Bewertungsverfahren von Online-Startups in der Seed- und der Startup-Phase
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Bewertungsverfahren von Online-Startups in der Seed- und der Startup-Phase Bachelorthesis im Fachbereich I Wirtschaftswissenschaften im Studiengang International Business Verfasser: Roman Steigertahl Matrikel-Nr.: 283872 Erstgutachter: Prof. Dr. Sven Ripsas Zweitgutachter: M.A. Alexander Boensch Berlin, 3. Juli 2013
Abstract Angefangen mit der Geschäftsidee durchlaufen Unternehmen mehrere Phasen, in denen üblicherweise nach und nach mehr Kapitalbedarf entsteht. Da diese Unternehmen in der Anfangsphase, der sogenannten Early-Stage, in der Regel noch nicht genügend Sicherheiten für die Finanzierung mit Fremdkapital stellen können, werden die Investitionen zum Großteil als Eigenkapital eingebracht, dem sogenannten Wagniskapital bzw. Venture Capital. Während dieser ersten Phasen bis hin zu stabilerem Wachstum bestehen die Kapitalgeber hauptsächlich aus Freunden und Familie der Gründer, Business Angels, Inkubatoren und institutionellen Venture-Capital-Gesellschaften. Unmittelbar verbunden mit der Eigenkapitalfinanzierung ist eine Bewertung dieser Startups. Traditionelle Bewertungsmethoden kalkulieren den aktuellen Unternehmenswert meist anhand der Barwerte aller zukünftigen Cashflows oder Gewinne. Diese Kennzahlen sind jedoch bei jungen Wachstumsunternehmen nur selten vorhanden und können sehr schwer bzw. nur sehr grob für die Zukunft eingeschätzt werden. Auch eine Bewertung anhand branchenspezifischer Multiplikatoren gestaltet sich äußerst schwer, da diese Werte in der Regel nur von Unternehmen öffentlich bekannt sind, die aufgrund ihrer Größe oder einer Börsenlistung gesetzlich dazu verpflichtet sind. Diese Unternehmen eignen sich aber kaum als Vergleichswerte für Startups, deren Umsätze sehr viel geringer und unsicherer sind und die üblicherweise in den ersten Phasen keine Gewinne erwirtschaften. Aufgrund dieser Komplexität haben sich Bewertungsverfahren entwickelt, die den Unternehmenswert anhand von simpleren Daumenregeln oder der Intuition der Investoren bestimmen. Die Verwendung dieser Reihe von Bewertungsmethoden wird in dieser Arbeit empirisch anhand der Antworten von 31 Venture-Capital-Gesellschaften, zehn Business Angels und sechs Inkubatoren auf einen vom Autor konzipierten Fragebogen überprüft. Aufgrund der medialen Präsenz der hohen Bewertungen von Unternehmen wie Facebook, LinkedIn oder Instagram sowie der steigenden Wichtigkeit der Internetwirtschaft für die Gesamtwirtschaft in Deutschland wurde der Fokus in dieser Arbeit auf die Bewertung von Online-Startups gelegt. I
Die Antworten auf den Fragebogen ergeben, dass insgesamt zwar hauptsächlich eine Bewertungsmethode verwendet wird, die auf einem plausiblen System beruht, dass aber ein signifikanter Anteil der Investoren auf eine intuitive Bewertung nach Bauchgefühl vertraut. Die genauere Betrachtung dieser Ergebnisse zeigt, dass ungefähr die Hälfte der Kapitalgeber eine Kombination aus systematischer Bewertungsmethode und Bewertung nach Bauchgefühl anwendet. Ein signifikanter Unterschied zwischen der Methodik von Business Angels und Venture-Capital-Gesellschaften, der in der Literatur angenommen wird, konnte in dieser Studie nicht nachgewiesen werden. Die Verfahren, welche von allen Investoren am Häufigsten verwendet werden, sind die Marktvergleichsverfahren anhand verschiedener Multiplikatoren oder vergangener Transaktionen. Diese werden von ungefähr 30% der Investoren immer, und von fast 80% mindestens gelegentlich genutzt. Trotz der Unsicherheiten, die die Bewertung von Startups mit sich bringt, haben sich die ermittelten Bewertungen in der Vergangenheit oft als angemessen erwiesen und das Vertrauen der Investoren in ihre eigenen Bewertungsverfahren ist befriedigend bis hoch. Eine weiterführende Forschungsfrage, die aufbauend auf den Ergebnissen dieser Studie gestellt werden sollte, ist die Frage nach der Wichtigkeit, die die Frühphaseninvestoren der Bewertung der Startups tatsächlich beimessen. II
Inhaltsverzeichnis Abstract ............................................................................................................................... I Inhaltsverzeichnis ............................................................................................................ III Abbildungsverzeichnis ......................................................................................................V Tabellenverzeichnis ......................................................................................................... VI 1. Einleitung .................................................................................................................... 1 1.1. Problemstellung .................................................................................................... 2 1.2. Zielsetzung und Kernfragen ................................................................................. 3 1.3. Aufbau der Arbeit ................................................................................................. 4 2. Begriffliche Grundlagen ............................................................................................ 4 2.1. Startup .................................................................................................................. 4 2.2. Venture-Capital .................................................................................................... 5 3. Die Finanzierung von Startups ................................................................................. 6 3.1. Finanzierungsphasen eines Startup....................................................................... 6 3.1.1. Early Stage .................................................................................................... 7 3.1.2. Expansion Stage ............................................................................................ 8 3.1.3. Later Stage .................................................................................................... 8 3.2. Finanzierungsquellen eines Startup ...................................................................... 9 3.2.1. Business Angels ............................................................................................ 9 3.2.2. Venture-Capital-Gesellschaften .................................................................. 10 3.2.3. Weitere Finanzierungsquellen ..................................................................... 11 4. Das Konzept der Unternehmensbewertung .......................................................... 