Bei Störungen in Echtzeit richtig agieren - Ressourcenmanagement und Machine Learning unterstützen die Disposition Dipl.-Pol. Kurt Metz, Luzern - FHNW
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Foto: Bernhard Studer Abb. 1: Störungen durch Wetterkapriolen gehören mittlerweile zum Alltag von Disponenten öffentlicher Verkehrsmittel und fordern das Ressour- cenmanagement in noch kaum gekannten Ausmaß. Die Aufnahme, aufgenommen oberhalb von Alp Grün, zeigt die Dampfschneeschleuder der Rhätischen Bahn vor der Kulisse des Palü-Gletschers auf der Berninastrecke. Bei Störungen in Echtzeit richtig agieren Ressourcenmanagement und Machine Learning unterstützen die Disposition Dipl.-Pol. Kurt Metz, Luzern W assereinbrüche im Lötsch- kehrsunternehmen sollen den Regelbetrieb berg-Basistunnel, stürzende schnell wieder ins Lot bringen. In hoch be- Der Staat unterstützt Brückenteile auf eine Rol- lasteten und eng verknüpften ÖV-Netzen lende Landstraße südlich breiten sich bereits kleine Unregelmäßig- Die Entwicklung von RailOpt®DSSplus von Freiburg im Breisgau oder eine über keiten schnell in der Fläche aus, verursa- wird im Rahmen eines Innosuisse-Pro- Wochen blockierte Rheintalstrecke bei chen Verspätungen, verpasste Anschlüsse, jektes ermöglicht. Das zeigt, welchen Stellenwert und welche Bedeutung ihm Raststatt durch einen einstürzenden Tun- Ausfälle, Kosten und volkswirtschaftliche von staatlicher Seite beigemessen wird. nelvortrieb – die Bilder solcher Ereignisse Schäden. Die Fahrzeuge wie das Betriebs- Innosuisse – die Schweizerische Agen- gehen wie Lauffeuer durch die Medien und personal stehen dann meist nicht mehr zur tur für Innovationsförderung – unterstützt beschäftigen die Verkehrsbranche über rechten Zeit am richtigen Ort bereit für den wissensbasierte Innovation im Interesse von Wirtschaft und Gesellschaft mit Inno- längere Zeit. Im Öffentlichen Personennah- fahrplanmäßigen Betrieb. vationsprojekten, Beiträgen für Start-ups, verkehr sind Störungen, Umleitungen und Internationalisierung und Vernetzung. Unterbrechungen meist weniger spektaku- Um diesen nahezu alltäglichen Herausfor- Innosuisse ist eine öffentlich-rechtliche lär, aber sie fordern die Disponenten eben- derungen wirkungsvoll zu begegnen, entwi- Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit. Der Auftrag, die Organisationsform, Orga- so und ärgern Fahrgäste. Dazu gehören ckeln Software- und Verkehrsunternehmen ne und Instrumente von Innosuisse sind Personenunfälle auf Schiene und Straße, Management-Systeme. In der Schweiz ha- im entsprechenden Gesetz verankert. Ihr Behinderungen von Buslinien und S-Bah- ben sich einerseits zwei Fachhochulen und Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen in der nen durch Baustellen und Ausfälle der IT. das Softwarehouse Qnamic mit der Unter- Schweiz zu fördern. Dafür stehen ihr jähr- stützung von Innosuisse (siehe Kästchen lich Mittel in der Höhe von 200 Mio CHF All diesen Störungen ist eigen, dass sie rechts) an eine grundlegend neue Lösung zur Verfügung. rasch nach Lösungen verlangen. Die Ver- gemacht. Anderseits arbeitet das Team von 54 DER NAHVERKEHR 3/2021 Nutzung unter www.qnamic.com und https://www.fhnw.ch/zeitlich unbefristet genehmigt durch DVV Media GmbH, 2021
