss Statement, gestärkt [8]. Das Statement
       dern zu einem höheren Anteil als bislang vermutet erst nach                 wurde zehn Jahre später in grossen Studien klar bestätigt [9]:
       der Migration infizieren [5]. Sexuelle Netzwerke, nicht nur von             undetectable = untransmittable / nicht nachweisbar = nicht
       Migrantinnen und Migranten, sind nach wie vor stark von der                 ansteckend. Wer also unter erfolgreicher Therapie ist (d.h. das
       Herkunft geprägt [6].                                                       HI-Virus ist im Blut nicht nachweisbar), kann niemanden anste-
                                                                                   cken. Das Wissen um diesen Sachverhalt entstigmatisiert
       BEZAHLTER SEX                                                               HIV-Patientinnen und Patienten und motiviert sie, ihre Medika-
       Sex gegen Bezahlung spielt für die Übertragung von Syphilis,                mente regelmässig einzunehmen. Dies schlägt sich nun auch
       anders als für jene von HIV, bei heterosexuellen Männern und                in den sinkenden Zahlen nieder. Die Verschreibung der oralen
       Frauen eine wichtige Rolle. Mindestens jeder achte heterose-                HIV-Expositionsprophylaxe für Personen mit hohem Exposi­
       xuelle Mann mit Syphilis gab an, sich bei einer Sexarbeiterin in-           tionsrisiko kann weiter dazu beitragen, dem nationalen Ziel ei-
       fiziert zu haben. Bei heterosexuellen Frauen mit Syphilis-Diag-             ner HIV-Elimination näherzukommen.
       nose haben 10 % sexuelle Dienste gegen Bezahlung
       angeboten. Prinzipiell ist von einer Untererfassung auszuge-
       hen, da sowohl das Anbieten als auch die Inanspruchnahme
       sexueller Dienstleistungen stark stigmatisiert ist.
       Während Sexarbeiterinnen in der Schweiz nach wie vor wenig
       von HIV betroffen zu sein scheinen [7], geben heterosexuelle
       Männer vergleichsweise häufig an, sich bei bezahltem Sex mit
       HIV angesteckt zu haben. Ärzte und Ärztinnen sollten dies in
       ihren Konsultationen aufgreifen und Touristen, die sexuelle                 KONTAKT
       Kontakte in Hochprävalenzregionen planen, inklusive Südost-                 Bundesamt für Gesundheit
       asien, auf die Möglichkeit der inzwischen in der Schweiz ver-               Direktionsbereich Öffentliche Gesundheit
       fügbaren medikamentösen oralen Chemoprophylaxe (PrEP)                       Abteilung Übertragbare Krankheiten
       aufmerksam machen [2].                                                      Telefon 058 463 87 06Tatemquiatur, corrum rersperiaes ut la
       FAZIT

       Referenzen                                                                  6. Aral S O (2002). Understanding racial-ethnic and societal differentials in
       1. UNAIDS (2020). 2020 Global AIDS Update. Seizing the moment – Tack-          STI. Sex Transm Infect; 78:2–4
          ling entrenched inequalities to end epidemics. Geneva: Joint United      7. Vernazza P, Rasi M, Ritzler M, Dost F, Stoffel M, Aebi-Popp K, Hauser
          Nations Programme on HIV/AIDS                                               CV, Esson C, Lange K, Risch L, Schmidt AJ (2020). The Swiss STAR
       2. Bundesamt für Gesundheit (2016). Empfehlungen der Eidgenössischen           trial – An Evaluation of Target Groups for STI Screening in the
          Kommission für sexuelle Gesundheit (EKSG) zur HIV Prä-Expositionspro-       Sub-sample of Women. Swiss Med Wkly (im Druck)
          phylaxe (PrEP) in der Schweiz. Bulletin; 4:77–79                         8. Vernazza P & Bernard EJ (2018): HIV is not transmitted under fully
       3. Schmidt AJ, Altpeter E (2019): The Denominator problem: estimating          suppressive therapy: The Swiss Statement – eight years later. Swiss Med
          the size of local populations of men-who-have-sex-with-men and rates        Wkly,146:w14246
          of HIV and other STIs in Switzerland. Sex Transm Infect; 95(4):285–291   9. Rodger A J, Cambiano V, Bruun T, Vernazza P, et al. (2019). Risk of HIV
       4. Lehner A & Schmidt AJ (2018): Umsetzung der Kampagne «Starman».             transmission through condomless sex in serodifferent gay couples with
          Vortrag am Schweizer HIV&STI Forum, Bern                                    the HIV-positive partner taking suppressive antiretroviral therapy
       5. Alvarez-Del Arco D, Fakoya I, Thomadakis C, Pantazis N, Touloumi G,         (PARTNER): final results of a multicentre, prospective, observational
          Gennotte A, Zuure F, Barros H, Staehelin C, Göpel S, Boesecke C,            study. The Lancet; 293 (10189): 2428–2438
          Prestileo T, Volny-Anne A, Burns F, Del Amo J (2017). High levels of
          postmigration HIV acquisition within nine European countries. AIDS;
          31(14):1979–1988

BAG-Bulletin 48 vom 23. November 2020
ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN                                                                                  48/20             11

      SEXUELL ÜBERTRAGENE INFEKTIONEN UND COVID-19 IM JAHR 2020
      Das BAG hat im laufenden Jahr viele Anfragen von Bürgern und Medien erhalten, ob und inwiefern die COVID-19-Pandemie
      bzw. die Massnahmen, die in der Schweiz dagegen beschlossen wurden, Auswirkungen auf sexuell übertragene Infektionen
      haben. Insbesondere das körperliche Abstandhalten zu anderen Menschen ist mit einer gelebten Sexualität ausserhalb fester
      Partnerschaften nur schwer vereinbar. Dem BAG liegen für das Jahr 2020 keine Daten zum Sexualverhalten der Bevölkerung
      vor, wir können aber mit den Daten des obligatorischen Meldesystems zeigen, dass unmittelbar nach dem Lockdown bei-
      spielsweise die Zahl gemeldeter Gonorrhoe-Fälle deutlich eingebrochen ist und das Niveau von vor dem Lockdown erst Mitte
      September wieder erreicht hat (Abbildung 2). Eingebrochen ist parallel dazu die Zahl der Besuche in Schweizer HIV/STI-Test-
      stellen, und auch hier wurde das initiale Niveau erst Mitte September wieder erreicht. Der Wiederanstieg des Testens erfolgte
      aber schneller und deutlicher als der Wiederanstieg der Gonorrhoe-Diagnosen. Insofern geht das BAG davon aus, dass der
      Einbruch der Gonorrhoe-Meldezahlen zwar zum Teil einen Rückgang des Testes auf asymptomatische Infektionen widerspie-
      gelt, aber auch auf einen Rückgang neuer Sexualkontakte zurückzuführen ist. Wir können ausserdem nicht ausschliessen,
      dass symptomatische Infektionen verschleppt wurden aus Angst vor einem Besuch in einer medizinischen Einrichtung.

