Benefits und Unternehmenskultur: Mehr als Kosten und Risiken - Willis Towers Watson

 
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REPORT • TRANSAKTION UND FINANZIERUNG

     Benefits und Unternehmenskultur:
     Mehr als Kosten und Risiken
     Martin Carbon, Sibylle Kampschulte & Thomas Kruse, Willis Towers Watson

     1. Unternehmenskultur als Einkaufsziel                                2. Flexible Integration, um Dealerfolg zu
                                                                              gewährleisten
        Auch wenn die Anzahl der Deals während der
     Corona-Pandemie kurzfristig zurückgegangen ist –                      Wesentliche Erfolgsfaktoren für gelungene Deals sind
     M&A sind längst keine Ausnahmesituation mehr, son-                    nach wie vor eine faire Bewertung des Objekts und
     dern gehören inzwischen eher zum Unternehmensall­                     eine zügige Durchführung. Da der Erfolg einer Akqui­
     tag. Durch die Digitalisierung verändern sich Ge­                     sition nicht beim erfolgreichen Abschluss des Kauf­
     schäftsmodelle gravierend. In der Folge muss fast jedes               vertrags endet, sondern damit eigentlich erst anfängt,
     Unternehmen Digitalkompetenzen entwickeln (quasi                      muss sichergestellt werden, dass der Zukauf den ge-
     sein eigenes „Softwareunternehmen“ werden) – oder                     planten Nutzen bringt und die Integration gelingt.
     eben einkaufen. Erforderlich sind neue Qualifikationen,               Gerade bei größeren Deals wird nun das Prinzip „das
     neues Denken und neue Strukturen. Gleichzeitig än-                    Beste aus beiden Welten“ zunehmend anerkannt.
     dern sich Organisationsformen hin zu mehr Agilität,                   Wenn kleinere Unternehmen gekauft werden, werden
     was zwar leicht gesagt, aber schwer umzusetzen ist.                   häufiger die Prozesse und Strukturen des Käufers
     Auch hier kann der Einkauf von externen Kompetenzen                   auf den Gekauften übertragen. Mittlerweile erken­nen
     helfen. Dieser Digitalisierungstrend wurde durch die                  Unternehmen jedoch Kultur und Prozess als wesent­
     Pandemie noch beschleunigt und bringt auch im M&A-                    lichen Bestandteil des Erfolgskonzepts des Zukaufs
     Umfeld ganz neue Herausforderungen.                                   an.

     Kurzfristig wurden durch die Krise einige Unterneh­                               Die HR-Abteilung spielt dabei eine entscheidende
     menstransaktionen auf die lange Bank geschoben –                                  Rolle: Je nachdem, aus welchem Grund das Target ge-
     aber diese Entwicklung zeigt sich nicht überall gleicher-                         kauft wird und wie verschieden Käufer und gekauftes
     maßen. Weltweit ist in der Tat eine deutliche Abnahme                             Unternehmen sind (Business, Größe, Kultur ...), unter-
     der Anzahl der Deals im Quarterly Deal Performance                                scheiden sich Weg und Lösung. In der Vergangenheit
     Monitor, der von Willis Towers Watson und der Busi­                               wurde dabei häufig nach folgendem Schema vorgegan-
     ness School herausgegeben wird, zu erkennen. Wur­                                 gen: Große Organisationen kauften kleinere Unter­
     den im dritten Quartal 2019 noch 197 Deals gezählt,                               neh­men, die besonders flexibel und innovativ waren,
     sind es 2020 noch 121.1                                                           zwangen ihnen ihre umfassenden Prozesse auf und er-
                                                                                       stickten damit oft genug das, was sie eigentlich kaufen
     Für Europa gilt dies nur eingeschränkt. Auch hier ist im wollten, was Erfolg und Innovation des Targets ausge-
     dritten Quartal zwar eine Abnahme gegenüber dem macht hatte.
     Vorjahr zu verzeichnen – doch mit 30 statt 38 Deals ist
     sie kaum als ausgeprägt zu bezeichnen.                                            Erfahrene Käufer haben aus diesen Fehlern gelernt.
                                                                                       Gerade da wo Köpfe, Talente und Know-how gekauft
                                                                                       werden, gehen sie deutlich behutsamer vor. Anstelle
                                                                                       eines starren Integrationsplans setzen sie auf flexible
     1 Willis Towers Watson: Quarterly Deal Performance Monitor (QDPM). Q3, 2020.      Integrationsmodelle. Sie sollen ermöglichen, dass die Be­
       www.willistowerswatson.com/en-GB/News/2020/10/global-m-and-a-market-sees-first-
       positive-performance-in-three-years                                             ­legschaft des Targets einerseits weiterhin kreativ und

