BERICHT DES CATHOLICA-BEAUFTRAGTEN - In der ökumenischen Leidenschaft für eine den Menschen dienende Kirche nicht nachlassen - VELKD
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
2. Tagung der 13. Generalsynode Drucksache Nr.: 10 / 2021 zu TOP 10 BERICHT DES CATHOLICA-BEAUFTRAGTEN In der ökumenischen Leidenschaft für eine den Menschen dienende Kirche nicht nachlassen
In der ökumenischen Leidenschaft für eine den Menschen dienende Kirche nicht nachlassen Bericht des Catholica-Beauftragten der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, Landesbischof Dr. Karl-Hinrich Manzke, Bückeburg, der 13. Generalsynode auf ihrer 2. Tagung in Bremen am 7. November 2021 vorgelegt Es gilt das gesprochene Wort. Der schaumburg-lippische Landesbischof Dr. Karl-Hinrich Manzke ist seit April 2014 2. Tagung der 13. Generalsynode der Catholica-Beauftragter der Vereinigten Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Evangelisch-Lutherischen Kirche Kirche Deutschlands, Bremen 2021 Deutschlands (VELKD). DS Nr.: 10/2021 zu TOP 10
1. Sich nachhaltig anrühren lassen vom Leiden der Menschen und die Erzählungen der Religionen für die Idee einer Menschheitsfamilie einbringen 1 2. „Gemeinschaft, Teilhabe, Mission“ – Die Reform der Kirche als synodaler Prozess 7 3. Auf dem gemeinsamen Weg die Gegenwart des Auferstanden spüren und ihn im Brotbrechen erkennen 12 4. Ökumenische Leidenschaft für eine den Menschen dienende Kirche wachhalten 16
1 BERICHT DES CATHOLICA-BEAUFTRAGTEN 1. Sich nachhaltig anrühren lassen deutlich. Über die Grenzen von Kulturen, vom Leiden der Menschen und die Nationalitäten und Religionen hinweg will er Erzählungen der Religionen für die alle Menschen zur gemeinsamen Idee einer Menschheitsfamilie Verantwortung für ein menschliches einbringen Miteinander auffordern. Und zugleich plausible Gründe und Argumente dafür ins Mit der Enzyklika „Fratelli tutti - über die Gespräch bringen, wie die Völker- Geschwisterlichkeit und die soziale gemeinschaft zu einem solidarischen Freundschaft“ hat Papst Franziskus am Miteinander kommen kann. 4. Oktober 2020 die dritte Enzyklika seines Pontifikats veröffentlicht. Die öffentliche Die Intention, dieses Lehrschreiben zu Unterzeichnung dieses Lehrschreibens hat veröffentlichen, ist nicht zuletzt mit den er wie schon so oft mit einer bedeutungs- weltweiten Erfahrungen der Corona- vollen Geste verbunden. Am Tag vor dem Pandemie verbunden. Mit Nachdruck hebt Fest des Heiligen Franz von Assisi besuchte der Pontifex hervor, dass die Herausforde- er das Grab des Namenspatrons seines rungen, vor die die Völkergemeinschaft in Pontifikats in Assisi und unterschieb dort die der Pandemie gestellt ist, eines überaus Enzyklika. Es war der erste Aufenthalt des deutlich machen: die Frage nach Solidarität Pontifex seit dem Beginn der Corona- innerhalb der Völkergemeinschaft stellt sich Pandemie außerhalb Roms – an einem Ort, dringender denn je! Wie unter einem Brenn- der wie kaum ein anderer für eine beschei- glas ist durch die Corona-Pandemie über- dene und wahrhaft demütige, den deutlich geworden: Keine Region der Erde Menschen zugewandte Kirche und für den kann für sich selbst die Zukunftsfragen gemeinsamen Dienst der Religionen an der lösen oder gar für sich allein selig werden. Menschheit steht. Kein Volk kann für sich selbst überleben oder auf sich allein gestellt die Probleme der Im Folgenden werde ich einige Kerngedan- Menschheit lösen – oder sich von ihnen ken der Enzyklika kurz darstellen. distanzieren. Es geht für den Bischof von 1.1. Die Enzyklika „Fratelli tutti“ von Rom darum, ob und wie die Menschheit bereit ist, eine nachhaltige Perspektive Papst Franziskus „Über die dafür zu entwickeln, die das Wohl aller Geschwisterlichkeit und die soziale Menschen in den Blick nimmt. „Ich habe den Freundschaft“ großen Wunsch, dass wir in dieser Zeit, die Wie schon in der vorausgegangenen uns zum Leben gegeben ist, die Würde jedes Enzyklika „Laudato Si“ (2015) nimmt Papst Menschen anerkennen und bei allen ein Franziskus im Titel seines Lehrschreibens weltweites Streben nach Geschwisterlich- Bezug auf den Namensgeber seines Pontifi- keit zum Leben erwecken“. 2 Insofern ist die kates. Dieser habe sich in seiner Zeit mit Enzyklika ein prominenter Versuch, die dem Ruf „Fratelli tutti!“ an „alle Brüder und rechten Folgen und die notwendigen Lehren Schwestern“ gewandt, „um ihnen eine dem aus der Pandemie zu ziehen und insbeson- Evangelium gemäße Lebensweise darzu- dere den Beitrag des christlichen Glaubens legen“. 1 Mit diesem Bezug auf Franz von und der Theologie zu formulieren und ins Assisi macht Papst Franziskus die Intention Gespräch zu bringen. Darin hat diese seines Schreibens gleich am Anfang 1 Vgl. Enzyklika Fratelli tutti des Heiligen Vaters Papst Franziskus über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft, Verlautbarungen des Heiligen Stuhls Nr. 227, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2020, Nr. 1. 2 Vgl. ebd., Nr. 8.
