Berufliche Vorsorge: Kapital oder Rente? - Credit Suisse

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Berufliche Vorsorge: Kapital oder Rente? - Credit Suisse
Berufliche Vorsorge:
      Kapital oder Rente?

INVESTMENT SOLUTIONS & PRODUCTS
Swiss Economics
August 2018
Impressum                                        Autoren
Herausgeber:                                     Dr. Jan Schüpbach
Investment Solutions & Products                  Tel. +41 44 333 77 36
Dr. Burkhard Varnholt                            E-Mail: jan.schuepbach@credit-suisse.com
Vice Chairman IS&P
Tel. +41 44 333 67 63                            Dr. Sara Carnazzi Weber
E-Mail: burkhard.varnholt@credit-suisse.com      Tel. +41 44 333 58 82
                                                 E-Mail: sara.carnazzi@credit-suisse.com
Dr. Oliver Adler
Chefökonom, CIO Office Schweiz                   Tiziana Hunziker
Tel. +41 44 333 09 61                            Tel. +41 44 333 28 08
E-Mail: oliver.adler@credit-suisse.com           E-Mail: tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com

Druck                                            Christian Wicki, CFA (Strategieberatung
galledia ag, 9230 Flawil                         Pension Funds & Corporate Investors)
                                                 Tel. +41 44 332 32 18
Redaktionsschluss                                E-Mail: christian.wicki.2@credit-suisse.com
3. August 2018

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                                                             Berufliche Altersvorsorge         2/56
Berufliche Vorsorge:
Kapital oder Rente?
Editorial

               Dr. Oliver Adler
               Chefökonom
               Credit Suisse (Schweiz) AG

               Die berufliche Vorsorge ist in den letzten Jahren in Bewegung
               geraten. Auslöser war nicht eine umfassende Reform, ob-
               schon eine solche dringend nötig wäre. Vielmehr haben
               die Pensionskassen begonnen, ihren Spielraum in den nicht
               regulierten Bereichen zu nutzen. Um das System so weit
               wie möglich der neuen Realität von tiefen Zinsen und fort-
               schreitender demografischer Alterung anzupassen, wurden die
               Umwandlungssätze und die technischen Zinssätze im überobli-
               gatorischen Bereich gesenkt. Künftige Rentner müssen
               deshalb mit tieferen Altersleistungen rechnen. In diesem
               Kontext gewinnt die Frage nach der Form des Bezugs des
               Altersguthabens zunehmend an Relevanz – das heisst die
               Frage, ob dieses als Kapital oder über eine Rente bezogen
               werden soll. Wir zeigen in unserer Studie, wie die einzelnen
               Optionen in Abhängigkeit von Umwandlungssatz, Renditeum-
               feld, Lebenserwartung und Steuerbelastung für die Versicher-
               ten aussehen und wie sie sich im zur Verfügung stehenden
               Einkommen niederschlagen.

               Bis heute lässt sich noch keine klare Tendenz zu einem
               vermehrten Kapitalbezug feststellen. Dies könnte sich aber
               in Zukunft vor dem Hintergrund weiter sinkender Umwand-
               lungssätze ändern. Zusätzlicher Treiber für diese Entwicklung
               dürfte die Verbreitung von 1e-Vorsorgeplänen für höhere
               Einkommen sein, bei welchen die Altersleistungen im Normal-
               fall als Kapital ausgezahlt werden.

4/56   Berufliche Altersvorsorge
1e-Vorsorgepläne erfüllen die steigenden Ansprüche nach
mehr Flexibilität und Individualisierung in der Vorsorge: Sie
lassen Versicherten die Freiheit, je nach Risikobereitschaft
eigenverantwortlich ihre Anlagestrategie zu wählen. Jedoch
bleiben sie nicht ohne Konsequenzen für das System der
beruflichen Vorsorge. Über 1e-Lösungen können Versicherte
sich teilweise der systemwidrigen Umverteilung zwischen
Aktiven und Rentnern entziehen. Gleichzeitig führen diese
Vorsorgepläne zu einer Entsolidarisierung in der beruflichen
Vorsorge, weil dem Kollektiv Kapital entzogen wird und dadurch
die Sanierungsfähigkeit der Pensionskassen sinkt. Diese
Entwicklungen unterstreichen die Notwendigkeit einer umfas-
senden Reform, welche die Altersvorsorge nachhaltig sichert.

Wir hoffen, mit dieser Publikation nicht nur zum besseren
Verständnis des spezifischen Themas «Kapital oder Rente»
beizutragen, sondern darüber hinaus die Diskussion um die
Zukunft der Altersvorsorge zu erweitern. Wir wünschen Ihnen
eine anregende Lektüre.

                                  Berufliche Altersvorsorge   5/56
Die berufliche
Vorsorge auf die
Probe gestellt
Im Drei-Säulen-System der Schweizer      gen für tiefere Lohnanteile, die über
Altersvorsorge soll die zweite Säule     die obligatorischen hinausgehen (z.B.
die Weiterführung des gewohnten          höhere Sparbeiträge des Arbeitge-
Lebensstandards ermöglichen und mit      bers). Im überobligatorischen Bereich
der AHV als erste Säule zusammen         ist den Pensionskassen die Gestal-
ein Renteneinkommen von rund 60 %        tung von Zins und Umwandlungssatz
des letzten Lohnes erzielen. Im          frei überlassen, solange im Obligatori-
Unterschied zum Umlageverfahren der      um das gesetzliche Minimum jederzeit
AHV stützt sich die berufliche Vorsor-   erfüllt ist. Dies gilt auch für umhüllen-
ge auf das Kapitaldeckungsverfahren.     de Kassen, die für das gesamte
Die Beiträge von Arbeitnehmenden         Altersguthaben (also für den obligato-
und Arbeitgebenden werden bei            rischen wie überobligatorischen Teil)
Pensionskassen als Altersvorsorge für    einen einheitlichen, umhüllenden
die Versicherten angespart. Dabei wird   Umwandlungssatz anwenden.
zwischen einem obligatorischen und
einem überobligatorischen Bereich        Bedeutung der zweiten Säule für
unterschieden. In der obligatorischen    die Altersvorsorge
beruflichen Vorsorge (BVG) werden        Die Altersvorsorge der Pensionierten
Jahreslöhne von CHF 21’150 bis zu        besteht im Regelfall aus einer Rente
CHF 84’600 versichert und Pensions-      aus der ersten Säule (AHV), einer
kassen müssen auf diesem Teil des        Rente respektive einem Kapitalbezug
Vorsorgekapitals die gesetzlich          aus der beruflichen Vorsorge sowie im
vorgeschriebene Mindestverzinsung        Idealfall zusätzlich aus privaten
sicherstellen. Für die Rentenbestim-     Ersparnissen und der gebundenen
mung in diesem Bereich gilt zudem ein    Vorsorge 3a. Wie stark die einzelnen
gesetzlich festgelegter Mindestum-       Säulen der Alterssicherung dazu
wandlungssatz von 6,8 %. Für             beitragen, einen angemessenen
Lohnanteile, die CHF 84’600 über-        Lebensstandard im Alter zu gewähr-
steigen, richten die meisten Pensions-   leisten, hängt von zwei Faktoren ab:
kassen ebenfalls Versicherungsleis-      Geburtsjahr und Einkommen.
tungen aus. Dies bezeichnet man
dann als überobligatorische berufliche
Vorsorge. Dazu zählen auch Leistun-
6/56       Berufliche Altersvorsorge
Zweite Säule spielt erst für die höheren Einkommen eine wichtige Rolle
Anteil am Bruttoeinkommen der Rentnerhaushalte nach Quintil der
Einkommensverteilung in %, 2012–2014
                   2%                                                  2%
100 %                               3%               3%                                 3%                  3%
                   4%               5%                                 7%
                                                     7%
  90 %             5%               4%                                                                     13 %
                                                     4%                3%
                   9%                                                                  23 %
                                                                                                            4%
  80 %
                                   20 %
  70 %                                              32 %                                4%
                                                                      43 %
                                                                                                           35 %
  60 %

  50 %                                                                                 43 %

  40 %            80 %
                                   68 %
  30 %
                                                    54 %
                                                                      44 %                                 45 %
  20 %
                                                                                       27 %
  10 %

    0%
                1. Quintil       2. Quintil       3. Quintil        4. Quintil       5. Quintil         Durchschnitt

