Das Magazin des Difu 2/2017 - Das Magazin des Difu, 2/2017
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2/2017 Das Magazin des Difu Aus dem Inhalt 4 Standpunkt Gekoppelte Infrastrukturen sind nicht nur eine technische Herausforderung 11Forschung & Publikationen Städtebaurechtsnovelle 2016/2017 im Planspieltest 28 Neue Projekte Neuer Bundeswettbewerb: Zusammenleben Hand in Hand 31 Veranstaltungen Inklusion in Schulen – vom Konzept zur Investition
Editorial Neue Projekte 28 Bundeswettbewerb „Zusammenleben Standpunkt Hand in Hand – Kommunen gestalten“ 4 Gekoppelte Infrastrukturen sind nicht 28 Neue Servicestelle unterstützt nur eine technische Herausforderung Kommunen bei Ressourceneffizienz Forschung & Publikationen Veranstaltungen 6 Wasserinfrastruktur der Zukunft: 29 Veranstaltungsvorschau Den Wandel vorausschauend 30 Vielfalt leben: Innenstädte sind gestalten wichtige Begegnungsorte 8 Neuartige Wasserinfrastrukturen 31 Inklusion in Schulen: Vom Konzept in die Praxis bringen zur Investition 10 Wasserinfrastrukturen für die zukunftsfähige Stadt Nachrichten & Service 11 Städtebaurechtsnovelle 2016/2017 17 Neue Veröffentlichungen im Planspieltest 19 Difu-Service für Zuwender: Vielfältige 12 Online-Handel: Auswirkungen auf Angebote für Kommunen Innenstadt, Stadtteil- und Ortszentrum 20 Impressum 14 KfW-Kommunalpanel: Investitionen 26 Was ist eigentlich … Transformation? der Kommunen moderat gestiegen 32 Difu-Intern: Abschied und Neubeginn 15 Das 3x3 einer guten Öffentlichkeits- 33 Difu aktiv beteiligung bei Großprojekten 34 Neues im Difu-Inter-/Extranet 16 Sichere Quartiere durch gute 35 Difu-Mediennachlese Zusammenarbeit aller Akteure 22 Praxisratgeber Klimagerechtes Bauen: Tipps für Kommunen und Privatleute 23 Kommunen präsentieren vorbildliche Beispiele für erneuerbare Wärme 24 Interkommunale Kooperation: Wann profitieren Kommunen und Klima? 25 Kommunaler Klimaschutz: Breiten- wirkung ist für den Erfolg wichtig 27 Pedelecs: Praxisleitfaden unterstützt Kommunen, Wirtschaft und Private
Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, „Heul‘ doch!“ – wanna cry – bekamen die von der jüngsten Trojaner-Attacke Betroffenen zu lesen, zusammen mit der Aufforderung Lösegeld zu zahlen, um wieder Zugang zu den eigenen Daten zu erhalten. Betroffen waren dadurch auch hochsensible Infrastrukturen, wie Krankenhäuser in Großbritannien oder der Bahnverkehr in Deutschland. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfahl kürzlich der Bevölkerung in Deutschland, auf einen Fotos: David Ausserhofer möglichen Krisenfall vorbereitet zu sein, sollte beispielsweise die Strom- oder Wasserversorgung ausfallen. In solchen Fällen solle man zwei Wochen lang autark leben können. Für eine vierköpfige Familie bedeutet dies, eine große Menge halt- barer Lebensmittel und rund 100 Liter Trinkwasser in der Wohnung zu lagern. Allein diese Beispiele verdeutlichen, wie (überlebens)wichtig verlässliche, resiliente Infrastrukturen sind. Und dabei geht es nicht nur um den Erhalt und die Erneue- rung. Mit Blick auf die demografische Entwicklung, den Klimawandel und die Digitalisierung nahezu sämtlicher Lebensbereiche sind die Kommunen gefordert, zugleich den laufenden Prozess einer urbanen Transformation zu meistern. Mit dieser zukunftsorientierten Thematik beschäftigen sich gleich mehrere Beiträge im neuen Berichte-Heft: Die Wasserinfrastruktur bildet dabei einen Schwerpunkt, aber auch andere Beiträge berühren die kommunale Infrastruktur: Online-Handel, Mobilität, die Städtebaurechtsnovelle, klimagerechtes Bauen und nicht zuletzt das neue KfW-Kommunalpanel sind weitere Themen. Es würde uns freuen, wenn Sie von den Beiträgen und vertiefenden Infos auf unserer Website profitieren. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre! Es grüßen herzlich Professor Martin zur Nedden Dr. Busso Grabow Wissenschaftlicher Direktor, Geschäftsführer Geschäftsführer 3
Standpunkt Berichte 2/2017 Gekoppelte Infrastrukturen sind nicht nur eine technische Herausforderung Infrastrukturkopplungen gibt es seit langem. Neu ist die durch Informations- und Kommunikationstechnologien, Energiewende und Klimawandel ausgelöste Dynamik des engeren Zusammenwachsens von Infrastrukturen, die sich im städtischen Raum auswirkt. Wenn über die weitere Entwicklung technischer Stromversorgung. Auch Kopplungen zwischen Infrastrukturen gesprochen wird, so ist neuerdings Teilsektoren innerhalb eines Sektors sind lange oft von gekoppelten Systemen oder Sektorkopp- bekannt, beispielsweise die Kopplung zwischen lung die Rede. Doch was bedeutet eigentlich Stromerzeugung und Stromverteilung. Neu sind „Kopplung“ und was hat dies mit Stadtentwick- die rasant steigende Abhängigkeit von Strom lung zu tun? Von einer Kopplung von Infrastruktu- und Information sowie die zunehmend wechsel- ren kann gesprochen werden, wenn mindestens seitige Abhängigkeit sowohl zwischen Sektoren, zwei Infrastrukturen in Abhängigkeit zueinander Teilsektoren und sektorübergreifenden Teilsek- bestehen bzw. miteinander interagieren. Eine sol- toren. In diesem Zusammenhang wird heute von che Kopplung kann einseitig sein, also wenn eine Sektorkopplung (oder auch Sektorenkopplung) Infrastruktur von der anderen abhängig ist, oder gesprochen und der Begriff meist auf die Bereiche gegenseitig, wenn beide Infrastrukturen wechsel- Elektrizität, Wärme/Kälte und Verkehr (vor allem seitig voneinander abhängig sind. Elektrofahrzeuge) bezogen. Infrastrukturkopplungen können unterschiedlich Die Gründe für die zunehmende Bedeutung von tief ausgeprägt sein. Zunächst geht es um die Ver- infrastrukturellen Kopplungen liegen einerseits in bindung zwischen verschiedenen Infrastruktursek- den Grunddienstleistungen, die Infrastrukturen für toren wie etwa Energie, Verkehr, Abfall, Siedlungs- die Allgemeinheit erbringen sollen. Strom, Wärme, wasserwirtschaft oder dem Informations- und Daten usw. sollen universell, kontinuierlich und an Kommunikationssektor. Im Weiteren geht es aber jedem Ort zur Verfügung stehen. Damit diese Ver- um Kopplungen von Teilsektoren, beispielsweise sorgungssicherheit auch in Zukunft gewährleistet Strom und Wärme im Rahmen der Kraft-Wärme- ist, müssen Systeme so aufgebaut sein, dass eine Kopplung, oder – noch spezifischer – innerhalb Unterbrechung der Leistungsbereitstellung nahe- eines Teilsektors, etwa von Anlagen der Strom- zu ausgeschlossen ist. Dies wird gewährleistet, erzeugung und Anlagen der Stromspeicherung. indem Erzeugungsanlagen redundant, also mit Auch Teilsektoren verschiedener Infrastrukturen ausreichender Reservekapazität geplant, mit an- können miteinander