Die Kantone Thurgau und Schaffhausen - Credit Suisse
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Investment Solutions & Products Swiss Economics Die Kantone Thurgau und Schaffhausen Perspektiven regionaler Wirtschaftsräume | September 2018 Standortqualität Branchenentwicklung Immobilienmarkt Attraktiv Weniger Industrie, Eigentum bleibt im Mittelfeld mehr Gesundheitswesen erschwinglich Seite 6 Seite 10 Seite 21
Impressum Herausgeber: Credit Suisse AG, Investment Solutions & Products Dr. Burkhard Varnholt Vice Chairman IS&P +41 44 333 67 63 burkhard.varnholt@credit-suisse.com Dr. Oliver Adler Chefökonom, CIO Office Schweiz +41 44 333 09 61 oliver.adler@credit-suisse.com Redaktionsschluss 12. September 2018 Bestellungen Einzelne Printexemplare direkt bei Ihrem Kundenberater (kostenlos). Elektronische Exemplare über www.credit-suisse.com/publikationen. Besuchen Sie uns auf dem Internet www.credit-suisse.com/publikationen (Märkte & Trends – Schweizer Wirtschaft) Copyright Die Publikation darf mit Quellenangabe zitiert werden. Copyright © 2018 Credit Suisse Group AG und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten. Autoren Dr. Jan Schüpbach +41 44 333 77 36 jan.schuepbach@credit-suisse.com Andreas Christen +41 44 333 77 35 andreas.christen@credit-suisse.com Thomas Rieder +41 44 332 09 72 thomas.rieder@credit-suisse.com Dr. Fabian Waltert +41 44 333 25 57 fabian.waltert@credit-suisse.com Tiziana Hunziker +41 44 333 28 08 tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com 2 Swiss Economics | September 2018
Editorial Liebe Leserinnen und Leser Der Rhein ist nicht das einzige verbindende Element der Kantone Schaffhausen und Thurgau. Beide Kantone sind dank der Nähe zu Zürich, Winterthur und St. Gallen sowie als Grenzregionen eng mit ihren Nachbarkantonen und Süddeutschland vernetzt. Dank guter Erreichbarkeit und relativ günstigem Wohnraum sind beide Kantone beliebte Wohnregionen. Unternehmen profitieren von einer Standortqualität, die im kantonalen Vergleich im besseren Mittelfeld liegt – international also sehr attraktiv. Die Branchen- struktur der beiden Kantone ist überdurchschnittlich industriell geprägt. In den letzten Jahren machten sich der starke Franken, das hohe Schweizer Kostenniveau und die gedämpfte Weltkonjunktur entsprechend besonders bemerkbar: Arbeitsplätze in der In- dustrie gingen verloren. Inzwischen ist der Frankenschock von Anfang 2015 aber mehrheitlich überwunden, und die Industrie konnte 2017 und im bisherigen Verlauf von 2018 von der robusten globalen Konjunktur profitieren. Im Dienstleistungssektor entwi- ckeln sich die Unternehmensdienstleistungen dynamisch, und für ein auch künftig dy- namisches Wachstum des Gesundheitswesens spricht nicht zuletzt die demografische Alterung. Wir sind zuversichtlich, dass die Schaffhauser und Thurgauer Wirtschaft die Herausfor- derungen der nächsten Jahre zu meistern vermag. Dazu braucht es eine breite Diskus- sion über die wirtschaftlichen Erfolgsfaktoren der Ostschweiz und über mögliche Risi- ken. Als in der Schweiz stark verwurzelte Bank ist es für uns wichtig, die einzelnen Re- gionen genau zu kennen. Deshalb haben wir unseren Ökonomen den Auftrag gegeben, die Kantone Schaffhausen und Thurgau aus volkswirtschaftlicher Sicht im Detail zu analysieren. Mit der vorliegenden Regionalstudie möchten wir einen Beitrag zur Debatte über die Zukunft der beiden Kantone leisten und zu ihrem wirtschaftlichen Erfolg beitra- gen. Unsere regionale Verbundenheit im Bankgeschäft und unsere vielfältigen Engagements in Kultur, Sport und Gesellschaft sind uns sehr wichtig. Wir sind stolz, zahlreiche Ost- schweizer Privatpersonen und Firmen zu unseren Kunden zählen zu dürfen. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre. Reto Müller Christoph Zeller Leiter Region Ostschweiz Leiter KMU Region Ostschweiz Swiss Economics | September 2018 3
Donaueschingen Deutschland Überlingen Singen Thayngen Radolfzell Schaffhausen Meersburg Hallau Schaffhausen Diessenhofen Neuhausen am Stein am Konstanz Friedrichshafen Rheinfall Rhein Kreuzlingen Untersee/Rhein Weinland Rüdlingen Thurtal Weinfelden Romanshorn Frauenfeld Oberthurgau Brugg/Zurzach Amriswil Arbon Unterland Winterthur Bischofszell Aadorf Winterthur-Stadt Wil (SG) St.Gallen/Rorschach Wil Baden Furttal St.Gallen Winterthur-Land Glattal Herisau Limmattal Zürich Zürich - Stadt Appenzell Uster Oberland-Ost A.Rh. Appenzell Mutschellen Oberland-West Toggenburg Appenzell I.Rh. St. Galler Rheintal Pfannenstiel Knonaueramt Freiamt Zimmerberg Linthgebiet Lorzenebene/Ennetsee Zug Werdenberg March/Höfe Vaduz Zuger Sursee/Seetal Berggemeinden Einsiedeln Luzern Einsiedeln Glarner Mittel- und Unterland Glarus Schwyz Sarganserland Wirtschaftsregionen Innerschwyz Kanton Schaffhausen Stans Kanton Thurgau Glarner Nidwalden/Engelberg Hinterland Verkehrsachsen Sarneraatal Uri Altdorf Bündner Surselva Rheintal Karte_Seite4.indd 1 17.09.18 13:03
Regionaler Kontext Gut vernetzte Grenzregionen Grenzlage an der Das geografische Bindeglied zwischen den Kantonen Thurgau und Schaffhausen ist der Rhein. Er Peripherie des fliesst am Westende des Untersees als Hochrhein aus dem an den Kanton Thurgau angrenzenden Zürcher Bodensee und bestimmt für einige Kilometer die Grenze zwischen den zwei Kantonen, um danach Metropolitanraums durch Schaffhausen zu fliessen. Beide Kantone sind ausserdem geprägt von der Lage nördlich des Metropolitanraumes Zürich und der Nähe zu Deutschland. Im Kanton Schaffhausen leben nur knapp 81’000 Personen. Er gehört damit zu den bevölkerungsärmeren Kantonen. Der Thurgau hingegen befindet sich mit fast 271’000 Einwohnern im Mittelfeld. Flächenmässig ist der Kanton Thurgau mehr als drei Mal so gross wie Schaffhausen. Zusammen erstrecken sich die zwei Kantone über fast 1290 km2 und umfassen damit etwas mehr als 3% der Gesamtfläche der Schweiz. Schaffhausen teilt Im Kanton Schaffhausen sind die meisten Industriebetriebe in der Stadt Schaffhausen, dem unbe- sich rund 80% der strittenen wirtschaftlichen und verwaltungstechnischen Zentrum, zu Hause. Mit 45% beherbergt Kantonsgrenze mit sie auch den Grossteil der kantonalen Bevölkerung. Die zwei Exklaven Schaffhausens – der obere Deutschland Kantonsteil rund um Stein am Rhein und der untere um Rüdlingen – orientieren sich hingegen aus einer wirtschaftlichen Perspektive verstärkt an den an sie angrenzenden, ausserkantonalen Regio- nen Untersee/Rhein (Thurgau) und Zürcher Weinland. Unterschiede in