BERICHT DES CATHOLICA-BEAUFTRAGTEN 2 Enzyklika des Papstes enorme Aktualität In einer Kommunikation, in der „jeder einzelne auf und einen weit gefassten Horizont! anonymem Weg zu einem Objekt wird“, gehe die „Achtung vor dem anderen“ oft verloren, „und auf An den Anfang setzt Papst Franziskus einen diese Weise“, so der Papst, „gerade, wenn ich ihn sehr kritischen Blick auf die Gegenwart und verdränge, ihn nicht beachte und auf Distanz halte, beklagt die mangelnde Bereitschaft inter- kann ich ohne irgendeine Scham bis zum äußersten in nationaler Organisationen, neue Formen sein Leben eindringen“. Zur gelungenen Kommuni- und Zielsetzungen des gemeinsamen kation bedarf es nach Papst Franziskus‘ Auffassung Handelns regional und global zu entwickeln. jedoch einer zwischenmenschlichen Beziehung. „Es Das verdeutlicht er, wenn er vor dem bedarf der körperlichen Gesten, des Mienenspiels, der „Holzweg“ warnt, „dass es nur um ein Momente des Schweigens, der Körpersprache und besseres Funktionieren dessen geht, was wir sogar des Geruchs, der zitternden Hände, des Errötens schon gemacht haben, oder dass die einzige und Schwitzens, denn all dies redet und gehört zur Botschaft darin besteht, die bereits vorhan- menschlichen Kommunikation.“ 5 denen Systeme und Regeln zu verbessern.“3 Der „abgeschotteten Welt“ stellt Papst In seiner schonungslosen Analyse beschreibt der Franziskus die in der Geschichte der Papst gesellschaftliche und politische Irrwege, die Religionen und Kulturen in unterschied- seiner Meinung nach dazu führen, dass die politisch licher Gestalt entwickelte Idee eines Verantwortlichen in den internationalen Organi- menschlichen Gattungsbewusstseins und sationen und in den wirtschaftlich starken Nationen einer Solidarität aller Völker entgegen. Diese sich auf die Förderung ihrer Machtposition konzen- kulturellen Wurzeln gilt es neu zu heben, trieren. bewusst zu machen und mit großer Zu oft ziehe man sich auf den Bereich vermeintlicher Entschiedenheit ins Gespräch zu bringen. Sicherheiten zurück und vermeide den offenen Blick Und das sei zunächst und vor allem der auf die Menschen und Situationen jenseits des Auftrag an die großen Religionen. selbstgesteckten Horizonts. In dem so wertvollen In einer ausführlichen Exegese des lukani- Dreiklang der neuzeitlichen Menschenrechte „Freiheit, schen Gleichnisses vom barmherzigen Gleichheit und Brüderlichkeit“ werde das soziale Samariter entfaltet Papst Franziskus den Element der Geschwisterlichkeit oft zu wenig besonderen Beitrag, den er von den beachtet. Viel zu oft diene das Freiheitsideal dazu, Christinnen und Christen in dieser Hinsicht einen Wirtschaftsliberalismus zu rechtfertigen, der vor erwartet. Seine intensive Auslegung bildet allem den Stärkeren gerecht wird. Dem hält ein Herzstück der Enzyklika. Der Methode Franziskus gegenüber, dass die katholische Sozial- des „Bibel-Teilens“ in den ignatianischen lehre das „Recht auf Privatbesitz nie als absolut und Exerzitien folgend vergegenwärtigt unveräußerlich“ angesehen habe. Vielmehr sei das Franziskus dem Leser die Situation der Recht auf Privateigentum ein „sekundäres Naturrecht, handelnden Personen in dem Gleichnis das sich aus dem Prinzip der universalen Bestimmung Jesu. Im Verhalten der Priester und Leviten der geschaffenen Güter ableitet“. 4 sieht er einen Hinweis darauf, „dass die Nicht weniger herausfordernd ist seine Kritik an den Tatsache, an Gott zu glauben und ihn Separierungstendenzen, die eine aus seiner Sicht anzubeten, noch nicht gewährleistet, so zu überbordende digitale Öffentlichkeit mit sich bringt. leben, wie es Gott gefällt“. 6 Entscheidend sei 3 Vgl. ebd., Nr. 7f. 4 Vgl. ebd., Nr. 98. 5 Vgl. ebd., Nr. 42f. 6 Vgl. ebd., Nr. 74.
3 BERICHT DES CATHOLICA-BEAUFTRAGTEN es, sich in dem Überfallenen selbst zu seiner Auslegung fest. „Einmal auf dem Weg, erkennen und sein Leiden zur eigenen Sache treffen wir unvermeidlich auf verletzte zu machen. Menschen – wehe uns, wenn wir uns nicht anrühren lassen.“ 10 Für einen Christen- In der Haltung und im Handeln des menschen hängt alles an diesem Moment, Samaritaners sieht Papst Franziskus da die Christenmenschen, angerührt durch grundlegende Hinweise dafür beschrieben, das Leid des Menschen, in dem Antlitz des wie es dazu kommen kann, dass Menschen Leidenden Christus erkennen und so ihre sich einem Leidenden zuwenden und bereit Aufgabe erkennen und annehmen, tätig zu sind, solidarisch zu handeln. „Um sich werden und sich des Leidenden anzuneh- (…dem Verletzten, d. Vf.) zu nähern und bei men. ihm zu sein, hat (…der Samaritaner, d. Vf.) alle kulturellen und geschichtlichen Mit dieser Verankerung des Würdebegriffes Schranken überwunden.“ 7 Wie schon in im Gemüt und dem Gewissen des Einzelnen seinen früheren Schreiben macht Papst knüpft Papst Franziskus an gegenwärtige Franziskus deutlich, dass es ihm nicht um theologische und philosophische Debatten eine Lehre über abstrakte Ideale oder die an. Die Verknüpfung des Würdeverständ- „Funktionalität einer sozialethischen Moral“ nisses mit dem „Antlitz des Leidenden“, in geht. Der Grundimpuls, den Franziskus als dessen Angesicht die unverlierbare Würde zentral für die Überwindung von Leid, Armut des Menschen aufleuchtet, ist beispielweise und Vereinzelung ansieht, ist die Über- bei dem 1995 verstorbenen jüdischen windung der eigenen Gleichgültigkeit dem Philosophen Emmanuel Levinas überzeu- anderen gegenüber. Das geschieht durch gend entwickelt worden. 11 Der in Harvard das Hinschauen. Das Hinschauen aber, in lehrende Michael J. Sandel hat seinerseits dem ein Mensch sich dem Blick eines verschiedentlich dargelegt, dass auch die offensichtlich Leidenden auszusetzen bereit marktorientierteste Gesellschaft darauf ist, führt zunächst zu einer körperlichen angewiesen ist, dass die Menschen, die dem Reaktion. Dem Hinschauenden „drehen Wohlstand frönen, den Diskurs über die sich“ angesichts des Leidenden die „Einge- jedem zuzumessende Würde nie ruhen weide um“, so schreibt der Evangelist lassen. In jeder Kultur könne gezeigt Lukas. 8 Und nun kann und will er nicht mehr werden, so Sandel, dass es vernünftig sei, wegsehen – er ist angerührt und entdeckt eine solidarische Gesellschaft zu fördern. sich selbst und sein eigenes mögliches Unsolidarische Gesellschaften hielten sich Schicksal in dem Antlitz des Leidenden! nicht und setzten zu viel Gewaltpotential „Das (Leid) muss uns so empören, dass wir frei. Besonders große Konzerne seien darauf unsere Ruhe verlieren und von dem angewiesen, dass die Gesellschaft, in der sie menschlichen Leiden aufgewühlt werden. Das ist Würde.“ 9, hält Papst Franziskus in 7 Vgl. ebd., Nr. 81. 8 Das Verb, das Lukas wählt, um die innere Bewegung zu beschreiben, die die Verwundungen des unter die Räuber gefallenen in dem Samariter auslösen, lässt sich am besten mit diesen Worten übersetzen: „und in ihm drehten sich die Eingeweide um“. 9 Vgl. Fratelli tutti, a.a.O., Nr. 68. 10 Vgl. ebd., Nr. 69. 11 Für Emmanuel Levinas erschließt sich „die Spur des Unendlichen im Anblick des leidenden Anderen“ und treibt den, der sich vom Antlitz des Leidenden anrühren lässt, zum helfenden Handeln und zur Aufforderung, tätig werden zu müssen. Vgl. Emmanuel Levinas, Die Spur des Anderen. Untersuchungen zur Phänomenologie und Sozialphilosophie, hrsg, v. Wolfgang Nikolaus Krewani, Freiburg 2012, S. 231.
