Die Kantone Thurgau und Schaffhausen - Credit Suisse

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Die Kantone Thurgau und Schaffhausen - Credit Suisse
Investment Solutions & Products
          Swiss Economics

          Die Kantone Thurgau
          und Schaffhausen
          Perspektiven regionaler Wirtschaftsräume | September 2018

Standortqualität                       Branchenentwicklung            Immobilienmarkt
Attraktiv                              Weniger Industrie,             Eigentum bleibt
im Mittelfeld                          mehr Gesundheitswesen          erschwinglich

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Die Kantone Thurgau und Schaffhausen - Credit Suisse
Impressum

Herausgeber: Credit Suisse AG, Investment Solutions & Products
Dr. Burkhard Varnholt
Vice Chairman IS&P
+41 44 333 67 63
burkhard.varnholt@credit-suisse.com

Dr. Oliver Adler
Chefökonom, CIO Office Schweiz
+41 44 333 09 61
oliver.adler@credit-suisse.com

Redaktionsschluss
12. September 2018

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(Märkte & Trends – Schweizer Wirtschaft)

Copyright
Die Publikation darf mit Quellenangabe zitiert werden.
Copyright © 2018 Credit Suisse Group AG und/oder mit ihr
verbundene Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten.

Autoren

Dr. Jan Schüpbach
+41 44 333 77 36
jan.schuepbach@credit-suisse.com

Andreas Christen
+41 44 333 77 35
andreas.christen@credit-suisse.com

Thomas Rieder
+41 44 332 09 72
thomas.rieder@credit-suisse.com

Dr. Fabian Waltert
+41 44 333 25 57
fabian.waltert@credit-suisse.com

Tiziana Hunziker
+41 44 333 28 08
tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com

2           Swiss Economics | September 2018
Editorial

            Liebe Leserinnen und Leser

            Der Rhein ist nicht das einzige verbindende Element der Kantone Schaffhausen und
            Thurgau. Beide Kantone sind dank der Nähe zu Zürich, Winterthur und St. Gallen sowie
            als Grenzregionen eng mit ihren Nachbarkantonen und Süddeutschland vernetzt. Dank
            guter Erreichbarkeit und relativ günstigem Wohnraum sind beide Kantone beliebte
            Wohnregionen. Unternehmen profitieren von einer Standortqualität, die im kantonalen
            Vergleich im besseren Mittelfeld liegt – international also sehr attraktiv. Die Branchen-
            struktur der beiden Kantone ist überdurchschnittlich industriell geprägt. In den letzten
            Jahren machten sich der starke Franken, das hohe Schweizer Kostenniveau und die
            gedämpfte Weltkonjunktur entsprechend besonders bemerkbar: Arbeitsplätze in der In-
            dustrie gingen verloren. Inzwischen ist der Frankenschock von Anfang 2015 aber
            mehrheitlich überwunden, und die Industrie konnte 2017 und im bisherigen Verlauf von
            2018 von der robusten globalen Konjunktur profitieren. Im Dienstleistungssektor entwi-
            ckeln sich die Unternehmensdienstleistungen dynamisch, und für ein auch künftig dy-
            namisches Wachstum des Gesundheitswesens spricht nicht zuletzt die demografische
            Alterung.

            Wir sind zuversichtlich, dass die Schaffhauser und Thurgauer Wirtschaft die Herausfor-
            derungen der nächsten Jahre zu meistern vermag. Dazu braucht es eine breite Diskus-
            sion über die wirtschaftlichen Erfolgsfaktoren der Ostschweiz und über mögliche Risi-
            ken. Als in der Schweiz stark verwurzelte Bank ist es für uns wichtig, die einzelnen Re-
            gionen genau zu kennen. Deshalb haben wir unseren Ökonomen den Auftrag gegeben,
            die Kantone Schaffhausen und Thurgau aus volkswirtschaftlicher Sicht im Detail zu
            analysieren. Mit der vorliegenden Regionalstudie möchten wir einen Beitrag zur Debatte
            über die Zukunft der beiden Kantone leisten und zu ihrem wirtschaftlichen Erfolg beitra-
            gen.

            Unsere regionale Verbundenheit im Bankgeschäft und unsere vielfältigen Engagements
            in Kultur, Sport und Gesellschaft sind uns sehr wichtig. Wir sind stolz, zahlreiche Ost-
            schweizer Privatpersonen und Firmen zu unseren Kunden zählen zu dürfen.

            Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre.

            Reto Müller                             Christoph Zeller
            Leiter Region Ostschweiz                Leiter KMU Region Ostschweiz

                                                          Swiss Economics | September 2018         3
Donaueschingen

                                                                     Deutschland

                                                                                                                                   Überlingen
                                                                               Singen
                                                       Thayngen                                    Radolfzell

                   Schaffhausen
                                                                                                                                                     Meersburg
               Hallau                       Schaffhausen
                                                             Diessenhofen
                                        Neuhausen am
                                                                                 Stein am                                           Konstanz                                     Friedrichshafen
                                        Rheinfall
                                                                                 Rhein
                                                                                                                                    Kreuzlingen

                                                                                                                      Untersee/Rhein
                                            Weinland
                                Rüdlingen                                                     Thurtal
                                                                                                                            Weinfelden                                Romanshorn
                                                                                        Frauenfeld                                                Oberthurgau
Brugg/Zurzach                                                                                                                                             Amriswil
                                                                                                                                                                             Arbon
                  Unterland
                                                           Winterthur                                                                             Bischofszell
                                                                                          Aadorf
                                                  Winterthur-Stadt
                                                                                                                 Wil (SG)                              St.Gallen/Rorschach
                                                                                                        Wil
Baden Furttal                                                                                                                                                        St.Gallen
                                                 Winterthur-Land

                                      Glattal                                                                                                          Herisau
    Limmattal             Zürich
                     Zürich - Stadt
                                                                                                                                                    Appenzell
                                                          Uster                Oberland-Ost                                                          A.Rh.
                                                                                                                                                                            Appenzell

 Mutschellen                                                Oberland-West                                              Toggenburg                                      Appenzell
                                                                                                                                                                         I.Rh.   St. Galler
                                                                                                                                                                                 Rheintal
                                            Pfannenstiel

           Knonaueramt
Freiamt
                                      Zimmerberg                                                        Linthgebiet

 Lorzenebene/Ennetsee
                          Zug                                                                                                                                         Werdenberg
                                                                                 March/Höfe                                                                                                Vaduz
                                    Zuger
Sursee/Seetal                   Berggemeinden                     Einsiedeln

  Luzern
                                                           Einsiedeln
                                                                                                                Glarner Mittel-
                                                                                                                und Unterland
                                                                                                                      Glarus

                                                 Schwyz
                                                                                                                                                                 Sarganserland
                     Wirtschaftsregionen
                                            Innerschwyz
                     Kanton Schaffhausen
  Stans              Kanton Thurgau                                                                                    Glarner
 Nidwalden/Engelberg                                                                                                  Hinterland
                Verkehrsachsen
Sarneraatal
                                                 Uri
                                                Altdorf                                                                                                                  Bündner
                                                                                                                                                    Surselva
                                                                                                                                                                         Rheintal
    Karte_Seite4.indd 1                                                                                                                                                      17.09.18 13:03
Regionaler Kontext

Gut vernetzte Grenzregionen
Grenzlage an der                        Das geografische Bindeglied zwischen den Kantonen Thurgau und Schaffhausen ist der Rhein. Er
Peripherie des                          fliesst am Westende des Untersees als Hochrhein aus dem an den Kanton Thurgau angrenzenden
Zürcher                                 Bodensee und bestimmt für einige Kilometer die Grenze zwischen den zwei Kantonen, um danach
Metropolitanraums                       durch Schaffhausen zu fliessen. Beide Kantone sind ausserdem geprägt von der Lage nördlich
                                        des Metropolitanraumes Zürich und der Nähe zu Deutschland. Im Kanton Schaffhausen leben nur
                                        knapp 81’000 Personen. Er gehört damit zu den bevölkerungsärmeren Kantonen. Der Thurgau
                                        hingegen befindet sich mit fast 271’000 Einwohnern im Mittelfeld. Flächenmässig ist der Kanton
                                        Thurgau mehr als drei Mal so gross wie Schaffhausen. Zusammen erstrecken sich die zwei Kantone
                                        über fast 1290 km2 und umfassen damit etwas mehr als 3% der Gesamtfläche der Schweiz.

Schaffhausen teilt                      Im Kanton Schaffhausen sind die meisten Industriebetriebe in der Stadt Schaffhausen, dem unbe-
sich rund 80% der                       strittenen wirtschaftlichen und verwaltungstechnischen Zentrum, zu Hause. Mit 45% beherbergt
Kantonsgrenze mit                       sie auch den Grossteil der kantonalen Bevölkerung. Die zwei Exklaven Schaffhausens – der obere
Deutschland                             Kantonsteil rund um Stein am Rhein und der untere um Rüdlingen – orientieren sich hingegen aus
                                        einer wirtschaftlichen Perspektive verstärkt an den an sie angrenzenden, ausserkantonalen Regio-
                                        nen Untersee/Rhein (Thurgau) und Zürcher Weinland.

