Berufliche Vorsorge: Kapital oder Rente? - Credit Suisse
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Berufliche Vorsorge: Kapital oder Rente? INVESTMENT SOLUTIONS & PRODUCTS Swiss Economics August 2018
Impressum Autoren Herausgeber: Dr. Jan Schüpbach Investment Solutions & Products Tel. +41 44 333 77 36 Dr. Burkhard Varnholt E-Mail: jan.schuepbach@credit-suisse.com Vice Chairman IS&P Tel. +41 44 333 67 63 Dr. Sara Carnazzi Weber E-Mail: burkhard.varnholt@credit-suisse.com Tel. +41 44 333 58 82 E-Mail: sara.carnazzi@credit-suisse.com Dr. Oliver Adler Chefökonom, CIO Office Schweiz Tiziana Hunziker Tel. +41 44 333 09 61 Tel. +41 44 333 28 08 E-Mail: oliver.adler@credit-suisse.com E-Mail: tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Druck Christian Wicki, CFA (Strategieberatung galledia ag, 9230 Flawil Pension Funds & Corporate Investors) Tel. +41 44 332 32 18 Redaktionsschluss E-Mail: christian.wicki.2@credit-suisse.com 3. August 2018 Bestellungen Einzelne Printexemplare direkt bei Ihrem Kundenberater (kostenlos). Elektronische Exemplare über www.credit-suisse.com/publikationen. Besuchen Sie uns im Internet www.credit-suisse.com/publikationen (Märkte & Trends – Schweizer Wirtschaft) Copyright Die Publikation darf mit Quellenangabe zitiert werden. Copyright © 2018 Credit Suisse Group AG und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten. Berufliche Altersvorsorge 2/56
Berufliche Vorsorge: Kapital oder Rente?
Editorial Dr. Oliver Adler Chefökonom Credit Suisse (Schweiz) AG Die berufliche Vorsorge ist in den letzten Jahren in Bewegung geraten. Auslöser war nicht eine umfassende Reform, ob- schon eine solche dringend nötig wäre. Vielmehr haben die Pensionskassen begonnen, ihren Spielraum in den nicht regulierten Bereichen zu nutzen. Um das System so weit wie möglich der neuen Realität von tiefen Zinsen und fort- schreitender demografischer Alterung anzupassen, wurden die Umwandlungssätze und die technischen Zinssätze im überobli- gatorischen Bereich gesenkt. Künftige Rentner müssen deshalb mit tieferen Altersleistungen rechnen. In diesem Kontext gewinnt die Frage nach der Form des Bezugs des Altersguthabens zunehmend an Relevanz – das heisst die Frage, ob dieses als Kapital oder über eine Rente bezogen werden soll. Wir zeigen in unserer Studie, wie die einzelnen Optionen in Abhängigkeit von Umwandlungssatz, Renditeum- feld, Lebenserwartung und Steuerbelastung für die Versicher- ten aussehen und wie sie sich im zur Verfügung stehenden Einkommen niederschlagen. Bis heute lässt sich noch keine klare Tendenz zu einem vermehrten Kapitalbezug feststellen. Dies könnte sich aber in Zukunft vor dem Hintergrund weiter sinkender Umwand- lungssätze ändern. Zusätzlicher Treiber für diese Entwicklung dürfte die Verbreitung von 1e-Vorsorgeplänen für höhere Einkommen sein, bei welchen die Altersleistungen im Normal- fall als Kapital ausgezahlt werden. 4/56 Berufliche Altersvorsorge
1e-Vorsorgepläne erfüllen die steigenden Ansprüche nach mehr Flexibilität und Individualisierung in der Vorsorge: Sie lassen Versicherten die Freiheit, je nach Risikobereitschaft eigenverantwortlich ihre Anlagestrategie zu wählen. Jedoch bleiben sie nicht ohne Konsequenzen für das System der beruflichen Vorsorge. Über 1e-Lösungen können Versicherte sich teilweise der systemwidrigen Umverteilung zwischen Aktiven und Rentnern entziehen. Gleichzeitig führen diese Vorsorgepläne zu einer Entsolidarisierung in der beruflichen Vorsorge, weil dem Kollektiv Kapital entzogen wird und dadurch die Sanierungsfähigkeit der Pensionskassen sinkt. Diese Entwicklungen unterstreichen die Notwendigkeit einer umfas- senden Reform, welche die Altersvorsorge nachhaltig sichert. Wir hoffen, mit dieser Publikation nicht nur zum besseren Verständnis des spezifischen Themas «Kapital oder Rente» beizutragen, sondern darüber hinaus die Diskussion um die Zukunft der Altersvorsorge zu erweitern. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre. Berufliche Altersvorsorge 5/56
Die berufliche Vorsorge auf die Probe gestellt Im Drei-Säulen-System der Schweizer gen für tiefere Lohnanteile, die über Altersvorsorge soll die zweite Säule die obligatorischen hinausgehen (z.B. die Weiterführung des gewohnten höhere Sparbeiträge des Arbeitge- Lebensstandards ermöglichen und mit bers). Im überobligatorischen Bereich der AHV als erste Säule zusammen ist den Pensionskassen die Gestal- ein Renteneinkommen von rund 60 % tung von Zins und Umwandlungssatz des letzten Lohnes erzielen. Im frei überlassen, solange im Obligatori- Unterschied zum Umlageverfahren der um das gesetzliche Minimum jederzeit AHV stützt sich die berufliche Vorsor- erfüllt ist. Dies gilt auch für umhüllen- ge auf das Kapitaldeckungsverfahren. de Kassen, die für das gesamte Die Beiträge von Arbeitnehmenden Altersguthaben (also für den obligato- und Arbeitgebenden werden bei rischen wie überobligatorischen Teil) Pensionskassen als Altersvorsorge für einen einheitlichen, umhüllenden die Versicherten angespart. Dabei wird Umwandlungssatz anwenden. zwischen einem obligatorischen und einem überobligatorischen Bereich Bedeutung der zweiten Säule für unterschieden. In der obligatorischen die Altersvorsorge beruflichen Vorsorge (BVG) werden Die Altersvorsorge der Pensionierten Jahreslöhne von CHF 21’150 bis zu besteht im Regelfall aus einer Rente CHF 84’600 versichert und Pensions- aus der ersten Säule (AHV), einer kassen müssen auf diesem Teil des Rente respektive einem Kapitalbezug Vorsorgekapitals die gesetzlich aus der beruflichen Vorsorge sowie im vorgeschriebene Mindestverzinsung Idealfall zusätzlich aus privaten sicherstellen. Für die Rentenbestim- Ersparnissen und der gebundenen mung in diesem Bereich gilt zudem ein Vorsorge 3a. Wie stark die einzelnen gesetzlich festgelegter Mindestum- Säulen der Alterssicherung dazu wandlungssatz von 6,8 %. Für beitragen, einen angemessenen Lohnanteile, die CHF 84’600 über- Lebensstandard im Alter zu gewähr- steigen, richten die meisten Pensions- leisten, hängt von zwei Faktoren ab: kassen ebenfalls Versicherungsleis- Geburtsjahr und Einkommen. tungen aus. Dies bezeichnet man dann als überobligatorische berufliche Vorsorge. Dazu zählen auch Leistun- 6/56 Berufliche Altersvorsorge
