Beidhändige Führung Entwicklung des Kienbaum Leadership Compass - Kienbaum Studie
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Executive Summary Kienbaum und das Kienbaum Institut @ ISM haben die Füh- Die befragten Führungskräfte zeigen sich im Durchschnitt rungsstile des erweiterten Full Range Leadership Models auf stärker in den explorativen Führungsstilen, was eine stärkere dem Kontinuum der Ambidextrie verortet, um einen Self-Check, Ausrichtung auf das Innovationsgeschäft vermuten lässt. Des den Kienbaum Leadership Compass, zu entwickeln. In einer Weiteren konnten Risikofaktoren für negatives Führungs- Befragung von 239 Führungskräften wurde dieses Modell verhalten ermittelt werden, die indirekt über das Antwort- getestet. Die Ergebnisse unterstützen das postulierte Modell. verhalten zu den Führungsstilen des erweiterten Full Range Passive und aufgabenorientierte Führungsstile (transaktional, Leadership Models erfasst wurden. Abschließend werden die direktiv, expertenorientiert) folgen einer exploitativen Ausrich- Bedeutung und Implikationen explorativen bzw. exploitativen tung auf das Kerngeschäft. Mitarbeiter- und veränderungs Führungsverhaltens diskutiert. orientierte Führungsstile (transformational, digital, ethisch, strategisch) können unter einer explorativen Ausrichtung auf das Innovationsgeschäft zusammengefasst werden. Die Ergebnisse unterstützen das postulierte Modell. BEIDHÄNDIGE FÜHRUNG – KIENBAUM LEADERSHIP COMPASS | KIENBAUM © 2019 2
Inhalt Beidhändige Führung – Entwicklung des Kienbaum Leadership Compass Einleitung ...................................................................................................................................... 4 Theoretischer Rahmen .............................................................................................................. 5 Stichprobenbeschreibung und Methodik ........................................................................................ 6 Ergebnisse Ausprägungen der Führungsstile ....................................................................................................... 8 Explorative und exploitative Führungsstile ....................................................................................... 9 Risikofaktoren .....................................................................................................................................11 Zusammenfassung Fazit und Implikationen ..................................................................................................................... 13 Kontakt .............................................................................................................................................. 15 Appendix ........................................................................................................................................... 16 BEIDHÄNDIGE FÜHRUNG – KIENBAUM LEADERSHIP COMPASS | KIENBAUM © 2019 3
Einleitung Ambidextrie (lat. Beidhändigkeit) als eine speziali- sierte dynamische Fähigkeit der Organisation, die Diese Studie testet die theoretische Annahme, Führungsstile und Führungsrollen Paradoxie einer komplexen, sich ständig verändern- dass bestimmte Führungsstile eher das Kernge- den Welt zu managen, genießt derzeit im strategi- schäft und andere wiederum das Innovations Individuelle Perspektive schen Management vermehrte Aufmerksamkeit. geschäft fördern, und beabsichtigt so, die Aus einer strategischen Perspektive müssen Orga- folgenden Fragen zu beantworten: Führungsstile bezeichnen die nisationen einerseits ihr Kerngeschäft zu maximaler individuelle Veranlagung zu führen Effizienz ausbauen (Exploitation) und andererseits > Welche Führungsstile stehen im Zusammenhang und sind vorwiegend durch aktiv Innovationen und neue Geschäftsmodelle mit Exploration bzw. Exploitation? personenbezogene Faktoren wie entwickeln (Exploration), um in einer disruptiven, Persönlichkeit, Motivation oder digitalen Welt wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese > Wie führen Führungskräfte in deutschen kognitive Leistungsfähigkeit konträren strategischen Ausrichtungen müssen tief Organisationen im Hinblick auf Ambidextrie? determiniert. Diese Determinanten in der Organisation verankert sein. Für diese Veran- sind relativ schwer zu verändern. kerung zeichnen vor allem Führungskräfte verant- wortlich. Das Verhalten der Führungskräfte inner- Im Fokus dieser Studie steht deshalb eine individu- halb einer Organisation stellt eine entscheidende elle Perspektive der Ambidextrie. Deshalb unter- Organisationale Perspektive Antezedenz für die organisationale Ambidextrie dar suchen wir Führungsstile und keine Führungsrollen und weckt deshalb das Forschungsinteresse von (siehe Infobox rechts), um als übergeordnetes Ziel Führungsrollen rekurrieren auf vor allem Ökonomen und Psychologen. Von zentra- einen Fragebogen, den Kienbaum Leadership Verantwortlichkeiten sowie lem Interesse ist, welches Führungsverhalten oder, Compass, zur Messung dieser Stile zu entwickeln. Verhaltensweisen und Fähigkeiten, spezifischer gefragt, welche Führungsstile Führungs- Ein sekundäres Ziel der Studie ist es, Risikofakto- die für eine bestimmte Position kräfte pflegen müssen, um Exploitation und Explo- ren im Führungsverhalten der Teilnehmer zu iden- erforderlich sind. Führungsrollen ration zu fördern. Um diese Frage zu beantworten, tifizieren, da verschiedene Führungsstile in der erfordern deshalb vor allem hat das Kienbaum Institut @ ISM theoriegeleitet die Literatur häufig mit Persönlichkeitseigenschaften Kompetenzen (Wissen, Skills, in der Forschungsliteratur etablierten Führungsstile in Zusammenhang stehen, die sich negativ auf Einstellungen), die leichter zu auf dem Kontinuum der Ambidextrie verortet. Mitarbeitende und Organisation auswirken können. verändern und zu trainieren sind. Der Leadership Compass als Self-Check bietet so die Möglichkeit, Führungskräften ihr Führungs- verhalten im Hinblick auf Ambidextrie und Risiko- faktoren rückzumelden, um Reflektionsprozesse zur perspektivischen Verbesserung des eigenen Führungsverhaltens anzuregen. BEIDHÄNDIGE FÜHRUNG – KIENBAUM LEADERSHIP COMPASS | KIENBAUM © 2019 4
Theoretischer Rahmen Führung steht seit jeher im Fokus der Forschung, weshalb Status quo einhergeht, während Exploration eine kontrol- ein Fundus an Literatur, Studien und unterschiedlichen lierte Aufmerksamkeit für die Umwelt umfasst, die Raum Digitale Führungskompetenz Konzepten zum Thema existiert. Insbesondere Führungs- für Veränderung und neue Ideen schafft. Zum anderen gibt stile, die bestimmte beobachtbare Verhaltensweisen es Ansätze, die Führungsverhalten in Metakategorien Wir verstehen digitale aggregieren, und ihre Auswirkungen werden intensiv zusammenfassen, wie beispielsweise Yukl (2012), der i.a. Führungskompetenz als die erforscht. In der Folge existiert eine Vielzahl an Führungs- drei zentrale Metakategorien (aufgaben-, mitarbeiter- und Fusion aus virtueller Führung, stilen, die verschiedene Kontexte adressieren sowie veränderungsorientiertes Verhalten) unterscheidet. Wir geteilter Führung und Digital- vielfältige Konsequenzen für Mitarbeitende und Organisa- gehen davon aus, dass passive und aufgabenorientierte kompetenz, die als eine tionen implizieren. Wir untersuchen in dieser Studie vor- Führungsstile, die sich hauptsächlich auf