Das Magazin des Difu 2/2017 - Das Magazin des Difu, 2/2017

Die Seite wird erstellt Lennard Völker
 
WEITER LESEN
Das Magazin des Difu 2/2017 - Das Magazin des Difu, 2/2017
2/2017

Das Magazin des Difu

		Aus dem Inhalt

 4 Standpunkt
		 Gekoppelte Infrastrukturen
   sind nicht nur eine
   technische Herausforderung

11Forschung & Publikationen
		Städtebaurechtsnovelle
  2016/2017 im Planspieltest

28 Neue Projekte
		 Neuer Bundeswettbewerb:
   Zusammenleben Hand in
   Hand

31 Veranstaltungen
		 Inklusion in Schulen – vom
   Konzept zur Investition
Das Magazin des Difu 2/2017 - Das Magazin des Difu, 2/2017
Editorial                                    Neue Projekte
                                             28 Bundeswettbewerb „Zusammenleben
Standpunkt
                                                 Hand in Hand – Kommunen gestalten“
4	Gekoppelte Infrastrukturen sind nicht
                                             28 Neue Servicestelle unterstützt
    nur eine technische Herausforderung
                                                 Kommunen bei Ressourceneffizienz

Forschung & Publikationen
                                             Veranstaltungen
6 Wasserinfrastruktur der Zukunft:
                                             29 Veranstaltungsvorschau
    Den Wandel vorausschauend
                                             30 Vielfalt leben: Innenstädte sind
    gestalten
                                                 wichtige Begegnungsorte
8	Neuartige Wasserinfrastrukturen
                                             31 Inklusion in Schulen: Vom Konzept
    in die Praxis bringen
                                                 zur Investition
10	Wasserinfrastrukturen für die
    zukunftsfähige Stadt
                                             Nachrichten & Service
11 Städtebaurechtsnovelle 2016/2017
                                             17 Neue Veröffentlichungen
    im Planspieltest
                                             19 Difu-Service für Zuwender: Vielfältige
12 Online-Handel: Auswirkungen auf
                                                 Angebote für Kommunen
    Innenstadt, Stadtteil- und Ortszentrum
                                             20 Impressum
14 KfW-Kommunalpanel: Investitionen
                                             26 Was ist eigentlich … Transformation?
    der Kommunen moderat gestiegen
                                             32 Difu-Intern: Abschied und Neubeginn
15 Das 3x3 einer guten Öffentlichkeits-
                                             33 Difu aktiv
    beteiligung bei Großprojekten
                                             34 Neues im Difu-Inter-/Extranet
16 Sichere Quartiere durch gute
                                             35 Difu-Mediennachlese
    Zusammenarbeit aller Akteure
22 Praxisratgeber Klimagerechtes Bauen:
		 Tipps für Kommunen und Privatleute
23 Kommunen präsentieren vorbildliche
    Beispiele für erneuerbare Wärme
24 Interkommunale Kooperation: Wann
    profitieren Kommunen und Klima?
25 Kommunaler Klimaschutz: Breiten-
    wirkung ist für den Erfolg wichtig
27 Pedelecs: Praxisleitfaden unterstützt
    Kommunen, Wirtschaft und Private
Das Magazin des Difu 2/2017 - Das Magazin des Difu, 2/2017
Editorial

                           Liebe Leserin, lieber Leser,

                           „Heul‘ doch!“ – wanna cry – bekamen die von der jüngsten Trojaner-Attacke
                           Betroffenen zu lesen, zusammen mit der Aufforderung Lösegeld zu zahlen, um
                           wieder Zugang zu den eigenen Daten zu erhalten. Betroffen waren dadurch auch
                           hochsensible Infrastrukturen, wie Krankenhäuser in Großbritannien oder der
                           Bahnverkehr in Deutschland. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und
                           Katastrophenhilfe empfahl kürzlich der Bevölkerung in Deutschland, auf einen
Fotos: David Ausserhofer

                           möglichen Krisenfall vorbereitet zu sein, sollte beispielsweise die Strom- oder
                           Wasserversorgung ausfallen. In solchen Fällen solle man zwei Wochen lang autark
                           leben können. Für eine vierköpfige Familie bedeutet dies, eine große Menge halt-
                           barer Lebensmittel und rund 100 Liter Trinkwasser in der Wohnung zu lagern.

                           Allein diese Beispiele verdeutlichen, wie (überlebens)wichtig verlässliche, resiliente
                           Infrastrukturen sind. Und dabei geht es nicht nur um den Erhalt und die Erneue-
                           rung. Mit Blick auf die demografische Entwicklung, den Klimawandel und die
                           Digitalisierung nahezu sämtlicher Lebensbereiche sind die Kommunen gefordert,
                           zugleich den laufenden Prozess einer urbanen Transformation zu meistern.

                           Mit dieser zukunftsorientierten Thematik beschäftigen sich gleich mehrere
                           Beiträge im neuen Berichte-Heft: Die Wasserinfrastruktur bildet dabei einen
                           Schwerpunkt, aber auch andere Beiträge berühren die kommunale Infrastruktur:
                           Online-Handel, Mobilität, die Städtebaurechtsnovelle, klimagerechtes Bauen
                           und nicht zuletzt das neue KfW-Kommunalpanel sind weitere Themen.

                           Es würde uns freuen, wenn Sie von den Beiträgen und vertiefenden Infos auf
                           unserer Website profitieren. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre!

                           Es grüßen herzlich

                           Professor Martin zur Nedden                                    Dr. Busso Grabow
                           Wissenschaftlicher Direktor, Geschäftsführer                   Geschäftsführer

                                                                                                                    3
Das Magazin des Difu 2/2017 - Das Magazin des Difu, 2/2017
Standpunkt
Berichte 2/2017

                                             Gekoppelte Infrastrukturen sind nicht
                                             nur eine technische Herausforderung
                                             Infrastrukturkopplungen gibt es seit langem. Neu ist die durch Informations- und
                                             Kommunikationstechnologien, Energiewende und Klimawandel ausgelöste Dynamik des
                                             engeren Zusammenwachsens von Infrastrukturen, die sich im städtischen Raum auswirkt.

                                             Wenn über die weitere Entwicklung technischer          Stromversorgung. Auch Kopplungen zwischen
                                             Infrastrukturen gesprochen wird, so ist neuerdings     Teilsektoren innerhalb eines Sektors sind lange
                                             oft von gekoppelten Systemen oder Sektorkopp-          bekannt, beispielsweise die Kopplung zwischen
                                             lung die Rede. Doch was bedeutet eigentlich            Stromerzeugung und Stromverteilung. Neu sind
                                             „Kopplung“ und was hat dies mit Stadtentwick-          die rasant steigende Abhängigkeit von Strom
                                             lung zu tun? Von einer Kopplung von Infrastruktu-      und Information sowie die zunehmend wechsel-
                                             ren kann gesprochen werden, wenn mindestens            seitige Abhängigkeit sowohl zwischen Sektoren,
                                             zwei Infrastrukturen in Abhängigkeit zueinander        Teilsektoren und sektorübergreifenden Teilsek-
                                             bestehen bzw. miteinander interagieren. Eine sol-      toren. In diesem Zusammenhang wird heute von
                                             che Kopplung kann einseitig sein, also wenn eine       Sektorkopplung (oder auch Sektorenkopplung)
                                             Infrastruktur von der anderen abhängig ist, oder       gesprochen und der Begriff meist auf die Bereiche
                                             gegenseitig, wenn beide Infrastrukturen wechsel-       Elektrizität, Wärme/Kälte und Verkehr (vor allem
                                             seitig voneinander abhängig sind.                      Elektrofahrzeuge) bezogen.