BERICHT DES CATHOLICA-BEAUFTRAGTEN 4 sich niederließen, ausgeglichen sei und es „Fratelli tutti“ ist keine nur mahnende ein gesundes soziales Klima gebe. 12 Schrift, sondern eine Schrift, die die vorhandenen Diskurse aufnimmt und Die Studie „Gott und die Würde des theologisch beleuchten und dadurch Menschen“ der Dritten Bilateralen Arbeits- bereichern möchte. gruppe der VELKD und der Deutschen Bischofskonferenz hebt in ihrer Sprache In den auf die Lukas-Exegese, die den spezifisch hervor: „Die christologische Begründung der christlichen Beitrag für die Bildung der Menschheits- Würde des Menschen entfaltet ihre argu- familie im Sinne der Solidarität der Völker entfaltet, mentative Kraft vor allem dort, wo es um die folgenden Kapiteln von „Fratelli tutti“ nennt Papst Würde der Ausgestoßenen, Leidenden und Franziskus eine Reihe von Konkretisierungen und Sterbenden geht. Jesu Tod bezeugt die Forderungen, die dazu beitragen sollen, „eine offene Würde aller, die der öffentlichen Schande und solidarische Welt zu denken und zu schaffen“. Auf preisgegeben werden“. 13 Für Papst sie alle hier einzugehen, würde den Rahmen Franziskus legt der konzentrierte Blick auf sprengen. Besonders bemerkenswert ist jedoch, wie die Gleichnisse und Reden Jesu offen, dass Papst Franziskus in seiner Forderung nach einer mit Jesus von Nazareth eine ethische humanen Flüchtlingspolitik den Begriff des Volkes Grundlegung menschlichen Handelns in die positiv aufgreift und ihn gegen dumpfen Populismus Welt gekommen ist, in der die Würde jedem abgrenzt. Der Populismus, so Franziskus, laufe Menschenkind, unabhängig von Herkunft nämlich Gefahr, die „Legitimität des Volksbegriffes“ zu und Prägung, zugesprochen wird. Dass untergraben. Gerade diesen will Franziskus aber stark Papst Franziskus mit seiner Enzyklika den machen, weil er „notwendig (ist, d. Vf.), um auszu- Kern aktueller Fragestellungen und sagen, dass die Gesellschaft mehr ist als eine bloße Herausforderungen trifft, zeigen die vielen Summe von Individuen“ 15 und dass die Idee der positiven Reaktionen, nicht nur aus Völkergemeinschaft nicht naiv ist. Man wird der binnenkirchlichen Bereichen. Internationale Beobachtung zustimmen können: „´Volk` ist für NGOs haben die Enzyklika nachdrücklich Franziskus, so sagt er selbst, eher eine ´mythische` begrüßt und ihr Anliegen als unverzichtbar als eine ´logische` Kategorie, eine Form von herausgestellt. 14 Vor allem aber gilt, dass kollektiver Erzählgemeinschaft, bei der einzelne Papst Franziskus mit „Fratelli tutti“ ein Menschen zusammenkommen und gemeinsam am Beispiel gibt, wie sich theologisches Nach- Gemeinwesen und der Zukunft arbeiten. Sein Volk ist denken in internationale Debatten um den Weg eines Zusammenlebens der Völker einbringen kann, ohne nur in bloße Appelle oder Forderungen an andere zu verfallen. 12 Michael J. Sandel, What money can´t buy. The moral limits of markets, London 2012; vgl. auch Peter Bieri, Eine Art zu leben. Über die Vielfalt menschlicher Würde, Frankfurt a. M. 2013. Bieri entwickelt die These, dass die menschliche Würde nicht wie bisher als eine metaphysische Eigenschaft des Menschen verstanden werden müsse, sondern vielmehr als eine gewisse Lebensform, die sich aus der Begegnung mit dem Scheitern und dem konstruktiven Umgang mit den eigenen Grenzen des Menschen und der Begegnung mit dem Leidenden bildet. 13 Vgl. Bilaterale Arbeitsgruppe der Deutschen Bischofskonferenz und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands: Gott und die Würde des Menschen, Paderborn – Leipzig 2017., Nr. 183f. 14 Vgl. Viel Lob und etwas Kritik für Enzyklika von Papst Franziskus, abzurufen unter: www.br.de/nachrichten/klutur/viel-lob- und-etwas-kritik-fur-enzyklika-von-papst-franziskus.SCXqhVC sowie Anette Zoch: Teile der Menschheit scheinen geopfert werden zu können, abzurufen unter: https://www.sueddeutsche.de/politik/papst-franziskus-enyklika-fratelli-tutti-corona- 1.503631. Eine kritische Bewertung nimmt Daniel Deckers vor: Vgl. Lehrschreiben des Papstes. Spiegel der Welt, nicht der Kirche, abzurufen unter: www.faz.net/aktuell/politk/ausland/fratelli-tutti-spiegel-der-welt-nicht-der-kirche-16987428.html. 15 Vgl. Fratelli tutti, a.a.O., Nr. 157.
5 BERICHT DES CATHOLICA-BEAUFTRAGTEN nicht völkisch“. 16 Wie schon in „Querida Amazonia“ „Als Gläubige sind wir davon überzeugt, zeigt Papst Franziskus seine Verwurzelung in der dass es ohne die Offenheit gegenüber dem lateinamerikanischen Kultur und der „Teología del Vater aller keine soliden und beständigen Pueblo“. Er ist davon überzeugt, dass sich aus ihr Gründe für den Aufruf zur Geschwisterlich- Einsichten ableiten lassen, die für das Gedeihen keit geben kann“ 18, fasst er den zentralen moderner Gesellschaften im 21. Jahrhundert hilfreich Gedanken seines Eintretens für ein gemein- sind. Diesen Gedanken aufzunehmen und ihn in sames Handeln der Religionen zusammen. taugliche Konzepte für die heutigen gesellschaftlichen Die großen Religionen haben in sich das Herausforderungen zu übertragen, ist eine lohnende Potential, Narrative bereit zu stellen, die die Aufgabe. Denn: „Ein lebendiges, dynamisches Volk mit gemeinsame Verantwortung der Völker für Zukunft ist jenes, das beständig offen für neue die Erde und ihre Erhaltung sowie für eine Synthesen bleibt, indem es das in sich aufnimmt, was solidarische Weltgesellschaft betonen und verschieden ist“ 17, schreibt Papst Franziskus in seiner dabei auch die Herzen der Menschen Enzyklika. erreichen und zudem die konfessionellen und kulturellen Prägungen gelten lassen 1.2. Die Religionen im Dienst an der und stark machen. Geschwisterlichkeit in der Welt Ausdrücklich bezieht Papst Franziskus sich Im achten und letzten Kapitel seiner in seiner Schrift mehrfach auf seinen Besuch Enzyklika wendet Papst Franziskus sich auf der arabischen Halbinsel im Februar dann in besonderer Weise der Rolle der 2019. In Abu Dhabi hatte er sich mit dem Religionen beim gemeinsamen Eintreten Großimam der Al-Azhar-Universität in Kairo, aller Menschen für eine humane Welt zu. Scheich Ahmad Mohammad Al-Tayyeb Damit schließt sich der Kreis zum Ein- getroffen, der von sunnitischen Muslimen gangszitat seines Lehrschreibens, wo er auf als ein führender Gelehrter und als Autorität die Impulse des Franz von Assisi einge- des Islam anerkannt wird. Mit seinem gangen war. Indem schon dieser alle Besuch wollte Papst Franziskus auch einen Menschen als „Schwester und Brüder“ Impuls zur Verständigung von Schiiten und ansprach, habe er die Grenze, die zwischen Sunniten im Irak geben. Mehrfach zitiert den Religionen gezogen ist, durchlässig Franziskus in seiner Enzyklika das gemacht. „Geschwisterlichkeit“ ist für Papst „Dokument über die Brüderlichkeit aller Franziskus der Ausgangspunkt für die Menschen“, dass er am 4. Februar 2019 gemeinsame Verantwortung aller zusammen mit dem Großimam unterzeich- Menschen. Die unterschiedliche Ausprägung net hat. Gemeinsam hoben die beiden und Diversität der großen Religionen sieht Religionsführer in diesem Dokument hervor: er dabei nicht als einen Hinderungsgrund „Der Glaube lässt den Gläubigen im anderen an. Vielmehr kommt ihnen, insbesondere einen Bruder sehen, den man unterstützt den monotheistischen Religionen, nach und liebt. Aus dem Glauben an Gott, der das seinem Verständnis eine zentrale Rolle auf Universum, die Geschöpfe und alle diesem Weg zu. In dem gemeinsamen Menschen – aufgrund seines Erbarmens – Glauben an Gott sieht Papst Franziskus die mit gleicher Würde erschaffen hat, ist der Möglichkeit einer umfassenden Solidarität Gläubige gerufen, diese menschliche der Menschen untereinander begründet. Brüderlichkeit zum Ausdruck zu bringen, 16 Vgl. Felix Neumann: Fratelli tutti: Papst Franziskus Programm für eine brüderliche Welt, veröffentlicht in katholisch.de, abzurufen unter http://katholisch.de/artikel/27094-frattelli-tutti-papst-franziskus-programm-für-eine-brüderlich-welt, S. 5. 17 Vgl. Fratelli tutti, a.a.O., Nr. 160. 18 Vgl. Fratelli tutti, a.a.O., Nr. 272.