Effizienz und Kompetenz bestehende nehmlich die Führungsstile des erweiterten Full Range Konsolidierung des organisationalen Status quo fokussie- Führungsstile ergänzt. Leadership Models, welche in der Studie „Die Kunst ren, stärker mit Exploitation, also einem Fokus auf das Im Kern geht es darum, dass des Führens in der Digitalen Revolution“ von Kienbaum Kerngeschäft, assoziiert sind, während mitarbeiter- und Führungskräfte auch mittels und StepStone (2018) vorgestellt wurden. Einzige Aus- veränderungsorientierte Führungsstile stärker das Innova- digitaler Technologien führen nahme ist, dass wir negative Führung exkludieren, da tionsgeschäft bespielen. Aufgabenorientierte und oft können und zu geteilter Tendenzen zu negativem Führungsverhalten über die passive Führungsstile sind unserer Ansicht nach ein experten- Verantwortung im Team Operationalisierung der Risikofaktoren abgedeckt werden orientierter (Inhaltsfokus), direktiver (Delegation) und ermutigen. Jeder Führungsstil sollen. Dafür nehmen wir expertenorientierte Führung und transaktionaler Führungsstil (Kontrolle). Dem entgegen kann und sollte mittels digitaler digitale Führungskompetenz als relevante Verhaltenswei- sind insbesondere strategisches (Umweltanalyse), transfor- Technologien ausgeführt und sen in unser Modell mit auf. Unser Modell basiert auf zwei mationales (Mitarbeiterentwicklung), ethisches (Mitarbei- auch im Team geteilt werden. Annahmen. Zum einen zeigen neuropsychologische tende an erster Stelle) und digitales (geteilte Verantwor- Befunde (Laureiro-Martínez et al., 2014), dass Exploitation tung) Führungsverhalten stark mitarbeiter- bzw. verände- mit fokussierter Aufmerksamkeit für Aufgaben und den rungsorientiert und fördern Innovation und Veränderung. EXPLOITATION AMBIDEXTRIE EXPLORATION Expertenorientierte Direktive Transaktionale Strategische Transformationale Ethische Digitale Führung Führung Führung Führung Führung Führung Führungskompetenz BEIDHÄNDIGE FÜHRUNG – KIENBAUM LEADERSHIP COMPASS | KIENBAUM © 2019 5
Stichprobenbeschreibung und Methodik Im Rahmen einer anonymen Online-Befragung hat GESCHLECHT ALTER FÜHRUNGSERFAHRUNG FÜHRUNGSSPANNE das Kienbaum Institut @ ISM 239 Führungskräfte zu ihrem individuellen Führungsverhalten befragt. Der Fragebogen umfasste ca. 100 Fragen, die die unterschiedlichen Führungsstile und -kompetenzen des Leadership Compass operationalisierten. Die befragten Führungskräfte offenbarten ein hetero- genes Bild im Hinblick auf Führungsebene, -spanne, Unternehmensgröße und Branchenzugehörigkeit. Das Geschlecht bildete hierbei die einzige Aus- 66,1 % M 41,8 10,3 18 nahme, da rund zwei Drittel der Teilnehmer männ- 33,9 % W Jahre* Jahre* Mitarbeitende* lich waren. Insgesamt sind die Teilnehmenden 15 verschiede- nen Branchen zuzuordnen, wobei die Mehrheit den UNTERNEHMENSGRÖSSE FÜHRUNGSEBENE Branchen IT & Internet (13,0 %), Bildung & Training (8,8 %) und Fahrzeugbau & -zulieferer (7,5 %) ent- 18,0% 34,7 % 26,4% 21,3 % stammt. Insbesondere die Verteilungen bezüglich > 10.000 < 250 Projektleiter/ Vorstand/ der Unternehmensgröße sowie der Führungsebene Teamleiter Geschäftsführer zeigen, dass die Stichprobe aus unterschiedlich er fahrenen Führungskräften diverser Hierarchiestufen und Unternehmensgrößen besteht. Ausgehend von der Varianz hinsichtlich der unterschiedlichen sozioökonomischen Merkmale ist die Stichprobe als 23,9 % 21,8 % 1.001 – 10.000 Bereichsleiter ausreichend repräsentativ zu bewerten. 27,6 % 2,9% Sonstige 23,4 % Abteilungsleiter 251 – 1.000 * Mittelwertangaben BEIDHÄNDIGE FÜHRUNG – KIENBAUM LEADERSHIP COMPASS | KIENBAUM © 2019 6