                                             Infrastrukturkopplungen können unterschiedlich         Die Gründe für die zunehmende Bedeutung von
                                             tief ausgeprägt sein. Zunächst geht es um die Ver-     infrastrukturellen Kopplungen liegen einerseits in
                                             bindung zwischen verschiedenen Infrastruktursek-       den Grunddienstleistungen, die Infrastrukturen für
                                             toren wie etwa Energie, Verkehr, Abfall, Siedlungs-    die Allgemeinheit erbringen sollen. Strom, Wärme,
                                             wasserwirtschaft oder dem Informations- und            Daten usw. sollen universell, kontinuierlich und an
                                             Kommunikationssektor. Im Weiteren geht es aber         jedem Ort zur Verfügung stehen. Damit diese Ver-
                                             um Kopplungen von Teilsektoren, beispielsweise         sorgungssicherheit auch in Zukunft gewährleistet
                                             Strom und Wärme im Rahmen der Kraft-Wärme-             ist, müssen Systeme so aufgebaut sein, dass eine
                                             Kopplung, oder – noch spezifischer – innerhalb         Unterbrechung der Leistungsbereitstellung nahe-
                                             eines Teilsektors, etwa von Anlagen der Strom-         zu ausgeschlossen ist. Dies wird gewährleistet,
                                             erzeugung und Anlagen der Stromspeicherung.            indem Erzeugungsanlagen redundant, also mit
                                             Auch Teilsektoren verschiedener Infrastrukturen        ausreichender Reservekapazität geplant, mit an-
                                             können miteinander gekoppelt sein, etwa bei            deren Anlagen vernetzt und mit ausreichend Spei-
                                             direktelektrischen Antrieben oder wenn Strom-          cherkapazität verbunden werden. Kopplung sorgt
                                             überschüsse aus Erneuerbare-Energien-Anlagen           also gleichermaßen für stabile Versorgung auch
                                             gewandelt und damit unterschiedliche Nutzungen         dann, wenn einzelne erneuerbare Energien (etwa
                                             ermöglicht werden. Beim letzteren Beispiel ist oft     Wind- oder Solarenergie) aufgrund unterschied-
                                             von Power-to-X (Power-to-Heat, Power-to-Gas,           licher Witterungsbedingungen nicht ständig zur
                                             Power-to-Liquid usw.) die Rede. Bei diesen Ver-        Verfügung stehen. Sie sorgt zugleich aber auch
                                             bindungen handelt es sich um technisch-funktio-        für eine umfassende Integration von erneuerbaren
                                             nale Kopplungen im Sinne der Abhängigkeit einer        Energien und Synergieeffekte zwischen Sektoren.
                                             Infrastruktur vom Energie- und Materialfluss einer
                                             anderen Infrastruktur. Solche Kopplungen stehen        Sektorübergreifende Kopplungen gewinnen ande-
                                             in einem zeitlichen wie räumlichen Zusammen-           rerseits aber auch in anderen Zusammenhängen
                                             hang. Vor allem aber ist es die Digitalisierung, die   an Relevanz. So sind Klimaanpassungsmaßnah-
                   Foto: David Ausserhofer

                                             zu einem verstärkten Kommunikations- und Infor-        men zunehmend ein Auslöser für neuartige Kopp-
                                             mationsfluss zwischen Infrastrukturen und damit        lungen, etwa wenn es darum geht, bei Starkregen
                                             vielfältig neuen, letztlich auch organisatorischen     eine nur gedrosselte Ableitung über die Kanalisa-
                                             Zusammenschlüssen führt.                               tion sicherzustellen und Regenwasser auf öffentli-
                                                                                                    chen Grünflächen zu speichern und zu versickern.
                                             Kopplungen zwischen Infrastruktursektoren
                                             gibt es seit Langem. Im Zentrum steht dabei der        Intelligente („smarte“) Technologien ermöglichen
                                             Energiesektor, von dem andere stadttechnische          neue Verknüpfungspunkte und helfen, Infrastruk-
Dr. Jens Libbe                               Systeme abhängig sind. Keine S-Bahn oder               turen ganz anders zu steuern. So bedarf es heute
+49 30 39001-115                             Straßenbahn, keine Wasserversorgung oder Ab-           viel weniger als in der Vergangenheit einer Ener-
libbe@difu.de                                wasserbehandlung ohne die dafür notwendige             gieversorgung mit sehr großen Reservekapazitäten

4
Das Magazin des Difu 2/2017 - Das Magazin des Difu, 2/2017
Standpunkt
                                                                                                                           Berichte 2/2017

                                 auf der Angebotsseite. Stattdessen kann sowohl        regenerative Wärmeversorgung oder die Integra-
                                 die Einspeisung und Speicherung von Energie als       tion von Fahrzeugspeichern in die intelligente
                                 auch der Verbrauch bedarfsgerecht über intelli-       Stromnetzsteuerung. All diese Kopplungen finden
                                 gente Netze („Smart Grid“) geregelt werden. Auf       in Städten und oft auch im öffentlichen Raum
                                 diese Weise kann auch die Widerstandsfähigkeit        statt. Die Auseinandersetzung um Ladestationen
                                 von Infrastrukturen erhöht werden, da die Versor-     für Elektroautos zeigte in den letzten Jahren, dass
                                 gung nicht von einer einzigen Versorgungsanlage       erhebliche Zielkonflikte zwischen öffentlichen und
                                 oder einem einzelnen Versorgungssystem abhän-         privatwirtschaftlichen Interessen auftreten kön-
                                 gig ist. Die Kopplung und damit die Kombination       nen. Politische und planerische Ziele sind daher
                                 verschiedener Teilsysteme gewährleistet, dass auf     notwendig, um stadträumlich und infrastrukturell
                                 Ausfälle besser reagiert werden kann.                 passfähige Abwägungen vornehmen zu können.
                                                                                       Die spezifischen Kopplungen lassen sich nicht
zum Weiterlesen                  Infrastrukturkopplungen führen aber auch zu An-       pauschal beurteilen. Kriterien sind solche der
Agentur für Erneuerbare          passungen der infrastrukturellen Mengengerüste.       Energie-, Ressourcen- und Flächeneffizienz, der
Energien (Hrsg.): Flexibilität   Der großräumigen Übertragung etwa von Strom           wirtschaftlichen Tragfähigkeit und der sozialen
durch Kopplung von Strom,        auf Hochspannungsnetzebene stehen Tendenzen           Akzeptanz. In der Debatte um „kritische“ Infra-
Wärme und Verkehr. Berlin        einer kleinräumigen „zellulären“ Versorgungsphi-      strukturen sind zudem mögliche Risiken im Sinne
2016.                            losophie gegenüber, bei der abhängig von lokalen      eines kaskadenförmigen Ausfalls von Teilsystemen
    www.bit.ly/2r47dRH           Gegebenheiten quasi autonome Versorgungs-             infolge von Extremereignissen zu berücksichtigen.
                                 strukturen geschaffen werden. Das heißt, an die
Schwan, Gesine, Katja
                                 Stelle großer gekoppelter Verbünde treten klein-      Die enger werdenden Kopplungen zwischen den
Treichel und Anne Höh:
                                 räumige Verknüpfungen in lokalen Netzen („Micro       Infrastrukturen haben aber auch Einfluss auf
Sektorkopplung – von der
Stromwende zur Energie-          Smart Grid“) auf der Ebene von Ortsteilen, Quar-      sektorale Zuschnitte der kommunalen Daseins-
wende. Berlin 2016               tieren oder gar Gebäuden. Lernende Algorithmen        vorsorge. Die Stadtwerke als Stromversorger
(HUMBOLDT-VIADRINA               sorgen dabei für die notwendige Stabilität des de-    haben daher begonnen, ihre Geschäftsmodelle
Governance Platform).            zentralen Systems. Damit ist eine größere Vielfalt    zu überprüfen und neue Dienstleistungsangebote
                                 an möglichen Kopplungen verbunden, was Fragen         zu entwickeln. Doch auch die anderen Sektoren
Quaschning, Volker: Sektor-      sowohl in Hinblick auf die geeignete Maßstabs-        sind betroffen: Kein kommunales Verkehrsunter-
kopplung durch die Energie-      ebene von Kopplungen als auch in Hinblick auf eine    nehmen wird es sich beispielsweise künftig noch
wende. Anforderungen an          flächendeckende Versorgungssicherheit aufwirft.       erlauben können, die digitalen Möglichkeiten für
den Ausbau erneuerbarer
                                                                                       intermodale, nachfrageorientierte Mobilitätsange-
Energien zum Erreichen der
                                 Die neuen und vielfältig engeren Kopplungen           bote und deren auch technische Verknüpfung zu
Pariser Klimaschutzziele
                                 stellen eine Herausforderung für die Stadt- und       vernachlässigen. Und jeder kommunale Abwasser-
unter Berücksichtigung
der Sektorkopplung. Berlin       Infrastrukturentwicklung dar, egal ob für die Nut-    entsorger wird seinen Beitrag zur örtlichen Ener-
2016 (HTW-Hochschule für         zung von Energie- und Abwärme aus Abwasser            gieversorgung und zur maximalen Steigerung der
Technik und Wirtschaft).         und Abfall, den Umstieg von einer fossilen auf eine   Energie- und Ressourceneffizienz leisten müssen.

                                                                                                                                        5
Das Magazin des Difu 2/2017 - Das Magazin des Difu, 2/2017
Forschung & Publikationen
Berichte 2/2017

                         Wasserinfrastruktur der Zukunft: Den
                         Wandel vorausschauend gestalten
                         Der Forschungsverbund netWORKS 3 widmete sich neuartigen Wasserinfrastrukturen:
                         Technische Varianten, räumliche Potenziale und institutionelle Spielräume wurden zur
                         Entwicklung von Zukunftskonzepten für die Wasserinfrastruktur in den Blick genommen.