Auch die Wirtschaftsregionen des Thurgaus sind stark von ausserkantonalen Zentren geprägt. So Struktur und ist Untersee/Rhein stark mit den süddeutschen Gebieten rund um Konstanz verknüpft. Die Regio- Ausrichtung der nen um Wil und Oberthurgau orientieren sich mehrheitlich an St. Gallen. Die westlichen Teile des Thurgauer Regionen Thurtals sind hingegen durch ihre Nähe zum Grossraum Zürich gezeichnet. Die wirtschaftlichen Verflechtungen zeigen sich nicht zuletzt auch im Pendel- und Grenzverkehr, der im Kanton Thur- gau sehr ausgeprägt ist. Demografische und wirtschaftliche Indikatoren Bevölkerung Beschäftigung 2016 Bruttoinlandprodukt 2015 Einkommen 2017 (Prognose) Anzahl Personen Wachstum jährl. Anteil am Pro Beschäftigten, Pro Kopf (Median), Sektor I Sektor II Sektor III 2016 2007 – 2016 CH-Total in CHF in CHF Gemeinden Frauenfeld 25’200 1.3% 107 4146 11’527 - - 55’273 Kreuzlingen 21’560 1.9% 30 2577 6514 - - 50’880 Arbon 14’340 0.9% 18 1925 3143 - - 49’049 Weinfelden 11’288 1.5% 71 1762 5138 - - 53’938 Romanshorn 10’803 1.6% 38 1889 2424 - - 50’095 Schaffhausen 36’148 0.6% 106 5837 14’542 - - 51’533 Neuhausen am Rheinfall 10’407 0.5% 19 1774 2794 - - 48’190 Thayngen 5422 1.0% 134 882 1128 - - 55’330 Stein am Rhein 3421 1.1% 31 537 716 - - 52’662 Wirtschaftsregionen Schaffhausen 73’548 0.9% 988 11’329 20’757 1.0% 197’224 52’492 Untersee/Rhein* 66’750 1.6% 1362 6615 17’360 0.6% 152’128 53’515 Thurtal 96’719 1.4% 2379 15’187 25’026 1.0% 154’898 55’917 Oberthurgau* 72’616 1.2% 1492 11’236 13’511 0.6% 158’093 51’531 Wil* 112’306 1.1% 1997 17’731 23’769 1.0% 154’694 54’480 Weinland* 33’211 0.9% 966 2905 4519 0.2% 147’705 60’873 St. Gallen/Rorschach* 177’912 0.7% 1407 25’728 72’735 2.4% 158’210 51’620 Winterthur-Land 81’217 1.3% 1072 6820 12’372 0.5% 162’112 60’577 Kantone SH 80’769 0.9% 1208 12’118 22’037 1.1% 193’967 52’714 TG 270’709 1.4% 5927 36’875 61’673 2.5% 154’506 54’195 ZH 1’487’969 1.4% 7748 127’159 652’367 21.5% 177’843 58’614 AG 663’462 1.4% 6558 87’394 171’299 6.1% 153’016 58’707 SG 502’552 0.8% 7411 78’993 145’817 5.5% 155’707 51’639 Schweiz 8’419’550 1.1% 105’545 982’631 2’912’917 100.00% 163’466 53’448 Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse * Die 110 Schweizer Wirtschaftsregionen bilden die wirtschaftlichen Gegebenheiten bestmöglich ab und verlaufen nicht immer entlang der politischen Grenzen (vgl. Karte). Die Schaffhauser Exklave Rüdlingen gehört z.B. zur Wirtschaftsregion Weinland. Swiss Economics | September 2018 5
Wirtschaft | Standortqualität Attraktiv im Mittelfeld Die beiden Ostschweizer Kantone bieten Unternehmen im kantonalen Vergleich durchschnittlich attraktive Rahmenbedingungen. Der Thurgau punktet insbesondere mit einer attraktiven Steuerbelastung und bei der Erreichbarkeit. Schaffhausen sticht mit tiefen Unternehmenssteuern heraus und hat angesichts der geplanten Unternehmenssteuerreform gar den Spitzenplatz im Auge. Standortqualität Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eines Standorts bestimmen die langfristige Entwicklung als Basis für von Wertschöpfung und Wohlstand. An attraktiven Orten siedeln sich neue Unternehmen an, und Wohlstand bereits ansässige Firmen investieren stärker als in weniger attraktiven Gebieten. Neben den un- veränderbaren natürlichen Voraussetzungen zählen staatliche Regulierungen, die Verfügbarkeit von Arbeitskräften und das Geschäftsumfeld zu den zentralen Kriterien der Standortqualität. Sieben «harte» Um die Attraktivität der Schweizer Regionen und Kantone aus Unternehmersicht zu messen, ha- Kriterien ben wir einen Standortqualitätsindikator (SQI) entwickelt.1 Dieser stellt die Attraktivität eines Ge- biets in Form eines relativen Index dar und basiert auf den folgenden sieben quantitativen Teilindi- katoren: Steuerbelastung von natürlichen und juristischen Personen, Verfügbarkeit von Hochquali- fizierten und Fachkräften sowie Erreichbarkeit der Bevölkerung, der Beschäftigten und von Flug- häfen. Landpreise und Lohnkosten werden bewusst nicht berücksichtigt, da sie in gewissem Sin- ne nichts anderes als das Spiegelbild der Attraktivität sind. Die touristische Attraktivität einer Regi- on orientiert sich an anderen Kriterien als die Standortgunst für Unternehmen. Solche Merkmale können auch nur bedingt quantitativ erfasst werden, weshalb wir sie im SQI bewusst nicht berück- sichtigen. Kanton Thurgau auf Der Kanton Thurgau belegt im Kantonsranking den 10. Platz, Schaffhausen folgt auf Platz 12 Rang 10, Schaffhau- (vgl. Abb. links). Die Kantone erreichen damit eine Platzierung im besseren Mittelfeld und bieten sen dicht dahinter insgesamt ähnlich attraktive Rahmenbedingungen wie Obwalden, Basel-Landschaft oder Genf. Bei den 110 Schweizer Wirtschaftsregionen (vgl. Abb. rechts) erreichen mit Ausnahme von Ober- thurgau (Rang 50) alle Regionen in der Untersuchungsregion eine Platzierung am unteren Ende des oberen Drittels (Ränge 29 bis 37). Standortqualität im Schweizer Durchschnitt Wirtschaftsregionen fast alle knapp im oberen Drittel Standortqualität 2017, synthetischer Indikator, CH = 0 Standortqualität der Wirtschaftsregionen, 2017, synthetischer Indikator, CH = 0 2.5 ZG 2.0 Schaffhausen 1.5 ZH Basel Frauenfeld AG 1.0 BS NW SZ LU Liestal St.Gallen 0.5 AR OW Aarau Zürich Herisau TG BL SH GE Schweizer Mittel Appenzell 0 AI SG SO -0.5 VD Solothurn Zug BE NE UR GL -1.0 FR TI > 1.5 GR Luzern Glarus 1.0 – 1.5 Schwyz -1.5 0.3 – 1.0 Stans VS -0.3 – 0.3 JU -1.0 – -0.3 -2.0 Sarnen Altdorf -1.5 – -1.0 Chur -2.0 – -1.5 < -2.0 Quelle: Credit Suisse Quelle: Credit Suisse, Geostat 1 Weitere Informationen zur Methodik: «Standortqualität 2016: Basel-Stadt wird Kanton Zürich überholen», Credit Suisse, September 2016. 6 Swiss Economics | September 2018
