#BFARMDIGITALFUTURE GEMEINSAM GESUNDHEIT GESTALTEN: DAS BFARM ALS PARTNER IN DEUTSCHLAND UND EUROPA.

 
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#BFARMDIGITALFUTURE GEMEINSAM GESUNDHEIT GESTALTEN: DAS BFARM ALS PARTNER IN DEUTSCHLAND UND EUROPA.
#bfarmDigitalFuture
Gemeinsam Gesundheit gestalten:
Das BfArM als Partner in Deutschland und Europa.
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#bfarmDigitalFuture
Gemeinsam Gesundheit gestalten:
Das BfArM als Partner in Deutschland und Europa.
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Impressum

         Herausgeber
         Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
         Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3
         D-53175 Bonn
         Prof. Dr. Karl Broich, Präsident (V.i.S.d.P.)

         Bezugsquelle / Ansprechpartner
         Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
         Kurt-Georg-Kiesinger-Allee 3
         D-53175 Bonn
         presse@bfarm.de
         www.bfarm.de
         Tel.: +49 (0)228 99 307-3256
         Fax: +49 (0)228 99 307-3195

         Stand
         März 2021

         Konzeption / Redaktion
         Dr. Sabine Cibura
         Presse- und Öffentlichkeitsarbeit BfArM

         Design / Layout
         MedienMélange: Kommunikation!, Hamburg

         Fotografie
         Jens Gyarmaty, Berlin

Seit dem Jahr 1994    _ 2 _ arbeitet das BfArM daran, die Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneimitteln nicht nur in Deutschland, sondern auch in ganz Europa zu
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Inhalt
                                      Vorwort                                                                            4

                                      Digitalisierung gemeinsam gestalten                                                6

                                      Neue Wege und der Blick in die Zukunft                                            10

                                      Innovationen unterstützen                                                         14

                                      Das Muster im Chaos erkennen                                                      18

                                      Damit alle wissen, wovon die Rede ist                                            22

                                      Chance für die Arzneimittelregulierung                                           26

                                      Klassische Aufgaben
                                      mit neuen Themen verbinden                                                       30

u gewährleisten. Das Umfeld, in dem wir dabei tätig sind, wird von hochdynamischen Prozessen geprägt. Wissenschaftliche und techno- _ 3 _ logische Innovationen,
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Vo r w o r t

            Liebe Leserin, lieber Leser,

            „Nur wenn wir die Chancen der Digitalisierung nutzen, können
            wir die Patientenversorgung besser machen!“: Schon 2019 hat
            Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit diesem Satz sehr
            deutlich skizziert, wohin die Entwicklung des Gesundheits­wesens
            führen muss. Nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie hat die
            Digitalisierung in diesem Bereich zunehmend an Bedeutung
            gewonnen. Und hier wurde noch einmal deutlich, wie sehr es
            in Europa darauf ankommt, gemeinsam zu handeln und dazu
            auch auf gemeinsame Daten und Netzwerke zugreifen zu können.
            Ein schnelles Zusammenführen von Daten wie aktuell zu
            Covid-19-Forschungszwecken, unter Beachtung von seman­
            tischer und technischer Interoperabilität, ist hier nur ein Beispiel
            von vielen, aber auch eines, das zeigt, wie wir mit der Integration
            dieser Themen nun als „neues BfArM“ stärker sind. Digitale
            Gesundheitsanwendungen eröffnen vielfältige Möglichkeiten,
            um beim Erkennen und Behandeln von Krankheiten sowie auf
            dem Weg zu einer selbstbestimmten gesundheitsförderlichen
            Lebensführung zu unterstützen.

            Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
            hat an dieser Strategie der Bundesregierung und des Gesundheits-
            ministeriums von Anfang an aktiv mitgearbeitet. Mit dem Thema
            „Digitalisierung“ verbinden wir ganz konkrete Vorstellungen
            und Visionen, die sich durch all unsere Arbeitsbereiche ziehen.

ponentiell zunehmende   _ 4 _ Datenmengen („Big Data“, „Real World Data“), Künstliche Intelligenz, neuartige Designs klinischer Studien: Das Gesundheitswesen erlebt
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Für die Versorgung aller Patientinnen und Patienten einzutreten,
               neue Therapieoptionen voranzubringen und die Potenziale
               der Digitalisierung gemeinsam zu nutzen: diese Kernpunkte
               bestimmen unser Handeln. Seit dem Jahr 1994 arbeitet das BfArM
               daran, die Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneimitteln nicht
               nur in Deutschland, sondern auch in ganz Europa zu gewähr­
               leisten. Schon immer war das Umfeld, in dem wir dabei tätig sind,
               von hochdynamischen Prozessen geprägt. Dabei ist jedoch der
               Auftrag an uns immer gleich geblieben: Oberstes Ziel all unserer
               Maßnahmen ist die Erhöhung der Patientensicherheit.