gekoppelt sein, etwa bei deren Anlagen vernetzt und mit ausreichend Spei- direktelektrischen Antrieben oder wenn Strom- cherkapazität verbunden werden. Kopplung sorgt überschüsse aus Erneuerbare-Energien-Anlagen also gleichermaßen für stabile Versorgung auch gewandelt und damit unterschiedliche Nutzungen dann, wenn einzelne erneuerbare Energien (etwa ermöglicht werden. Beim letzteren Beispiel ist oft Wind- oder Solarenergie) aufgrund unterschied- von Power-to-X (Power-to-Heat, Power-to-Gas, licher Witterungsbedingungen nicht ständig zur Power-to-Liquid usw.) die Rede. Bei diesen Ver- Verfügung stehen. Sie sorgt zugleich aber auch bindungen handelt es sich um technisch-funktio- für eine umfassende Integration von erneuerbaren nale Kopplungen im Sinne der Abhängigkeit einer Energien und Synergieeffekte zwischen Sektoren. Infrastruktur vom Energie- und Materialfluss einer anderen Infrastruktur. Solche Kopplungen stehen Sektorübergreifende Kopplungen gewinnen ande- in einem zeitlichen wie räumlichen Zusammen- rerseits aber auch in anderen Zusammenhängen hang. Vor allem aber ist es die Digitalisierung, die an Relevanz. So sind Klimaanpassungsmaßnah- Foto: David Ausserhofer zu einem verstärkten Kommunikations- und Infor- men zunehmend ein Auslöser für neuartige Kopp- mationsfluss zwischen Infrastrukturen und damit lungen, etwa wenn es darum geht, bei Starkregen vielfältig neuen, letztlich auch organisatorischen eine nur gedrosselte Ableitung über die Kanalisa- Zusammenschlüssen führt. tion sicherzustellen und Regenwasser auf öffentli- chen Grünflächen zu speichern und zu versickern. Kopplungen zwischen Infrastruktursektoren gibt es seit Langem. Im Zentrum steht dabei der Intelligente („smarte“) Technologien ermöglichen Energiesektor, von dem andere stadttechnische neue Verknüpfungspunkte und helfen, Infrastruk- Dr. Jens Libbe Systeme abhängig sind. Keine S-Bahn oder turen ganz anders zu steuern. So bedarf es heute +49 30 39001-115 Straßenbahn, keine Wasserversorgung oder Ab- viel weniger als in der Vergangenheit einer Ener- libbe@difu.de wasserbehandlung ohne die dafür notwendige gieversorgung mit sehr großen Reservekapazitäten 4
Standpunkt Berichte 2/2017 auf der Angebotsseite. Stattdessen kann sowohl regenerative Wärmeversorgung oder die Integra- die Einspeisung und Speicherung von Energie als tion von Fahrzeugspeichern in die intelligente auch der Verbrauch bedarfsgerecht über intelli- Stromnetzsteuerung. All diese Kopplungen finden gente Netze („Smart Grid“) geregelt werden. Auf in Städten und oft auch im öffentlichen Raum diese Weise kann auch die Widerstandsfähigkeit statt. Die Auseinandersetzung um Ladestationen von Infrastrukturen erhöht werden, da die Versor- für Elektroautos zeigte in den letzten Jahren, dass gung nicht von einer einzigen Versorgungsanlage erhebliche Zielkonflikte zwischen öffentlichen und oder einem einzelnen Versorgungssystem abhän- privatwirtschaftlichen Interessen auftreten kön- gig ist. Die Kopplung und damit die Kombination nen. Politische und planerische Ziele sind daher verschiedener Teilsysteme gewährleistet, dass auf notwendig, um stadträumlich und infrastrukturell Ausfälle besser reagiert werden kann. passfähige Abwägungen vornehmen zu können. Die spezifischen Kopplungen lassen sich nicht zum Weiterlesen Infrastrukturkopplungen führen aber auch zu An- pauschal beurteilen. Kriterien sind solche der Agentur für Erneuerbare passungen der infrastrukturellen Mengengerüste. Energie-, Ressourcen- und Flächeneffizienz, der Energien (Hrsg.): Flexibilität Der großräumigen Übertragung etwa von Strom wirtschaftlichen Tragfähigkeit und der sozialen durch Kopplung von Strom, auf Hochspannungsnetzebene stehen Tendenzen Akzeptanz. In der Debatte um „kritische“ Infra- Wärme und Verkehr. Berlin einer kleinräumigen „zellulären“ Versorgungsphi- strukturen sind zudem mögliche Risiken im Sinne 2016. losophie gegenüber, bei der abhängig von lokalen eines kaskadenförmigen Ausfalls von Teilsystemen www.bit.ly/2r47dRH Gegebenheiten quasi autonome Versorgungs- infolge von Extremereignissen zu berücksichtigen. strukturen geschaffen werden. Das heißt, an die Schwan, Gesine, Katja Stelle großer gekoppelter Verbünde treten klein- Die enger werdenden Kopplungen zwischen den Treichel und Anne Höh: räumige Verknüpfungen in lokalen Netzen („Micro Infrastrukturen haben aber auch Einfluss auf Sektorkopplung – von der Stromwende zur Energie- Smart Grid“) auf der Ebene von Ortsteilen, Quar- sektorale Zuschnitte der kommunalen Daseins- wende. Berlin 2016 tieren oder gar Gebäuden. Lernende Algorithmen vorsorge. Die Stadtwerke als Stromversorger (HUMBOLDT-VIADRINA sorgen dabei für die notwendige Stabilität des de- haben daher begonnen, ihre Geschäftsmodelle Governance Platform). zentralen Systems. Damit ist eine größere Vielfalt zu überprüfen und neue Dienstleistungsangebote an möglichen Kopplungen verbunden, was Fragen zu entwickeln. Doch auch die anderen Sektoren Quaschning, Volker: Sektor- sowohl in Hinblick auf die geeignete Maßstabs- sind betroffen: Kein kommunales Verkehrsunter- kopplung durch die Energie- ebene von Kopplungen als auch in Hinblick auf eine nehmen wird es sich beispielsweise künftig noch wende. Anforderungen an flächendeckende Versorgungssicherheit aufwirft. erlauben können, die digitalen Möglichkeiten für den Ausbau erneuerbarer intermodale, nachfrageorientierte Mobilitätsange- Energien zum Erreichen der Die neuen und vielfältig engeren Kopplungen bote und deren auch technische Verknüpfung zu Pariser Klimaschutzziele stellen eine Herausforderung für die Stadt- und vernachlässigen. Und jeder kommunale Abwasser- unter Berücksichtigung der Sektorkopplung. Berlin Infrastrukturentwicklung dar, egal ob für die Nut- entsorger wird seinen Beitrag zur örtlichen Ener- 2016 (HTW-Hochschule für zung von Energie- und Abwärme aus Abwasser gieversorgung und zur maximalen Steigerung der Technik und Wirtschaft). und Abfall, den Umstieg von einer fossilen auf eine Energie- und Ressourceneffizienz leisten müssen. 5