12 4.1. IDW-Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen ............... 12 4.2. Standardverfahren der Unternehmensbewertung ............................................... 13 4.2.1. Discounted Cash Flow-Verfahren ............................................................... 14 4.2.1.1. Bruttoverfahren ........................................................................................... 14 4.2.1.2. Nettoverfahren............................................................................................. 16 4.2.2. Ertragswertverfahren ................................................................................... 16 4.2.3. Multiplikatorverfahren ................................................................................ 17 4.2.3.1. Comparative Company Approach ............................................................... 18 4.2.3.2. Multiplikatorverfahren basierend auf Erfahrungssätzen ............................. 19 4.3. Methoden zur Bewertung von Startups und Wachstumsunternehmen .............. 19 4.3.1. Berkus-Methode .......................................................................................... 20 4.3.2. Scorecard-Methode / Bill Payne-Methode .................................................. 20 4.3.3. Angel Standard ............................................................................................ 21 III
4.3.4. Meier-Methode............................................................................................ 21 4.3.5. Venture-Capital-Methode ........................................................................... 21 4.3.6. First Chicago Methode ................................................................................ 23 4.3.7. Realoptionsansatz........................................................................................ 23 4.4. Zusammenfassung .............................................................................................. 24 5. Bisherige Empirie zu der Bewertung von Wachstumsunternehmen .................. 24 6. Empirische Untersuchung ....................................................................................... 26 6.1. Forschungshypothesen ....................................................................................... 27 6.2. Methodik der empirischen Studie....................................................................... 29 6.2.1. Datenerhebung ............................................................................................ 29 6.2.2. Zielgruppe ................................................................................................... 30 6.2.3. Aufbau des Fragebogens ............................................................................. 31 6.3. Auswertung des Experteninterviews mit Herrn Roger Bendisch ....................... 31 6.4. Auswertung des Fragebogens ............................................................................. 32 6.4.1. Charakteristika der Investoren .................................................................... 32 6.4.2. Bewertungsansätze ...................................................................................... 34 6.4.3. Angewendete Bewertungsmethoden ........................................................... 36 6.4.4. Bestimmung des Diskontsatzes ................................................................... 45 6.4.5. Einschätzung der Investoren zu ihren Bewertungsmethoden ..................... 45 6.4.6. Einschätzung der Investoren zum Status Quo der Startup-Finanzierung.... 46 6.5. Prüfung der Forschungshypothesen ................................................................... 48 7. Fazit und Ausblick ................................................................................................... 51 8. Anhang ...................................................................................................................... 53 8.1. Interview mit Herrn Roger Bendisch ................................................................. 53 8.2. Fragebogen ......................................................................................................... 56 9. Literaturverzeichnis ................................................................................................ 60 IV
Abbildungsverzeichnis 1. Verwendung von Fremd- und Außenfinanzierung in Startups ............................... 2 2. Finanzierungsphasen von Startups ......................................................................... 7 3. Verwendete Bewertungsmethoden in der Praxis .................................................. 25 4. Bestimmung des Kalkulationszinssatzes in der Praxis ......................................... 26 5. Die Rolle der Investoren ....................................................................................... 33 6. Explizite Berücksichtigung von weichen Faktoren wie beispielsweise der Qualität des Managements in der Bewertung?...................................................... 35 7. Anzahl der angewendeten Methoden bei der Bewertung .................................... 36 8. Angewendete Multiples bei Marktvergleichsmethoden........................................ 41 9. Vertrauen der Investoren in die eigene Bewertungsmethode ............................... 46 10. Einschätzung der von den Startups vorgeschlagenen Bewertungen ..................... 47 V
Tabellenverzeichnis 1. Investitionen je nach Finanzierungsphase............................................................. 33 2. Bewertungsansätze ................................................................................................ 34 3. Renditeforderung je nach Investorentyp ............................................................... 35 4. Verwendung mehrerer Methoden ......................................................................... 36 5. Übersicht der Bewertungsmethoden ..................................................................... 37 6. Anwendung der DCF-Methode ............................................................................. 38 7. Anwendung der Marktvergleichsmethoden .......................................................... 39 8. Anwendung der Szenarioanalyse .......................................................................... 41 9. Anwendung der Venture-Capital-Methode ........................................................... 43 10. Anwendung „anderer Daumenregeln“ .................................................................. 44 11. Bestimmung des Diskontsatzes ............................................................................. 45 12. Bewertungen der Vergangenheit .......................................................................... 46 13. Konkurrenzsituation unter Investoren ................................................................... 47 14. Prüfung der Forschungshypothesen ...................................................................... 48 VI