VERKEHRSPLANUNG & ORGANISATION „smartrail 4.0“ an einem neuen gesamt- schweizerischen Verkehrs-Management- Zum Autor system. Dipl.-Pol. Kurt Metz ist Marketing- und Kommunikationsberater für Mobilität, Logistik und Tourismus. Er befasst sich seit über vierzig Jahren mit Themen der Verkehrsverlagerung und des Modalsplits. Zudem organisiert er Studien- RailOpt unterstützt und plant reisen für Medienschaffende und Meinungsbildner im Mobilitätsbereich und publiziert darüber in Fachmedien. Mit dem Ressourcen-Management-System RailOpt von Qnamic besteht seit 2003 ein mittlerweile erprobtes und praxisgerechtes System. Es unterstützt primär Eisenbahn- verkehrs-Unternehmungen (EVU) von der Angebotserstellung über alle Planungsho- rizonte einschließlich der Disposition bis Abb. 2: Architektur- Grafik: Darstellung der OST hin zur Abrechnung. Durch die simultane skizze für RailOpt Berücksichtigung aller zum Prozess benö- DSSplus. tigten Ressourcen wie Rollmaterial und Personal werden kostenoptimierte Ange- bote für Auftraggeber ermöglicht. Der Dis- ponent wird durch RailOpt auch in opera- tiven Aufgaben durch Konflikterkennungen und deren Lösungen unterstützt. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung für schnelle- re und stabile Resultate nach unvorherseh- baren Ereignissen werden nun neue Vorge- hensweisen definiert, um die zunehmende Komplexität der ÖV-Systeme und der Kun- denerwartungen durch die Disponenten beherrschbarer zu gestalten. RailOpt®DSSplus löst Probleme Dieser neue Ansatz besteht in der Kombi- nation von Machine Learning und Opera- tions-Research: Er soll den Disponenten umfassende Lösungsvorschläge unterbrei- ten. Die bis anhin verfügbare Unterstüt- Grafik: Darstellung der OST zung für Disponenten bestand darin, dass eine Software die Lösungsvorschläge des Disponenten daraufhin überprüfte, ob sie zu Ressourcenkonflikten oder Regelverlet- zungen führen. Bis jetzt musste also der Disponent unter enormem Zeitdruck allein Ideen für eine Lösung entwickeln. Abb. 3: Vergleich RailOpt DSS versus RailOpt DSSplus. Das neue Instrument – das Decision Sup- port System DSSplus – berechnet innerhalb weniger Sekunden Lösungsvorschläge, die den und Inputs der Disponenten lernen, sätze für das Projekt. Die Innovation der alle relevanten Rahmenbedingungen wie um so immer passgenauere Vorschläge zu Vorgehensweise besteht aus drei Elemen- verfügbares Rollmaterial, Betriebsperso- entwickeln. ten: nal (Lokführer, Fahrer, Zugbegleiter und so weiter) und mögliche Ausweichstrecken Forschung und Praxis ◼◼ Neue Heuristiken1): Durch den Einsatz berücksichtigen. Der Disponent kann dann neuer Heuristiken sollen schnellstmög- auf Grund seiner Erfahrungen aus den vor- Die Verwirklichung dieser kühn klingenden lich Lösungen erstellt werden, um die geschlagenen Lösungen die beste auswäh- Idee macht es nötig, vertieftes Know-how durch vorliegende Störungen erzeugten len und den gemachten Vorschlag weiter- aus der wissenschaftlichen Forschung und Konflikte stabil in die Ausgangslage zu- entwickeln oder diesen auf Grund seiner praktische Erfahrung im Betrieb von ÖV-Un- rückzuführen. Erfahrungen anpassen. Die Software setzt ternehmen mit einem spezialisierten Soft- somit auf eine iterative Zusammenarbeit wareunternehmen zusammenzuführen: Die 1 Heuristik bezeichnet die Kunst, mit begrenztem Wis- sen und wenig Zeit dennoch zu wahrscheinlichen zwischen Mensch und Maschine, um so OST – Ostschweizer Fachhochschule in St. Aussagen oder praktikablen Lösungen zu kommen. möglichst schnell optimale und realisier- Gallen und die Fachhochschule Nordwest- Es bezeichnet ein analytisches Vorgehen, bei dem mit begrenztem Wissen über ein System mit Hilfe bare Lösungen zu entwickeln. Langfristig schweiz mit Hauptsitz in Olten erschließen mutmaßender Schlussfolgerungen Aussagen über soll die Maschine sogar von den Entschei- Algorithmen und Machine-Learning-An- das System getroffen werden (Quelle: Wikipedia). DER NAHVERKEHR 3/2021 55 Nutzung unter www.qnamic.com und https://www.fhnw.ch/zeitlich unbefristet genehmigt durch DVV Media GmbH, 2021