Zweite Säule spielt erst für die höheren Einkommen eine wichtige Rolle Anteil am Bruttoeinkommen der Rentnerhaushalte nach Quintil der Einkommensverteilung in %, 2012–2014 2% 2% 100 % 3% 3% 3% 3% 4% 5% 7% 7% 90 % 5% 4% 13 % 4% 3% 9% 23 % 4% 80 % 20 % 70 % 32 % 4% 43 % 35 % 60 % 50 % 43 % 40 % 80 % 68 % 30 % 54 % 44 % 45 % 20 % 27 % 10 % 0% 1. Quintil 2. Quintil 3. Quintil 4. Quintil 5. Quintil Durchschnitt Weitere Einkommen (Erwerbstätigkeit,Transfers von Haushalten) * Kapitalauszahlungen aus der zweiten und dritten Säule Einkommen aus Vermögen und Vermietung* werden dem Vermögen zugeschlagen und erscheinen Sozialleistungen, Taggelder indirekt als Vermögenseinkommen Renten aus beruflicher Vorsorge Quelle: Bundesamt für Statistik (HABE), Credit Suisse Renten der AHV/IV Ältere Rentnergenerationen hatten nimmt die Bedeutung der beruflichen wenig Möglichkeiten, eine vollumfäng- Vorsorge im Allgemeinen mit steigen- liche Altersvorsorge im heutigen Sinne dem Einkommensniveau zu. Während aufzubauen. Obwohl es in der Schweiz für durchschnittliche Einkommen bereits Mitte des 19. Jahrhunderts im 1. Quintil (tiefste 20 % der erste Pensionskassen gab, wurde das Einkommensverteilung) die AHV fast BVG-Obligatorium erst 1985 einge- die einzige Quelle der Altersrente ist, führt und die Verankerung der macht die zweite Säule bei den steuerlich begünstigten Säule 3a fand höheren Einkommensklassen im 1986 statt. Fehlende Beitragsleistun- 4. und 5. Quintil über 40 % aus gen oder kurze Beitragsdauern (vgl. Abb.). Das Einkommensniveau schmälern für diese ältere Rentnerge- übt über alle Rentnergenerationen neration die Altersleistungen markant, hinweg einen stärkeren Einfluss aus die über die erste Säule hinausgehen. als das Geburtsjahr. Auch für jüngere Neben diesem Generationeneffekt Rentnergenerationen, die stärker am Berufliche Altersvorsorge 7/56
Aufbau der beruflichen Vorsorge leiden vor allem die Renditen der wenig partizipieren konnten, spielt dieser risikobehafteten Obligationen, immer Pfeiler der Altersvorsorge erst für die noch eine der wichtigsten Anlageklas- Einkommensklassen oberhalb des sen von Schweizer Pensionskassen. In Medians von CHF 68’900 eine den letzten Jahren konnten diese verhältnismässig wichtige Rolle. Renditeverluste noch durch zeitgleiche Kursgewinne – bedingt durch die Tiefzinsumfeld und Demografie sinkenden Zinsen – auf ebendiesen als Herausforderungen Obligationen wettgemacht werden. In Das Umfeld, in dem die Schweizer absehbarer Zukunft ist jedoch nicht von Pensionskassen operieren, hat sich seit weiter fallenden Zinssätzen auszuge- der Einführung des BVG-Obligatoriums hen. Daher ist die Wahrscheinlichkeit, 1985 stark verändert. Unter einem dass Obligationen erneut Bewertungs- demografischen Gesichtspunkt stellt gewinne schreiben, gering. Als vor allem die Alterung der Bevölkerung Reaktion auf das anhaltende Tiefzins- eine Herausforderung für Vorsorge- umfeld haben Pensionskassen die einrichtungen dar. Die Restlebenser- Zusammenstellung ihrer Anlageportfo- wartung mit 65 Jahren ist bei Männern lios verändert. Diese weisen heute seit 1985 um knapp 5 Jahre gestiegen vermehrt risikoreichere Titel wie Aktien, und bei Frauen um 3,6 Jahre. Die Immobilien oder alternative Anlagen Erhöhung des Frauenrentenalters von auf. Diese Verlagerung bedeutet für 62 auf 64 Jahre (10. AHV-Revision) Vorsorgeeinrichtungen die Inkaufnahme und die Senkungen des Umwand- höherer Risiken für die Erwirtschaftung lungssatzes von 7,2 % auf 6,8 % (1. einer ausreichend hohen Rendite, die BVG-Revision) tragen dieser Entwick- sie zur Finanzierung ihrer Verpflichtun- lung nur ungenügend Rechnung. Unter gen brauchen. diesen Bedingungen steigt deshalb das Risiko, dass das während des Erwerbs- Problematik der Umverteilung lebens angesparte Alterskapital der Bis heute sind die verschiedenen Versicherten nicht für deren gesamte Parameter in der beruflichen Vorsorge Rentenbezugsdauer ausreicht. Wird nicht oder zu langsam an die neuen das Kapital zu Lebzeiten aufgebraucht, demografischen und wirtschaftlichen müssen die weiterhin anfallenden Realitäten angepasst worden. Eine Renten von der Vorsorgeeinrichtung als konkrete, wenn auch wenig sichtbare Kollektiv finanziert werden. Folge dieser Problematik ist die Umverteilung von den Aktiven zu den Aus einer wirtschaftlichen Perspektive Rentnern, die in der beruflichen birgt das anhaltende Tiefzinsumfeld Vorsorge eigentlich nicht vorgesehen Schwierigkeiten. Es hat einen bedeu- wäre. Eine erste Art von Umverteilung tenden Einfluss auf den Anlageertrag in entsteht bei Neurenten, wenn der beruflichen Vorsorge, der neben aufgrund einer Unterschätzung der den Versicherten und den Arbeitgeben- Lebenserwartung der Umwandlungs- den oft als «dritter Beitragszahler» satz bei Neupensionierten zu hoch bezeichnet wird. Zu Zeiten tiefer Zinsen ausfällt. Infolgedessen sind die 8/56 Berufliche Altersvorsorge
Rentenversprechen zu hoch. Diese Entwicklungen und dem anhaltenden können aus rechtlichen Gründen Tiefzinsumfeld Rechnung zu tragen, später jedoch nicht mehr verändert ist eine Anpassung des Mindestum- werden.1 Die auftretenden Finanzie- wandlungssatzes von aktuell 6,8 % im rungslücken müssen letztlich von den BVG-Obligatorium zwingend nötig. Bis Beitragszahlern getragen werden. eine politische Lösung gefunden wird, sind den Pensionskassen, die nur Die zweite Art von Umverteilung von Leistungen im obligatorischen Bereich Jung zu Alt entsteht bei laufenden versichern, die Hände gebunden, da Renten, wenn der technische Zins zu der Mindestumwandlungssatz dort hoch angesetzt ist und das Vorsorge- gesetzlich festgelegt ist. Es besteht kapital der Rentner deshalb über jedoch Spielraum für umhüllende längere Zeit höher verzinst wird als Kassen, die auch im überobligato- das Vorsorgekapital der aktiven rischen Bereich der beruflichen Versicherten. Das anhaltende Tiefzins- Vorsorge tätig sind. Dort können umfeld hat viele Pensionskassen die Umwandlungssätze frei bestimmt überrascht und dieser zuvor bestimmte und Verluste aus dem obligatorischen technische Zinssatz, der die künftig Bereich kompensiert werden. Laut erzielbare Anlageperformance wider- Pensionskassenumfrage der Credit spiegeln sollte, hat sich oftmals als Suisse rechnen umhüllende Kassen im exzessiv herausgestellt. Unsere Schät- Mittel für die nächsten fünf Jahre mit zungen belegen, dass im Jahr 2015 in Umwandlungssätzen von 5,5 % für der zweiten Säule CHF 5.3 Mrd. von Frauen und Männer. Damit sind die Beitragszahlern zu Rentnern umverteilt Umwandlungssätze aber immer noch wurden.2 Dieser Betrag liegt deutlich höher als die versicherungsmathema- höher als die CHF 3,5 Mrd. aus tisch korrekten, welche sich gemäss unserer ersten Schätzung für das Jahr Pensionskassenexperten in der 