               Wir nutzen daher die Chancen der Digitalisierung, um unsere
               Kernaufgaben auch in Zukunft bestmöglich zu erfüllen: die
               Zulassung und die Verbesserung der Sicherheit von Arzneimitteln,
               die Risikoerfassung und -bewertung von Medizinprodukten und
               die Überwachung des Betäubungsmittel- und Grundstoffverkehrs
               sowie den Umgang mit großen Datenmengen im Hinblick auf
               Interoperabilität und bessere Versorgung. Mit diesem Bericht
               möchten wir Ihnen einige dieser Bereiche vorstellen und auf-
               zeigen, wie das Bundesinstitut diese Entwicklungen der Zukunft
               heute schon mitgestaltet und auch in Zukunft gemeinsam mit
               seinen Kooperationspartnern voranbringen will.

               Prof. Dr. Karl Broich, Präsident des BfArM

t einen immer schnelleren Wandel mit entsprechenden Herausforderungen. Lediglich der Auftrag an das BfArM ist dabei jederzeit gleich- _ 5 _ geblieben: Oberstes Ziel
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2_       Digital Future

             Digitalisierung
             gemeinsam gestalten
              Die Digitalisierung ist dabei, die Gesundheitsversor-               einhergehenden Chancen werden wir nutzen“, erklärt
              gung von Grund auf zu verändern. Vor allem die rasant               dazu Prof. Broich. „Innovationen sollen ohne unnö­
              steigende Menge an Gesundheitsdaten bietet enorme                   tige Verzögerung bei den Patientinnen und Patienten
              Chancen: „Wie wir versorgungsnahe Daten aus vielen                  ankommen.“
              unterschiedlichen Quellen aufbereiten und mit den
              Kenntnissen aus klinischen Studien verbinden, wird                  Das BfArM agiert dabei als Partner mit einer weltweit
              unsere Arbeit in Zukunft maßgeblich bestimmen“,                     führenden Digital-Kompetenz unter den für die Zulas-
              sagt Prof. Karl Broich, Präsident des Bundesinstituts               sung und Überwachung von Arzneimitteln und Medi-
              für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).                       zinprodukten zuständigen Institutionen. Dabei spielt
                                                                                  die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Akteuren
              Als größte europäische Zulassungsbehörde ist das                    in einem entsprechenden Netzwerk eine entscheiden-
              BfArM seit jeher in einem Umfeld tätig, das in be-                  de Rolle. Das Bundesinstitut ist beispielsweise Partner
              sonderem Maße von hochdynamischen Prozessen                         des „Health Innovation Hub“, einem vom Bundes­
              geprägt wird: Wissenschaftliche und technologische                  ministerium für Gesundheit entwickelten Think-Tank
              Innovationen, exponentiell zunehmende Datenmen-                     zur Digitalisierung im Gesundheitswesen, gemeinsam
              gen, Künstliche Intelligenz oder neuartige Designs                  wurden die Prinzipien und Anforderungen an digitale
              klinischer Studien sind nur einige der Themen, auf                  Gesundheitsanwendungen (DiGA) entwickelt. Auch
              die es dabei zeitnah und effizient reagiert.                        mit dem Universitätsklinikum Bonn bestehen entspre-
                                                                                  chende Verbindungen, hier werden Möglichkeiten der
              Das BfArM arbeitet intensiv daran, diese Entwicklun-                Anwendung neuer Technologien in der medizinischen
              gen zu nutzen, um seine Kernaufgaben und damit                      Versorgung evaluiert. Nicht zuletzt ist das BfArM
              die Versorgung der Patientinnen und Patienten best-                 im Innovationsprojekt „Giga for Health“ aktiv, wo eine
              möglich umzusetzen. Die Digitalisierung bietet dabei                App zur Meldung von Medizinprodukterisiken ent­
              neue Möglichkeiten zur Entwicklung von Therapien                    wickelt wird.
              für eine effiziente Gesundheitsversorgung. Die damit