                         Die Auswirkungen des Klimawandels belasten             entsteht ein differenziertes System, das sowohl
                         die Städte zunehmend: Häufiger auftretender            in einer flexibleren Formenvielfalt an technischen
                         Starkregen und auch die Zunahme von Hitzeta-           Systemvarianten als auch in veränderten, facet-
                         gen wirken sich – in Form von Überflutungen und        tenreichen Kooperations- und Organisationsfor-
                         Auslastungsschwankungen –  auf die technischen         men zum Ausdruck kommt. Die Wasserinfrastruk-
                         Systeme in den Städten aus. Zusätzlich werden          tur wird sich daher zukünftig durch Kombination,
                         demografische Effekte wirksam. Die Steigerung          Diversifizierung und Koexistenz verschiedener
                         der Energie- und Ressourceneffizienz in der            Systeme auszeichnen.
                         Siedlungswasserwirtschaft wie auch die Nutzung
                         erneuerbarer Energien gewinnen weiter an Bedeu-        Um das jeweils optimale technische System für
                         tung. In Anbetracht dieser sich verändernden Rah-      eine Kommune oder die ideale Systemvariante für
                         menbedingungen gilt es, die Infrastruktursysteme       jede einzelne bauliche Maßnahme zu bestimmen,
                         der Wasserver- und Abwasserentsorgung an die           bedarf es einer Fall-zu-Fall-Prüfung auf Ebene
                         sich wandelnden Herausforderungen anzupassen.          der Kommune bzw. der einzelnen städtebaulichen
                                                                                Maßnahme. Dabei ist wichtig, dass die Kommu-
                         Dabei wird das traditionelle Bild von Siedlungs-       nen im Rahmen ihrer Planungshoheit und Ver-
                         wasserwirtschaft mit Blick auf die skizzierten         antwortung für die lokale Daseinsvorsorge diesen
                         Veränderungen der Rahmenbedingungen nicht              Gestaltungsanspruch annehmen. Sie sind prädes-
                         grundsätzlich infrage gestellt. Jedoch ist zu prü-     tiniert und legitimiert, den Transformationsprozess
                         fen, ob die vorhandenen technischen Systeme, die       im Gemeinwohlinteresse zu koordinieren.
                         institutionellen Strukturen und gängigen Orga-
                         nisationsformen noch passen, um den sich wan-          Ohne die Ämter für Stadtentwicklung und kom-
                         delnden Anforderungen zu genügen. In diesem            munalen Wasserinfrastrukturbetreiber ist eine
                         Zusammenhang sind sowohl die Ziele der Sied-           koordinierte und zielorientierte Einführung neu-
                         lungswasserwirtschaft als auch die Art und Weise       artiger Wasserinfrastrukturen kaum umsetzbar.
                         der Leistungserbringung zu überprüfen. So wer-         Für Wasserunternehmen ergeben sich durch das
                         fen die Herausforderungen die Frage nach einer         Einführen neuartiger Wasserinfrastrukturen neue
                         kritischen Reflexion über Ziele der Siedlungs-         Strategieoptionen und Geschäftsfelder: Zum
                         wasserwirtschaft – und damit verbunden nach            einen eröffnen sich Möglichkeiten sektorüber-
                         deren Transformation – auf. Die Anpassung an den       greifender Kopplungen – etwa mit Blick auf Ener-
                         Klimawandel wie auch die effizientere Verwen-          giepotenziale. Zum anderen bietet eine größere
                         dung von Energie und Ressourcen können dabei           Zahl de- und semizentraler Anlagen Optionen,
                         zu Treibern für die langfristige Transformation der    über weitere Betreibermodelle dieser Anlagen
                         Wasserinfrastruktursysteme werden.                     nachzudenken. Der Betrieb dieser Anlagen durch
                                                                                kommunale Infrastrukturbetreiber ist dabei nicht
                         Neuartige Wasserinfrastrukturen haben in den           nur ein Geschäftsfeld, sondern sichert langfristig
                         vergangenen Jahren zunehmende Aufmerksam-              auch die Qualität der Wasserversorgung und der
                         keit erfahren. Sie stellen zukunftsgerichtete Alter-   Abwasserentsorgung, z.B. mit Blick auf Umwelt-
                         nativen für die weitere Entwicklung von Städten        und Hygienestandards in der Abwasserbehand-
                         und deren Infrastruktur dar; schließlich haben         lung. Für die Stadtentwicklung ist von Bedeutung,
www.networks-group.de/   sie in Modellvorhaben ihre Praxistauglichkeit          dass neuartige Wasserinfrastrukturen zugleich
                         bewiesen und können in städtischen Teilräumen          veränderte konzeptionelle und praktische Zu-
                         umgesetzt werden. Solche neuartigen Systemlö-          gänge zum urbanen Wasserkreislauf erschließen
                         sungen in der Siedlungswasserwirtschaft zeich-         und zur Klimaanpassung beitragen können. Hier-
Dr. Jens Libbe           nen sich dadurch aus, dass Abwasser nicht mehr         für sind eine strategische, auf gesamtstädtischer
+49 30 39001-115
                         einheitlich behandelt, sondern in verschiedene         Ebene angelegte und integrierte Planung sowie
libbe@difu.de
                         Teilströme (Regenwasser, Grauwasser, Schwarz-          eine sektorenübergreifende Koordination erfor-
Jan Trapp                wasser) getrennt wird. Abwasser wird in stofflicher    derlich. Dies gilt insbesondere für die städtische
+49 30 39001-210         wie energetischer Hinsicht zur Ressource. Im Zuge      Ebene. Auf ihr werden Notwendigkeit und Potenzi-
trapp@difu.de            der Einführung neuartiger Wasserinfrastrukturen        ale einer integrierten Planung von Stadt, Freiraum

6
Das Magazin des Difu 2/2017 - Das Magazin des Difu, 2/2017
Forschung & Publikationen
                                                                                          Berichte 2/2017

                                                                                                      Foto: Wolf-Christian Strauss
und Infrastruktur – angelegt als kommunales           Aspekte und die Nutzungsperspektive (Akzeptanz)
Transformationsmanagement – augenscheinlich.          in den Blick nehmen.

Planerische Machbarkeitsstudien zu neuartigen         Die neue in der Reihe „Edition Difu“ erschienene
Wasserinfrastrukturen für konkrete Modellge-          Veröffentlichung „Wasserinfrastruktur: Den Wan-
biete erschließen neue Handlungsoptionen und          del gestalten. Technische Varianten, räumliche
erlauben es der Kommunalpolitik und anderen           Potenziale, institutionelle Spielräume“ präsentiert
Entscheidungsträgern, sich ergebnisoffen mit          die Ergebnisse des Forschungsverbundes „net-
neuartigen Wasserinfrastrukturen auseinander-         WORKS 3: Intelligente wasserwirtschaftliche Sys-
zusetzen. Wenn dabei Gebäude-, Freiraum- und          temlösungen in Frankfurt am Main und Hamburg“.
Infrastrukturplanung integriert betrachtet werden,    Das Forschungsprojekt „netWORKS 3 wurde
können sich neue Möglichkeiten ergeben, die           innerhalb der Fördermaßnahme „Intelligente und
diePlanungsspielräume vergrößern.                     multifunktionelle Infrastruktursysteme für eine
                                                      zukunftsfähige Wasserversorgung und Abwas-
Geeignete Transformationsräume (Modellgebiete)        serentsorgung (INIS)“ im Förderschwerpunkt
für die Einführung neuartiger Wasserinfrastruktu-     „Nachhaltiges Wassermanagement (NaWaM)“ als
ren in Städten zu ermitteln, ist eine Aufgabe, die    Bestandteil des BMBF-Programms „Forschung
systematisch angegangen werden sollte. Grund-         für nachhaltige Entwicklungen (FONA)“ vom
sätzlich eignen sich Quartiere, die einerseits eine   Bundesministerium für Bildung und Forschung
hohe (z.B. städtebauliche) Entwicklungsdynamik        (BMBF) gefördert.
aufweisen und andererseits einen vergleichsweise
geringen Transformationsaufwand – etwa aufgrund       In netWORKS3 arbeiteten Wissenschaftler meh-
geringer Komplexität technischer Strukturen – er-     rerer Institutionen transdisziplinär an Fragen rund
fordern. Die Quartiersebene hat sich im Rahmen        um die Transformation der Wasserinfrastruktur in
des Forschungsprojekts netWORKS als geeignete         deutschen Kommunen: Neben dem Deutschen
räumliche Maßstabsebene zur Entwicklung neuer         Institut für Urbanistik (Difu) waren das ISOE – In-
Lösungen erwiesen. Quartiersbezogene Maßnah-          stitut für sozial-ökologische Forschung, die Tech-
men müssen sich aber immer auch an übergeord-         nische Universität Berlin (TUB), Fachgebiet Wirt-
neten gesamtstädtischen Zielen und Konzepten          schafts- und Infrastrukturpolitik – WIP sowie die
orientieren. Das Zusammenspiel von und die Inter-     COOPERATIVE Infrastruktur & Umwelt beteiligt.
dependenzen zwischen den Wasserinfrastrukturen        Als Praxispartner haben Mitarbeiter der Hambur-
im städtischen Teilraum und der Gesamtstadt sind      ger Stadtentwässerung AöR (HSE), ein Unterneh-
ein wichtiger Bestandteil der Planung und Bewer-      men von HAMBURG WASSER, und der ABGnova
tung von Systemvarianten. Dabei sollte die Bewer-     GmbH Frankfurt am Main, ein Tochterunterneh-
tung von Varianten als multikriterielles Verfahren    men der ABG FRANKFURT HOLDING Wohnungs-
angelegt sein und neben technischen, ökonomi-         bau- und Beteiligungsgesellschaft mbH, an dem
schen und ökologischen Kriterien auch rechtliche      Verbundprojekt mitgewirkt.