Forschung & Publikationen Berichte 2/2017 Wasserinfrastruktur der Zukunft: Den Wandel vorausschauend gestalten Der Forschungsverbund netWORKS 3 widmete sich neuartigen Wasserinfrastrukturen: Technische Varianten, räumliche Potenziale und institutionelle Spielräume wurden zur Entwicklung von Zukunftskonzepten für die Wasserinfrastruktur in den Blick genommen. Die Auswirkungen des Klimawandels belasten entsteht ein differenziertes System, das sowohl die Städte zunehmend: Häufiger auftretender in einer flexibleren Formenvielfalt an technischen Starkregen und auch die Zunahme von Hitzeta- Systemvarianten als auch in veränderten, facet- gen wirken sich – in Form von Überflutungen und tenreichen Kooperations- und Organisationsfor- Auslastungsschwankungen – auf die technischen men zum Ausdruck kommt. Die Wasserinfrastruk- Systeme in den Städten aus. Zusätzlich werden tur wird sich daher zukünftig durch Kombination, demografische Effekte wirksam. Die Steigerung Diversifizierung und Koexistenz verschiedener der Energie- und Ressourceneffizienz in der Systeme auszeichnen. Siedlungswasserwirtschaft wie auch die Nutzung erneuerbarer Energien gewinnen weiter an Bedeu- Um das jeweils optimale technische System für tung. In Anbetracht dieser sich verändernden Rah- eine Kommune oder die ideale Systemvariante für menbedingungen gilt es, die Infrastruktursysteme jede einzelne bauliche Maßnahme zu bestimmen, der Wasserver- und Abwasserentsorgung an die bedarf es einer Fall-zu-Fall-Prüfung auf Ebene sich wandelnden Herausforderungen anzupassen. der Kommune bzw. der einzelnen städtebaulichen Maßnahme. Dabei ist wichtig, dass die Kommu- Dabei wird das traditionelle Bild von Siedlungs- nen im Rahmen ihrer Planungshoheit und Ver- wasserwirtschaft mit Blick auf die skizzierten antwortung für die lokale Daseinsvorsorge diesen Veränderungen der Rahmenbedingungen nicht Gestaltungsanspruch annehmen. Sie sind prädes- grundsätzlich infrage gestellt. Jedoch ist zu prü- tiniert und legitimiert, den Transformationsprozess fen, ob die vorhandenen technischen Systeme, die im Gemeinwohlinteresse zu koordinieren. institutionellen Strukturen und gängigen Orga- nisationsformen noch passen, um den sich wan- Ohne die Ämter für Stadtentwicklung und kom- delnden Anforderungen zu genügen. In diesem munalen Wasserinfrastrukturbetreiber ist eine Zusammenhang sind sowohl die Ziele der Sied- koordinierte und zielorientierte Einführung neu- lungswasserwirtschaft als auch die Art und Weise artiger Wasserinfrastrukturen kaum umsetzbar. der Leistungserbringung zu überprüfen. So wer- Für Wasserunternehmen ergeben sich durch das fen die Herausforderungen die Frage nach einer Einführen neuartiger Wasserinfrastrukturen neue kritischen Reflexion über Ziele der Siedlungs- Strategieoptionen und Geschäftsfelder: Zum wasserwirtschaft – und damit verbunden nach einen eröffnen sich Möglichkeiten sektorüber- deren Transformation – auf. Die Anpassung an den greifender Kopplungen – etwa mit Blick auf Ener- Klimawandel wie auch die effizientere Verwen- giepotenziale. Zum anderen bietet eine größere dung von Energie und Ressourcen können dabei Zahl de- und semizentraler Anlagen Optionen, zu Treibern für die langfristige Transformation der über weitere Betreibermodelle dieser Anlagen Wasserinfrastruktursysteme werden. nachzudenken. Der Betrieb dieser Anlagen durch kommunale Infrastrukturbetreiber ist dabei nicht Neuartige Wasserinfrastrukturen haben in den nur ein Geschäftsfeld, sondern sichert langfristig vergangenen Jahren zunehmende Aufmerksam- auch die Qualität der Wasserversorgung und der keit erfahren. Sie stellen zukunftsgerichtete Alter- Abwasserentsorgung, z.B. mit Blick auf Umwelt- nativen für die weitere Entwicklung von Städten und Hygienestandards in der Abwasserbehand- und deren Infrastruktur dar; schließlich haben lung. Für die Stadtentwicklung ist von Bedeutung, www.networks-group.de/ sie in Modellvorhaben ihre Praxistauglichkeit dass neuartige Wasserinfrastrukturen zugleich bewiesen und können in städtischen Teilräumen veränderte konzeptionelle und praktische Zu- umgesetzt werden. Solche neuartigen Systemlö- gänge zum urbanen Wasserkreislauf erschließen sungen in der Siedlungswasserwirtschaft zeich- und zur Klimaanpassung beitragen können. Hier- Dr. Jens Libbe nen sich dadurch aus, dass Abwasser nicht mehr für sind eine strategische, auf gesamtstädtischer +49 30 39001-115 einheitlich behandelt, sondern in verschiedene Ebene angelegte und integrierte Planung sowie libbe@difu.de Teilströme (Regenwasser, Grauwasser, Schwarz- eine sektorenübergreifende Koordination erfor- Jan Trapp wasser) getrennt wird. Abwasser wird in stofflicher derlich. Dies gilt insbesondere für die städtische +49 30 39001-210 wie energetischer Hinsicht zur Ressource. Im Zuge Ebene. Auf ihr werden Notwendigkeit und Potenzi- trapp@difu.de der Einführung neuartiger Wasserinfrastrukturen ale einer integrierten Planung von Stadt, Freiraum 6
Forschung & Publikationen Berichte 2/2017 Foto: Wolf-Christian Strauss und Infrastruktur – angelegt als kommunales Aspekte und die Nutzungsperspektive (Akzeptanz) Transformationsmanagement – augenscheinlich. in den Blick nehmen. Planerische Machbarkeitsstudien zu neuartigen Die neue in der Reihe „Edition Difu“ erschienene Wasserinfrastrukturen für konkrete Modellge- Veröffentlichung „Wasserinfrastruktur: Den Wan- biete erschließen neue Handlungsoptionen und del gestalten. Technische Varianten, räumliche erlauben es der Kommunalpolitik und anderen Potenziale, institutionelle Spielräume“ präsentiert Entscheidungsträgern, sich ergebnisoffen mit die Ergebnisse des Forschungsverbundes „net- neuartigen Wasserinfrastrukturen auseinander- WORKS 3: Intelligente wasserwirtschaftliche Sys- zusetzen. Wenn dabei Gebäude-, Freiraum- und temlösungen in Frankfurt am Main und Hamburg“. Infrastrukturplanung integriert betrachtet werden, Das Forschungsprojekt „netWORKS 3 wurde können sich neue Möglichkeiten ergeben, die innerhalb der Fördermaßnahme „Intelligente und diePlanungsspielräume vergrößern. multifunktionelle Infrastruktursysteme für eine zukunftsfähige Wasserversorgung und Abwas- Geeignete Transformationsräume (Modellgebiete) serentsorgung (INIS)“ im Förderschwerpunkt für die Einführung neuartiger Wasserinfrastruktu- „Nachhaltiges Wassermanagement (NaWaM)“ als ren in Städten zu ermitteln, ist eine Aufgabe, die Bestandteil des BMBF-Programms „Forschung systematisch angegangen werden sollte. Grund- für nachhaltige Entwicklungen (FONA)“ vom sätzlich eignen sich Quartiere, die einerseits eine Bundesministerium für Bildung und Forschung hohe (z.B. städtebauliche) Entwicklungsdynamik (BMBF) gefördert. aufweisen und andererseits einen vergleichsweise geringen Transformationsaufwand – etwa aufgrund In netWORKS3 arbeiteten Wissenschaftler meh- geringer Komplexität technischer Strukturen – er- rerer Institutionen transdisziplinär an Fragen rund fordern. Die Quartiersebene hat sich im Rahmen um die Transformation der Wasserinfrastruktur in des Forschungsprojekts netWORKS als geeignete deutschen Kommunen: Neben dem Deutschen räumliche Maßstabsebene zur Entwicklung neuer Institut für Urbanistik (Difu) waren das ISOE – In- Lösungen