Über die Sonnen- und Schattenseiten bei Großprojekten
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Report Teil 2: Online-Fachtagung „Strukturmigration mittels komplexer Intervention“ von IGiB StimMT Über die Sonnen- und Schattenseiten bei Großprojekten Bei der Online-Fachtagung „Strukturmigration mittels komplexer Intervention“ von IGiB StimMT, die Ende letzten Jahres stattfand, wurden in drei Workshops zum einen die „Ökonomische Dimensionen der Ambulantisierung“ (Teil 1, MVF 06/20), zum anderen die „Evaluation komplexer Interventionen“ (wird in MVF 02/21 publiziert) und zum Dritten die „Sonnen- und Schattenseiten bei der Führung von Großprojekten des Innovationsfonds“ thematisiert. Diesem Thema widmet sich dieser Teil der Berichts-Triologie. >> „Das Templiner Projekt ist ein sehr leb- auch ehrlicherweise eigene Problemfelder, lich alle großen Innovationsfondsprojekte haftes Projekt.“ Mit diesen Worten begann so zum Beispiel den Wechsel der Gesamt- gleichermaßen betrifft: die langwierige und MUDr./CS Peter Noack, der Vorstandsvorsit- projektleitung (von Helming auf den heu- überhaupt nicht triviale Teambildung in zende der Kassenärztlichen Vereinigung Bran- tigen IGiB-StimMT-Geschäftsführer Lutz O. derartigen Großprojekten. Das Ganze oben- denburg seinen durchaus sehr persönlichen Freiberg und ihn), die durchaus (und gewiss drein garniert durch externe Problemfelder, Rückblick auf die letzten knapp vier Jahre, nicht verwunderlich) diversen Interessen- vor allen Dingen die rasante Entwicklungen in denen er mitverantwortlich war für das lagen im Konsortium und das, was eigent- der Digitalisierung sowie auf der Bundes- Innovationsfondsprojekt „Strukturmigration im Mittelbereich Templin, kurz IGiB-StimMT. In diesen annähernd vier Jahren, in denen Struktur des Innovationsfondsprojekts Noack die Verantwortung für die Führung Strukturmigration im Mittelbereich Templin (IGiB-StimMT) der KV Brandenburg (und damit auch des Großprojekts) von seinem Vorgänger Dr. med. Hans-Joachim Helming übernommen hatte, wurden für dieses eine Innovati- onsfondsprojekt wöchentliche Jour Fixe des Führungskreises (Gesamtprojektleitung und Projektkoordination), eine 14-tägige Teilprojektleiterrunde (Projektkoordination und Teilprojektleiter) sowie viele Sitzungen des Lenkungsgremiums (KVBB/BARMER/ AOK Nordost/Sana/AGENON – davon meh- rere inklusive hochrangigen Vertretern des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, In- tegration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, kurz MSGIV) durchgeführt. Darauf rückblickend – so Noack – „habe ich versucht, aus diesem Leben ein paar Schlüs- se zu ziehen und Informationen darüber zu orientiert und regionalspezifisch auf die veränder- geben, wo in diesem Projekt die Sonnen- Die Region ten Bedingungen des demografischen Wandels auf oder Schattenseiten zu finden waren“. Die Stadt Templin mit rund 16.000 Einwohnern den Weg zu bringen. Dazu entstand am Standort liegt im Norden des Bundeslandes Brandenburg des heutigen Krankenhauses Templin ein Ambu- und gehört zum Landkreis Uckermark. Im Mittel- lant Stationäres Zentrum (ASZ) Templin, begleitet Noack: „Sehr erfolgreich bereich Templin lebten im Jahr 2015 ungefähr von einem Um- und Neubau. Im ASZ werden zu- ans Netz gebracht“ 27.000 Einwohner (2015, Amt für Statistik Berlin- künftig die stationären und ambulanten Versor- Brandenburg). Hierzu gehören die Städte Templin, gungskapazitäten den Bedarfen angepasst sowie Lychen, die Gemeinde Boitzenburger Land und das fach- und einrichtungsübergreifend miteinander Derlei Schattenseiten gab es viele. Amt Gerswalde. verzahnt. Mit den niedergelassenen Ärzten und Doch gab es dazwischen im Laufe der Zeit Psychotherapeuten – insbesondere aus dem Arzt- auch etwas Sonne. Zu den Schattenseiten Über IGiB-StimMT netz – sowie Therapeuten, Hebammen und Pfle- zählte Noack als erstes die Probleme, die Das Projektvorhaben Strukturmigration im Mit- geunternehmen besteht ein fachlicher und kolle- telbereich Templin, kurz StimMT, ist ein Projekt gialer Austausch. Die Angebote des ASZ ergänzen durch die Förderstruktur und eine damit der IGiB GbR (AOK Nordost, BARMER, KV Branden- das Angebot der niedergelassenen Arztpraxen und einhergehende hohe Bürokratielast aufka- burg) und der Sana Kliniken Berlin-Brandenburg bringen die stationäre Versorgung des bisherigen men, wie etwa den verspäteten Projektstart GmbH. Zur Umsetzung des Projektes wurde die Krankenhauses Templin sowie die pflegerische und durch eine verspätete Auszahlung der För- IGiB-StimMT gGmbH gegründet. Die IGiB-StimMT therapeutische Versorgung mit ein. gGmbH und die weiteren Konsortialpartner (Sa- Das Koordinierungs- und Beratungszentrums mit dergelder, die lange Bearbeitungszeit von na Kliniken Berlin-Brandenburg GmbH, AOK Nord- individueller Beratung und Unterstützung von Pa- Änderungsanträgen und Genehmigungen ost, BARMER, KV Brandenburg sowie die KV COMM tienten, Angehörige und Ärzten begleitet diesen durch den Projektträger DLR sowie die vie- GmbH, AGENON GmbH und inav GmbH) hatten Prozess. Von 2017 bis Ende 2020 wurde das Pro- len durch diesen geforderten Zwischenbe- zum Ziel, die regionalen Versorgungsstrukturen jekt IGiB StimMT aus dem Innovationsfonds des und -prozesse im Mittelbereich Templin bedarfs- Bundes gefördert. richte und Statusmeldungen. Er nannte aber 14 Monitor Versorgungsforschung 01/2021
Report ebene inklusive der entsprechenden Gesetz- gleich den zur Umsetzung derartiger Pro- Projekten, dass das am Ende dazu führt, dass gebungsverfahren, die zur elektronischen jekte bestehende Rechtsrahmen, die nicht die Zeit knapp wird.“ Dies betreffe vor allem (seit Januar dieses Jahres endlich gestar- nur den Innovationsgeist, sondern auch die Einschreibezahlen, die man benötige, teten) Patientenakte geführt haben. All die mögliche Überführung in die Regelver- um zu den prognostizierten Ergebnissen zu das hat das eigene Teilprojekt mit dem ge- sorgung einschränke. Denn, so Matthesius: kommen. Diese wären in der veranschlag- planten Aufbau einer eigenen IT-Plattform „Innovation muss nicht immer bedeuten, ten Projektzeit grundsätzlich möglich, aber und einem dazu gehörenden Clinical Data wir machen etwas komplett neu, sondern nicht in einer verkürzten. Gleiches gelte für Repository nicht nur weit überholt, sondern auch Bestehendes anders“. Innovativ kön- die Zeit der tatsächlichen Intervention. Laut auch unnötig gemacht. ne es auch sein, „dass man Sachen, die es Matthesius gäbe es bei einzelnen Projekten Doch trotz all dieser Problemfelder und schon gibt, neu kombiniert und neu auf- zwar die Möglichkeit, die Projektlaufzeit zu Schwierigkeiten ist das Projekt nach Noacks stellt und miteinander verzahnt“, wie es verlängern, doch sei die Förderdauer insge- Sicht „sehr erfolgreich ans Netz gebracht“ eben gerade beim Projekt der Strukturmi- samt reglementiert. Insbesondere bei Pro- worden, sprich aktiv als Koordinierungs- gration in Templin der Fall sei. jekten, bei denen Strukturen verändert wer- und Beratungszentrum mit einer für Erschwerend komme jedoch hinzu, dass den müssen, sei es mittlerweile offenkundig, Deutschland ganz neuen Struktur, die durch die Definition der Regelversorgung und dass diese Zeit zu kurz getaktet sei, um zum ein auf Patienten und deren Bedarfe aus- deren Abgrenzung keinesfalls klar sei. gewünschten Ziel zu kommen; insbesondere gerichtetes Ambulant-Stationäres Zentrum Matthesius: „Das ist etwas, das wir lernen dann, wenn – wie beim Projekt der Struk- gebildet wird. Noack: „Das Zentrum ist von mussten: Es ist alles andere als einfach, turmigration Templin – es sich nicht nur um Patienten sehr gut angenommen worden.