                                                                  Weitere Einkommen (Erwerbstätigkeit,Transfers
                                                                  von Haushalten)
* Kapitalauszahlungen aus der zweiten und dritten Säule          Einkommen aus Vermögen und Vermietung*
   werden dem Vermögen zugeschlagen und erscheinen                Sozialleistungen, Taggelder
   indirekt als Vermögenseinkommen
                                                                  Renten aus beruflicher Vorsorge
Quelle: Bundesamt für Statistik (HABE), Credit Suisse             Renten der AHV/IV

Ältere Rentnergenerationen hatten                              nimmt die Bedeutung der beruflichen
wenig Möglichkeiten, eine vollumfäng-                          Vorsorge im Allgemeinen mit steigen-
liche Altersvorsorge im heutigen Sinne                         dem Einkommensniveau zu. Während
aufzubauen. Obwohl es in der Schweiz                           für durchschnittliche Einkommen
bereits Mitte des 19. Jahrhunderts                             im 1. Quintil (tiefste 20 % der
erste Pensionskassen gab, wurde das                            Einkommensverteilung) die AHV fast
BVG-Obligatorium erst 1985 einge-                              die einzige Quelle der Altersrente ist,
führt und die Verankerung der                                  macht die zweite Säule bei den
steuerlich begünstigten Säule 3a fand                          höheren Einkommensklassen im
1986 statt. Fehlende Beitragsleistun-                          4. und 5. Quintil über 40 % aus
gen oder kurze Beitragsdauern                                  (vgl. Abb.). Das Einkommensniveau
schmälern für diese ältere Rentnerge-                          übt über alle Rentnergenerationen
neration die Altersleistungen markant,                         hinweg einen stärkeren Einfluss aus
die über die erste Säule hinausgehen.                          als das Geburtsjahr. Auch für jüngere
Neben diesem Generationeneffekt                                Rentnergenerationen, die stärker am
                                                                            Berufliche Altersvorsorge             7/56
Aufbau der beruflichen Vorsorge            leiden vor allem die Renditen der wenig
partizipieren konnten, spielt dieser       risikobehafteten Obligationen, immer
Pfeiler der Altersvorsorge erst für die    noch eine der wichtigsten Anlageklas-
Einkommensklassen oberhalb des             sen von Schweizer Pensionskassen. In
Medians von CHF 68’900 eine                den letzten Jahren konnten diese
verhältnismässig wichtige Rolle.           Renditeverluste noch durch zeitgleiche
                                           Kursgewinne – bedingt durch die
Tiefzinsumfeld und Demografie              sinkenden Zinsen – auf ebendiesen
als Herausforderungen                      Obligationen wettgemacht werden. In
Das Umfeld, in dem die Schweizer           absehbarer Zukunft ist jedoch nicht von
Pensionskassen operieren, hat sich seit    weiter fallenden Zinssätzen auszuge-
der Einführung des BVG-Obligatoriums       hen. Daher ist die Wahrscheinlichkeit,
1985 stark verändert. Unter einem          dass Obligationen erneut Bewertungs-
demografischen Gesichtspunkt stellt        gewinne schreiben, gering. Als
vor allem die Alterung der Bevölkerung     Reaktion auf das anhaltende Tiefzins-
eine Herausforderung für Vorsorge-         umfeld haben Pensionskassen die
einrichtungen dar. Die Restlebenser-       Zusammenstellung ihrer Anlageportfo-
wartung mit 65 Jahren ist bei Männern      lios verändert. Diese weisen heute
seit 1985 um knapp 5 Jahre gestiegen       vermehrt risikoreichere Titel wie Aktien,
und bei Frauen um 3,6 Jahre. Die           Immobilien oder alternative Anlagen
Erhöhung des Frauenrentenalters von        auf. Diese Verlagerung bedeutet für
62 auf 64 Jahre (10. AHV-Revision)         Vorsorgeeinrichtungen die Inkaufnahme
und die Senkungen des Umwand-              höherer Risiken für die Erwirtschaftung
lungssatzes von 7,2 % auf 6,8 % (1.        einer ausreichend hohen Rendite, die
BVG-Revision) tragen dieser Entwick-       sie zur Finanzierung ihrer Verpflichtun-
lung nur ungenügend Rechnung. Unter        gen brauchen.
diesen Bedingungen steigt deshalb das
Risiko, dass das während des Erwerbs-      Problematik der Umverteilung
lebens angesparte Alterskapital der        Bis heute sind die verschiedenen
Versicherten nicht für deren gesamte       Parameter in der beruflichen Vorsorge
Rentenbezugsdauer ausreicht. Wird          nicht oder zu langsam an die neuen
das Kapital zu Lebzeiten aufgebraucht,     demografischen und wirtschaftlichen
müssen die weiterhin anfallenden           Realitäten angepasst worden. Eine
Renten von der Vorsorgeeinrichtung als     konkrete, wenn auch wenig sichtbare
Kollektiv finanziert werden.               Folge dieser Problematik ist die
                                           Umverteilung von den Aktiven zu den
Aus einer wirtschaftlichen Perspektive     Rentnern, die in der beruflichen
birgt das anhaltende Tiefzinsumfeld        Vorsorge eigentlich nicht vorgesehen
Schwierigkeiten. Es hat einen bedeu-       wäre. Eine erste Art von Umverteilung
tenden Einfluss auf den Anlageertrag in    entsteht bei Neurenten, wenn
der beruflichen Vorsorge, der neben        aufgrund einer Unterschätzung der
den Versicherten und den Arbeitgeben-      Lebenserwartung der Umwandlungs-
den oft als «dritter Beitragszahler»       satz bei Neupensionierten zu hoch
bezeichnet wird. Zu Zeiten tiefer Zinsen   ausfällt. Infolgedessen sind die
8/56       Berufliche Altersvorsorge
Rentenversprechen zu hoch. Diese                         Entwicklungen und dem anhaltenden
können aus rechtlichen Gründen                           Tiefzinsumfeld Rechnung zu tragen,
später jedoch nicht mehr verändert                       ist eine Anpassung des Mindestum-
werden.1 Die auftretenden Finanzie-                      wandlungssatzes von aktuell 6,8 % im
rungslücken müssen letztlich von den                     BVG-Obligatorium zwingend nötig. Bis
Beitragszahlern getragen werden.                         eine politische Lösung gefunden wird,
                                                         sind den Pensionskassen, die nur
Die zweite Art von Umverteilung von                      Leistungen im obligatorischen Bereich
Jung zu Alt entsteht bei laufenden                       versichern, die Hände gebunden, da
Renten, wenn der technische Zins zu                      der Mindestumwandlungssatz dort
hoch angesetzt ist und das Vorsorge-                     gesetzlich festgelegt ist. Es besteht
kapital der Rentner deshalb über                         jedoch Spielraum für umhüllende
längere Zeit höher verzinst wird als                     Kassen, die auch im überobligato-
das Vorsorgekapital der aktiven                          rischen Bereich der beruflichen
Versicherten. Das anhaltende Tiefzins-                   Vorsorge tätig sind. Dort können
umfeld hat viele Pensionskassen                          die Umwandlungssätze frei bestimmt
überrascht und dieser zuvor bestimmte                    und Verluste aus dem obligatorischen
technische Zinssatz, der die künftig                     Bereich kompensiert werden. Laut
erzielbare Anlageperformance wider-                      Pensionskassenumfrage der Credit
spiegeln sollte, hat sich oftmals als                    Suisse rechnen umhüllende Kassen im
exzessiv herausgestellt. Unsere Schät-                   Mittel für die nächsten fünf Jahre mit
zungen belegen, dass im Jahr 2015 in                     Umwandlungssätzen von 5,5 % für
der zweiten Säule CHF 5.3 Mrd. von                       Frauen und Männer. Damit sind die
Beitragszahlern zu Rentnern umverteilt                   Umwandlungssätze aber immer noch
wurden.2 Dieser Betrag liegt deutlich                    höher als die versicherungsmathema-
höher als die CHF 3,5 Mrd. aus                           tisch korrekten, welche sich gemäss
unserer ersten Schätzung für das Jahr                    Pensionskassenexperten in der
2010. Obwohl Schweizer Pensions-                         Grössenordnung von 5 % bewegen.
kassen zur Milderung der Umvertei-                       Neben regulatorischen Massnahmen in
lung Massnahmen beim technischen                         der obligatorischen Vorsorge braucht
Zinssatz und Umwandlungssatz                             es also auch weitere Anpassungen
ergriffen haben, waren diese offenbar                    durch die Pensionskassen im überobli-
insgesamt zu wenig effektiv.                             gatorischen Bereich, um systemwidrige
                                                         Umverteilungen zu vermeiden und die
Trend zu sinkenden Umwand-                               langfristige Finanzierung der Vorsorge-
lungssätzen                                              leistungen zu gewährleisten.
Um systemwidrige Umverteilungen zu
vermeiden sowie den demografischen