all unserer Maßnahmen _ 6 _ ist die Erhöhung der Patientensicherheit. Das BfArM hat sich dabei nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene zu
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„Wir haben
             jetzt die Chance,
             die Digitalisierung
             im Gesundheitswesen
             in unserem Sinne
             zu gestalten.“

u einer der führenden Zulassungsbehörden entwickelt. Unser Aufgabenspektrum ist breit gefächert, unsere Expertise und Kompetenz _ 7 _ findet weltweit hohe Aner
„Wir sind Partner der Entwickler
                                                                                     und arbeiten gemeinsam mit
                                                                                     ihnen daran, die Versorgung
                                                                                     der Patientinnen und Patienten
             Im Mittelpunkt steht dabei immer die intelligente                       mit den neuen Technologien
             Nutzung der stetig wachsenden Menge von Gesund-
             heitsdaten. „Big Data“ ist dabei auch eng mit dem                       zu ermöglichen.“
             Begriff der „Real-World-Daten“ verbunden. Das
             sind Daten, die statt aus klinischen Studien aus der
             „realen“, versorgungsnahen Welt stammen, also                         Dort haben sich die Kommission und der deutsche
             beispielsweise aus Arztpraxen oder von Krankenkas-                    EU-Ratsvorsitz, vertreten durch den Bundesgesund-
             sen. Eine immer größere Rolle spielen auch solche                     heitsminister Jens Spahn, über die Schaffung eines
             Daten, die von den Patientinnen und Patienten selbst                  sicheren europäischen Gesundheitsdatenraums
             er­hoben werden: durch die Nutzung von medizini-                      ausgetauscht.
             schen Apps beispielsweise, mit denen Gesundheits­
             daten erfasst und ausgewertet werden.                                 Das BfArM steht in engem Austausch mit den maß-
                                                                                   geblichen Akteuren und treibt diese Entwicklung auf
             Eine große Herausforderung dabei: All diese Daten                     europäischer Ebene aktiv voran. Das gilt beispielswei-
             liegen zunächst unstrukturiert vor. Daher müssen                      se für die „Task Force on Big Data“ 26, die von dem
             sie aufbereitet werden, damit sie von verschiedenen                   Zusammenschluss der nationalen Zulassungsbehör­
             Empfängern und in verschiedenen Systemen auf die                      den und der Europäischen Arzneimittel-Agentur
             gleiche Weise bearbeitet und interpretiert werden                     eingerichtet wurde. „Wir wollen hier Vorreiter für
             können. Nur so wird ein reibungsloser Datenaustausch                  Europa sein und bei der Entwicklung von Konzepten
             möglich. „Interoperabilität“ 22 heißt hier das Stich-                 mitwirken, die – unter Beachtung des Datenschutzes
             wort, und diese Interoperabilität macht die effektive                 und der Informationssicherheit – künftig die systema-
             Nutzung der Daten überhaupt erst möglich. Im BfArM                    tische Zusammenführung und effiziente Nutzung die-
             nimmt diese Aufbereitung der Daten daher einen be-                    ser Daten ermöglichen“, betont der BfArM-Präsident.
             sonderen Stellenwert ein. So wird hier unter anderem
             in einer eigenen Stabsstelle „Klassifikationssysteme“                 Mit dem Thema „Digitalisierung“ verbindet das BfArM
             und in einem Semantikzentrum an der Entwicklung                       ganz konkrete Vorstellungen und Visionen, die sich
             entsprechender Systeme gearbeitet. „Wir fokussieren                   durch nahezu alle Arbeitsbereiche des Bundesinsti-
             uns dabei nicht nur auf die nationale Ebene“, so Prof.                tuts ziehen. Beispiel „Künstliche Intelligenz“ (KI) 18,
             Broich. „Gemeinsam mit unseren Kolleginnen und                        die eine Schlüsseltechnologie dieser Entwicklung
             Kollegen aus der EU arbeiten wir daran, dass Gesund-                  darstellt: Sie ist im BfArM bereits seit vielen Jahren
             heitsdaten länderübergreifend genutzt werden                          erfolgreich im Einsatz. Ein KI-Rechner bietet hier
             können, beispielsweise für die Forschung.“                            unterschiedlichen Bereichen die Möglichkeit, große
                                                                                   Datenmengen zu analysieren.
             Die patientenorientierte Nutzung von Gesundheits-
             daten für Europa in Verbindung mit einer EU-weiten                    KI und „Big Data“ kommen aber nicht nur mit Blick
             Kooperation war im November 2020 Thema der                            auf Arzneimittel zum Einsatz, sondern sollen auch bei
             Konferenz „Digital Health 2020 – EU on the Move“.                     der Überwachung von Medizinprodukten 14 helfen.