1. Einleitung “The truth about valuing a start-up is that it’s often a guess” (May & Simmons 2001:129). Dies ist eine Aussage von zwei Investoren, die regelmäßig in junge Wachstumsunternehmen bzw. Startups investieren. Sie vertreten die Meinung, dass sich der finanzielle Wert dieser Startups nicht mittels der klassischen Modelle der Unternehmensbewertung kalkulieren lässt. Die Vertreter dieser traditionellen Methoden dagegen sind der Meinung, dass eine Bewertung nicht mittels vager Daumenregeln geschätzt werden kann, sondern dass ihr eine systematische und plausible Bewertung zugrunde liegen muss (Achleitner & Nathusius 2004:192; Damodaran 2009:2). Bei der Bewertung von jungen Wachstumsunternehmen werden Investoren vor das Problem gestellt, dass die Informationen, die in die traditionellen Bewertungen einfließen, oft noch gar nicht vorhanden sind. In der Regel fahren diese Unternehmen in der Anfangsphase Verluste ein, haben kaum oder gar keine Umsätze und nur eine sehr grobe und unsichere Umsatzplanung. Aus diesem Grund greifen einige Investoren auf einfache Daumenregeln zurück, die die Unternehmen anhand vorhandener Informationen, unabhängig von Cashflows und Umsätzen, bewerten (Schwetzler 2005:166). Die Wichtigkeit der Außen- und Fremdfinanzierung für Startups wird deutlich bei der Betrachtung des KfW-/ZEW-Gründungspanels (2012). Dieses begleitet und befragt jährlich rund 6000 junge Unternehmen bezüglich des Verlaufs der ersten fünf Geschäftsjahre seit ihrer Gründung. Aus der Befragung im Jahr 2005 ergab sich, dass 87% der jungen Unternehmen im ersten Jahr eine Außenfinanzierung, und 33% eine Fremdfinanzierung genutzt haben. Diese Werte nehmen bis zum vierten Geschäftsjahr konstant ab, steigen aber in Jahr fünf beide wieder an. Hier wird offensichtlich, dass gerade in den Anfangsphasen eines Unternehmens die Finanzierung und die damit verbundene Bewertung eine große Rolle spielt. 1
Abbildung 1: Verwendung von Fremd Fremd- und Außenfinanzierung in Startups 100% 86,5% Außenfinanzierung Fremdfinanzierung 90% 80% 70% 60% 50% 45,3% 42,0% 40% 32,6% 32,6% 29,8% 28,0% 30% 24,8% 22,6% 20% 15,3% 10% 0% Quelle: KfW/ZEW-Gründungspan Gründungspanel, eigene Darstellung 1.1. Problemstellung Damodaran (2009:5-77) benennt mehrere Charakteristiken, die eine Bewertung von jungen Wachstumsunternehmen erschweren. erschweren. Zu diesen zählen vor allem, dass die jungen Unternehmen naturgemäß keine Umsatz Umsatz- oder Gewinnzahlen aus der Vergangenheit vorweisen, dass in der Regel während der Gründungsphase kaum Umsätze und üblicherweise nur Verluste eingefahren werden, dass viele der Neugründungen nicht überleben und dass die Startups auf Eigenkapitalinvestitionen angewiesen sind, die aus Sicht der Investoren sehr illiquide sind. Diese Aspekte erschweren eine Bewertung der Unternehmen, die allerdings aufgrund des oft hohen Kapital Kapitalbedarfs zwingend notwendig sind. Speziell aufgrund dieser Notwendigkeit der Bewertung ist die Frage nach nach den Methoden einer der zentralen Aspekte der Frühphasenfinanzierung. Eine Untersuchung hung dieses Themas ist vor allem vor dem Hintergrund relevant, dass gerade die deutsche Internetwirtschaft seit 2009 „jedes „ Jahr mindestens dreimal so schnell wie die deuts deutsche che Wirtschaft insgesamt“ wächst und mittlerweile einen Umsatz von 56,5 Milliarden Euro im Jahr 2012 erreicht hat (Eco 2
2013:1). Aufgrund der Prognose, dass sich dieses Wachstum mit einer Rate von über 10% weiterentwickeln wird, ergibt sich die größer werdende Bedeutung, den Status Quo der Unternehmensbewertung in dieser Branche vor allem in den frühen Phasen zu erfassen. 1.2. Zielsetzung und Kernfragen Die zwei in der Einleitung angesprochenen Standpunkte zum Thema Bewertung sollen in dieser Arbeit näher untersucht werden; dazu sollen die traditionellen Bewertungsmethoden beschrieben und den neuen Methoden sowie den Daumenregeln gegenüber gestellt werden. Die letzte weitreichende Studie zu dem Thema Bewertungsverfahren bei Frühphaseninvestitionen in Deutschland stammt aus dem Jahr 2004. Die damalige Studie beschränkte sich auf Venture-Capital-Gesellschaften und setzte dementsprechend einen hohen Grad an Professionalität bei der Bewertung voraus. In der jetzigen Studie sollen auch die Bewertungsverfahren von Business Angels untersucht werden, die laut der Literatur zu diesem Thema häufig auf einfache Daumenregeln und ihr intuitives Bauchgefühl vertrauen. Eine der Kernfragen der Studie wird sein, ob auch Venture-Capital-Gesellschaften auf diese Methoden zurückgreifen und ob insgesamt eindeutige Unterschiede existieren zwischen den Investorengruppen. Mit Hilfe einer empirischen Studie soll überprüft werden, welche speziellen Methoden bei der Bewertung von Online-Startups in der Praxis Anwendung finden. Der Autor erhofft sich dadurch Erkenntnis über den Status Quo der Unternehmensbewertung in der Anfangsphase von Online-Startups und den Grad der Professionalität. Aus dieser Erkenntnis und den theoretischen Grundlagen soll versucht werden, eine Handlungsempfehlung zu entwerfen für den zukünftigen Umgang mit dem Thema der Frühphasenfinanzierung. Die Konzentration auf die Online-Branche der Startups lässt sich zum einen dadurch erklären, dass besonders hier in den letzten Jahren sehr hohe Bewertungen erzielt wurden, und zum anderen, weil Wagniskapital-Investitionen in Startups aus der Internet-Branche im Jahr 2012 fast die Hälfte aller Venture-Capital-Investitionen in der ITK-Branche ausmachten (BITKOM 2013). 3