1 Nur im Falle einer Unterdeckung der Pensionskasse kann diese von den Rentnern einen Betrag zur Behebung
   der Unterdeckung verlangen. Dieser darf nur im Überobligatorium und nur auf dem Teil der laufenden Renten
   erhoben werden, der in den zehn Jahren zuvor durch gesetzlich oder reglementarisch nicht vorgeschriebene
   Erhöhungen (z.B. Teuerungsanpassungen) entstanden ist.
2 Vgl. Schweizer Pensionskassenumfrage: Tiefe Zinsen und Demografie als zentrale Herausforderungen,
   Credit Suisse, Mai 2017

                                                                        Berufliche Altersvorsorge        9/56
Gescheiterte Reform Altersvorsorge 2020
Die Schweizer Altersvorsorge steuert auf eine Notlage zu. Die AHV gibt
bereits heute jährlich mehr aus als sie einnimmt. Der AHV-Fonds, der bislang
die Defizite deckte, wird bis 2030 aufgebraucht sein. In der zweiten Säule
findet eine systemwidrige Umverteilung zu Lasten der aktiven Beitragszahler
statt. Revisionen in der Gesetzgebung sind längst fällig. Der letzte Versuch,
die Reform «Altersvorsorge 2020», ging jedoch in manchen Punkten zu
wenig weit und in anderen in die falsche Richtung. Das geschnürte überlade-
ne Paket, in dem die Sanierung der ersten und der zweiten Säule kombiniert
wurde, hatte zum Ziel, die Finanzen der AHV über die kommenden zehn
Jahre im Gleichgewicht zu halten und die Situation der Pensionskassen zu
verbessern. Die dafür vorgeschlagenen Massnahmen reichten von der
Heraufsetzung des Frauenrentenalters über die Zusatzfinanzierung der AHV
mittels 0,6 % der Mehrwertsteuer bis zu einer schrittweisen Senkung des
Mindestumwandlungssatzes auf 6,0 %. Auch hätten eine flexible Wahl der
Pensionierung zwischen 62 und 70 Jahren und die Flexibilisierung des
Koordinationsabzugs zu einer Anpassung an die gesellschaftlichen Bedürfnis-
se wie flexible Arbeitsmodelle führen sollen. Um die Höhe der Altersrenten zu
erhalten, wurden jedoch auch umstrittene Ausgleichsmassnahmen in AHV
und BVG in die Vorlage aufgenommen. In der zweiten Säule wären die
Altersgutschriftensätze erhöht worden, in der AHV wären die Monatsrenten
um pauschal CHF 70 gestiegen. Entgegen den Empfehlungen der Exekutive
und Legislative entschied sich das Schweizer Volk im September 2017 mit
52,7 % der abgegebenen Stimmen letztlich gegen die Rentenreform 2020.

Neue Arbeitsmodelle stellen               temporäre Arbeitsverträge oder
aktuelles System auf die Probe            Freelancer-Tätigkeiten haben an
Während demografische und wirt-           Wichtigkeit gewonnen. Einerseits
schaftliche Aspekte die langfristige      leisten aktuelle Entwicklungen im
Funktionsweise der zweiten Säule          Ausbildungssystem ihren Beitrag dazu.
unter der aktuellen Gesetzgebung          So fördert der Ausbau der Fachhoch-
bedrohen, können gesellschaftliche        schulen die Teilzeitarbeit bei jungen
Tendenzen bei betroffenen Versicher-      Altersgruppen. Häufiger auftretende
ten zu grossen Lücken in der Alters-      befristete Arbeitsverhältnisse wie
vorsorge führen. Der gesellschaftliche    Praktika sind oft Voraussetzung für
Wandel und der damit einhergehende        einen Hochschulabschluss oder den
Bedarf an flexiblen Arbeitsmodellen       Einstieg in die Arbeitswelt. Anderer-
geht nämlich nicht gänzlich an der        seits trägt der Wunsch nach einer
zweiten Säule vorbei. Teilzeitarbeit,     ausgewogenen Work-Life-Balance zur
10/56      Berufliche Altersvorsorge
Verbreitung von flexiblen Erwerbsfor-                  sofern sie keine Mitarbeitenden
men bei. Veränderungen in der                          beschäftigen.
traditionellen Rollenverteilung in der
Partnerschaft, bei denen beide                         Diese Problematik wurde auch im
Partner ihr Pensum reduzieren, um für                  Rahmen der inzwischen gescheiterten
die Kinderbetreuung aufzukommen,                       Reform «Altersvorsorge 2020»
spielen ebenso eine Rolle wie der                      thematisiert mit dem Ziel einer
Aufbruch von herkömmlichen Arbeits-                    Senkung und Flexibilisierung des
strukturen durch Beschäftigungsfor-                    Koordinationsabzugs. Hier ist zu er-
men wie Freelancer.                                    wähnen, dass einige Vorsorgeeinrich-
                                                       tungen heutzutage keine fixen
Für die von diesen Entwicklungen                       Koordinationsabzüge mehr vorneh-
betroffenen Versicherten können                        men oder diese ganz weglassen.
finanzielle Nachteile im Ruhestand                     Gemäss einer Umfrage aus dem Jahr
entstehen. In der obligatorischen                      2017 kennen 19 % der Schweizer
beruflichen Vorsorge werden erstens                    Pensionskassen in ihren Reglementen
nur Löhne ab einer Eintrittsschwelle                   keinen Koordinationsabzug mehr und
von CHF 21’150 versichert. Zur                         34 % wenden einen variablen Abzug
Bestimmung des versicherten Lohnes                     an, abgestimmt auf den Lohn bzw.
wird zudem vom Jahreslohn ein                          das Arbeitspensum.3
Betrag abgezogen, der sogenannte
Koordinationsabzug von aktuell
CHF 24’675. Argument dafür ist,
dass ein Teil des Lohnes schon
obligatorisch durch die AHV versichert
wird. Für Mitarbeitende, die Teilzeit
oder bei mehreren Unternehmen zu
kleine Arbeitspensen und entspre-
chend tiefen Löhnen beschäftigt sind,
können diese Parameter dazu führen,
dass die BVG-Ersparnisse gering
aus- oder sogar wegfallen und
dadurch nicht genügend für das Alter
angespart werden kann. Ihnen bleibt
die Möglichkeit zur Zahlung freiwilliger
Beiträge an die Auffangeinrichtung.
Andernfalls müssen sie sich im Alter
hauptsächlich auf die AHV stützen.
Gleiches gilt für Selbstständige,
welche ganz von der Beitragspflicht
der beruflichen Vorsorge befreit sind,

3 Vgl. Schweizer Pensionskassenstudie 2017, Swisscanto Vorsorge AG

                                                                     Berufliche Altersvorsorge   11/56
Fakten zum
Kapitalbezug

Versicherte können zum Zeitpunkt der      Gemäss Neurentenstatistik (NRS) des
Pensionierung ihr Guthaben aus der        Bundesamts für Statistik wählen rund
beruflichen Vorsorge auf drei verschie-   die Hälfte der Versicherten diese
dene Arten beziehen: als monatliche       Option, Frauen etwas häufiger als
Rente, als einmalige Kapitalauszah-       Männer (vgl. Abb. auf S. 13). Rund
lung oder als Kombination aus             31 % beziehen das gesamte Alters-
beidem. Viele Pensionskassen bieten       guthaben in Kapitalform, weitere
ihren Versicherten die Möglichkeit,       18 % wählen eine Kombination aus
die Hälfte oder sogar das gesamte         beiden Varianten. Gemäss Pensions-
Altersguthaben in Kapitalform zu          kassenstatistik beliefen sich die
beziehen. Gesetzlich vorgeschrieben       Kapitalleistungen 2016 schweizweit
ist jedoch lediglich eine minimale        auf insgesamt über CHF 6.8 Mrd.
Auszahlungsquote auf Wunsch des
Versicherten von mindestens 25 %          Der durchschnittlich ausbezahlte
des obligatorischen Teils.                Kapitalbetrag aus der beruflichen
                                          Vorsorge im Rahmen der Pensionie-
Reiner Kapitalbezug kommt nicht           rung – sowohl reine Kapitalbezüge als
selten vor                                auch in Kombination mit einer Alters-
Bei Pensionskassen stellt die reine       rente – liegt bei CHF 173’892, wobei
monatliche Rente nach wie vor die am      Männer mit CHF 225’509 mehr als
häufigsten gewählte Lösung dar:           doppelt so viel beziehen wie Frauen
12/56      Berufliche Altersvorsorge
Knapp ein Drittel der Versicherten bezieht ganzes Altersguthaben
in Kapitalform
Neubezüger4 einer Altersleistung der beruflichen Vorsorge (nur Pensionskassen)5
nach Leistungskombination und Geschlecht in %, 2016 (Summen können
aufgrund von Rundungen von 100 % abweichen)