erwiesen. Quartiersbezogene Maßnah- stitut für sozial-ökologische Forschung, die Tech- men müssen sich aber immer auch an übergeord- nische Universität Berlin (TUB), Fachgebiet Wirt- neten gesamtstädtischen Zielen und Konzepten schafts- und Infrastrukturpolitik – WIP sowie die orientieren. Das Zusammenspiel von und die Inter- COOPERATIVE Infrastruktur & Umwelt beteiligt. dependenzen zwischen den Wasserinfrastrukturen Als Praxispartner haben Mitarbeiter der Hambur- im städtischen Teilraum und der Gesamtstadt sind ger Stadtentwässerung AöR (HSE), ein Unterneh- ein wichtiger Bestandteil der Planung und Bewer- men von HAMBURG WASSER, und der ABGnova tung von Systemvarianten. Dabei sollte die Bewer- GmbH Frankfurt am Main, ein Tochterunterneh- tung von Varianten als multikriterielles Verfahren men der ABG FRANKFURT HOLDING Wohnungs- angelegt sein und neben technischen, ökonomi- bau- und Beteiligungsgesellschaft mbH, an dem schen und ökologischen Kriterien auch rechtliche Verbundprojekt mitgewirkt. 7
Forschung & Publikationen Berichte 2/2017 Neuartige Wasserinfrastrukturen in die Praxis bringen Kostenfreie Handreichungen unterstützen Entscheidungsträger in Stadtplanung, Wasserunternehmen und Regionalentwicklung im Umgang mit neuartigen Wasserinfrastrukturen. Quelle: Forschungsverbund netWORKS 2016 Beispiel für eine Teilstromnutzung auf Quartiersebene Infrastrukturen der Siedlungswasserwirtschaft enthaltenen Wärme sowie die getrennte Erfas- sorgen im Spannungsfeld zwischen Umweltein- sung und Behandlung von Abwasserteilströmen. flüssen und durch menschliche Eingriffe für die Die Stoffstromtrennung ermöglicht die Nutzung sichere Versorgung mit Trinkwasser, für hygie- von Regenwasser für gestalterische Maßnahmen nische Verhältnisse in Siedlungen, für Überflu- ebenso wie für die Gebäudekühlung. Die Aufbe- tungsschutz und für den Schutz der Umwelt. Eine reitung von Grauwasser aus Duschen, Waschbe- ganze Reihe aktueller Herausforderungen wirft cken oder Waschmaschinen als Betriebswasser jedoch die Frage nach einer Neujustierung der trägt ebenso zur Ressourcenschonung bei wie die Ziele der Siedlungswasserwirtschaft auf. Damit Abtrennung sogenannten Schwarzwassers zur verbunden ist eine Transformation der vorhande- Klärgasgewinnung. nen Systeme. Auswirkungen des Klimawandels Für die Auseinandersetzung mit diesem Thema und demografischer Wandel belasten zuneh- wurden Handreichungen für Entscheidungsträger mend Städte und ihre Wasserinfrastrukturen. Die mit Anregungen und Hinweisen zu wichtigen Fra- Möglichkeiten, hierauf zu reagieren, sind regional gen erarbeitet: sehr unterschiedlich. Die Steigerung der Ener- www.bit.ly/2p5MFHC gie- und Ressourceneffizienz – auch in der Sied- • Warum sollten sich Entscheidungsträger in lungswasserwirtschaft – ebenso wie die Nutzung Stadtplanung, Wasserunternehmen und erneuerbarer Energien gewinnen im Kontext der Regionalentwicklung mit neuartigen Wasser- Printexemplar-Bestellung: „Energiewende“ weiter an Bedeutung. Die Nut- infrastrukturen beschäftigen? draeger@difu.de zung der im Abwasser enthaltenen Energie kann • Welche Potenziale bietet der Umbau der städti- daher ein wichtiger Baustein sein. Für die genann- schen Infrastrukturen für die Stadtentwicklung ten Herausforderungen könnten daher neuartige und Unternehmen? Wasserinfrastrukturen ergänzende und alternative • Wie können sie die Umsetzung angehen? Dr. Jens Libbe Schritte sein. • Wie lassen sich geeignete Quartiere in der +49 30 39001-115 Stadt und technische Systemvarianten entwi- libbe@difu.de Neuartige Wasserinfrastrukturen orientieren sich ckeln und umsetzen? Jan Trapp am Leitbild des Stoffkreislaufs und setzen am +49 30 39001-210 Prinzip der Stoffstromtrennung an. Hier geht es Die Handreichungen stehen zum kostenfreien trapp@difu.de gleichermaßen um die Nutzung der im Abwasser Download zur Verfügung. 8
Forschung & Publikationen Berichte 2/2017 Wasserinfrastrukturen für die zukunftsfähige Stadt Innovative Lösungen zur Anpassung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung an die sich verändernden Rahmenbedingungen: Forschungsergebnisse sind in einem Handbuch für Wasserwirtschaft, Kommunalverwaltung und -politik veröffentlicht. Die Siedlungswasserwirtschaft ist essenzieller Teil der Daseinsvorsorge. Infrastrukturen der Was- serwirtschaft sorgen nicht nur für eine sichere Versorgung mit Trinkwasser und für hygienische Verhältnisse, sondern sind auch für den Umgang mit Überflutung und den allgemeinen Schutz der Gewässer verantwortlich. Sie tragen maßgeblich zur Gesundheitsvorsorge und zum Umweltschutz bei und sind so ein Standbein des Wohlstands. Die Infrastrukturen der Siedlungswasserwirtschaft sind ein über Jahrzehnte aufgebautes milliarden- schweres Anlagevermögen und einer der größten Posten in den Kommunalhaushalten. Sie stehen funktionierte der Wissenstransfer von Beginn an: derzeit unter großem Veränderungsdruck. Voran- von der Forschung in die Praxis und umgekehrt. getrieben durch aktuelle Entwicklungen – demo- grafischen Wandel, Energiewende, Verknappung Begleitet wurden die Projekte vom Vernetzungs- von Ressourcen, Umweltverschmutzung und und Transfervorhaben INISnet, das sich der „stra- Klimawandel – werden in den kommenden Jahr- tegischen Kommunikation“ der Ergebnisse wid- zehnten mitunter weitreichende Anpassungen der mete. INISnet wurde von wichtigen Multiplikatoren Wasserinfrastrukturen notwendig. Ziel muss dabei der Städte und der deutschen Wasserwirtschaft, vorrangig sein, nachhaltige Wasserdienstleistun- dem Deutschen Institut für Urbanistik (Difu), der gen zu bezahlbaren Preisen zu sichern. Forschungsstelle des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) an der Technischen Daher wurden von 2013 bis 2016 in 13 Verbund- Universität Hamburg (TUHH) und der Deutschen projekten innovative Lösungen für die Anpassung Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Die Fördermaßnahme „Intel- der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Abfall e.V. (DWA) durchgeführt. ligente und multifunktionelle an sich verändernde Rahmenbedingungen entwi- Infrastruktursysteme für ckelt und erprobt. Gefördert wurden die Projekte INISnet war auch für die Abschlusspublikation eine zukunftsfähige Wasser- vom Bundesministerium für Bildung und For- mit allen Ergebnissen der Fördermaßnahme versorgung und Abwasse- schung (BMBF) im Rahmen der Fördermaßnahme verantwortlich. Das Handbuch dient dazu, die rentsorgung (INIS)“ wurde „Intelligente und multifunktionelle Infrastruktur- Ergebnisse aus der Forschung für einen breiten im Förderschwerpunkt systeme für eine zukunftsfähige Wasserversor- Kreis