BERICHT DES CATHOLICA-BEAUFTRAGTEN 6 indem er die Schöpfung und das ganze zum Himmel hinauf. Wenn wir nach Universum bewahrt und jeden Menschen tausenden Jahren den gleichen Himmel unterstützt, besonders die am meisten betrachten, erscheinen dieselben Sterne. Bedürftigen und die Ärmsten“. 19 Deshalb Sie erhellen die dunkelsten Nächte, weil sie seien „die Intellektuellen, die Philosophen, gemeinsam leuchten. Auf diese Weise gibt die Vertreter der Religionen, die Künstler, uns der Himmel eine Botschaft der Einheit: die Medienleute und die Kulturschaffenden Der Allerhöchste über uns lädt uns ein, uns in der ganzen Welt“ aufgerufen, „die Werte niemals von unserem Bruder, unserer des Friedens, der Gerechtigkeit, des Guten, Schwester neben uns zu trennen.“21 der Schönheit, der menschlichen Brüder- Papst Franziskus geht es darum, die lichkeit und des gemeinsamen Zusammen- Potentiale der großen Erzählungen der lebens wiederzuentdecken, um die Bedeu- Religionen in den Blick zu rufen und die tung dieser Werte als Rettungsanker für alle Verantwortlichen der Religionsgemein- deutlich zu machen und sie überall zu schaften für den gemeinschaftlichen Dienst verbreiten“ 20. an dem Zusammenhalt der Völkergemein- Eine weitere Geste der Verständigung mit schaft zu gewinnen. In seiner Enzyklika will dem Islam setzte Papst Franziskus im er den großen Schatz heben, den die Rahmen seiner Reise in den Irak im März Religionen für die Idee einer Einheit des 2021, als er den Großajatollah Ali as-Sistani Menschengeschlechtes entwickeln. Dieser besuchte. Der Leiter der angesehenen Schatz muss in den Herzen aller Menschen theologischen Hochschule von Nadschaf, guten Willens Platz finden, wenn nicht die „Hawza“, wird von vielen schiitischen Erde verkommen soll. Unmissverständlich Muslimen als eine Autorität in Glaubens- macht er nicht nur durch seine ausführliche fragen geachtet. Mit seinem Besuch wollte Auslegung des Gleichnisses vom barmherzi- Papst Franziskus nicht zuletzt auch einen gen Samariter deutlich, dass er selbst Impuls zur Verständigung von Schiiten und selbstverständlich „auf der Grundlage Sunniten im Irak geben. Informationen zu (seiner. d.Vf.) christlichen Überzeugung“ 22 den Inhalten dieses Gespräches wurden spricht und diese einbringt. Aber es gehe vom Vatikan leider nicht veröffentlicht. Im darum, die Kraft der Religion und ihrer Rahmen einer interreligiösen Begegnung in Sprache insgesamt neu zu entdecken, um der Ebene von Ur, der Heimstädte des die Menschheit zu geschwisterlichem Stammvaters Abraham, erklärte Franziskus Denken und Handeln anzurühren. 23 Damit aber wenige Stunden später: „Wir sehen nimmt Papst Franziskus Impulse von 19 Vgl. Apostolische Reise von Papst Franziskus in die Vereinigten Arabischen Emirate (3. – 5. Februar 2019), Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Miteinander in der Welt, abzurufen unter http://vatican.va/content/francesco/de/travels/2019/outside/documents/papa-francesco_20190204_documento-fratellanza- umana.html, S. 1. 20 Vgl. ebd., S. 3. 21 Vgl. Apostolische Reise von Papst Franziskus in den Irak (5. – 8. März 2021), Interreligiöse Begegnung, Ebene von Ur, Samstag, 6. März 2021, Ansprache von Papst Franziskus, abzurufen unter https.//vatican.va/content/francesco/de/speeches/2021/march/documents/papa-francesco_20210306_iraq-incontro- interreligioso.html, S. 1. 22 Vgl. Fratelli tutti, a.a.O., Nr.6. 23 Hier findet er neuerdings und erneut kräftige Unterstützung bei dem großen alten Mann der Frankfurter Schule, Jürgen Habermas. In seinem jüngst erschienenen Werk „Auch eine Geschichte der Philosophie“, geschrieben in Anlehnung an den Bückeburger Johann Gottfried Herder, hat der reife Jürgen Habermas entfaltet, dass gerade die Religionen eine Sprache, Bilderwelt und Vorstellungskraft für die Idee einer Menschheitsfamilie entwickeln, die ein großes Hoffnungspotential für das
7 BERICHT DES CATHOLICA-BEAUFTRAGTEN Johannes Paul II. und seinem 1986 Die wichtigsten Elemente möchte ich kurz in initiierten interreligiösen Gebetstreffen in Erinnerung rufen. Assisi auf; diese jährlichen Friedensgebete Schon in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii der Religionen und Konfessionen werden Gaudium“ von 2013 hatte der Pontifex eine stärkere von der Gemeinschaft Sant`Egidio seitdem Beteiligung aller Teile des Gottesvolkes an den verantwortet. Diesen wichtigen Impuls zur Entscheidungsprozessen der Kirche eingefordert. 24 Verantwortung der Religionen für die Die Bischofssynode, die 1965 von Paul VI. als Verständigung der Völkergemeinschaft ständiges Organ zur Beratung des Bischofs von Rom möchte der römische Bischof für seine mit den Bischöfen der Teilkirchen weltweit Kirche und für alle religiösen Gemein- eingerichtet wurde, hat Franziskus als zentrales schaften auf der Welt festhalten. In ihm Instrument und Kristallisationspunkt einer Kultur der sieht er einen unverzichtbaren Bestandteil synodalen Beratung definiert. Mit der Apostolischen für das Zusammenleben der Menschen im Konstitution „Episcopalis Communio“ von 2018 hat er 21. Jahrhundert, das zu fördern und zu neue Regeln für die Durchführung der Synode unterstützen die Kirchen unbedingt festgelegt. Seitdem muss jedem Bischofstreffen in verpflichtet sind. Rom eine ausführliche „Konsultation des Gottesvolkes auf allen Ebenen der Kirche bis zu den Pfarreien, 2. „Gemeinschaft, Teilhabe, Mission“ Verbänden und geistlichen Gemeinschaften“ – Die Reform der Kirche als synodaler vorausgehen. 25 Bei den vergangenen Sondersynoden Prozess zu den Themen „Jugend“ (2018) und „Amazonien“ Mit der Entscheidung vom 7. März 2020, dass (2019) wurde diese Kultur der Beteiligung durch die kommende ordentliche Bischofssynode Fragebögen, Online-Plattformen und die Einladung in Rom sich mit dem synodalen Charakter von Gästen schon teilweise umgesetzt. der Kirche befassen wird, wurde das In verschiedenen Texten und öffentlichen Äußerungen zentrale Thema dieses Pontifikates in den hat Papst Franziskus in den vergangenen Jahren sein Mittelpunkt der kommenden Beratungen Verständnis vom synodalen Wesen und von der syno- und Entscheidungen im Vatikan gerückt. In dalen Struktur der Kirche theologisch verankert und den vergangenen Jahren bin ich in meinen begründet. In besonderer Weise ist hier die Ansprache Berichten auf verschiedene Weise auf dieses zum 50-jährigen Bestehen der Bischofssynode vom für die Reformprozesse in der katholischen Oktober 2015 hervorzuheben. Im Anschluss an die Kirche so wichtige Thema eingegangen. dogmatische Konstitution „Lumen Gentium“ des Anhand maßgeblicher Äußerungen und Zweiten Vatikanischen Konzils hatte Papst Franziskus Texte von Papst Franziskus habe ich in seiner Rede den sensus fidei, also den „Glaubens- versucht nachzuzeichnen, wie Synodalität sinn“, mit dem jeder einzelne Christ und jede einzelne im Kontext katholischer Theologie zu Christin Kraft des Heiligen Geistes durch die Taufe verstehen ist und worin Unterschiede zu ausgestattet ist, als zentralen Bezugspunkt der evangelischen Synoden bestehen. Beratungs- und Entscheidungsprozesse der Kirche Zusammenleben der Völker bereithalten. Das müsse und könne gehoben werden, sonst gehe es der Völkergemeinschaft schlecht. Vgl. Jürgen Habermas, Auch eine Geschichte der Philosophie. Band 1: Die okzidentale Konstellation Glauben und Wissen Band 2: Vernünftige Freiheit. Spuren des Diskurses über Glauben und Wissen, Berlin 2019. 24 Vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium des Heiligen Vaters Papst Franziskus an die Bischöfe, an die Priester und Diakone, an die Personen des geweihten Lebens und an die christlichen Laien über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt heute, Verlautbarungen des Heiligen Stuhls Nr. 194, hrsg. v. der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2013, Nr. 120. 25 Vgl. Apostolische Konstitution Episcopalis Communio über die Bischofssynode von Papst Franziskus , zu beziehen unter www.vatican.va/content/francesco/de/apst_constitutions/documents/papa-francesco_constitutione- ap_20180915_episcopalis-commuion.html, Art. 2 und 6.