2010. Obwohl Schweizer Pensions- Grössenordnung von 5 % bewegen. kassen zur Milderung der Umvertei- Neben regulatorischen Massnahmen in lung Massnahmen beim technischen der obligatorischen Vorsorge braucht Zinssatz und Umwandlungssatz es also auch weitere Anpassungen ergriffen haben, waren diese offenbar durch die Pensionskassen im überobli- insgesamt zu wenig effektiv. gatorischen Bereich, um systemwidrige Umverteilungen zu vermeiden und die Trend zu sinkenden Umwand- langfristige Finanzierung der Vorsorge- lungssätzen leistungen zu gewährleisten. Um systemwidrige Umverteilungen zu vermeiden sowie den demografischen 1 Nur im Falle einer Unterdeckung der Pensionskasse kann diese von den Rentnern einen Betrag zur Behebung der Unterdeckung verlangen. Dieser darf nur im Überobligatorium und nur auf dem Teil der laufenden Renten erhoben werden, der in den zehn Jahren zuvor durch gesetzlich oder reglementarisch nicht vorgeschriebene Erhöhungen (z.B. Teuerungsanpassungen) entstanden ist. 2 Vgl. Schweizer Pensionskassenumfrage: Tiefe Zinsen und Demografie als zentrale Herausforderungen, Credit Suisse, Mai 2017 Berufliche Altersvorsorge 9/56
Gescheiterte Reform Altersvorsorge 2020 Die Schweizer Altersvorsorge steuert auf eine Notlage zu. Die AHV gibt bereits heute jährlich mehr aus als sie einnimmt. Der AHV-Fonds, der bislang die Defizite deckte, wird bis 2030 aufgebraucht sein. In der zweiten Säule findet eine systemwidrige Umverteilung zu Lasten der aktiven Beitragszahler statt. Revisionen in der Gesetzgebung sind längst fällig. Der letzte Versuch, die Reform «Altersvorsorge 2020», ging jedoch in manchen Punkten zu wenig weit und in anderen in die falsche Richtung. Das geschnürte überlade- ne Paket, in dem die Sanierung der ersten und der zweiten Säule kombiniert wurde, hatte zum Ziel, die Finanzen der AHV über die kommenden zehn Jahre im Gleichgewicht zu halten und die Situation der Pensionskassen zu verbessern. Die dafür vorgeschlagenen Massnahmen reichten von der Heraufsetzung des Frauenrentenalters über die Zusatzfinanzierung der AHV mittels 0,6 % der Mehrwertsteuer bis zu einer schrittweisen Senkung des Mindestumwandlungssatzes auf 6,0 %. Auch hätten eine flexible Wahl der Pensionierung zwischen 62 und 70 Jahren und die Flexibilisierung des Koordinationsabzugs zu einer Anpassung an die gesellschaftlichen Bedürfnis- se wie flexible Arbeitsmodelle führen sollen. Um die Höhe der Altersrenten zu erhalten, wurden jedoch auch umstrittene Ausgleichsmassnahmen in AHV und BVG in die Vorlage aufgenommen. In der zweiten Säule wären die Altersgutschriftensätze erhöht worden, in der AHV wären die Monatsrenten um pauschal CHF 70 gestiegen. Entgegen den Empfehlungen der Exekutive und Legislative entschied sich das Schweizer Volk im September 2017 mit 52,7 % der abgegebenen Stimmen letztlich gegen die Rentenreform 2020. Neue Arbeitsmodelle stellen temporäre Arbeitsverträge oder aktuelles System auf die Probe Freelancer-Tätigkeiten haben an Während demografische und wirt- Wichtigkeit gewonnen. Einerseits schaftliche Aspekte die langfristige leisten aktuelle Entwicklungen im Funktionsweise der zweiten Säule Ausbildungssystem ihren Beitrag dazu. unter der aktuellen Gesetzgebung So fördert der Ausbau der Fachhoch- bedrohen, können gesellschaftliche schulen die Teilzeitarbeit bei jungen Tendenzen bei betroffenen Versicher- Altersgruppen. Häufiger auftretende ten zu grossen Lücken in der Alters- befristete Arbeitsverhältnisse wie vorsorge führen. Der gesellschaftliche Praktika sind oft Voraussetzung für Wandel und der damit einhergehende einen Hochschulabschluss oder den Bedarf an flexiblen Arbeitsmodellen Einstieg in die Arbeitswelt. Anderer- geht nämlich nicht gänzlich an der seits trägt der Wunsch nach einer zweiten Säule vorbei. Teilzeitarbeit, ausgewogenen Work-Life-Balance zur 10/56 Berufliche Altersvorsorge
Verbreitung von flexiblen Erwerbsfor- sofern sie keine Mitarbeitenden men bei. Veränderungen in der beschäftigen. traditionellen Rollenverteilung in der Partnerschaft, bei denen beide Diese Problematik wurde auch im Partner ihr Pensum reduzieren, um für Rahmen der inzwischen gescheiterten die Kinderbetreuung aufzukommen, Reform «Altersvorsorge 2020» spielen ebenso eine Rolle wie der thematisiert mit dem Ziel einer Aufbruch von herkömmlichen Arbeits- Senkung und Flexibilisierung des strukturen durch Beschäftigungsfor- Koordinationsabzugs. Hier ist zu er- men wie Freelancer. wähnen, dass einige Vorsorgeeinrich- tungen heutzutage keine fixen Für die von diesen Entwicklungen Koordinationsabzüge mehr vorneh- betroffenen Versicherten können men oder diese ganz weglassen. finanzielle Nachteile im Ruhestand Gemäss einer Umfrage aus dem Jahr entstehen. In der obligatorischen 2017 kennen 19 % der Schweizer beruflichen Vorsorge werden erstens Pensionskassen in ihren Reglementen nur Löhne ab einer Eintrittsschwelle keinen Koordinationsabzug mehr und von CHF 21’150 versichert. Zur 34 % wenden einen variablen Abzug Bestimmung des versicherten Lohnes an, abgestimmt auf den Lohn bzw. wird zudem vom Jahreslohn ein das Arbeitspensum.3 Betrag abgezogen, der sogenannte Koordinationsabzug von aktuell CHF 24’675. Argument dafür ist, dass ein Teil des Lohnes schon obligatorisch durch die AHV versichert wird. Für Mitarbeitende, die Teilzeit oder bei mehreren Unternehmen zu kleine Arbeitspensen und entspre- chend tiefen Löhnen beschäftigt sind, können diese Parameter dazu führen, dass die BVG-Ersparnisse gering aus- oder sogar wegfallen und dadurch nicht genügend für das Alter angespart werden kann. Ihnen bleibt die Möglichkeit zur Zahlung freiwilliger Beiträge an die Auffangeinrichtung. Andernfalls müssen sie sich im Alter hauptsächlich auf die AHV stützen. Gleiches gilt für Selbstständige, welche ganz von der Beitragspflicht der beruflichen Vorsorge befreit sind, 3 Vgl. Schweizer Pensionskassenstudie 2017, Swisscanto Vorsorge AG Berufliche Altersvorsorge 11/56