                                                                                                                          7
Das Magazin des Difu 2/2017 - Das Magazin des Difu, 2/2017
Forschung & Publikationen
Berichte 2/2017

                            Neuartige Wasserinfrastrukturen in
                            die Praxis bringen
                            Kostenfreie Handreichungen unterstützen Entscheidungsträger in Stadtplanung,
                            Wasserunternehmen und Regionalentwicklung im Umgang mit neuartigen
                            Wasserinfrastrukturen.

                                                                                                                              Quelle: Forschungsverbund netWORKS 2016
Beispiel für eine
Teilstromnutzung auf
Quartiersebene

                            Infrastrukturen der Siedlungswasserwirtschaft        enthaltenen Wärme sowie die getrennte Erfas-
                            sorgen im Spannungsfeld zwischen Umweltein-          sung und Behandlung von Abwasserteilströmen.
                            flüssen und durch menschliche Eingriffe für die      Die Stoffstromtrennung ermöglicht die Nutzung
                            sichere Versorgung mit Trinkwasser, für hygie-       von Regenwasser für gestalterische Maßnahmen
                            nische Verhältnisse in Siedlungen, für Überflu-      ebenso wie für die Gebäudekühlung. Die Aufbe-
                            tungsschutz und für den Schutz der Umwelt. Eine      reitung von Grauwasser aus Duschen, Waschbe-
                            ganze Reihe aktueller Herausforderungen wirft        cken oder Waschmaschinen als Betriebswasser
                            jedoch die Frage nach einer Neujustierung der        trägt ebenso zur Ressourcenschonung bei wie die
                            Ziele der Siedlungswasserwirtschaft auf. Damit       Abtrennung sogenannten Schwarzwassers zur
                            verbunden ist eine Transformation der vorhande-      Klärgasgewinnung.
                            nen Systeme. Auswirkungen des Klimawandels           Für die Auseinandersetzung mit diesem Thema
                            und demografischer Wandel belasten zuneh-            wurden Handreichungen für Entscheidungsträger
                            mend Städte und ihre Wasserinfrastrukturen. Die      mit Anregungen und Hinweisen zu wichtigen Fra-
                            Möglichkeiten, hierauf zu reagieren, sind regional   gen erarbeitet:
                            sehr unterschiedlich. Die Steigerung der Ener-
www.bit.ly/2p5MFHC          gie- und Ressourceneffizienz – auch in der Sied-     • Warum sollten sich Entscheidungsträger in
                            lungswasserwirtschaft – ebenso wie die Nutzung         Stadtplanung, Wasserunternehmen und
                            erneuerbarer Energien gewinnen im Kontext der          Regionalentwicklung mit neuartigen Wasser-
Printexemplar-Bestellung:   „Energiewende“ weiter an Bedeutung. Die Nut-           infrastrukturen beschäftigen?
draeger@difu.de             zung der im Abwasser enthaltenen Energie kann        • Welche Potenziale bietet der Umbau der städti-
                            daher ein wichtiger Baustein sein. Für die genann-     schen Infrastrukturen für die Stadtentwicklung
                            ten Herausforderungen könnten daher neuartige          und Unternehmen?
                            Wasserinfrastrukturen ergänzende und alternative     • Wie können sie die Umsetzung angehen?
Dr. Jens Libbe              Schritte sein.                                       • Wie lassen sich geeignete Quartiere in der
+49 30 39001-115
                                                                                   Stadt und technische Systemvarianten entwi-
libbe@difu.de
                            Neuartige Wasserinfrastrukturen orientieren sich       ckeln und umsetzen?
Jan Trapp                   am Leitbild des Stoffkreislaufs und setzen am
+49 30 39001-210            Prinzip der Stoffstromtrennung an. Hier geht es      Die Handreichungen stehen zum kostenfreien
trapp@difu.de               gleichermaßen um die Nutzung der im Abwasser         Download zur Verfügung.

8
Das Magazin des Difu 2/2017 - Das Magazin des Difu, 2/2017
Das Magazin des Difu 2/2017 - Das Magazin des Difu, 2/2017
Forschung & Publikationen
Berichte 2/2017

                                Wasserinfrastrukturen für die
                                zukunftsfähige Stadt
                                Innovative Lösungen zur Anpassung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung
                                an die sich verändernden Rahmenbedingungen: Forschungsergebnisse sind in einem
                                Handbuch für Wasserwirtschaft, Kommunalverwaltung und -politik veröffentlicht.

                                Die Siedlungswasserwirtschaft ist essenzieller Teil
                                der Daseinsvorsorge. Infrastrukturen der Was-
                                serwirtschaft sorgen nicht nur für eine sichere
                                Versorgung mit Trinkwasser und für hygienische
                                Verhältnisse, sondern sind auch für den Umgang
                                mit Überflutung und den allgemeinen Schutz der
                                Gewässer verantwortlich. Sie tragen maßgeblich
                                zur Gesundheitsvorsorge und zum Umweltschutz
                                bei und sind so ein Standbein des Wohlstands.