Thurgau steuerlich Der Kanton Thurgau punktet mit einer attraktiven Besteuerung von Unternehmen sowie Privatper- attraktiv und gut sonen (Rang 11 bzw. 10 im Steuerindex), mit guter Erreichbarkeit und mit Fachkräften (vgl. Abb.). erreichbar Für Privatpersonen ist der Kanton im Vergleich zu den Nachbarkantonen St. Gallen und Schaff- hausen steuerlich attraktiver, liegt jedoch hinter Zürich und Appenzell Innerrhoden. Verbesse- rungspotenzial gibt es bei der Verfügbarkeit von hochqualifizierten Arbeitskräften: Mit Ausnahme der Region Untersee/Rhein, wo 33% der Personen im Erwerbsalter über eine Tertiärausbildung verfügen, schneiden hier alle Kantonsgebiete weit unterdurchschnittlich ab. In den Regionen Oberthurgau, Thurtal und Wil liegt dieser Anteil zwischen 26% und 29%, in urbaneren Regionen der Schweiz hingegen bei über 40% und in der Stadt Zürich sogar bei 52%. Unternehmen, die auf hochqualifizierte Arbeitskräfte angewiesen sind, dürften solche Standorte bevorzugen. Schaffhausen Der Standort Schaffhausen bietet eine Standortqualität, die fast überall geringfügig besser als der punktet bei den Schweizer Durchschnitt ist: Die Erreichbarkeit ist gut, ebenso die Verfügbarkeit von qualifizierten Unternehmens- Fachkräften. Arbeitskräfte mit tertiärem Bildungsabschluss sind im Kanton mit einem Anteil von steuern 32% knapp unterdurchschnittlich vertreten. Bei der Besteuerung der Privatpersonen liegt der Kanton ebenfalls im Mittelfeld. Nur bei den Unternehmenssteuern kann er sich klar attraktiver positionieren. Steuervorlage 17 Die Unternehmenssteuerreform III wurde an der Urne verworfen. Um Unternehmen möglichst rasch Planungssicherheit zu verschaffen, und weil die Notwendigkeit einer Reform unbestritten ist, haben Bundesbehörden und Parlament rasch die Arbeit an einer neuen, konsensfähigen Vorlage aufgenommen. Die «Steuervorlage 17» des Bundesrats soll die internationale Akzeptanz wieder- herstellen und die Standortattraktivität erhalten. Die Vorlage wurde vom Ständerat mit einem sozi- alpolitischen Ausgleich zugunsten der AHV ergänzt. Bis Ende September 2018 dürfte die parla- mentarische Beratung abgeschlossen sein. Wenn kein Referendum ergriffen wird, könnten die dringlichen Massnahmen bereits Mitte Januar 2019 in Kraft treten, der Hauptteil voraussichtlich im Januar 2020. Eine allfällige Referendumsabstimmung dürfte allerdings auch bereits bis Mai 2019 stattfinden. Faktoren der Standortqualität Synthetische Indikatoren, 2017 Kanton Thurgau SQI: 0.24 Rang 10/26 Kantone Erreichbarkeit der Bevölkerung Erreichbarkeit der Beschäftigten Erreichbarkeit von Flughäfen Kanton Schaffhausen Wirtschaftsregion Untersee/Rhein Wirtschaftsregion Thurtal SQI: 0.10 SQI: 0.45 SQI: 0.37 Rang 12/26 Kantone Rang 29/110 Regionen Rang 30/110 Regionen Verfügbarkeit von Hochqualifizierten Verfügbarkeit von Fachkräften Steuerliche Attraktivität für juristische Personen Steuerliche Attraktivität Wirtschaftsregion Schaffhausen Wirtschaftsregion Oberthurgau Wirtschaftsregion Wil für natürliche Personen SQI: 0.07 SQI: –0.25 SQI: 0.10 Schweizer Mittel Rang 37/110 Regionen Rang 50/110 Regionen Rang 35/110 Regionen Quelle: Credit Suisse Swiss Economics | September 2018 7
Trend zu Ausgangspunkt der Reform ist die Aufhebung der privilegierten Besteuerung von Holding- und Wettbewerb über Verwaltungsgesellschaften (Statusgesellschaften), deren Umsatz und Kosten zum Grossteil im tiefere ordentliche Ausland anfallen. Stattdessen sollen auf Kantonsebene neue Privilegien (z.B. Patentbox und För- Steuersätze hält an derung von Forschung und Entwicklung) eingeführt werden, die auch im Ausland anerkannt sind. Insgesamt werden aber die Möglichkeiten, die Bemessungsgrundlage zu verringern, kleiner, und viele Unternehmen werden eher nicht von den geplanten neuen Steuerinstrumenten profitieren können. Die Mehrheit der Kantone plant deshalb eine Reduktion der Unternehmenssteuern, u.a. auch Schaffhausen und Thurgau (vgl. Abb. links) – der globale Trend hin zu mehr Steuerwettbe- werb über tiefere ordentliche Steuersätze hält an. Schaffhausen strebt Der Kanton Schaffhausen gehört neben Neuenburg, Basel-Stadt, Zug und Genf zu den Kanto- an die Spitze, doch nen, in denen sich viele Statusgesellschaften niedergelassen haben (vgl. Abb. rechts). Da die der Vorteil tiefer ordentlichen Gewinnsteuersätze in Schaffhausen bereits heute relativ attraktiv sind, ist der Druck, Steuern dürfte sich durch Steuersenkungen den Wegzug von Statusgesellschaften zu verhindern, geringer als etwa in verringern Genf oder Basel-Stadt. Mit der in Aussicht gestellten Reduktion der ordentlichen Gewinnsteuerbe- lastung auf 12 bis 12.5% würde Schaffhausen den Unternehmen in Zukunft neben Zug voraus- sichtlich die tiefste Steuerbelastung bieten. Auch international gelten Sätze zwischen 12% und 14% als attraktiv. Der Standortvorteil tiefer Unternehmenssteuern wird aber geringer, da sich die Sätze einander angleichen. Der Kanton Thurgau Für den Kanton Thurgau stellt der Wegzug heute privilegiert besteuerter Unternehmen keine gros- verteidigt seine se Gefahr dar, da diese nur einen kleinen Teil der Steuereinnahmen ausmachen. Als Investition in Position im vorderen die Standortqualität beabsichtigt die Kantonsregierung die Reduktion der Gesamtsteuerbelastung Mittelfeld auf zwischen 13 und 15% und die Halbierung der Kapitalsteuer. Da im Kanton nur wenige Sta- tusunternehmen vorhanden sind, führen Steuerreduktionen und neue Steuerinstrumente zu gros- sen Mitnahmeeffekten bei heute ordentlich besteuerten Unternehmen. Um die Mindereinnahmen in Grenzen zu halten, möchte der Kanton den gemäss Steuervorlage zulässigen Spielraum bei der Entlastung von Gewinnen aus Patenten nicht vollständig ausnützen und keine zusätzliche Förde- rung von Forschungsausgaben einführen. Zudem soll die maximale Entlastung auf 50% statt der möglichen 70% festgelegt werden. Schaffhausen strebt mit Zug die tiefsten Unternehmens- Statusgesellschaften sind in Schaffhausen bedeutend steuern an, Thurgau bliebe kompetitiv Maximale Gewinnsteuersätze, CH: ausgewählte Kantonshauptorte, geplante Redukti- Relevanz privilegiert besteuerter Statusgesellschaften gemessen an ihrem Anteil an on der ordentlichen Gewinnsteuerbelastung gegenüber 2018 infolge Steuerreform den Gewinnsteuereinnahmen 2012 – 2014; ordentlicher Gewinnsteuersatz 2018 35% 26% Avisierter Satz Geplante Reduktion GE 30% 24% Ordentlicher Gewinnsteuersatz 25% VS BS 22% BE SO ZH VD 20% JU BL TI 20% FR 15% AG 18% SG CH 10% 16% TG GR GL SZ SH NE 5% UR AI ZG 14% 0% AR OW NW 12% LU SH Irland ZH Island Insel Man ZG LU VD SG AG Grossbritannien Frankreich Singapur BS GE USA Schweiz EU-Mittel NW Liechtenstein OECD-Mittel TG Hongkong Deutschland 10% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% Anteil Gewinnsteuereinnahmen* von Statusgesellschaften * Stufe Kanton und Gemeinde, inklusive Anteil an der direkten Bundessteuer Quelle: KPMG, Eidgenössische Steuerverwaltung, Credit Suisse Quelle: Eidgenössische Steuerverwaltung, KPMG, Credit Suisse 8 Swiss Economics | September 2018