Fakten zum Kapitalbezug Versicherte können zum Zeitpunkt der Gemäss Neurentenstatistik (NRS) des Pensionierung ihr Guthaben aus der Bundesamts für Statistik wählen rund beruflichen Vorsorge auf drei verschie- die Hälfte der Versicherten diese dene Arten beziehen: als monatliche Option, Frauen etwas häufiger als Rente, als einmalige Kapitalauszah- Männer (vgl. Abb. auf S. 13). Rund lung oder als Kombination aus 31 % beziehen das gesamte Alters- beidem. Viele Pensionskassen bieten guthaben in Kapitalform, weitere ihren Versicherten die Möglichkeit, 18 % wählen eine Kombination aus die Hälfte oder sogar das gesamte beiden Varianten. Gemäss Pensions- Altersguthaben in Kapitalform zu kassenstatistik beliefen sich die beziehen. Gesetzlich vorgeschrieben Kapitalleistungen 2016 schweizweit ist jedoch lediglich eine minimale auf insgesamt über CHF 6.8 Mrd. Auszahlungsquote auf Wunsch des Versicherten von mindestens 25 % Der durchschnittlich ausbezahlte des obligatorischen Teils. Kapitalbetrag aus der beruflichen Vorsorge im Rahmen der Pensionie- Reiner Kapitalbezug kommt nicht rung – sowohl reine Kapitalbezüge als selten vor auch in Kombination mit einer Alters- Bei Pensionskassen stellt die reine rente – liegt bei CHF 173’892, wobei monatliche Rente nach wie vor die am Männer mit CHF 225’509 mehr als häufigsten gewählte Lösung dar: doppelt so viel beziehen wie Frauen 12/56 Berufliche Altersvorsorge
Knapp ein Drittel der Versicherten bezieht ganzes Altersguthaben in Kapitalform Neubezüger4 einer Altersleistung der beruflichen Vorsorge (nur Pensionskassen)5 nach Leistungskombination und Geschlecht in %, 2016 (Summen können aufgrund von Rundungen von 100 % abweichen) 100 % 80 % 31 % 30 % 32 % 60 % 18 % 23 % 12 % 40 % 51 % 55 % 48 % 20 % 0% Total Männer Frauen Nur Rente Kapital und Rente Quelle: Bundesamt für Statistik (NRS), Credit Suisse Nur Kapital mit CHF 100’689. Dies lässt sich höher aus als der Median und ziehen weitgehend mit Unterschieden in den somit den Mittelwert stark nach oben. Erwerbsbiografien zwischen Frauen Dabei handelt es sich jedoch nicht nur und Männern erklären, aber auch um einige wenige Extremfälle Kapitalvorbezüge aufgrund von (vgl. Abb. auf S. 14). Scheidung oder Heirat (Letzteres war bis im Jahr 1995 zulässig) dürften eine Rolle spielen. Im Allgemeinen lässt sich bei den Kapitalauszahlungen feststellen, dass die Medianwerte deutlich niedriger sind als die Mittel- werte. Dies deutet auf ein starkes Gefälle bei den Auszahlungsbeträgen hin: Kapitalbezüge in der oberen Hälfte der Verteilung fallen deutlich 4 Ob eine Person in der Vergangenheit/Zukunft einen zusätzlichen Bezug getätigt hat/tätigen wird, ist in der Statistik nicht ersichtlich. Es ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich, dass in der beruflichen Vorsorge ein Kapital- und Neurentenbezug im Rahmen der Pensionierung zeitlich auseinanderfallen. 5 Bei den Freizügigkeitseinrichtungen sind nur rund 2 % aller neu ausgerichteten Altersleistungen Renten, die restlichen 98 % sind Kapitalauszahlungen. Berufliche Altersvorsorge 13/56
Grosses Gefälle bei den Auszahlungsbeträgen Höhe der Kapitalbezüge aus der beruflichen Vorsorge (Pensionskassen und Freizügigkeitseinrichtungen) in CHF, nach Quartil der Verteilung, 2016 250’000 200’000 150’000 100’000 50’000 0 Total Männer Frauen Mittelwert 1. Quartil Median Quelle: Bundesamt für Statistik (NRS), Credit Suisse 3. Quartil Soziodemographische Merkmale Bildung), sind es 33 %. Die durch- der Kapitalbezüger schnittlichen Kapitalbeträge liegen bei Aus der Schweizerischen Arbeitskräf- knapp CHF 300’000 bei den Hoch- teerhebung (SAKE) und der Neuren- qualifizierten und rund CHF 84’000 tenstatistik (NRS) des Bundesamts für bei Personen mit obligatorischer Statistik lassen sich weitere Einsichten Bildung. Letztere beziehen jedoch in die soziodemografische Struktur der häufiger Kapital in gestaffelter Form Kapitalbezüger gewinnen (vgl. Abb. als Personen mit höherem Ausbil- auf S. 15). Die Wahrscheinlichkeit dungsniveau. Dies könnte auf die eines Kapitalbezugs und die Höhe der Verwendung von Teilen des angespar- bezogenen Kapitalleistungen steigen ten Kapitals im Rahmen von Vorbezü- im Allgemeinen mit dem Bildungsni- gen zurückzuführen sein (vgl. nächs- veau. Bei Personen mit einer Ausbil- ten Abschnitt). Kapitalbezüge kommen dung auf Tertiärstufe (Universität, zudem bei Schweizern (38 %) Fachhochschule, höhere Berufsbil- häufiger vor als bei Ausländern dung) haben 40 % ihr Altersguthaben (30 %), während sich die Bevölke- zumindest partiell in Kapitalform rungsgruppen nach Zivilstand nur bezogen; bei Personen, welche wenig unterscheiden. Nur ledige lediglich einen Abschluss auf Sekun- Personen beziehen deutlich weniger darstufe I aufweisen (obligatorische oft eine Kapitalleistung aus der 14/56 Berufliche Altersvorsorge
beruflichen Vorsorge. Was den 26 % zu einem früheren Zeitpunkt Zeitpunkt der Auszahlungen betrifft, und lediglich 18 % werden über das erfolgen rund 56 % der Kapitalbezüge gesetzliche Rentenalter hinaus zwischen 63 und 65 Jahren, weitere aufgeschoben. Hochqualifizierte beziehen häufiger Kapital aus der 2. Säule Bezüger einer Kapitalleistung aus der beruflichen Vorsorge: Anteil nach soziodemografischen Merkmalen in % (links) und Höhe der bezogenen Kapitalleistung (Mittelwert) in Tausend CHF (rechts), nur Rentner, 2015/2016 Nationalität Ausbildungsniveau Tertiärstufe 34 % 60 % 298 Sekundarstufe II 30 % 61 % 195 Sekundarstufe I 23 % 67 % 84 Ausländer/-in 21 % 70 % 131 Schweizer/-in 31 % 62 % 183 Geschieden 32 % 62 % 142 Zivilstand Verwitwet 34 % 62 % 132 Verheiratet 29 % 62 % 191 Ledig 25 % 67 % 148 0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % 0 100 200 300 400 Ja, einmalig Ja, mehrmalig Nein Bezogene Kapitalleistung Quelle: Bundesamt für Statistik (SAKE, NRS), Credit Suisse Kapitalvorbezug: von Umbau und Renovation, die Wohnbauförderung im Auswanderung aus der Schweiz Vordergrund (Auszahlung eingeschränkt bei Das im Rahmen der beruflichen Wegzug in den EU- oder EFTA-Raum) Vorsorge angesparte Kapital darf in sowie der Fall von Invalidität, wenn der bestimmten Fällen bereits vor der Versicherte eine ganze Invalidenrente Pensionierung ausgezahlt werden. der Invalidenversicherung bezieht und Es sind dies die Aufnahme einer das Invaliditätsrisiko nicht versichert selbständigen Tätigkeit, der Erwerb ist. Am häufigsten wird Kapital aus der von Wohneigentum zum Eigenbedarf, zweiten Säule für die Finanzierung von einschliesslich Rückzahlung von Wohneigentum oder für die Aufnahme Hypothekardarlehen oder Finanzierung einer selbständigen Tätigkeit bezogen. Berufliche Altersvorsorge 15/56