1.3. Aufbau der Arbeit Der erste Teil dieser Arbeit beinhaltet die theoretischen Grundlagen zur Unternehmensbewertung von Online-Startups, auf denen die empirische Studie in Teil zwei aufbaut. Der erste Schritt wird sein, die Begriffe „Startup“ und „Venture-Capital“ bzw. „Wagniskapital“ zu definieren, um eine klare Abgrenzung für die späteren Abschnitte zu setzen. Im nächsten Abschnitt werden die Finanzierungsphasen beschrieben, die ein Startup in der Regel durchläuft, wobei insbesondere auf die Phasen vor, während, und direkt nach der Gründung eingegangen wird. Die verschiedenen Investoren, die während dieser Phasen als Geldgeber auftreten, werden im nachfolgenden Abschnitt beschrieben. Die Bewertungsverfahren, deren Einsatz in der Praxis mittels einer empirischen Studie analysiert werden soll, werden in Kapitel vier näher beleuchtet; unterteilt werden sie dabei in die traditionellen Verfahren und diejenigen, die sich in der jüngeren Vergangenheit entwickelt haben. In Kapitel sechs wird die Methodik dargelegt, die bei der Durchführung der empirischen Studie und ihrer Auswertung Anwendung findet. Anschließend folgt die Beschreibung und Auswertung der Daten aus den Fragebögen. Das letzte Kapitel fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und zeigt weitere Forschungsfelder für die Zukunft auf. 2. Begriffliche Grundlagen 2.1. Startup Der Begriff „Startup“ hat mehrere Definitionen sowie verschiedene Schreibweisen. In diesem Abschnitt soll geklärt werden, welche Definition in dieser Arbeit verwendet wird. Der Duden (2013) verwendet die getrennte Schreibweise „Start-up“ und definiert den Begriff als „neu gegründetes Wirtschaftsunternehmen“. In einem Artikel der Bundesregierung (2013) findet sich die Beschreibung, dass Start-ups „junge, noch nicht etablierte Unternehmen“ mit „meist wenig Startkapital, um eine innovative Geschäftsidee zu verwirklichen“, sind. Achleitner (2012) fügt dieser Erklärung noch an, dass diese Unternehmen „i.d.R. sehr früh zur Ausweitung ihrer Geschäfte und Stärkung ihrer 4
Kapitalbasis entweder auf den Erhalt von Venture-Capital bzw. Seed-Capital (evtl. auch durch Business Angels) oder auf einen Börsengang (IPO) angewiesen sind“. Der Begründer der Theorie des Lean Startup Eric Ries (2010) hingegen verzichtet auf das Kriterium der Außenfinanzierung: „A startup is a human institution designed to deliver a new product or service under conditions of extreme uncertainty.“ Entrepreneurship- Professor Steve Blank (2010) sieht in einem Startup „an organization formed to search for a repeatable and scalable business model.” Graham (2012) hat eine sehr viel simplere Erklärung: “The only essential thing is growth.” Zum Zweck dieser Arbeit wird eine Kombination verschiedener Definitionen verwendet, in der die folgenden Aspekte relevant sind: Ein junges Unternehmen mit hohem Wachstumspotential, welches aufgrund seiner hohen Unsicherheit auf Wagniskapital angewiesen ist. Aus Bewertungssicht werden im Verlauf der Arbeit Startup-Unternehmen mit Wachstumsunternehmen gleichgesetzt, da die Schwierigkeiten bei der Bewertung sich sehr ähneln. 2.2. Venture-Capital Venture-Capital, auf Deutsch Wagnis- oder Risikokapital, bezeichnet die Form der Beteiligungsfinanzierung, die charakterisiert wird durch hohes Risiko auf der einen Seite und großes Gewinnpotenzial auf der anderen. In der Regel wird Venture-Capital in Form von Eigenkapital zur Verfügung gestellt, d.h., dass der Investor Anteile am Unternehmen übernimmt und dafür einen bestimmten Betrag einbringt. Teilweise werden Unternehmen aber auch mit Mezzanine-Kapital, zum Beispiel Wandeldarlehen, finanziert (Achleitner 2001:514; Nathusius 2001:55; Schefczyk 2000a:18). Üblicherweise ist der zeitliche Rahmen einer Venture-Capital-Investition auf drei bis fünf Jahre beschränkt, währenddessen der Kapitalgeber in der Regel keine Verzinsung seiner Investition verlangt. Stattdessen will der Venture-Capitalist am Ende des Investitionszeitraums seinen Anteil am Unternehmen gewinnbringend verkaufen; man spricht in diesem Zusammenhang von einem „Capital Gain“ zum Exit-Zeitpunkt (Gompers & Lerner 1999:57). Dieser Exit kann erfolgen in Form eines Börsengangs (Public 5
Offering), eines Verkaufs an einen weiteren Investor (Trade Sale/Secondary Sale) oder eines Rückverkaufs an die Gründer (Buy-Back). Zusätzlich zu den finanziellen Mitteln unterstützen die Geber von Venture-Capital ihre Beteiligungsunternehmen durch Managementleistungen und die Möglichkeit, von den Kontakten, der Infrastruktur und den Netzwerken zu profitieren (Achleitner & Nathusius 2004:9). Eine Besonderheit, die häufig in Venture-Capital-Beteiligungsverträgen vereinbart wird, ist die sogenannte Liquidation Preference, die dem Kapitalgeber ein Vorrecht bei der Verteilung der Liquidationserlöse einräumt. Unterschieden wird hier zudem noch zwischen einer einfachen, einer mehrfachen und einer verzinsten Liquidation Preference, die im Falle eines Exits oder einer Liquidation dem Investor vor der Ausschüttung an die übrigen Anteilseigner entweder sein einfaches Investment, ein mehrfaches davon oder eine Verzinsung auf sein Kapital garantiert (Hoffmann & Hölzle 2003:113). 3. Die Finanzierung von Startups Um die Komplexität und die Unsicherheit zu verstehen, die mit der Bewertung eines jungen Wachstumsunternehmens verbunden ist, muss zuerst das Grundkonzept der Finanzierung von Startups erklärt werden. In diesem Teil soll vor allem auf die Finanzierungsphasen eingegangen werden, die ein Unternehmen während seiner Entwicklung durchläuft. Zudem werden die Investoren beschrieben, die ihr Kapital in den verschiedenen Phasen in das Unternehmen einbringen. 3.1. Finanzierungsphasen eines Startup Der Begriff des Startup wurde unter anderem definiert als ein Unternehmen, welches auf Außenfinanzierung angewiesen ist. Diese Finanzierung ist in der Literatur (Schefczyk 2000b:22; Nathusius 2001:58) in der Regel in verschiedene Phasen unterteilt, von der Early Stage, über die Expansion Stage bis hin zur Later Stage (siehe Abbildung 2). Diese Einteilung soll auch in dieser Arbeit Verwendung finden. Die Phasen repräsentieren den Entwicklungs- und Finanzierungsverlauf eines Startups und sollen im Folgenden näher beleuchtet werden. 6
Abbildung 2: Finanzierungsphasen von Startups Finanzierungsphasen Early Stage Expansion Stage Later Stage Seed Startup Expansion Bridge MBO/MBI Unternehmen- • Produktkonzept • Unternehmens- • Produktionsbeginn • Vorbereitung • Übernahme sphase • Marktanalyse gründung • Markteintritt oder eines durch • Grundlagen- • Entwicklung bis Wachstums- a)Börsengangs vorhandenes entwicklung zur Produktreife finanzierung oder (MBO) oder • Marketing- b)Verkauf an externes konzept industriellen (MBI) Investor Management Gewinn- /Verlust- erwartung des Portfolio- unternehmens Typische Finanzierungs- Eigene Mittel Fremdfinanzierung quellen Öffentliche Fördermittel Börse Venture Capital Private Equity Quelle: Achleitner & Nathusius 2004:10 3.1.1. Early Stage In der ersten Phase eines Startups findet üblicherweise die Ausarbeitung der Geschäftsidee zu einem Geschäftsmodell statt, oft noch ohne die formelle Gründung einer Personen- oder Kapitalgesellschaft. Diese Phase wird allgemein weiter unterteilt in eine Pre-Seed-, eine Seed- und eine Startup-Phase, wobei die Gründung des Unternehmens meist zwischen der 7