       Abbildung 2
       Gemeldete Gonorrhoe-Diagnosen und Besuche in Schweizer HIV/STI-Teststellen bis Mitte September 2020
Abb2 Gemeldete Gonorrhoe-Diagnosen und Besuche in Schweizer HIV/STI-Teststellen bis Mitte September 2020 (gleitender 3-Wochen-Durchschnitt)
       (gleitender 3-Wochen-Durchschnitt)
            Keine Veranstaltungen >1000                                 Keine Veranstaltungen                               Wiedereröffnung von                               Wiederöffnung der Grenzen
                               Personen                                 >100 Personen, Schulen                              Geschäften und
                                                                        und Skigebiete                                      Restaurants
                                                                        geschlossen
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       90                                                                                                                                                                                                                                                                                            450

       80                                                                                                                                                                                                                                                                                            400

       70                                                                                                                                                                                                                                                                                            350

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       50                                                                                                                                                                                                                                                                                            250

       40                                                                                                                                                                                                                                                                                            200

       30                                                                                                                                                                                                                                                                                            150

       20                                                                                                                                                                                                                                                                                            100

       10                                                                                                                                                                                                                                                                                            50

        0                                                                                                                                                                                                                                                                                            0
            22.1.
                    29.1.
                            05.2.
                                    12.2.
                                            19.2.
                                                    26.2.
                                                            04.3.
                                                                    11.3.
                                                                            18.3.
                                                                                    25.3.
                                                                                            01.4.
                                                                                                    08.4.
                                                                                                            15.4.
                                                                                                                    22.4.
                                                                                                                            29.4.
                                                                                                                                    06.5.
                                                                                                                                            13.5.
                                                                                                                                                    20.5.
                                                                                                                                                            27.5.
                                                                                                                                                                    03.6.
                                                                                                                                                                             10.6.
                                                                                                                                                                                     17.6.
                                                                                                                                                                                             24.6.
                                                                                                                                                                                                     01.7.
                                                                                                                                                                                                             08.7.
                                                                                                                                                                                                                     15.7.
                                                                                                                                                                                                                             22.7.
                                                                                                                                                                                                                                     29.7.
                                                                                                                                                                                                                                             05.8.
                                                                                                                                                                                                                                                     12.8.
                                                                                                                                                                                                                                                             19.8.
                                                                                                                                                                                                                                                                     26.8.
                                                                                                                                                                                                                                                                             02.9.
                                                                                                                                                                                                                                                                                     09.9.
                                                                                                                                                                                                                                                                                             16.9.

                                               Gemeldete Gonorrhoe-Diagnosen (linke Achse)                                                                                  Besuche in Schweizer HIV/STI-Testzentren ( rechte Achse)

                                                                                                                                                                                                                                                      BAG-Bulletin 48 vom 23. November 2020
12         48/20             ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN

       HIV und Aids in der Schweiz im Jahr 2019
       Die gemäss HIV-Testkonzept [1] für die HIV-Diagnostik und -Meldung in der Schweiz zu-
       ständigen Laboratorien meldeten für das Jahr 2019 insgesamt 421 neue HIV-Diagnosen,
       praktisch gleich viele wie im Vorjahr (425).

       DATENLAGE
       HIV wird in der Schweiz seit 1985 konti-       Wohnkanton der Personen mit einer           deformular (Meldung zum klinischen
       nuierlich überwacht. Seither melden die        HIV-Diagnose. Das BAG fordert bei den       Befund MkB, Anmerkung 1).
       aufgrund des HIV-Testkonzeptes für die         behandelnden Ärztinnen und Ärzten zu-       Für das Jahr 2019 wurden 421 bestätig-
       Bestätigung von HIV-Diagnosen zustän-          sätzlich zur Diagnose ergänzende Anga-      te HIV-Fälle gemeldet (Nachmeldungen
       digen Laboratorien dem Bundesamt für           ben an, beispielsweise zum Anste-           bis 30.6.2020 berücksichtigt). Seit 2008
       Gesundheit (BAG) und dem zuständigen           ckungsweg oder zur Nationalität. Zu         beobachten wir einen insgesamt abneh-
       Kantonsarzt Alter, Geschlecht und              diesem Zweck dient ein spezielles Mel-      menden Trend (Abbildung 1).

                                                                              ABB1
       Abbildung 1
       HIV-Labormeldungen nach Geschlecht und Testjahr seit Beginn der Testungen, 1985–2019

        3000

        2500

        2000

        1500

        1000

         500

            0
                1985    87      89      91   93      95    97    99     01     03    05      07     09     11     13    15     17     19
                                             Total        männlich       weiblich         Geschlecht unbekannt

       GESCHLECHT                                     GEOGRAFISCHE VERTEILUNG                     gang zu medizinischer Diagnostik, son-
       Die Mehrheit der gemeldeten HIV-Fälle          Die Inzidenz neuer HIV-Diagnosen lag        dern auch zu mehr Sexualpartnern,
       betraf Männer: Im Jahr 2019 lag der            im Jahr 2019 insgesamt bei 4,9 pro          insbesondere für Angehörige sexueller
       Männeranteil praktisch unverändert bei         100 000 Einwohner. Es gab jedoch            Minderheiten [2, 3]. Die ländlich ge-
       79%. Vier Diagnosen wurden bei Trans-          grosse regionale Unterschiede mit einer     prägten Regionen Ostschweiz und
       frauen (Geschlechtsidentität weiblich,         Spannweite von 3,0 bis 7,4 Fällen pro       Nordwestschweiz sowie das Tessin wie-
                                                                                Page 1
       Geburtsgeschlecht männlich) gestellt.          100 000 Einwohner (Tabelle 1). Die          sen die niedrigsten Inzidenzen auf.
       Die Inzidenz war im Jahr 2019 fast             höchsten Inzidenzen fanden sich in der
       gleich wie im Vorjahr und lag für Frauen       Grossregion Zürich und in der Genfer-       ALTERSVERTEILUNG
       bei 2,0 (Vorjahr: 2,0) und für Männer          seeregion, wo sich die grössten urbanen     Für Frauen mit heterosexuellem Anste-
       bei 7,6 (Vorjahr: 7,8) pro 100 000 Ein-        Zentren der Schweiz befinden. Urbani-       ckungsweg lag der Altersmedian bei der
       wohner.                                        tät beinhaltet nicht nur leichteren Zu-     HIV-Diagnose über die letzten fünf Jahre

BAG-Bulletin 48 vom 23. November 2020
ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN                         48/20             13