Im Jahr 2016 machten gemäss Zwecke im Zusammenhang mit dem Neurentenstatistik (NRS) 25’359 Eigenheim. Im Durchschnitt betrug der Personen in der Schweiz von einer Kapitalbezug für Wohneigentum dieser beiden Möglichkeiten Ge- CHF 78’206, derjenige für den Schritt brauch, knapp drei Viertel davon für in die Selbständigkeit CHF 84’391. Kapitalvorbezug nicht nur bei hohen Einkommen Anteil an Personen zwischen 55 und 65 Jahren, die in ihrem Leben bisher einen Vorbezug* aus der beruflichen Vorsorge getätigt haben nach Einkommensquintilen in %, 2012/2015 10 % 8% 6% 10.1 % 9.7 % 8.8 % 4% 7.1 % 7.3 % 2% 0% 1.Quintil 2. Quintil 3. Quintil 4.Quintil 5.Quintil *N ur Vorbezüge für Wohneigentum und selbständige Erwerbstätigkeit Quelle: Bundesamt für Statistik (SAKE), Credit Suisse Eine Auswertung für die beiden vorsichtige Abschätzung der Risiken Hauptzwecke des Kapitalvorbezugs eines Kapitalvorbezugs ist daher nach Quintilen der Einkommensvertei- durchaus gerechtfertigt. lung anhand der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) zeigt, Trend zu mehr Kapitalbezug? dass vorzeitige Kapitalauszahlungen Die Thematik des Kapitalbezugs hat in zwar in der Tendenz häufiger in den den letzten Jahren eine gewisse höheren Einkommensklassen vorge- Brisanz erlangt, als der Bundesrat nommen werden, der Unterschied zu 2016 im Rahmen der Reform der den unteren Einkommensquintilen Ergänzungsleistungen den Vorstoss jedoch relativ klein ist (vgl. Abb.). Der lancierte, den Bezug des Alterskapi- Anteil an Personen, die in ihrem tals aus dem obligatorischen Teil der Leben bisher einen Vorbezug getätigt beruflichen Vorsorge bei der Pensio- haben, variiert zwischen rund 10 % nierung oder als Vorbezug für die bei den Einkommensquintilen oberhalb Aufnahme einer selbständigen des Medians und etwa 7 % in den Tätigkeit verbieten zu wollen. Er unteren Einkommensklassen. Eine argumentierte dabei mit einem 16/56 Berufliche Altersvorsorge
erhöhten Risiko, im Fall eines wenig angewiesen zu sein. Der Vorschlag haushälterischen Umgangs mit dem des Bundesrats wurde allerdings von bezogenen Kapital bzw. im Fall eines National- und Ständerat abgelehnt Konkurses bei Selbständigkeit, im und verschwindet damit aus der Alter auf Ergänzungsleistungen Vorlage. Phasenweise Häufung von Kapitalbezügen Bezüger von reglementarischen Kapitalleistungen bei Pensionierung und Bevölkerung im Alter zwischen 58 und 70 Jahren: Index 2004 = 100, durchschnittlicher Kapitalbetrag pro Bezüger in Tausend CHF 140 240 130 220 120 110 200 100 180 90 160 80 70 140 60 120 50 40 100 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Durchschnittlcher Kapitalbetrag pro Bezüger (r.S.) Bezüger Quelle: Bundesamt für Statistik (Pensionskassenstatistik, STATPOP), Credit Suisse Bevölkerung 58–70 Jahre Lässt sich in der Schweiz allgemein ein Verhältnis zur Entwicklung der Bevölke- Trend zu vermehrten Kapitalbezügen rung, welche jedes Jahr potenziell in beobachten? Die in den letzten Jahren Rente gehen könnte, ist keine klare feststellbare Zunahme der Anzahl Tendenz zu einem häufigeren Kapital- Kapitalbezüger sagt noch nichts bezug auszumachen, obschon der darüber aus, ob die Option des durchschnittliche Kapitalbetrag pro Kapitalbezugs häufiger gewählt wird, Bezüger zugenommen hat. Es gab denn dies könnte auch eine Folge der allerdings in der Vergangenheit demografisch bedingten Zunahme der Phasen, in denen sich die Kapitalbezü- Pensionierungen sein (vgl. Abb.). Setzt ge häuften, was mit guten Börsenjah- man die Anzahl Kapitalbezüger ins ren zusammenzufallen schien. Berufliche Altersvorsorge 17/56
Am aktuellen Rand beobachtet man welche bereits 2005 ein Modell mit wieder eine solche Tendenz. Diese variablen Renten eingeführt hat. Bis könnte in Zukunft mit der Verbreitung heute haben jedoch nur wenige von 1e-Vorsorgeplänen weiteren Pensionskassen von diesem Instrument Auftrieb gewinnen, bei welchen Gebrauch gemacht. Eine andere Form Versicherten die Wahl zwischen der finanziellen Entlastung besteht verschiedenen Anlagestrategien haben darin, Neurentner dazu zu verpflichten, und das angesparte Kapital bei einen Teil des angesparten Altersgutha- Rentenantritt grundsätzlich ausbezahlt bens in Kapitalform zu beziehen, um wird (vgl. Kapitel «1e-Vorsorgepläne»). längerfristige Rentenverpflichtungen zu vermeiden. Die Pensionskassen von Die Arbeitgebersicht: Novartis, IBM oder auch der Credit Kapitalbezug als Instrument Suisse haben ein solches Modell zur Risikominderung bereits umgesetzt. Laut der Pensions- Pensionskassen sind aufgrund der kassenumfrage der Credit Suisse sind anhaltenden Tiefzinsphase, der solche Bestimmungen bei Schweizer steigenden Lebenserwartung und der Pensionskassen aber insgesamt noch zu hohen Umwandlungssätze und relativ wenig verbreitet: Nur bei 8 % der technischen Zinssätze unter Druck befragten Einrichtungen sieht das geraten, die versprochenen Rentenver- Reglement einen obligatorischen pflichtungen einhalten zu können (vgl. Kapitalbezug vor. Immerhin 12 % der Kapitel «Die berufliche Vorsorge auf die Umfrageteilnehmer geben aber an, die Probe gestellt»). Zu hoch bemessene Einführung entweder bereits beschlos- Renten, welche über eine immer sen zu haben oder zurzeit zu diskutie- längere Rentenbezugsdauer ausgerich- ren.6 Die Einführung eines solchen tet werden müssen, bedeuten für Zwangs zum Kapitalbezug ist nur im Pensionskassen in diesem Umfeld eine überobligatorischen Teil der beruflichen finanzielle Belastung und hohe Risiken. Vorsorge möglich. In manchen Fällen Es überrascht daher nicht, dass wird dies im Rahmen von 1e-Vorsorge- Pensionskassen in den letzten Jahren plänen für Lohnbestandteile ab CHF vermehrt nach einem Ausweg aus 126’900 (vgl. Kapitel «1e-Vorsorgeplä- dieser Situation gesucht haben. ne») umgesetzt. Mit einer solchen Lösung kann eine Pensionskasse unter Modelle mit variablen (überobligatori- zwei Aspekten Risiken auslagern: Zum schen) Renten sind eine Option, um einen tragen die Versicherten selbst das eine finanzielle Entlastung der Pensi- Anlagerisiko, zum anderen entlasten onskassen zu erreichen. Dabei wird im die Kapitalauszahlungen die Bilanz des ungünstigsten Fall nur der garantierte Unternehmens von langfristigen Teil der Rente ausbezahlt, im besten Rentenverpflichtungen. Fall erhöht sich die Rente um einen variablen Teil. Vorreiter auf diesem Gebiet ist die PwC-Pensionskasse, 6 Vgl. Schweizer Pensionskassenumfrage: Tiefe Zinsen und Demografie als zentrale Herausforderungen, Credit Suisse, Mai 2017 18/56 Berufliche Altersvorsorge