                                Die Infrastrukturen der Siedlungswasserwirtschaft
                                sind ein über Jahrzehnte aufgebautes milliarden-
                                schweres Anlagevermögen und einer der größten
                                Posten in den Kommunalhaushalten. Sie stehen          funktionierte der Wissenstransfer von Beginn an:
                                derzeit unter großem Veränderungsdruck. Voran-        von der Forschung in die Praxis und umgekehrt.
                                getrieben durch aktuelle Entwicklungen – demo-
                                grafischen Wandel, Energiewende, Verknappung          Begleitet wurden die Projekte vom Vernetzungs-
                                von Ressourcen, Umweltverschmutzung und               und Transfervorhaben INISnet, das sich der „stra-
                                Klimawandel – werden in den kommenden Jahr-           tegischen Kommunikation“ der Ergebnisse wid-
                                zehnten mitunter weitreichende Anpassungen der        mete. INISnet wurde von wichtigen Multiplikatoren
                                Wasserinfrastrukturen notwendig. Ziel muss dabei      der Städte und der deutschen Wasserwirtschaft,
                                vorrangig sein, nachhaltige Wasserdienstleistun-      dem Deutschen Institut für Urbanistik (Difu), der
                                gen zu bezahlbaren Preisen zu sichern.                Forschungsstelle des Deutschen Vereins des Gas-
                                                                                      und Wasserfaches (DVGW) an der Technischen
                                Daher wurden von 2013 bis 2016 in 13 Verbund-         Universität Hamburg (TUHH) und der Deutschen
                                projekten innovative Lösungen für die Anpassung       Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und
Die Fördermaßnahme „Intel-      der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung           Abfall e.V. (DWA) durchgeführt.
ligente und multifunktionelle   an sich verändernde Rahmenbedingungen entwi-
Infrastruktursysteme für        ckelt und erprobt. Gefördert wurden die Projekte      INISnet war auch für die Abschlusspublikation
eine zukunftsfähige Wasser-     vom Bundesministerium für Bildung und For-            mit allen Ergebnissen der Fördermaßnahme
versorgung und Abwasse-         schung (BMBF) im Rahmen der Fördermaßnahme            verantwortlich. Das Handbuch dient dazu, die
rentsorgung (INIS)“ wurde       „Intelligente und multifunktionelle Infrastruktur-    Ergebnisse aus der Forschung für einen breiten
im Förderschwerpunkt            systeme für eine zukunftsfähige Wasserversor-         Kreis potenzieller Nutzer verfügbar zu machen.
„Nachhaltiges Wasserma-
                                gung und Abwasserentsorgung“ (INIS).                  Die zahlreichen Beiträge spiegeln die große The-
nagement (NaWaM)“ als
                                                                                      menvielfalt wider: Wasserversorgung und Abwas-
Bestandteil des BMBF-Pro-
                                Die 13 Verbundprojekte der INIS-Fördermaß-            serentsorgung unter Veränderungsdruck, Opti-
gramms „Forschung für
nachhaltige Entwicklungen       nahme deckten ein breites Themenspektrum ab.          mierung von Anlagen und Betrieb, Erschließung
(FONA)“ vom Bundesminis-        Von der Wasserversorgung über die Stadtentwäs-        ungenutzter Potenziale durch sektorübergreifende
terium für Bildung und For-     serung und Abwasserentsorgung bis hin zu den          Lösungen, integrierte Bewertung innovativer
schung (BMBF) gefördert.        zukunftsorientierten integrierten Konzepten für       Systemlösungen, Werkzeuge für Planung, Ent-
                                Wasser, Abwasser und Energie wurden nahezu            scheidungsfindung und Visualisierung, Integration
                                alle Systemelemente urbaner Wasserinfrastruktu-       von Stadt- und Infrastrukturentwicklung, Akteure,
                                ren in den Fokus genommen und Vorschläge für          Strategien und Institutionen der Transformation.
www.nawam-inis.de/              ihre Weiterentwicklung erarbeitet. Dabei wirkten      Das Handbuch soll vor allem der Ergebniskom-
mediathek
                                Kommunen, Ver- und Entsorgungsbetriebe oder           munikation in die Praxis dienen. Damit werden die
                                auch Planungs- und Ingenieurbüros aktiv mit.          Wasserwirtschaft, Entscheidungsträger in Kom-
                                Dass die Ergebnisse in ganz unterschiedlichen         munalverwaltungen sowie nachgeordnet auch
Dr. Jens Libbe                  Kommunen und Regionen Deutschlands modell-            die Politik adressiert. Einzelne Beiträge richten
+49 30 39001-115                haft umgesetzt wurden, stärkt die Praktikabilität     sich auch an die Wissenschaft, da die Forschung
libbe@difu.de                   und Übertragbarkeit der Lösungen. Gleichzeitig        neben Antworten stets auch neue Fragen aufwirft.

10
Forschung & Publikationen
                                                                                                                  Berichte 2/2017

                        Städtebaurechtsnovelle 2016/2017
                        im Planspieltest
                        Das Difu überprüfte anhand eines Planspiels gemeinsam mit den Kommunen Bamberg,
                        Köln, Leipzig, Sylt, Tübingen und Zingst den Gesetzentwurf. Viele Anregungen aus dem
                        Planspiel konnten bei der Abfassung des Regierungsentwurfs berücksichtigt werden.

                        Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie
                        2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stär-
                        kung des neuen Zusammenlebens in der Stadt
                        dient nicht nur der Umsetzung der europäischen
                        UVP-Änderungsrichtlinie, es bringt auch weitere
                        wichtige Änderungen im Städtebaurecht. Wie
                        schon vielfach erprobt und bewährt, hat das
                        Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) den Gesetz-
                        entwurf mit sechs engagierten Kommunalverwal-
                        tungen (Bamberg, Köln, Leipzig, Sylt, Tübingen
                        und Zingst) anhand eines Planspiels überprüft.
                        Auftraggeber war das Bundesinstitut für Bau-,
                        Stadt- und Raumforschung (BBSR) unter fachli-
                        cher Begleitung durch das Bundesministerium für       neuen Gebietskategorie voraussichtlich profitie-
                        Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit        ren. Geboten scheint gleichwohl ein sachgerech-
                        (BMUB). Mit dem Planspiel wurden Verständlich-        ter, vorsichtiger Umgang. Denn zum einen haben
                        keit und Praktikabilität geplanter Neuregelungen      sich die alten Maßobergrenzen in den allermeisten
                        anhand praktischer Beispiele durch Normanwen-         Städten und Gemeinden durchaus bewährt. Zum
                        der getestet. Viele Anregungen aus dem Planspiel      anderen dürfen die Anforderungen an den Lärm-
                        konnten schon bei der Abfassung des Regie-            schutz nicht auf die leichte Schulter genommen
                        rungsentwurfs berücksichtigt werden. Der Ergeb-       werden. Sanierungsbedarf von morgen zu produ-
                        nisbericht wurde dem Ausschuss für Umwelt, Bau        zieren sollte vermieden werden. Abgewendet wer-
                        und Naturschutz des Deutschen Bundestages als         den konnte auf dringende Empfehlung aus dem
                        Grundlage der parlamentarischen Beratung zuge-        Planspiel zudem die Anwendung des urbanen
                        leitet und führte zu weiteren Änderungen.             Gebiets auch im unbeplanten Innenbereich (Aus-
                                                                              schluss der Anwendung von § 34 Abs. 2 BauGB).
                        Wichtige Bausteine betreffen das Bauleitplanver-
                        fahren. Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung      Weitere Änderungen betreffen die Verbesserung
                        sind als Folge europarechtlicher Vorgaben nun         der planerischen Gestaltungsmöglichkeiten im
                        zwingend auch mittels Einstellung der erforder-       Zusammenhang mit Störfallrisiken, die Zuläs-
                        lichen Unterlagen auf ein frei zugängliches Inter-    sigkeit von Ferienwohnungen und die Genehmi-
                        netportal zu führen. Auch der beschlossene Plan       gungsvorbehalte für Zweit- bzw. Nebenwohnun-
                        und die Begründung sind ins Internet einzustellen.    gen in Fremdenverkehrssatzungsgebieten. Als
                        Differenziertere Anforderungen ergeben sich auch      Ergebnis eines politischen Kompromisses wurde
                        für den Umweltbericht. Überzogene Anforderun-         auch eine Regelung in das Gesetz aufgenommen,
                        gen erscheinen aber bei Anwendung der bereits         die den Anwendungsbereich des beschleunigten
                        bestehenden Regelungen zum Umfang der Um-             Verfahrens befristet bis Ende 2019 auch auf klei-
                        weltprüfung vermeidbar zu sein.                       nere Außenbereichsvorhaben bis zu 10.000 Qua-
                                                                              dratmeter zulässige Grundfläche für Wohnungs-
                        Bereits im Vorfeld schlug die angekündigte Ein-       bauvorhaben eröffnet. Diese Regelung wurde im
Veröffentlichung:       führung eines „urbanen Gebietes“ als neuer Bau-       Planspiel kritisiert, u.a. weil sie undifferenziert
www.difu.de/11084
                        gebietstyp in der Baunutzungsverordnung Wellen.       auch die Mehrzahl von Gemeinden begünstigt, in
                        Die Erwartungen in Bezug auf die gewünschte           denen kein dringender Wohnbedarf besteht und
Veranstaltungen:        Entwicklung auch kleinteilig gemischter, zugleich     so dem generell gültigen Prinzip einer vorrangigen
www.difu.de/10891       hoch verdichteter urbaner Quartiere sind groß.        Innenentwicklung zuwiderläuft. So wird abzuwar-
                        Die vorgesehene Obergrenze für die bauliche           ten sein, wie groß der „Flurschaden“ am Ende
                        Dichte (zulässige Geschossfläche) entspricht der      denn tatsächlich sein wird.
Prof. Dr. Arno Bunzel   für das Kerngebiet. Die Anforderungen an den
+49 30 39001-238        Lärmschutz liegen am Tage unter denen in Mi-
bunzel@difu.de          schgebieten. Einige große Städte werden von der

                                                                                                                              11
Forschung & Publikationen
Berichte 2/2017

                           Online-Handel: Auswirkungen auf
                           Innenstadt, Stadtteil- und Ortszentrum
                           Studie zu Online-Handel in deutschen Städten zeigt mögliche räumliche Auswirkungen,
                           gibt Handlungsempfehlungen zu Instrumenten und Stategien, durch die die Entwicklung
                           in den Zentren positiv gestaltet und gesteuert werden kann.