Unterschiede in                         Auch die Wirtschaftsregionen des Thurgaus sind stark von ausserkantonalen Zentren geprägt. So
Struktur und                            ist Untersee/Rhein stark mit den süddeutschen Gebieten rund um Konstanz verknüpft. Die Regio-
Ausrichtung der                         nen um Wil und Oberthurgau orientieren sich mehrheitlich an St. Gallen. Die westlichen Teile des
Thurgauer Regionen                      Thurtals sind hingegen durch ihre Nähe zum Grossraum Zürich gezeichnet. Die wirtschaftlichen
                                        Verflechtungen zeigen sich nicht zuletzt auch im Pendel- und Grenzverkehr, der im Kanton Thur-
                                        gau sehr ausgeprägt ist.

Demografische und wirtschaftliche Indikatoren
                                  Bevölkerung                          Beschäftigung 2016                     Bruttoinlandprodukt 2015        Einkommen 2017 (Prognose)
                         Anzahl Personen Wachstum jährl.                                                         Anteil am Pro Beschäftigten,           Pro Kopf (Median),
                                                                  Sektor I       Sektor II      Sektor III
                                    2016   2007 – 2016                                                           CH-Total            in CHF                        in CHF
Gemeinden
Frauenfeld                         25’200            1.3%             107           4146         11’527                     -                  -                          55’273
Kreuzlingen                        21’560            1.9%              30           2577           6514                     -                  -                          50’880
Arbon                              14’340            0.9%              18           1925           3143                     -                  -                          49’049
Weinfelden                         11’288            1.5%              71           1762           5138                     -                  -                          53’938
Romanshorn                         10’803            1.6%              38           1889           2424                     -                  -                          50’095
Schaffhausen                       36’148            0.6%             106           5837         14’542                     -                  -                          51’533
Neuhausen am Rheinfall             10’407            0.5%              19           1774           2794                     -                  -                          48’190
Thayngen                             5422            1.0%             134            882           1128                     -                  -                          55’330
Stein am Rhein                       3421            1.1%              31            537             716                    -                  -                          52’662
Wirtschaftsregionen
Schaffhausen                       73’548            0.9%             988         11’329         20’757                1.0%             197’224                           52’492
Untersee/Rhein*                    66’750            1.6%            1362           6615         17’360                0.6%             152’128                           53’515
Thurtal                            96’719            1.4%            2379         15’187         25’026                1.0%             154’898                           55’917
Oberthurgau*                       72’616            1.2%            1492         11’236         13’511                0.6%             158’093                           51’531
Wil*                              112’306            1.1%            1997         17’731         23’769                1.0%             154’694                           54’480
Weinland*                          33’211            0.9%             966           2905           4519                0.2%             147’705                           60’873
St. Gallen/Rorschach*            177’912             0.7%            1407         25’728         72’735                2.4%             158’210                           51’620
Winterthur-Land                    81’217            1.3%            1072           6820         12’372                0.5%             162’112                           60’577
Kantone
SH                                 80’769            0.9%            1208         12’118         22’037                1.1%             193’967                           52’714
TG                                270’709            1.4%            5927         36’875         61’673                2.5%             154’506                           54’195
ZH                              1’487’969            1.4%            7748       127’159         652’367               21.5%             177’843                           58’614
AG                                663’462            1.4%            6558         87’394        171’299                6.1%             153’016                           58’707
SG                                502’552            0.8%            7411         78’993        145’817                5.5%             155’707                           51’639
Schweiz                         8’419’550             1.1%         105’545        982’631        2’912’917           100.00%            163’466                             53’448
Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse   * Die 110 Schweizer Wirtschaftsregionen bilden die wirtschaftlichen Gegebenheiten bestmöglich ab und verlaufen nicht immer
                                                   entlang der politischen Grenzen (vgl. Karte). Die Schaffhauser Exklave Rüdlingen gehört z.B. zur Wirtschaftsregion Weinland.

                                                                                                                      Swiss Economics | September 2018                         5
Wirtschaft | Standortqualität

Attraktiv im Mittelfeld
                                                     Die beiden Ostschweizer Kantone bieten Unternehmen im kantonalen Vergleich
                                                     durchschnittlich attraktive Rahmenbedingungen. Der Thurgau punktet insbesondere mit
                                                     einer attraktiven Steuerbelastung und bei der Erreichbarkeit. Schaffhausen sticht mit
                                                     tiefen Unternehmenssteuern heraus und hat angesichts der geplanten
                                                     Unternehmenssteuerreform gar den Spitzenplatz im Auge.

Standortqualität                                     Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eines Standorts bestimmen die langfristige Entwicklung
als Basis für                                        von Wertschöpfung und Wohlstand. An attraktiven Orten siedeln sich neue Unternehmen an, und
Wohlstand                                            bereits ansässige Firmen investieren stärker als in weniger attraktiven Gebieten. Neben den un-
                                                     veränderbaren natürlichen Voraussetzungen zählen staatliche Regulierungen, die Verfügbarkeit
                                                     von Arbeitskräften und das Geschäftsumfeld zu den zentralen Kriterien der Standortqualität.

Sieben «harte»                                       Um die Attraktivität der Schweizer Regionen und Kantone aus Unternehmersicht zu messen, ha-
Kriterien                                            ben wir einen Standortqualitätsindikator (SQI) entwickelt.1 Dieser stellt die Attraktivität eines Ge-
                                                     biets in Form eines relativen Index dar und basiert auf den folgenden sieben quantitativen Teilindi-
                                                     katoren: Steuerbelastung von natürlichen und juristischen Personen, Verfügbarkeit von Hochquali-
                                                     fizierten und Fachkräften sowie Erreichbarkeit der Bevölkerung, der Beschäftigten und von Flug-
                                                     häfen. Landpreise und Lohnkosten werden bewusst nicht berücksichtigt, da sie in gewissem Sin-
                                                     ne nichts anderes als das Spiegelbild der Attraktivität sind. Die touristische Attraktivität einer Regi-
                                                     on orientiert sich an anderen Kriterien als die Standortgunst für Unternehmen. Solche Merkmale
                                                     können auch nur bedingt quantitativ erfasst werden, weshalb wir sie im SQI bewusst nicht berück-
                                                     sichtigen.

Kanton Thurgau auf                                   Der Kanton Thurgau belegt im Kantonsranking den 10. Platz, Schaffhausen folgt auf Platz 12
Rang 10, Schaffhau-                                  (vgl. Abb. links). Die Kantone erreichen damit eine Platzierung im besseren Mittelfeld und bieten
sen dicht dahinter                                   insgesamt ähnlich attraktive Rahmenbedingungen wie Obwalden, Basel-Landschaft oder Genf.
                                                     Bei den 110 Schweizer Wirtschaftsregionen (vgl. Abb. rechts) erreichen mit Ausnahme von Ober-
                                                     thurgau (Rang 50) alle Regionen in der Untersuchungsregion eine Platzierung am unteren Ende
                                                     des oberen Drittels (Ränge 29 bis 37).

Standortqualität im Schweizer Durchschnitt                                                                        Wirtschaftsregionen fast alle knapp im oberen Drittel
Standortqualität 2017, synthetischer Indikator, CH = 0                                                            Standortqualität der Wirtschaftsregionen, 2017, synthetischer Indikator, CH = 0

2.5
        ZG
2.0                                                                                                                                                                        Schaffhausen

1.5          ZH
                                                                                                                      Basel                                                               Frauenfeld
                  AG
1.0                    BS
                            NW SZ LU                                                                                           Liestal
                                                                                                                                                                                                                     St.Gallen
0.5                                    AR OW                                                                                             Aarau                    Zürich                                        Herisau
                                               TG BL
                                                     SH GE                                   Schweizer Mittel                                                                                                             Appenzell
    0
                                                             AI
                                                                  SG SO
-0.5                                                                      VD                                       Solothurn
                                                                                                                                                                  Zug
                                                                               BE NE
                                                                                     UR GL
-1.0
                                                                                             FR TI                     > 1.5
                                                                                                   GR                                               Luzern                                             Glarus
                                                                                                                       1.0 – 1.5                                             Schwyz
-1.5                                                                                                                   0.3 – 1.0
                                                                                                                                                          Stans
                                                                                                        VS             -0.3 – 0.3
                                                                                                             JU        -1.0 – -0.3
-2.0                                                                                                                                             Sarnen
                                                                                                                                                                            Altdorf
                                                                                                                       -1.5 – -1.0                                                                                                Chur
                                                                                                                       -2.0 – -1.5
                                                                                                                       < -2.0

Quelle: Credit Suisse                                                                                             Quelle: Credit Suisse, Geostat

                                                     1
                                                       Weitere Informationen zur Methodik: «Standortqualität 2016: Basel-Stadt wird Kanton Zürich überholen», Credit Suisse,
                                                     September 2016.