1e-Vorsorgepläne 1e-Vorsorgepläne werden nach dem Ein ausserobligatorischer Bereich entsprechenden Artikel in der Verord- entsteht nung über die berufliche Alters-, Für die Umsetzung von 1e-Vorsorge- Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge plänen müssen die entsprechenden (BVV 2) benannt. Demnach dürfen Lohnanteile in einer separaten Rechts- Vorsorgeeinrichtungen, welche einheit verwaltet werden. Es entstehen Lohnanteile über CHF 126’9007 dadurch zwei getrennte Stiftungen. In abdecken, ihren Versicherten innerhalb der ersten werden Löhne im Obligatori- eines Vorsorgeplans bis zu maximal um und Überobligatorium bis zur zehn unterschiedliche Anlagestrategien 1e-Lohngrenze abgedeckt, in der zur Auswahl anbieten, davon mindes- zweiten die ausserobligatorische tens eine mit risikoarmen Profil. Die Vorsorge für Löhne oberhalb der Destinatäre tragen dabei das volle 1e-Grenze. Für die Trennung des Anlagerisiko und beziehen das ausserobligatorischen Bereichs stehen angesparte Guthaben bei Rentenantritt zwei Optionen zur Verfügung: Die im Normalfall als Kapital.8 Diese Gründung einer dedizierten neuen Vorsorgepläne existieren eigentlich Stiftung oder der Anschluss an eine schon seit 2006, aber erst seit einer Sammelstiftung. Die Struktur der entsprechenden Änderung in den Versicherten, der Deckungsgrad der Bestimmungen des Freizügigkeitsge- Pensionskasse, die gewünschte setzes per 1. Oktober 2017 müssen Einflussnahme sowie Kostenüberle- Pensionskassen ihren Versicherten im gungen stellen dabei die wichtigsten Austrittsfall keine Mindestgarantien Evaluationskriterien aus Sicht der mehr gewähren. Diese Änderung hat Vorsorgeeinrichtung dar. Entscheidet die Attraktivität von 1e-Vorsorgeplänen sich eine Pensionskasse dazu, für Vorsorgeeinrichtungen signifikant 1e-Vorsorgepläne anzubieten, müssen erhöht und diese Vorsorgemodelle alle Mitarbeitenden mit einem Jahres- selbst in den Fokus der Institutionen lohn über CHF 126’900 diese Lohnan- und der breiten Öffentlichkeit gerückt. teile im Rahmen der 1e-Vorsorgelö- sung versichern. 7 Dies entspricht dem anderthalbfachen oberen Grenzbetrag von CHF 84’600 nach Art. 1 BVG. 8 Weder Art. 1e BVV2 noch Art. 19a FZG schreiben eine Leistung ausschliesslich in Form von Kapital vor. Bei einer Auszahlung in Rentenform würde allerdings ein wichtiger Vorteil dieser Vorsorgepläne aus Arbeitgebersicht wegfallen, nämlich die Entlastung der Bilanz von langfristigen Rentenverpflichtungen. Berufliche Altersvorsorge 19/56
Antwort auf steigende Ansprüche diesem Umstand Rechnung. In nach Individualisierung gewissen Situationen können fallende 1e-Vorsorgepläne bieten Unternehmen Anlagewerte jedoch trotzdem eine die Möglichkeit, die Bilanz von langfris- ernsthafte Belastung darstellen. Bei tigen Rentenverpflichtungen zu älteren Mitarbeitenden mit kurzem entlasten (vgl. Kapitel «Fakten zum Anlagehorizont kann eine widrige Kapitalbezug»). Dies kann sich gerade Marktentwicklung zum Zeitpunkt der für Unternehmen, die ihren Finanzbe- Pensionierung zu einem unter Umstän- richt nach internationalen Rechnungsle- den nicht mehr wettzumachenden gungsvorschriften erstellen, als Kapitalverlust führen. Ähnlich sieht es vorteilhaft erweisen. 1e-Vorsorgepläne auch im Fall eines Arbeitgeberwechsels stellen jedoch auch eine Antwort auf oder bei Arbeitslosigkeit aus, wenn die den Wunsch der versicherten Personen Überweisung der Austrittsleistungen nach einer Individualisierung der an die Auffangeinrichtung oder eine Vorsorgelösungen dar, welcher sich in Freizügigkeitsstiftung zu einem aus den letzten Jahren zunehmend bemerk- Anlagesicht ungünstigen Zeitpunkt bar gemacht hat. 1e-Vorsorgepläne erfolgen muss. Man ist sich indes bei lassen den Versicherten die Freiheit, je der Gestaltung von 1e-Vorsorgeplänen nach Alter und Risikobereitschaft, ihre dieser Problematik bewusst und Anlagestrategie selbständig zu wählen bestrebt, nach Wegen zu einer mög- und periodisch anzupassen. Darüber lichst reibungslosen Überführung der hinaus können Versicherte diesen Teil Anlage ins Privatvermögen oder in eine des angesparten Kapitals der system- Freizügigkeitsstiftung zu suchen. widrigen Umverteilung zwischen Aktiven und Rentnern und einer allfälligen 1e-Pläne haben aus Perspektive der Sanierung der Pensionskasse entzie- Versicherten potenziell auch Konse- hen. quenzen für die Hinterbliebenenrenten. Im Allgemeinen schmälert zwar jeder Die Kehrseite dieser erhöhten Wahl- Bezug von Kapital aus der beruflichen möglichkeiten ist das Anlagerisiko, Vorsorge die Hinterbliebenenrenten, bei welches der Versicherte nunmehr 1e-Vorsorgeplänen geschieht dies aber vollständig tragen muss. Ein gewisses bereits vor der Pensionierung, analog Know-how in der Vermögensanlage zum Fall des Vorbezugs für Wohneigen- oder aber eine entsprechende Beratung tum. Im Falle des Ablebens des seitens der Vorsorgeeinrichtung Destinatärs erhalten die Erben zwar das hinsichtlich Risiken und Kosten sind in allenfalls noch vorhandene Kapital aus diesem Zusammenhang von Vorteil. dem 1e-Vorsorgeplan, aber die lebens- Versicherte müssen sich bewusst sein, lange Rente entfällt. Es verbleiben nur dass eine ungünstige Marktentwicklung die Ansprüche im Rahmen des BVG- oder gar ein Börsencrash zu markanten Obligatoriums und Überobligatoriums. Wertverlusten führen kann. Dass der Es gibt allerdings auch bei 1e-Stiftun- Gesetzgeber diese Freiräume bei der gen die Möglichkeit, die Leistungen für Anlagestrategie nur ab einem relativ Hinterbliebene zusätzlich zu versichern. hohen Einkommen gewährt, trägt 20/56 Berufliche Altersvorsorge
1e-Vorsorgepläne im Überblick Vorteile Für Arbeitgebende Für versicherte Personen Keine Unterdeckung des ausserobligatorischen Schutz vor Umverteilung, da die Vorsorgevermö- Vorsorgewerks möglich, da der Versicherte die gen im Ausserobligatorium getrennt verwaltet Risiken selbst trägt werden Bei Bilanzierung als Beitragsprimatspläne Anlagerenditen können durch die angepassten können die Reserven für die Deckung von Liquiditäts- und Risikorestriktionen optimiert Vermögensverlusten in der beruflichen werden Vorsorge reduziert werden (gemäss IAS 19) Die Vorsorgelösung kann optimal an die Anlagen können regelmässig gemäss persönli- Bedürfnisse angepasst werden cher Situation und Planung angepasst werden Nachteile Für Arbeitgebende Für versicherte Personen Erhöht die Komplexität in der beruflichen Das Anlagerisiko muss von den Versicherten Vorsorge selbst getragen werden Zusätzliche Überprüfung von Überhängen sowie Im Gegensatz zu Kaderplänen sind Einkäufe der Basisversicherung nötig nur ohne Verzinsung des geplanten Vorsorgever- mögens möglich Geringere Sanierungsfähigkeit der bestehenden Bei Austritt (Pensionierung, Arbeitgeberwechsel, Einrichtung Arbeitslosigkeit) können im Fall eines ungünsti- gen Börsenumfelds Verluste entstehen Berufliche Altersvorsorge 21/56