BERICHT DES CATHOLICA-BEAUFTRAGTEN 8 herausgestellt. Den Bezug zum Glauben des wird, sondern vielmehr ein Teil der Synode pilgernden Gottesvolkes und die Frömmigkeit jeder selbst ist. einzelnen Christin und jedes einzelnen Christen als Vom Oktober 2021 bis August 2022 29 werden Schatz der Kirche neu zu entdecken, hatte er in allen mehr als 4000 Bistümern der katho- gefordert. 26 Dabei nahm er Bezug auf die Studie der lischen Kirche weltweit Bischöfe, Priester Internationalen Theologischen Kommission „Die und Laien auf der Grundlage von Doku- Synodalität in Leben und Sendung der Kirche“ von menten, Fragebögen und Handreichungen 2018. In ihr wurde das Zusammenwirken des ganzen über die Zukunft der katholischen Kirche Gottesvolkes mit der kollegialen Gemeinschaft der beraten. Dabei werden auch die katholi- Bischöfe unter Leitung des Bischofs von Rom als schen Hochschulen, Orden und Laien- „Dynamik der Synodalität“ beschrieben, deren bewegungen einbezogen. Die Ergebnisse wesentliche Elemente das „Zuhören“ und das dieses ersten Beratungsgangs sollen dem „Unterscheiden“ sind. 27 Synodensekretariat vorgelegt werden, das Im Folgenden möchte ich die bemerkens- aus den Erfahrungen und Vorschlägen die werten Konkretisierungen schildern, die der erste Fassung eines Instrumentum Laboris, Plan einer Bischofssynode zum Thema also einer Beratungsgrundlage für die „Synodalität“ seitdem bekommen hat. anstehende Zusammenkunft der Bischöfe, erarbeiten wird. Seine Veröffentlichung ist 2.1. Ein neues Verfahren für die für den September 2022 vorgesehen. Bischofssynode In einer zweiten Phase von Oktober 2022 bis In der Absicht, einen Beratungsstil zu März 2023 soll der Raum der Beratungen auf etablieren, der alle Ebenen des Gottesvolkes die kontinentale Ebene ausgeweitet einbezieht und sie an den richtungswei- werden. Die Bischofskonferenzen der senden Beratungen der Kirche beteiligt, hat einzelnen Kontinente werden die bisherigen das Synodensekretariat in Rom ein neues Ergebnisse sichten und weiter beraten. Auch Verfahren entwickelt, das der kommenden sie werden ihre Einschätzungen, Anregun- Bischofssynode zugrunde liegen wird. „Die gen und Vorschläge dem Synodensekre- erste große Neuerung ist die Umwandlung tariat übergeben. der Synode vom Ereignis zum Prozess“28, Die Aufgabe für das Synodensekretariat wird hat deren Generalsekretär, Kardinal Mario darin bestehen, aus dem gesamten Material Grech, angekündigt. Damit ist gemeint, dass ein zweites, endgültiges Vorbereitungs- der fast zweijährige Prozess, der dem dokument für das Bischofstreffen in Rom zu Treffen der Bischöfe in Rom vorausgeht, erarbeiten. Die Veröffentlichung dieses nicht als „Vorspiel“ der Synode aufgefasst endgültigen Instrumentum Laboris ist für 26 Vgl. 50-Jahr-Feier der Errichtung der Bischofssynode. Ansprache von Papst Franziskus am 17. Oktober 2015, zu beziehen unter http://vatican.va/content/francesco/de/speeches/2015/october/documents/papa-francesco_20151017_50- anniversario-sinodo.html, S. 2. 27 Vgl. Internationale Theologische Kommission: Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche, Arbeitsübersetzung des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz, Verlautbarungen des Heiligen Stuhls Nr. 215, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2018, Nr. 42. 28 Vgl. Grech zur Synodenreform: „Unterscheidung beginnt mit Zuhören“, Interview mit Andrea Tornielli vom 21. Mai 2021, autorisierte deutsche Übersetzung des italienischen Originals, zu beziehen unter https://vaticannews.va/de/vatikan/news/2021-05/kardinal-grech-interview-synodos-episcoporum-reform-synode.html, S. 3. 29 Ursprünglich sollte die erste Phase im März 2021 abgeschlossen sein. Die Frist wurde auf Bitten vieler Diözesen am 29. Oktober verlängert.