potenzieller Nutzer verfügbar zu machen. „Nachhaltiges Wasserma- gung und Abwasserentsorgung“ (INIS). Die zahlreichen Beiträge spiegeln die große The- nagement (NaWaM)“ als menvielfalt wider: Wasserversorgung und Abwas- Bestandteil des BMBF-Pro- Die 13 Verbundprojekte der INIS-Fördermaß- serentsorgung unter Veränderungsdruck, Opti- gramms „Forschung für nachhaltige Entwicklungen nahme deckten ein breites Themenspektrum ab. mierung von Anlagen und Betrieb, Erschließung (FONA)“ vom Bundesminis- Von der Wasserversorgung über die Stadtentwäs- ungenutzter Potenziale durch sektorübergreifende terium für Bildung und For- serung und Abwasserentsorgung bis hin zu den Lösungen, integrierte Bewertung innovativer schung (BMBF) gefördert. zukunftsorientierten integrierten Konzepten für Systemlösungen, Werkzeuge für Planung, Ent- Wasser, Abwasser und Energie wurden nahezu scheidungsfindung und Visualisierung, Integration alle Systemelemente urbaner Wasserinfrastruktu- von Stadt- und Infrastrukturentwicklung, Akteure, ren in den Fokus genommen und Vorschläge für Strategien und Institutionen der Transformation. www.nawam-inis.de/ ihre Weiterentwicklung erarbeitet. Dabei wirkten Das Handbuch soll vor allem der Ergebniskom- mediathek Kommunen, Ver- und Entsorgungsbetriebe oder munikation in die Praxis dienen. Damit werden die auch Planungs- und Ingenieurbüros aktiv mit. Wasserwirtschaft, Entscheidungsträger in Kom- Dass die Ergebnisse in ganz unterschiedlichen munalverwaltungen sowie nachgeordnet auch Dr. Jens Libbe Kommunen und Regionen Deutschlands modell- die Politik adressiert. Einzelne Beiträge richten +49 30 39001-115 haft umgesetzt wurden, stärkt die Praktikabilität sich auch an die Wissenschaft, da die Forschung libbe@difu.de und Übertragbarkeit der Lösungen. Gleichzeitig neben Antworten stets auch neue Fragen aufwirft. 10
Forschung & Publikationen Berichte 2/2017 Städtebaurechtsnovelle 2016/2017 im Planspieltest Das Difu überprüfte anhand eines Planspiels gemeinsam mit den Kommunen Bamberg, Köln, Leipzig, Sylt, Tübingen und Zingst den Gesetzentwurf. Viele Anregungen aus dem Planspiel konnten bei der Abfassung des Regierungsentwurfs berücksichtigt werden. Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stär- kung des neuen Zusammenlebens in der Stadt dient nicht nur der Umsetzung der europäischen UVP-Änderungsrichtlinie, es bringt auch weitere wichtige Änderungen im Städtebaurecht. Wie schon vielfach erprobt und bewährt, hat das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) den Gesetz- entwurf mit sechs engagierten Kommunalverwal- tungen (Bamberg, Köln, Leipzig, Sylt, Tübingen und Zingst) anhand eines Planspiels überprüft. Auftraggeber war das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) unter fachli- cher Begleitung durch das Bundesministerium für neuen Gebietskategorie voraussichtlich profitie- Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ren. Geboten scheint gleichwohl ein sachgerech- (BMUB). Mit dem Planspiel wurden Verständlich- ter, vorsichtiger Umgang. Denn zum einen haben keit und Praktikabilität geplanter Neuregelungen sich die alten Maßobergrenzen in den allermeisten anhand praktischer Beispiele durch Normanwen- Städten und Gemeinden durchaus bewährt. Zum der getestet. Viele Anregungen aus dem Planspiel anderen dürfen die Anforderungen an den Lärm- konnten schon bei der Abfassung des Regie- schutz nicht auf die leichte Schulter genommen rungsentwurfs berücksichtigt werden. Der Ergeb- werden. Sanierungsbedarf von morgen zu produ- nisbericht wurde dem Ausschuss für Umwelt, Bau zieren sollte vermieden werden. Abgewendet wer- und Naturschutz des Deutschen Bundestages als den konnte auf dringende Empfehlung aus dem Grundlage der parlamentarischen Beratung zuge- Planspiel zudem die Anwendung des urbanen leitet und führte zu weiteren Änderungen. Gebiets auch im unbeplanten Innenbereich (Aus- schluss der Anwendung von § 34 Abs. 2 BauGB). Wichtige Bausteine betreffen das Bauleitplanver- fahren. Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung Weitere Änderungen betreffen die Verbesserung sind als Folge europarechtlicher Vorgaben nun der planerischen Gestaltungsmöglichkeiten im zwingend auch mittels Einstellung der erforder- Zusammenhang mit Störfallrisiken, die Zuläs- lichen Unterlagen auf ein frei zugängliches Inter- sigkeit von Ferienwohnungen und die Genehmi- netportal zu führen. Auch der beschlossene Plan gungsvorbehalte für Zweit- bzw. Nebenwohnun- und die Begründung sind ins Internet einzustellen. gen in Fremdenverkehrssatzungsgebieten. Als Differenziertere Anforderungen ergeben sich auch Ergebnis eines politischen Kompromisses wurde für den Umweltbericht. Überzogene Anforderun- auch eine Regelung in das Gesetz aufgenommen, gen erscheinen aber bei Anwendung der bereits die den Anwendungsbereich des beschleunigten bestehenden Regelungen zum Umfang der Um- Verfahrens befristet bis Ende 2019 auch auf klei- weltprüfung vermeidbar zu sein. nere Außenbereichsvorhaben bis zu 10.000 Qua- dratmeter zulässige Grundfläche für Wohnungs- Bereits im Vorfeld schlug die angekündigte Ein- bauvorhaben eröffnet. Diese Regelung wurde im Veröffentlichung: führung eines „urbanen Gebietes“ als neuer Bau- Planspiel kritisiert, u.a. weil sie undifferenziert www.difu.de/11084 gebietstyp in der Baunutzungsverordnung Wellen. auch die Mehrzahl von Gemeinden begünstigt, in Die Erwartungen in Bezug auf die gewünschte denen kein dringender Wohnbedarf besteht und Veranstaltungen: Entwicklung auch kleinteilig gemischter, zugleich so dem generell gültigen Prinzip einer vorrangigen www.difu.de/10891 hoch verdichteter urbaner Quartiere sind groß. Innenentwicklung zuwiderläuft. So wird abzuwar- Die vorgesehene Obergrenze für die bauliche ten sein, wie groß der „Flurschaden“ am Ende Dichte (zulässige Geschossfläche) entspricht der denn tatsächlich sein wird. Prof. Dr. Arno Bunzel für das Kerngebiet. Die Anforderungen an den +49 30 39001-238 Lärmschutz liegen am Tage unter denen in Mi- bunzel@difu.de schgebieten. Einige große Städte werden von der 11