Ausprägungen der Führungsstile Die Führungskräfte in dieser Studie schätzten sich besonders in RANGORDNUNG DER FÜHRUNGSSTILE mitarbeiter- und veränderungsorientierten Führungsstilen hoch ein. Transformationale Führung erzielte den höchsten Mittelwert. Transformationale 5,05 Allerdings sind die Unterschiede zwischen diesen als explorativ Führung klassifizierten Stilen marginal. Ähnliche Ergebnisse legen die Mit- telwerte der passiven und aufgabenorientierten (exploitativen) Digitale 4,89 Führungskompetenz Stile nahe, die sich ebenfalls untereinander nur marginal unter- scheiden, aber insgesamt deutlich niedriger ausgeprägt sind Strategische als die explorativen Führungsstile. Dennoch verzeichnen beson- 4,85 Führung ders der transaktionale und der direktive Führungsstil deutliche Ausprägungen und unterstützen die Annahme, dass sowohl auf Ethische Führung 4,66 Exploration als auch auf Exploitation ausgerichtete Verhaltens- weisen in der digitalen Transformation relevant sind. Transaktionale 3,97 Führung Insgesamt zeigten die Analysen, dass die Werte der einzelnen Stile hinreichend normalverteilt sind. Das bedeutet, dass der Direktive 3,83 Gesamtmittelwert der Stichprobe für den jeweiligen Führungsstil Führung zwar teilweise als sehr hoch zu bewerten ist, aber dennoch unter- und überdurchschnittliche Ausprägungen um diesen Mittelwert Expertenorientierte 3,34 Führung zu verzeichnen sind. 1 2 3 4 5 6 Um herauszufinden, ob bestimmte Führungsstile mit einer bestimmten Führungsebene, dem Alter oder der Führungser- Mittelwerte auf einer 6-stufigen Skala fahrung einhergehen, wurden Varianz- und Korrelationsanalysen von 1 (Stimme gar nicht zu) bis 6 (Stimme voll zu). berechnet. Es zeigten sich weder statistisch signifikante Unter- schiede zwischen den Führungsebenen, noch signifikante Korre- lationen für das Alter oder die Führungserfahrung. Diese Ergeb- nisse lassen den Schluss zu, dass die Führungsstile des Kienbaum Leadership Compass unabhängig von Führungsebene, Alter und Führungserfahrung von den Führungskräften präferiert werden. Transformationale Führung erzielte den höchsten Mittelwert. BEIDHÄNDIGE FÜHRUNG – KIENBAUM LEADERSHIP COMPASS | KIENBAUM © 2019 8
Explorative und exploitative Führungsstile EXPLORATION VS. EXPLOITATION Um unsere Annahme, dass sich die unterschiedlichen Um die Validität der extrahierten Faktoren zu untersuchen, 6 etablierten Führungsstile auf dem Kontinuum der Ambi- wurden diese mit bestehenden Skalen zu exploitativer dextrie abbilden lassen, statistisch zu untersuchen, wurde (schließender Führung) und explorativer (eröffnender eine explorative Faktorenanalyse gerechnet. Dieses Führung) korreliert (Zacher & Rosing, 2015). Für den ersten 5 komplexe statistische Verfahren reduziert eine Vielzahl Faktor konnte ein starker Zusammenhang zu eröffnender 4,86 von Variablen (hier die Führungsstile) auf ein Minimum an Führung (r = .68, p < .001) sowie eine Nullkorrelation 4 inhaltlich relevanten Faktoren. Die Faktorenanalyse konnte (r = .08, p = .201) zu schließender Führung detektiert zwei Faktoren mit überwiegend sehr hohen Faktorladun- werden. Die Korrelationsanalysen zum zweiten Faktor 3 3,81 gen extrahieren. Der erste Faktor reflektiert Führungsver- konvergieren mit diesem Befund und zeigen einen starken halten, das stark mitarbeiter- und innovationsorientiert Zusammenhang mit schließender Führung (r = .55, (strategisch, transformational, digital und ethisch) ist und p < .001) sowie eine Nullkorrelation (r = -.08, p = .197) mit 2 kann so als exploratives Führungsverhalten verstanden eröffnender Führung. Diese Ergebnisse liefern erste werden. Der zweite Faktor deckt Führungsstile ab, die Evidenz für die Existenz und Validität unserer Annahme 1 stark