                           Städte sind seit jeher die Zentren wirtschaftlicher,   Prognosen zur weiteren Entwicklung des On-
                           sozialer und kultureller Aktivitäten. Unter den        line-Handels sind schwer vorauszusagen. Je nach
                           verschiedenen städtischen Funktionen kam und           Branche werden die Entwicklungen sehr unter-
                           kommt dem Handel dabei eine besondere Rolle            schiedlich verlaufen. Auch für Stadtgrößen lassen
                           zu. Signifikante Veränderungen dieser Orte des         sich keine eindeutigen Aussagen treffen. Zu unter-
                           Handels wurden damit immer von Auswirkungen            schiedlich sind die jeweils individuellen Vorausset-
                           auf Stadt, Stadtgestalt und Lebensqualität in den      zungen einer Stadt durch ihre Lage im Raum, ihr
                           Städten begleitet. Seit mehr als 15 Jahren wird        regionales Umfeld, ihr touristisches Potenzial oder
                           über die Auswirkungen des Online-Handels disku-        Akteurskonstellationen innerhalb der Stadt.
                           tiert. Im Rahmen des Experimentellen Wohnungs-
                           und Städtebaus (ExWoSt) hat sich das Deutsche          Diese individuellen Ausgangslagen können dazu
                           Institut für Urbanistik (Difu) gemeinsam mit den       beitragen, dass eine Großstadt im Handelsbereich
                           Partnern BBE Handelsberatung und elaboratum,           nicht richtig „funktioniert“ oder eine Mittelstadt
                           München, im Auftrag des Bundesministeriums für         ein vitaler Handelsstandort bleibt. Mehrheitlich
                           Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit         werden jedoch Großstädte, die das vielfältigste
                           (BMUB), des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und       und differenzierteste Handelsangebot aufweisen,
                           Raumforschung (BBSR) sowie des Handelsver-             auch künftig „feste Anker der Handelslandschaft“
                           band Deutschland (HDE) mit den möglichen               sein. Für den Erlebniseinkauf werden weiterhin
                           räumlichen Auswirkungen von Online-Handel auf          Ausflüge in die Innenstädte gemacht werden.
                           Innenstädte, Stadtteil- und Ortszentren beschäf-       Dafür ist ein möglichst breit gefächertes und
                           tigt. Die Studienergebnisse wurden als BBSR-On-        vollständiges Branchenprofil wichtig, das ein
                           line-Publikation publiziert.                           attraktives Einkaufserlebnis verspricht. Auch sta-
                                                                                  gnierende bis schrumpfende Großstädte werden
                           Mittlerweile zeigt sich, dass der Trend zum On-        Trading-Down-Prozessen – infolge der Abwande-
                           line-Handel eine zunehmend größere Dynamik             rung von Handelsbetrieben und der Ausdünnung
                           entfaltet – und sich damit sehr vielschichtig auf      der Handelslandschaft – zumindest im innerstäd-
                           Stadt und Raum auswirkt. Der Online-Handel ist         tischen Kern eine gewisse Zeit widerstehen. Sie
                           jedoch nicht der Auslöser für Probleme des sta-        können aufgrund ihrer Größe von mehr „Subs-
                           tionären Handels. Dazu haben beispielsweise            tanz“ zehren.
                           auch die teils überdimensionierten Flächen-
                           ausweisungen der vergangenen Jahr(zehnt)e              Grundsätzlich wird für Mittelstädte eine größere
                           beigetragen – insbesondere an nicht-integrier-         Gefährdung durch Leerstände gesehen. Die Ein-
                           ten Standorten. Der Online-Handel ist jedoch           schätzungen gehen allerdings weit auseinander.
                           ein wichtiger Trendverstärker. Zu den weiteren         Sie reichen von „klare Verlierer des Strukturwan-
                           Einflussfaktoren zählen der demografische Wan-         dels“ bis hin zu „starke Standorte für Handels-
                           del, der Wertewandel sowie die Dynamiken des           wachstum“, da sie in einem weitgehend gesättig-
                           Immobilienmarktes.                                     ten Markt noch Expansionsmöglichkeiten bieten.

                           Der Online-Handel wächst weiter. Nach HDE-Da-          Für Kleinstädte werden mehrheitlich weitere
www.difu.de/11255          ten lag der Gesamtumsatz 2016 bei 44 Milliarden        Nachfrageverluste und eine Verschärfung der
                           Euro und wies damit ein Plus von elf Prozent ge-       Leerstandsproblematik erwartet. Diese Ange-
                           genüber dem Vorjahr auf. In einigen Bereichen          botslücken kann der Online-Handel zunehmend
                           ist die Wachstumsdynamik geringer geworden,            schließen, Online-Angebote können unter be-
Prof. Martin zur Nedden    beispielsweise bei Unterhaltungselektronik und         stimmten Voraussetzungen (z.B. Logistik, Pro-
+49 30 39001-214
                           Büchern. In anderen Warengruppen beginnt das           fitabilität) eine Alternative in der Versorgung
zurnedden@difu.de
                           Wachstum hingegen gerade erst, zum Beispiel            darstellen.
                           beim Heimwerkerbedarf oder Autozubehör. Weit-
Dr. Beate Hollbach-
Grömig                     gehend offen ist noch die Frage, wie sich der          Städte und Gemeinden sind in vielfältiger Art und
+49 30 39001-293           Online-Einkauf von Lebensmitteln vermutlich ent-       Weise aktiv, um die Rahmenbedingungen für at-
hollbach-groemig@difu.de   wickeln wird.                                          traktive Innenstädte und Stadtteilzentren positiv

12
Forschung & Publikationen
                                                                                         Berichte 2/2017

zu gestalten. Überwiegend handelt es sich dabei
nicht um grundlegend neue und am Online-Han-
del ausgerichtete Aktivitäten. Neu sind allerdings
der Handlungsdruck für bestimmte Akteure, ihre
Rolle in der Gestaltung von Stadt und Handel und
die Notwendigkeit einer intensiveren Kooperation.
Die vorhandenen Instrumente müssen anders
eingesetzt und um Bausteine, die die aktuellen
Herausforderungen berücksichtigen, erweitert
werden. Die Handlungsmöglichkeiten umfassen
regulativ-planerische, investive ebenso wie eher
weiche, kooperativ-kommunikativ angelegte
Instrumente. Sie reichen von der Erarbeitung
von Einzelhandels- und Zentrenkonzepten, über
Marketingaktivitäten, die Verbesserung der Er-
reichbarkeit und die Gestaltung des öffentlichen
Raums bis hin zur Entwicklung von Online-Stadt-
portalen.
Vor allem Maßnahmen im öffentlichen Raum, die
dazu beitragen, Innenstädte, Stadt- und Ortsteil-
zentren so interessant zu machen, dass Menschen
sich dort gern aufhalten, gelten als notwendig und

                                                                                                     Foto: Busso Grabow
wichtig. Das Stärken des Wohnens in den städti-
schen Zentren ist eine wichtige Maßnahme, um
Innenstädte attraktiver zu gestalten. Auch andere
Nutzungen, jenseits des Handels, werden zuneh-
mend diskutiert.
                                                      bearbeiteten Handlungsfeld wahrgenommen.
Gefragt ist auch der Einzelhandel selbst. Hier geht   Festgestellt wird allerdings auch: Online-Handel
es vor allem um eine ansprechendere Gestaltung        entzieht sich der kommunalen Steuerung. Aber
der Ladenfronten und Schaufenster, aber auch          auch andere Rechtsbereiche wie das Gewer-
um mehr Service, geschultes Personal und eine         berecht (Ladenschlussgesetz, Europarecht mit
aktivere Nutzung der Chancen der Digitalisierung,     einem Abbau von Hürden im grenzüberschreiten-
etwa im Hinblick auf Prozessverbesserungen            den Handel) sind für den Abbau der Unterschiede
in der Warenwirtschaft, Internetangebote, On-         zwischen stationärem und Online-Handel mindes-
line-Marketing oder Kundenbindung. Die Immo-          tens ebenso entscheidend.
bilienwirtschaft ist ein wichtiger Akteur in Fragen
der Innenstadtgestaltung, der mit seinen spezifi-     Das komplexe Wirkungsgefüge und die damit
schen Interessen oft nicht einfach einzubinden ist.   verbundenen Herausforderungen können – dies
Instrumente wie Business Improvement Districts        macht die Studie deutlich – nur durch Strategien
(BID), die darauf zielen, auch Immobilieneigen-       einer integrierten Stadtentwicklungspolitik mit
tümer zu einer anteiligen Mitfinanzierung von         dem Ziel der Gewährleistung einer gemeinwohl-
Maßnahmen der Stadtgestaltung zu verpflichten,        orientierten Zukunft für die Städte erfolgreich
können hierbei ein wichtiges Instrument sein.         bewältigt werden. Das Thema „Einzelhandel“ –
                                                      analog und digital – muss dabei seiner zentralen
Gewerberecht und Planungsrecht bestimmen den          Bedeutung entsprechend gewürdigt werden. Dies
rechtlichen Rahmen, an den sich stationärer und       gilt für die Ebene des Bundes, der Länder und der
Online-Handel halten müssen. Für die öffentliche      Kommunen gleichermaßen.
Hand wird immer wieder ein großer Handlungs-
bedarf im Planungsrecht auf einem bisher kaum

                                                                                                      13
Forschung & Publikationen
Berichte 2/2017

                           Investitionen der Kommunen moderat
                           gestiegen
                           Befragung von rund 3700 Landkreisen, Städten und Gemeinden: Neues KfW-Kommunal-
                           panel 2017 zeigt leichten Rückgang des kommunalen Investitionsbedarfs in einem nach
                           wie vor sehr heterogenen Umfeld.