100 %

 80 %                   31 %                                 30 %                                32 %

 60 %                   18 %                                 23 %                                12 %

 40 %
                        51 %                                                                     55 %
                                                             48 %
 20 %

   0%
                        Total                              Männer                               Frauen

                                                                                               Nur Rente
                                                                                               Kapital und Rente
Quelle: Bundesamt für Statistik (NRS), Credit Suisse                                           Nur Kapital

mit CHF 100’689. Dies lässt sich                             höher aus als der Median und ziehen
weitgehend mit Unterschieden in den                          somit den Mittelwert stark nach oben.
Erwerbsbiografien zwischen Frauen                            Dabei handelt es sich jedoch nicht nur
und Männern erklären, aber auch                              um einige wenige Extremfälle
Kapitalvorbezüge aufgrund von                                (vgl. Abb. auf S. 14).
Scheidung oder Heirat (Letzteres
war bis im Jahr 1995 zulässig) dürften
eine Rolle spielen. Im Allgemeinen
lässt sich bei den Kapitalauszahlungen
feststellen, dass die Medianwerte
deutlich niedriger sind als die Mittel-
werte. Dies deutet auf ein starkes
Gefälle bei den Auszahlungsbeträgen
hin: Kapitalbezüge in der oberen
Hälfte der Verteilung fallen deutlich

4 Ob eine Person in der Vergangenheit/Zukunft einen zusätzlichen Bezug getätigt hat/tätigen wird, ist in der
   Statistik nicht ersichtlich. Es ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich, dass in der beruflichen Vorsorge ein
   Kapital- und Neurentenbezug im Rahmen der Pensionierung zeitlich auseinanderfallen.
5 Bei den Freizügigkeitseinrichtungen sind nur rund 2 % aller neu ausgerichteten Altersleistungen Renten,
   die restlichen 98 % sind Kapitalauszahlungen.

                                                                            Berufliche Altersvorsorge          13/56
Grosses Gefälle bei den Auszahlungsbeträgen
Höhe der Kapitalbezüge aus der beruflichen Vorsorge (Pensionskassen und
Freizügigkeitseinrichtungen) in CHF, nach Quartil der Verteilung, 2016

250’000

200’000

150’000

100’000

  50’000

        0
                          Total                        Männer                  Frauen

                                                                              Mittelwert
                                                                              1. Quartil
                                                                              Median
Quelle: Bundesamt für Statistik (NRS), Credit Suisse                          3. Quartil

Soziodemographische Merkmale                           Bildung), sind es 33 %. Die durch-
der Kapitalbezüger                                     schnittlichen Kapitalbeträge liegen bei
Aus der Schweizerischen Arbeitskräf-                   knapp CHF 300’000 bei den Hoch-
teerhebung (SAKE) und der Neuren-                      qualifizierten und rund CHF 84’000
tenstatistik (NRS) des Bundesamts für                  bei Personen mit obligatorischer
Statistik lassen sich weitere Einsichten               Bildung. Letztere beziehen jedoch
in die soziodemografische Struktur der                 häufiger Kapital in gestaffelter Form
Kapitalbezüger gewinnen (vgl. Abb.                     als Personen mit höherem Ausbil-
auf S. 15). Die Wahrscheinlichkeit                     dungsniveau. Dies könnte auf die
eines Kapitalbezugs und die Höhe der                   Verwendung von Teilen des angespar-
bezogenen Kapitalleistungen steigen                    ten Kapitals im Rahmen von Vorbezü-
im Allgemeinen mit dem Bildungsni-                     gen zurückzuführen sein (vgl. nächs-
veau. Bei Personen mit einer Ausbil-                   ten Abschnitt). Kapitalbezüge kommen
dung auf Tertiärstufe (Universität,                    zudem bei Schweizern (38 %)
Fachhochschule, höhere Berufsbil-                      häufiger vor als bei Ausländern
dung) haben 40 % ihr Altersguthaben                    (30 %), während sich die Bevölke-
zumindest partiell in Kapitalform                      rungsgruppen nach Zivilstand nur
bezogen; bei Personen, welche                          wenig unterscheiden. Nur ledige
lediglich einen Abschluss auf Sekun-                   Personen beziehen deutlich weniger
darstufe I aufweisen (obligatorische                   oft eine Kapitalleistung aus der
14/56          Berufliche Altersvorsorge
beruflichen Vorsorge. Was den                                                 26 % zu einem früheren Zeitpunkt
Zeitpunkt der Auszahlungen betrifft,                                          und lediglich 18 % werden über das
erfolgen rund 56 % der Kapitalbezüge                                          gesetzliche Rentenalter hinaus
zwischen 63 und 65 Jahren, weitere                                            aufgeschoben.

Hochqualifizierte beziehen häufiger Kapital aus der 2. Säule
Bezüger einer Kapitalleistung aus der beruflichen Vorsorge: Anteil nach
soziodemografischen Merkmalen in % (links) und Höhe der bezogenen
Kapitalleistung (Mittelwert) in Tausend CHF (rechts), nur Rentner, 2015/2016
Nationalität Ausbildungsniveau

                                     Tertiärstufe      34 %         60 %                   298

                                 Sekundarstufe II      30 %         61 %                   195

                                 Sekundarstufe I       23 %         67 %                   84

                                   Ausländer/-in       21 %         70 %                   131

                                   Schweizer/-in       31 %         62 %                   183

                                     Geschieden        32 %         62 %                   142
Zivilstand

                                       Verwitwet       34 %         62 %                   132

                                      Verheiratet      29 %         62 %                   191

                                           Ledig       25 %         67 %                   148

                                                    0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %      0         100      200      300      400

                                        Ja, einmalig          Ja, mehrmalig    Nein              Bezogene Kapitalleistung

Quelle: Bundesamt für Statistik (SAKE, NRS), Credit Suisse

Kapitalvorbezug:                                                              von Umbau und Renovation, die
Wohnbauförderung im                                                           Auswanderung aus der Schweiz
Vordergrund                                                                   (Auszahlung eingeschränkt bei
Das im Rahmen der beruflichen                                                 Wegzug in den EU- oder EFTA-Raum)
Vorsorge angesparte Kapital darf in                                           sowie der Fall von Invalidität, wenn der
bestimmten Fällen bereits vor der                                             Versicherte eine ganze Invalidenrente
Pensionierung ausgezahlt werden.                                              der Invalidenversicherung bezieht und
Es sind dies die Aufnahme einer                                               das Invaliditätsrisiko nicht versichert
selbständigen Tätigkeit, der Erwerb                                           ist. Am häufigsten wird Kapital aus der
von Wohneigentum zum Eigenbedarf,                                             zweiten Säule für die Finanzierung von
einschliesslich Rückzahlung von                                               Wohneigentum oder für die Aufnahme
Hypothekardarlehen oder Finanzierung                                          einer selbständigen Tätigkeit bezogen.
                                                                                           Berufliche Altersvorsorge        15/56
Im Jahr 2016 machten gemäss                              Zwecke im Zusammenhang mit dem
Neurentenstatistik (NRS) 25’359                          Eigenheim. Im Durchschnitt betrug der
Personen in der Schweiz von einer                        Kapitalbezug für Wohneigentum
dieser beiden Möglichkeiten Ge-                          CHF 78’206, derjenige für den Schritt
brauch, knapp drei Viertel davon für                     in die Selbständigkeit CHF 84’391.