Forschung & Publikationen Berichte 2/2017 Online-Handel: Auswirkungen auf Innenstadt, Stadtteil- und Ortszentrum Studie zu Online-Handel in deutschen Städten zeigt mögliche räumliche Auswirkungen, gibt Handlungsempfehlungen zu Instrumenten und Stategien, durch die die Entwicklung in den Zentren positiv gestaltet und gesteuert werden kann. Städte sind seit jeher die Zentren wirtschaftlicher, Prognosen zur weiteren Entwicklung des On- sozialer und kultureller Aktivitäten. Unter den line-Handels sind schwer vorauszusagen. Je nach verschiedenen städtischen Funktionen kam und Branche werden die Entwicklungen sehr unter- kommt dem Handel dabei eine besondere Rolle schiedlich verlaufen. Auch für Stadtgrößen lassen zu. Signifikante Veränderungen dieser Orte des sich keine eindeutigen Aussagen treffen. Zu unter- Handels wurden damit immer von Auswirkungen schiedlich sind die jeweils individuellen Vorausset- auf Stadt, Stadtgestalt und Lebensqualität in den zungen einer Stadt durch ihre Lage im Raum, ihr Städten begleitet. Seit mehr als 15 Jahren wird regionales Umfeld, ihr touristisches Potenzial oder über die Auswirkungen des Online-Handels disku- Akteurskonstellationen innerhalb der Stadt. tiert. Im Rahmen des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus (ExWoSt) hat sich das Deutsche Diese individuellen Ausgangslagen können dazu Institut für Urbanistik (Difu) gemeinsam mit den beitragen, dass eine Großstadt im Handelsbereich Partnern BBE Handelsberatung und elaboratum, nicht richtig „funktioniert“ oder eine Mittelstadt München, im Auftrag des Bundesministeriums für ein vitaler Handelsstandort bleibt. Mehrheitlich Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit werden jedoch Großstädte, die das vielfältigste (BMUB), des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und und differenzierteste Handelsangebot aufweisen, Raumforschung (BBSR) sowie des Handelsver- auch künftig „feste Anker der Handelslandschaft“ band Deutschland (HDE) mit den möglichen sein. Für den Erlebniseinkauf werden weiterhin räumlichen Auswirkungen von Online-Handel auf Ausflüge in die Innenstädte gemacht werden. Innenstädte, Stadtteil- und Ortszentren beschäf- Dafür ist ein möglichst breit gefächertes und tigt. Die Studienergebnisse wurden als BBSR-On- vollständiges Branchenprofil wichtig, das ein line-Publikation publiziert. attraktives Einkaufserlebnis verspricht. Auch sta- gnierende bis schrumpfende Großstädte werden Mittlerweile zeigt sich, dass der Trend zum On- Trading-Down-Prozessen – infolge der Abwande- line-Handel eine zunehmend größere Dynamik rung von Handelsbetrieben und der Ausdünnung entfaltet – und sich damit sehr vielschichtig auf der Handelslandschaft – zumindest im innerstäd- Stadt und Raum auswirkt. Der Online-Handel ist tischen Kern eine gewisse Zeit widerstehen. Sie jedoch nicht der Auslöser für Probleme des sta- können aufgrund ihrer Größe von mehr „Subs- tionären Handels. Dazu haben beispielsweise tanz“ zehren. auch die teils überdimensionierten Flächen- ausweisungen der vergangenen Jahr(zehnt)e Grundsätzlich wird für Mittelstädte eine größere beigetragen – insbesondere an nicht-integrier- Gefährdung durch Leerstände gesehen. Die Ein- ten Standorten. Der Online-Handel ist jedoch schätzungen gehen allerdings weit auseinander. ein wichtiger Trendverstärker. Zu den weiteren Sie reichen von „klare Verlierer des Strukturwan- Einflussfaktoren zählen der demografische Wan- dels“ bis hin zu „starke Standorte für Handels- del, der Wertewandel sowie die Dynamiken des wachstum“, da sie in einem weitgehend gesättig- Immobilienmarktes. ten Markt noch Expansionsmöglichkeiten bieten. Der Online-Handel wächst weiter. Nach HDE-Da- Für Kleinstädte werden mehrheitlich weitere www.difu.de/11255 ten lag der Gesamtumsatz 2016 bei 44 Milliarden Nachfrageverluste und eine Verschärfung der Euro und wies damit ein Plus von elf Prozent ge- Leerstandsproblematik erwartet. Diese Ange- genüber dem Vorjahr auf. In einigen Bereichen botslücken kann der Online-Handel zunehmend ist die Wachstumsdynamik geringer geworden, schließen, Online-Angebote können unter be- Prof. Martin zur Nedden beispielsweise bei Unterhaltungselektronik und stimmten Voraussetzungen (z.B. Logistik, Pro- +49 30 39001-214 Büchern. In anderen Warengruppen beginnt das fitabilität) eine Alternative in der Versorgung zurnedden@difu.de Wachstum hingegen gerade erst, zum Beispiel darstellen. beim Heimwerkerbedarf oder Autozubehör. Weit- Dr. Beate Hollbach- Grömig gehend offen ist noch die Frage, wie sich der Städte und Gemeinden sind in vielfältiger Art und +49 30 39001-293 Online-Einkauf von Lebensmitteln vermutlich ent- Weise aktiv, um die Rahmenbedingungen für at- hollbach-groemig@difu.de wickeln wird. traktive Innenstädte und Stadtteilzentren positiv 12
Forschung & Publikationen Berichte 2/2017 zu gestalten. Überwiegend handelt es sich dabei nicht um grundlegend neue und am Online-Han- del ausgerichtete Aktivitäten. Neu sind allerdings der Handlungsdruck für bestimmte Akteure, ihre Rolle in der Gestaltung von Stadt und Handel und die Notwendigkeit einer intensiveren Kooperation. Die vorhandenen Instrumente müssen anders eingesetzt und um Bausteine, die die aktuellen Herausforderungen berücksichtigen, erweitert werden. Die Handlungsmöglichkeiten umfassen regulativ-planerische, investive ebenso wie eher weiche, kooperativ-kommunikativ angelegte Instrumente. Sie reichen von der Erarbeitung von Einzelhandels- und Zentrenkonzepten, über Marketingaktivitäten, die Verbesserung der Er- reichbarkeit und die Gestaltung des öffentlichen Raums bis hin zur Entwicklung von Online-Stadt- portalen. Vor allem Maßnahmen im öffentlichen Raum, die dazu beitragen, Innenstädte, Stadt- und Ortsteil- zentren so interessant zu machen, dass Menschen sich dort gern aufhalten, gelten als notwendig und Foto: Busso Grabow wichtig. Das Stärken des Wohnens in den städti- schen Zentren ist eine wichtige Maßnahme, um Innenstädte attraktiver zu gestalten. Auch andere Nutzungen, jenseits des Handels, werden zuneh- mend diskutiert. bearbeiteten Handlungsfeld wahrgenommen. Gefragt ist auch der Einzelhandel selbst. Hier geht Festgestellt wird allerdings auch: Online-Handel es vor allem um eine ansprechendere Gestaltung entzieht sich der kommunalen Steuerung. Aber der Ladenfronten und Schaufenster, aber auch auch andere Rechtsbereiche wie das Gewer- um mehr Service, geschultes Personal und eine berecht (Ladenschlussgesetz, Europarecht mit aktivere Nutzung der Chancen der Digitalisierung, einem Abbau von Hürden im grenzüberschreiten- etwa im Hinblick auf Prozessverbesserungen den Handel) sind für den Abbau der Unterschiede in der Warenwirtschaft, Internetangebote, On- zwischen stationärem und Online-Handel mindes- line-Marketing oder Kundenbindung. Die Immo- tens ebenso entscheidend. bilienwirtschaft ist ein wichtiger Akteur in Fragen der Innenstadtgestaltung, der mit seinen spezifi- Das komplexe Wirkungsgefüge und die damit schen Interessen oft nicht einfach einzubinden ist. verbundenen Herausforderungen können – dies Instrumente wie Business Improvement Districts macht die Studie deutlich – nur durch Strategien (BID), die darauf zielen, auch Immobilieneigen- einer integrierten Stadtentwicklungspolitik mit tümer zu einer anteiligen Mitfinanzierung von dem Ziel der Gewährleistung einer gemeinwohl- Maßnahmen der Stadtgestaltung zu verpflichten, orientierten Zukunft für die Städte erfolgreich können hierbei ein wichtiges Instrument sein. bewältigt werden. Das Thema „Einzelhandel“ – analog und digital – muss dabei seiner zentralen Gewerberecht und Planungsrecht bestimmen den Bedeutung entsprechend gewürdigt werden. Dies rechtlichen Rahmen, an den sich stationärer und gilt für die Ebene des Bundes, der Länder und der Online-Handel halten müssen. Für die öffentliche Kommunen gleichermaßen. Hand wird immer wieder ein großer Handlungs- bedarf im Planungsrecht auf einem bisher kaum 13