Seed- und der Startup-Phase geschieht (Achleitner 2001:515; Kollmann & Kuckertz 2003:38). Obwohl in den beiden ersten Phasen das Unternehmen noch nicht gegründet wurde und noch kein fertiges Produkt vermarktet werden kann, sind die Gründer schon auf Kapital angewiesen, um diese Schritte vorzubereiten. Spätestens in der Startup-Phase steigt der Kapitalbedarf vor allem aufgrund der Produktentwicklungskosten und eines allgemein höheren Personalbedarfs. Im Bezug auf Online-Startups handelt es sich in der Regel um die Programmierung der Internetseite und der verschiedenen Komponenten des Produktes. Üblicherweise werden während der Early Stage keine oder nur sehr geringe Umsätze generiert. Die Quellen der Finanzierung in dieser Phase sind im Wesentlichen eigenes Kapital (sowie Kapital von Freunden und der Familie), Business Angels, Inkubatoren, Venture-Capital-Unternehmen sowie öffentliche Fördermittel (Kollmann 2003). 3.1.2. Expansion Stage Nach Abschluss der Startup-Phase wird das Produkt oder die Dienstleistung in der Regel in den Markt eingeführt und generiert erste Umsätze. Üblicherweise ist dieser Umsatz allerdings nicht ausreichend, um die steigenden Kosten und das weitere Wachstum zu finanzieren. Deshalb sind Startups in dieser Expansion Stage auf Wachstumsfinanzierung angewiesen (Achleitner 2001:516). Aufgrund des höheren Kapitalbedarfs werden diese Finanzierungen meist von Venture-Capital-Gesellschaften und vereinzelt Private Equity- Fonds durchgeführt. Da zu diesem Zeitpunkt allerdings auch erstmals sichere Umsätze erwirtschaftet werden, kommt auch eine Finanzierung durch Fremdkapital in Frage (Kollmann & Kuckertz 2003:39). 3.1.3. Later Stage Ein Startup ist in der Later Stage angekommen, wenn es nach der Expansion Stage ein zuverlässig stetiges Umsatzwachstum erreicht hat und die Umsatz- und Ergebnisprognosen leichter planbar geworden sind. In dieser Phase wird in der Regel unterschieden zwischen zwei Finanzierungsarten (Achleitner 2001:516); dem Bridge Financing und dem Management-Buy-Out bzw. –Buy-In (MBO/MBI). 8
Das Bridge Financing ist eine der Maßnahmen bei der Planung eines zukünftigen Börsengangs oder eines Verkaufs an einen industriellen Investor und soll im Wesentlichen den Eigenkapitalpuffer des Unternehmens verbessern. Diese Finanzierung wird üblicherweise von Private Equity-Fonds oder von Investment Banken durchgeführt, die auch den späteren Börsengang begleiten (Schefczyk 2000:22; Geigenberger 1999:50). Bei der zweiten Finanzierungsart werden das Unternehmen bzw. einzelne Unternehmensanteile entweder vom bisherigen Management (Management-Buy-Out) oder einem externen Management (Management-Buy-In) übernommen, wobei das Kapital in der Regel nicht vollständig vom Management selbst, sondern von Finanzinvestoren sowie Banken (bei einem fremdfinanzierten Leveraged MBO) eingebracht wird (Cullom & Stein 2001:123; Kasperzak 2001:151). 3.2. Finanzierungsquellen eines Startup In den Finanzierungsphasen, die im vorherigen Abschnitt erläutert wurden, treten wie erwähnt jeweils verschiedene Kapitalgeber auf, deren Motive und Zielsetzungen sehr unterschiedlich sind. Generell wird unterschieden zwischen informellem Kapital, welches von Freunden, der Familie sowie Business Angels bereitgestellt wird, und institutionellem Kapital, das von Inkubatoren, Venture-Capital-Gesellschaften, Private Equity Fonds oder Banken stammt (Daferner 2000:200; Bell 1998:301). Die wichtigsten Geldgeber sollen im Folgenden beleuchtet werden. 3.2.1. Business Angels Business Angels sind private Investoren, die sich vor allem durch die folgenden Charakteristika beschreiben lassen: In der Regel haben sie aufgrund eigener erfolgreicher Gründungen in der Vergangenheit privates Kapital aufgebaut und verfügen dadurch über ein breites Fachwissen und ein großes Netzwerk in einer speziellen Branche (Jantz 2002:98; Bell 1999:372). Mason (2005:3) nimmt in seine Definition mit auf, dass Business Angels keine familiären Beziehungen zu den Gründern haben und mit der Hoffnung auf finanziellen Gewinn ihr eigenes Geld investieren. Business Angels finanzieren aufgrund des eher geringen Kapitals hauptsächlich in der Seed- und der Startup-Phase und sind somit 9
als Vorbereitung für eine spätere Finanzierungsrunde durch eine Venture-Capital- Gesellschaft gedacht (Daferner 2000:202). Business Angels unterscheiden sich von institutionellen Investoren in der Regel dadurch, dass nicht nur die Rendite im Vordergrund steht, sondern auch die Motivation, junge Gründer bei der Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungen zu unterstützen. Laut einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW 2007:5-12) gab es in Deutschland im Jahr 2007 rund 3.000 Business Angels, deren durchschnittliche Investition bei gut 100.000 € lag; hier ist allerdings anzumerken, dass der Großteil der Investitionen einen geringeren Wert hatte und der Median der Investitionen bei rund 30.000 € lag. Dies ist dadurch zu erklären, dass in Einzelfällen auch höhere Summen von bis zu 1 Mio. € investiert wurden. Ein anderes Ergebnis der Studie war, dass entgegen der Annahme in der Literatur Business Angels nicht nur während der Early Stage investieren, sondern auch drei bis fünf Jahre nach der Gründung (15%) und später (16%). 3.2.2. Venture-Capital-Gesellschaften Venture-Capital-Gesellschaften gehören zu den institutionellen bzw. formellen Kapitalgebern und bringen wie Business Angels ihre Investitionen als Eigenkapital in Startups ein. Die Motivation von Venture-Capital-Gesellschaften liegt allerdings eher in der Erzielung einer hohen Rendite als in der gezielten Unterstützung innovativer Ideen. Üblicherweise liegen die Investitionssummen einer Venture-Capital-Gesellschaft deutlich über denen eines Business Angels (Betsch, Groh & Schmidt 2000:15; Wipfli 2001:11). Die Investition selbst wird in der Regel mittels eines Fonds durchgeführt, welcher von der Venture-Capital-Gesellschaft bzw. ihren Kapitalgebern aufgelegt wurde (Lessat u.a. 1999:56; Schefczyk 2000a:74). Aufgrund dieses institutionellen Charakters gestaltet sich der Beteiligungsprozess einer Venture-Capital-Gesellschaft aufgrund einer professionelleren Prüfung der Planwerte sowie der Bewertung komplizierter und bürokratischer als der eines Business Angels (Bell 1999:372). Der Investitionszeitpunkt von Venture-Capital-Gesellschaften kann stark variieren; in der Regel gelten die Investitionen als Anschlussfinanzierung nach einer ersten Finanzierungsrunde durch einen 10