Kapitalvorbezug nicht nur bei hohen Einkommen
Anteil an Personen zwischen 55 und 65 Jahren, die in ihrem Leben bisher
einen Vorbezug* aus der beruflichen Vorsorge getätigt haben nach
Einkommensquintilen in %, 2012/2015

10 %

  8%

  6%
                                                                      10.1 %         9.7 %
                                                       8.8 %
  4%
               7.1 %                7.3 %

  2%

  0%
             1.Quintil            2. Quintil          3. Quintil     4.Quintil      5.Quintil

*N
  ur Vorbezüge für Wohneigentum und selbständige Erwerbstätigkeit
Quelle: Bundesamt für Statistik (SAKE), Credit Suisse

Eine Auswertung für die beiden                           vorsichtige Abschätzung der Risiken
Hauptzwecke des Kapitalvorbezugs                         eines Kapitalvorbezugs ist daher
nach Quintilen der Einkommensvertei-                     durchaus gerechtfertigt.
lung anhand der Schweizerischen
Arbeitskräfteerhebung (SAKE) zeigt,                      Trend zu mehr Kapitalbezug?
dass vorzeitige Kapitalauszahlungen                      Die Thematik des Kapitalbezugs hat in
zwar in der Tendenz häufiger in den                      den letzten Jahren eine gewisse
höheren Einkommensklassen vorge-                         Brisanz erlangt, als der Bundesrat
nommen werden, der Unterschied zu                        2016 im Rahmen der Reform der
den unteren Einkommensquintilen                          Ergänzungsleistungen den Vorstoss
jedoch relativ klein ist (vgl. Abb.). Der                lancierte, den Bezug des Alterskapi-
Anteil an Personen, die in ihrem                         tals aus dem obligatorischen Teil der
Leben bisher einen Vorbezug getätigt                     beruflichen Vorsorge bei der Pensio-
haben, variiert zwischen rund 10 %                       nierung oder als Vorbezug für die
bei den Einkommensquintilen oberhalb                     Aufnahme einer selbständigen
des Medians und etwa 7 % in den                          Tätigkeit verbieten zu wollen. Er
unteren Einkommensklassen. Eine                          argumentierte dabei mit einem
16/56          Berufliche Altersvorsorge
erhöhten Risiko, im Fall eines wenig                angewiesen zu sein. Der Vorschlag
haushälterischen Umgangs mit dem                    des Bundesrats wurde allerdings von
bezogenen Kapital bzw. im Fall eines                National- und Ständerat abgelehnt
Konkurses bei Selbständigkeit, im                   und verschwindet damit aus der
Alter auf Ergänzungsleistungen                      Vorlage.

Phasenweise Häufung von Kapitalbezügen
Bezüger von reglementarischen Kapitalleistungen bei Pensionierung und
Bevölkerung im Alter zwischen 58 und 70 Jahren: Index 2004 = 100,
durchschnittlicher Kapitalbetrag pro Bezüger in Tausend CHF
140                                                                                                 240

130
                                                                                                    220
120

110                                                                                                 200

100
                                                                                                    180
  90
                                                                                                    160
  80

  70                                                                                                140
  60
                                                                                                    120
  50

  40                                                                                                100
       2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

                                                       Durchschnittlcher Kapitalbetrag pro Bezüger (r.S.)
                                                       Bezüger
Quelle: Bundesamt für Statistik
(Pensionskassenstatistik, STATPOP), Credit Suisse      Bevölkerung 58–70 Jahre

Lässt sich in der Schweiz allgemein ein             Verhältnis zur Entwicklung der Bevölke-
Trend zu vermehrten Kapitalbezügen                  rung, welche jedes Jahr potenziell in
beobachten? Die in den letzten Jahren               Rente gehen könnte, ist keine klare
feststellbare Zunahme der Anzahl                    Tendenz zu einem häufigeren Kapital-
Kapitalbezüger sagt noch nichts                     bezug auszumachen, obschon der
darüber aus, ob die Option des                      durchschnittliche Kapitalbetrag pro
Kapitalbezugs häufiger gewählt wird,                Bezüger zugenommen hat. Es gab
denn dies könnte auch eine Folge der                allerdings in der Vergangenheit
demografisch bedingten Zunahme der                  Phasen, in denen sich die Kapitalbezü-
Pensionierungen sein (vgl. Abb.). Setzt             ge häuften, was mit guten Börsenjah-
man die Anzahl Kapitalbezüger ins                   ren zusammenzufallen schien.
                                                                 Berufliche Altersvorsorge         17/56
Am aktuellen Rand beobachtet man                         welche bereits 2005 ein Modell mit
wieder eine solche Tendenz. Diese                        variablen Renten eingeführt hat. Bis
könnte in Zukunft mit der Verbreitung                    heute haben jedoch nur wenige
von 1e-Vorsorgeplänen weiteren                           Pensionskassen von diesem Instrument
Auftrieb gewinnen, bei welchen                           Gebrauch gemacht. Eine andere Form
Versicherten die Wahl zwischen                           der finanziellen Entlastung besteht
verschiedenen Anlagestrategien haben                     darin, Neurentner dazu zu verpflichten,
und das angesparte Kapital bei                           einen Teil des angesparten Altersgutha-
Rentenantritt grundsätzlich ausbezahlt                   bens in Kapitalform zu beziehen, um
wird (vgl. Kapitel «1e-Vorsorgepläne»).                  längerfristige Rentenverpflichtungen zu
                                                         vermeiden. Die Pensionskassen von
Die Arbeitgebersicht:                                    Novartis, IBM oder auch der Credit
Kapitalbezug als Instrument                              Suisse haben ein solches Modell
zur Risikominderung                                      bereits umgesetzt. Laut der Pensions-
Pensionskassen sind aufgrund der                         kassenumfrage der Credit Suisse sind
anhaltenden Tiefzinsphase, der                           solche Bestimmungen bei Schweizer
steigenden Lebenserwartung und der                       Pensionskassen aber insgesamt noch
zu hohen Umwandlungssätze und                            relativ wenig verbreitet: Nur bei 8 % der
technischen Zinssätze unter Druck                        befragten Einrichtungen sieht das
geraten, die versprochenen Rentenver-                    Reglement einen obligatorischen
pflichtungen einhalten zu können (vgl.                   Kapitalbezug vor. Immerhin 12 % der
Kapitel «Die berufliche Vorsorge auf die                 Umfrageteilnehmer geben aber an, die
Probe gestellt»). Zu hoch bemessene                      Einführung entweder bereits beschlos-
Renten, welche über eine immer                           sen zu haben oder zurzeit zu diskutie-
längere Rentenbezugsdauer ausgerich-                     ren.6 Die Einführung eines solchen
tet werden müssen, bedeuten für                          Zwangs zum Kapitalbezug ist nur im
Pensionskassen in diesem Umfeld eine                     überobligatorischen Teil der beruflichen
finanzielle Belastung und hohe Risiken.                  Vorsorge möglich. In manchen Fällen
Es überrascht daher nicht, dass                          wird dies im Rahmen von 1e-Vorsorge-
Pensionskassen in den letzten Jahren                     plänen für Lohnbestandteile ab CHF
vermehrt nach einem Ausweg aus                           126’900 (vgl. Kapitel «1e-Vorsorgeplä-
dieser Situation gesucht haben.                          ne») umgesetzt. Mit einer solchen
                                                         Lösung kann eine Pensionskasse unter
Modelle mit variablen (überobligatori-                   zwei Aspekten Risiken auslagern: Zum
schen) Renten sind eine Option, um                       einen tragen die Versicherten selbst das
eine finanzielle Entlastung der Pensi-                   Anlagerisiko, zum anderen entlasten
onskassen zu erreichen. Dabei wird im                    die Kapitalauszahlungen die Bilanz des
ungünstigsten Fall nur der garantierte                   Unternehmens von langfristigen
Teil der Rente ausbezahlt, im besten                     Rentenverpflichtungen.
Fall erhöht sich die Rente um einen
variablen Teil. Vorreiter auf diesem
Gebiet ist die PwC-Pensionskasse,
6 Vgl. Schweizer Pensionskassenumfrage: Tiefe Zinsen und Demografie als zentrale Herausforderungen,
   Credit Suisse, Mai 2017