     398                                                                                                    M&A REVIEW 12/2020 • 31. Jahrgang
TRANSAKTION UND FINANZIERUNG • REPORT

Abb. 1 • Anzahl abgeschlossener Deals pro Quartal – weltweit
                                                   Quelle: Quarterly Deal Performance Monitor, Q3 2020, herausgegeben von Willis Towers Watson und Business School.
                                                   (drittes Quartal jeweils orange markiert)

                                                 350

                                                                                                                                                                                                                  307
                                                                                                                                                                                                301
                                                 300

                                                                                                                                                                                          270                                          273                                   271
                                                                                                                                                       268
                                                                                                                                                                                                           254                                           251
                                                 250                                                                                                                                                    247
                                                                                                                                                                                                                                  242
      Anzahl abgeschlossener Deals pro Quartal

                                                                                                                                                                                                  233
                                                                                                                       227                                                                                                                   219                  223
                                                                                                                                                                          220                                          216
                                                                                                            215                                                                                                           211                   215216                                        210
                                                                                                                                                                                                                                                            209
                                                                                                                            200                                                      203                                                                               201        204
                                                 200                                                                           193                                                                                                                                                         197

                                                                                                                 176                        181
                                                                                                                                                             172 168                                                                                                                                 170
                                                       159                                     162163                                  161        158           160                                                                                                                  163
                                                                                                                                                                               154
                                                 150           147                          148
                                                            139 140                                                                                                                                                                                                                                       137
                                                                                       126                                                                                                                                                                                                                      121

                                                 100

                                                                               69 65
                                                                          62
                                                  50

                                                   0
                                                       Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3
                                                           2008        2009        2010        2011        2012        2013        2014        2015        2016        2017        2018        2019      2020

Abb. 2 • Anzahl abgeschlossener Deals pro Quartal – Europa
                                                   Quelle: Quarterly Deal Performance Monitor, Q3 2020, herausgegeben von Willis Towers Watson und Business School.
                                                   (drittes Quartal jeweils Orange markiert)

                                                 65

                                                                                                                             60
                                                 60
                                                                                                                                                                                                                                                                             56
                                                 55                                                                                                                                                                               54
                                                                                                                                                                                                                  53
                                                                                                                       52                                                                       52 51
                                                 50                                                                                                                                        49
                                                                                                                  46
                                                 45
      Anzahl abgeschlossener Deals pro Quartal

                                                                                                            44                                                                                                                                                                                  44
                                                                                                                                  43                                                                    43              43                                                                           42
                                                 40                                                                                                                                                                                                    40 40 39         40
                                                                                                                                                                                                                                        39
                                                       38                                                                                                                            38                                                                                                                    38
                                                                                                                                       37
                                                                                                                                                                                                                                                  36                                       36
                                                 35                                                                                                          35                                                              35
                                                                                                                                                                                                             33                                                                    34 34
                                                                                                                                                  32
                                                                  31 31                      31                                                         31
                                                 30          30                                                                                                                                                                                                                                                 30
                                                                                                       29                                    28                   29 28                                                                                           29
                                                                                                  26                                                                            26
                                                 25                                                                                                                                                                                          24
                                                                                                                                                                          22
                                                 20                       19           20