“ vielversprechende oder auch gut funktio- eine komplexe Intervention handele, son- Das habe dazu beigetragen, dieses Projekt nierende Projektbestandteile umzusetzen, dern auch um eine, die „an die Grenzen der in der Öffentlichkeit positiv darstellen zu einfach weil es Beschränkungen hinsicht- manifestierten sektorierten Welt“ komme. können; doch ausschlaggebend sei der Fakt lich der Förderfähigkeit gibt, die es schier Einer dieser Grenzpfeiler ist die „sektorüber- gewesen, dass damit „eine neue Struktur unmöglich machen, einzelne Komponenten, greifende Vergütung“, die laut Matthesius aufgebaut wurde, die der Bevölkerung wirk- die sinnvoll und auch umsetzbar wären, in in einigen der Innovationsfondsprojekte, lich von Nutzen ist“. die Praxis zu überführen.“ an der seine Kasse beteiligt sei, eine große Doch gleichermaßen auch für die ambu- Matthesius sprach in seinem Vortrag aber Rolle spiele. Doch gebe es hier „noch keine lant tätigen Ärzte vor Ort, die „sich neu zu- auch ein ganz grundlegendes, in vielen der- Lösungen, derer es aber bedarf“. sammengefunden“, unter anderem ein Ärzte- artiger Projekte zutage tretendes Problem- Als weitere Großbaustelle nannte der netz gegründet und „sehr aktiv an dem Pro- feld an: Generell sei von vorneherein die BARMER-Manager das Thema der Finanzie- jekt mitgearbeitet“ hätten. Aber eben nicht Anlaufzeit unterschätzt worden. Das ist rung, nicht nur im Verlauf eines Projekts, wie früher jeder für sich allein, sondern in etwas, was der BARMER-Manager gut beur- sondern ganz speziell im Anschluss an ein eine neue Struktur eingebunden, die Kon- teilen kann: Immerhin ist seine Kasse an Projekt. Hier gebe es drei Lücken. Die erste takte zu den stationär tätigen Kollegen insgesamt 83 Innovationsfondsprojekten be- entstehe schon in dem Moment, an dem im nicht nur vorsieht, sondern tatsächlich auch teiligt, davon 49 Projekte, die den Neuen Rahmen eines Projektes die fondsseitige Fi- strukturiert bietet. Noack: „So sind wir gu- Versorgungsformen zuzurechnen sind, ergänzt nanzierung des Einschlusses der Versicher- ter Hoffnung, dass sich unser Ambulant-Sta- durch 34 Projekte im Bereich der Versor- ten in die entsprechenden Prozesse endet. tionäres Zentrum in der ärztlichen Versor- gungsforschung. Dass ein Projekt aufgrund Ab diesem – oft recht frühen – Zeitpunkt, gung, die dann in ärztlicher Hand ist, verste- oft verspätet eintreffender Förderzusagen könne dieser Part „im Prinzip über Fondsgeld tigen wird und sehr zukunftssicher gestaltet später als geplant starten könne, sei nicht nicht mehr gefördert“ werden. Die zweite Lü- ist.“ Immerhin sind über das Projekt aktuell das Schlimme. Problematisch sei jedoch, cke schließt sich Matthesius Worten zufolge 10.439 Patienten aufgeklärt, was nicht nur dass der Förderer damit nicht gleichzeitig die gleich nach Beendigung des Projektes an. Zu circa 40 Prozent der Einwohner des Mittel- Förderzeit verlängere. „Wir sehen bei vielen diesem Zeitpunkt sei zwar das Projekt offi- bereiches Templin entspricht, sondern auch rund 80 Prozent der tatsächlich zu behan- delnden Population (12.998 Personen). Frage der Zwischenfinanzierung Matthesius: „Der Rechtsrahmen schränkt den Innovationsgeist ein“ Auch Dr. Gregor Matthesius, der für den Konsortialpartner BARMER zuständige und im Projekt stark involvierte Leiter Verträge der zuständigen Landesvertretung Berlin/ Brandenburg, wusste von allerlei Schatten- seiten zu berichten. Er nannte hier ähnlich wie Noack einen „enormen administrativen Aufwand bei der Kommunikation mit dem Förderer, was unter anderem zu zeitlichen Abb. 1: Frage einer Zwischenfinanzierung. Aus Vortrag: Matthesius, gehalten anlässlich der Online-Fach- Verzögerungen führen würde. Doch dann tagung „Strukturmigration mittels komplexer Intervention“ der IGiB StimMT gGmbH. 16 Monitor Versorgungsforschung 01/2021