Tabelle 1:                                                                                                          ANSTECKUNGSWEG
Inzidenz von HIV-Diagnosen pro 100 000 Einwohner nach BFS-Grossregion1 und                                          Wie in den Vorjahren wurde im Jahr
Diagnosejahr, 2014–2019                                                                                             2019 für Männer mit HIV-Diagnose am
                                                                                                                    häufigsten Sex mit anderen Männern als
Diagnosejahr                     2014         2015         2016              2017         2018            2019
                                                                                                                 Ansteckungsweg genannt (49,1 %, 164
Ganze Schweiz                      6,3           6,4            6,3            5,3           5,0           4,9
                                                                                                                 Neudiagnosen). Es wurde kein Fall ge-
Genfersee                          8,4           9,7            9,4            8,3           8,2           7,2
                                                                                                                 meldet, bei dem sich ein Transmann
Mittelland                         5,5           6,1            3,8            4,0           3,8           3,4   (Geschlechtsidentität männlich, Ge-
Nordwestschweiz                    5,5           4,3            5,5            3,6           3,8           3,2   burtsgeschlecht weiblich) beim Sex mit
Zürich                             9,1           9,8           10,9            7,3           6,7           7,4   einem Mann angesteckt hätte. An zwei-
                                                                                                                 ter Stelle folgten bei den Männern he-
Ostschweiz                         3,1           2,9            2,5            3,3           2,8           3,0
                                                                                                                 terosexuelle Kontakte (24,0 %). Die Be-
Zentralschweiz                     3,7           2,7            3,4            3,0           2,6           4,8
                                                                                                                    nutzung kontaminierten Spritzbestecks
Tessin                             5,4           4,8            8,2            4,5           4,5           3,1      bei intravenösem Drogenkonsum (IDU)
1
    Definition der BFS-Grossregionen siehe Anhang                                                                wurde in 3,3 % der HIV-Diagnosen bei
                                                                                                                 Männern festgestellt. Gemäss Arztmel-
                                                                                                                 dungen gaben vier Männer an, sich bei
gerechnet bei 39 Jahren. Mit anderen                     folgt von den 45- bis 54-Jährigen                       einer medizinischen Behandlung
Worten heisst dies, dass die Hälfte die-                 (27 %). Bei Männern mit heterosexuel-                   (Wundbehandlung, Injektion, Zahnbe-
ser Frauen jünger als 39 Jahre war, die                  lem Übertragungsweg war die Altersver-                  handlung) im Ausland infiziert zu ha-
andere Hälfte älter. Männer mit hetero-                  teilung breiter, mit dem Maximum bei                    ben. Bei fast einem Viertel der HIV-­
sexuellem Ansteckungsweg waren bei                       den 35- bis 44-Jährigen (26 %). MSM                     Diagnosen bei Männern konnte der
der HIV-Diagnose älter: Ihr Altersmedian                 waren bei der HIV-Diagnose jünger als                   Ansteckungsweg nicht ermittelt
betrug nämlich 43 Jahre. Für Männer                      die anderen beiden Gruppen, mit dem                     ­werden.
mit homosexuellem Ansteckungsweg                         Maximum der Altersverteilung bei den                     Frauen mit HIV-Diagnose im Jahr 2019
(MSM) betrug dieser Wert 37 Jahre. Ein                   25- bis 34-Jährigen (33 %), und deutlich                 steckten sich ähnlich wie in den Vorjah-
Blick auf die Altersverteilungen zeigt                   mehr Fällen bei den 15- bis 24-Jährigen                  ren hauptsächlich auf heterosexuellem
(Abbildung 2), dass bei Frauen mit he-                   (10 %) als in den beiden anderen Grup-                   Weg an (80,7 %). In 4,5 % der Fälle
terosexuellem Ansteckungsweg die Al-                     pen. Somit waren MSM bei der HIV-Dia-                    wurde Drogeninjektion als Ansteckungs-
tersgruppe der 35- bis 44-Jährigen am                    gnose am jüngsten, heterosexuelle                        weg angegeben, und in zwei Fällen soll
häufigsten betroffen war (35 %), ge-                     Männer am ältesten.                                      die Infektion beim Tattoostechen in ei-
                                                                                                                  nem asiatischen Land stattgefunden ha-
Abbildung 2                                                                                                       ben. Bei 14,8 % der HIV-Diagnosen bei
Altersverteilung von Personen mit HIV-Diagnose nach Ansteckungsweg1 und                                           Frauen liess sich der Ansteckungsweg
Geschlecht                                                        ABB2                                            nicht ermitteln. Sexuelle Übertragungen
(Diagnosen der Jahre 2015 bis 2019 aus statistischen Gründen zusammen-                                            durch Sex zwischen Frauen wurden dem
gefasst)                                                                                                          BAG nicht angezeigt.
                                                                                                                  Abbildung 3A zeigt die Veränderung
                                                                                                                  der HIV-Meldungen bei Männern nach
                                                                                                                  Ansteckungsweg. Sowohl bei MSM wie
30%
                                                                                                                  auch (etwas weniger deutlich) bei he-
                                                                                                                  terosexuellen Männern zeigt sich ein ab-
                                                                                                                  nehmender Trend. Bei männlichen IDU
20%                                                                                                               lag die Anzahl zeitstabil auf tiefem
                                                                                                                  ­Niveau (zwischen 6 und 15 Fällen).
                                                                                                                   Bei Frauen mit heterosexuellem An­
10%                                                                                                                steckungsweg zeigte sich zwischen
                                                                                                                   2014 und 2019 eine fast stetige
                                                                                                                   ­Abnahme der Fälle von 107 auf 71 (Ab-
    0%                                                                                                              bildung 3B). Bei weiblichen IDU waren
              0-14         15-24         25-34         35-44           45-54         55-64         65 +             die Fallzahlen in den letzten sechs Jah-
                                                                                                                    ren noch niedriger (1 bis 6) als bei den
                   MSM         heterosexuell (männlich)               heterosexuell (we iblich)                     männlichen IDU.
1
    MSM: sexuelle Kontakte zwischen Männern                                                                         Bei der Untersuchung der Ansteckungs-
                                                                                                                    wege auf regionaler Ebene fällt auf,
                                                                                                                    dass von den in der Grossregion Zürich
                                                                                                                    gestellten HIV-Diagnosen 54 % MSM
                                                                                                                    betrafen, das sind 14 Prozentpunkte

                                                                                                                                BAG-Bulletin 48 vom 23. November 2020
14         48/20            ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN

       mehr als im Durchschnitt der Schweiz                           Städten/Regionen der Schweiz [4]. Auf- NATIONALITÄT
       (40 %) (Tabelle 2). Dies hängt damit zu-                       fällig ist der hohe Anteil mit unbekann- Von den HIV-Fällen mit bekannter Na-
       sammen, dass es in Zürich relativ gese-                        tem Ansteckungsweg im Tessin.              tionalität waren im Jahr 2019 knapp
       hen mehr MSM gibt als in anderen                                                                          die Hälfte (46 %) schweizerischer Natio-
                                                                                                                 nalität. Dabei variierte dieser Anteil nach
                                                                                                                 Geschlecht und Ansteckungsweg (Tabel-
         Abbildung 3                                                                                             le 3). Unter den Personen mit heterose-
         HIV-Diagnosen1 bei Männern und Frauen nach Ansteckungsweg2 und Diagno-                                  xuellem Ansteckungsweg besassen 32 %
                                                                                         ABB3
         sejahr, 2014–2019                                                                                       der Frauen den Schweizer Pass gegen-
                                                                                                                 über 46% der Männer (Prozentsätze be-
         A: Männer
                                                                                                                 rechnet unter Ausschluss der Fälle mit
           300
                                                                                                                 unbekannter Nationalität). Unter den
                                                                                                                 Frauen mit heterosexuellem Anste-
                                                                                                                 ckungsweg hatten 42 % die Nationalität
           200
                                                                                  MSM                            eines Landes, das HIV-Hochprävalenz-
                                                                                  heterosexuell                  land (HPL) eingestuft wird (Anmer-
                                                                                  IDU                            kung 2). Bei den Männern mit heterose-
           100                                                                                                   xuellem Ansteckungsweg war dieser
                                                                                  unbekannt / andere
                                                                                                                 Anteil geringer, nämlich 12 %. Bei den
                                                                                                                 Frauen mit heterosexuellem Anste-
             0                                                                                                   ckungsweg hatten 7 % die Nationalität
                    2014      2015     2016     2017     2018    2019                                            eines Nicht-HPL ausserhalb Europas (Ka-
                                                                                                                 tegorie «andere» in Tabelle 3), bei den
         B: Frauen
                                                                                                                 heterosexuell angesteckten Männern lag
           300
                                                                                                                 dieser Anteil bei 21 %.
                                                                                                                 53 Prozent der MSM mit HIV-Diagnose
                                                                                                                 im Jahr 2019 waren Schweizer; weitere
           200                                                                                                   26 % stammten aus dem europäischen
                                                                                  heterosexuell                  Ausland (berechnet unter Ausschluss der
                                                                                  IDU                            Kategorie «unbekannt»). Von den MSM
           100                                                                    unbekannt / andere             mit bekannter Nationalität stammten
                                                                                                                 8 % aus einem HPL. Es ist allerdings
                                                                                                                 wahrscheinlich, dass dieser tiefe Prozent-
             0                                                                                                   satz ein falsches Bild vermittelt, weil Sex
                    2014      2015     2016     2017     2018    2019                                            unter Männern in einigen Hochpräva-
                                                                                                                 lenzländern stark stigmatisiert oder ver-
      1
         korrigiert für fehlende Arztmeldungen (MkB), siehe Anmerkung 1
      2
          MSM: Sexuelle Kontakte zwischen Männern; IDU: Injizierender Drogenkonsum                               boten ist, und MSM mit entsprechender
                                                                                         Page 1
                                                                                                                 Herkunft ihre sexuelle Orientierung im
                                                                                                                 Rahmen des Testens eher nicht offenle-
                                                                                                                 gen [5].
                                                                                                                 Die Verteilung der Nationalitäten bei den
                                                                                                                 HIV-Diagnosen ist jährlichen Schwan-
         Tabelle 2:                                                                                              kungen unterworfen, da die Anzahl Fäl-
         HIV-Arztmeldungen nach Ansteckungsweg1 und BFS-Grossregion2 2019                                        le, auf denen die Prozentsätze beruhen,
         Ansteckungsweg:                  heterosexuell                      MSM           unbekannt/andere      relativ klein ist: bei heterosexuellen Frau-
                                        N             %               N               %              N         % en und Männern gab es in den vergan-
         Ganze Schweiz                135        35,5 %             150          39,5 %             95    25,0 % genen Jahren immer deutlich unter 100
         Genfersee                     37        33,9 %              44          40,4 %             28    25,7 % Arztmeldungen und bei MSM weniger
         Mittelland                    29        47,5 %              15          24,6 %             17    27,9 % als 200, mit abnehmender Tendenz. Es
         Nordwestschweiz               14        37,8 %              11          29,7 %             12    32,4 %
                                                                                                                 ist deshalb nicht möglich, echte Verän-
                                                                                                                 derungen von zufälligen Schwankungen
         Zürich                        24        25,3 %              51          53,7 %             20    21,1 %
                                                                                                                 zu unterscheiden. Beim Blick auf die ver-
         Ostschweiz                    10        33,3 %              13          43,3 %              7    23,3 % gangenen vier Jahre zeigt sich bei den
         Zentralschweiz                16        43,2 %              15          40,5 %              6    16,2 % Frauen mit heterosexuellem Anste-
         Tessin                         5        32,4 %                1          9,1 %              5    45,5 % ckungsweg jedoch ein Trend: der Pro-
         1
           MSM: sexuelle Kontakte zwischen Männern; andere: injizierender Drogenkonsum, Transfusion,             zentsatz der Frauen aus Hochprävalenz-
        ­Mutter-Kind-Übertragung                                                                                 ländern stieg zwischen 2016 und 2019
         2
           Definition der BFS-Grossregionen siehe Anhang                                                         stetig von 26 % auf 42 %.

BAG-Bulletin 48 vom 23. November 2020
ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN                                                      48/20                15

Tabelle 3:
HIV-Arztmeldungen nach Nationalität, Ansteckungsweg1 und Geschlecht, 2019
Ansteckungsweg:                                                                                                                     heterosexuell                                                               MSM1
Geschlecht:                                                                                                        weiblich                                       männlich

                                                                                                               N                %                           N                  %                           N                %

Nationalität

    schweizerisch                                                                                          19            30,6 %                            30            41,1 %                            74           49,3 %

    europäisch                                                                                             11            17,7 %                            13            17,8 %                            36           24,0 %

    HIV-Hochprävalenzland                                                                                  25            40,3 %                             8            11,0 %                            11            7,3 %

    andere                                                                                                     4             6,5 %                         14            19,2 %                            20           13,3 %

unbekannt                                                                                                      3             4,8 %                          8            11,0 %                             9            6,0 %

Anzahl HIV-Arztmeldungen                                                                                   62           100,0 %                            73           100,0 %                        150             100,0 %

Das BAG hat 2018 eine neue Gruppen­                                         kannter Nationalität. Hierbei werden bei-                                     heterosexuelle Männer und Frauen aus
einteilung entwickelt, die auf die im Feld                                  spielsweise in der Schweiz ansässige                                          Hochprävalenzländern einschliesslich
tätigen Präventionsakteure ausgerichtet                                     Menschen deutscher, österreichischer,                                         Brasilien (Abbildung 4). Der Rückgang
ist. Sie kombiniert Ansteckungsweg und                                      französischer, ­italienischer usw. Nationa-                                   der Fallzahlen bei Menschen aus Hoch-
Nationalität. MSM, vor allem solche die                                     lität und ­Menschen mit Schweizer Pass                                        prävalenzländern mit heterosexuellem
sich beim Testen als schwule oder bise-                                     zusammengefasst. Was wir als Hochprä-                                         Übertragungsweg entspricht weitge-
xuelle Männer zu erkennen geben, wer-                                       valenzland zählen, deckt sich weitge-                                         hend dem Rückgang der Immigration
den unabhängig von ihrer Na­tionalität                                      hend mit der jährlich angepassten Defi-                                       aus diesen Ländern in die Schweiz. Wei-
am besten über die Checkpoints bzw.                                         nition der Vereinten Nationen, allerdings                                     ter zeigt sich, dass der Rückgang der
über an schwule und bisexuelle Männer                                       zählen wir auch Brasilien dazu (siehe An-                                     Fallzahlen bei MSM bereits 2009 einsetz-
gerichtete Aktionen der Aids-Hilfe                                          merkung 2).                                                                   te. Am wenigsten deutlich ist der Rück-
Schweiz und ihrer Satelliten erreicht. Bei                                  Im Jahr 2019 entfielen 164 HIV-Neudia-                                        gang der Fallzahlen bei Menschen mit
Heterosexuellen unterscheiden wir nicht                                     gnosen auf sexuelle Kontakte unter                                            heterosexuellem Übertragungsweg, die
mehr primär zwischen Menschen mit                                           Männern (jegliche Nationalität, inklusive                                     nicht aus einem Hochprävalenzland
ausländischer und Schweizer Nationali-                                      MSM, die Drogen spritzen), 152 auf he-                                        kommen. Mehr als die Hälfte dieser Per-
tät, sondern zwischen Menschen mit der                                      terosexuelle Männer und Frauen, die                                           sonen waren Schweizer und Schweize-
Nationalität eines Hochprävalenzlandes                                      nicht die Staatsangehörigkeit eines                                           rinnen, mit einigem Abstand gefolgt von
und solchen mit anderer bzw. unbe-                                          Hochprävalenzlandes haben, und 51 auf                                         Personen aus Portugal und Italien.