Forschung & Publikationen Berichte 2/2017 Investitionen der Kommunen moderat gestiegen Befragung von rund 3700 Landkreisen, Städten und Gemeinden: Neues KfW-Kommunal- panel 2017 zeigt leichten Rückgang des kommunalen Investitionsbedarfs in einem nach wie vor sehr heterogenen Umfeld. Sonstiges 6% (7,6 Mrd.) Straßen und Verkehrsinfrastruktur 27% (34 Mrd.) Informationsinfrastruktur 4% (5,6 Mrd.) ÖPNV 1% (1,3 Mrd.) Wohnungswirtschaft 4% (4,5 Mrd.) Öffentliche Verwaltungsgebäude 9% (11,3 Mrd.) Gesundheitsinfrastruktur 2% (3 Mrd.) Energieerzeugung und ‑versorgung 0,3% (0,4 Mrd.) Insgesamt Sportstätten, Bäder 8% Abfallwirtschaft 0,8% (0,98 Mrd.) (9,7 Mrd.) 126 Mrd. Euro Investionsrückstand 2016 Kultur 2% (2,1 Mrd.) in Mrd. Euro Hochrech- Wasserver- und ‑entsorgung 7% (8,6 Mrd.) Kinderbetreuung 4% (4,6 Mrd.) nungen für Gemeinden Schulen, Erwachsenenbildung 26% (32,8 Mrd.) und Landkreise. Im Mai 2017 veröffentlichte das Difu zusammen Insgesamt planen die befragten Kommunen eine mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau erneut das Steigerung ihrer Investitionen um etwa 15 Pro- „KfW-Kommunalpanel“. Die groß angelegte Be- zent. So waren für 2016 rund 30,8 Mrd. Euro fragung von über 3.700 Landkreisen, Städten und eingeplant, für 2017 sollen es sogar 31,7 Mrd. Gemeinden zeigte – nach 2012 – erstmals wieder Euro sein. Die tatsächlich verausgabten Investiti- einen leichten Rückgang bei den kommunalen onsausgaben lagen in der Vergangenheit jedoch Investitionsrückständen. In der Hochrechnung für stets unter den Planungen. Selbst ein wachsender alle Kommunen ab 2.000 Einwohner beträgt die- Teil an Kommunen, die den Haushaltsausgleich ser 126 Mrd. Euro (2016: 136 Mrd. Euro). derzeit nicht schafft bzw. sogar einem Haushalts- sicherungskonzept unterliegt, beabsichtigt, die Dabei bestehen die höchsten Nachhol- und Ersatz- eigenen Investitionsausgaben 2016 und 2017 zu bedarfe nach wie vor in den Bereichen Straßen- steigern. Der vergleichsweise moderate Anstieg und Verkehrsinfrastruktur (34 Mrd. Euro) sowie der Investitionsausgaben – in Relation zum er- Schulen einschließlich der Erwachsenenbildung mittelten Investitionsrückstand – verweist darauf, (32,8 Mrd. Euro). Mit Abstand folgen die Bereiche dass das Maß der öffentlichen Investitionstätigkeit öffentliche Gebäude (11,3 Mrd. Euro), Sportstätten auch von der Verfügbarkeit öffentlicher Planungs- und Bäder (9,7 Mrd. Euro) sowie Wasserver- und kapazitäten sowie vom Auslastungsgrad des pri- -entsorgung (8,6 Mrd. Euro). Ein erkennbarer Zu- vaten Baugewerbes abhängt. Zeitlich befristete wachs bei den ungedeckten Investitionsbedarfen Investitionsförderprogramme von Bund und Län- ist im Bereich Wohnungswesen zu verzeichnen, dern schaffen deshalb vor allem für finanz- und während in vielen kleineren Aufgabenbereichen strukturschwächere Kommunen keine hinrei- leichte Rückgänge zu beobachten sind. Immerhin chende Planungssicherheit. Zur Finanzierung ihrer erwarten 35 Prozent der befragten Kommunen für Investitionstätigkeit greifen die Landkreise, Städte die nächsten fünf Jahre einen weiter sinkenden und Gemeinden nach wie vor in erster Linie auf Investitionsrückstand, während 20 Prozent von allgemeine Deckungsmittel sowie Kommunalkre- einem weiteren Anstieg ausgehen. Insbesondere in dite zurück. 2016 wurden rund 65 Prozent aller den Bereichen Schulen und Kitas geht eine relative Investitionen mit Hilfe dieser beiden Instrumente Mehrheit von einem Abbau des Investitionsstaus finanziert. Dabei geht rund ein Drittel der befrag- aus. Diese Entwicklungen lassen sich auf die ins- ten Kommunen davon aus, dass der Kommunal- gesamt positive Finanz- und Haushaltslage der kredit in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen Kommunen in den vergangenen zwölf Monaten wird – wie auch die von den Kommunen zu bean- zurückführen: Schuldenstand, Kassenkredite und tragenden Fördermittel. Obwohl beispielsweise www.difu.de/11241 Zinsausgaben konnten 2016 in der Summe leicht die größeren Städte immerhin zu 21 Prozent zurückgeführt werden. Auch der Ausgabenanstieg Kommunalkredite zur Investitionsfinanzierung war moderat, so dass im dritten Jahr in Folge ein benutzen, können die Kommunen das derzeit Dr. Henrik Scheller Finanzierungsüberschuss erzielt werden konnte. niedrige Zinsniveau offenbar nicht systematisch +49 30 39001-295 Trotzdem bestehen die seit Jahren konstatierten zur „Hebelung“ von zusätzlichen Investitionen in scheller@difu.de Disparitäten zwischen den Kommunen fort. die Infrastruktur verwenden. 14
Forschung & Publikationen Berichte 2/2017 Das 3x3 einer guten Öffentlichkeits- beteiligung bei Großprojekten Vom Difu erarbeitete Handlungsempfehlungen sollen dazu beitragen, Diskurse zwischen den Beteiligten anzustoßen, Veränderungen in der Praxis der Öffentlichkeitsbeteiligung zu initiieren und erforderliche Reformen einzelner Verfahrensschritte einzuleiten. Nicht erst seit „Stuttgart 21“ stehen Defizite der • Verzahnung von informeller Öffentlichkeits- bisherigen Beteiligungspraxis bei Planungs- und beteiligung und formellem Planungs- und Bauvorhaben in Deutschland in der Diskussion. Genehmigungsprozess, Insbesondere Verzögerungen und Scheitern • Rolle und Zusammenspiel von Vorhabenträgern von Infrastruktur-Großprojekten sowie anderer und Genehmigungsbehörden sowie umweltrelevanter Vorhaben haben die Aufmerk- • Adressaten der Öffentlichkeitsbeteiligung: samkeit auf die fachliche und strategische Vorbe- Repräsentanz, Aufgaben und Rolle der reitung derartiger Projekte gelenkt. In aktuellen Zivilgesellschaft. Debatten werden daher neue Formen einer um- fassenden und intensiven Öffentlichkeitsbeteili- gung an Planungsprozessen gefordert. Besondere Erwartungen richten sich auf informelle Prozesse in Beteiligungsverfahren. Informelle Verfahren bieten eine gute Möglichkeit mitzuwirken und