                                                 15
                                                                               13 13

                                                 10

                                                  5

                                                  0
                                                       Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3
                                                           2008        2009        2010        2011        2012        2013        2014        2015        2016        2017        2018        2019      2020

erfolgreich arbeiten, und sich andererseits auf die • Wie können wir das gekaufte Unternehmen in
erfolgreiche Integration und Kommunikation der Pro­         unserer Struktur bringen, ohne sie mit unseren
zesse fokussieren kann, die entweder zwingend not-          Prozessen zu ersticken?
wendig sind oder einen echten Mehrwert bieten.
                                                          • Was zeichnet das gekaufte Unternehmen aus?
Genau hier beginnt der wirklich schwierige Teil. HR soll-
te – neben der Frage der Retention von Key-Mitarbeitern • Welche unserer Prozesse sind wirklich zwingend
des Targets – frühzeitig prüfen:                            notwendig?

31. Jahrgang • M&A REVIEW 12/2020                                                                                                                                                                                                                                                                         399
REPORT • TRANSAKTION UND FINANZIERUNG

     Abb. 3 • Beispielhafter Entscheidungsbaum für flexible Anpassung der HR-Integrationsstrategie
               Quelle: Willis Towers Watson

                   Welche Merkmale machen aus HR-Sicht den Erfolg des zu kaufenden Unternehmens aus?
                    • Leadership          • Key talent                 • Operating Model          • Employee Engagement
                    • Governance          • Organisationsdesign        • Incentives und Rewards

                                                              Passen die eigenen Prozesse
                                                               zum Akquisistionsziel und
                                                              unserem Integrationsansatz?
                                                                                                   Ja
                                              Nein

                                                                                                       Unterstützen:
                         Können wir das ändern, ohne                                        • Wie können wir das fortführen
                          das Business zu gefährden?                                          und unterstützen?
                                                                                            • Muss das kaufende Unternehmen
                                                         Ja                                   sich verändern?
                          Nein
                 • Red flag report
                                                     Im Integrationsplan
                 • Integrationsplan
                                                     berücksichtigen
                   überprüfen

     3. Prüfschema statt Blaupause                                         Das Ergebnis dieses Entscheidungsprozesses liefert
                                                                           klare Antworten für das zu kaufende Unternehmen:
     Statt einer bei vielen Serial Acquirers vorhandenen
     Blaupause für die volle Integration unhinterfragt Schritt             • Was sind die endscheidenden Gemeinsamkeiten,
     für Schritt zu folgen, sollten Käufer gezielt entscheiden,              was die kritischen Unterschiede zwischen Käufer
     in welche Policies, Governance-Prozesse und Programme                   und der potenziellen Akquisition?
     das potenziell zu kaufende Unternehmen integriert
     werden soll beziehungsweise in welchem Umfang die-                    • Wie entscheidend sind diese für den Kauf und was
     se ausgerollt werden können. Erfahrene Serial Acquirers                 sind die Kosten und die Möglichkeiten für eine
     haben daher neue Prozesse entwickelt, um das rich­                      Veränderung beziehungsweise Harmonisierung?
     tige Verhältnis zwischen Integration und Unabhängig­
     keit zu gewährleisten. Dabei stellen sich Fragen wie:                 • Was heißt das für die Integration? Jetzt, später,
     Wieviel operative Unabhängigkeit soll das gekaufte                      teilweise, nie?
     Unternehmen behalten und für wie lange? Die Ein­
     führung welcher Prozesse ist zwingend? Hier sind viele                Und wie ist das im Integrationsplan zu berücksichtigen?
     gute Kompromisslösungen denkbar. Zum Beispiel                         Um einen solchen Prozess zu steuern, bedarf es sowohl
     könnte das gekaufte Unternehmen im Bereich der                        eines starken HR-Leads als Teil des Deal-Teams, der die
     Vergütung grundsätzlich die Freiheit behalten, die                    Strategie hinter der geplanten Transaktion kennt, als
     Bewertung und Vergütung der Mitarbeiter unterhalb                     auch einer Due Diligence, die mehr liefert als „nur“
     des Executive-Levels selbst zu bestimmen, muss dabei                  finanzielle Fakten und rechtliche Bewertungen. Nur
     aber den beim Käufer geltenden Compliance-Regeln                      so lässt sich sicherstellen, dass der Deal nicht nur ab-
     zwingend folgen.                                                      geschlossen wird, sondern auch zum gewünschten
                                                                           Erfolg führt.
     Zielführend ist es, sich vor den ersten Schritten darüber
     klar zu werden, dass es für die in großen Unternehmen
                                                                           4. Benefits und bAV: kaufpreisrelevant und
     gültigen Prozesse immer gute Gründe gibt und dass je-
                                                                              fachlich komplex
     der Bereich darauf pochen könnte, dass seine Prozesse
     zwingend sind. Serial Acquirers prüfen deswegen auf                   Während Fragen der Unternehmenskultur insbesonde-
     Basis der Informationen, die sie in der Due Diligence zu-             re im Integrationsprozess zum Tragen kommen, spielen
     sammengetragen haben, zum Beispiel für HR-Themen                      Pensionen und die betriebliche Altersversorgung (bAV)
     die in Abbildung 3 skizzierten Fragen.                                schon bei der Kaufpreisdefinition eine Rolle. Zwar geht