aufgabenorientiertes und teilweise passives Füh- und zeigen, dass bestimmtes Führungsverhalten, welches rungsverhalten adressieren (expertenorientiert, direktiv in der Forschung unter verschiedenen Führungsstilen Exploitation Exploration und transaktional), welches sich auf Fehlermanagement aggregiert wird, mit Verhaltensweisen assoziiert ist, die Mittelwerte auf einer 6-stufigen Skala und -kontrolle konzentriert und somit als exploitatives die Ausrichtung auf das Kern- bzw. Innovationsgeschäft von 1 (Stimme gar nicht zu) Führungsverhalten bezeichnet werden kann. fokussieren. Vertiefende Analysen konnten zeigen, dass bis 6 (Stimme voll zu). exploitatives und exploratives Führungsverhalten, ähnlich wie auf der Ebene der Führungsstile, unabhängig von der Führungsebene, dem Alter und der Führungserfahrung sind. EXPLOITATION AMBIDEXTRIE EXPLORATION (.35) (.69) (.72) (.75) (.87) (.85) (.63) Expertenorientierte Direktive Transaktionale Strategische Transformationale Ethische Digitale Führung Führung Führung Führung Führung Führung Führungskompetenz KERNGESCHÄFT INNOVATIONSGESCHÄFT Hauptachsenanalyse mit obliquer Rotation. KMO = .756, Chi² = 636.757, p < .001. Angegeben sind die Faktorladungen in Klammern. BEIDHÄNDIGE FÜHRUNG – KIENBAUM LEADERSHIP COMPASS | KIENBAUM © 2019 9
Explorative und exploitative Führungsstile Unsere Auswertung deutet eine im Mittel ausgeprägtere Fokussierung auf das 5,0% Innovationsgeschäft an. Die Gegenüberstellung der Gruppenmittelwerte der bei- Hoch den extrahierten Faktoren erlaubt jedoch keine Aussage darüber, wie viele Füh- Explorativ + Ambidextrie Exploitativ + rungskräfte ihr Führungsverhalten hinsichtlich beider Faktoren als hoch bewerten. Deshalb wurden die Testwerte der Teilnehmer zu den beiden Faktoren standardi- 11,3% 13,8% siert, um das einzelne Ergebnis in Relation zu den anderen Teilnehmern setzen zu können. Die Ergebnisse wurden in einem Schaubild visualisiert (linke Abbildung). Das Schaubild zeigt deutlich, dass nicht jede Führungskraft ihr Führungsverhalten als gleichermaßen explorativ und exploitativ ausgerichtet beschreibt. Rund Explorativ 54,0% der Teilnehmenden liegen hinsichtlich beider Faktoren im Durchschnitt der 53,6% Stichprobe und nehmen ihr Führungsverhalten weder übermäßig explorativ noch übermäßig exploitativ wahr. Weiterhin gibt es ähnliche Anteile an Führungskräf- ten, die vergleichsweise unter- bzw. überdurchschnittlich in einer oder beiden Dimensionen abschneiden (grau schraffierte Bereiche). Auch scheint es Führungs- kräfte zu geben, die eine über- bzw. unterdurchschnittliche Ausprägung beider Ausrichtungen aufweisen. Andererseits gibt es Führungskräfte, die eine über- 11,3% 10,0% durchschnittliche Ausprägung einer der beiden Ausrichtungen mit einer unter durchschnittlichen Ausprägung der anderen vereinen. Lediglich 5,0% der Teilneh- menden schätzen ihr Führungsverhalten in Bezug auf beide Ausprägungen als überdurchschnittlich ein und attestieren sich eine fortgeschrittene beidhändige Niedrig Exploitativ Hoch Führung. Inwiefern Führungskräfte sowohl gleichermaßen explorativ als auch exploitativ oder zu Gunsten einer Ausrichtung führen müssen, hängt jedoch vom jeweiligen Kontext ab. Beispielsweise würde eine Führungskraft, deren Aufgabe die Ent- wicklung neuer Produkte ist, von einer stärkeren Ausrichtung auf Exploration profitieren, während eine Führungskraft im Controlling vermutlich eher beste- hende exploitative Prozesse effizienter zu gestalten versucht. BEIDHÄNDIGE FÜHRUNG – KIENBAUM LEADERSHIP COMPASS | KIENBAUM © 2019 10