9 BERICHT DES CATHOLICA-BEAUFTRAGTEN Juni 2023 vorgesehen. Im Oktober 2023 wird Verständnis vom Aufbau, der Struktur und die Bischofssynode dann auf der Grundlage dem Selbstverständnis der katholischen des vorgestellten Materials unter dem Titel Bischofssynode. Der Vatikan selbst spricht „Für eine synodale Kirche. Gemeinschaft, von einem „synodalen Weg“, den er für die Teilhabe, Mission“ darüber beraten. gesamte katholische Weltkirche initiieren möchte, mit dem Ziel einer Reform, die die Die Prozesse, die in mehr als 4000 Bistümern regionale Entwicklung in der weltweiten unter völlig unterschiedlichen Voraus- katholischen Kirche fördert und die setzungen und in unterschiedlichen Potentiale aller Getauften Glieder der Kirche Kontexten ablaufen, so miteinander zu neu entdeckt. 32 verzahnen, dass daraus eine handhabbare Arbeitsgrundlage entsteht, ist ein ambi- 2.2. Eine richtungsweisende tioniertes Vorhaben. Das bekommt vor dem Personalentscheidung – Mario Hintergrund eine besondere Bedeutung, dass nicht nur in Deutschland, sondern an Kardinal Grech als Generalsekretär vielen Orten der Weltkirche bereits synodale der Bischofssynode Wege und Beratungsprozesse laufen, die Die Initiierung dieses weltweiten synodalen von Rom gefördert und unterstützt Weges geht einher mit einer wichtigen werden. 30 Alle lokalen Prozesse und ihre Personalentscheidung, die Papst Franziskus bereits entstandenen Dynamiken in den getroffen hat. Am 16. September 2020 hat er synodalen Prozess der Weltkirche mit Mario Kardinal Grech zum Generalsekretär hineinzunehmen, ist ein enormes Vorhaben der Bischofssynode ernannt. Mit dem und eine mutige Reformidee. 31 Wenn die vormaligen Bischof von Gozo (Malta) hat Vorschläge und Lösungsansätze der eine außerordentlich profilierte und einzelnen Ortskirchen dem Wohl der ganzen erfahrene Persönlichkeit diese wichtige Kirche nicht widersprechen, sondern Schlüsselfunktion übernommen, die das vielmehr durch den sensus ecclesiae auf ihr Vertrauen des Papstes in besonderer Weise Wohl hin ausgerichtet sind, werden sie für genießt. 33 den Beratungsprozess der ganzen In einem bemerkenswerten Interview, das katholischen Kirche fruchtbar gemacht Kardinal Grech der vatikanischen werden können. Nachrichtenagentur Vatican News im Mai Was sich zunächst wie ein schwerfälliges 2021 gab, hat er seine Einschätzungen und und kaum realisierbares Verfahren anhört, Erwartungen zum synodalen Prozess ist tatsächlich weitaus mehr als nur eine pointiert formuliert. Mit Nachdruck hebt der Verfahrensregelung. Dahinter steckt eine Kardinal hervor, dass das Volk Gottes am deutliche Akzentverschiebung im prophetischen Amt Christi Anteil hat. Für die 30 Papst Franziskus selbst hat im Februar dieses Jahres die katholische Kirche in Italien aufgefordert, einen synodalen Weg zu initiieren. In Australien wird von Oktober 2021 an ein Plenarkonzil der Diözesen tagen. Auch in Lateinamerika und anderen Teilen der Welt gibt es vergleichbare Prozesse. 31 Hier zeigt sich erneut die Herausforderung, die von Papst Franziskus geforderte „heilsame Dezentralisierung“ mit der notwendigen Einheit der römisch-katholischen Kirche zusammenzubringen, Vgl. dazu meine Ausführungen im Catholica- Bericht 2020, Die Kirche- dem Evangelium in Treue verpflichtet und den Menschen zugewandt, a.a.O., S. 10ff. 32 Vgl. Roland Juchem und Ludwig Ring-Eifel: Bischofssynode 2023: Zwei Jahre lang lernen, wie synodale Kirche geht, veröffentlicht in katholisch.de, zu beziehen unter www.katholisch.de/artikel/29935-bischofssynode-2023-zwei-Jahre-lang- lernen-wie-synodale-Kirche-geht. 33 Vgl. Burkhard Jürgens: Stabwechsel im Vatikan bekräftigt den Reformkurs des Papstes, veröffentlicht in katholisch.de, zu beziehen unter www.katholisch.de/artikel/26899-Stabwechsel-im-Vatikan-bekräftigt-den-Reformkurs-des-Papstes, S. 3.
BERICHT DES CATHOLICA-BEAUFTRAGTEN 10 Bischöfe und den Papst ist es deshalb übersetzt werden, jeder entsprechend unverzichtbar, auf das Kirchenvolk zu hören. seiner spezifischen Bedingung und „Und um ihm zuzuhören“, so der Kardinal, Funktion“ 36. „ist es notwendig, dorthin zu gehen, wo es In Anlehnung an Papst Franziskus formuliert lebt – in den Teilkirchen.“ 34 der verantwortliche Organisator der Das Prinzip der synodalen Beratung sieht Bischofssynode seine Erwartung für die der maltesische Kardinal in der Tradition Zukunft: „Heute scheint klar zu sein, dass der Kirche verankert und in der Fluchtlinie eine solche Gemeinschaft entweder synodal ihre Geschichte als Aufgabe für ihre Zukunft ist oder es ist keine Gemeinschaft.“37 Denn angelegt: „Synodalität war eine typische das „Zuhören ist die wahre pastorale Praxis der Kirche des ersten Jahrtausends“, Umkehr der Kirche“, so der Kardinal. 38 analysiert er, „die in der orthodoxen Kirche fortgesetzt wird. Das Neue in der katholi- 2.3. Das prophetische Amt des schen Kirche ist, dass die Synodalität als Gottesvolkes Krönung eines langen Prozesses der An den Äußerungen von Kardinal Grech ist Lehrentwicklung wieder auftaucht. Dieser deutlich zu erkennen, dass den Laien eine Prozess führte“, so Grech, „zur Klärung des stärkere Rolle für die zukünftige Gestaltung petrinischen Primats im I. Vatikanum, zur der katholischen Kirche zukommen soll. bischöflichen Kollegialität im II. Vatikanum Indem man die Bischofssynode als einen und heute, durch die fortschreitende Prozess versteht, in den das Gottesvolk auf Rezeption der konziliaren Ekklesiologie (…) allen Ebenen einbezogen ist, werden zur Synodalität als einer Form der Laienvertreter zu einem konstitutiven Beteiligung aller am Weg der Kirche“35. Bestandteil des Synodengeschehens. Dies Aus dem Eingeständnis, dass in der wird darin begründet, dass sie gemäß der Vergangenheit „vielleicht etwas viel auf der Lehre der katholischen Kirche „am `communio hierarchica´ bestanden wurde, prophetischen Amt Christi Anteil haben.“ 39 der Idee, dass die Einheit der Kirche nur Das bietet Anklänge an die Lehre von den durch die Stärkung der Autorität der Hirten drei Ämtern Christi, die auch in der dogma- erreicht werden könne“, leitet der General- tischen Konstitution des 2. Vatikanischen sekretär der Bischofssynode einen Auftrag Konzils über die Kirche „Lumen Gentium“ für die Zukunft ab, denn dies könne, so verankert ist. In ihr wird bekanntlich Grech, „nicht die normale Art sein, kirchliche festgehalten, dass alle Christgläubigen Gemeinschaft zu leben, die Zirkularität, durch die Taufe Christus „einverleibt“ Gegenseitigkeit, und ein gemeinsames wurden und so „des priesterlichen, Unterwegssein in Bezug auf die jeweiligen prophetischen und königlichen Amtes Funktionen im Volk Gottes verlangt.“ Die Christi auf ihre Weise teilhaftig geworden Gemeinschaft kann, so Grech, „nur in die sind“ 40. In der Beteiligung am priesterlichen, Teilnahme aller am Leben der Kirche 34 Vgl. Grech zur Synodenreform, a.a.O., S. 3f. 35 Vgl. ebd., S. 5. 36 Vgl. ebd., S. 6. 37 Vgl. ebd., S.6. 38 Vgl. ebd., S. 5. 39 Vgl. ebd., S.2. 40 Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“, in Heinrich Denzinger: Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, verbessert, erweitert, ins Deutsche übertragen und unter