                           Sonstiges   6%  (7,6 Mrd.)
                                                                                                         Straßen und Verkehrsinfrastruktur   27%  (34 Mrd.)
                           Informationsinfrastruktur   4%  (5,6 Mrd.)
                                                                                                         ÖPNV   1%  (1,3 Mrd.)
                           Wohnungswirtschaft   4%  (4,5 Mrd.)
                                                                                                         Öffentliche Verwaltungsgebäude   9%  (11,3 Mrd.)
                           Gesundheitsinfrastruktur 2%
                           (3 Mrd.)                                                                      Energieerzeugung und ‑versorgung   0,3%  (0,4 Mrd.)
                                                                         Insgesamt
                           Sportstätten, Bäder   8%                                                      Abfallwirtschaft   0,8%  (0,98 Mrd.)
                           (9,7 Mrd.)
                                                                        126 Mrd. Euro
Investionsrückstand 2016   Kultur   2%  (2,1 Mrd.)
in Mrd. Euro Hochrech-                                                                                   Wasserver- und ‑entsorgung   7%  (8,6 Mrd.)
                           Kinderbetreuung   4%  (4,6 Mrd.)
nungen für Gemeinden
                                                                                                         Schulen, Erwachsenenbildung   26%  (32,8 Mrd.)
und Landkreise.

                           Im Mai 2017 veröffentlichte das Difu zusammen                Insgesamt planen die befragten Kommunen eine
                           mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau erneut das            Steigerung ihrer Investitionen um etwa 15 Pro-
                           „KfW-Kommunalpanel“. Die groß angelegte Be-                  zent. So waren für 2016 rund 30,8 Mrd. Euro
                           fragung von über 3.700 Landkreisen, Städten und              eingeplant, für 2017 sollen es sogar 31,7 Mrd.
                           Gemeinden zeigte – nach 2012 – erstmals wieder               Euro sein. Die tatsächlich verausgabten Investiti-
                           einen leichten Rückgang bei den kommunalen                   onsausgaben lagen in der Vergangenheit jedoch
                           Investitionsrückständen. In der Hochrechnung für             stets unter den Planungen. Selbst ein wachsender
                           alle Kommunen ab 2.000 Einwohner beträgt die-                Teil an Kommunen, die den Haushaltsausgleich
                           ser 126 Mrd. Euro (2016: 136 Mrd. Euro).                     derzeit nicht schafft bzw. sogar einem Haushalts-
                                                                                        sicherungskonzept unterliegt, beabsichtigt, die
                           Dabei bestehen die höchsten Nachhol- und Ersatz-             eigenen Investitionsausgaben 2016 und 2017 zu
                           bedarfe nach wie vor in den Bereichen Straßen-               steigern. Der vergleichsweise moderate Anstieg
                           und Verkehrsinfrastruktur (34 Mrd. Euro) sowie               der Investitionsausgaben – in Relation zum er-
                           Schulen einschließlich der Erwachsenenbildung                mittelten Investitionsrückstand – verweist darauf,
                           (32,8 Mrd. Euro). Mit Abstand folgen die Bereiche            dass das Maß der öffentlichen Investitionstätigkeit
                           öffentliche Gebäude (11,3 Mrd. Euro), Sportstätten           auch von der Verfügbarkeit öffentlicher Planungs-
                           und Bäder (9,7 Mrd. Euro) sowie Wasserver- und               kapazitäten sowie vom Auslastungsgrad des pri-
                           -entsorgung (8,6 Mrd. Euro). Ein erkennbarer Zu-             vaten Baugewerbes abhängt. Zeitlich befristete
                           wachs bei den ungedeckten Investitionsbedarfen               Investitionsförderprogramme von Bund und Län-
                           ist im Bereich Wohnungswesen zu verzeichnen,                 dern schaffen deshalb vor allem für finanz- und
                           während in vielen kleineren Aufgabenbereichen                strukturschwächere Kommunen keine hinrei-
                           leichte Rückgänge zu beobachten sind. Immerhin               chende Planungssicherheit. Zur Finanzierung ihrer
                           erwarten 35 Prozent der befragten Kommunen für               Investitionstätigkeit greifen die Landkreise, Städte
                           die nächsten fünf Jahre einen weiter sinkenden               und Gemeinden nach wie vor in erster Linie auf
                           Investitionsrückstand, während 20 Prozent von                allgemeine Deckungsmittel sowie Kommunalkre-
                           einem weiteren Anstieg ausgehen. Insbesondere in             dite zurück. 2016 wurden rund 65 Prozent aller
                           den Bereichen Schulen und Kitas geht eine relative           Investitionen mit Hilfe dieser beiden Instrumente
                           Mehrheit von einem Abbau des Investitionsstaus               finanziert. Dabei geht rund ein Drittel der befrag-
                           aus. Diese Entwicklungen lassen sich auf die ins-            ten Kommunen davon aus, dass der Kommunal-
                           gesamt positive Finanz- und Haushaltslage der                kredit in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen
                           Kommunen in den vergangenen zwölf Monaten                    wird – wie auch die von den Kommunen zu bean-
                           zurückführen: Schuldenstand, Kassenkredite und               tragenden Fördermittel. Obwohl beispielsweise
www.difu.de/11241
                           Zinsausgaben konnten 2016 in der Summe leicht                die größeren Städte immerhin zu 21 Prozent
                           zurückgeführt werden. Auch der Ausgabenanstieg               Kommunalkredite zur Investitionsfinanzierung
                           war moderat, so dass im dritten Jahr in Folge ein            benutzen, können die Kommunen das derzeit
Dr. Henrik Scheller        Finanzierungsüberschuss erzielt werden konnte.               niedrige Zinsniveau offenbar nicht systematisch
+49 30 39001-295           Trotzdem bestehen die seit Jahren konstatierten              zur „Hebelung“ von zusätzlichen Investitionen in
scheller@difu.de           Disparitäten zwischen den Kommunen fort.                     die Infrastruktur verwenden.

14
Forschung & Publikationen
                                                                                                             Berichte 2/2017

                     Das 3x3 einer guten Öffentlichkeits-
                     beteiligung bei Großprojekten
                     Vom Difu erarbeitete Handlungsempfehlungen sollen dazu beitragen, Diskurse zwischen
                     den Beteiligten anzustoßen, Veränderungen in der Praxis der Öffentlichkeitsbeteiligung zu
                     initiieren und erforderliche Reformen einzelner Verfahrensschritte einzuleiten.