6                           Swiss Economics | September 2018
Thurgau steuerlich                       Der Kanton Thurgau punktet mit einer attraktiven Besteuerung von Unternehmen sowie Privatper-
attraktiv und gut                        sonen (Rang 11 bzw. 10 im Steuerindex), mit guter Erreichbarkeit und mit Fachkräften (vgl. Abb.).
erreichbar                               Für Privatpersonen ist der Kanton im Vergleich zu den Nachbarkantonen St. Gallen und Schaff-
                                         hausen steuerlich attraktiver, liegt jedoch hinter Zürich und Appenzell Innerrhoden. Verbesse-
                                         rungspotenzial gibt es bei der Verfügbarkeit von hochqualifizierten Arbeitskräften: Mit Ausnahme
                                         der Region Untersee/Rhein, wo 33% der Personen im Erwerbsalter über eine Tertiärausbildung
                                         verfügen, schneiden hier alle Kantonsgebiete weit unterdurchschnittlich ab. In den Regionen
                                         Oberthurgau, Thurtal und Wil liegt dieser Anteil zwischen 26% und 29%, in urbaneren Regionen
                                         der Schweiz hingegen bei über 40% und in der Stadt Zürich sogar bei 52%. Unternehmen, die
                                         auf hochqualifizierte Arbeitskräfte angewiesen sind, dürften solche Standorte bevorzugen.

Schaffhausen                             Der Standort Schaffhausen bietet eine Standortqualität, die fast überall geringfügig besser als der
punktet bei den                          Schweizer Durchschnitt ist: Die Erreichbarkeit ist gut, ebenso die Verfügbarkeit von qualifizierten
Unternehmens-                            Fachkräften. Arbeitskräfte mit tertiärem Bildungsabschluss sind im Kanton mit einem Anteil von
steuern                                  32% knapp unterdurchschnittlich vertreten. Bei der Besteuerung der Privatpersonen liegt der
                                         Kanton ebenfalls im Mittelfeld. Nur bei den Unternehmenssteuern kann er sich klar attraktiver
                                         positionieren.

Steuervorlage 17                         Die Unternehmenssteuerreform III wurde an der Urne verworfen. Um Unternehmen möglichst
                                         rasch Planungssicherheit zu verschaffen, und weil die Notwendigkeit einer Reform unbestritten ist,
                                         haben Bundesbehörden und Parlament rasch die Arbeit an einer neuen, konsensfähigen Vorlage
                                         aufgenommen. Die «Steuervorlage 17» des Bundesrats soll die internationale Akzeptanz wieder-
                                         herstellen und die Standortattraktivität erhalten. Die Vorlage wurde vom Ständerat mit einem sozi-
                                         alpolitischen Ausgleich zugunsten der AHV ergänzt. Bis Ende September 2018 dürfte die parla-
                                         mentarische Beratung abgeschlossen sein. Wenn kein Referendum ergriffen wird, könnten die
                                         dringlichen Massnahmen bereits Mitte Januar 2019 in Kraft treten, der Hauptteil voraussichtlich
                                         im Januar 2020. Eine allfällige Referendumsabstimmung dürfte allerdings auch bereits bis Mai
                                         2019 stattfinden.

Faktoren der Standortqualität
Synthetische Indikatoren, 2017

             Kanton Thurgau
                 SQI: 0.24
            Rang 10/26 Kantone

          Erreichbarkeit der Bevölkerung
          Erreichbarkeit der Beschäftigten
          Erreichbarkeit von Flughäfen

                                                     Kanton Schaffhausen           Wirtschaftsregion Untersee/Rhein        Wirtschaftsregion Thurtal
                                                           SQI: 0.10                           SQI: 0.45                          SQI: 0.37
                                                      Rang 12/26 Kantone                Rang 29/110 Regionen               Rang 30/110 Regionen

              Verfügbarkeit von
              Hochqualifizierten
              Verfügbarkeit von
                   Fachkräften
         Steuerliche Attraktivität
        für juristische Personen
        Steuerliche Attraktivität
                                                  Wirtschaftsregion Schaffhausen    Wirtschaftsregion Oberthurgau           Wirtschaftsregion Wil
        für natürliche Personen
                                                             SQI: 0.07                       SQI: –0.25                          SQI: 0.10
                Schweizer Mittel                      Rang 37/110 Regionen             Rang 50/110 Regionen                Rang 35/110 Regionen

Quelle: Credit Suisse

                                                                                                      Swiss Economics | September 2018                 7
Trend zu                              Ausgangspunkt der Reform ist die Aufhebung der privilegierten Besteuerung von Holding- und
Wettbewerb über                       Verwaltungsgesellschaften (Statusgesellschaften), deren Umsatz und Kosten zum Grossteil im
tiefere ordentliche                   Ausland anfallen. Stattdessen sollen auf Kantonsebene neue Privilegien (z.B. Patentbox und För-
Steuersätze hält an                   derung von Forschung und Entwicklung) eingeführt werden, die auch im Ausland anerkannt sind.
                                      Insgesamt werden aber die Möglichkeiten, die Bemessungsgrundlage zu verringern, kleiner, und
                                      viele Unternehmen werden eher nicht von den geplanten neuen Steuerinstrumenten profitieren
                                      können. Die Mehrheit der Kantone plant deshalb eine Reduktion der Unternehmenssteuern, u.a.
                                      auch Schaffhausen und Thurgau (vgl. Abb. links) – der globale Trend hin zu mehr Steuerwettbe-
                                      werb über tiefere ordentliche Steuersätze hält an.

Schaffhausen strebt                   Der Kanton Schaffhausen gehört neben Neuenburg, Basel-Stadt, Zug und Genf zu den Kanto-
an die Spitze, doch                   nen, in denen sich viele Statusgesellschaften niedergelassen haben (vgl. Abb. rechts). Da die
der Vorteil tiefer                    ordentlichen Gewinnsteuersätze in Schaffhausen bereits heute relativ attraktiv sind, ist der Druck,
Steuern dürfte sich                   durch Steuersenkungen den Wegzug von Statusgesellschaften zu verhindern, geringer als etwa in
verringern                            Genf oder Basel-Stadt. Mit der in Aussicht gestellten Reduktion der ordentlichen Gewinnsteuerbe-
                                      lastung auf 12 bis 12.5% würde Schaffhausen den Unternehmen in Zukunft neben Zug voraus-
                                      sichtlich die tiefste Steuerbelastung bieten. Auch international gelten Sätze zwischen 12% und
                                      14% als attraktiv. Der Standortvorteil tiefer Unternehmenssteuern wird aber geringer, da sich die
                                      Sätze einander angleichen.

Der Kanton Thurgau                    Für den Kanton Thurgau stellt der Wegzug heute privilegiert besteuerter Unternehmen keine gros-
verteidigt seine                      se Gefahr dar, da diese nur einen kleinen Teil der Steuereinnahmen ausmachen. Als Investition in
Position im vorderen                  die Standortqualität beabsichtigt die Kantonsregierung die Reduktion der Gesamtsteuerbelastung
Mittelfeld                            auf zwischen 13 und 15% und die Halbierung der Kapitalsteuer. Da im Kanton nur wenige Sta-
                                      tusunternehmen vorhanden sind, führen Steuerreduktionen und neue Steuerinstrumente zu gros-
                                      sen Mitnahmeeffekten bei heute ordentlich besteuerten Unternehmen. Um die Mindereinnahmen
                                      in Grenzen zu halten, möchte der Kanton den gemäss Steuervorlage zulässigen Spielraum bei der
                                      Entlastung von Gewinnen aus Patenten nicht vollständig ausnützen und keine zusätzliche Förde-
                                      rung von Forschungsausgaben einführen. Zudem soll die maximale Entlastung auf 50% statt der
                                      möglichen 70% festgelegt werden.

Schaffhausen strebt mit Zug die tiefsten Unternehmens-                            Statusgesellschaften sind in Schaffhausen bedeutend
steuern an, Thurgau bliebe kompetitiv
Maximale Gewinnsteuersätze, CH: ausgewählte Kantonshauptorte, geplante Redukti-   Relevanz privilegiert besteuerter Statusgesellschaften gemessen an ihrem Anteil an
on der ordentlichen Gewinnsteuerbelastung gegenüber 2018 infolge Steuerreform     den Gewinnsteuereinnahmen 2012 – 2014; ordentlicher Gewinnsteuersatz 2018

 35%                                                                                                                26%
           Avisierter Satz   Geplante Reduktion                                                                                                            GE
 30%                                                                                                                24%
                                                                                    Ordentlicher Gewinnsteuersatz

 25%                                                                                                                         VS                                                         BS
                                                                                                                    22%
                                                                                                                          BE SO       ZH              VD
 20%                                                                                                                                JU   BL      TI
                                                                                                                    20%
                                                                                                                                           FR
 15%                                                                                                                           AG
                                                                                                                    18%
                                                                                                                                        SG       CH
 10%
                                                                                                                    16% TG      GR
                                                                                                                                          GL           SZ                 SH              NE
    5%                                                                                                                         UR AI                                              ZG
                                                                                                                    14%
    0%                                                                                                                         AR OW                  NW
                                                                                                                    12%            LU
                       SH

                    Irland

                       ZH

                   Island
               Insel Man
                       ZG

                        LU

                       VD

                       SG

                       AG

         Grossbritannien

              Frankreich
                Singapur
                       BS

                       GE

                     USA
                 Schweiz

               EU-Mittel
                      NW

           Liechtenstein

           OECD-Mittel
                        TG

              Hongkong

            Deutschland

                                                                                                                    10%
                                                                                                                          0%         10%       20%       30%      40%       50%       60%      70%
                                                                                                                                     Anteil Gewinnsteuereinnahmen* von Statusgesellschaften