VERKEHRSPLANUNG & ORGANISATION Die Disponenten verstärkt unterstützen Komplexität des schienengebundenen Claudia Schmid studierte Chemie an der EPFL in Lausanne und der Car- negie Mellon University in Pittsburgh, PA. Hier promovierte sie mit einer Verkehrs zu erweitern. Anders ausge- Doktorarbeit zu Optimierungsansätzen im Chemie-Ingenieurswesen. Nach drückt: es wurde ein bestehendes Haus leitenden Positionen in den USA in der Software-Entwicklung war sie im Balkon um Balkon erweitert, ohne die Jahr 2003 Mitbegründerin der Qnamic AG mit Sitz in Hägendorf SO und ist seit 2013 CEO des Unternehmens. Ihr Mann, Dirk Pfeiffer, ist Co-Gründer Grundstruktur zu verändern. Im Gegen- und Präsident des Qnamic-Verwaltungsrats. satz dazu war die RailOpt-Architektur von vornherein auf die ganzheitliche Betrach- Foto: Qnamic tung ausgelegt. Ausgelöst durch die stän- dig neuen Herausforderungen wie höhere Auslastung der Netze, wird die Disposi- tion nochmals wichtiger, um den Betrieb aufrecht zu halten. Bei der Unterstützung der Disponenten sehen wir unsere Stärken DER NAHVERKEHR: Frau Schmid, was Schmid: Das Projekt EVS wurde erfolgreich und unterscheiden wir uns gegenüber den bewegt eine promovierte Chemie-Inge- abgeschlossen einschließlich der Dispo- Wettbewerbern. nieurin in die IT des öffentlichen Ver- sition. Diese stellte die größte Herausfor- kehrs zu wechseln? derung dar. Die Einführung von RailOpt Was sind die nächsten Schritte des Pro- führte nachweislich zu einer Erhöhung des jektes von RailOpt DSSplus und wer Claudia Schmid: Die Anfänge und Vor- Deckungsbeitrages in Millionenhöhe. Das wird es als erstes anwenden? teile der Digitalisierung habe ich als Kind Interesse war konsequenterweise sehr groß am CERN in Genf über meinen Vater mit- und zusätzlich zur Schweizerischen Südost- Schmid: Obwohl der Start durch erlebt. Während des Studiums entwickelte bahn SOB, der Matterhorn Gotthard Bahn COVID-19 sich verzögert hat, konnte das ich eine Faszination für Modellierung und MGB und der luxemburgischen CFL haben Projektteam mit der Arbeit beginnen. Optimierung. Der ÖV, insbesondere der sich weitere EVU entschlossen, RailOpt Durch die gute Zusammenarbeit aller Par- Eisenbahnverkehr, ist eine der komplexes- einzusetzen. teien gibt es stetig Fortschritte. Wir erwar- ten logistischen Herausforderungen. Daher ten die ersten vorzeigbaren Ergebnisse war der Wechsel ein interessanter und her- Welches waren die entscheidenden im ersten Halbjahr 2021. Die SOB und die ausfordernder Schritt. Schritte bis zum Ressourcenmanage- CFL werden als Industriepartner die ers- ment in Echtzeit? ten Anwender sein. Welche Erkenntnisse führten zur Grün- dung der Qnamic? Schmid: RailOpt war von vornherein dar- Mit welchen Weiterentwicklungen kann auf ausgelegt auch den dispositiven Aufga- die ÖV-Branche in der Digitalisierung Schmid: Das Projekt EVS «Einsatzplanung benteil abzudecken. Das heißt, dass bereits des Ressourcenmanagements rechnen? und Verrechnungssystem» der Schweizer heute alle unsere Kunden auf kurzfristige Eisenbahnverkehrsunternehmung (EVU) Änderungen hervorgerufen durch Ausfäl- Schmid: Die Disponenten benötigen bes- BLS führte zu RailOpt. Dieses stellte einen le, Verspätungen, Streckenunterbrüche sere und schnellere Lösungsvorschläge. völlig neuwertigen Ansatz zur Planung und reagieren können und entsprechende Ent- Dazu leistet DSSplus einen wesentlichen Disposition dar. Es schließt den gesamten scheidungen treffen. Deshalb ist der neue Beitrag. Ebenso so wichtig wird sein, Planungsprozess, angefangen mit der An- Ansatz eine konsequente Erweiterung auf alle entsprechenden Stellen und Betei- gebotsplanung bis einschließlich der Dis- der Basis bestehenden Funktionalitäten. ligte unmittelbar