mit- zugestalten. Sie besitzen große Gestaltungsspiel- räume und damit Flexibilität, um auf spezifische Anforderungen eingehen zu können – allerdings Quelle: Peter Himsel fehlt ihnen häufig die Verbindlichkeit bei der Um- setzung ihrer Ergebnisse. Hierfür müssen sie mit Blick auf Frühzeitigkeit, Augenhöhe und Transpa- renz verbessert und mit formalen Planungs- oder Genehmigungsverfahren sinnvoll verzahnt wer- den. Dies wiederum erfordert, vorhandene Ko- Fünf Projekte wurden als Fallstudien untersucht. operationsstrukturen und -kulturen zu verändern. Hier standen die unterschiedlichen Perspektiven Schließlich geht es um neue Prozesse und ein und Bewertungen insbesondere von Vorhabenträ- gewandeltes Miteinander von Verwaltung, Politik, gern, Genehmigungsbehörden, (Umwelt-)Verbän- Vorhabenträger und Bürgerschaft. Das heißt auch, den und Bürgerinitiativen im Mittelpunkt. Beson- dass Akteure wie Vorhabenträger oder Geneh- dere Sorgfalt wurde auf die Dokumentation der migungsbehörden ihr Selbstverständnis hinter- unterschiedlichen Sichtweisen der verschiedenen fragen und womöglich andere Rollen als bisher Akteursgruppen gelegt. So wurden Wahrneh- übernehmen. mungs- und Interpretationsdifferenzen erkannt und konnten hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Wie dies gelingen kann, zeigen die Handlungs- den Beteiligungsprozess und mit Blick auf grund- empfehlungen „Das 3x3 einer guten Öffent- legende Defizite der vorhandenen Beteiligungs- lichkeitsbeteiligung bei Großprojekten“ zur praxis analysiert werden. künftigen Praxis der Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltrelevanten Vorhaben. Die darin enthal- Auf der Basis dieser Ergebnisse wurden Verän- tenen neun Botschaften sind Kernaussagen des derungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten der Forschungsvorhabens „Beteiligungsverfahren Beteiligungsverfahren bei umweltrelevanten Vor- bei umweltrelevanten Vorhaben“. Das Deutsche haben identifiziert, Handlungsempfehlungen abge- Institut für Urbanistik (Difu) untersuchte im Auf- leitet und in Botschaften zusammengeführt. Diese trag des Umweltbundesamtes (UBA) von 2014 bis geben Hinweise, wie Vorhabenträger die Prozesse 2017 zwanzig Beteiligungsprozesse zu umwelt- der Öffentlichkeitsbeteiligung verbessern und Kon- www.bit.ly/2oN6bNl relevanten Vorhaben. Ziel war es, die Öffentlich- flikten begegnen können. Sie unterbreiten zudem keitsbeteiligung bei umweltrelevanten Vorhaben Vorschläge, wie Vorhabenträger und Genehmi- inhaltlich weiterzuentwickeln und deren Transpa- gungsbehörden ein Akteursbündnis für Öffentlich- renz, Verbindlichkeit und Kontinuität zu vergrö- keitsbeteiligung schmieden können. Und sie ent- Dr. rer. pol. Stephanie Bock ßern. Ausgewählt wurden Beteiligungsverfahren halten Aussagen, wie diese Beteiligung gelingt. +49 30 39001-189 mit beispielhaften Lösungsmodellen für die drei bock@difu.de Schwerpunkte des Forschungsvorhabens: 15
Forschung & Publikationen Berichte 2/2017 Sichere Quartiere durch gute Zusammenarbeit aller Akteure Neue Veröffentlichung gibt Tipps und nennt praktische Beispiele für die Zusammenarbeit von Polizei, Wohnungsunternehmen und Kommunen zur Erhöhung der Sicherheit in den Quartieren. Neben vielen anderen Faktoren beeinflusst Si- und Kommune für sichere und lebenswerte Quar- cherheit die Lebensqualität in den Quartieren. tiere mancherorts noch unerprobt. Kontakte und Bürger orientieren sich selten an den Aussagen Routinen bestehen nur vereinzelt und sporadisch. von Kriminalstatistiken, also der registrierten Kri- Oft werden wichtige Akteure nicht rechtzeitig minalität. Eigene Erfahrungen, Schilderungen an- einbezogen, Potenziale und Synergien zu spät derer, Medienberichterstattung und Informationen erkannt. aus dem Internet prägen das Bild von Sicherheit und Unsicherheit in den Städten. Das Gefühl und die Gewissheit, sich im unmittelbaren Wohnum- feld frei und sicher bewegen zu können, ist die Grundlage dafür, sich dort auch wohlzufühlen, nachbarschaftliche Kontakte zu entwickeln und Verantwortung füreinander und für das Wohnum- feld zu übernehmen. Foto: Dr. Anke Schröder Der Begriff der Sicherheit umfasst mehr als den reinen Schutz vor Kriminalität. Es geht auch um die gefühlte und wahrgenommene Sicherheit. Sicherheit ist damit Teil eines umfassenden Ziels: Qualitätsvolle öffentliche Räume für alle Nutzer sowie lebenswerte Städte und Quartiere zu schaf- Zusammen mit dem Landeskriminalamt fen. Baulich-gestalterische, soziale und regulatori- Niedersachsen hat das Deutsche Institut für Ur- sche Einflüsse wirken gleichzeitig auf das Quartier. banistik eine Handreichung für die Sicherheit im Diese Bandbreite macht deutlich, dass nicht nur Wohnumfeld und in der Nachbarschaft entwickelt, ein Akteur allein für die Sicherheit im Wohnum- die Impulse für die Zusammenarbeit von Polizei, feld zuständig ist. Erforderlich ist vielmehr die Wohnungsunternehmen und Kommune geben Zusammenarbeit einer Vielzahl von Akteuren. In soll. Die Broschüre ist im Rahmen des vom Bun- Wohnumfeld betrifft dies maßgeblich die Aufga- desministerium für Bildung und Forschung geför- benbereiche von Polizei, Wohnungsunternehmen derten Forschungsprojekts „Kriminalprävention und Kommunen. Weitere Akteure wie soziale Ins- für ein sicheres Wohnumfeld – Transdisziplinäre titutionen, lokale Gewerbetreibende und natürlich Sicherheitsstrategien für Polizei, Wohnungsun- die Bürger selbst kommen hinzu. ternehmen und Kommunen (transit)“ erarbeitet worden. Neben Darstellungen von sozialen und Um die Lebensqualität im Quartier zu verbessern, sozialräumlichen Aspekten, baulich-planerischen ist die Zusammenarbeit dieser Akteure eine wich- Maßnahmen, Verfahren und Strukturen für ein tige Rahmenbedingung. Die interdisziplinäre Be- sicheres Wohnumfeld enthält sie praktische trachtung hilft, Ursachen und Zusammenhänge von Beispiele für die Zusammenarbeit in den Städten. Unsicherheiten zu verstehen. Erst das gemeinsame Entwickeln von Handlungsstrategien und Maßnah- Ilmweg-Spielplatz, men schafft nachhaltig wirksame Lösungen. Dabei Hannover muss klar sein: Nicht jeder Nutzungskonflikt ist eine Verletzung der öffentlichen Ordnung, und nicht jede verunsichernde „Grenzüberschreitung“ kann als kri- minell angesehen werden. www.difu.de/11200 Obwohl sich in den letzten Jahren ein umfangrei- ches Spektrum kommunaler Präventionsgremien Dr. Holger Floeting entwickelt hat und es immer wieder gute Beispiele +49 30 39001-221 für gemeinsame Lösungswege gibt, ist die Zusam- urbane-sicherheit@difu.de menarbeit von Polizei, Wohnungsunternehmen 16
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