401(k) Pläne USA Die 401(k)-Vorsorgekapitalien gehören zur zweiten Säule des amerikani- schen Vorsorgesystems. Wie in der Schweiz wird die erste Säule in den USA staatlich und die dritte Säule privat organisiert. In der durch die Arbeitgeben- den zur Verfügung gestellten zweiten Säule gibt es nur noch sehr vereinzelt Pensionskassen, welche feste Rentenzusagen, sogenannte «Defined benefits», gewähren, bei welchen das Anlagerisiko bei den Arbeitgebenden verbleibt. Es handelt sich meistens um staatliche Organisationen oder Konzerne, die stark gewerkschaftlich organisiert sind. Als die Kosten des Systems mit fixen Renten zu hoch wurden, haben die meisten Unternehmen auf Pläne mit «Defined contributions» gewechselt. Diese Pläne wurden Anfang der 1980er-Jahre eingeführt und nach dem entsprechenden Para- grafen 401(k) im Steuerkodex benannt. Destinatäre aller Einkommensklas- sen können steuerfrei bis zu USD 18’500 jährlich (Stand 2018) in diese Pläne einzahlen. Einzahlungen der Arbeitgebenden sind nicht gesetzlich geregelt, fast alle Unternehmen bieten sie aber als Teil des Kompensations- paketes an. Die Wahl der Anlagestrategie des 401(k)-Kontos liegt in den Händen der Versicherten. Dabei stellen ihnen die Arbeitgebenden zumeist fünf bis zehn Alternativen zur Verfügung. Dies ermöglicht den Versicherten, die passende Anlagestrategie je nach Risikobereitschaft und verbleibendem Anlagehorizont zu wählen. Bei diesen Plänen übertragen die Arbeitgebenden jedoch das volle Risiko auf die Destinatäre. Dementsprechend gibt es keinerlei Absicherung des Vorsorgekapitals. Darüber hinaus bestehen einige Restriktionen. So müssen Arbeitnehmende eine Mindestperiode bei ihren Arbeitgebenden tätig sein, bevor sie Zugriff zu deren Einzahlungen bekom- men, und der Bezug des angesparten Guthabens vor dem ordentlichen Rentenalter ist mit erheblichen steuerlichen Einbussen verbunden. Marktpotenzial für Wichtigkeit gewinnen werden. So steht 1e-Vorsorgepläne laut Pensionskassenumfrage der Mit einem Anteil per Ende 2017 von Credit Suisse auch schon bei 13 % CHF 3.6 Mrd. bzw. 0,4 % des gesam- der befragten Einrichtungen eine ten Vorsorgekapitals spielen 1e-Vorsor- Einführung zur Diskussion.10 gepläne zurzeit noch eine untergeord- nete Rolle.9 Allerdings gehen wir davon Neben der potenziellen Verbreitung aus, dass diese Vorsorgelösungen aus von 1e-Vorsorgeplänen in der Schwei- den oben genannten Gründen an zer Pensionskassenlandschaft ist auch 9 Vgl. Bericht finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen 2017, Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge OAK BV 10 Vgl. Schweizer Pensionskassenumfrage: Tiefe Zinsen und Demografie als zentrale Herausforderungen, Credit Suisse, Mai 2017 22/56 Berufliche Altersvorsorge
die Frage nach dem Potenzial an mehr als CHF 126’900 erreichen und Versicherten von Bedeutung, die damit für 1e-Vorsorgepläne infrage aufgrund ihres Gehalts die Kriterien kommen könnten (vgl. Abb.). Diese für eine solche Vorsorgelösung erfüllen. Zahlen zeigen, dass diese Vorsorgelö- Ausgehend von der Einkommensvertei- sungen nur für eine Minderheit der lung gemäss Schweizerischer Arbeits- Schweizer Erwerbsbevölkerung von kräfteerhebung (SAKE) lässt sich Relevanz sind. Ausgedrückt in Vorsor- schätzen, dass zurzeit 9,8 % der gekapital schätzen wir das Potenzial für Erwerbstätigen, welche die Eintritts- 1e-Vorsorgepläne derzeit auf rund schwelle in die berufliche Vorsorge CHF 50 Mrd. überschreiten, ein Einkommen von Weniger als 10 % der Aktiven erfüllt Bedingung für 1e-Vorsorgepläne Jährliches Erwerbseinkommen in Tausend CHF, Anteile in %, 2016 25 % Eintrittsschwelle BVG- Einkommensschwelle für 1e- Obligat. (CHF 21’150) Vorsorgepläne (CHF 126’900) 20 % 15 % 10 % 5% 0% 0–20 20–40 40–60 60–80 80–100 100–120 120–140 140–160 160–180 180–200 200–220 220–240 240–260 260–280 280–300 300+ Quelle: Bundesamt für Statistik (SAKE), Credit Suisse Von den Aktiven, welche diese Erwerbsleben verabschieden. Ein nicht Bedingung erfüllen, sind rund 34 % unerheblicher Teil des potenziell im im Alter zwischen 40 und 50 Jahren Rahmen von 1e-Vorsorgeplänen (vgl. Abb. auf S. 24). Fast die Hälfte ist angesparten Kapitals wird demnach bereits 50-jährig oder älter und wird in bald von den Destinatären bezogen den kommenden Jahren in Rente werden. Die nachrückenden Generatio- gehen. Es handelt sich um die gebur- nen sind aufgrund tieferer Geburtenra- tenstarken Generationen der Babyboo- ten deutlich weniger stark besetzt. mer, welche sich langsam aus dem Berufliche Altersvorsorge 23/56
Potenzielle Versicherte in 1e-Vorsorgeplänen gehen bald in Rente Verteilung der Erwerbstätigen über Einkommensschwelle für 1e-Vorsorgepläne nach Altersklassen in %, mittleres jährliches Wachstum der Erwerbstätigen bis 2025 in % 40% 5% 35% 4% 30% 25% 3% 20% 2% 15% 10% 1% 5% 0% 0%
berufliche Vorsorge auf die Probe ten abhängig ist. Die Abbildung auf gestellt»). Diese Umverteilung zulasten Seite 26 verdeutlicht diese Zusam- der jüngeren Generation wurde menhänge. Erhöht sich der Anteil des mittlerweile als eines der gravierends- BVG-Obligatoriums am gesamten ten Probleme der zweiten Säule Vorsorgekapital aufgrund einer erkannt, nicht zuletzt auch von der Verlagerung von Teilen des Überobli- Oberaufsichtskommission Berufliche gatoriums in 1e-Vorsorgepläne, Vorsorge (OAK BV). reduziert sich der Effekt einer Minder- verzinsung auf den Deckungsgrad. Sanierungsfähigkeit der Vorsorge- Diese Reduktion fällt umso stärker einrichtungen nimmt mit 1e-Vor- aus, je höher der Anteil des Vorsorge- sorgeplänen ab kapitals der Aktiven am gesamten Zur Verbesserung der finanziellen Vorsorgekapital ist. Lage einer Vorsorgeeinrichtung kann der Stiftungsrat im Wesentlichen zwei Massnahmen ergreifen: entweder werden zusätzliche Beiträge erhoben oder die Vorsorgekapitalien der aktiven Versicherten werden tiefer verzinst. Während zusätzliche Beiträge in Form von Lohnprozenten erhoben werden und diese nicht durch das Vorhanden- sein von 1e-Vorsorgeplänen beein- flusst werden, sieht es bei einer Minderverzinsung anders aus. Auf dem obligatorischen Teil des Vorsorgekapi- tals der Aktiven muss der gesetzlich vorgeschriebene Mindestzins gewährt werden. In einer umhüllenden Kasse kann auf dem überobligatorischen Anteil eine tiefere Verzinsung ange- wandt werden, solange in einer Schattenrechnung aufgezeigt werden kann, dass auch bei einer tieferen Verzinsung auf dem gesamten Vorsorgekapital der obligatorische Anteil immer noch den Mindestzins erreicht. Daraus resultiert eine Sanierungs- und damit eine Risikofä- higkeit, welche vom Anteil des Vorsorgekapitals der aktiven Versicher- ten am gesamten Vorsorgekapital und vom Anteil des Überobligatoriums am Vorsorgekapital der aktiven Versicher- Berufliche Altersvorsorge 25/56