zu orientieren, um sich position unter Berücksichtigung aller erfor- schnellstmöglich auf sich verändernde derlichen Ressourcen wie Rollmaterial und Wie unterscheiden sich die Qnamic-An- Bedingungen einzustellen. Nur so lässt Personal ein. Da Software-Entwicklung nicht gebote von jenen der Mitbewerber? sich nach einem Ereignis die Stabilität zu den Kernkompetenzen einer EVU gehört des Verkehrs wieder herbeiführen. Bidi- und auch unser erster Partner von den Wei- Schmid: Wir meinen, dass es gute Pla- rektionale Kommunikation ist heutzutage terentwicklungen und Ideen anderer profi- nungssoftwares gibt mit der Betonung mit RailOpt schon weitgehend möglich, tieren wollte, gründeten wir Qnamic. „Planung“, also nicht Disposition, und aber auch hier sehen wir noch Verbesse- dies allerdings meist auf der Basis von rungspotenzial. Wie nahm die ÖV-Branche Ihr erstes Pro- Busverkehren. Es wurde dann im Laufe dukt auf? der Zeit versucht, diese auf die höhere Das Gespräch führte Kurt Metz. 56 DER NAHVERKEHR 3/2021 Nutzung unter www.qnamic.com und https://www.fhnw.ch/zeitlich unbefristet genehmigt durch DVV Media GmbH, 2021
VERKEHRSPLANUNG & ORGANISATION ◼◼ Einsatz von Machine Learning: Mit Hilfe von Machine Learning und Beurteilung Ressourcen jederzeit optimiert der vorgeschlagenen Lösungen sollen Gewichte der Zielfunktion gelernt wer- Die Qnamic AG hat ihren Sitz in Hägendorf (Schweiz, Kanton Solothurn) und wurde 2003 den. vom heutigen Verwaltungsratspräsidenten Dirk Pfeiffer gegründet. Die Geschäftsführung liegt ◼◼ Entwicklung einer Domain Specific Lan- bei Dr. Claudia Schmid (siehe Interview). Qnamic beschäftigt rund zwanzig Mitarbeiter. Das Kerngeschäft des Softwareunternehmens ist die Entwicklung, Einführung, Betreuung und guage (DSL): Die Entwicklung einer DSL fortlaufende Anpassung von Intelligenten-Ressourcen-Management-Produkten. Sie werden ermöglicht es, abhängig von Störungs- eingesetzt zur effizienten Nutzung und Auslastung des operativen Betriebs. Das umfasst den kategorien bestimmte Arbeitsschritte zu Einsatz von personellen, projekt- und prozessorientierten Kompetenzen und Ressourcen. Da- automatisieren, die nötig sind, damit mit alle betroffenen Ressourcen eines Unternehmens wirkungsvoll eingeplant, optimiert und gesteuert werden, entwickelt Qnamic Software-Lösungen, die sich aufgrund unterschiedlicher die Heuristiken mit der Lösungssuche Parametrisierung und Konfigurierbarkeit anpassen und untereinander ergänzen lassen. Die starten können. Organisation des Ressourcen- und Auftragsmanagements ist modular aufgebaut und ermög- licht auch betriebswirtschaftliche Abläufe. Über entsprechende Schnittstellen wird sicherge- Die Schweizerische Südostbahn (SOB) und stellt, dass der kompletten Ressourceneinsatz eines Unternehmens aufeinander aufbaut und sich abbilden lässt. Modernes Design und Benutzerfreundlichkeit ermöglichen vom Einsatz die luxemburgische Eisenbahnunterneh- über die Planung bis hin zur Nutzung den Anwendern übersichtliche grafische Oberflächen zur mung CFL sorgen für den notwendigen Pra- Verfügung zu stellen. Die Produkte für den öffentlichen Verkehr im Überblick: xisbezug. Qnamic garantiert als erfahrenes ◼◼ PlanOpt®: Erfassen und Planen von vielfältigen Arbeits- und Projektprozessen für optimier- Softwareunternehmen für die Entwicklung tes Ressourcenmanagement. einer anwenderfreundlichen Software. So- ◼◼ RailOpt®: Intelligente, passgenaue Planungs-Software für Verkehrsunternehmen. mit wird es mit RailOpt DSSplus möglich, ◼◼ RailOpt® WEB: Moderne, zuverlässige und effiziente Web Applikation für verbesserte Fir- men-Kommunikation. für die gängigen Störungstypen innerhalb ◼◼ RailOpt® DIS: Fahrordnungen erstellen