oder mehrere Business Angel. Venture-Capital-Gesellschaften beteiligen sich allerdings auch zum Teil in späteren Phasen des Unternehmenswachstums (Schefczyk 2000a:18). 3.2.3. Weitere Finanzierungsquellen Zusätzlich zu den genannten Kapitalgebern gibt es noch andere Möglichkeiten für ein Startup, seine Finanzierung zu sichern. Eine Methode, auf die auch klassische Unternehmen zurückgreifen, ist die Finanzierung mit Hilfe von Fremdkapital, welches in der Regel in Form eines Darlehens oder Kredits von Banken bereitgestellt wird. Die Problematik bei dieser Finanzierungsform ist allerdings die Tilgungspflicht und die Tatsache, dass für die Vergabe von Fremdkapital in der Regel Sicherheiten verlangt werden. Da diese bei jungen Wachstumsunternehmen üblicherweise nicht ausreichend vorhanden sind, ist die Finanzierung durch Fremdkapital nicht praktikabel und findet kaum Anwendung (Brandkamp 2003:40). Eine noch junge Art der Finanzierung stellt das Crowdinvesting dar, wobei einer Vielzahl von Kapitalgebern ermöglicht wird, sich mit kleinen Beträgen in Form von Eigenkapital an einem Unternehmen zu beteiligen. Die Renditemöglichkeiten sind je nach Vertragsgestaltung unterschiedlich, ähneln jedoch in ihrer Art denen der Venture-Capital- Gesellschaften und Business Angels. Diese Form der Finanzierung wird in der Regel über Internet-Plattformen abgewickelt und ermöglicht Investitionen ab einem Betrag von fünf Euro. Die Vorteile dieser Art der Finanzierung liegen zum einen darin, dass auch kleinere Beträge eingesammelt werden können, für die sich der Aufwand durch Venture-Capital- Gesellschaften und Business Angels nicht lohnt, und zum anderen, dass die vielen Kapitalgeber einer Crowdinvesting-Finanzierung üblicherweise auch als Botschafter des Unternehmens agieren, was vor allem während der Gründungsphase ein großer Vorteil sein kann. Der Nachteil dieser Finanzierungsform liegt in der vertraglichen Komplexität, die sich durch die hohe Anzahl an Anteilseignern ergibt, und in der Tatsache, dass die Kapitalgeber in der Regel nicht wie Business Angels oder Venture-Capital-Gesellschaften das Unternehmen durch Managementleistungen oder das Bereitstellen von Netzwerken und Kontakten unterstützen können (Kortleben & Vollmar 2012). 11
Eine andere Investorengruppe, die auch als Adressat des Fragebogens ausgewählt wurde, sind Inkubatoren, die junge Wachstumsunternehmen zusätzlich zum Kapital mit der Bereitstellung einer Infrastruktur und der Beratung in den wesentlichen Punkten des Geschäftsmodells auch operativ unterstützen. In der Regel investieren Inkubatoren schon in der Gründungsphase und stellen später den Kontakt zu Venture-Capital-Gesellschaften bezüglich einer Anschlussfinanzierung her (Gründerszene 2013). 4. Das Konzept der Unternehmensbewertung Die Berechnung des Unternehmenswertes ist sowohl für die Investoren als auch für die Wachstumsunternehmen von hoher Bedeutung; nach der Höhe dieser Bewertung richtet sich die Rendite des Kapitalgebers sowie der Anteil am Unternehmen, den das Gründerteam abgeben muss. Im Folgenden sollen die Grundsätze der Unternehmensbewertung beschrieben werden und darauf aufbauend sollen die Standardverfahren der Unternehmensbewertung aufgezählt und den neu entstandenen Verfahren zur Bewertung von jungen Wachstumsunternehmen gegenübergestellt werden. 4.1. IDW-Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) veröffentlicht regelmäßig grundsätzliche Regeln, nach denen Wirtschaftsprüfer Unternehmen bewerten sollen. Diese Grundsätze bilden zwar nur den Rahmen zur Unternehmensbewertung, ein Abweichen davon darf aber „nur in begründeten Einzelfällen erfolgen“ (IDW 2007:29). Daher gelten diese Grundsätze als weitgehend verpflichtend und sind somit relevant für das Verständnis der Bewertungsmethoden. Peemöller (2012) fasst die wichtigsten Grundsätze zusammen; die Discounted Cash Flow- Methoden und die Ertragswertverfahren sind laut IDW gleichbedeutend und werden als Standardansatz zur Bewertung gesehen, wobei davon ausgegangen wird, dass beide Methoden die gleichen Resultate liefern sollen. Die Relevanz einer Substanzwertanalyse ist im Gegensatz zu früheren Jahren gesunken und wird nur noch in Ausnahmefällen durchgeführt. Multiplikatorverfahren, die den Unternehmenswert anhand branchenüblicher 12
Kennzahlen messen, sollen laut IDW nur zum Plausibilisieren der Bewertungen genutzt werden, die mit Hilfe der DCF- oder Ertragswertverfahren bestimmt wurden. Generell sollte eine Vergangenheitsanalyse durchgeführt werden, um die Plausibilität der Planwerte zu überprüfen; bei dieser Analyse sollten die vergangenen drei bis fünf Jahre betrachtet werden. Sollte allerdings das Unternehmen sich in einer Umstrukturierung befinden oder in der jüngeren Vergangenheit gegründet worden sein, wird von einer Vergangenheitsanalyse abgeraten. Die zukunftsgerichtete Bewertung erfolgt anhand einer Detailplanung, die einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren umfasst, und einer Restwertermittlung, die basierend auf einer gröberen Umsatz- und Ertragsschätzung den zweiten Teil der Bewertung ausmacht. Da dieser Restwert in der Regel den Großteil des Unternehmenswertes darstellt, sind die Planungsannahmen sehr genau zu überprüfen. Außerdem ist die Bewertung des Restwertes dahingehend zu unterscheiden, ob eine unendliche oder eine begrenzte Lebensdauer des Unternehmens angenommen wird. Das Risiko des Unternehmens soll in der Bewertung allein durch den Diskontsatz berücksichtigt werden. 4.2. Standardverfahren der Unternehmensbewertung Die Standardverfahren der Unternehmensbewertung sind aufgeteilt in Gesamtbewertungsverfahren und Einzelbewertungsverfahren. Bei der Durchführung eines Gesamtbewertungsverfahrens ist das gesamte Unternehmen Objekt der Bewertung, wohingegen beim Einsatz eines Einzelbewertungsverfahrens die einzelnen Vermögensgegenstände und Verpflichtungen individuell bewertet und anschließend zu einem Gesamtwert summiert werden. Zu diesen Einzelbewertungsverfahren zählen das Substanzwertverfahren und das Liquidationswertverfahren; ersteres hat wie erwähnt stark an Bedeutung verloren und letzteres wird hauptsächlich angewendet bei der Auflösung von Unternehmen. Die Einzelbewertungsverfahren dienen daher einem anderen Zweck als der zukunftsgerichteten Bewertung eines Unternehmens und werden im Folgenden nicht weiter behandelt. 13