11 BERICHT DES CATHOLICA-BEAUFTRAGTEN königlichen und prophetischen Amt Christi Christi durch die Laien für die Kirche Gestalt sind alle Getauften gerufen, in der Nachfolge gewinnt, tritt in den bisherigen Äußerungen Jesu ihre Gaben in das Leben der Kirche aus Rom zum synodalen Prozess eher in den einzubringen. Auffällig ist die Akzent- Hintergrund. Wenn Laien in dem angestreb- setzung, die Kardinal Grech in seinen ten Prozess vor allem das prophetische Amt Äußerungen vornimmt. Von den drei Ämtern zukommt, dann liegt es nahe zu vermuten, Christi, an denen alle Getauften Anteil dass die Bischöfe in Gemeinschaft mit dem haben, hebt er das prophetische Amt für die Papst vor allem das königliche und das Kennzeichnung der Mitwirkung aller priesterliche Amt ausfüllen werden. 42 Darin Getauften an der Gestaltung und Verände- bildet sich die klassische Verteilung der rung der Kirche in besonderer Weise hervor. Zuständigkeiten ab, nach der die Beratung Sache des ganzen Gottesvolkes ist, die Offenbar sieht er im prophetischen Amt Entscheidung aber letztlich den Bischöfen in Christi in besonderer Weise die Rolle der Gemeinschaft und unter der Leitung des repräsentiert, die den Laien beim synodalen Bischofs von Rom zukommt. 43 Prozess der Kirche zukommt. Ihr Ruf und ihr Drängen hat für die Kirche eine geradezu In den synodalen Prozessen jedoch, die in prophetische Dimension. Jesus selbst hatte Deutschland und weltweit auch an anderen sein prophetisches Amt u. a. dadurch Orten, z. B. in Amazonien, stattfinden, ist zu ausgeübt, dass er Weherufe gegen die erkennen, dass diese nicht nur auf eine Schriftgelehrten und Pharisäer ausstieß und prophetische Funktion des Gottesvolkes die Händler aus dem Tempel trieb. 41 In der abzielen, von der die Bischöfe und der Papst Fluchtlinie der Dreiämterlehre ist es nicht sich aufgefordert fühlen sollen zu handeln. übertrieben, wenn man den Ruf des Gottes- Mit dem synodalen Weg in Deutschland z. B. volkes nach Linderung der Nöte der verbindet sich die starke Erwartung, dass Menschen als Anteil aller Getauften am Laien auch an den priesterlichen und könig- prophetischen Amt Christi versteht. Allen lichen Ämtern in der Kirche zunehmend Verantwortlichen in Politik, Gesellschaft und beteiligt werden. Die zeigt sich u. a. in den Kirche ist aufgetragen, darauf zu hören und Themenforen „Macht und Gewaltenteilung“ danach zu handeln. und „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“. Auch die Amazonas-Synode 2020 Damit ist prominent und deutlich der Anteil hatte dafür plädiert, dass Frauen zu Diako- eingegrenzt, den die Laien am Amt Christi in ninnen geweiht werden sollten. Ein großes der Kirche haben. Die Frage hingegen, wie Konfliktpotential in diesem synodalen das königliche und das priesterliche Amt Prozess liegt offenbar darin, dass viele Mitwirkung von Helmut Holping herausgegeben von Peter Hünermann, 37. Auflage Freiburg i. Br. - Basel – Rom – Wien 1991, Nr. 31. 41 Vgl. Mt. 23, 13ff. sowie Mt. 21, 12-17, Lk. 19, 45-48 und Mk. 11, 15-19. 42 In seinem Mahnschreiben „Christifideles laici“ von 1988 hat Papst Johannes Paul II. die drei Ämter Christi unterschiedlich gewichtet. Am priesterlichen Amt haben die Laien demzufolge dadurch Anteil, dass sie „mit Christus und seinem Opfer verbunden (sind, d. Vf.), indem sie sich selbst und ihre Werke darbringen“. Das königliche Amt sieht Johannes Paul II. „vornehmlich durch ihren geistlichen Kampf, um selbst in sich das Reich der Sünde zu besiegen und zu überwinden“, ausgefüllt. Ihr Anteil am prophetischen Amt jedoch richtet sich stärker nach außen und wirkt in die Kirche hinein, denn durch jenes „nehmen die christgläubigen Laien (…) am übernatürlichen Glaubenssinn der Kirche teil“ und sind „berufen, die Neuheit und Kraft des Evangeliums (…) offenbar werden zu lassen.“ Vgl. Johannes Paul II.: Nachsynodales Apostolisches Mahnschreiben „Christifideles laici“ vom 30. Dezember 1988, in: Kompendium der Glaubensbekenntnisse und Lehrentscheidungen, a.a.O., Nr. 14. 43 Vgl. dazu: Internationale Theologische Kommission: Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche, a. a. O., Nr. 42.
BERICHT DES CATHOLICA-BEAUFTRAGTEN 12 Regionen der Weltkirche eine Mitwirkung „gesunden Ungeduld“ sprach, die viele der Getauften auch in dem priesterlichen Christinnen und Christen erfasst habe. Es sei und königlichen Amt Christi erwarten und nötig, diese Ungeduld für den ökumeni- fordern, andere Regionen aber die Beteili- schen Weg fruchtbar zu machen. „Wie die gung eher auf den prophetischen Dienst des Jünger von Emmaus können wir die berufenen Gottesvolkes beziehen. Gegenwart des auferstandenen Christus spüren, der an der Seite geht und uns die Angesichts der Erwartungen, die große Teile Schrift aufschließt“, schreibt er, „und (wir des Gottesvolkes nicht nur in Deutschland können, d.Vf.) ihn im Brotbrechen erkennen mit Nachdruck äußern, ihre Kirche aktiv und in der Erwartung, miteinander das eucha- verantwortlich mitzugestalten und zu ristische Mahl zu teilen“. 45 Mit diesen Worten verändern, bleibt dieser Prozess sehr unterstrich Papst Franziskus die Erwartung spannend. Umso mehr sollte das positive und das Sehnen vieler Christinnen und Potenzial, das in dem synodalen Prozess Christen weltweit, gemeinsam an den Tisch steckt, entschlossen genutzt werden. In ihm des Herrn zu treten. konzentriert sich die katholische Kirche auf die in ihrer Tradition verankerte Einsicht, 3.1. Beobachtungen zur Rezeption dass ihre Gestalt und die Vollzüge ihres der Studie „Gemeinsam am Tisch des Lebens den Anforderungen des Gottes- volkes gerecht werden müssen. Herrn“ des Ökumenischen Arbeits- kreises evangelischer und katholi- 3. Auf dem gemeinsamen Weg die scher Theologen Gegenwart des Auferstanden spüren Im September 2019 hat der Ökumenische und ihn im Brotbrechen erkennen Arbeitskreis evangelischer und katholischer Beim gemeinsamen Gottesdienst zum Theologen seine Studie „Gemeinsam am Reformationsjubiläum am 31. Oktober 2016 Tisch des Herrn“ veröffentlicht. Auf der Basis in Lund haben Repräsentantinnen und einer gründlichen theologischen Analyse Repräsentanten der römisch-katholischen und Reflexion votiert diese Studie dafür, Kirche und des Lutherischen Weltbundes dass evangelische Christinnen und Christen erklärt, dass sie die Not derer hören, die unter bestimmten Umständen an einer unter der Trennung am Tisch des Herrn katholischen Eucharistiefeier teilnehmen leiden. Die beteiligten Kirchen haben sich können und katholische Christinnen und verpflichtet, an der Überwindung dieser Christen ebenso am Abendmahl. Kirchen- Trennung mit Leidenschaft weiterzuar- präsident Christian Schad hat in seinem beiten 44. Damit haben sie den kommenden Bericht für die Vollkonferenz der UEK und ökumenischen Bemühungen ein Ziel die Generalsynode der VELKD im vergange- gesetzt. nen Jahr den Argumentationsgang der Papst Franziskus hat dieses Ziel mit Nach- druck aufgegriffen, als er im Juni 2020 an den 25. Jahrestag der Ökumeneenzyklika „Ut unum sint“ erinnerte und dabei von einer 44 Vgl. Gemeinsame Erklärung anlässlich des gemeinsamen katholisch-lutherischen Reformationsgedenkens, Lund, 31. Oktober 2016, abzurufen unter https://de.lutheranworld.org/de/content/gemeinsame-erklaerung-anlaesslich-des- gemeinsen-katholisch-lutherischen. 45 Vgl. Ich teile die gesunde Ungeduld, Schreiben zum 25. Jahrestag der Enzyklika Ut unum sint, in: KNA-Ökumenische Informationen 24 / 9. Juni 2020.