Report ziell abgeschlossen, doch laufe ab hier die „Das ist dann eben die neue Regelversor- 2017 in Billstedt/Horn und Nijkerk in den Evaluation, die dann auch noch beim För- gung, wobei es keine Möglichkeit mehr Niederlanden, seit 2019 im Werra-Meiß- dermittelgeber eingereicht werden müsse. gibt, sie abzuwählen.“ Diese neue Regel- ner-Kreis und im britischen Hampshire so- Die dritte Lücke schließe sich an, wenn die versorgung müsse ebenso für alle Versi- wie ab 2020 im Schwalm-Eder-Kreis), wes- Evaluation vorliegt, aber die vom Innovati- cherten der GKV oder allen Patienten in halb er auch zur IGiB-Veranstaltung geladen onsausschuss zu treffende Entscheidung, ob einer Region zugänglich sein, was sich war. In seinem Vortrag „Gegen den Strom: das Projekt in die Regelversorgung überführt mit selektivvertraglichen Lösungen kaum Nutzung des Innovationsfonds zur Transfor- wird oder nicht, andauert. Dieser Zeitablauf mehr abbilden lasse, weil dies zu einer enor- mation des Gesundheitswesens“ betonte er, sei bei der Konstruktion und der Implemen- men Mehrbelastung führen würde. dass der Innovationsfonds nicht auf Inno- tierung des Innovationsfonds nicht beach- vation (im Schumpeterschen Sinne) ziele, tet worden, spiele aber in der Praxis bei all Hildebrandt: „Ist das Verfahren, das sondern „auf eine komplementäre Ergän- ihm bekannten Projekten eine große Rolle. mit dem Innovationsfonds gewählt zung zur klassischen Regelversorgung“. Dies Daher lautete seine Forderung, dass der hier wurde, das richtige Verfahren?“ sei auch den im deutschen Gesundheitswe- sichtbar werdende grundlegende Konstruk- sen seit Jahren herausgebildeten und ver- tionsfehler, insbesondere beim Thema der Das weiß niemand besser als Dr. h.c. Hel- festigten Strukturen und – so Hildebrandt Zwischenfinanzierung, angegangen werden mut Hildebrandt. Der Vorstands vorsitzende – „Pfadabhängigkeiten, wie ein Wirtschafts- müsse. der OptiMedis AG sieht Innovation im wissenschaftler sagen würde“, geschuldet. Auch sei die Frage der Überführung in Schumpeterschen* Sinne nicht nur als Da dadurch jedoch das Gesundheitswesen die Regelversorgung zu lösen; ganz be- etwas revolutionär Neues, sondern auch „als „sehr stark, aber auch sehr behäbig“ sei, sonders dann, wenn „es keine Möglichkeit ein Stück Zerstörung bestehender, oft nicht wäre die Frage, ob „das Verfahren, das mit mehr gibt, die Regelversorgung alter Art effizienter Strukturen“, die durch neue dem Innovationsfonds gewählt wurde, das und die neue Versor- erfolgreichere Produktionsfunktionen ersetzt richtige Verfahren ist, um zu wirklichen In- * Joseph Alois gung nebeneinander werden, die besser in der Lage seien, den ge- novationen zu kommen?“ Schumpeter zu führen“, weil durch sellschaftlichen Anforderungen zu genügen. Darum sei es überhaupt nicht verwun- ein Projekt die Versor- Hildebrandt hat zwar mit der Templi- derlich, dass meist genau die Projekte vom (*8. Februar 1883, † 8. Ja- nuar 1950) war ein österrei- gungsstruktur derart ner Strukturmigration an sich nichts zu Innovationsfonds gefördert würden, die der chischer Nationalökonom und verändert worden sei, tun, steuert und implementiert aber mit klassischen Regelversorgung ein kleines Politiker. Er gilt als einer der dass es im Prinzip nur seinem Unternehmen diverse größere, Add-on aufsetzen, um so eine gewisse Op- herausragenden Ökonomen noch die neue Versor- zum Teil auch ähnlich geartete innova- timierung und Verbesserung zu erzeugen. des 20. Jahrhunderts. gung gibt. Matthesius: tive Projekte (seit 2005 im Kinzigtal, seit Das aber widerspreche dem politischen Vertragsbeziehungen für „Innovative Gesundheitsregionen“ Abb. 2: Vertragsbeziehungen für „Innovative Gesundheitsregionen“. Aus Vortrag: Hildebrandt, gehalten anlässlich der Online-Fachtagung „Strukturmigration mittels komplexer Intervention“ der IGiB StimMT gGmbH. 18 Monitor Versorgungsforschung 01/2021