und Anzeigen für Lokpersonal. von wenigen Sekunden unter Berücksich- ◼◼ RailOpt® DSS: Tool zur Entscheidungsunterstützung für optimale Lösungsfindung im Pla- tigung der Qualifikationen von Personal nungsprozess. und Spezifikationen der Fahrzeuge, der ◼◼ RailOpt® DSSplus: Tool zur Echtzeit-Entscheidungsfindung bei unvorhersehbaren Ereig- geltenden Arbeitszeitgesetze und mehrerer nissen. gleichzeitig zu beachtender Gütekriterien Die Software von Qnamic bildet ein anpassungsfähiges System welches Arbeitszeitregeln, (wie beispielsweise Verspätungsminuten Qualifikationen, Eignungen vereint und betriebswirtschaftliche Aspekte für das Controlling kumuliert über alle Reisende, Zeit bis zur zeitnah zur Verfügung stellt. Qnamic übernimmt die Betriebsführung der Lösungen und stellt Normalisierung des Betriebs, Überstunden sicher, dass die Software reibungslos funktioniert und verfügbar ist. beim Personal) passende Dispositions- maßnahmen herzuleiten. Smartrail 4.0 flott losgefahren … Das Bundesamt für Verkehr (BAV) beauf- tragte die schweizerischen Bahnunterneh- men, das Bahnsystem schrittweise weiter zu entwickeln. Die Schweizerischen Bundes- bahnen SBB, BLS (ehemals Bern-Lötsch- berg-Simplon), Schweizerische Südost- bahn (SOB), Rhätische Bahn (RhB) und der Verband öffentlicher Verkehr der Schweiz Grafik: Darstellung der OST (VöV) nahmen den Auftrag an und wollen mit dem Programm „smartrail 4.0“ gemein- sam das Potenzial neuer Technologien und die Digitalisierung nutzen. Es gilt, die Kapazität und die Sicherheit des Bahnver- kehrs schrittweise zu erhöhen, die Bahnin- frastruktur effizienter zu nutzen, Kosten zu Abb. 4: Störungsmanagementprozess mit RailOpt DSSplus. sparen und damit die Wettbewerbsfähig- keit der Schiene längerfristig zu erhalten. Die Kunden sollen schrittweise von mehr über die kurzfristige Fahrplanplanung bis Sekundenschnelle mehrere Lösungsvari- Zügen, einem dichteren Fahrplantakt, we- zur Zugverkehrssteuerung. Die Arbeiten anten zu generieren und an die anderen niger Störungen, einer schnelleren Kom- dazu begannen 2017 mit bis zu hundert Mit- Systeme zu kommunizieren. Es unterstützt munikationsverbindung und einer besse- arbeitern. Ende 2018 konnte erstmals mit die Disponenten, rasch die kundenfreund- ren Information im Störungsfall profitieren. einer Simulation die Machbarkeit bewie- lichste Variante zu erkennen, den Zugver- sen werden. So wurden mehrere Stunden kehr entsprechend zu steuern und die Kun- Ein wichtiger Baustein dazu ist ein neues, eines Fahrplans berechnet und optimiert. den zu informieren. Gleichzeitig kann das durchgängiges Verkehrsmanagement-Sys- Das neue Verkehrsmanagement-System Bahnnetz besser ausgelastet werden, da tem. Dieses verbindet die heutigen Syste- ist fähig, bei einer Fahrplanabweichung – das System den Fahrplan während der Er- me in der Bahnproduktion von der lang- beispielsweise aufgrund einer Störung – in stellung laufend auf kritische Situationen DER NAHVERKEHR 3/2021 57 Nutzung unter www.qnamic.com und https://www.fhnw.ch/zeitlich unbefristet genehmigt durch DVV Media GmbH, 2021
VERKEHRSPLANUNG & ORGANISATION Foto: CFL Abb. 5: Die Chemins de Fer Luxembourgeois gehören mit den SOB zu den Pionieren der Entwicklung des neuen Echtzeit-Ressourcenmanage- ment-Systems RailOpt DSSplus. überprüft und diese beheben kann. Das … und abrupt abgebremst BAV beauftragt die Branche deshalb, die erhöht die Stabilität des Fahrplans und ist geplanten Vorhaben schrittweise umzu- eine wichtige Voraussetzung, die bestehen- Das „Smartrail-4.0“-Team reichte im Ja- setzen und sich auf die anwendungsreifen, de Infrastruktur effizienter zu nutzen. Die nuar 2020 beim BAV den Konzeptbericht erfolgsversprechenden Teilprogramme zu Reisenden profitieren insgesamt von mehr „Smartrail 4.0“ ein. Aus Sicht der auftrag- konzentrieren.