Abbildung 4
HIV-Diagnosen1 nach Ansteckungsweg und Nationalität. Präventionsorientierte Einteilung

1000
                                                                                                                                                   MSM, alle Nationalitäten

    800                                                                                                                                            IDU (non-MSM), alle Nationalitäten

                                                                                                                                                   Heterosexuell, Hochprävalenzland

                                                                                                                                                   Heterosexuell, andere Nationalitäten
    600                                                                                                                                            Heterosexuell, unbekannte Nationalität

                                                                                                                                                   Andere Übertragungsgruppen, alle Nationalitäten

    400

    200

       0
             1990
                    1991
                           1992
                                  1993
                                         1994
                                                1995
                                                       1996
                                                              1997
                                                                     1998
                                                                            1999
                                                                                   2000
                                                                                          2001
                                                                                                 2002
                                                                                                        2003
                                                                                                               2004
                                                                                                                      2005
                                                                                                                             2006
                                                                                                                                     2007
                                                                                                                                            2008
                                                                                                                                                   2009
                                                                                                                                                          2010
                                                                                                                                                                 2011
                                                                                                                                                                        2012
                                                                                                                                                                               2013
                                                                                                                                                                                      2014
                                                                                                                                                                                             2015
                                                                                                                                                                                                    2016
                                                                                                                                                                                                           2017
                                                                                                                                                                                                                  2018
                                                                                                                                                                                                                         2019

1
    korrigiert für fehlende Arztmeldungen (MkB), siehe Anmerkung 1

                                                                                                                                                                                   BAG-Bulletin 48 vom 23. November 2020
16            48/20             ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN

       ORT DER INFEKTION                                   dem vermuteten Infektionsort überein,                    häufiger in der Schweiz an als im Aus-
       Gemäss den Angaben auf den ärztli-                  wenn beide Angaben auf der Meldung                       land.
       chen HIV-Meldungen von 2019 steckten                vorhanden waren. Dies lässt vermuten,                    Es ist zu beachten, dass die Information
       sich Personen mit heterosexuellem An-               dass sich diese Personen vor allem bei                   über den Ort der Infektion je nach
       steckungsweg unabhängig von der Na-                 Reisen in ihre Herkunftsländer ansteck-                  Gruppe in mehr als einem Drittel der
       tionalität häufiger im Ausland an als in            ten, oder sie waren schon vor der Einrei-                Fälle fehlte, was die Aussagekraft der
       der Schweiz. Personen aus der Schweiz               se in die Schweiz HIV-positiv. Auch bei                  Analyse einschränkt. Die Prozentsätze in
       steckten sich hingegen häufiger in der              MSM steckten sich Schweizer häufiger                     Tabelle 4 weichen von den in diesem
       Schweiz an als Personen aus dem Aus-                in der Schweiz an als Ausländer. Im Ge-                  Abschnitt beschriebenen Proportionen
       land (Tabelle 4). In drei Vierteln der Fälle        gensatz zu den Personen mit heterose-                    ab, weil sie sich auf die Gesamtheit der
       bei Ausländern mit Infektionsort im                 xuellem Ansteckungsweg steckten sich                     Meldungen beziehen, inklusive derjeni-
       Ausland stimmte die Nationalität mit                aber auch MSM ohne Schweizer Pass                        gen ohne Angaben zum Infektionsort.

       Tabelle 4:
       Vermuteter Ort der HIV-Infektion nach Ansteckungsweg1 und Nationalität, 2019
       Ansteckungsweg:                                                  heterosexuell                                                  MSM
       Nationalität:                                         Schweiz                       Ausland                    Schweiz                 Ausland

                                                                 N          %                  N          %               N            %               N         %

       Ort der Infektion

            Schweiz                                              16     32,7 %                18      20,9 %             41        55,4 %              33    43,4 %

            Ausland                                              22     44,9 %                35      40,7 %             10        13,5 %              27    35,5 %

            Unbekannt                                            11     22,4 %                33      38,4 %             23        31,1 %              16    21,1 %

       Anzahl HIV-Arztmeldungen                                  49    100,0 %                86     100,0 %             74       100,0 %              76   100,0 %
       1
           MSM: sexuelle Kontakte zwischen Männern

       ART DER SEXUELLEN BEZIEHUNG                         niedrigen HIV-Prävalenz bei Sexarbeite-                  und nur ausnahmsweise beim Sex ge-
       Über 80 % der Frauen mit heterosexuel-              rinnen in der Schweiz [6] und des oben                   gen Bezahlung. Zu beachten ist, dass
       lem Ansteckungsweg und Angaben zur                  dargestellten hohen Anteils im Ausland                   die Infektionsquelle je nach Gruppe in
       Infektionsquelle steckten sich bei einem            erworbener Infektionen gehen wir da-                     bis zur Hälfte der Fälle unbekannt war,
       bekannten Partner an, 14 % bei einem                von aus, dass HIV von einem erhebli-                     was die Aussagekraft der Analyse ein-
       anonymen Partner und unter 3 % bei                  chen Anteil der Männer mit heterosexu-                   schränkt. Die Prozentsätze in Tabelle 5
       bezahltem Sex (Tabelle 5). Mehr als die             ellem Übertragungsweg im Rahmen von                      weichen von den in diesem Abschnitt
       Hälfte der Männer mit heterosexuellem               Sextourismus erworben wurde. Bezogen                     beschriebenen Proportionen ab, weil sie
       Ansteckungsweg steckten sich bei einer              auf die Fälle mit Angaben über die                       sich auf die Gesamtheit der Meldungen
       bekannten Partnerin an, 27 % bei einer              Infektionsquelle steckten sich 36 %                      beziehen, inklusive derjenigen ohne An-
       anonymen Partnerin und 19 % bei Sex                 der MSM bei einem bekannten Partner                      gaben zur Infektionsquelle.
       gegen Bezahlung. In Anbetracht der                  an, 61 % bei einem anonymen Partner

       Tabelle 5:
       Art der sexuellen Beziehung zum vermuteten infektiösen Partner bei Personen mit HIV-Diagnose nach Ansteckungs-
       weg1 und Geschlecht, 2019
       Ansteckungsweg:                                                             heterosexuell                                             MSM

       Geschlecht:                                    weiblich                          männlich

                                                                       N              %                        N              %                    N             %
       Art der sexuellen Beziehung

            Bekannter Partner                                          24         38,7 %                       20       27,4 %                 30            20,0 %

            Anonymer Partner                                            4          6,5 %                       10       13,7 %                 51            34,0 %

            Bezahlter Sex                                               1          1,6 %                        7        9,6 %                     3          2,0 %

            Unbekannt                                                  33         53,2 %                       36       49,3 %                 66            44,0 %

       Anzahl HIV-Arztmeldungen                                        62        100,0 %                       73      100,0 %                150           100,0 %
       1
           MSM: sexuelle Kontakte zwischen Männern

BAG-Bulletin 48 vom 23. November 2020
ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN                              48/20         17