Die Gesamtbewertungsverfahren umfassen das Ertragswertverfahren, das Discounted Cash Flow-Verfahren, sowie Vergleichsverfahren anhand diverser Kennzahlen, auf die hier näher eingegangen wird (Mandl & Rabel 2012:52-54). 4.2.1. Discounted Cash Flow-Verfahren Die Bestimmung des Unternehmenswertes mit Hilfe des DCF-Verfahrens geschieht anhand der diskontierten zukünftig erwarteten Cashflows. Der Begriff „Unternehmenswert“ steht in diesem Fall für den Marktwert des Gesamtkapitals; explizit berechnet wird dabei der Shareholder Value, also der Marktwert des Eigenkapitals. Sowohl der Begriff des Cashflows als auch der Diskontierungssatz können unterschiedlich definiert werden; generell wird unterschieden zwischen einem Netto- und einem Bruttoansatz. 4.2.1.1. Bruttoverfahren Bei diesem Verfahren wird zur Berechnung der Zahlungsströme eine vollständige Finanzierung durch Eigenkapital zugrunde gelegt. Das führt zum einen dazu, dass der ermittelte Free Cash Flow unabhängig von der Kapitalstruktur ist, und zum anderen wird die Berechnung dadurch vereinfacht, dass die steuerliche Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen erst einmal vernachlässigt werden kann. Die Wirkung von Fremdkapital sowie der Steuereffekt werden ausschließlich bei der Berechnung des Diskontierungssatzes berücksichtigt. Dadurch entsteht eine Aufspaltung des Unternehmens in einen Leistungsbereich, in dem nur die erwarteten Zahlungsströme gemessen werden, und einen Finanzierungsbereich, der die Wirkung der gewählten Kapitalstruktur berücksichtigt. Der Diskontierungssatz wird mit Hilfe der WACC-Methode berechnet (weighted average cost of capital), die ausgehend von einer in der Zukunft prognostizierten Kapitalstruktur und unter Berücksichtigung von Ertragssteuern einen gewichteten DurchschnittsKapitalkostensatz ermittelt. 14
= × 1− × + × : ℎ ℎ ℎ ! " :# $ %$ :# $ :# $ % &: " : %$ ! : '! $ ( $ $ ) Unter Berücksichtigung des Barwertes des nicht betriebsnotwendiges Vermögens *+ und der Hypothese der unendlichen Lebensdauer des Unternehmens ergibt sich folgende Formel zur Bestimmung des Marktwertes des Gesamtkapitals: / - . =, + *+ 1+ . .01 Besondere Bedeutung kommt der Berechnung der geforderten Eigenkapitalrendite zu, welche mit Hilfe des Capital Asset Pricing Models (CAPM) bestimmt wird. Als Basiszinssatz wird die Rendite einer risikolosen Investition am Kapitalmarkt genutzt; diese „risk-free rate of return“ wird üblicherweise von der Rendite einer Staatsanleihe abgeleitet. Zu dem Basiszinssatz wird dann ein Risikozuschlag addiert, der sich aus der Marktrisikoprämie und dem unternehmensspezifischen Risiko, dem Beta-Faktor ß, ergibt. 2 = 3 + ß2 5 − 3 Die Marktrisikoprämie entspricht der Differenz aus erwarteter Marktrendite und dem risikofreien Zins; ersteres wird dabei üblicherweise aus Vergangenheitsrenditen des betreffenden Kapitalmarkts ermittelt (Mandl & Rabel 2012:65-70). 15
4.2.1.2. Nettoverfahren Das Nettoverfahren wird auch als „Equity-Approach“ bezeichnet, da nur die Cash Flows berücksichtigt werden, die den Eigenkapitalgebern zufließen, die sogenannten „Flows to Equity“. Die prognostizierten Flows to Equity beinhalten im Gegensatz zu den Free Cash Flows Zinsaufwendungen für das Fremdkapital und berücksichtigen zusätzlich direkt den Steuereffekt dieser Aufwendungen. Das führt dazu, dass zukünftig vorgesehene Kapitalstrukturänderungen in die Planung der Cash Flows einbezogen werden müssen. Durch diese Differenzierung ist kein gewichteter Kapitalkostensatz nach dem WACC- Verfahren notwendig; die Zahlungsflüsse werden nur mit der geforderten Rendite der Eigenkapitalgeber diskontiert, die wie zuvor mit Hilfe des Capital Asset Pricing Models ermittelt wird (Mandl & Rabel 2012:71-72). 4.2.2. Ertragswertverfahren Das Ertragswertverfahren berücksichtigt bei der Bewertung eines Unternehmens die zukünftig erwarteten Erträge sowie den erwarteten Liquidationserlös aus dem Verkauf des nicht betriebsnotwendigen Vermögens. Diese werden mittels der Kapitalwertmethode der Investitionsrechnung zu einem Barwert diskontiert. Der Unternehmenswert UW wird unter Annahme einer unendlichen Lebensdauer wie folgt bestimmt: ∞ Et UW= , + N0 1+r t t=1 .: zukünftig erwarteter Ertrag in Jahr t r: Diskontierungssatz *+ : Barwert des erwarteten Liquidationserlöses aus dem Verkauf des nicht betriebsnotwendigen Vermögens Der Unternehmensertrag entspricht laut IDW den diskontierten „Nettoeinnahmen der Unternehmenseigner [...], die sich vorrangig aufgrund der Ansprüche auf Ausschüttung 16
bzw. Entnahmen der vom Unternehmen erwirtschafteten finanziellen Überschüsse abzüglich der von den Eignern zu erbringenden Einlagen ergeben“ (Mandl & Rabel 2012:58). Der Begriff kann jedoch entsprechend der gewählten Komplexität unterschiedlich gedeutet werden; eine Bewertung anhand rein bilanzieller Periodenerfolge ist allerdings nicht mehr üblich. Der Diskontierungssatz bzw. Kalkulationszinsfuß repräsentiert die subjektive Rendite einer individuellen Alternativinvestition mit vergleichbarer Laufzeit, Risiko sowie Besteuerung und entspricht somit auch der von der Investition mindestens geforderten Rendite. Wahlweise kann auch ein Basiszinssatz gewählt werden, der einer risikofreien Anlage mit gleicher Laufzeit auf dem Kapitalmarkt entspricht. Zu diesem Basiszinssatz wird wie bei den DCF-Verfahren ein mittels der CAPM bzw. Tax-CAPM-Methode kalkulierter Risikozuschlag addiert, der das Risiko der Investition angemessen widerspiegelt. In dieser zweiten Anwendung liegt eine Neuerung des Ertragswertverfahrens: die Berücksichtigung eines marktbasierenden Ansatzes, durch welchen sich das Verfahren dem DCF-Verfahren weiter nähert. Wird der Diskontierungssatz nach dieser Methode bestimmt, so entspricht die Ertragswertmethode dem Netto-DCF-Verfahren, da die Flows to Equity auch einen Ertrag gemäß der IDW Definition darstellen (Mandl & Rabel 2012:72). 4.2.3. Multiplikatorverfahren Die Multiplikatorverfahren ermitteln den Unternehmenswert anhand marktüblicher Vergleichswerte ähnlicher Unternehmen und werden daher auch Vergleichsverfahren genannt. Laut Mandl und Rabel (2012:77) soll mit Hilfe dieses Verfahrens der Marktpreis nur grob geschätzt und zum Plausibilisieren der Bewertung herangezogen werden. Die Anwendung erfordert detaillierte Informationen zu vergleichbaren Transaktionen in der Branche, aus denen die Multiplikatoren bzw. „multiples“ abgeleitet werden. Dabei wird unterschieden zwischen Multiplikatoren, die auf vergleichbaren Unternehmen basieren (Comparative Company Approach), und welchen, die aus Erfahrungssätzen stammen. 17