“ und pünktlicheren Verbindungen sowie gebenden Behörde ist die gesamtheitliche präziseren und schnelleren Informationen. und branchenübergreifende Betrachtung Dazu gehört das Traffic Management Sys- richtig. Allerdings schreibt sie: „Grund- tem (TMS) als umfangreiches Software- Nach der erfolgreich durchgeführten Si- sätzlich ist das damit verbundene Pro- projekt, das die Automatisierung der mulation steht das neue Verkehrsmanage- gramm indes zu stark technisch orientiert, Fahrpläne und der Disposition vorsieht. ment-Systems nun in der Umsetzung. Bis schwer überschaubar und zu wenig mit „Verschiedene Fragen, unter anderem die 2028 soll dieses in Etappen realisiert wer- den internationalen Entwicklungen ab- hohen Risiken dieses Softwareprojekts, den und die heutigen Systeme ablösen. gestimmt. Es besteht ein beträchtliches sind jedoch vertieft zu analysieren.“ Ein erstes Etappenziel ist die kurzfristige Risiko, dass die Komplexität der vielen Fahrplanplanung, bei der das Verkehrsma- miteinander verknüpften Vorhaben nicht Über die weitere Entwicklung von smart nagement-System ab Ende 2022 zum Ein- beherrschbar ist. Die vorgelegte Planung rail 4.0 darf man gespannt sein. DER NAH- satz kommen soll. erscheint deutlich zu optimistisch. Das VERKEHR bleibt dran. Zusammenfassung / Summary Bei Störungen in Echtzeit richtig agieren Act correctly in the event of malfunctions in real time Im Öffentlichen Personenverkehr fordern Störungen, Umleitungen und Disturbances, diversions, and disruption challenge schedulers ad Unterbrüche die Disponenten und ärgern Fahrgäste. Personenunfälle, controllers and annoy passengers. Accidents, construction works and Behinderungen durch Baustellen und Ausfälle der IT verlangen rasch maintenance, breakdowns of IT – they all call for a quick recovery back nach Lösungen für die Rückkehr zum fahrplanmäßigen Betrieb. Beste- to normal operations. Existing resource management systems sup- hende Ressourcen-Management-Systeme unterstützen zwar Dispo- port schedulers and controllers in their tasks, but they do not provide nenten, aber liefern noch keine Lösungsvorschläge. Zwei Schweizer solutions to unforeseeable operational problems. Two Swiss Technical Fachhochschulen und ein Softwarehaus entwickeln nun mit der Un- Universities and the Software house Qnamic are currently developing terstützung von Innosuisse ein Decision Support System (DSS), das a decision support system (DSS) based on iterative co-operation of auf der iterativen Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine men and machine. The Swiss Südostbahn (SOB) and the Luxembour- basiert. Die Schweizerische Südostbahn (SOB) und die luxemburgi- gian Railways CFL are involved in the research project as partners for sche Eisenbahnunternehmung CFL sorgen für den notwendigen Pra- guaranteeing the necessary link to day-to-day running. Since 2017 the xisbezug. Das Projekt „smartrail4.0“ der Schweizer Bahnen entwickelt “smartrail 4.0” project of several Swiss railway companies is under way seit 2017 ein Verkehrsmanagement-System, das aber vom auftragge- and aims at developing a traffic management system. However, the benden Bundesamt für Verkehr im Sommer 2020 wegen seiner Kom- Swiss Department of Transport asked the team in summer 2020 to plexität zurückgebunden wurde. reconsider the extraordinarily complex project and to set new priorities. 58 DER NAHVERKEHR 3/2021 Nutzung unter www.qnamic.com und https://www.fhnw.ch/zeitlich unbefristet genehmigt durch DVV Media GmbH, 2021
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