INFEKTIONSZEITPUNKT                                      here Anteil mit frischer Infektion in die-         punkt deuten zusammen darauf hin,
Generell ist für die meisten HIV-Infektio-               ser Gruppe deutet darauf hin, dass die             dass HIV-Diagnosen bei Personen mit
nen der Zeitpunkt der Infektion nicht                    HIV-Diagnose bei MSM früher gestellt               heterosexuellem Ansteckungsweg selte-
bekannt. Die klinische Diagnose einer                    wird als bei Personen mit heterosexuel-            ner als bei MSM zeitnah nach der Infek-
akuten HIV-Infektion (auch als Primo­                    lem Ansteckungsweg.                                tion gestellt werden, was damit zusam-
infektion bezeichnet) erlaubt den Rück-                  Werden die auf den Meldeformularen                 menhängen dürfte, dass MSM sich
schluss auf einen Infektionszeitpunkt ei-                der letzten drei Jahre angegebenen                 eines insgesamt höheren Ansteckungs­
nige Wochen vor der Diagnose                             Gründe für den HIV-Test analysiert, zeigt          risikos bewusst sind und sich deshalb zu
(Anmerkung 4). Ausserdem können in                       sich, dass Symptome mit 21 % am häu-               einem höheren Anteil regelmässig tes-
der Schweiz Infektionen, die sich weni-                  figsten genannt wurden. In 40 % dieser             ten lassen (siehe Bericht «Testsurveil­
ger als ein Jahr vor der Diagnose ereig-                 Fälle stellte sich heraus, dass diese Sym-         lance» im gleichen Heft).
neten, mit einem speziellen Laborver-                    ptome die Folge einer akuten HIV-Infek-            Bei Frauen mit heterosexuellem Anste-
fahren erkannt werden (nachfolgend als                   tion waren. Wenn ein Test aus einem                ckungsweg war der Anteil frischer Infek­
«frische Infektionen» bezeichnet,                        anderen Grund durchgeführt wurde (Ri-              tionen und der Fälle, die im akuten Sta­
­Anmerkung 3).                                           sikoexposition oder Screening, sonstige            dium diagnostiziert wurden, kleiner als in
 Hingegen ist bei sogenannt später                       Gründe), wurde meist keine akute In-               den anderen Gruppen, der Anteil mit
 HIV-Diagnose die HIV-Infektion schon                    fektion festgestellt. Die durch die akute          später Infektion war grösser. Bei den
 weit fortgeschritten, sodass erste Aids-                HIV-Infektion verursachten Symptome                Frauen könnte auch mitspielen, dass sie
 symptome zu erwarten oder bereits be-                   wurden somit häufig zum Anlass ge-                 mit über 40 % häufiger als die anderen
 merkbar sind. Als spät gilt hier eine                   nommen, einen HIV-Test durchzuführen,              Gruppen aus einem Land mit hoher
 HIV-Diagnose, wenn Aidssymptome                         wie in den Empfehlungen des BAG zum                HIV-Prävalenz stammen (vgl. Abschnitt
 gleichzeitig oder höchstens drei Monate                 sogenannten «Provider-initiated coun-              über Nationalität, Tabelle 3). Allerdings
 nach der HIV-Diagnose festgestellt wur-                 selling & testing» (PICT [7]) nahegelegt           wurde in einer europäischen Studie ge-
 den.                                                    wird. Wird diese Analyse separat nach              zeigt, dass sich 45 % der Personen, die
 Im Jahr 2019 wurde eine frische Infek­                  Ansteckungsweg durchgeführt, zeigt                 aus einem HPL in Afrika immigrierten,
 tion bei 5 % der auf heterosexuellem                    sich, dass die Symptome der akuten                 nach der Immigration infizierten [8]. Das
 Weg infizierten Frauen und 23 % der                     HIV-Infektion bei MSM häufiger zur                 schliesst nicht aus, dass sie sich bei Reisen
 heterosexuellen Männer festgestellt (Ta-                Durchführung eines HIV-Tests führten               in die Heimat ansteckten, könnte aber
 belle 6). Bei MSM wurden rund 57 %                      als bei Personen mit heterosexuellem               auch ein Hinweis sein auf Ansteckungen
 der Infektionen als frisch eingestuft, also             Ansteckungsweg. Dies entspricht dem                in sexuellen Netzwerken in der Schweiz.
 deutlich mehr als bei Personen mit he-                  im vorhergehenden Abschnitt gezeigten              Ärztinnen und Ärzte können einen Bei-
 terosexuellem Ansteckungsweg.                           Ergebnis, nämlich, dass akute HIV-Infek-           trag zur Prävention von HIV-Infektionen
 Auch die Häufigkeit, mit der akute                      tionen bei MSM häufiger diagnostiziert             in sexuellen Netzwerken in der Migra­
 HIV-Infektionen diagnostiziert wurden,                  werden als bei Personen mit heterose-              tionsbevölkerung aus Hochprävalenz­
 war für MSM und für auf heterosexuel-                   xuellem Ansteckungsweg.                            ländern leisten und auch die Wahr-
 lem Weg angesteckte Personen unter-                     Wie in den Vorjahren wurde die HIV-­               scheinlichkeit einer möglichst frühen
 schiedlich (Tabelle 6). Bei Letzteren wur-              Diagnose bei MSM weniger oft spät                  HIV-Diagnose erhöhen, indem sie in
 de diese Diagnose bei 10 % gestellt                     ­gestellt (18 %) als bei Personen mit he-          Konsultationen häufiger einen HIV-Test
 (beide Geschlechter zusammen) gegen-                    terosexuellem Ansteckungsweg (beide                vorschlagen, auch wenn nicht direkt der
 über bei 22 % der MSM. Der höhere                        Geschlechter zusammen: 29 %).                     Verdacht auf eine HIV-Infektion besteht
 Anteil der Fälle mit Diagnose einer Pri-                 Die verschiedenen in Tabelle 6 aufgelis-          (HIV-Test auf Initiative des Arztes
 moinfektion bei MSM wie auch der hö-                     teten Indikatoren für den Infektionszeit-         «PICT»[7]).

Tabelle 6:
Indikatoren für den Infektionszeitpunkt in HIV-Arztmeldungen nach Ansteckungsweg1 und Geschlecht, 2019
Ansteckungsweg:                                                          heterosexuell                                                MSM

                                                            N                %                      N              %                      N                %
Frische Infektion2                                          3           4,8 %                       17       23,3 %                      85          56,7 %

Akute HIV-Infektion3                                        1           1,6 %                       13       17,8 %                      33          22,0 %

Später HIV-Test 4
                                                           14          22,6 %                       25       34,2 %                      27          18,0 %

Anzahl HIV-Arztmeldungen*                                  62            *                          73         *                        150            *
1
    MSM: sexuelle Kontakte zwischen Männern
2
    HIV-Infektion weniger als ein Jahr vor der Diagnose (gemäss Inno-Lia-Laborassay, Anmerkung 3)
3
    Frühstadium mit (oft grippeähnlichen) Symptomen, einige Wochen nach der Infektion
4
    CDC-Stadium C gemäss HIV-Meldung oder mit Aidsdiagnose höchstens drei Monate nach der HIV-Diagnose
*Die Summe der Prozentsätze ist ungleich 100 %, da es sich um verschiedene Indikatoren und nicht um voneinander abgrenzbare Kategorien handelt.