Report Zitationshinweis Stegmaier, P.: „Über die Sonnen- und Schattenseiten bei Großpro- jekten‘“, in „Monitor Versorgungsforschung“ (01/21), S. 14-19; doi: http://doi.org/10.24945/MVF.01.21.1866-0533.2271 Auftrag des G-BA, der selbst auf seiner Aus all diesen Punkten, besonders durch schoben werden musste, sondern auf „das Webseite darstellen würde, dass es beim ihr Zusammenspiel, folgerte er, dass wirk- Projekt vor dem Großprojekt“. Seine Aufzäh- Innovationsfonds darum geht, „über die liche Innovationen, die zum Teil auch erst lung der des von ihm dokumentierten Zeit- bisherige Regelversorgung hinausgehende im Konflikt und der Weiterentwicklung ge- aufwands vor Förderbeginn sollte so man- Projekte zu entwickeln, die zur Verbesse- genwärtiger Strukturen entwickelt werden chen nachdenklich werden lassen, der sich rung der bestehenden Versorgung geeignet könnten, notwendigerweise eher einem mit derartigen Großprojekten befassen will: sind“. Dies ende in der berühmten und viel- Suchprozess folgten und im Real-Life auch Alleine vor der Förderung seien laut Jäger fältig diskutierten Aussage, dass der beim mal Umwege fahren müssten, eben „fast nur bei ihm rund 1.230 „Personenstunden“, um- G-BA angesiedelte Innovationsausschuss über Umwege möglich“ seien. gerechnet 154 „Personentage“ angefallen: bei der Förderung Neuer Versorgungs- Genau darum geht der OptiMedis-Grün- • Erste Gespräche Ende 2016 (Einreichung formen nach Abschluss der geförderten der bei einigen seiner Projekte einen Son- am 19.03.2018) Vorhaben einen Beschluss mit Empfeh- derweg. „Das ist nicht ganz einfach, aber • Förderbeginn zum 01.07.2019 (Verschie- lungen zur Überführung in die Regelver- es gibt sie“, erklärte Hildebrandt und ver- bung auf 01.10.2019) sorgung fassen würde. Hildebrandts rheto- wies dabei auf ein Projekt in Nordhessen • Begleitung der Konzeptionierung und An- rische Frage: „Was machen wir denn, wenn namens „Gesunder Werra-Meißner-Kreis“. tragstellung durch AGENON und JGM die sektoral getrennte Regelversorgung Dieses Projekt wird explizit nicht über den • 12 Arbeitsgruppensitzungen mit je 8-10 das eigentliche Problem ist?“ Und weiter: Innovationsfonds finanziert, sondern über Teilnehmern zu je 3-4 Stunden „Reichen die Bedingungen und Strukturen Banken und stille Gesellschafter organi- • Diverse Unterarbeitsgruppensitzungen und des Innovationsfonds dafür aus? Oder die siert. Das sind meist regional ansässige Un- Telkos des ganz normalen Lebens? Hildebrandt: ternehmen, die ein positives Interesse an • 6 Lenkungsgremiumssitzungen mit je 12- „Reales Leben ist sperrig, ist widerspen- der Gesundheit der Mitarbeiter und deren 14 Teilnehmern zu je 2-3 Stunden stig. Das zeigt sich gerade darin, dass das, Familien haben. Ergänzend dazu gebe es die was heute gedacht wird, in drei Jahren Möglichkeiten einer Impact-Finanzierung, „Das macht ungefähr den Arbeitsauf- eventuell schon gar nicht mehr hundert- ergänzend aber auch Sozialinvestitionen wand eines Dreivierteljahrs einer Vollzeit- prozentig richtig ist.