13 BERICHT DES CATHOLICA-BEAUFTRAGTEN Studie ausführlich nachgezeichnet und theologisch unbefriedigend, sie verkenne in analysiert. 46 zentralen Punkten die kirchliche Wirklich- keit und übergehe die offenen und noch zu Gemessen an früheren Studien und klärenden Fragen. 48 Dokumenten ökumenischer Arbeitskreise kamen die Reaktionen aus Rom auf Die notwendige Rezeption dieses wichtigen „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ unge- und richtungsweisenden Dokuments des wöhnlich schnell und fielen überaus Ökumenischen Arbeitskreises ist mit diesen deutlich in der Ablehnung aus. Im Äußerungen aus Rom keineswegs beendet. September 2020 wurde ein Brief der Im Gegenteil, es gilt nun, den Rezeptions- Glaubenskongregation an den Vorsitzenden prozess weiter voranzutreiben, dabei auf der Deutschen Bischofskonferenz veröffent- kritische Fragen von beiden Seiten einzu- licht. Als Anhang zu diesem Brief wurden gehen und sie zu bearbeiten. Dabei sollte „lehrmäßige Anmerkungen“ verschickt, die der Hinweis der Glaubenskongregation verdeutlichen, dass in dem Theologen- aufgenommen werden, dass nur die Kirchen papier das „katholische Grundverständnis selbst über die nach ihren Ordnungen von Kirche, Eucharistie und Weiheamt“ gültige Zulassung zum Abendmahl bzw. zur nicht berücksichtigt sei. Die Studie basiere Eucharistie entscheiden können und nicht an wesentlichen Stellen auf theologischen der Arbeitskreis, der hierzu eine Empfehlung Bestimmungen der Leunberger Konkordie ausgesprochen hat. Es ist daher Sache der und sei daher für evangelische Christinnen Kirchen, die Rezeption der Studie weiter zu und Christen vielleicht einleuchtend, für betreiben, zu offenen Fragen Stellung zu katholische Christinnen und Christen aber nehmen und dann auch ihre Schlüsse aus eher ungeeignet. 47 Eine weitere Reaktion dem Votum zu ziehen. kam vom Päpstlichen Einheitsrat. Im Der Rat der EKD hat sich im Februar 2020 Februar 2021 veröffentlichte dessen mit einer ersten Stellungnahme zum Votum Präsident, Kurt Kardinal Koch, einen Brief an des Ökumenischen Arbeitskreises den evangelischen Co-Vorsitzenden des geäußert. 49 Im März 2021 hat die Ökumenischen Arbeitskreises. In seinem Bischofskonferenz der VELKD einen Brief hob er hervor, dass zwischen Katho- liken und Protestanten keineswegs ein Konsens in Fragen des Abendmahls bestehe, wie es die Studie behaupte. Die Studie sei 46 Bericht des evangelischen Vorsitzenden des Kontaktgesprächskreises, Kirchenpräsident Dr. h. c. Christian Schad, im Auftrag des Vorsitzenden des Rates der EKD vor der 12. Generalsynode der VELKD und der 3. Vollkonferenz der UEK „Unverzagt ökumenisch“, 7. Tagung der 12. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, 8. bis 9. November 2020 in Berlin, Drucksache IV / 1, S. 2ff. 47 Vgl. Brief der Glaubenskongregation an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz vom 18. September 2020, abzurufen unter www.dbk.de/fleiadmin/redaktion/diverse_downloads/dossiers_2020/2020-09-18_Kard.-Ladaria_lettera- Vorsitzende-DBK.pdf sowie Lehrmäßige Anmerkungen zum Dokument Gemeinsam am Tisch des Herrn (GTH) des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen (Jäger-Stählin-Kreis), abzurufen unter https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/dossiers_2020/2020-09-18_Kard._Ladaria_Lettera_Anlage- Vorsitzender-DBK.pdf. 48 Vgl. Offener Brief an Professor Volker Leppin als Antwort auf sein Interview in katholisch.de vom 3. Februar 2021, abzurufen unter https://www.katolisch.de/artikel/28600-kardinal-koch-am-oeak--kein-konsens--zum-gemeinsamen-Abendmahl#28600- 1-iBFUW. 49 Abzurufen unter https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/200228_Stellungnahme_Rat_der_EKD- Gemeinsam_am_Tisch_des_Herrn.pdf.
BERICHT DES CATHOLICA-BEAUFTRAGTEN 14 detaillierten, kirchlich verantworteten Text werden, so die Bischofskonferenz. „Viel- vorgelegt. 50 mehr wird man mit den Orten und Gelegen- heiten sehr respektvoll und in Anerkennung Die Bischofskonferenz hebt in ihrer der Prägungen und Empfehlungen des Stellungnahme hervor, dass die Empfehlung jeweiligen Partners und der Gläubigen des Ökumenischen Arbeitskreises die umgehen und dabei sorgsam beachten, ob Freude an der Eucharistie und dem die Teilnahme an der Mahlfeier in der Abendmahl fördern wolle, dadurch, dass die konkreten (Situation und, d. Vf.) Gemeinde jeweils eigene liturgische Tradition mit dem möglich ist 52“, so das Fazit der Bischofs- ökumenischen Partner zu gegebenen konferenz der VELKD. Anlässen geteilt werden kann. Diese Empfehlung traue, so die Bischofskonfe- 3.2. Orte und Formen eucharistischer renz, „den jeweiligen konfessionellen Gemeinschaft auf dem gemeinsamen Prägungen viel zu. Sie ist davon überzeugt, dass die jeweiligen Kirchen genügend Weg Prägekraft haben, um die Freude an der Ein Beispiel für die Umsetzung des Votums jeweils eigenen Tradition an besonderen von „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ hat Orten und zu besonderen Zeiten mit den der Ökumenische Kirchentag vom 13. bis Gläubigen aus anderen Konfessionen teilen 16. Mai 2021 gegeben. Am Samstag, den zu können.“ Daraus sei die Folgerung zu 15. Mai fanden in vier Frankfurter Kirchen ziehen, dass „die Kirchen es sich zur „konfessionssensible Gottesdienste“ statt. Aufgabe machen sollten, solche Orte zu Sie waren von den gastgebenden Gemein- finden“ 51. den in ihrer jeweiligen konfessionellen Die besondere Stärke der Studie „Gemein- Tradition gestaltet worden. Gäste anderer sam am Tisch des Herrn“ liege darin, dass Konfessionen wurden zu diesen Gottes- sie gerade nicht auf eine weitreichende diensten ausdrücklich eingeladen. Die Praxis der Interkommunion abzielt oder „individuelle Gewissensentscheidung in eine „neue, gleichsam ökumenische Liturgie Bezug auf die Teilnahme an Eucharistie oder für die Feier des Abendmahls oder der Abendmahl 53“ wurde dabei geachtet. Der Eucharistie vorschlägt“. Es sollte auch nicht Vorsitzende der Deutschen Bischofskonfe- übersehen werden, dass das Hinzutreten zur renz und Bischof von Limburg, Dr. Georg Kommunion nicht die einzige Möglichkeit Bätzing, hatte schon im Vorfeld des Kirchen- der Partizipation an einer Messfeier ist. Mit tages angekündigt, dass es „um die Frage Recht ist darauf hingewiesen worden, dass (gehe, d. Vf.), wie wir mit der persönlichen auch eine „geistliche Kommunion“ möglich Gewissensentscheidung einzelner katholi- ist. Bei der Empfehlung des Ökumenischen scher oder evangelischer Christen um- Arbeitskreises muss nicht an eine grundsätz- gehen“. Für ihn gelte, so Bätzing, „dass ich liche oder regelmäßige Teilnahme an der eine solche Entscheidung respektiere und Feier der je anderen Konfession gedacht die Kommunion spende, wenn jemand 50 Aus dem Raum der Selbständig Evangelisch-Lutherischen Kirche liegt ein von Werner Klän und Jobst Schöne verantworteter Text vor. Vgl. Werner Klän und Jobst Schöne: Gemeinsam am Tisch des Herrn. Eine lutherische Antwort, in: Lutherische Orientierung 15, Hannover 2020. 51 Vgl. Stellungnahme der Bischofskonferenz der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands zur Studie des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen „Gemeinsam am Tisch des Herrn“, in: Texte aus der VELKD, Nr. 190 März 2021, S. 6. 52 Vgl. ebd., S. 7. 53 Vgl. den Bericht auf der Homepage des Ökumenischen Kirchentages www.oekt.de/feiern/konfessionelle Gottesdienste
Sie können auch lesen