                                                                                                                              BAG-Bulletin 48 vom 23. November 2020
18         48/20            ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN

       Der Anteil frischer Infektionen unter-                                                                                                               ABB5
                                                      Abbildung 5                                                                                           ABB5
       schied sich im Zeitraum von 2014 bis
                                                      Frische und ältere HIV-Infektionen1 nach Ansteckungsweg2, 2014–2019
       2019 im Mittel deutlich je nach Perso-
       nengruppe: Für MSM betrug er rund die         A;A:
                                                        MSM
                                                          MSM
                                                     A; MSM
       Hälfte der Fälle, für heterosexuell ange-      200
                                                      200
       steckte Männer ein Drittel und für Frau-
       en 11 %.
       Dieser Anteil war in den letzten Jahren
                                                      150
                                                      150
       deutlichen Schwankungen unterworfen
       (Abbildungen 5A und 5B), was teilweise
       an der beschränkten Präzision des Ver-
       fahrens liegt, das frische von älteren In-
                                                      100
                                                      100
                                                                                                                                                 frisch
                                                                                                                                                  frisch
       fektionen unterscheidet (siehe Anmer-                                                                                                     älter
                                                                                                                                                  älter
       kung 3). Eine lineare Regression zeigt
       aber, dass die frischen wie auch die älte-         50
                                                          50
       ren Infektionen sowohl bei MSM wie
       auch bei Personen mit heterosexuellem
       Ansteckungsweg in den letzten fünf                   00
       Jahren abnahmen, entsprechend dem                            2014
                                                                    2014        2015
                                                                                2015         2016
                                                                                             2016        2017
                                                                                                         2017         2018
                                                                                                                      2018    2019
                                                                                                                              2019
       Gesamttrend in den HIV-Diagnosen.
       ­Sowohl bei MSM wie auch bei den
        ­Heterosexuellen nahmen die frischen In-     B;B:Heterosexuell
                                                          Heterosexuell
                                                     B; Heterosexuell
         fektionen stärker ab als die älteren In-     200
                                                      200
         fektionen.
         Bei gleichbleibender Testhäufigkeit sind
         Änderungen der Zahl frischer Infektio-
                                                      150
                                                      150
         nen ein Hinweis auf entsprechende Än-
         derungen der HIV-Inzidenz. Für die In-
         terpretation von Trends bei den frischen
         Infektionen wären deshalb Daten über
                                                      100
                                                      100                                                                                         frisch
                                                                                                                                                   frisch
         die Testhäufigkeit notwendig. Aus die-                                                                                                   älter
                                                                                                                                                   älter
         sem Grund wurden die Meldelabors be-
         ginnend mit dem Jahr 2016 verpflichtet,          50
                                                          50
         für viele meldepflichtige Infektionen
         nach Jahresende die Gesamtzahl durch-
         geführter Tests zu melden. Die Evalua­            00
         tion dieser Meldungen für durch Nah-                      2014         2015         2016         2017        2018     2019
         rungsmittel übertragene Infektionen hat                   2014         2015         2016         2017        2018     2019
         jedoch gezeigt, dass dieses System der       1
                                                          korrigiert für fehlende Arztmeldungen (MkB), siehe Anmerkung 1
         Komplexität und der Dynamik in der La-       2
                                                          MSM: sexuelle Kontakte zwischen Männern
         borlandschaft in der Schweiz nicht ge-
         recht wird und die Analyse zu wider-
                                                                                                                                                            Page 1
         sprüchlichen Ergebnissen führt [9]. Die      Abnahme der frischen Infektionen bei                  im Vorjahr, und es ist mit noch mehr            Page 1
         in dieser Untersuchung gefundenen            MSM weist folglich auf eine abnehmen-                 Nachmeldungen als für das Vorjahr zu
         Probleme dürften auch für die an der         de HIV-Inzidenz in dieser Gruppe hin.                 rechnen. Es ist aber zurzeit nicht mög-
         HIV-Primärdiagnostik beteiligten Labora-                                                           lich, das Ausmass des Anstieges zu be-
         torien bestehen. Das BAG verwendet           AIDSFÄLLE                                             ziffern, weil die Korrektur für Meldever-
         daher zur Beurteilung der Testentwick-       Die Zahl neuer Aidsfälle hat sich in den              züge für das letzte analysierte Jahr aus
         lung Daten aus den Beratungs- und            letzten Jahren bis 2018 bei etwa 60 bis               statistischen Gründen generell zu hoch
         Testzentren in der Schweiz (VCT-Zent-        80 Fällen pro Jahr stabilisiert (Tabelle 7).          ist. Die in Tabelle 7 ausgewiesene Schät-
         ren). Diese Daten dokumentieren vor al-      Dies ergeben statistische Hochrechnun-                zung für das Jahr 2019 dürfte jedenfalls
         lem für MSM eine anhaltende Zunahme          gen, bei denen berücksichtigt wird, dass              zu gross sein.
         der HIV-Tests in den letzten Jahren (sie-    Aidsfälle teils mit mehrjähriger Verzöge-             Werden die Aidsfälle nach Ansteckungs-
         he Bericht «Testsurveillance» im glei-       rung nach der Diagnose gemeldet wer-                  weg aufgeschlüsselt, sieht man einen
         chen Heft). Steigende Testzahlen wür-        den (Anmerkung 5). Im Jahr 2019 dürf-                 Anstieg vor allem in der Gruppe mit he-
         den bei gleichbleibender Inzidenz dazu       te die Zahl der neuen Aidsfälle                       terosexuellem Ansteckungsweg und in
         führen, dass sich die Zahl der frischen      gestiegen sein, denn es wurden bereits                der Gruppe mit unbekanntem Anste-
         Infektionen erhöht. Die beobachtete          59 neue Aidsfälle gemeldet, gleich viele              ckungsweg. Bei MSM ergibt die Hoch

BAG-Bulletin 48 vom 23. November 2020
ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN                           48/20            19

Tabelle 7:
Neue Aidsfälle nach Diagnosejahr, Ansteckungsweg1 und Geschlecht, 2014–2019 (korrigiert für Meldeverzüge)
Ansteckungsweg                  Geschlecht                    Diagnosejahr

                                                                       2014                  2015       2016             2017             2018           2019

Heterosexuell                   männlich                                  19                  23         11                15               22             50

                                weiblich                                  13                  10         17                12               11             26

MSM                             männlich                                  24                   25         27               27               26             20

IDU                             männlich                                     4                 2          4                 6                0              8

                                weiblich                                     0                 0          1                 3                0              0

Übrige                          männlich                                  14                   1          6                 7                7             30

                                weiblich                                     3                 2          3                 2                4              0

Total                                                                     77                  63         69                72               70            134

davon bereits gemeldet:                                                   77                  63         68                69               59             59
1
    MSM: sexuelle Kontakte zwischen Männern