     400                                                                                                M&A REVIEW 12/2020 • 31. Jahrgang
TRANSAKTION UND FINANZIERUNG • REPORT

es bei Unternehmenstransaktionen in erster Linie nicht                                 von Defined-Benefit-Zusagen zugrunde zu legen ist,
um die bAV, sondern um die Verfolgung und Umset­                                       gesellt sich dazu noch ein weiterer Trend bei M&A-
zung unternehmensstrategischer Zielsetzungen. Den­                                     Transaktionen: Immer häufiger wird über Möglichkeiten
noch kann die bestehende bAV dabei zu einem sehr                                       der Reduktion der zu übernehmenden Defined Benefit
relevanten Thema, im schlimmsten Fall sogar zu einem                                   Verpflichtungen im Vorfeld oder im Zusammenhang
Deal-Breaker werden. Der Grund dafür sind ihr oftmals                                  mit der Transaktion nachgedacht, beispielsweise durch
hoher materieller Wert und die damit verbundenen                                       Aus­gliederungen oder Abspaltungen von Verpflich­
Risiken. Gerade die bAV ist in Deutschland häufig kom-                                 tungen gegenüber ehemaligen Mitarbeitern und Rent­
plex, so dass es ausgewiesener Spezialisten bedarf, um                                 nern, die in der Umsetzung eine Reihe von rechtlichen
all ihre personalpolitischen, arbeits- und steuerrecht­                                und wirtschaftlichen Implikationen nach sich ziehen.
lichen, bilanziellen und ökonomischen Komponenten
zutreffend zu erfassen und zu bewerten. Während
                                                                                       5. bAV-Integration schafft Mehrwert
früher fast ausschließlich Private-Equity-Unternehmen
daraus resultierende Risiken analysierten und gegebe-                                  Doch der Erfolgsfaktor Due Diligence geht bei der bAV
nenfalls transferierten, gilt dies mittlerweile auch für                               noch weit über Risiken und (versteckte) Kosten hinaus.
Corporate Transactions.                                                                Für den Erwerber stellt sich auch die Frage, wie die
                                                                                       Versorgungslandschaft des Veräußerers in Bezug auf
Für den Veräußerer geht es in Bezug auf die bAV bei                                    Durchführungswege, Ausgestaltung und Finanzierung
einem Deal darum, dass diese hinsichtlich Komplexität                                  zu seiner Philosophie und Strategie passt und sich dort
und innewohnender Risiken auf potenzielle Erwerber                                     einfügen lässt. Für die Post-Merger-Integration lohnt es
nicht abschreckend wirkt und möglichst nicht zu ver-                                   sich, bereits während der Due Diligence eine Harmo­
meidbaren Kaufpreisreduktionen oder Garantie­erklä­                                    nisierung der übernommenen Versorgungszusagen
rungen im Kaufvertrag führt. Hierbei erweisen sich                                     mit der beim Erwerber bestehenden bAV-Landschaft
möglichst einfache Versorgungs- und Finanzierungs­                                     mitzudenken. Auf den ersten Blick könnte der Erwer­
systeme als hilfreich. Eine gute und vollständige Doku­                                ber zu der Einschätzung kommen, dass der Pensions­
mentation des bAV-Systems, eine möglichst vollstän­                                    plan ein Element ist, das zum Beispiel im Rahmen
dige Ausfinanzierung der Versorgungszusagen sowie                                      einer flexiblen Integration aus Komplexitätsgründen so
eine professionell aufgesetzte Administration erleich-                                 belassen werden sollte, wie er ist. In diesem Fall besteht