                     Nicht erst seit „Stuttgart 21“ stehen Defizite der   • Verzahnung von informeller Öffentlichkeits-
                     bisherigen Beteiligungspraxis bei Planungs- und        beteiligung und formellem Planungs- und
                     Bauvorhaben in Deutschland in der Diskussion.          Genehmigungsprozess,
                     Insbesondere Verzögerungen und Scheitern             • Rolle und Zusammenspiel von Vorhabenträgern
                     von Infrastruktur-Großprojekten sowie anderer          und Genehmigungsbehörden sowie
                     umweltrelevanter Vorhaben haben die Aufmerk-         • Adressaten der Öffentlichkeitsbeteiligung:
                     samkeit auf die fachliche und strategische Vorbe-      Repräsentanz, Aufgaben und Rolle der
                     reitung derartiger Projekte gelenkt. In aktuellen      Zivilgesellschaft.
                     Debatten werden daher neue Formen einer um-
                     fassenden und intensiven Öffentlichkeitsbeteili-
                     gung an Planungsprozessen gefordert. Besondere
                     Erwartungen richten sich auf informelle Prozesse
                     in Beteiligungsverfahren. Informelle Verfahren
                     bieten eine gute Möglichkeit mitzuwirken und mit-
                     zugestalten. Sie besitzen große Gestaltungsspiel-
                     räume und damit Flexibilität, um auf spezifische
                     Anforderungen eingehen zu können – allerdings

                                                                                                                         Quelle: Peter Himsel
                     fehlt ihnen häufig die Verbindlichkeit bei der Um-
                     setzung ihrer Ergebnisse. Hierfür müssen sie mit
                     Blick auf Frühzeitigkeit, Augenhöhe und Transpa-
                     renz verbessert und mit formalen Planungs- oder
                     Genehmigungsverfahren sinnvoll verzahnt wer-
                     den. Dies wiederum erfordert, vorhandene Ko-         Fünf Projekte wurden als Fallstudien untersucht.
                     operationsstrukturen und -kulturen zu verändern.     Hier standen die unterschiedlichen Perspektiven
                     Schließlich geht es um neue Prozesse und ein         und Bewertungen insbesondere von Vorhabenträ-
                     gewandeltes Miteinander von Verwaltung, Politik,     gern, Genehmigungsbehörden, (Umwelt-)Verbän-
                     Vorhabenträger und Bürgerschaft. Das heißt auch,     den und Bürgerinitiativen im Mittelpunkt. Beson-
                     dass Akteure wie Vorhabenträger oder Geneh-          dere Sorgfalt wurde auf die Dokumentation der
                     migungsbehörden ihr Selbstverständnis hinter-        unterschiedlichen Sichtweisen der verschiedenen
                     fragen und womöglich andere Rollen als bisher        Akteursgruppen gelegt. So wurden Wahrneh-
                     übernehmen.                                          mungs- und Interpretationsdifferenzen erkannt
                                                                          und konnten hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf
                     Wie dies gelingen kann, zeigen die Handlungs-        den Beteiligungsprozess und mit Blick auf grund-
                     empfehlungen „Das 3x3 einer guten Öffent-            legende Defizite der vorhandenen Beteiligungs-
                     lichkeitsbeteiligung bei Großprojekten“ zur          praxis analysiert werden.
                     künftigen Praxis der Öffentlichkeitsbeteiligung
                     bei umweltrelevanten Vorhaben. Die darin enthal-     Auf der Basis dieser Ergebnisse wurden Verän-
                     tenen neun Botschaften sind Kernaussagen des         derungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten der
                     Forschungsvorhabens „Beteiligungsverfahren           Beteiligungsverfahren bei umweltrelevanten Vor-
                     bei umweltrelevanten Vorhaben“. Das Deutsche         haben identifiziert, Handlungsempfehlungen abge-
                     Institut für Urbanistik (Difu) untersuchte im Auf-   leitet und in Botschaften zusammengeführt. Diese
                     trag des Umweltbundesamtes (UBA) von 2014 bis        geben Hinweise, wie Vorhabenträger die Prozesse
                     2017 zwanzig Beteiligungsprozesse zu umwelt-         der Öffentlichkeitsbeteiligung verbessern und Kon-
www.bit.ly/2oN6bNl   relevanten Vorhaben. Ziel war es, die Öffentlich-    flikten begegnen können. Sie unterbreiten zudem
                     keitsbeteiligung bei umweltrelevanten Vorhaben       Vorschläge, wie Vorhabenträger und Genehmi-
                     inhaltlich weiterzuentwickeln und deren Transpa-     gungsbehörden ein Akteursbündnis für Öffentlich-
                     renz, Verbindlichkeit und Kontinuität zu vergrö-     keitsbeteiligung schmieden können. Und sie ent-
Dr. rer. pol.
Stephanie Bock       ßern. Ausgewählt wurden Beteiligungsverfahren        halten Aussagen, wie diese Beteiligung gelingt.
+49 30 39001-189     mit beispielhaften Lösungsmodellen für die drei
bock@difu.de         Schwerpunkte des Forschungsvorhabens:

                                                                                                                          15
Forschung & Publikationen
Berichte 2/2017

                            Sichere Quartiere durch gute
                            Zusammenarbeit aller Akteure
                            Neue Veröffentlichung gibt Tipps und nennt praktische Beispiele für die Zusammenarbeit
                            von Polizei, Wohnungsunternehmen und Kommunen zur Erhöhung der Sicherheit in den
                            Quartieren.

                            Neben vielen anderen Faktoren beeinflusst Si-           und Kommune für sichere und lebenswerte Quar-
                            cherheit die Lebensqualität in den Quartieren.          tiere mancherorts noch unerprobt. Kontakte und
                            Bürger orientieren sich selten an den Aussagen          Routinen bestehen nur vereinzelt und sporadisch.
                            von Kriminalstatistiken, also der registrierten Kri-    Oft werden wichtige Akteure nicht rechtzeitig
                            minalität. Eigene Erfahrungen, Schilderungen an-        einbezogen, Potenziale und Synergien zu spät
                            derer, Medienberichterstattung und Informationen        erkannt.
                            aus dem Internet prägen das Bild von Sicherheit
                            und Unsicherheit in den Städten. Das Gefühl und
                            die Gewissheit, sich im unmittelbaren Wohnum-
                            feld frei und sicher bewegen zu können, ist die
                            Grundlage dafür, sich dort auch wohlzufühlen,
                            nachbarschaftliche Kontakte zu entwickeln und
                            Verantwortung füreinander und für das Wohnum-
                            feld zu übernehmen.

                                                                                                                                 Foto: Dr. Anke Schröder
                            Der Begriff der Sicherheit umfasst mehr als den
                            reinen Schutz vor Kriminalität. Es geht auch um
                            die gefühlte und wahrgenommene Sicherheit.
                            Sicherheit ist damit Teil eines umfassenden Ziels:
                            Qualitätsvolle öffentliche Räume für alle Nutzer
                            sowie lebenswerte Städte und Quartiere zu schaf-        Zusammen mit dem Landeskriminalamt
                            fen. Baulich-gestalterische, soziale und regulatori-    Niedersachsen hat das Deutsche Institut für Ur-
                            sche Einflüsse wirken gleichzeitig auf das Quartier.    banistik eine Handreichung für die Sicherheit im
                            Diese Bandbreite macht deutlich, dass nicht nur         Wohnumfeld und in der Nachbarschaft entwickelt,
                            ein Akteur allein für die Sicherheit im Wohnum-         die Impulse für die Zusammenarbeit von Polizei,
                            feld zuständig ist. Erforderlich ist vielmehr die       Wohnungsunternehmen und Kommune geben
                            Zusammenarbeit einer Vielzahl von Akteuren. In          soll. Die Broschüre ist im Rahmen des vom Bun-
                            Wohnumfeld betrifft dies maßgeblich die Aufga-          desministerium für Bildung und Forschung geför-
                            benbereiche von Polizei, Wohnungsunternehmen            derten Forschungsprojekts „Kriminalprävention
                            und Kommunen. Weitere Akteure wie soziale Ins-          für ein sicheres Wohnumfeld – Transdisziplinäre
                            titutionen, lokale Gewerbetreibende und natürlich       Sicherheitsstrategien für Polizei, Wohnungsun-
                            die Bürger selbst kommen hinzu.                         ternehmen und Kommunen (transit)“ erarbeitet
                                                                                    worden. Neben Darstellungen von sozialen und
                            Um die Lebensqualität im Quartier zu verbessern,        sozialräumlichen Aspekten, baulich-planerischen
                            ist die Zusammenarbeit dieser Akteure eine wich-        Maßnahmen, Verfahren und Strukturen für ein
                            tige Rahmenbedingung. Die interdisziplinäre Be-         sicheres Wohnumfeld enthält sie praktische
                            trachtung hilft, Ursachen und Zusammenhänge von         Beispiele für die Zusammenarbeit in den Städten.
                            Unsicherheiten zu verstehen. Erst das gemeinsame
                            Entwickeln von Handlungsstrategien und Maßnah-
Ilmweg-Spielplatz,          men schafft nachhaltig wirksame Lösungen. Dabei
Hannover                    muss klar sein: Nicht jeder Nutzungskonflikt ist eine
                            Verletzung der öffentlichen Ordnung, und nicht jede
                            verunsichernde „Grenzüberschreitung“ kann als kri-
                            minell angesehen werden.
www.difu.de/11200

                            Obwohl sich in den letzten Jahren ein umfangrei-
                            ches Spektrum kommunaler Präventionsgremien
Dr. Holger Floeting         entwickelt hat und es immer wieder gute Beispiele
+49 30 39001-221            für gemeinsame Lösungswege gibt, ist die Zusam-
urbane-sicherheit@difu.de   menarbeit von Polizei, Wohnungsunternehmen

16
Sie können auch lesen