                                                                                  * Stufe Kanton und Gemeinde, inklusive Anteil an der direkten Bundessteuer

Quelle: KPMG, Eidgenössische Steuerverwaltung, Credit Suisse                      Quelle: Eidgenössische Steuerverwaltung, KPMG, Credit Suisse

8               Swiss Economics | September 2018
Wirtschaft | Standortqualität

Hohe Schweizer Wettbewerbsfähigkeit                              Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz
                                                                 Ausgewählte Länder im WEF-Ranking (links) und Einschätzung durch Schweizer
                                                                 KMU (rechts)

Gemäss internationalen Indizes ist die Schweiz eines der                 WEF-Ranking 2017/2018                                                          Einschätzung Schweizer
kompetitivsten Länder der Welt. 2017 belegte sie den ers-                                                                                                Wettbewerbsfähigkeit
                                                                     1 Schweiz                                                      5.9
ten Rang im «Global Competitiveness Report» des Weltwirt-
                                                                         2 USA                                                      5.9                                      11%
schaftsforums (WEF). In unserer diesjährigen KMU-Umfrage             3 Singapur                                                     5.7
bei 1100 Unternehmen wollten wir wissen, ob Schweizer             4 Niederlande                                                     5.7
                                                                                                                                                        41%
KMU dies auch so sehen. Die Antwort fällt weniger klar aus       5 Deutschland                                                      5.7
als erwartet: Hiesige KMU schreiben dem Schweizer Wirt-
schaftsstandort mehrheitlich eine mittelhohe bis hohe inter-      18 Österreich                                                 5.2                                                 48%

nationale Wettbewerbsfähigkeit zu. Dies ist an sich kein              27 China                                                 5.0
                                                                      43 Italien                                              4.5
schlechtes Verdikt. Im Vergleich zu den erwähnten Rankings
                                                                      53 Türkei                                           4.4                                  tief oder sehr tief
fällt die Beurteilung aber etwas kritischer aus.
                                                                    55 Vietnam                                            4.4                                  mittel
                                                                    80 Brasilien                                         4.1                                   hoch oder sehr hoch

                                                                 Quelle: World Economic Forum (WEF), Credit Suisse, KMU-Umfrage 2018

Gut positioniert, aber Konkurrenz schläft nicht                  Wettbewerbsposition von Schweizer KMU
                                                                 Position im Wettbewerb; Anteil Antworten

In der oben erwähnten KMU-Umfrage haben wir die Unter-           100%
nehmen auch gefragt, wie sie ihre eigene Wettbewerbsposi-                                         15%
tion einschätzen. Die Antwort ist grundsätzlich positiv, zeigt    80%
                                                                                                                                                 c) Unbefriedigend; erhebliche
aber auch, dass die Konkurrenz nicht schläft. 33% sagen,                                                                                         Konkurrenzzunahme erwartet
dass die Wettbewerbsposition heute gut ist und erwarten           60%
keine erhebliche Konkurrenzzunahme in den nächsten Jah-                                            52%
                                                                                                                                                 b) Gut/befriedigend; erhebliche
ren. Für 52% der KMU ist die Wettbewerbsposition zwar gut                                                                                        Konkurrenzzunahme erwartet
                                                                  40%
oder befriedigend, ohne Weiterentwicklung des Unterneh-
mens dürfte der Konkurrenzdruck in ihren Augen aber er-                                                                                           a) Gut; kaum Konkurrenzzunahme
                                                                  20%
heblich zunehmen. Nur 15% sagen, dass ihre Wettbe-                                                33%                                           a.
                                                                                                                                                  erwartet

werbsposition bereits heute unbefriedigend ist.
                                                                   0%

                                                                 Quelle: Credit Suisse, KMU-Umfrage 2018

Wettbewerbsdruck nicht überall gleich stark                      Wettbewerbsposition nach Branchen
                                                                 Anteil Antworten nach Branchen; Beschreibung Legende siehe Grafik oben

Es stehen indessen nicht alle KMU gleichermassen im              100%
                                                                  90%
Wettbewerb und verspüren entsprechenden Druck, ihr Un-            80%
ternehmen weiterentwickeln zu müssen. Besonders im Ge-            70%
sundheits-, Sozial- und Bildungswesen fürchtet sich ein           60%
verhältnismässig hoher Anteil der Unternehmen auch auf            50%
                                                                  40%
absehbare Zeit nicht vor Konkurrenz. Umgekehrt sieht es           30%
beispielsweise in der Spitzenindustrie aus. In dieser Branche
                                                                              42%

                                                                                                 39%

                                                                                                                   38%

                                                                  20%
                                                                                                                                    33%

                                                                                                                                                  32%

                                                                                                                                                           29%

                                                                                                                                                                         28%

                                                                                                                                                                                      25%

beklagen sich unter den Befragten zwar ebenfalls nur weni-
                                                                                                                                                                                                    Kommuni- 16%

                                                                  10%
                                                                   0%
ge Unternehmen über eine unbefriedigende Wettbewerbs-
                                                                                                                 Transport*
                                                                                              dienstleistungen

                                                                                                                                                  Bau

                                                                                                                                                                       industrie

                                                                                                                                                                                                   Information,
                                                                           Gesundheit, So-

                                                                                                                                                                                   Traditionelle
                                                                                                                               Gastgewerbe,

                                                                                                                                                                       Spitzen-
                                                                                                                               Unterhaltung,
                                                                                              Unternehmens-

                                                                                                                               pers. Dienstl.
                                                                                                                  Verkehr,

                                                                                                                                                                                                    kation, IT*
                                                                            ziales, Bildung

                                                                                                                                                          Handel,
                                                                                                                                                          Verkauf

                                                                                                                                                                                     Industrie

position. Gleichzeitig ist der Anteil der Firmen, die einen
hohen Weiterentwicklungsdruck verspüren, sehr hoch.
                                                                                                                                                   a)     b)        c) (vgl. Legende oben)

                                                                 Quelle: Credit Suisse, KMU-Umfrage 2018; * weniger als 50 Unternehmen

                                                                                                                 Swiss Economics | September 2018                                                             9
Wirtschaft | Branchenstruktur und Strukturwandel

Weniger Industrie, mehr
Gesundheitswesen
                                                Im Thurgau und in Schaffhausen ist die Industrie überproportional vertreten. In den
                                                letzten Jahren verlor die Region zwar 2000 Arbeitsplätze in der Industrie, was aber unter
                                                anderem durch ein starkes Wachstum des Gesundheitswesens kompensiert wurde.

Branchenmix als                                 Die Branchenstruktur ist von zentraler Bedeutung für das Leistungspotenzial einer Region. Die
Basis für die                                   branchenbezogene Zusammensetzung der Wirtschaft, ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihre Wachs-
Wertschöpfung                                   tumsstärke liefern nicht nur Hinweise zur heutigen Wirtschaftskraft einer Region, sondern ermögli-
                                                chen auch Rückschlüsse auf das zukünftige mittelfristige Wachstumspotenzial.

Industrie                                       Die beiden Kantone Thurgau und Schaffhausen weisen auf den ersten Blick eine relativ ähnliche
überdurchschnittlich                            Wirtschaftsstruktur auf (vgl. Abb.). Die Industrie macht in der Region einen im Schweizer Ver-
relevant                                        gleich überdurchschnittlich hohen Anteil an der Beschäftigung und Wertschöpfung aus. 2015 war
                                                jeder vierte Beschäftigte in einem Industriebetrieb tätig. Im Kanton Thurgau haben auch das Bau-
                                                gewerbe und die Landwirtschaft eine vergleichsweise hohe Bedeutung. Entsprechend liegt der
                                                Anteil des Dienstleistungssektors (inklusive Handel) in Schaffhausen mit 62% und im Thurgau mit
                                                59% der Beschäftigten deutlich unter dem Landesdurchschnitt (73%).

Unterschiede in der                             Auf den zweiten Blick gibt es vor allem in der Industrie doch massgebliche Unterschiede. Im Kan-
Industriestruktur                               ton Thurgau sind vor allem die Lebensmittel-, Holz- und Metallindustrie sowie der Fahrzeugbau im
                                                schweizweiten Vergleich überproportional vertreten. In Schaffhausen sind hingegen vor allem die
                                                Pharma-, Kunststoff-, Elektro- und Uhrenindustrie sowie der Maschinenbau für die überdurch-
                                                schnittliche Bedeutung des verarbeitenden Sektors verantwortlich. Besonders die Pharmaindustrie
                                                ist gemessen am Anteil der gesamten kantonalen Arbeitsplätze nirgends so stark präsent wie im
                                                nördlichsten Kanton der Schweiz – von der Stadt Basel abgesehen. Wie in grossen Teilen des
                                                Landes arbeitet die Mehrheit der im Industriesektor Beschäftigten in KMU (CH: 68%, TG: 74%,
                                                SH: 61%). Im Kanton Schaffhausen ist der Beschäftigtenanteil bei grossen Industriebetrieben
                                                jedoch der zweithöchste der Schweiz. Massgeblich verantwortlich dafür sind bekannte global tätige
                                                Unternehmen wie Georg Fischer, Unilever, IWC oder die Cilag AG.