tern sowohl das bAV-Management im Unternehmen                                          jedoch das Risiko, in eine Situation zu geraten, aus der
selbst als auch die Übertragung auf einen Erwerber.                                    sich viele große Konzerne in Deutschland in den letzten
                                                                                       zehn bis zwanzig Jahren mühsam befreit haben, näm-
Umgekehrt geht es für den Erwerber darum, im Rahmen                                    lich eine heterogene Pensionslandschaft mit bis zu
der Due Diligence, die oftmals durch großen Zeitdruck                                  100 verschiedenen Pensionsplänen, deren Verwaltung
und eine unvollständige Informationslage geprägt ist,                                  irgendwann unmöglich wurde und die sich bei jedem
neben den in der Unternehmensbewertung zu berück-                                      Wechsel innerhalb des Konzerns weiter verkompli-
sichtigenden bAV-Cashflows auch deren Risikogehalt                                     ziert hat. Insbesondere für die Serial Acquirers erweist
zu ermitteln. Die bAV in Deutschland ist ein traditionel-                              sich daher die Etablierung von Standards und Prozessen
ler Benefit, die über Jahrzehnte durch leistungsorientier-                             rund um die Überleitung der bAV als sinnvoll.
te Pensionspläne (sog. Defined-Benefit-Pläne) geprägt
und zudem häufig kaum durch Pensionsvermögen aus-                                      Kurz: Während eine flexible Integration gerade im
finanziert war. Zwar hat der deutsche Markt inzwischen                                 Hinblick auf verschiedene erwünschte Unterneh­mens­
einen Schwenk zu beitragsorientierten und ausfinan-                                    kulturen zum Erfolg eines Deals beitragen kann, schafft
zierten Pensionsplänen für Neuzusagen vollzogen, wie                                   im Hinblick auf Pensionspläne oftmals gerade die
der Deutsche bAV-Index von Willis Towers Watson                                        Harmonisierung einen deutlichen Mehrwert. Die
zeigt,2 jedoch sind reine Beitragszusagen (sog. Defined-                               Feh­ler der Vergangenheit zu wiederholen oder eine
Contribution-Pläne) nur im Rahmen des 2018 durch das                                   bAV-Integration auf später oder nie zu verschieben, ist
Betriebsrentenstärkungsgesetz eingeführten Sozial­                                     hingegen nicht ratsam.
partner­modells möglich und bisher kaum existent. Auch
sind viele bestehende Systeme für Bestandsmitarbeiter                                  Benefits sind zwar ein Teil des Vergütungspakets, trotz-
nicht überführt worden. Um die Fallstricke solcher ver-                                dem sollte die Frage, ob man Pensionen und Benefits
mischter Pensionslandschaften zu erkennen und (ggf.                                    ändern kann, ohne das Business zu gefährden, geson-
versicherungsmathematisch) zu bewerten oder quali­                                     dert von der Barvergütung betrachtet werden. Die
fiziert abzuschätzen, bedarf es entsprechender Fach­                                   Barvergütung, insbesondere die variablen Bestandteile,
expertise. Getrieben durch die Volatilität der Märkte in                               sollen in der Regel ein Handeln im Rahmen der Unter­
Bezug auf den Rechnungszins, der bei der Bewertung                                     nehmensziele und Kultur belohnen. Klassische Benefits
                                                                                       wie Pension und Risikoabsicherung sowie Kranken­
2 Willis Towers Watson: Deutscher bAV-Index: Status quo und Trends im deutschen bAV-   versicherung hingegen sollen die Mitarbeiter schützen
   Markt. 2018. www.willistowerswatson.com/de-DE/Insights/2018/03/Deutscher-bAV-
   Index-2018.                                                                         und unterstützen, damit sie sich auf die Verwirklichung