nerkennung. Um dieses   _ 8 _ Niveau aufrecht zu erhalten und den damit verbundenen Erwartungen gerecht zu werden, setzen wir uns mit den aktuellen Entwicklungen u
So können Schlagworte, die von Nutzerinnen und                        Die Nutzung von Daten, die Anwenderinnen und
               Nutzern in Freitexten verwendet werden, Hinweise                      Anwender selbst über die Apps erheben, ist dabei ein
               auf Vorkommnisse bei Medizinprodukten geben.                          besonders wichtiger Punkt. In den USA haben neben
               Diese Schlagworte gilt es zu identifizieren und zu                    der amerikanischen Arzneimittelbehörde Food and
               analysieren – eine typische Aufgabe für den Bereich                   Drug Administration (FDA) auch Konzerne erkannt,
               KI: schnell die wichtigen Details im Gesamtbild zu                    welchen Wert solche Gesundheitsdaten haben. „In
               sehen. Nicht zuletzt sollen die Anwenderinnen und                     Deutschland haben wir jetzt die Chance, die Digita-
               Anwender in Zukunft Probleme mit einem Medizin-                       lisierung im Gesundheitswesen in unserem Sinne zu
               produkt einfacher digital erfassen und melden kön-                    gestalten und eine eigene, un­ab­hängige Lösung voran-
               nen. Auch auf diese Weise werden Daten generiert,                     zutreiben“, betont der BfArM-Präsident. Das Ziel der
               die im BfArM entsprechend ausgewertet werden.                         Bundesoberbehörde ist damit eindeutig definiert: „Wir
                                                                                     werden uns sowohl in Deutsch­land als auch in Europa
               „Bei der Erkennung und Behandlung von Krankheiten                     weiterhin an die Spitze dieser Entwicklung stellen.“
               bieten die Medical Apps Patienten und Ärzten ganz                     Das BfArM werde dabei stets seine Kernauf­gaben
               neue Möglichkeiten“, erklärt Prof. Broich. „Wir sehen                 im Blick behalten und alles tun, damit Patient­innen
               auch hier das große Potenzial und haben die Digita­                   und Patienten einen schnellen Zugang zu wirk­samen
               lisierungsstrategie der Bundesregierung von Anfang                    und sicheren Innovationen erhalten.
               an begleitet.“
                                                                                     Auch von der Entwicklung der Gesundheitsversor-
               Seit dem Inkrafttreten des Digitale-Versorgung-                       gung hat Prof. Karl Broich ein klares Bild: „Ich kann
               Gesetzes (DVG) am 19. Dezember 2019 können solche                     mir sehr gut vorstellen, dass wir in Zukunft viel mehr
               DiGA von Ärzten und Psychotherapeuten verordnet                       maßgeschneiderte Therapien für Patienten entwickeln
               und durch die Krankenkasse erstattet werden. Das                      werden – und das in einem Ökosystem aus digitalen
               BfArM ist dabei für die Bewertungsverfahren der An-                   und klassischen Arzneimittel- und Medizinprodukten,
               wendungen zuständig, ebenso für das Verzeichnis der                   in dem die Patienten im Mittelpunkt stehen.“
               digitalen Anwendungen, die nach erfolgreicher Prü-
               fung als erstattungsfähige Gesundheitsanwendungen                     ______________________________________________________
               gelistet werden. „Wir sind dabei Partner der Entwickler               Prof. Dr. Karl Broich
               10
                  und arbeiten gemeinsam mit ihnen daran, die                        Studium der Humanmedizin, Facharzt für Nerven­
               Versorgung der Patientinnen und Patienten mit den                     heilkunde und Psychotherapie, Dozent und Supervisor
               neuen Technologien zu ermöglichen“, so Prof. Broich.                  für Verhaltenstherapie. Seit 2000 im BfArM tätig,
                                                                                     zunächst als Fachgebietsleiter Neurologie/Psychiatrie,
               Als regulatorische Behörde hat das BfArM neben die-                   dann als Leiter der Abteilung 4 „Zulassung“. Seit 2013
               sen Chancen jederzeit die möglichen Risiken im Blick.                 Honorarprofessor an der Medizinischen Fakultät
               So adressiert das Institut auch Fragen zu Datenschutz,                der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
               Informationssicherheit und Datennutzung.                              Von 2009 bis 2014 Vizepräsident und seit 2014
                                                                                     Präsident des BfArM.