18/56          Berufliche Altersvorsorge
1e-Vorsorgepläne

1e-Vorsorgepläne werden nach dem                            Ein ausserobligatorischer Bereich
entsprechenden Artikel in der Verord-                       entsteht
nung über die berufliche Alters-,                           Für die Umsetzung von 1e-Vorsorge-
Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge                       plänen müssen die entsprechenden
(BVV 2) benannt. Demnach dürfen                             Lohnanteile in einer separaten Rechts-
Vorsorgeeinrichtungen, welche                               einheit verwaltet werden. Es entstehen
Lohnanteile über CHF 126’9007                               dadurch zwei getrennte Stiftungen. In
abdecken, ihren Versicherten innerhalb                      der ersten werden Löhne im Obligatori-
eines Vorsorgeplans bis zu maximal                          um und Überobligatorium bis zur
zehn unterschiedliche Anlagestrategien                      1e-Lohngrenze abgedeckt, in der
zur Auswahl anbieten, davon mindes-                         zweiten die ausserobligatorische
tens eine mit risikoarmen Profil. Die                       Vorsorge für Löhne oberhalb der
Destinatäre tragen dabei das volle                          1e-Grenze. Für die Trennung des
Anlagerisiko und beziehen das                               ausserobligatorischen Bereichs stehen
angesparte Guthaben bei Rentenantritt                       zwei Optionen zur Verfügung: Die
im Normalfall als Kapital.8 Diese                           Gründung einer dedizierten neuen
Vorsorgepläne existieren eigentlich                         Stiftung oder der Anschluss an eine
schon seit 2006, aber erst seit einer                       Sammelstiftung. Die Struktur der
entsprechenden Änderung in den                              Versicherten, der Deckungsgrad der
Bestimmungen des Freizügigkeitsge-                          Pensionskasse, die gewünschte
setzes per 1. Oktober 2017 müssen                           Einflussnahme sowie Kostenüberle-
Pensionskassen ihren Versicherten im                        gungen stellen dabei die wichtigsten
Austrittsfall keine Mindestgarantien                        Evaluationskriterien aus Sicht der
mehr gewähren. Diese Änderung hat                           Vorsorgeeinrichtung dar. Entscheidet
die Attraktivität von 1e-Vorsorgeplänen                     sich eine Pensionskasse dazu,
für Vorsorgeeinrichtungen signifikant                       1e-Vorsorgepläne anzubieten, müssen
erhöht und diese Vorsorgemodelle                            alle Mitarbeitenden mit einem Jahres-
selbst in den Fokus der Institutionen                       lohn über CHF 126’900 diese Lohnan-
und der breiten Öffentlichkeit gerückt.                     teile im Rahmen der 1e-Vorsorgelö-
                                                            sung versichern.

7 Dies entspricht dem anderthalbfachen oberen Grenzbetrag von CHF 84’600 nach Art. 1 BVG.
8 Weder Art. 1e BVV2 noch Art. 19a FZG schreiben eine Leistung ausschliesslich in Form von Kapital vor. Bei
   einer Auszahlung in Rentenform würde allerdings ein wichtiger Vorteil dieser Vorsorgepläne aus Arbeitgebersicht
   wegfallen, nämlich die Entlastung der Bilanz von langfristigen Rentenverpflichtungen.

                                                                           Berufliche Altersvorsorge         19/56
Antwort auf steigende Ansprüche             diesem Umstand Rechnung. In
nach Individualisierung                     gewissen Situationen können fallende
1e-Vorsorgepläne bieten Unternehmen         Anlagewerte jedoch trotzdem eine
die Möglichkeit, die Bilanz von langfris-   ernsthafte Belastung darstellen. Bei
tigen Rentenverpflichtungen zu              älteren Mitarbeitenden mit kurzem
entlasten (vgl. Kapitel «Fakten zum         Anlagehorizont kann eine widrige
Kapitalbezug»). Dies kann sich gerade       Marktentwicklung zum Zeitpunkt der
für Unternehmen, die ihren Finanzbe-        Pensionierung zu einem unter Umstän-
richt nach internationalen Rechnungsle-     den nicht mehr wettzumachenden
gungsvorschriften erstellen, als            Kapitalverlust führen. Ähnlich sieht es
vorteilhaft erweisen. 1e-Vorsorgepläne      auch im Fall eines Arbeitgeberwechsels
stellen jedoch auch eine Antwort auf        oder bei Arbeitslosigkeit aus, wenn die
den Wunsch der versicherten Personen        Überweisung der Austrittsleistungen
nach einer Individualisierung der           an die Auffangeinrichtung oder eine
Vorsorgelösungen dar, welcher sich in       Freizügigkeitsstiftung zu einem aus
den letzten Jahren zunehmend bemerk-        Anlagesicht ungünstigen Zeitpunkt
bar gemacht hat. 1e-Vorsorgepläne           erfolgen muss. Man ist sich indes bei
lassen den Versicherten die Freiheit, je    der Gestaltung von 1e-Vorsorgeplänen
nach Alter und Risikobereitschaft, ihre     dieser Problematik bewusst und
Anlagestrategie selbständig zu wählen       bestrebt, nach Wegen zu einer mög-
und periodisch anzupassen. Darüber          lichst reibungslosen Überführung der
hinaus können Versicherte diesen Teil       Anlage ins Privatvermögen oder in eine
des angesparten Kapitals der system-        Freizügigkeitsstiftung zu suchen.
widrigen Umverteilung zwischen Aktiven
und Rentnern und einer allfälligen          1e-Pläne haben aus Perspektive der
Sanierung der Pensionskasse entzie-         Versicherten potenziell auch Konse-
hen.                                        quenzen für die Hinterbliebenenrenten.
                                            Im Allgemeinen schmälert zwar jeder
Die Kehrseite dieser erhöhten Wahl-         Bezug von Kapital aus der beruflichen
möglichkeiten ist das Anlagerisiko,         Vorsorge die Hinterbliebenenrenten, bei
welches der Versicherte nunmehr             1e-Vorsorgeplänen geschieht dies aber
vollständig tragen muss. Ein gewisses       bereits vor der Pensionierung, analog
Know-how in der Vermögensanlage             zum Fall des Vorbezugs für Wohneigen-
oder aber eine entsprechende Beratung       tum. Im Falle des Ablebens des
seitens der Vorsorgeeinrichtung             Destinatärs erhalten die Erben zwar das
hinsichtlich Risiken und Kosten sind in     allenfalls noch vorhandene Kapital aus
diesem Zusammenhang von Vorteil.            dem 1e-Vorsorgeplan, aber die lebens-
Versicherte müssen sich bewusst sein,       lange Rente entfällt. Es verbleiben nur
dass eine ungünstige Marktentwicklung       die Ansprüche im Rahmen des BVG-
oder gar ein Börsencrash zu markanten       Obligatoriums und Überobligatoriums.
Wertverlusten führen kann. Dass der         Es gibt allerdings auch bei 1e-Stiftun-
Gesetzgeber diese Freiräume bei der         gen die Möglichkeit, die Leistungen für
Anlagestrategie nur ab einem relativ        Hinterbliebene zusätzlich zu versichern.
hohen Einkommen gewährt, trägt
20/56      Berufliche Altersvorsorge
1e-Vorsorgepläne im Überblick

Vorteile
Für Arbeitgebende                               Für versicherte Personen
Keine Unterdeckung des ausserobligatorischen    Schutz vor Umverteilung, da die Vorsorgevermö-
Vorsorgewerks möglich, da der Versicherte die   gen im Ausserobligatorium getrennt verwaltet
Risiken selbst trägt                            werden
Bei Bilanzierung als Beitragsprimatspläne       Anlagerenditen können durch die angepassten
können die Reserven für die Deckung von         Liquiditäts- und Risikorestriktionen optimiert
Vermögensverlusten in der beruflichen           werden
Vorsorge reduziert werden (gemäss IAS 19)
Die Vorsorgelösung kann optimal an die          Anlagen können regelmässig gemäss persönli-
Bedürfnisse angepasst werden                    cher Situation und Planung angepasst werden

Nachteile
Für Arbeitgebende                               Für versicherte Personen
Erhöht die Komplexität in der beruflichen       Das Anlagerisiko muss von den Versicherten
Vorsorge                                        selbst getragen werden

Zusätzliche Überprüfung von Überhängen sowie    Im Gegensatz zu Kaderplänen sind Einkäufe
der Basisversicherung nötig                     nur ohne Verzinsung des geplanten Vorsorgever-
                                                mögens möglich
Geringere Sanierungsfähigkeit der bestehenden   Bei Austritt (Pensionierung, Arbeitgeberwechsel,
Einrichtung                                     Arbeitslosigkeit) können im Fall eines ungünsti-
                                                gen Börsenumfelds Verluste entstehen