31. Jahrgang • M&A REVIEW 12/2020                                                                                                           401
REPORT • TRANSAKTION UND FINANZIERUNG

     der Unternehmensziele konzentrieren können. Des­          experten im Bereich bAV und Benefits engagiert. Zudem
     wegen kann die Harmonisierung von Pensionsplänen          wurde in 32% dieser Fälle auch das Projektmanage­
     und Benefits ein erfolgreicher erster Schritt hin zu einerment zumindest teilweise ausgelagert. In den Fällen, in
     schrittweisen Integration sein. Sie steht der Idee einer  denen externe Fachexperten im Bereich bAV und
     flexiblen Integration keinesfalls entgegen.               Benefits involviert waren, kam es fast nie (nur in 5%
                                                               der Fälle) zu Diskrepanzen zwischen den Erwartungen
     Tatsächlich hat sich die Integration der bAV inzwischen und der Realität. Insgesamt waren alle befragten
     als Standard etabliert, wie eine Studie von Willis Towers Unternehmen zufrieden mit der Arbeit der externen
     Watson zeigt.3 So wurden bei 79% der hierfür befrag- Fachexperten.
     ten Unternehmen die bAV beziehungsweise Benefits
     zumindest teilweise integriert (bei 41% vollständig). Die Die Studienergebnisse zeigen, dass den kurzfristigen
     Post-Merger Integration lief bei der einen Hälfte der Kos­tenersparnissen durch den Einsatz von eigenen, in
     Unternehmen (52%) ohne Probleme ab, war jedoch die­ser Phase häufig ohnehin stark belasteten Ressour­
     bei der anderen Hälfte (45%) komplexer als gedacht. cen oft genug signifikante Mehrkosten durch verkann-
     Wurde der bAV beziehungsweise den Benefits in der te Risiken und Kosten der Benefits gegenüberstehen.
     Due Diligence eine mindestens mittlere Priorität beige- Im Gegensatz dazu konnten solche Mehrkosten durch
     messen, fand auch häufiger eine Post-Merger-Inte­ den Einsatz externer Fachexperten in der Regel gemin-
     gration statt (81% statt 60%). In diesen Fällen fiel die dert werden.
     Zufriedenheit der Belegschaft (sowohl Stammbeleg­
     schaft als auch übernommene Arbeitnehmer) durch- Die Ergebnisse der Studie bestätigen auch die langjäh-
     schnittlich höher aus (66% gegenüber 40%).                rige Beratungserfahrung von Willis Towers Watson:
                                                               Wird die Due Diligence für die bAV und Benefits nicht
                                                               nur auf die reinen Kostenpunkte eingeschränkt, son-
     6. Hohe Priorität von bAV bei Due Diligence
                                                               dern die Benefits-Landschaft des Targets durch aus­
         führt zum Erfolg
                                                               gewiesene Experten vertieft analysiert, unterstützt dies
     Die Studie zeigte darüber hinaus, wie sich die Prio­ den Erfolg der Transaktion erheblich. Diese Analyse soll-
     risierung der bAV-Due-Diligence auf den Erfolg der te neben der Identifizierung von eventuellen Risiken
     Transaktion auswirkt. Die bAV-Due-Diligence genoss und Handlungspunkten für die „Day1-Readyness“ im
     bei 76% der Unternehmen zumindest eine mittlere Idealfall auch eine Planung der Post-Merger-Integration
     Priorität (bei 42% sogar hohe Priorität). Diese Unter­ der Benefits einschließen. Damit können (kostspielige)
     nehmen erlebten in 87% der Fälle auch nach dem Überraschungen verhindert werden, und die Zufrie­
     Voll­zug keine Überraschungen in Bezug auf bAV und denheit der Mitarbeiter im Hinblick auf den Integra­
     Benefits. Hier dürften neben der reinen Kosten­ tions­p rozess ist anschließend größer. Mit diesen
     betrachtung zusätzliche Risikoanalysen und teilweise Informationen erhält der HR Lead die notwendige Basis
     auch Integrations- beziehungsweise Harmonisie­rungs­ für die Entscheidungen hinsichtlich eines flexiblen
     planungen Teil der Due Diligence gewesen sein.            Integrationsprozesses. 