4.2.3.1. Comparative Company Approach Bei diesem Verfahren werden von vergleichbaren Unternehmen aus der gleichen Branche Kennzahlen abgeleitet, die auf das zu bewertende Unternehmen angewandt werden. Üblicherweise wird das Verhältnis des Marktwertes zu Größen wie Cash Flow, EBIT und Umsatz zur Wertbestimmung des gesamten Unternehmens, oder das Verhältnis zum Gewinn und Buchwert zur Ermittlung des Marktpreises des Eigenkapitals eingesetzt. Innerhalb dieses Verfahrens wird grundsätzlich unterschieden zwischen einem Vergleich mit börsennotierten Unternehmen (Similar Public Company Approach) und einem Vergleich anhand kürzlich getätigter Investitionen (Recent Acquisition Method). Bei der Similar Public Company Method sind die wichtigsten Kennzahlen das Kurs- Gewinn-Verhältnis (KGV) sowie das Kurs-Cash-Flow-Verhältnis (KCV); daraus resultiert die folgende Formel zur Bewertung des Unternehmenswertes: #>A #>? = @? × @A #>? : # $ " ) $ B ℎ% @? : @ ℎ öß $ " ) $ B ℎ% #>A : # $ @ ℎ ℎ% @A : @ ℎ öß $ @ ℎ ℎ% Der mit dieser Methode ermittelte Marktpreis muss anschließend noch angepasst werden, da das zu bewertende Unternehmen nicht börsennotiert ist und somit nicht die gleiche Fungibilität innehat. Üblicherweise werden Abschläge von bis zu 40 % angesetzt. Die Recent Acquisition Method ermittelt den Unternehmenswert anhand vergleichbarer Transaktionen aus der näheren Vergangenheit, wobei das Vorgehen bis auf den Fungibilitätsabschlag der Similar Public Company Method entspricht. Die Problematik bei dieser Methode ist allerdings die oft nur geringe Qualität und Quantität an Daten zu vergleichbaren Unternehmenstransaktionen (Mandl und Rabel 2012:79). 18
4.2.3.2. Multiplikatorverfahren basierend auf Erfahrungssätzen Diese sogenannten „Daumenregeln“ (rules of thumb) werden laut Mandl und Rabel (2012:81) zur Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen genutzt und stützen sich auf in der Vergangenheit realisierte Marktpreise aus einer vergleichbaren Branche, von denen die Multiplikatoren abgeleitet werden. Diese beziehen sich zwar wie bei dem Comparative Company Approach üblicherweise auf Größen wie den Gewinn, Cash Flow und Umsatz, stützen sich aber nicht auf tatsächliche Transaktionen und Marktpreise, sondern werden anhand der Branche des Unternehmens geschätzt. Wenn in der folgenden Formel %D für den branchenüblichen Umsatzmultiplikator steht, setzt sich der Marktpreis des zu bewertenden Unternehmens #>? aus der Multiplikation mit dem Umsatz zuzüglich des Substanzwertes des Unternehmens zusammen. #>? = B × %D + &E 4.3. Methoden zur Bewertung von Startups und Wachstumsunternehmen Die im vorigen Abschnitt genannten Bewertungsmethoden sind die Standardverfahren, die auch vom IDW anerkannt sind. Diese sind zur Bewertung von Unternehmen mit stabilem Wachstum und planbaren zukünftigen Umsätzen geeignet, die darüber hinaus eine Umsatz- und Gewinnhistorie von mindestens drei bis fünf Jahren vorweisen können. Dies allerdings ist bei neu gegründeten Unternehmen nicht der Fall und stellt Investoren vor die Überlegung, mit welcher Methode ein Unternehmen bewertet werden soll, das kaum oder gar keine Umsätze aufweist und dessen Zukunftsplan sehr unsicher ist. Der IDW Standard (2007:30) nennt keine alternativen Bewertungsmethoden, besagt aber in Bezug auf Wachstumsunternehmen: Bei der Wertfindung müssen daher insbesondere die nachhaltige Markt- und Wettbewerbsfähigkeit des Produkt- und Leistungsprogramms, die Ressourcenverfügbarkeit, die infolge des Wachstums erforderlichen Anpassungsmaßnahmen der internen Organisation und die Finanzierbarkeit 19
des Unternehmenswachstums analysier werden. Schließlich müssen die Risikoprämie und der Wachstumsabschlag die Besonderheiten der schnell wachsenden Unternehmen hinreichend berücksichtigen. Um die Schwierigkeiten, die sich bei der Bewertung von jungen Wachstumsunternehmen auftun, zu bewältigen, wurden hauptsächlich von Investoren alternative Verfahren entwickelt, die zum Teil als primäre Bewertungsmethode und zum Teil nur zur Plausibilisierung anderer Methoden genutzt werden. Im Folgenden werden die gängigsten Methoden näher betrachtet. 4.3.1. Berkus-Methode Die Berkus-Methode berücksichtigt die Besonderheit, dass sich der eigentliche Wert eines jungen Startups nicht in der Bilanz des Unternehmens widerspiegelt, sondern durch das Erreichen von fünf Werttreibern entsteht. Diese Werttreiber sind gemäß der Berkus- Methode eine gute, attraktive Idee, die Qualität des Managements, strategische Beziehungen, ein existierender Prototyp und bereits vorhandene Kunden bzw. Umsätze. Jedem dieser Treiber wird ein Wert zugesprochen, der zwischen 0 und 500.000 $ liegt; d.h., wenn alle Werttreiber in vollem Umfang existieren, ergibt sich eine maximale Bewertung von 2,5 Mio. $. Diese Methode ist nur für den Zeitraum eines Unternehmens gedacht, in dem noch keine signifikanten Umsätze generiert werden (Berkus 2009; Wainwright & Horvath 2005:9; Karlsson 2009:3). 4.3.2. Scorecard-Methode / Bill Payne-Methode Diese Methode vergleicht das zu bewertende Unternehmen mit den durchschnittlich erzielten Bewertungen von Unternehmen in der gleichen Finanzierungsphase und Branche. Dazu werden die folgenden Faktoren verglichen, die anschließend entsprechend ihrer Gewichtung in die Bewertung einfließen: - Qualität des Managements 30% - Wachstumspotential 25% - Produkt/Technologie 15% - Konkurrenzsituation 10% - Marketing/Verkaufskanäle/Partnerschaften 10% 20
- Bedarf nach weiteren Finanzierungsrunden 5% - Andere 5% Jeder dieser Faktoren wird im Vergleich zu den anderen Startups dahingehend bewertet, ob er über oder unter dem Durchschnitt liegt. Zum Beispiel würde ein überdurchschnittlich starkes Management-Team einen Wert von 120% bekommen, der mit der Gewichtung multipliziert wird. Letztendlich resultiert daraus ein Multiplikator, der mit der Durchschnittsbewertung multipliziert wird und die Bewertung für das Startup ergibt (Payne 2010). 4.3.3. Angel Standard Bei dieser Methode bestimmt der Investor einen „Sweet Spot“ (optimaler Punkt/Bereich) aus vergangenen Bewertungen, die das Startup erreichen muss, um seine geforderte Rendite zu erwirtschaften (Karlsson 2009:3). 4.3.4. Meier-Methode Der frühere Manager des Novartis Venture Fund Jürg Meier hat eine Methode entwickelt, die den Unternehmenswert ausschließlich anhand der Qualität und der Erfahrung des Managements und der Mitarbeiter bestimmt. So wird für jeden langjährigen Mitarbeiter ein Wert von 1 Mio. € angenommen; andere Kriterien werden nicht betrachtet (Anderheggen 2003:35). 4.3.5. Venture-Capital-Methode Bei der Venture-Capital-Methode ändert sich im Gegensatz zu den üblichen Bewertungsmethoden die Perspektive der Bewertung. Dabei wird mit Hilfe von Branchenmultiplikatoren der Wert des Unternehmens zum Zeitpunkt des zukünftigen Verkaufs berechnet. 21
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