Überdurchschnittliches Gewicht des Industriesektors                                                         Starkes Wachstum der Beschäftigung im Gesundheits-
                                                                                                            und Heimwesen
Anteil an der Gesamtbeschäftigung (Vollzeitäquivalente), in Prozent, 2015                                   Beschäftigungswachstum 2011 – 2015, Wachstumsbeiträge in Prozentpunkten
                                                                                                             8%
                 SH     3%          27%             7%      13%             21%          12%         16%                                                                                           Sonstige
                                                                                                                                                                                                   Dienstleistungen
                  TG    6%          25%              10%        12%          22%           12%       13%     6%
                                                                                                                                                                                                   Unternehmens-
       Schaffhausen     3%      27%                 7%      13%             21%          12%         16%     4%                                                                                    dienstleistungen
                                                                                                                                                                                                   Administrative und
                 Wil     5%          30%                  11%     14%             19%      11%        12%
                                                                                                                                                                                                   soziale Dienste
                                                                                                             2%
              Thurtal    6%         25%              11%        12%          21%          11%        15%                                                                                           Handel und
                                                                                                             0%                                                                                    Verkauf
     Untersee/Rhein     5%      19%            7%    12%              27%                15%         15%
                                                                                                                                                                                                   Baugewerbe
        Oberthurgau     6%                34%               9%        12%          18%         10%    10%   -2%

                 CH     3%    17%         8%        13%           24%              15%           21%
                                                                                                                                                                                                   Industrie/Energie
                                                                                                            -4%
                                                                                                                                                        Untersee/Rhein
                                                                                                                    SH

                                                                                                                                                                         CH

                                                                                                                                                                              Wil

                                                                                                                                                                                    TG

                                                                                                                                                                                         Thurtal
                                                                                                                           Schaffhausen

                                                                                                                                          Oberthurgau

                      0%         20%                     40%           60%        80%       100%                                                                                                   Landwirtschaft
      Landwirtschaft                                            Industrie/Energie
      Baugewerbe                                                Handel und Verkauf                                                                                                                 Wachstum Total
      Administrative und soziale Dienste                        Unternehmensdienstleistungen
      Sonstige Dienstleistungen

Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse                                                              Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse

10               Swiss Economics | September 2018
Region verlor rund                                         In den letzten Jahren hat sich die Wirtschaftsstruktur in beiden Kantonen jedoch verändert (vgl.
2000 Arbeitsplätze in                                      Abb. S. 10). So war die Industriebeschäftigung in allen Regionen rückläufig. Zwischen 2011 und
der Industrie                                              2015 verloren die Kantone Thurgau und Schaffhausen insgesamt netto 1600 bzw. 450 Vollzeit-
                                                           stellen in der Industrie. Verantwortlich waren unter anderem die Eurokrise und der damit einherge-
                                                           hende starke Franken. Inzwischen ist der Frankenschock vom Januar 2015 aber mehrheitlich
                                                           überwunden und die Industrie konnte 2017 und im bisherigen Verlauf von 2018 von der robusten
                                                           globalen Konjunktur profitieren. Der Rückgang der Industriebeschäftigung dürfte damit gestoppt
                                                           worden sein – die Firmen dürften netto gar wieder Stellen geschaffen haben.

Starkes Wachstum                                           Trotz verlorener Industriearbeitsplätze wuchs die Gesamtbeschäftigung sowohl in Schaffhausen
des                                                        und insbesondere im Thurgau. Haupttreiber dieses Wachstums waren in beiden Kantonen die
Gesundheitswesens                                          administrativen und sozialen Dienste. Besonders im Thurgau expandierte vor allem das Gesund-
                                                           heits- und Heimwesen sehr dynamisch. Zwischen 2011 und 2015 wurden knapp 1800 neue
                                                           Stellen in diesem Bereich geschaffen. Grund für dieses Wachstum ist einerseits die Demografie –
                                                           die Bevölkerung wächst und wird älter. Anderseits nehmen die medizinischen Möglichkeiten und
                                                           damit auch die Anspruchshaltung gegenüber dem Gesundheitswesen stetig zu. Während in
                                                           Schaffhausen die Beschäftigung im übrigen Dienstleistungssektor und im Bau relativ verhalten
                                                           wuchs, nahm sie im Thurgau stark zu. Besonders der Bau und die mit ihm verwobenen Dienstleis-
                                                           tungsbranchen (z.B. Architekten) trugen massgeblich zum Thurgauer Beschäftigungswachstum
                                                           bei. Insgesamt nahm die Zahl der Stellen hier um 14% zu.

Chancen-Risiken-                                           Wie dürfte sich die Wirtschaftsstruktur in mittlerer Frist weiterentwickeln? Unsere Chancen-
Profil der                                                 Risiken-Bewertung (vgl. Abb.) erlaubt – basierend auf dem aktuellen Branchenmix – eine Aussage
Branchenstruktur                                           über das mittelfristige Wachstumspotenzial der regionalen Wirtschaft unter Berücksichtigung be-
                                                           stehender und möglicher Risiken. Schaffhausen schneidet im Vergleich zu anderen Kantonen
                                                           etwas besser ab, der Thurgau etwas schlechter – u. a. aufgrund des überdurchschnittlich hohen
                                                           Gewichts der strukturschwachen Landwirtschaft. In beiden Kantonen stellt der hohe Industrieanteil
                                                           ein zweischneidiges Schwert dar. Industriebranchen sind tendenziell stärker den globalen Konjunk-
                                                           turzyklen und Wechselkursschwankungen ausgesetzt als Dienstleistungsbranchen. In konjunkturell
                                                           guten Zeiten führt dies zwar tendenziell zu stärkerem Wachstum. Dafür wirken sich aber Phasen
                                                           mit schwacher globaler Wirtschaftsdynamik – die nicht selten mit einem aufwertenden Franken
                                                           einhergehen – unmittelbarer negativ auf die lokale Volkswirtschaft aus. In Schaffhausen ist die
                                                           Industrie jedoch stark durch die Pharmabranche geprägt, die weniger dem Konjunkturzyklus folgt
                                                           als z.B. der Maschinebau. Die Pharmaindustrie profitiert vielmehr von langfristigen Trends wie der
                                                           global steigenden Nachfrage nach Gesundheitsgütern. Dies ist einer der Gründe, weshalb Schaff-
                                                           hausen mittelfristig ein leicht besseres Chancen-Risiken-Profil aufweist als der Thurgau. Was in
                                                           unserem Modell jedoch nur begrenzt berücksichtig wird, ist ein gewisses Klumpenrisiko: In
                                                           Schaffhausen ist die Wertschöpfung stärker vom Erfolg oder Misserfolg einzelner grosser Indust-
                                                           riefirmen abhängig als im Thurgau.

SH: Leicht überdurchschnittlicher Branchenmix                                                                TG: Leicht unterdurchschnittlicher Branchenmix
Kanton SH: Chancen-Risiken-Profil der 15 grössten Branchen, 2018; Kreisgrösse:                               Kanton TG: Chancen-Risiken-Profil der 15 grössten Branchen, 2018; Kreisgrösse:
Beschäftigung                                                                                                Beschäftigung
 hoch

                                                                                                              hoch

                                 Gesundheitswesen          Heime                                                                            Gesundheitswesen        Heime                     Land- und Forstwirtschaft
                                                                                                                                                                                              Bau und Industrie
                                                                                     Pharma                                                                                                   Dienstleistungen
                                            Architekten,                                                                                                                                      Öffentlicher Sektor
                                             Ingenieure                          Land- und Forstwirtschaft                          Unterrichtswesen
                                                                                                                                                                Architekten, Autogewerbe
                                                                                 Bau und Industrie
Branchenbewertung

                                                                                                             Branchenbewertung

                       Unterrichtswesen                    Elektronik und                                                                                        Ingenieure
                                                                                 Dienstleistungen                                  Grosshandel
                                                               Uhren                                                                                                                   Ausbaugewerbe
                                               Öffentliche                       Öffentlicher Sektor
                            Ausbaugewerbe      Verwaltung                                                                          Öffentliche
                                                                              Maschinenbau                                                                                               Nahrungsmittel
                                                             Grosshandel                                                           Verwaltung
                             Gastronomie                                                                                                                         Hochbau     Maschinenbau
                                                               Detailhandel       Kunststoff
                                                                                                                                                               Landverkehr        Metaller-
                                                                                                                                                                                                        Land-
                                      Landverkehr                                                                                                                                zeugnisse
                                                                                                                                         Detailhandel                                                  wirtschaft
                                                              Landwirtschaft
niedrig

                                                                                                             niedrig

                    -3.0%    -2.0%    -1.0%     0.0%        1.0%     2.0%       3.0%      4.0%      5.0%                         -2.0%       -1.0%        0.0%          1.0%         2.0%            3.0%           4.0%
                            Beschäftigung: Abweichung vom Landesdurchschnitt                                                             Beschäftigung: Abweichung vom Landesdurchschnitt

Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse                                                               Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse

                                                                                                                                                        Swiss Economics | September 2018                              11
Wirtschaft | Branchenstruktur und Strukturwandel

Hochproduktive Industrie in Schaffhausen                        Arbeitsproduktivität in der Industrie
                                                                Bruttowertschöpfung pro Vollzeitstelle in der Industrie; in CHF; 2015