“ und Wandelanleihen. stelle aus, den man benötigt, um eine Kon- Wenn man all das zusammennehme, „Wenn wir aus der Forschungsdenke zeptidee antragsreif in die Strukturen des erkenne man, dass nicht nur die Entschei- hinaus in eine Finanzierungsdenke gehen“, Innovationsfonds zu bringen“, rechnete dungsstruktur ein Problem sei, sondern berichtete Hildebrandt aus eigener Erfah- Jäger vor. Dann aber geht es erst los. Um auch, dass die Vertreter der heutigen Sek- rung, „dann riskieren wir zwar etwas, weil Großprojekte managebar zu halten, plä- toren mit über die Projektanträge entschei- wir für unser Tun auch haften müssen, doch dierte er dafür, dass nicht mehr als sieben den. Damit bleibe ein Projektantrag, der können solche Modelle eine gute und auch bis neun Partner in ein Projekt aufgenom- sektorenübergreifend denkt und etwas in notwendige Lösung sein, um zu einem In- men werden. Das ist ungefähr die Zahl der der Gefahrenzone entwickelt, das die Inte- vestment in die Versorgungstransformation Hauptakteure, die bei IdA und bei IGiB- ressen der jeweiligen Sektorenvertreter tan- und Nachhaltigkeit zu kommen“. StimMT aktiv sind, doch – so Jäger – „viel giert, „gar nicht ankommen kann“. Anders mehr sollten es nicht werden“. Generell sei gesagt: „Die Entscheidungsträger müssten Jäger: „Das Projekt vor eine klar kommunizierte Aufgaben- und Rol- über ihren eigenen Schatten und ihre ei- dem Großprojekt“ lenverteilung im Management das A und O genen Interessen hinweg das Gemeinwohl – „jeder muss wissen, was er zu tun hat“. nach vorne stellen, und das ist eine sehr Ähnliche Erfahrungen macht auch Dr. Dies müsse dann nachgehalten, terminiert hohe Anforderung.“ Carsten Jäger, der Gründer und Geschäfts- und protokolliert werden, damit alle Detail- Als Problemfelder bezüglich der Umset- führer der Jäger Gesundheitsmanagement schritte und Entscheidungen nachvollzieh- zungsprojekte bezeichnete Hildebrandt zu- GmbH (JGM), der ebenfalls zum IGiB-StimMT- bar sind. „Dann kann auch ein Großprojekt sammenfassend folgende Punkte: Workshop geladen war. Er berichtete in funktionieren“, sagte Jäger, der aber auch • Entscheidungsstruktur: Die Vertreter der seinem Impulsreferat über das „Projektma- weiß, dass man dazu neben einer hohen Sektoren entscheiden mit über die Pro- nagement im Innovationsfondsprojekt IdA“ Frustrationstoleranz „auch ein gewisses jektanträge (Interdisziplinäre demenzsensible Akut- Vertrauen in die Kompetenzen der einzel- • Krankenkassen: Pflicht zur Beantragung versorgung – sektorübergreifend). nen Partner“ haben müsse, die im Laufe der mit mindestens einer Krankenkasse/Be- Im Fokus dieses vom Innovationsfonds Zusammenarbeit entstehen könne – „und teiligung weiterer Krankenkassen? geförderten Projekts stehen Menschen mit die wir in unserem Konsortium mittlerweile • Studienart/Forschungsmodell: Evaluiert akut behandlungsbedürftiger somatischer auch haben“. Sein Fazit lautete daher: „In- wird auf der Basis des Antragskonzepts Erkrankung und kognitiven Einschrän- novative Großprojekte im Gesundheitswe- • aufwändige Beantragungsverfahren bei kungen mit der Nebendiagnose Demenz. sen mit zwei bis drei oder auch vier Millio- Veränderungen Ziel ist die Optimierung der stationären Ver- nen Euro Jahresumsatz benötigen (wie ganz • Zu kurze Dauer: Evaluation als Vorausset- sorgung unter systematischer Vernetzung normale wirtschaftliche Unternehmen auch) zung der Beurteilung (d. h. Projektende mit der ambulanten Versorgung. Dabei ging klare Organisationsstrukturen und müssen vor Beurteilung) er gar nicht so sehr auf das Projekt selbst professionell gemanagt werden, um erfolg- • Überführung in Regelversorgung: Konflikt ein, und auch nicht auf die Mammutaufga- reich zu sein.“ Fortsetzung der Fehlanreize ab Mai 2020 coronabedingt zwingend ver- Peter Stegmaier Monitor Versorgungsforschung 01/2021 19
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