Wirtschaft | Standortqualität Hohe Schweizer Wettbewerbsfähigkeit Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz Ausgewählte Länder im WEF-Ranking (links) und Einschätzung durch Schweizer KMU (rechts) Gemäss internationalen Indizes ist die Schweiz eines der WEF-Ranking 2017/2018 Einschätzung Schweizer kompetitivsten Länder der Welt. 2017 belegte sie den ers- Wettbewerbsfähigkeit 1 Schweiz 5.9 ten Rang im «Global Competitiveness Report» des Weltwirt- 2 USA 5.9 11% schaftsforums (WEF). In unserer diesjährigen KMU-Umfrage 3 Singapur 5.7 bei 1100 Unternehmen wollten wir wissen, ob Schweizer 4 Niederlande 5.7 41% KMU dies auch so sehen. Die Antwort fällt weniger klar aus 5 Deutschland 5.7 als erwartet: Hiesige KMU schreiben dem Schweizer Wirt- schaftsstandort mehrheitlich eine mittelhohe bis hohe inter- 18 Österreich 5.2 48% nationale Wettbewerbsfähigkeit zu. Dies ist an sich kein 27 China 5.0 43 Italien 4.5 schlechtes Verdikt. Im Vergleich zu den erwähnten Rankings 53 Türkei 4.4 tief oder sehr tief fällt die Beurteilung aber etwas kritischer aus. 55 Vietnam 4.4 mittel 80 Brasilien 4.1 hoch oder sehr hoch Quelle: World Economic Forum (WEF), Credit Suisse, KMU-Umfrage 2018 Gut positioniert, aber Konkurrenz schläft nicht Wettbewerbsposition von Schweizer KMU Position im Wettbewerb; Anteil Antworten In der oben erwähnten KMU-Umfrage haben wir die Unter- 100% nehmen auch gefragt, wie sie ihre eigene Wettbewerbsposi- 15% tion einschätzen. Die Antwort ist grundsätzlich positiv, zeigt 80% c) Unbefriedigend; erhebliche aber auch, dass die Konkurrenz nicht schläft. 33% sagen, Konkurrenzzunahme erwartet dass die Wettbewerbsposition heute gut ist und erwarten 60% keine erhebliche Konkurrenzzunahme in den nächsten Jah- 52% b) Gut/befriedigend; erhebliche ren. Für 52% der KMU ist die Wettbewerbsposition zwar gut Konkurrenzzunahme erwartet 40% oder befriedigend, ohne Weiterentwicklung des Unterneh- mens dürfte der Konkurrenzdruck in ihren Augen aber er- a) Gut; kaum Konkurrenzzunahme 20% heblich zunehmen. Nur 15% sagen, dass ihre Wettbe- 33% a. erwartet werbsposition bereits heute unbefriedigend ist. 0% Quelle: Credit Suisse, KMU-Umfrage 2018 Wettbewerbsdruck nicht überall gleich stark Wettbewerbsposition nach Branchen Anteil Antworten nach Branchen; Beschreibung Legende siehe Grafik oben Es stehen indessen nicht alle KMU gleichermassen im 100% 90% Wettbewerb und verspüren entsprechenden Druck, ihr Un- 80% ternehmen weiterentwickeln zu müssen. Besonders im Ge- 70% sundheits-, Sozial- und Bildungswesen fürchtet sich ein 60% verhältnismässig hoher Anteil der Unternehmen auch auf 50% 40% absehbare Zeit nicht vor Konkurrenz. Umgekehrt sieht es 30% beispielsweise in der Spitzenindustrie aus. In dieser Branche 42% 39% 38% 20% 33% 32% 29% 28% 25% beklagen sich unter den Befragten zwar ebenfalls nur weni- Kommuni- 16% 10% 0% ge Unternehmen über eine unbefriedigende Wettbewerbs- Transport* dienstleistungen Bau industrie Information, Gesundheit, So- Traditionelle Gastgewerbe, Spitzen- Unterhaltung, Unternehmens- pers. Dienstl. Verkehr, kation, IT* ziales, Bildung Handel, Verkauf Industrie position. Gleichzeitig ist der Anteil der Firmen, die einen hohen Weiterentwicklungsdruck verspüren, sehr hoch. a) b) c) (vgl. Legende oben) Quelle: Credit Suisse, KMU-Umfrage 2018; * weniger als 50 Unternehmen Swiss Economics | September 2018 9
Wirtschaft | Branchenstruktur und Strukturwandel Weniger Industrie, mehr Gesundheitswesen Im Thurgau und in Schaffhausen ist die Industrie überproportional vertreten. In den letzten Jahren verlor die Region zwar 2000 Arbeitsplätze in der Industrie, was aber unter anderem durch ein starkes Wachstum des Gesundheitswesens kompensiert wurde. Branchenmix als Die Branchenstruktur ist von zentraler Bedeutung für das Leistungspotenzial einer Region. Die Basis für die branchenbezogene Zusammensetzung der Wirtschaft, ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihre Wachs- Wertschöpfung tumsstärke liefern nicht nur Hinweise zur heutigen Wirtschaftskraft einer Region, sondern ermögli- chen auch Rückschlüsse auf das zukünftige mittelfristige Wachstumspotenzial. Industrie Die beiden Kantone Thurgau und Schaffhausen weisen auf den ersten Blick eine relativ ähnliche überdurchschnittlich Wirtschaftsstruktur auf (vgl. Abb.). Die Industrie macht in der Region einen im Schweizer Ver- relevant gleich überdurchschnittlich hohen Anteil an der Beschäftigung und Wertschöpfung aus. 2015 war jeder vierte Beschäftigte in einem Industriebetrieb tätig. Im Kanton Thurgau haben auch das Bau- gewerbe und die Landwirtschaft eine vergleichsweise hohe Bedeutung. Entsprechend liegt der Anteil des Dienstleistungssektors (inklusive Handel) in Schaffhausen mit 62% und im Thurgau mit 59% der Beschäftigten deutlich unter dem Landesdurchschnitt (73%). Unterschiede in der Auf den zweiten Blick gibt es vor allem in der Industrie doch massgebliche Unterschiede. Im Kan- Industriestruktur ton Thurgau sind vor allem die Lebensmittel-, Holz- und Metallindustrie sowie der Fahrzeugbau im schweizweiten Vergleich überproportional vertreten. In Schaffhausen sind hingegen vor allem die Pharma-, Kunststoff-, Elektro- und Uhrenindustrie sowie der Maschinenbau für die überdurch- schnittliche Bedeutung des verarbeitenden Sektors verantwortlich. Besonders die Pharmaindustrie ist gemessen am Anteil der gesamten kantonalen Arbeitsplätze nirgends so stark präsent wie im nördlichsten Kanton der Schweiz – von der Stadt Basel abgesehen. Wie in grossen Teilen des Landes arbeitet die Mehrheit der im Industriesektor Beschäftigten in KMU (CH: 68%, TG: 74%, SH: 61%). Im Kanton Schaffhausen ist der Beschäftigtenanteil bei grossen Industriebetrieben jedoch der zweithöchste der Schweiz. Massgeblich verantwortlich dafür sind bekannte global tätige Unternehmen wie Georg Fischer, Unilever, IWC oder die Cilag AG. Überdurchschnittliches Gewicht des Industriesektors Starkes Wachstum der Beschäftigung im Gesundheits- und Heimwesen Anteil an der Gesamtbeschäftigung (Vollzeitäquivalente), in Prozent, 2015 Beschäftigungswachstum 2011 – 2015, Wachstumsbeiträge in Prozentpunkten 8% SH 3% 27% 7% 13% 21% 12% 16% Sonstige Dienstleistungen TG 6% 25% 10% 12% 22% 12% 13% 6% Unternehmens- Schaffhausen 3% 27% 7% 13% 21% 12% 16% 4% dienstleistungen Administrative und Wil 5% 30% 11% 14% 19% 11% 12% soziale Dienste 2% Thurtal 6% 25% 11% 12% 21% 11% 15% Handel und 0% Verkauf Untersee/Rhein 5% 19% 7% 12% 27% 15% 15% Baugewerbe Oberthurgau 6% 34% 9% 12% 18% 10% 10% -2% CH 3% 17% 8% 13% 24% 15% 21% Industrie/Energie -4% Untersee/Rhein SH CH Wil TG Thurtal Schaffhausen Oberthurgau 0% 20% 40% 60% 80% 100% Landwirtschaft Landwirtschaft Industrie/Energie Baugewerbe Handel und Verkauf Wachstum Total Administrative und soziale Dienste Unternehmensdienstleistungen Sonstige Dienstleistungen Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse 10 Swiss Economics | September 2018