Die Kombination aus einem hohen Anteil von Pharmaindust-        500'000
rie und industriellen Grossbetrieben führt dazu, dass der       450'000
Kanton Schaffhausen nach Basel-Stadt schweizweit die            400'000
höchste Industriewertschöpfung pro Mitarbeitenden gene-         350'000
riert. Der Industriesektor im Kanton Thurgau ist etwas stär-    300'000
ker durch Branchen wie die Lebensmittel-, Holz- oder Me-
                                                                250'000
tallindustrie geprägt, die in der Regel eine tiefere Wert-
                                                                200'000
schöpfung pro Mitarbeitenden aufweisen. Dadurch liegt die
                                                                150'000
Arbeitsproduktivität des Thurgauer Industriesektors leicht
unter dem Schweizer Durchschnitt.                               100'000
                                                                  50'000
                                                                        0
                                                                            BS SH ZG NENWGE CH TI VD AR ZH FROWGR SG TG LU VS GL SO BE UR BL AI JU SZ AG

                                                                Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse

MEM-Industrie profitiert vom Aufschwung                         Exporte von Metallen, Maschinen und Elektronik
                                                                Exporte in CHF, 12-Monats-Durchschnitte, Index Dezember 2014 = 100

Die Thurgauer und Schaffhauser Maschinen-, Elektro- und         115
                                                                                                                                  CH      TG     SH
Metallindustrie (MEM-Industrie) profitiert momentan von der
                                                                110
starken weltwirtschaftlichen Dynamik. Die Exporte von Me-
tallen, Maschinen und Elektronik legten im ersten Halbjahr      105
2018 ggü. 2017 in Schaffhausen um 4.4% und im Thurgau
                                                                100
um 5.6% zu. Im Gegensatz zur Gesamtschweizer MEM-
Industrie konnte die Branche in den beiden Nordschweizer          95
Kantonen die Exportrückgänge im Nachgang des Franken-
                                                                  90
schocks von Anfang 2015 bisher jedoch noch nicht ganz
wettmachen.                                                       85

                                                                  80
                                                                   01/2011 01/2012 01/2013 01/2014 01/2015 01/2016 01/2017 01/2018

                                                                Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse; letzter Datenpunkt = Juli 2018

Lebensmittelindustrie wächst im Thurgau                         Beschäftigte in der Lebensmittelindustrie
                                                                Anzahl Beschäftigte, Index 2011=100

Die Lebensmittelindustrie ist besonders im Kanton Thurgau,      115
                                                                             SH     TG
aber auch in Schaffhausen überproportional stark vertreten.
                                                                110
Gemessen am Beschäftigungsanteil ist die Branche nur in
Obwalden, Glarus, Fribourg und Appenzell Innerhoden stär-       105
ker vertreten als im Thurgau. Entsprechend erfreulich ist es,
                                                                100
dass im Thurgau die Zahl der Voll- und Teilzeitbeschäftigten
in der Branche zwischen 2011 und 2016 um über 10%                 95
stieg. In Schaffhausen beschäftigte die Branche hingegen
                                                                  90
2016 rund 8% weniger Personen als noch 2011.
                                                                  85

                                                                  80
                                                                            2011         2012         2013         2014          2015          2016

                                                                Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse

12          Swiss Economics | September 2018
Wirtschaft | Pflegeheime und Alterspflege

Branche wächst vor allem bei
der ambulanten Pflege
                                                Die Zahl der pflegebedürftigen Betagten wird in den nächsten Jahrzehnten stark
                                                steigen. Mittelfristig braucht die Region wohl aber nur wenige zusätzliche
                                                Pflegeheimplätze. Die ambulante Pflege und das betreute Wohnen dürften dagegen
                                                stark an Bedeutung gewinnen.

Immer mehr                                      Die Schweizer Alterspflege ist eine Wachstumsbranche sondergleichen, wie wir in einer kürzlich
pflegebedürftige                                veröffentlichten Studie ausführlich dargelegt haben2. Heute leben im Kanton Schaffhausen rund
Betagte                                         5000 Betagte, die 80 Jahre oder älter sind. Im Thurgau sind es gut 12’000. 2040 werden es
                                                gemäss unseren Prognosen über 9000 beziehungsweise 30’000 sein. Der grosse Anstieg wird
                                                ab etwa 2020 einsetzen (vgl. Abb. links). Selbst unter der Annahme, dass Menschen immer län-
                                                ger gesund bleiben, dürfte die Zahl der Betagten mit Bedarf an Pflege und Betreuung künftig
                                                sehr stark zunehmen. Beide Kantone werden in den nächsten Jahrzehnten somit ein deutlich
                                                umfangreicheres Pflegeangebot benötigen, als dies heute der Fall ist. Die Frage ist nur, in wel-
                                                cher Form?

Auslastung der                                  Denn trotz dieser Wachstumsaussichten ist der Belegungsgrad der Langzeitbetten in Schweizer
Heime nimmt                                     Pflegeheimen zwischen 2012 und 2016 im Durchschnitt von 96% auf 94% gesunken – vor allem
vielerorts ab                                   in der Deutschschweiz. Der Kanton Schaffhausen stellt diesbezüglich eher eine Ausnahme dar,
                                                denn der Belegungsgrad stieg im besagten Zeitraum. Die Thurgauer Heime folgten hingegen dem
                                                nationalen Trend und erreichten 2016 noch eine durchschnittliche Auslastung von 92% – was
                                                unter dem Schweizer Durchschnitt liegt (vgl. Abb. rechts)3. Mancherorts wurde im Kontext dieser
                                                Entwicklungen von zunehmenden Überkapazitäten und Überinvestitionen gesprochen. Wie passt
                                                dies nun mit dem Bild einer Wachstumsbranche zusammen?

Nach 2020 steigt Zahl der Betagten rasant                                                                   Belegung 2016 im Thurgau unter- in Schaffhausen über-
                                                                                                            durchschnittlich
Wachstum der über 80-jährigen Bevölkerung; ab 2017 Prognosen Credit Suisse                                  Durchschnittlicher Belegungsgrad Langzeitpflege in % pro MS-Region, 2016
7'000                                                                                               2'800
           TG                                                                                                       98%

4'000                                                                                               1'600

3'000                                                                                               1'200

2'000                                                                                               800

1'000                                                                                               400

     0                                                                                              0
            2006-2010

                        2011-2015

                                    2016-2020

                                                    2021-2025

                                                                2026-2030

                                                                            2031-2035

                                                                                        2036-2040

Quelle: Credit Suisse, Bundesamt für Statistik                                                              Quelle: Bundesamt für Gesundheit, Credit Suisse

                                                2
                                                 Credit Suisse (2018): Heime: Leere Betten im Wachstumsmarkt.
                                                3
                                                  Wobei eine leichte Diskrepanz besteht zwischen den hier verwendeten Zahlen des Bundesamts für Gesundheit (BAG)
                                                und denjenigen, welche der Kanton Thurgau in seiner Pflegeheimplanung verwendet. Die Gesamtaussage bleibt jedoch
                                                dieselbe. Generell stammen alle nachfolgenden Zahlen zu den Pflegeheimen vom BAG und beziehen sich nur auf Heime,
                                                die ein durchschnittliches Eintrittsalter der Klienten von 65 Jahren und mehr aufweisen.

                                                                                                                                     Swiss Economics | September 2018                  13
Alterspflege im                          Die Alterspflege befindet sich im Wandel. Inzwischen besteht weitgehend Konsens darüber, dass
Wandel                                   es vielfach sowohl erstrebenswerter als auch volkswirtschaftlich günstiger ist, zumindest die leicht
                                         pflegebedürftigen Klienten daheim (d.h. ambulant) statt im Heim (stationär) zu betreuen. Bereit die
                                         heutige Generation der «jüngeren» Betagten möchte oft nicht mehr einfach in ein Heim gehen,
                                         sondern wünscht sich möglichst lange Autonomie und Individualität – am besten in den eigenen
                                         vier Wänden. Dieses Bedürfnis dürfte sich in den kommenden Jahren weiter akzentuieren, vor
                                         allem wenn dereinst die Babyboomer pflegebedürftig werden.

Pflege in                                Während die Westschweiz schon früh stark auf ambulante Angebote gesetzt hat, stand in den
Schaffhausen und                         meisten Deutschschweizer Kantonen lange die stationäre Pflege im Vordergrund. Das Konzept
Thurgau findet noch                      «ambulant mit stationär» gewann in den letzten Jahren aber auch diesseits der Sprachgrenze an
oft im Heim statt                        Bedeutung. Der Kanton Schaffhausen hielt z.B. bereits 2013 in einem Bericht zum kantonalen
                                         Altersleitbild fest, dass trotz absehbarer Zunahme der betagten Bevölkerung keine Kapazitätsaus-
                                         weitung der Heimplätze vorgesehen sei und dass die zunehmende Nachfrage nach Pflege vor
                                         allem durch die Spitex bedient werden soll4. Auch der Thurgau strebt gemäss der aktuellen Pfle-
                                         geheimplanung eine stärkere Verlagerung von leicht Pflegebedürftigen in die ambulante Pflege
                                         an5. In diesem Kontext wuchs das Spitexangebot in beiden Kantonen markant. In Schaffhausen
                                         nahm die Zahl der Spitex-Vollzeitstellen zwischen 2012 und 2016 um 21%, in Thurgau um 25%
                                         zu. Trotzdem ist das Pflegeangebot auch heute immer noch stärker auf die stationäre Pflege aus-
                                         gerichtet als im Schweizer Durchschnitt und insbesondere im Vergleich zur lateinischen Schweiz.
                                         So kamen 2016 im Thurgau auf 100 Über-80-Jährige immer noch 24 Langzeitpflegebetten, in
                                         Schaffhausen 27. In Genf oder in der Waadt hingegen nur 16. In beiden Ostschweizer Kantonen
                                         wohnen ausserdem überdurchschnittlich viele leicht Pflegebedürftige in Heimen. Umgekehrt ist
                                         das Spitexangebot gerade im Vergleich zur Westschweiz immer noch eher tief und hat entspre-
                                         chendes weiteres Wachstumspotenzial (vgl. Abb. links).