rechnung weniger neue Aidsfälle als im                mente erhielten, um die Progression                       deren Männern, bei Frauen waren es
Vorjahr. Entsprechend war der Anteil                  zum Aidsstadium zu verhindern.                            heterosexuelle Kontakte. Eine Anste-
der MSM an den neuen Aidsdiagnosen                    Im Gegensatz dazu waren MSM bei den                       ckung im Zusammenhang mit injizieren-
im Jahr 2019 mit 26 % tief, verglichen                Aidsfällen untervertreten, weil sie sich                  dem Drogenkonsum spielte für das Ge-
mit fast 40 % bei den neuen HIV-Diag-                 deutlich häufiger einem HIV-Test unter-                   samtbild in den letzten Jahren nur noch
nosen.                                                ziehen als andere Gruppen, sodass                         eine geringe Rolle.
Die Nationalität im Ausland könnte den                HIV-Infektionen frühzeitig diagnostiziert                 MSM infizierten sich unabhängig von
Zugang zur Gesundheitsversorgung er-                  und erfolgreich therapiert werden kön-                    der Nationalität häufiger in der Schweiz
schweren und somit die Progression                    nen (vgl. Abschnitt «Infektionszeit-                      als im Ausland. Auf heterosexuellem
zum Aidsstadium begünstigen. Diese                    punkt», sowie Bericht «Testsurveillance»                  Weg angesteckte Personen aus dem
Hypothese bestätigt sich aber nicht, da               im gleichen Heft).                                        Ausland infizierten sich mehrheitlich im
sich im Jahr 2019 der Ausländeranteil                                                                           Ausland, wobei in drei Vierteln der Fälle
an den Aidsfällen (52 %) kaum von                     FAZIT                                                     der Infektionsort mit der eigenen Natio-
demjenigen an den neuen HIV-Diagno-                   Die Gesamtzahl der HIV-Diagnosen war                      nalität übereinstimmte. Dies legt die
sen unterschied (53 %)                                im Jahr 2019 praktisch gleich wie im                      Schlussfolgerung nahe, dass sie sich
Unabhängig von Nationalität und An-                   Vorjahr. Fast 80 % der Fälle wurden bei                   während Heimatbesuchen ansteckten.
steckungsweg erfolgte der erste                       Männern diagnostiziert, bei denen die                     Bei MSM wurden im Mittel der letzten
HIV-Nachweis bei durchschnittlich über                Inzidenz neuer Diagnosen fast viermal                     sechs Jahre mehr frische Infektionen
80 % der Aidsfälle weniger als ein Jahr               höher war als bei Frauen. Der bei Wei-                   ­diagnostiziert als bei Personen mit he-
vor der Aidsdiagnose. Der späte Test er-              tem häufigste Ansteckungsweg bei                          terosexuellem Ansteckungsweg. Die
klärt, dass die betroffenen Personen                  Männern war unverändert Sex mit an-                       Zahl der frischen Infektionen zeigt bei
nicht rechtzeitig antiretrovirale Medika-                                                                       MSM in den letzten sechs Jahren einen
                                                                                                                abnehmenden Trend, was für eine Ab-
                                                                                                                nahme der Inzidenz spricht, weil die
ANHANG                                                                                                          Test­rate in dieser Gruppe im gleichen
Definition der BFS-Grossregionen                                                                                Zeitraum gestiegen ist.

    NUTS-Code               Grossregion                         Zusammengefasste Kantone                       KONTAKT
    CH01                    Genferseeregion                     GE, VD, VS                                     Bundesamt für Gesundheit
    CH02                    Espace Mittelland                   BE, SO, FR, NE, JU                             Direktionsbereich Öffentliche
                                                                                                               ­Gesund­heit
    CH03                    Nordwestschweiz                     BS, BL, AG
                                                                                                                Abteilung Übertragbare Krankheiten
    CH04                    Zürich                              ZH
                                                                                                                Telefon 058 463 87 06
    CH05                    Ostschweiz                          SG, TG, AI, AR, GL, SH, GR

    CH06                    Zentralschweiz                      UR, SZ, OW, NW, LU, ZG

    CH07                    Tessin                              TI

Das Bundesamt für Statistik (BFS) definierte die sieben Grossregionen CH01 bis CH07 für statistisch-­
vergleichende Zwecke und die Einbettung in die europäische Regionalstatistik NUTS (Nomenclature des
unités territoriales statistiques).

                                                                                                                                BAG-Bulletin 48 vom 23. November 2020
20         48/20            ÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN

         ANMERKUNGEN
         1. Die Arztmeldungen, die nach der jüngsten Revision der Verordnung «Meldung zum Klinischen Befund» (MkB) heissen,
            sind an den Kantonsarzt im Wohnkanton des Patienten zu senden. Dieser leitet sie nach Kontrolle an das BAG weiter. Es
            wurden nicht zu allen von den Laboratorien diagnostizierten und gemeldeten HIV-Fällen auch MkB übermittelt. In den
            letzten Jahren lagen MkB für 80 % bis 90 % der Fälle vor, wobei der Anteil mit MkB einen zunehmenden Trend zeigte. In
            den Fällen ohne MkB fehlten somit die über das Geschlecht, das Alter und den Wohnkanton hinausgehenden Angaben,
            insbesondere zu Ansteckungsweg und Nationalität. Für die in diesem Bericht grafisch dargestellten zeitlichen Trends, die
            auf MkB beruhen, wurden die auf den MkB beruhenden Zahlen so hochgerechnet, dass sich für jedes Geschlecht und Jahr
            das entsprechende Total der Labormeldungen ergab. Dieses Vorgehen setzt die Annahme voraus, dass die MkB für alle
            von den Labors diagnostizierten HIV-Fälle repräsentativ sind.
         2. Gemäss UNAIDS und WHO gilt ein Land als HIV-Hochprävalenzland, wenn die HIV-Prävalenz bei 15- bis 45-Jährigen in der
            Allgemeinbevölkerung über einem Prozent liegt. Um jährliche Unterschiede in der Definition zu vermeiden, gelten in Be-
            richten des BAG seit 2018 folgende Länder als Hochprävalenzländer: Alle Länder der WHO-Region «Afrika» (ohne Alge­
            rien, aber einschliesslich Djibouti, Sudan, Somalia) sowie Thailand, Brasilien, Suriname, Guyana, Belize, Jamaika, Haiti und
            Dominikanische Republik, Bahamas, Barbados, Trinidad und Tobago. Die Hinzunahme von Brasilien zum Beispiel trägt dem
            Einwanderungsprofil der Schweiz Rechnung.
         3. Seit 2008 wird in der Schweiz standardmässig ein Diagnoseverfahren eingesetzt, welches mithilfe eines Algorithmus er-
            laubt, frische von älteren HIV-Infektionen zu unterscheiden. Der Algorithmus wurde vom Nationalen Zentrum für Retro­
            viren (NZR) auf Basis des Inno-LiaTM HIV I/II Assay (Fujirebio), einem Immunoblot-Verfahren, entwickelt. Dabei gelten als fri-
            sche Infektionen solche, bei denen der Infektionszeitpunkt wahrscheinlich weniger als ein Jahr vor der Diagnose liegt.
         4. Die Primoinfektion ist ein akutes retrovirales Syndrom, das bei vielen HIV-Infizierten im Zeitraum von einigen Wochen bis
            zu drei Monaten nach der Infektion auftritt. «Frische Infektionen» und «Primoinfektionen» sind methodisch voneinander
            unabhängige Indikatoren für ein frühes Infektionsstadium.
         5. Infolge von Meldeverzügen wurden in der Vergangenheit nur rund 60 % der in einem bestimmten Jahr gemeldeten Aids-
            fälle im betreffenden Jahr diagnostiziert, rund 25 % im Jahr zuvor und die übrigen noch früher. Als Konsequenz ist am
            Ende eines bestimmten Jahres die Zahl der neuen Aidsfälle nicht genau bekannt, weil nicht alle bereits gemeldet wurden.
            Diese Zahl muss daher mit einem statistischen Modell geschätzt werden, das die Verteilung der Meldeverzüge in der Ver-
            gangenheit berücksichtigt. Die in Tabelle 7 gezeigten Zahlen beruhen auf dem Verfahren von Rosenberg [10].

       Referenzen                                           with-men and rates of HIV and other STIs in           in Privatpraxen, Ambulatorien, Notfallstatio-
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          konzept – eine aktualisierte Übersicht.           291                                               8. Alvarez-Del Arco D, Fakoya I, Thomadakis C,
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          local populations of men-who-have-sex-­           Gesundheit zur Durchführung des HIV-Tests

BAG-Bulletin 48 vom 23. November 2020
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