                                                               Berufliche Altersvorsorge     21/56
401(k) Pläne USA
Die 401(k)-Vorsorgekapitalien gehören zur zweiten Säule des amerikani-
schen Vorsorgesystems. Wie in der Schweiz wird die erste Säule in den USA
staatlich und die dritte Säule privat organisiert. In der durch die Arbeitgeben-
den zur Verfügung gestellten zweiten Säule gibt es nur noch sehr vereinzelt
Pensionskassen, welche feste Rentenzusagen, sogenannte «Defined
benefits», gewähren, bei welchen das Anlagerisiko bei den Arbeitgebenden
verbleibt. Es handelt sich meistens um staatliche Organisationen oder
Konzerne, die stark gewerkschaftlich organisiert sind. Als die Kosten des
Systems mit fixen Renten zu hoch wurden, haben die meisten Unternehmen
auf Pläne mit «Defined contributions» gewechselt. Diese Pläne wurden
Anfang der 1980er-Jahre eingeführt und nach dem entsprechenden Para-
grafen 401(k) im Steuerkodex benannt. Destinatäre aller Einkommensklas-
sen können steuerfrei bis zu USD 18’500 jährlich (Stand 2018) in diese
Pläne einzahlen. Einzahlungen der Arbeitgebenden sind nicht gesetzlich
geregelt, fast alle Unternehmen bieten sie aber als Teil des Kompensations-
paketes an. Die Wahl der Anlagestrategie des 401(k)-Kontos liegt in den
Händen der Versicherten. Dabei stellen ihnen die Arbeitgebenden zumeist
fünf bis zehn Alternativen zur Verfügung. Dies ermöglicht den Versicherten,
die passende Anlagestrategie je nach Risikobereitschaft und verbleibendem
Anlagehorizont zu wählen. Bei diesen Plänen übertragen die Arbeitgebenden
jedoch das volle Risiko auf die Destinatäre. Dementsprechend gibt es
keinerlei Absicherung des Vorsorgekapitals. Darüber hinaus bestehen einige
Restriktionen. So müssen Arbeitnehmende eine Mindestperiode bei ihren
Arbeitgebenden tätig sein, bevor sie Zugriff zu deren Einzahlungen bekom-
men, und der Bezug des angesparten Guthabens vor dem ordentlichen
Rentenalter ist mit erheblichen steuerlichen Einbussen verbunden.

Marktpotenzial für                                        Wichtigkeit gewinnen werden. So steht
1e-Vorsorgepläne                                          laut Pensionskassenumfrage der
Mit einem Anteil per Ende 2017 von                        Credit Suisse auch schon bei 13 %
CHF 3.6 Mrd. bzw. 0,4 % des gesam-                        der befragten Einrichtungen eine
ten Vorsorgekapitals spielen 1e-Vorsor-                   Einführung zur Diskussion.10
gepläne zurzeit noch eine untergeord-
nete Rolle.9 Allerdings gehen wir davon                   Neben der potenziellen Verbreitung
aus, dass diese Vorsorgelösungen aus                      von 1e-Vorsorgeplänen in der Schwei-
den oben genannten Gründen an                             zer Pensionskassenlandschaft ist auch

9  Vgl. Bericht finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen 2017, Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge
   OAK BV
10 Vgl. Schweizer Pensionskassenumfrage: Tiefe Zinsen und Demografie als zentrale Herausforderungen,
   Credit Suisse, Mai 2017

22/56          Berufliche Altersvorsorge
die Frage nach dem Potenzial an                                               mehr als CHF 126’900 erreichen und
Versicherten von Bedeutung, die                                               damit für 1e-Vorsorgepläne infrage
aufgrund ihres Gehalts die Kriterien                                          kommen könnten (vgl. Abb.). Diese
für eine solche Vorsorgelösung erfüllen.                                      Zahlen zeigen, dass diese Vorsorgelö-
Ausgehend von der Einkommensvertei-                                           sungen nur für eine Minderheit der
lung gemäss Schweizerischer Arbeits-                                          Schweizer Erwerbsbevölkerung von
kräfteerhebung (SAKE) lässt sich                                              Relevanz sind. Ausgedrückt in Vorsor-
schätzen, dass zurzeit 9,8 % der                                              gekapital schätzen wir das Potenzial für
Erwerbstätigen, welche die Eintritts-                                         1e-Vorsorgepläne derzeit auf rund
schwelle in die berufliche Vorsorge                                           CHF 50 Mrd.
überschreiten, ein Einkommen von

Weniger als 10 % der Aktiven erfüllt Bedingung für 1e-Vorsorgepläne
Jährliches Erwerbseinkommen in Tausend CHF, Anteile in %, 2016

25 %
                  Eintrittsschwelle BVG-                        Einkommensschwelle für 1e-
                  Obligat. (CHF 21’150)                         Vorsorgepläne (CHF 126’900)
20 %

15 %

10 %

 5%

 0%
        0–20

               20–40

                       40–60

                               60–80

                                       80–100

                                                100–120

                                                          120–140

                                                                    140–160

                                                                                160–180

                                                                                          180–200

                                                                                                     200–220

                                                                                                               220–240

                                                                                                                         240–260

                                                                                                                                   260–280

                                                                                                                                             280–300

                                                                                                                                                        300+

Quelle: Bundesamt für Statistik (SAKE), Credit Suisse

Von den Aktiven, welche diese                                                 Erwerbsleben verabschieden. Ein nicht
Bedingung erfüllen, sind rund 34 %                                            unerheblicher Teil des potenziell im
im Alter zwischen 40 und 50 Jahren                                            Rahmen von 1e-Vorsorgeplänen
(vgl. Abb. auf S. 24). Fast die Hälfte ist                                    angesparten Kapitals wird demnach
bereits 50-jährig oder älter und wird in                                      bald von den Destinatären bezogen
den kommenden Jahren in Rente                                                 werden. Die nachrückenden Generatio-
gehen. Es handelt sich um die gebur-                                          nen sind aufgrund tieferer Geburtenra-
tenstarken Generationen der Babyboo-                                          ten deutlich weniger stark besetzt.
mer, welche sich langsam aus dem
                                                                                                    Berufliche Altersvorsorge                          23/56
Potenzielle Versicherte in 1e-Vorsorgeplänen gehen bald in Rente
Verteilung der Erwerbstätigen über Einkommensschwelle für 1e-Vorsorgepläne
nach Altersklassen in %, mittleres jährliches Wachstum der Erwerbstätigen bis
2025 in %
40%                                                                                                    5%

35%
                                                                                                       4%
30%

25%
                                                                                                       3%

20%

                                                                                                       2%
15%

10%
                                                                                                       1%
  5%

  0%                                                                                                   0%
berufliche Vorsorge auf die Probe         ten abhängig ist. Die Abbildung auf
gestellt»). Diese Umverteilung zulasten   Seite 26 verdeutlicht diese Zusam-
der jüngeren Generation wurde             menhänge. Erhöht sich der Anteil des
mittlerweile als eines der gravierends-   BVG-Obligatoriums am gesamten
ten Probleme der zweiten Säule            Vorsorgekapital aufgrund einer
erkannt, nicht zuletzt auch von der       Verlagerung von Teilen des Überobli-
Oberaufsichtskommission Berufliche        gatoriums in 1e-Vorsorgepläne,
Vorsorge (OAK BV).                        reduziert sich der Effekt einer Minder-
                                          verzinsung auf den Deckungsgrad.
Sanierungsfähigkeit der Vorsorge-         Diese Reduktion fällt umso stärker
einrichtungen nimmt mit 1e-Vor-           aus, je höher der Anteil des Vorsorge-
sorgeplänen ab                            kapitals der Aktiven am gesamten
Zur Verbesserung der finanziellen         Vorsorgekapital ist.
Lage einer Vorsorgeeinrichtung kann
der Stiftungsrat im Wesentlichen zwei
Massnahmen ergreifen: entweder
werden zusätzliche Beiträge erhoben
oder die Vorsorgekapitalien der aktiven
Versicherten werden tiefer verzinst.
Während zusätzliche Beiträge in Form
von Lohnprozenten erhoben werden
und diese nicht durch das Vorhanden-
sein von 1e-Vorsorgeplänen beein-
flusst werden, sieht es bei einer
Minderverzinsung anders aus. Auf dem
obligatorischen Teil des Vorsorgekapi-
tals der Aktiven muss der gesetzlich
vorgeschriebene Mindestzins gewährt
werden. In einer umhüllenden Kasse
kann auf dem überobligatorischen
Anteil eine tiefere Verzinsung ange-
wandt werden, solange in einer
Schattenrechnung aufgezeigt werden
kann, dass auch bei einer tieferen
Verzinsung auf dem gesamten
Vorsorgekapital der obligatorische
Anteil immer noch den Mindestzins
erreicht. Daraus resultiert eine
Sanierungs- und damit eine Risikofä-
higkeit, welche vom Anteil des
Vorsorgekapitals der aktiven Versicher-
ten am gesamten Vorsorgekapital und
vom Anteil des Überobligatoriums am
Vorsorgekapital der aktiven Versicher-
                                                    Berufliche Altersvorsorge   25/56
Je höher der Anteil des BVG-Obligatoriums desto geringer
die Sanierungsfähigkeit
Einfluss einer Minderverzinsung um 1 Prozentpunkt auf den Deckungsgrad (DG)
in Abhängigkeit von verschiedenen Anteilen des Vorsorgekapitals der Aktiven am
gesamten Vorsorgekapital