und Herausforderungen auseinander, die dieses Umfeld mit sich bringt, und nutzen sie bestmöglich für unsere Kernaufgaben: die Zulassung _ 9 _ und die Verbesserung d
3_       Innovation

            Neue Wege und
            der Blick in die Zukunft
             Die Entwicklung von Arzneimitteln und Medizinpro-               nicht an fehlender regulatorischer Erfahrung scheitern.
             dukten ist in besonderem Maße von immer dynami-                 Start-ups oder kleinere Forschungseinrichtungen verfü-
             scheren Prozessen und hohem Innovationspotenzial                gen eher selten über notwendige Erfahrungen mit den
             geprägt. Unter anderem bieten digitale Produkte                 regulatorischen Prozessen. Sie haben dementsprechend
             völlig neue Möglichkeiten, die es optimal zu erschlie-          auch selten umfassende Kenntnisse darüber, welche
             ßen gilt. Das Innovationsbüro leistet Entwicklern               Voraussetzungen sie bei der Zulassung und beim Inver-
             dabei regulatorische Hilfestellung – und blickt gleich-         kehrbringen ihrer Produkte beachten müssen.
             zeitig in die Zukunft der Gesundheitsversorgung.
                                                                             Um genau diese Anspruchsgruppe optimal abzuholen,
             Der wissenschaftlich-technische Fortschritt in der              wurde am BfArM bereits 2017 das Innovationsbüro
             Gesundheitsversorgung hat sich in den vergangenen               eingerichtet. Die wissenschaftliche und verfahrens-
             Jahren enorm weiterentwickelt. Produkte wie Gesund-             technische Beratung des BfArM wurde damit um ein
             heits-Apps setzen neue Akzente, der Gesundheitsmarkt            orientierendes Informations- und Beratungsangebot
             wird zunehmend digital vernetzt. Vor allem die Digi-            erweitert. Das Innovationsbüro hat sich seitdem als
             talisierung lässt die Entwicklungszyklen immer kürzer           unkomplizierte erste Anlaufstelle für Start-ups,
             werden. Damit treten auch neue Akteure an das                   Forscher und Entwickler, die Hilfestellung mit Blick
             BfArM heran: Start-ups, Forschungseinrichtungen                 auf die formalen Anforderungen des Gesundheitsmarkts
             oder Entwickler von digitalen Anwendungen etwa,                 benötigen, etabliert. „Wir sind für die Entwickler so
             die ihre Produkte auf den Markt bringen wollen.                 etwas wie Lotsen, die mit ihnen gemeinsam den Weg
                                                                             bis zur Zulassung oder bis zum Einsatz in der Gesund-
             Das BfArM hat das Potenzial dieser Entwicklung im               heitsversorgung gehen“, erklärt die Leiterin des Inno­
             Blick. Eines der obersten Ziele des Bundesinstituts ist es,     vationsbüros, Dr. Wiebke Löbker. „Das Besondere
             dass vielversprechende neue Arzneimittel und Medizin-           ist, dass auch wir dabei am Anfang manchmal noch
             produkte möglichst schnell den Patientinnen und Pati-           keine genaue Vorstellung davon haben, wohin die Reise
             enten zur Verfügung stehen. Innovationen dürfen dabei           am Ende führen wird.“

ng der Sicherheit von _ 10 _ Arzneimitteln, die Risikoerfassung und -bewertung von Medizinprodukten und die Überwachung des Betäubungsmittel- und Grunds
„Wir sind für die
            Entwickler so etwas
            wie Lotsen, die mit
            ihnen gemeinsam
            den Weg bis zur
            Zulassung oder bis
            zum Einsatz in der
            Gesundheitsversorgung
            gehen.“