Region verlor rund In den letzten Jahren hat sich die Wirtschaftsstruktur in beiden Kantonen jedoch verändert (vgl. 2000 Arbeitsplätze in Abb. S. 10). So war die Industriebeschäftigung in allen Regionen rückläufig. Zwischen 2011 und der Industrie 2015 verloren die Kantone Thurgau und Schaffhausen insgesamt netto 1600 bzw. 450 Vollzeit- stellen in der Industrie. Verantwortlich waren unter anderem die Eurokrise und der damit einherge- hende starke Franken. Inzwischen ist der Frankenschock vom Januar 2015 aber mehrheitlich überwunden und die Industrie konnte 2017 und im bisherigen Verlauf von 2018 von der robusten globalen Konjunktur profitieren. Der Rückgang der Industriebeschäftigung dürfte damit gestoppt worden sein – die Firmen dürften netto gar wieder Stellen geschaffen haben. Starkes Wachstum Trotz verlorener Industriearbeitsplätze wuchs die Gesamtbeschäftigung sowohl in Schaffhausen des und insbesondere im Thurgau. Haupttreiber dieses Wachstums waren in beiden Kantonen die Gesundheitswesens administrativen und sozialen Dienste. Besonders im Thurgau expandierte vor allem das Gesund- heits- und Heimwesen sehr dynamisch. Zwischen 2011 und 2015 wurden knapp 1800 neue Stellen in diesem Bereich geschaffen. Grund für dieses Wachstum ist einerseits die Demografie – die Bevölkerung wächst und wird älter. Anderseits nehmen die medizinischen Möglichkeiten und damit auch die Anspruchshaltung gegenüber dem Gesundheitswesen stetig zu. Während in Schaffhausen die Beschäftigung im übrigen Dienstleistungssektor und im Bau relativ verhalten wuchs, nahm sie im Thurgau stark zu. Besonders der Bau und die mit ihm verwobenen Dienstleis- tungsbranchen (z.B. Architekten) trugen massgeblich zum Thurgauer Beschäftigungswachstum bei. Insgesamt nahm die Zahl der Stellen hier um 14% zu. Chancen-Risiken- Wie dürfte sich die Wirtschaftsstruktur in mittlerer Frist weiterentwickeln? Unsere Chancen- Profil der Risiken-Bewertung (vgl. Abb.) erlaubt – basierend auf dem aktuellen Branchenmix – eine Aussage Branchenstruktur über das mittelfristige Wachstumspotenzial der regionalen Wirtschaft unter Berücksichtigung be- stehender und möglicher Risiken. Schaffhausen schneidet im Vergleich zu anderen Kantonen etwas besser ab, der Thurgau etwas schlechter – u. a. aufgrund des überdurchschnittlich hohen Gewichts der strukturschwachen Landwirtschaft. In beiden Kantonen stellt der hohe Industrieanteil ein zweischneidiges Schwert dar. Industriebranchen sind tendenziell stärker den globalen Konjunk- turzyklen und Wechselkursschwankungen ausgesetzt als Dienstleistungsbranchen. In konjunkturell guten Zeiten führt dies zwar tendenziell zu stärkerem Wachstum. Dafür wirken sich aber Phasen mit schwacher globaler Wirtschaftsdynamik – die nicht selten mit einem aufwertenden Franken einhergehen – unmittelbarer negativ auf die lokale Volkswirtschaft aus. In Schaffhausen ist die Industrie jedoch stark durch die Pharmabranche geprägt, die weniger dem Konjunkturzyklus folgt als z.B. der Maschinebau. Die Pharmaindustrie profitiert vielmehr von langfristigen Trends wie der global steigenden Nachfrage nach Gesundheitsgütern. Dies ist einer der Gründe, weshalb Schaff- hausen mittelfristig ein leicht besseres Chancen-Risiken-Profil aufweist als der Thurgau. Was in unserem Modell jedoch nur begrenzt berücksichtig wird, ist ein gewisses Klumpenrisiko: In Schaffhausen ist die Wertschöpfung stärker vom Erfolg oder Misserfolg einzelner grosser Indust- riefirmen abhängig als im Thurgau. SH: Leicht überdurchschnittlicher Branchenmix TG: Leicht unterdurchschnittlicher Branchenmix Kanton SH: Chancen-Risiken-Profil der 15 grössten Branchen, 2018; Kreisgrösse: Kanton TG: Chancen-Risiken-Profil der 15 grössten Branchen, 2018; Kreisgrösse: Beschäftigung Beschäftigung hoch hoch Gesundheitswesen Heime Gesundheitswesen Heime Land- und Forstwirtschaft Bau und Industrie Pharma Dienstleistungen Architekten, Öffentlicher Sektor Ingenieure Land- und Forstwirtschaft Unterrichtswesen Architekten, Autogewerbe Bau und Industrie Branchenbewertung Branchenbewertung Unterrichtswesen Elektronik und Ingenieure Dienstleistungen Grosshandel Uhren Ausbaugewerbe Öffentliche Öffentlicher Sektor Ausbaugewerbe Verwaltung Öffentliche Maschinenbau Nahrungsmittel Grosshandel Verwaltung Gastronomie Hochbau Maschinenbau Detailhandel Kunststoff Landverkehr Metaller- Land- Landverkehr zeugnisse Detailhandel wirtschaft Landwirtschaft niedrig niedrig -3.0% -2.0% -1.0% 0.0% 1.0% 2.0% 3.0% 4.0% 5.0% -2.0% -1.0% 0.0% 1.0% 2.0% 3.0% 4.0% Beschäftigung: Abweichung vom Landesdurchschnitt Beschäftigung: Abweichung vom Landesdurchschnitt Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Swiss Economics | September 2018 11
Wirtschaft | Branchenstruktur und Strukturwandel Hochproduktive Industrie in Schaffhausen Arbeitsproduktivität in der Industrie Bruttowertschöpfung pro Vollzeitstelle in der Industrie; in CHF; 2015 Die Kombination aus einem hohen Anteil von Pharmaindust- 500'000 rie und industriellen Grossbetrieben führt dazu, dass der 450'000 Kanton Schaffhausen nach Basel-Stadt schweizweit die 400'000 höchste Industriewertschöpfung pro Mitarbeitenden gene- 350'000 riert. Der Industriesektor im Kanton Thurgau ist etwas stär- 300'000 ker durch Branchen wie die Lebensmittel-, Holz- oder Me- 250'000 tallindustrie geprägt, die in der Regel eine tiefere Wert- 200'000 schöpfung pro Mitarbeitenden aufweisen. Dadurch liegt die 150'000 Arbeitsproduktivität des Thurgauer Industriesektors leicht unter dem Schweizer Durchschnitt. 100'000 50'000 0 BS SH ZG NENWGE CH TI VD AR ZH FROWGR SG TG LU VS GL SO BE UR BL AI JU SZ AG Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse MEM-Industrie profitiert vom Aufschwung Exporte von Metallen, Maschinen und Elektronik Exporte in CHF, 12-Monats-Durchschnitte, Index Dezember 2014 = 100 Die Thurgauer und Schaffhauser Maschinen-, Elektro- und 115 CH TG SH Metallindustrie (MEM-Industrie) profitiert momentan von der 110 starken weltwirtschaftlichen Dynamik. Die Exporte von Me- tallen, Maschinen und Elektronik legten im ersten Halbjahr 105 2018 ggü. 2017 in Schaffhausen um 4.4% und im Thurgau 100 um 5.6% zu. Im Gegensatz zur Gesamtschweizer MEM- Industrie konnte die Branche in den beiden Nordschweizer 95 Kantonen die Exportrückgänge im Nachgang des Franken- 90 schocks von Anfang 2015 bisher jedoch noch nicht ganz wettmachen. 