     Wurde hingegen die Due Diligence nur mit niedriger
     Priorität durchgeführt (immerhin bei 22% der befrag-
     ten Unternehmen), kam es erheblich häufiger (in 43%
     der Fälle) zu signifikanten Diskrepanzen zwischen den
     durch die Due Diligence gesetzten Erwartungen und
     der Realität. Die auftretenden Diskrepanzen bezogen
     sich dabei unter anderem auf eine höhere Komplexität
     und/oder den Umfang der bAV beziehungsweise
     Benefits und damit eng verbunden stets höhere Kosten.
                                                                                             Martin Theo Carbon ist seit 2009 bei Willis Towers Watson Deutschland. Er leitete
                                                                                                zunächst einen Fachbereich, später eine Line of Business. Vor fünf Jahren ist er ins
                                                                                                Client Management gewechselt, betreut einige der größten Kunden von Willis‚
     7. Einbeziehung von bAV-Experten sorgt für                                                 Towers Watson und koordiniert die M&A Aktivitäten in Österreich und Deutschland.
                                                                                                Weiterhin zeichnet er für die I&D Aktivitäten in der DACH-Region verantwortlich.
        Durchblick                                                                              martin.carbon@willistowerswatson.com
                                                                                             Sibylle Kampschulte ist seit mehr als 20 Jahren bei Willis Towers Watson. Sie unter-
                                                                                                stützt Kunden in der Koordination von HR-Themen globaler/multinationaler M&A-
     Auch der Mehrwert der Einbeziehung externer                                                Aktivitäten in allen Stadien der Transaktion, einschließlich der Vorbereitung von Spin-
     Fachexpertise wurde in der Studie beleuchtet. Sofern                                       offs, sowohl vom Wiener Büro aus als auch vor Ort. Besondere Expertise hat sie im
                                                                                                Bereich von Employee Benefits. sibylle.kampschulte@willistowerswatson.com
     die Due Diligence mindestens mittlere Priorität hatte,                                  Thomas Kruse ist seit 2008 bei Willis Towers Watson Deutschland. Er leitet seit vielen
                                                                                                Jahren M&A-Due-Diligence-Projekte im Bereich bAV und Benefits und daraus folgen-
     wurden in 73% der Fälle zusätzliche externe Fach­                                          de Integrationsprojekte für Serial Acquirer. Durch eine Vielzahl von Gestaltungs­pro­
                                                                                                jek­ten für nationale und internationale Konzerne ist er außerdem ein ausgewiesener
                                                                                                Kenner der deutschen Pensionslandschaft. thomas.kruse@willistowerswatson.com
     3 Willis Towers Watson: bAV bei M&A: Erfolgsfaktor Due Diligence. 2020. www.willisto-
       werswatson.com/de-DE/Insights/2020/07/bav-bei-m-und-a-erfolgsfaktor-due-diligence

     402                                                                                                                                M&A REVIEW 12/2020 • 31. Jahrgang
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