Risikofaktoren Risikofaktoren verstehen wir als relativ stabile Verhaltensmuster, die sich in hoher Ausprägung destruktiv auf die Organisation, Mitarbei- Unnahbarkeit tende und die Führungskraft selbst auswirken. Diese Verhaltens- Indirekte Risikofaktoren „Andere als Objekt“ muster fallen besonders durch interpersonelle, emotionale und Tendenz zu rationalem, unsensiblen moralische Defizite auf. Ausgehend von der Führungsliteratur unter- Verhalten, welches oft in risikobe scheiden wir drei Persönlichkeitsmuster (siehe Infoboxen rechts), Unnahbarkeit hafteten Entscheidungen resultiert r = .62 die nachweislich in positivem Zusammenhang zu passiver, direktiver und aufgabenorientierter sowie in negativem Zusammenhang zu ethischer und transformationaler Führung stehen. Diese Persönlich- Pragmatismus keitsmuster können demnach – abhängig vom Kontext – auch als „Der Zweck heiligt die Mittel“ Risikofaktoren für eine zu starke exploitative Ausrichtung und zu r = .51 Pragmatismus Tendenz, ethische und moralische wenig mitarbeiterorientierte Führung angesehen werden. Standards im Hinblick auf die Zielerreichung zu ignorieren Zur Identifikation von risikobehafteten, oft negativen Führungs- verhaltensweisen verfolgen wir eine indirekte Operationalisierung r = .48 Selbstüberschätzung der Risikofaktoren. Wir nehmen deshalb an, dass wir über das Selbstüberschätzung Antwortverhalten zu den Fragen der Führungsstile aus unserem theoretischen Modell indirekt auf diese Persönlichkeitsmuster „Die Anderen sind da, um mich schließen können. Um diese Annahme zu überprüfen, haben wir die zu bewundern“ drei Persönlichkeitsmuster mit etablierten Skalen in dieser Studie Fokus auf die eigene Person und Stre- Korrelationen bei p < .001 signifikant. ben nach Bewunderung durch Andere erfasst. In der Folge haben wir Regressionsanalysen angewandt, um diese Persönlichkeitsmuster durch die Fragen zu den Führungsstilen vorherzusagen. In der Tat konnten Fragenkombinationen gefunden werden, die Unnahbarkeit (44,5%), Pragmatismus (37,3%) und Selbstüberschätzung (25,2%) zu einem beachtlichen Teil erklären konnten. Diese Kombinationen haben wir mit den direkt erfassten Skalen korreliert, um ihre Validität zu überprüfen. Starke signifikante Zusammenhänge (siehe Abbildung rechts) unterstützen die Validität und zeigen, dass es möglich ist, Tendenzen zu risikobehaftetem Führungsverhalten indirekt über das Antwortverhalten zu den unter- schiedlichen Führungsstilen vorherzusagen. BEIDHÄNDIGE FÜHRUNG – KIENBAUM LEADERSHIP COMPASS | KIENBAUM © 2019 11
Zusammenfassung 12
Zusammenfassung Fazit und Implikationen Ziel dieser Studie war die Erforschung von Ambidextrie auf der individuellen gefragt ist, hängt auf individueller Ebene von der Fähigkeit der Führungskräfte Ebene. Im Fokus standen hier Führungskräfte und ihre Führungsstile nach ab, zu erkennen, welches Verhalten die jeweilige Situation erfordert. Aus orga- dem erweiterten Full Range Leadership Model, welche im Hinblick auf eine nisationaler Perspektive hängt die Präferenz für eine der beiden Ausrichtungen exploitative bzw. explorative Ausrichtung analysiert wurden, um die theore- vom jeweiligen Kontext und den Anforderungen, d.h. der entsprechenden Füh- tische Fundierung des Kienbaum Leadership Compass zu untersuchen. Die rungsrolle, ab. Personalabteilungen benötigen ein Bewusstsein dafür, inwie- Ergebnisse unterstützen diese Fundierung insofern, dass aufgabenorientierte weit die Anforderungsprofile von Führungspositionen auf exploratives bzw. und passive Führungsstile stärker auf das Kerngeschäft (Exploitation) und exploitatives Führungsverhalten ausgerichtet sind, um diese mit den geeig- veränderungs- und mitarbeiterorientierte Führungsstile stärker auf das Inno- neten Führungskräften zu besetzen, die die gewünschte Ausrichtung in