85 80 01/2011 01/2012 01/2013 01/2014 01/2015 01/2016 01/2017 01/2018 Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse; letzter Datenpunkt = Juli 2018 Lebensmittelindustrie wächst im Thurgau Beschäftigte in der Lebensmittelindustrie Anzahl Beschäftigte, Index 2011=100 Die Lebensmittelindustrie ist besonders im Kanton Thurgau, 115 SH TG aber auch in Schaffhausen überproportional stark vertreten. 110 Gemessen am Beschäftigungsanteil ist die Branche nur in Obwalden, Glarus, Fribourg und Appenzell Innerhoden stär- 105 ker vertreten als im Thurgau. Entsprechend erfreulich ist es, 100 dass im Thurgau die Zahl der Voll- und Teilzeitbeschäftigten in der Branche zwischen 2011 und 2016 um über 10% 95 stieg. In Schaffhausen beschäftigte die Branche hingegen 90 2016 rund 8% weniger Personen als noch 2011. 85 80 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse 12 Swiss Economics | September 2018
Wirtschaft | Pflegeheime und Alterspflege Branche wächst vor allem bei der ambulanten Pflege Die Zahl der pflegebedürftigen Betagten wird in den nächsten Jahrzehnten stark steigen. Mittelfristig braucht die Region wohl aber nur wenige zusätzliche Pflegeheimplätze. Die ambulante Pflege und das betreute Wohnen dürften dagegen stark an Bedeutung gewinnen. Immer mehr Die Schweizer Alterspflege ist eine Wachstumsbranche sondergleichen, wie wir in einer kürzlich pflegebedürftige veröffentlichten Studie ausführlich dargelegt haben2. Heute leben im Kanton Schaffhausen rund Betagte 5000 Betagte, die 80 Jahre oder älter sind. Im Thurgau sind es gut 12’000. 2040 werden es gemäss unseren Prognosen über 9000 beziehungsweise 30’000 sein. Der grosse Anstieg wird ab etwa 2020 einsetzen (vgl. Abb. links). Selbst unter der Annahme, dass Menschen immer län- ger gesund bleiben, dürfte die Zahl der Betagten mit Bedarf an Pflege und Betreuung künftig sehr stark zunehmen. Beide Kantone werden in den nächsten Jahrzehnten somit ein deutlich umfangreicheres Pflegeangebot benötigen, als dies heute der Fall ist. Die Frage ist nur, in wel- cher Form? Auslastung der Denn trotz dieser Wachstumsaussichten ist der Belegungsgrad der Langzeitbetten in Schweizer Heime nimmt Pflegeheimen zwischen 2012 und 2016 im Durchschnitt von 96% auf 94% gesunken – vor allem vielerorts ab in der Deutschschweiz. Der Kanton Schaffhausen stellt diesbezüglich eher eine Ausnahme dar, denn der Belegungsgrad stieg im besagten Zeitraum. Die Thurgauer Heime folgten hingegen dem nationalen Trend und erreichten 2016 noch eine durchschnittliche Auslastung von 92% – was unter dem Schweizer Durchschnitt liegt (vgl. Abb. rechts)3. Mancherorts wurde im Kontext dieser Entwicklungen von zunehmenden Überkapazitäten und Überinvestitionen gesprochen. Wie passt dies nun mit dem Bild einer Wachstumsbranche zusammen? Nach 2020 steigt Zahl der Betagten rasant Belegung 2016 im Thurgau unter- in Schaffhausen über- durchschnittlich Wachstum der über 80-jährigen Bevölkerung; ab 2017 Prognosen Credit Suisse Durchschnittlicher Belegungsgrad Langzeitpflege in % pro MS-Region, 2016 7'000 2'800 TG 98% 4'000 1'600 3'000 1'200 2'000 800 1'000 400 0 0 2006-2010 2011-2015 2016-2020 2021-2025 2026-2030 2031-2035 2036-2040 Quelle: Credit Suisse, Bundesamt für Statistik Quelle: Bundesamt für Gesundheit, Credit Suisse 2 Credit Suisse (2018): Heime: Leere Betten im Wachstumsmarkt. 3 Wobei eine leichte Diskrepanz besteht zwischen den hier verwendeten Zahlen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) und denjenigen, welche der Kanton Thurgau in seiner Pflegeheimplanung verwendet. Die Gesamtaussage bleibt jedoch dieselbe. Generell stammen alle nachfolgenden Zahlen zu den Pflegeheimen vom BAG und beziehen sich nur auf Heime, die ein durchschnittliches Eintrittsalter der Klienten von 65 Jahren und mehr aufweisen. Swiss Economics | September 2018 13
Alterspflege im Die Alterspflege befindet sich im Wandel. Inzwischen besteht weitgehend Konsens darüber, dass Wandel es vielfach sowohl erstrebenswerter als auch volkswirtschaftlich günstiger ist, zumindest die leicht pflegebedürftigen Klienten daheim (d.h. ambulant) statt im Heim (stationär) zu betreuen. Bereit die heutige Generation der «jüngeren» Betagten möchte oft nicht mehr einfach in ein Heim gehen, sondern wünscht sich möglichst lange Autonomie und Individualität – am besten in den eigenen vier Wänden. Dieses Bedürfnis dürfte sich in den kommenden Jahren weiter akzentuieren, vor allem wenn dereinst die Babyboomer pflegebedürftig werden. Pflege in Während die Westschweiz schon früh stark auf ambulante Angebote gesetzt hat, stand in den Schaffhausen und meisten Deutschschweizer Kantonen lange die stationäre Pflege im Vordergrund. Das Konzept Thurgau findet noch «ambulant mit stationär» gewann in den letzten Jahren aber auch diesseits der Sprachgrenze an oft im Heim statt Bedeutung. Der Kanton Schaffhausen hielt z.B. bereits 2013 in einem Bericht zum kantonalen Altersleitbild fest, dass trotz absehbarer Zunahme der betagten Bevölkerung keine Kapazitätsaus- weitung der Heimplätze vorgesehen sei und dass die zunehmende Nachfrage nach Pflege vor allem durch die Spitex bedient werden soll4. Auch der Thurgau strebt gemäss der aktuellen Pfle- geheimplanung eine stärkere Verlagerung von leicht Pflegebedürftigen in die ambulante Pflege an5. In diesem Kontext wuchs das Spitexangebot in beiden Kantonen markant. In Schaffhausen nahm die Zahl der Spitex-Vollzeitstellen zwischen 2012 und 2016 um 21%, in Thurgau um 25% zu. Trotzdem ist das Pflegeangebot auch heute immer noch stärker auf die stationäre Pflege aus- gerichtet als im Schweizer Durchschnitt und insbesondere im Vergleich zur lateinischen Schweiz. So kamen 2016 im Thurgau auf 100 Über-80-Jährige immer noch 24 Langzeitpflegebetten, in Schaffhausen 27. In Genf oder in der Waadt hingegen nur 16. In beiden Ostschweizer Kantonen wohnen ausserdem überdurchschnittlich viele leicht Pflegebedürftige in Heimen. Umgekehrt ist das Spitexangebot gerade im Vergleich zur Westschweiz immer noch eher tief und hat entspre- chendes weiteres Wachstumspotenzial (vgl. Abb. links). Langfristig braucht es Die Frage lautet nun: Benötigen Schaffhausen und der Thurgau trotz stark steigender Pflege- in Thurgau und nachfrage angesichts des überdurchschnittlich hohen Bettenangebots, des