Langfristig braucht es                   Die Frage lautet nun: Benötigen Schaffhausen und der Thurgau trotz stark steigender Pflege-
in Thurgau und                           nachfrage angesichts des überdurchschnittlich hohen Bettenangebots, des allgemeinen Trends
Schaffhausen mehr                        Richtung ambulanter Pflege und der damit zusammenhängenden rückläufigen Heimauslastung
Pflegeplätze …                           künftig überhaupt zusätzliche Pflegeheime? Oder besteht wie in gewissen anderen Deutsch-
                                         schweizer Regionen sogar die Gefahr eines Überangebots? Beantworten wir diese Frage zuerst
                                         für die lange Frist: Selbst wenn man analog zu vielen kantonalen Planern annimmt, dass künftig

Eher unterdurchschnittliches Spitexangebot                                       Bis 2025 vermutlich nur wenige zusätzliche Betten nötig
Anzahl Spitexvollzeitstellen pro 100 Über-65-Jährige pro MS-Region, 2016*        Zusatzbedarf an Pflegebetten in Heimen bis 2025 ggü. 2016; je nachdem wie stark
                                                                                 leicht Pflegebedürftige aus den Heimen in die ambulante Pflege verlagert werden; bei
                                                                                 konstant bleibendem Auslastungsgrad
                                                                                             keine Verlagerung        25%      50%     75%     vollständige Verlagerung
     tief
                                                                                  25%

     unterdurchschnittlich
                                                                                  20%
     überdurchschnittlich                                                         15%
     hoch                                                                         10%
                                                                                                                                 13%

                                                                                   5%
                                                                                                                 6%

                                                                                                                                               5%

                                                                                                                                                               5%

                                                                                   0%
                                                                                               -1%

                                                                                   -5%
                                                                                  -10%
                                                                                  -15%
                                                                                  -20%
                                                                                          Schaffhausen      Thurtal         Untersee/Rhein Oberthurgau         Wil
                                                                                              94%           91%                93%          92%               95%
                                                                                                       durchschnittlicher Auslastungsgrad 2014 – 2016

Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse  * im Oberwallis und Teilen der   Quelle: Bundesamt für Gesundheit, Credit Suisse
Kantone Waadt und Neuenburg wurden einzelne Regionen aus Datengründen
zusammengelegt

                                         4
                                           Kanton Schaffhausen (2013): Bericht 2012 zum Stand der Umsetzung des Altersleitbildes 2006 für den Kanton
                                         Schaffhausen
                                         5
                                           Departement für Finanzen und Soziales (2016): Kanton Thurgau – Pflegheimplanung 2016.

14                      Swiss Economics | September 2018
nur noch mittel bis stark Pflegebedürftige stationär betreut werden und die Bevölkerung «gesund»
                             altert, benötigen Schaffhausen und vor allem der Thurgau gemäss unseren Berechnungen bis
                             2040 mehrere Hundert zusätzliche Pflegeplätze. Die Erklärung dafür ist einfach: Langfristig dürfte
                             die Zahl der (mittel bis schwer) Pflegebedürftigen aufgrund der erwähnten demografischen Ver-
                             werfungen derart stark steigen, dass auch eine konsequente Aufwertung der ambulanten und
                             intermediären Pflege diesen Effekt nicht vollständig absorbieren kann.

... mittelfristig nicht in   Blickt man indessen in die nahe Zukunft, sieht das Bild etwas differenzierter aus. Mittelfristig
jedem Fall                   kommt es stark darauf an, wie schnell die Integration von ambulanter und stationärer Pflege in ein
                             ganzheitliches Konzept erfolgt, beziehungsweise wie konsequent das Modell «ambulant mit statio-
                             när» umgesetzt werden soll (vgl. Abb. S. 14). Nimmt man z.B. an, dass bereits 2025 keine leicht
                             Pflegebedürftigen mehr stationär betreut werden, würden bis zu diesem Zeitpunkt keine der be-
                             trachteten Schaffhauser und Thurgauer Regionen zusätzliche Betten benötigen – die Leerstände
                             in den Heimen könnten sogar deutlich steigen. Ob in dieser relativ kurzen Zeit die für diese Ent-
                             wicklung nötigen ambulanten und intermediären Strukturen überall bereitgestellt werden können,
                             erscheint uns indessen fraglich und eher unwahrscheinlich. Nimmt man stattdessen an, dass sich
                             bis 2025 der Anteil der nicht oder leicht pflegebedürftigen Heimklienten halbiert, bestünde ausser
                             in Schaffhausen überall ein leichter Zusatzbedarf. Dieser ist aber ausser in der Region Unter-
                             see/Rhein relativ klein. Ein deutlicher Zusatzbedarf bis 2025 besteht nur, wenn keine oder nur
                             eine sehr geringe Verlagerung in die ambulante Pflege stattfindet (helltürkise Balken in der Abbil-
                             dung). Dies sind aber Szenarien, die wir als eher unwahrscheinlich erachten, zumal beide Kantone
                             eine Verlagerung in den ambulanten Sektor explizit anstreben und fördern.

Zurückhaltende               Obwohl gewisse Regionen bereits heute eher tiefe Bettenauslastungen aufweisen und sich je
Pflegeheimplanung            nach Szenario bis 2025 gegenüber heute mancherorts sogar ein Minderbedarf an Pflegebetten
reduziert Gefahr von         manifestieren könnte, erachten wir das Risiko für flächendeckende Überkapazitäten im Thurgau
Überkapazitäten              und in Schaffhausen als eher gering. Wichtiger Grund für diese Einschätzung ist sicherlich die
                             Strategie beider Kantone, den Ausbau des stationären Pflegeangebots zu bremsen oder zumin-
                             dest vom tatsächlichen lokalen Bedarf abhängig zu machen – bei gleichzeitiger Förderung des
                             ambulanten Angebots.

Betreutes Wohnen             Die Verlagerung der Pflege «vom Heim nach daheim» geht entsprechend Hand in Hand mit einer
dürfte stark wachsen         steigenden Nachfrage nach ambulanten Pflegedienstleistungen und betreutem Alterswohnen.
                             Auch wenn es zu letzterem nur sehr wenige zuverlässige Daten gibt, deutet viel auf eine sehr
                             dynamische Entwicklung hin. Wir schätzen, dass es heute schweizweit mindestens 20’000 bis
                             30’000 Alterswohnungen gibt und dass diese Zahl bis 2040 um 25’000 bis 45’000 steigen
                             müsste, um nur schon die heutige Abdeckungsquote zu halten und der erwarteten Verlagerung
                             von Stationär zu Ambulant Rechnung tragen zu können6. Angesichts der dünnen Datenlage sind
                             Projektionen auf kantonaler Ebene momentan nicht im zuverlässigen Rahmen möglich. Es ist aber
                             davon auszugehen, dass das betreute Alterswohnen auch im Thurgau und in Schaffhausen auf
                             eine zunehmend stark wachsende Nachfrage stösst – umso mehr, da es hier noch überdurch-
                             schnittlich viel Verlagerungspotenzial von der stationären zur ambulanten Pflege gibt.

                             6
                                 Credit Suisse (2018): Heime: Leere Betten im Wachstumsmarkt.

                                                                                                Swiss Economics | September 2018   15
Wirtschaft | Detailhandel

Einkaufstourismus fordert Tribut
                                                                Für knapp 8% aller Einkäufe gehen Thurgauer und Schaffhauser ins grenznahe Ausland
                                                                – dreimal so viele wie in der restlichen Schweiz. Entsprechend schlossen in der Region
                                                                überdurchschnittlich viele (vor allem kleine) Läden.

Einkaufen in der                                                Grenzüberschreitendes Einkaufen ist in Schaffhausen und im Thurgau kein neues Thema. In den
Schweiz deutlich                                                letzten Jahren hat sich die Problematik – zumindest aus Sicht des Detailhandels – angesichts der
teurer als in                                                   verschiedenen Aufwertungsschübe des CHF gegenüber dem EUR aber nochmals verschärft.
Deutschland                                                     Während ein durchschnittlicher von Einkaufstouristen erworbener Warenkorb zu Anfang des neu-
                                                                en Jahrtausends in der Schweiz etwa einen Viertel mehr kostete als in Deutschland, stieg die
                                                                Preisdifferenz 2015 – im Jahr des Frankenschocks – auf 50% an (vgl. Abb.).