ihrem vationsgeschäft (Exploration) ausgerichtet sind. Insgesamt attestieren sich Führungsverhalten reflektieren. Führungskräfte ein ausgeprägtes exploratives und exploitatives Führungs- verhalten, wobei exploratives Führungsverhalten im Mittel deutlich höher Die Studienergebnisse liefern somit erste Hinweise auf die Validität des Lea- bewertet wird. Zusätzlich konnten Risikofaktoren für negatives Führungsver- dership Compass. Der Kienbaum Leadership Compass kann als o nlinebasierter halten identifiziert werden, die durch ihre indirekte Messung nicht durch die Self-Check für Führungskräfte eingesetzt werden, um der Führungskraft Selbstauskunft der Führungskräfte konfundiert wurden. selbst, aber auch der Organisation die Ausrichtung des vorherrschenden Füh- rungsverhaltens rückzumelden. So stellt der Leadership Compass ein kontem- Aus den Ergebnissen der Studie lassen sich Implikationen für Führungskräfte poräres, praxisrelevantes Feedbackinstrument dar, das Entwicklungs- und und Personalabteilungen ableiten. Die konträren Ausrichtungen im Führungs- Recruiting-Prozesse unterstützen kann. Beispielsweise kann der Leadership verhalten schließen sich nicht gegenseitig aus. Führungskräfte können sowohl Compass genutzt werden, um zu überprüfen, ob der individuell priorisierte exploratives als auch exploitatives Führungsverhalten pflegen – allerdings Führungsstil auch zu der gegenwärtigen Position, also zur Führungsrolle passt. nicht gleichzeitig, da diese Verhaltensweisen unterschiedliche kognitive Darauf basierend können dann Maßnahmen wie bspw. Trainings oder Coachings Prozesse erfordern. Inwiefern ein exploratives oder exploitatives Vorgehen eingeleitet werden. Die Studienergebnisse liefern somit erste Hinweise auf die Validität des Leadership Compass. BEIDHÄNDIGE FÜHRUNG – KIENBAUM LEADERSHIP COMPASS | KIENBAUM © 2019 13
Zusammenfassung Fazit und Implikationen AUSBLICK: FREMDWAHRNEHMUNG Um Führungskräfte zu motivieren, ihr Führungsverhalten und damit ihren Füh- rungsstil zu hinterfragen, spielt nicht nur die Selbstwahrnehmung, sondern auch die Wahrnehmung durch ihre Mitarbeitenden eine entscheidende Rolle. Deshalb wird der Kienbaum Leadership Compass in Selbst- und Fremdwahr nehmung verfügbar sein, um diese beiden Perspektiven gegenüberzustellen. BEIDHÄNDIGE FÜHRUNG – KIENBAUM LEADERSHIP COMPASS | KIENBAUM © 2019 14
Kontakt Ihre Ansprechpartner Kienbaum Consultants International GmbH Kienbaum Institut @ ISM für Leadership & Transformation Prof. Dr. Walter Jochmann Prof. Dr. Michael Knappstein Geschäftsführer und Partner Akademischer Leiter walter.jochmann@kienbaum.de michael.knappstein@kienbauminstitut-ism.de www.kienbaum.de www.kienbauminstitut-ism.de Alexander Höpfner Lukas Maximilian Fastenroth Consultant Doktorand und Wissenschaftlicher Mitarbeiter alexander.hoepfner@kienbaum.de lukas.fastenroth@kienbauminstitut-ism.de www.kienbaum.de www.kienbauminstitut-ism.de BEIDHÄNDIGE FÜHRUNG – KIENBAUM LEADERSHIP COMPASS | KIENBAUM © 2019 15
Appendix Explorative Führungsstile DIGITALE FÜHRUNGSKOMPETENZ ETHISCHE FÜHRUNG Führungskräfte mit einer ausgeprägten digitalen Führungskompetenz Anders als bei transformationaler Führung stehen für ethische Füh- sind Pioniere im Umgang mit digitalen Technologien. Sie verstehen rungskräfte die Mitarbeitenden an erster Stelle. Ethische Führungs- es, ihre Mitarbeitenden im virtuellen Team zu führen und binden kräfte handeln wertorientiert und transparent. Durch Vertrauen diese aktiv in die Entscheidungsfindung ein. Veränderungen sehen fördern sie aktiv die Selbstständigkeit ihrer Mitarbeitenden und sie als Chance und spornen so ihre Mitarbeitenden an, mit neuen ermutigen diese