allgemeinen Trends Schaffhausen mehr Richtung ambulanter Pflege und der damit zusammenhängenden rückläufigen Heimauslastung Pflegeplätze … künftig überhaupt zusätzliche Pflegeheime? Oder besteht wie in gewissen anderen Deutsch- schweizer Regionen sogar die Gefahr eines Überangebots? Beantworten wir diese Frage zuerst für die lange Frist: Selbst wenn man analog zu vielen kantonalen Planern annimmt, dass künftig Eher unterdurchschnittliches Spitexangebot Bis 2025 vermutlich nur wenige zusätzliche Betten nötig Anzahl Spitexvollzeitstellen pro 100 Über-65-Jährige pro MS-Region, 2016* Zusatzbedarf an Pflegebetten in Heimen bis 2025 ggü. 2016; je nachdem wie stark leicht Pflegebedürftige aus den Heimen in die ambulante Pflege verlagert werden; bei konstant bleibendem Auslastungsgrad keine Verlagerung 25% 50% 75% vollständige Verlagerung tief 25% unterdurchschnittlich 20% überdurchschnittlich 15% hoch 10% 13% 5% 6% 5% 5% 0% -1% -5% -10% -15% -20% Schaffhausen Thurtal Untersee/Rhein Oberthurgau Wil 94% 91% 93% 92% 95% durchschnittlicher Auslastungsgrad 2014 – 2016 Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse * im Oberwallis und Teilen der Quelle: Bundesamt für Gesundheit, Credit Suisse Kantone Waadt und Neuenburg wurden einzelne Regionen aus Datengründen zusammengelegt 4 Kanton Schaffhausen (2013): Bericht 2012 zum Stand der Umsetzung des Altersleitbildes 2006 für den Kanton Schaffhausen 5 Departement für Finanzen und Soziales (2016): Kanton Thurgau – Pflegheimplanung 2016. 14 Swiss Economics | September 2018
nur noch mittel bis stark Pflegebedürftige stationär betreut werden und die Bevölkerung «gesund» altert, benötigen Schaffhausen und vor allem der Thurgau gemäss unseren Berechnungen bis 2040 mehrere Hundert zusätzliche Pflegeplätze. Die Erklärung dafür ist einfach: Langfristig dürfte die Zahl der (mittel bis schwer) Pflegebedürftigen aufgrund der erwähnten demografischen Ver- werfungen derart stark steigen, dass auch eine konsequente Aufwertung der ambulanten und intermediären Pflege diesen Effekt nicht vollständig absorbieren kann. ... mittelfristig nicht in Blickt man indessen in die nahe Zukunft, sieht das Bild etwas differenzierter aus. Mittelfristig jedem Fall kommt es stark darauf an, wie schnell die Integration von ambulanter und stationärer Pflege in ein ganzheitliches Konzept erfolgt, beziehungsweise wie konsequent das Modell «ambulant mit statio- när» umgesetzt werden soll (vgl. Abb. S. 14). Nimmt man z.B. an, dass bereits 2025 keine leicht Pflegebedürftigen mehr stationär betreut werden, würden bis zu diesem Zeitpunkt keine der be- trachteten Schaffhauser und Thurgauer Regionen zusätzliche Betten benötigen – die Leerstände in den Heimen könnten sogar deutlich steigen. Ob in dieser relativ kurzen Zeit die für diese Ent- wicklung nötigen ambulanten und intermediären Strukturen überall bereitgestellt werden können, erscheint uns indessen fraglich und eher unwahrscheinlich. Nimmt man stattdessen an, dass sich bis 2025 der Anteil der nicht oder leicht pflegebedürftigen Heimklienten halbiert, bestünde ausser in Schaffhausen überall ein leichter Zusatzbedarf. Dieser ist aber ausser in der Region Unter- see/Rhein relativ klein. Ein deutlicher Zusatzbedarf bis 2025 besteht nur, wenn keine oder nur eine sehr geringe Verlagerung in die ambulante Pflege stattfindet (helltürkise Balken in der Abbil- dung). Dies sind aber Szenarien, die wir als eher unwahrscheinlich erachten, zumal beide Kantone eine Verlagerung in den ambulanten Sektor explizit anstreben und fördern. Zurückhaltende Obwohl gewisse Regionen bereits heute eher tiefe Bettenauslastungen aufweisen und sich je Pflegeheimplanung nach Szenario bis 2025 gegenüber heute mancherorts sogar ein Minderbedarf an Pflegebetten reduziert Gefahr von manifestieren könnte, erachten wir das Risiko für flächendeckende Überkapazitäten im Thurgau Überkapazitäten und in Schaffhausen als eher gering. Wichtiger Grund für diese Einschätzung ist sicherlich die Strategie beider Kantone, den Ausbau des stationären Pflegeangebots zu bremsen oder zumin- dest vom tatsächlichen lokalen Bedarf abhängig zu machen – bei gleichzeitiger Förderung des ambulanten Angebots. Betreutes Wohnen Die Verlagerung der Pflege «vom Heim nach daheim» geht entsprechend Hand in Hand mit einer dürfte stark wachsen steigenden Nachfrage nach ambulanten Pflegedienstleistungen und betreutem Alterswohnen. Auch wenn es zu letzterem nur sehr wenige zuverlässige Daten gibt, deutet viel auf eine sehr dynamische Entwicklung hin. Wir schätzen, dass es heute schweizweit mindestens 20’000 bis 30’000 Alterswohnungen gibt und dass diese Zahl bis 2040 um 25’000 bis 45’000 steigen müsste, um nur schon die heutige Abdeckungsquote zu halten und der erwarteten Verlagerung von Stationär zu Ambulant Rechnung tragen zu können6. Angesichts der dünnen Datenlage sind Projektionen auf kantonaler Ebene momentan nicht im zuverlässigen Rahmen möglich. Es ist aber davon auszugehen, dass das betreute Alterswohnen auch im Thurgau und in Schaffhausen auf eine zunehmend stark wachsende Nachfrage stösst – umso mehr, da es hier noch überdurch- schnittlich viel Verlagerungspotenzial von der stationären zur ambulanten Pflege gibt. 6 Credit Suisse (2018): Heime: Leere Betten im Wachstumsmarkt. Swiss Economics | September 2018 15
Wirtschaft | Detailhandel Einkaufstourismus fordert Tribut Für knapp 8% aller Einkäufe gehen Thurgauer und Schaffhauser ins grenznahe Ausland – dreimal so viele wie in der restlichen Schweiz. Entsprechend schlossen in der Region überdurchschnittlich viele (vor allem kleine) Läden. Einkaufen in der Grenzüberschreitendes Einkaufen ist in Schaffhausen und im Thurgau kein neues Thema. In den Schweiz deutlich letzten Jahren hat sich die Problematik – zumindest aus Sicht des Detailhandels – angesichts der teurer als in verschiedenen Aufwertungsschübe des CHF gegenüber dem EUR aber nochmals verschärft. Deutschland Während ein durchschnittlicher von Einkaufstouristen erworbener Warenkorb zu Anfang des neu- en Jahrtausends in der Schweiz etwa einen Viertel mehr kostete als in Deutschland, stieg die Preisdifferenz 2015 – im Jahr des Frankenschocks – auf 50% an (vgl. Abb.). Schweizer In der aktuellen Ausgabe unserer Detailhandelsstudie «Retail Outlook» haben wir daher untersucht, Bevölkerung tätigt wie lange Distanzen Konsumenten auf sich nehmen, um im Ausland einzukaufen7. Schweizweit rund 24 Mio. gezielte tätigten sie 2015 rund 24 Millionen gezielte