Schweizer                                                       In der aktuellen Ausgabe unserer Detailhandelsstudie «Retail Outlook» haben wir daher untersucht,
Bevölkerung tätigt                                              wie lange Distanzen Konsumenten auf sich nehmen, um im Ausland einzukaufen7. Schweizweit
rund 24 Mio. gezielte                                           tätigten sie 2015 rund 24 Millionen gezielte stationäre Auslandeinkäufe (also ohne Einkäufe im
Auslandeinkäufe                                                 Internet oder auf Reisen). Das waren rund 2% aller ortsgebundenen Einkäufe der Schweizer Be-
                                                                völkerung. Wir zeigen auch auf, dass Auslandeinkäufe im Durchschnitt mit einer Stunde mehr
                                                                Fahrzeit einhergehen als Inlandeinkäufe. Bei den Preisen von 2015 hätte ein durchschnittlicher
                                                                Einkaufstourist pro Einkauf etwas über CHF 100 ausgeben müssen, damit sich die Zusatzdistanz
                                                                und -zeit des grenzüberschreitenden Shoppings gelohnt hätte.

Bevölkerung in                                                  Dabei handelt es sich aber um Durchschnittswerte. Für Schaffhauser und die meisten Thurgauer
Schaffhausen und                                                Konsumenten lohnt sich ein Gang über die Grenze viel eher als für den Durchschnittsschweizer,
Thurgau fährt für                                               da z.B. ein Besuch in einem ausländischen Supermarkt in der Regel lediglich ein paar Minuten
Einkäufe                                                        zusätzliche Fahrzeit kostet als der Gang zum nächsten Schweizer Laden. (vgl. Abb.). Dadurch
überproportional oft                                            rechnen sich rein aus Fahrkosten- und Zeitaspekten bereits sehr kleine Einkaufsbeträge. Zum
ins Ausland                                                     Vergleich: Während ein durchschnittliches Duo aus Luzern für knapp CHF 400 pro Person ein-
                                                                kaufen müsste, damit sich eine Ausfahrt nach Deutschland lohnte8, liegt dieser Betrag für Schaff-
                                                                hauser bei unter CHF 10 und für Frauenfelder immerhin bei unter CHF 90. Entsprechend kaufen
                                                                Konsumenten aus der Region deutlich häufiger im Ausland ein. 2015 hatten knapp 8% aller
                                                                Schaffhauser und Thurgauer Einkaufswege einen ausländischen Zielort – der höchste Wert

Einkaufstourismus verlor 2018 etwas an Attraktivität                                                                                               In nur wenigen Minuten günstig im Ausland einkaufen
Schweizer Preisaufschlag für einen durchschnittlichen in Deutschland via Einkaufstou-                                                              Minuten Fahrzeit mit Auto bis zum nächsten ausländischen Supermarkt
rismus erworbenen Warenkorb
50%
                                                                                                                                                      < 10 min
45%                                                                                                                                                   10 - 20 min
                                                                                                                                                                                                  Schaffhausen
                                                                                                                                                      20 - 30 min                            !
40%                                                                                                                                                   30 - 45 min
                                                                                                                                                      < 60 min
35%
                                                                                                                                                                                                                 Frauenfeld
                                                                                                                                                                                                                 !
30%
25%                                                                                                                                                                                                                                        St.Gallen
                                                                                                                                                                                                                                           !
20%                                                                                                                                                                 Aarau                Zürich                                        Herisau
                                                                                                                                                                                                                                       !
                                                                                                                                                                    !                !
15%                                                                                                                                                                                                                                            !
                                                                                                                                                                                                                                                 Appenzell

10%
 5%
                                                                                                                                                                                     Zug
 0%                                                                                                                                                                                  !
                                                                                                                                      *Juli 2018
        2000
               2001
                      2002
                             2003
                                    2004
                                           2005
                                                  2006
                                                         2007
                                                                2008
                                                                       2009
                                                                              2010
                                                                                     2011
                                                                                            2012
                                                                                                   2013
                                                                                                          2014
                                                                                                                 2015
                                                                                                                        2016
                                                                                                                               2017

                                                                                                                                                                            Luzern                                            Glarus
                                                                                                                                                                            !                       Schwyz                !
                                                                                                                                                                                                  !

Quelle: BFS, GfK, Eurostat, Credit Suisse                                              * Schätzungen Credit Suisse                                 Quelle: Credit Suisse, OpenStreetMap, Navteq

                                                                7
                                                                  Credit Suisse (2018): Retail Outlook 2018 – Der Detailhandel hinkt der Konjunktur hinterher. In der Publikation erfah-
                                                                ren Sie auch mehr zur Methodik, die den hier verwendeten Rechnungen und Schätzungen zugrunde liegt.
                                                                8
                                                                  Bezogen auf einem Warenkorb, der durchschnittlich bei Auslandseinkäufen erworben wird. Bei gezielten Einkäufen von
                                                                einzelnen Produkten (besonders Lebensmittel) können sich u.U. schon kleinere Beträge lohnen.

16                      Swiss Economics | September 2018
in der ganzen Schweiz. Damit waren Schaffhauser und Thurgauer für rund einen Achtel aller stati-
                                     onären Schweizer Einkaufsgänge ins Ausland verantwortlich – obwohl sie nur rund 4% der Bevöl-
                                     kerung stellen.

Interesse an                         Der Einkaufstourismus spielt sich jedoch schon lange nicht mehr nur stationär, sondern zuneh-
Amazon ist in                        mend auch online ab. Sofern ausländische Onlineshops ihre Ware in die Schweiz liefern, sind
Schaffhausen und                     Grenzregionen nicht per se stärker betroffen. So zeigt eine Google-Analyse, dass der Suchbegriff
Thurgau                              «Zalando» im Thurgau oder in Schaffhausen nicht systematisch häufiger gesucht wird als in ande-
überdurchschnittlich                 ren Kantonen. Anders sieht es bezüglich Amazon aus. Bis anhin liefern der US-Onlinehandels-
gross                                Gigant und seine Händler nur einen Bruchteil ihrer Produkte direkt in die Schweiz. In den letzten
                                     Jahren haben sich nahe der Grenze aber Abholstationen etabliert, an die Schweizer Konsumenten
                                     ihre Amazon-Bestellungen liefern lassen und von wo sie die Pakete dann persönlich abholen kön-
                                     nen. Gemäss Schätzungen dürfte 2016 etwa ein Sechstel des ausländischen Onlinehandels in die
                                     Schweiz über Abholstationen abgewickelt worden sein. Solche Angebote sind natürlich vor allem
                                     für Bewohner in Grenzregionen praktisch. Entsprechend googeln Schaffhauser und Thurgauer
                                     überdurchschnittlich oft nach Amazon (vgl. Abb.). Dies deutet darauf hin, dass der regionale De-
                                     tailhandel nicht nur im stationären Handel überproportional viel Kaufkraft ans Ausland verliert,
                                     sondern zumindest bezogen auf Amazon auch online.

Zahl der Läden ging                  Diese Entwicklungen haben im Thurgauer und Schaffhauser Detailhandel Spuren hinterlassen.
stark zurück                         Die Zahl der Betriebe nahm in der Region zwischen 2011 und 2016 um 8.5% ab. Besonders
                                     stark war der Schaffhauser Detailhandel betroffen (vgl. Abb.). Zwar befindet sich der Detailhandel
                                     aufgrund des immer mehr an Bedeutung gewinnenden Onlinehandels schweizweit im Struktur-
                                     wandel. Die Zahl der Betriebe sank aber in anderen Regionen der Schweiz mit 5.1% deutlich
                                     weniger stark. Rückläufig war in Thurgau und Schaffhausen vor allem die Anzahl der Geschäfte
                                     mit weniger als zehn Mitarbeitenden, was den allgemeinen Eindruck eines «Lädelisterbens» be-
                                     kräftigt.

Einkaufstourismus                    Wie geht es im Detailhandel weiter? Zahlen zu den Handelsregistereinträgen, die aber mit einer
und Onlinehandel                     gewissen Vorsicht zu interpretieren sind, deuten darauf hin, dass der Abwärtstrend 2017 zu einem
fordern Detailhandel                 Halt kam. Tatsächlich ist die Preisdifferenz zwischen der Schweiz und Deutschland nicht mehr
auch künftig                         ganz so hoch wie 2015 (vgl. Abb. S. 16), aber immer noch beträchtlich. Der Einkaufstourismus
                                     wird daher auch in den nächsten Jahren weiter eine Rolle spielen. Der stationäre grenzüberschrei-
                                     tende Einkauf dürfte zwar auf hohem Niveau stagnieren, sofern sich der CHF ggü. dem EUR
                                     nicht nochmals deutlich aufwertet. Online wird der Einkaufstourismus aber weiter an Bedeutung
                                     gewinnen und auch die Thurgauer und Schaffhauser Detailhändler weiter herausfordern. Auf der
                                     anderen Seite bringen Zeiten des Umbruchs immer auch Chancen mit sich. So nahm zwischen
                                     2011 und 2016 die Zahl der Betriebe in der Kategorie Versand- und Internethandel in der Region
                                     um über 50% zu.

Besonders in Schaffhausen wird öfter nach Amazon                          Detailhandel leidet unter Einkaufstourismus
gesucht
Google Trends: Regionale Häufigkeit von Suchanfragen zu Amazon            Entwicklung Anzahl Betriebe im Detailhandel; Index 100 = 2011

    unterdurchschnittlich                                                 100

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    überdurchschnittlich

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Quelle: Google, Credit Suisse                                             Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse

                                                                                                    Swiss Economics | September 2018                17
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