                                          1.0 %
Einfluss Minderverzinsung um 1Pp. auf DG

                                          0.8 %

                                          0.6 %

                                          0.4 %

                                          0.2 %

                                          0.0 %
                                                  0%             20 %              40 %               60 %               80 %               100 %
                                                                        Anteil BVG-Obligatorium am gesamten Vorsorgekapital

Lesebeispiel: Liegt der Anteil des BVG-Obligatoriums am                                          Varianten Anteil Vorsorgekapital der Aktiven am
gesamten Vorsorgekapital bei 40 % und der Anteil des                                             gesamten Vorsorgekapital
Vorsorgekapitals der Aktiven am Total des Vorsorgekapitals
bei 60 %, erhöht sich bei einer Minderverzinsung um 1                                                 20 %
Prozentpunkt der Deckungsgrad um 0,36 Prozentpunkte.
Quelle: Credit Suisse                                                                                 40 %
                                                                                                      60 %
                                                                                                      80 %
                                                                                                      100 %

26/56                                              Berufliche Altersvorsorge
Vermögensaufbau
im Lebenszyklus:
Szenarien

Der Aufbau des Altersguthabens in                         Der erste Einflussfaktor, die Rendite,
der beruflichen Vorsorge unterliegt                       wirkt sich über die Zinsgutschriften
verschiedenen Einflussfaktoren. Neben                     und den Zinseszinseffekt auf den
der Höhe des Einkommens sind die                          Aufbau des Alterskapitals aus. Wie
Kriterien Rendite, Beitragsjahre                          sich Unterschiede in der Anlageperfor-
und Arbeitspensum von besonderer                          mance für die Destinatäre auswirken,
Bedeutung. Zur Veranschaulichung                          lässt sich anhand der Zahlenbeispiele
der Zusammenhänge zwischen diesen                         in der Abbildung auf Seite 28 erläutern.
Faktoren und dem Vermögensaufbau                          Im mittleren Einkommenssegment wird
betrachten wir drei Fallbeispiele mit                     bei 1 % Rendite ein Altersguthaben
unterschiedlichen Einkommensniveaus.                      von CHF 440’422 angespart, aufge-
Um der Realität möglichst nahe zu                         teilt in monatliche Renten ergibt dies
bleiben, haben wir innerhalb dieser eine                  CHF 2’019.12 Bei einer jährlichen
gewisse Lohnentwicklung über das                          Rendite von 2 % oder gar 4 % erhöht
Erwerbsleben angenommen. Bei den                          sich das angesparte Alterskapital auf
Beispielen handelt es sich um die                         CHF 519’026 bzw. CHF 744’387.
ungefähren Einkommensanstiege einer                       Die entsprechenden monatlichen
Verkaufskraft (CHF 50’000–70’000),                        Renten belaufen sich auf CHF 2’379
einer Lehrkraft (CHF 70’000–                              respektive CHF 3’412.
100’000) und eines Juristen
(CHF 95’000–200’000).11

11 Verkaufskraft im Detailhandel mit Berufsausbildung, ohne Kaderfunktion; Lehrkraft mit Lehrerpatent, ohne
    Kaderfunktion und Jurist in der Rechtsberatung mit Hochschulabschluss und oberer/mittlerer Kaderfunktion
    gegen Ende der Karriere (Quelle: Salarium – Individueller Lohnrechner 2014, Bundesamt für Statistik).
12 Annahme: 5,5 % Umwandlungssatz.

                                                                         Berufliche Altersvorsorge       27/56
Rendite entscheidend für die Bildung des Altersguthabens
Altersguthaben nach 40 Jahren für verschiedene Lohnverläufe,
Koordinationsabzug CHF 15’00013
 1’600’000
                                                                                                       1’392’131
 1’400’000

 1’200’000
                                                                                                 994’057
 1’000’000
                                                                                       852’948
   800’000                                                                744’387

   600’000                                                      519’026
                                       478’284
                                                      440’422
   400’000                   333’831
                   283’414

   200’000

          0
                Löhne CHF 50’000–70’000          Löhne CHF 70’000–100’000           Löhne CHF 95’000–200’000

Historische Performance-Angaben oder Finanz-                                                         Rendite 1 %
marktszenarien sind keine verlässlichen Indikatoren                                                  Rendite 2 %
für die aktuelle oder künftige Wertentwicklung.
                                                                                                     Rendite 4 %
Quelle: Credit Suisse

Ein weiterer Faktor, der das Altersgut-                         Beispiel der Arbeitseinstieg zwecks
haben erheblich beeinflusst, ist die                            längerer Ausbildung um sechs Jahre,
Beitragsdauer. Dem Sparprozess in der                           fällt das Altersvermögen bei der
beruflichen Vorsorge obliegen Arbeit-                           Pensionierung in den untersuchten
nehmende ab dem 25. Lebensjahr. Bis                             Einkommensklassen um ca. 8 % bis
zum Zeitpunkt der Pensionierung                                 10 % geringer aus (vgl. Abb. auf S.
werden Jahr für Jahr von Arbeitneh-                             29). Ein ähnlicher Effekt für den
menden und Arbeitgebenden Beiträge                              Aufbau des Altersguthabens entsteht
geleistet, die von der Pensionskasse                            bei einer gleich langen Babypause.
verzinst werden. Verzögert sich zum

13 Da rund die Hälfte der Schweizer Pensionskassen in ihren Reglementen entweder keinen Koordinationsabzug
    mehr kennen oder einen flexiblen Abzug anwenden, unterstellen wir einen tieferen Wert als CHF 24’675. Der
    minimal versicherte Lohn liegt bei CHF 3’525.

28/56           Berufliche Altersvorsorge
Einzahlungslücken in frühen Jahren schmälern Alterskapital um 10 %
Entwicklung des Altersguthabens über 40 Jahre für verschiedene Lohnverläufe,
Koordinationsabzug CHF 15’000, Rendite 2 %

 1’000’000                                                                                                994’057
                                                                                                          917’501
   900’000
   800’000
   700’000
   600’000
                                                                                                          519’026
   500’000                                                                                                468’668
   400’000
                                                                                                          333’831
   300’000                                                                                                301’737

   200’000
   100’000
           0
               0          5         10          15        20      25            30        35         40

          Später Arbeitsbeginn

Historische Performance-Anga-            Beiträge ab 25 Jahren                  Verzögerter Arbeitseinstieg
ben oder Finanzmarktszenarien            	Löhne CHF 50’000–70’000                   Löhne CHF 50'000-70'000
sind keine verlässlichen
Indikatoren für die aktuelle oder            Löhne CHF 70’000–100’000                Löhne CHF 70’000–100’000
künftige Wertentwicklung.                    Löhne CHF 95’000–200’000                Löhne CHF 95’000–200’000

Quelle: Credit Suisse

Bei der Beitragsdauer gilt es, auch die                     59 Jahren, fallen die fehlenden
Auswirkungen der variierenden Sätze                         Beiträge stärker ins Gewicht als bei
für die BVG-Beiträge zu beachten.                           einem verzögerten Arbeitseinstieg.
Die gesetzlich vorgeschriebenen                             Im Vergleich zu einer ordentlichen
Altersgutschriften legen fest, welcher                      Pensionierung macht eine Frühpensi-
Prozentsatz des koordinierten Lohnes                        onierung um sechs Jahre für die
in die berufliche Vorsorge einbezahlt                       untersuchten Einkommensklassen
werden muss. Die Altersgutschriften                         eine Differenz von fast 30% im
steigen mit dem Alter an, von anfäng-                       Altersguthaben aus (vgl. Abb. auf S.
lich 7 % mit 25 Jahren auf bis zu                           30).14 Aus diesem Grund sollten sich
18 % ab 55 Jahren. Deshalb führt ein                        Versicherte, die eine Frühpensionie-
Arbeitsunterbruch in einem späteren                         rung in Betracht ziehen, bei ihrer
Stadium des Erwerbslebens bei                               Pensionskasse erkundigen, wie hoch
gleicher Einkommensentwicklung zu                           die Kürzungen ausfallen und welche
höheren Einbussen im Alterskapital.                         Übergangslösungen bestehen und
Lässt sich ein Versicherter vorzeitig                       angewandt werden können.
pensionieren, zum Beispiel mit

14 Wir gehen von einer ordentlichen Pensionierung im Alter von 65 Jahren aus.

                                                                        Berufliche Altersvorsorge             29/56
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