so, Verantwortung zu übernehmen. Emotionale Ideen zu experimentieren. Unterstützung der Mitarbeiter sowie soziale Verantwortung sind wichtige Anker ethischer Führung. TRANSFORMATIONALE FÜHRUNG STRATEGISCHE FÜHRUNG Als Vorbild kommunizieren transformationale Führungskräfte klare, Strategische Führung ist ein funktionaler, pragmatischer Führungs- anspruchsvolle Ziele und bieten ihren Mitarbeitenden Freiraum und ansatz, der primär die Realisierung von Zielen verfolgt. Strategische Selbstbestimmung, um diese zu erreichen. Sie vermitteln eine ins- Führungskräfte analysieren ihr Umfeld und leiten daraus konkrete pirierende Vision und einen Sinn in der Arbeit, der die Mitarbeitenden (Teil-)Ziele ab. Sie versorgen ihre Mitarbeitenden mit den für die motiviert. Dennoch steht für transformationale Führungskräfte die Zielerreichung nötigen Ressourcen und versuchen, Hindernisse zu Erreichung der Unternehmensziele an erster Stelle. beseitigen. Durch konstruktives Feedback lernen ihre Mitarbeiten- den aus Fehlern. BEIDHÄNDIGE FÜHRUNG – KIENBAUM LEADERSHIP COMPASS | KIENBAUM © 2019 16
Appendix Exploitative Führungsstile TRANSAKTIONALE FÜHRUNG DIREKTIVE FÜHRUNG Transaktionale Führung basiert auf einem Austauschverhältnis. Ziele Direktive Führungskräfte pflegen eine klare Rollen- und Aufgaben- sind an klare Erwartungen geknüpft. Je nach Erfüllung der Erwar- verteilung. Sie sind leistungsorientiert und erwarten stets Disziplin. tung werden ihre Mitarbeitenden belohnt oder bestraft. Verantwor- Aufgaben werden mit der klaren Erwartung, dass ihren Anweisun- tung wird delegiert und die Mitarbeitenden kontrolliert. Das Behe- gen Folge geleistet wird, an ihre Mitarbeitenden delegiert. Eine ben und Monitoring von Fehlern sowie die Einhaltung von Regeln, hohe Arbeitsmoral wird vorausgesetzt. Routinen und Plänen bestimmen den Arbeitsalltag. EXPERTENORIENTIERTE FÜHRUNG Für expertenorientierte Führungskräfte steht die intellektuelle Kom- petenz im Vordergrund. Sie sind inhalts- und ergebnisorientiert. Zwar sind ihnen ihre Mitarbeitenden nicht gleichgültig, doch führen sie eher auf einer fachlichen Ebene und nehmen nur wenig diszipli- narische Führungsverantwortung wahr. BEIDHÄNDIGE FÜHRUNG – KIENBAUM LEADERSHIP COMPASS | KIENBAUM © 2019 17
Literatur Kienbaum & StepStone (2018). Die Kunst des Führens in der Digitalen Revolution. Hier abrufbar: https://www.kienbaum.com/de/publikationen/ ueber-die-wichtigkeit-von-fuehrung-in-der-digitalen-revolution/ Laureiro-Martínez, D., Brusoni, S., Canessa, N., & Zollo, M. (2015). Understanding the Exploration–Exploitation Dilemma: An fMRI Study of Attention Control and Decision-Making Performance. Strategic Management Journal, 36(3). 319-338. Yukl, G. (2012). Effective Leadership Behavior: What We Know and What Questions Need More Attention. Academy of Management Perspectives, 26(4), 66-85. Zacher, H., & Rosing, K. (2015). Ambidextrous Leadership and Team Innovation. Leadership & Organization Development Journal, 36(1), 54-68. Fotonachweis: Fotos Seite 15: © Kienbaum; alle weiteren: © istockphoto BEIDHÄNDIGE FÜHRUNG – KIENBAUM LEADERSHIP COMPASS | KIENBAUM © 2019 18
Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Publikation auf die gleichzeitige Verwendung geschlechterspezifischer Sprachformen verzichtet. Kienbaum Consultants International GmbH Kienbaum Institut @ ISM für Leadership & Transformation Edmund-Rumpler-Straße 5 | 51149 Köln Otto-Hahn-Straße 19 | 44227 Dortmund Telefon +49 221 801 72-0 Telefon +49 231 975 139-741 contact@kienbaum.com info@kienbauminstitut-ism.de www.kienbaum.com www.kienbauminstitut-ism.de Leading by #WePowerment 19
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