Je höher der Anteil des BVG-Obligatoriums desto geringer die Sanierungsfähigkeit Einfluss einer Minderverzinsung um 1 Prozentpunkt auf den Deckungsgrad (DG) in Abhängigkeit von verschiedenen Anteilen des Vorsorgekapitals der Aktiven am gesamten Vorsorgekapital 1.0 % Einfluss Minderverzinsung um 1Pp. auf DG 0.8 % 0.6 % 0.4 % 0.2 % 0.0 % 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Anteil BVG-Obligatorium am gesamten Vorsorgekapital Lesebeispiel: Liegt der Anteil des BVG-Obligatoriums am Varianten Anteil Vorsorgekapital der Aktiven am gesamten Vorsorgekapital bei 40 % und der Anteil des gesamten Vorsorgekapital Vorsorgekapitals der Aktiven am Total des Vorsorgekapitals bei 60 %, erhöht sich bei einer Minderverzinsung um 1 20 % Prozentpunkt der Deckungsgrad um 0,36 Prozentpunkte. Quelle: Credit Suisse 40 % 60 % 80 % 100 % 26/56 Berufliche Altersvorsorge
Vermögensaufbau im Lebenszyklus: Szenarien Der Aufbau des Altersguthabens in Der erste Einflussfaktor, die Rendite, der beruflichen Vorsorge unterliegt wirkt sich über die Zinsgutschriften verschiedenen Einflussfaktoren. Neben und den Zinseszinseffekt auf den der Höhe des Einkommens sind die Aufbau des Alterskapitals aus. Wie Kriterien Rendite, Beitragsjahre sich Unterschiede in der Anlageperfor- und Arbeitspensum von besonderer mance für die Destinatäre auswirken, Bedeutung. Zur Veranschaulichung lässt sich anhand der Zahlenbeispiele der Zusammenhänge zwischen diesen in der Abbildung auf Seite 28 erläutern. Faktoren und dem Vermögensaufbau Im mittleren Einkommenssegment wird betrachten wir drei Fallbeispiele mit bei 1 % Rendite ein Altersguthaben unterschiedlichen Einkommensniveaus. von CHF 440’422 angespart, aufge- Um der Realität möglichst nahe zu teilt in monatliche Renten ergibt dies bleiben, haben wir innerhalb dieser eine CHF 2’019.12 Bei einer jährlichen gewisse Lohnentwicklung über das Rendite von 2 % oder gar 4 % erhöht Erwerbsleben angenommen. Bei den sich das angesparte Alterskapital auf Beispielen handelt es sich um die CHF 519’026 bzw. CHF 744’387. ungefähren Einkommensanstiege einer Die entsprechenden monatlichen Verkaufskraft (CHF 50’000–70’000), Renten belaufen sich auf CHF 2’379 einer Lehrkraft (CHF 70’000– respektive CHF 3’412. 100’000) und eines Juristen (CHF 95’000–200’000).11 11 Verkaufskraft im Detailhandel mit Berufsausbildung, ohne Kaderfunktion; Lehrkraft mit Lehrerpatent, ohne Kaderfunktion und Jurist in der Rechtsberatung mit Hochschulabschluss und oberer/mittlerer Kaderfunktion gegen Ende der Karriere (Quelle: Salarium – Individueller Lohnrechner 2014, Bundesamt für Statistik). 12 Annahme: 5,5 % Umwandlungssatz. Berufliche Altersvorsorge 27/56
Rendite entscheidend für die Bildung des Altersguthabens Altersguthaben nach 40 Jahren für verschiedene Lohnverläufe, Koordinationsabzug CHF 15’00013 1’600’000 1’392’131 1’400’000 1’200’000 994’057 1’000’000 852’948 800’000 744’387 600’000 519’026 478’284 440’422 400’000 333’831 283’414 200’000 0 Löhne CHF 50’000–70’000 Löhne CHF 70’000–100’000 Löhne CHF 95’000–200’000 Historische Performance-Angaben oder Finanz- Rendite 1 % marktszenarien sind keine verlässlichen Indikatoren Rendite 2 % für die aktuelle oder künftige Wertentwicklung. Rendite 4 % Quelle: Credit Suisse Ein weiterer Faktor, der das Altersgut- Beispiel der Arbeitseinstieg zwecks haben erheblich beeinflusst, ist die längerer Ausbildung um sechs Jahre, Beitragsdauer. Dem Sparprozess in der fällt das Altersvermögen bei der beruflichen Vorsorge obliegen Arbeit- Pensionierung in den untersuchten nehmende ab dem 25. Lebensjahr. Bis Einkommensklassen um ca. 8 % bis zum Zeitpunkt der Pensionierung 10 % geringer aus (vgl. Abb. auf S. werden Jahr für Jahr von Arbeitneh- 29). Ein ähnlicher Effekt für den menden und Arbeitgebenden Beiträge Aufbau des Altersguthabens entsteht geleistet, die von der Pensionskasse bei einer gleich langen Babypause. verzinst werden. Verzögert sich zum 13 Da rund die Hälfte der Schweizer Pensionskassen in ihren Reglementen entweder keinen Koordinationsabzug mehr kennen oder einen flexiblen Abzug anwenden, unterstellen wir einen tieferen Wert als CHF 24’675. Der minimal versicherte Lohn liegt bei CHF 3’525. 28/56 Berufliche Altersvorsorge
Einzahlungslücken in frühen Jahren schmälern Alterskapital um 10 % Entwicklung des Altersguthabens über 40 Jahre für verschiedene Lohnverläufe, Koordinationsabzug CHF 15’000, Rendite 2 % 1’000’000 994’057 917’501 900’000 800’000 700’000 600’000 519’026 500’000 468’668 400’000 333’831 300’000 301’737 200’000 100’000 0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 Später Arbeitsbeginn Historische Performance-Anga- Beiträge ab 25 Jahren Verzögerter Arbeitseinstieg ben oder Finanzmarktszenarien Löhne CHF 50’000–70’000 Löhne CHF 50'000-70'000 sind keine verlässlichen Indikatoren für die aktuelle oder Löhne CHF 70’000–100’000 Löhne CHF 70’000–100’000 künftige Wertentwicklung. Löhne CHF 95’000–200’000 Löhne CHF 95’000–200’000 Quelle: Credit Suisse Bei der Beitragsdauer gilt es, auch die 59 Jahren, fallen die fehlenden Auswirkungen der variierenden Sätze Beiträge stärker ins Gewicht als bei für die BVG-Beiträge zu beachten. einem verzögerten Arbeitseinstieg. Die gesetzlich vorgeschriebenen Im Vergleich zu einer ordentlichen Altersgutschriften legen fest, welcher Pensionierung macht eine Frühpensi- Prozentsatz des koordinierten Lohnes onierung um sechs Jahre für die in die berufliche Vorsorge einbezahlt untersuchten Einkommensklassen werden muss. Die Altersgutschriften eine Differenz von fast 30% im steigen mit dem Alter an, von anfäng- Altersguthaben aus (vgl. Abb. auf S. lich 7 % mit 25 Jahren auf bis zu 30).14 Aus diesem Grund sollten sich 18 % ab 55 Jahren. Deshalb führt ein Versicherte, die eine Frühpensionie- Arbeitsunterbruch in einem späteren rung in Betracht ziehen, bei ihrer Stadium des Erwerbslebens bei Pensionskasse erkundigen, wie hoch gleicher Einkommensentwicklung zu die Kürzungen ausfallen und welche höheren Einbussen im Alterskapital. Übergangslösungen bestehen und Lässt sich ein Versicherter vorzeitig angewandt werden können. pensionieren, zum Beispiel mit 14 Wir gehen von einer ordentlichen Pensionierung im Alter von 65 Jahren aus. Berufliche Altersvorsorge 29/56
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