stationäre Auslandeinkäufe (also ohne Einkäufe im Auslandeinkäufe Internet oder auf Reisen). Das waren rund 2% aller ortsgebundenen Einkäufe der Schweizer Be- völkerung. Wir zeigen auch auf, dass Auslandeinkäufe im Durchschnitt mit einer Stunde mehr Fahrzeit einhergehen als Inlandeinkäufe. Bei den Preisen von 2015 hätte ein durchschnittlicher Einkaufstourist pro Einkauf etwas über CHF 100 ausgeben müssen, damit sich die Zusatzdistanz und -zeit des grenzüberschreitenden Shoppings gelohnt hätte. Bevölkerung in Dabei handelt es sich aber um Durchschnittswerte. Für Schaffhauser und die meisten Thurgauer Schaffhausen und Konsumenten lohnt sich ein Gang über die Grenze viel eher als für den Durchschnittsschweizer, Thurgau fährt für da z.B. ein Besuch in einem ausländischen Supermarkt in der Regel lediglich ein paar Minuten Einkäufe zusätzliche Fahrzeit kostet als der Gang zum nächsten Schweizer Laden. (vgl. Abb.). Dadurch überproportional oft rechnen sich rein aus Fahrkosten- und Zeitaspekten bereits sehr kleine Einkaufsbeträge. Zum ins Ausland Vergleich: Während ein durchschnittliches Duo aus Luzern für knapp CHF 400 pro Person ein- kaufen müsste, damit sich eine Ausfahrt nach Deutschland lohnte8, liegt dieser Betrag für Schaff- hauser bei unter CHF 10 und für Frauenfelder immerhin bei unter CHF 90. Entsprechend kaufen Konsumenten aus der Region deutlich häufiger im Ausland ein. 2015 hatten knapp 8% aller Schaffhauser und Thurgauer Einkaufswege einen ausländischen Zielort – der höchste Wert Einkaufstourismus verlor 2018 etwas an Attraktivität In nur wenigen Minuten günstig im Ausland einkaufen Schweizer Preisaufschlag für einen durchschnittlichen in Deutschland via Einkaufstou- Minuten Fahrzeit mit Auto bis zum nächsten ausländischen Supermarkt rismus erworbenen Warenkorb 50% < 10 min 45% 10 - 20 min Schaffhausen 20 - 30 min ! 40% 30 - 45 min < 60 min 35% Frauenfeld ! 30% 25% St.Gallen ! 20% Aarau Zürich Herisau ! ! ! 15% ! Appenzell 10% 5% Zug 0% ! *Juli 2018 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Luzern Glarus ! Schwyz ! ! Quelle: BFS, GfK, Eurostat, Credit Suisse * Schätzungen Credit Suisse Quelle: Credit Suisse, OpenStreetMap, Navteq 7 Credit Suisse (2018): Retail Outlook 2018 – Der Detailhandel hinkt der Konjunktur hinterher. In der Publikation erfah- ren Sie auch mehr zur Methodik, die den hier verwendeten Rechnungen und Schätzungen zugrunde liegt. 8 Bezogen auf einem Warenkorb, der durchschnittlich bei Auslandseinkäufen erworben wird. Bei gezielten Einkäufen von einzelnen Produkten (besonders Lebensmittel) können sich u.U. schon kleinere Beträge lohnen. 16 Swiss Economics | September 2018
in der ganzen Schweiz. Damit waren Schaffhauser und Thurgauer für rund einen Achtel aller stati- onären Schweizer Einkaufsgänge ins Ausland verantwortlich – obwohl sie nur rund 4% der Bevöl- kerung stellen. Interesse an Der Einkaufstourismus spielt sich jedoch schon lange nicht mehr nur stationär, sondern zuneh- Amazon ist in mend auch online ab. Sofern ausländische Onlineshops ihre Ware in die Schweiz liefern, sind Schaffhausen und Grenzregionen nicht per se stärker betroffen. So zeigt eine Google-Analyse, dass der Suchbegriff Thurgau «Zalando» im Thurgau oder in Schaffhausen nicht systematisch häufiger gesucht wird als in ande- überdurchschnittlich ren Kantonen. Anders sieht es bezüglich Amazon aus. Bis anhin liefern der US-Onlinehandels- gross Gigant und seine Händler nur einen Bruchteil ihrer Produkte direkt in die Schweiz. In den letzten Jahren haben sich nahe der Grenze aber Abholstationen etabliert, an die Schweizer Konsumenten ihre Amazon-Bestellungen liefern lassen und von wo sie die Pakete dann persönlich abholen kön- nen. Gemäss Schätzungen dürfte 2016 etwa ein Sechstel des ausländischen Onlinehandels in die Schweiz über Abholstationen abgewickelt worden sein. Solche Angebote sind natürlich vor allem für Bewohner in Grenzregionen praktisch. Entsprechend googeln Schaffhauser und Thurgauer überdurchschnittlich oft nach Amazon (vgl. Abb.). Dies deutet darauf hin, dass der regionale De- tailhandel nicht nur im stationären Handel überproportional viel Kaufkraft ans Ausland verliert, sondern zumindest bezogen auf Amazon auch online. Zahl der Läden ging Diese Entwicklungen haben im Thurgauer und Schaffhauser Detailhandel Spuren hinterlassen. stark zurück Die Zahl der Betriebe nahm in der Region zwischen 2011 und 2016 um 8.5% ab. Besonders stark war der Schaffhauser Detailhandel betroffen (vgl. Abb.). Zwar befindet sich der Detailhandel aufgrund des immer mehr an Bedeutung gewinnenden Onlinehandels schweizweit im Struktur- wandel. Die Zahl der Betriebe sank aber in anderen Regionen der Schweiz mit 5.1% deutlich weniger stark. Rückläufig war in Thurgau und Schaffhausen vor allem die Anzahl der Geschäfte mit weniger als zehn Mitarbeitenden, was den allgemeinen Eindruck eines «Lädelisterbens» be- kräftigt. Einkaufstourismus Wie geht es im Detailhandel weiter? Zahlen zu den Handelsregistereinträgen, die aber mit einer und Onlinehandel gewissen Vorsicht zu interpretieren sind, deuten darauf hin, dass der Abwärtstrend 2017 zu einem fordern Detailhandel Halt kam. Tatsächlich ist die Preisdifferenz zwischen der Schweiz und Deutschland nicht mehr auch künftig ganz so hoch wie 2015 (vgl. Abb. S. 16), aber immer noch beträchtlich. Der Einkaufstourismus wird daher auch in den nächsten Jahren weiter eine Rolle spielen. Der stationäre grenzüberschrei- tende Einkauf dürfte zwar auf hohem Niveau stagnieren, sofern sich der CHF ggü. dem EUR nicht nochmals deutlich aufwertet. Online wird der Einkaufstourismus aber weiter an Bedeutung gewinnen und auch die Thurgauer und Schaffhauser Detailhändler weiter herausfordern. Auf der anderen Seite bringen Zeiten des Umbruchs immer auch Chancen mit sich. So nahm zwischen 2011 und 2016 die Zahl der Betriebe in der Kategorie Versand- und Internethandel in der Region um über 50% zu. Besonders in Schaffhausen wird öfter nach Amazon Detailhandel leidet unter Einkaufstourismus gesucht Google Trends: Regionale Häufigkeit von Suchanfragen zu Amazon Entwicklung Anzahl Betriebe im Detailhandel; Index 100 = 2011 unterdurchschnittlich 100 98 überdurchschnittlich 96 94 92 90 SH TG Restliche Schweiz 88 86 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Quelle: Google, Credit Suisse Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Swiss Economics | September 2018 17
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