stoffverkehrs. Wohl kaum ein Thema prägt das Gesundheitswesen derzeit so sehr wie die Digitalisierung. Sie birgt enorme Chancen _ 11 _ für die Entwicklung neu
„Die Arbeit im Innovationsbüro
                                                                                     ist eine spannende Aufgabe,
                                                                                     bei der es insbesondere darauf
                                                                                     ankommt, die Trends der Zukunft
              Denn neue Ideen brauchen oft auch neue Wege bei                        ein- und abschätzen zu können.“
              der Umsetzung, und genau daran arbeitet Dr. Löbker
              gemeinsam mit den Antragstellern. „Eine spannen-
              de Aufgabe, bei der es in besonderem Maße darauf                   möglich macht. „Das Innovationsbüro begreift die
              ankommt, die Trends der Zukunft ein- und abschätzen                Beratung nicht als Einbahnstraße“, betont Dr. Löbker.
              zu können“, erklärt die Leiterin. „Wir müssen daher                „Wir haben von Anfang an auf einen konstruktiven
              die Entwicklung der Gesundheitsvorsorge im Blick                   Dialog für beide Seiten gesetzt und aktiv um Feedback
              haben und die Anfragen auch unter dem Aspekt dieser                geworben. Diese Rückmeldungen sind uns wichtig
              möglichen Veränderungen beurteilen.“                               und fließen in unsere Arbeit ein.“

              Ein solcher Blick in die Zukunft ist möglich, weil das             Ein Beispiel ist die Erstellung des Leitfadens „Das
              Innovationsbüro früh in den Austausch mit Ent-                     Fast Track Verfahren für digitale Gesundheitsanwen-
              wicklern innovativer Ansätze tritt – statt darauf zu               dungen (DiGA) nach § 139e SGB V“. Das BfArM hat
              warten, dass diese mit ihren Fragestellungen in das                darin die rechtlichen Vorgaben und Anforderungen
              BfArM kommen. Die Arbeit ist daher vor allem von                   des Verfahrens zu den DiGA zusammengefasst und
              einem umfangreichen Austausch geprägt. Nach dem                    mit den Bewertungskriterien transparent dargelegt.
              Start hatte es eine „Roadshow“ zum Innovationsbü-                  „Um sicherzustellen, dass für unsere Zielgruppen die
              ro gegeben. Nach wie vor ist Dr. Wiebke Löbker bei                 Informationen auch tatsächlich verständlich aufbe-
              zahlreichen Veranstaltungen präsent, trifft dort die               reitet wurden, haben wir den Leitfaden in der ersten
              Zielgruppen des Innovationsbüros, stellt das Angebot               Fassung zur Kommentierung freigegeben“, berichtet
              des BfArM auf Messen, Tagungen und Symposien vor.                  Dr. Löbker. Das Konzept kam sehr gut an, sodass
              „Der Dialog mit den Menschen, die dabei zum Beispiel               in die Version 1.0 des Leitfadens zahlreiche positive
              ihre Idee für einen neuen Ansatz in der Versorgung                 Rückmeldungen und Hinweise einfließen konnten.
              vorstellen, ist für uns sehr wichtig. So können wir
              abschätzen, welche Entwicklungen in den nächsten                   Auch auf europäischer Ebene steht das Innovations-
              Jahren zu erwarten sind, und uns darauf vorbereiten.“              büro mit Kolleginnen und Kollegen anderer Behörden
                                                                                 des regulatorischen Netzwerks im „EU Innovation
              Horizon Scanning nennt man diesen Prozess, unter                   Network (EU-IN)“ in engem Austausch, um sich mög-
              dem man ein systematisches Monitoring von bereits                  lichst früh über neue Entwicklungen und Trends aus-
              bestehenden Trends und gleichzeitig die Identifikation             zutauschen. Im Rahmen eines von der Europäischen
              neuer Entwicklungen versteht. Für das BfArM, das                   Kommission geförderten und vom BfArM koordinier-
              im hochdynamischen Feld der Gesundheitsversor-                     ten EU-weiten Projekts wird aktuell zum Beispiel der
              gung eine besondere Position einnimmt, ist dies eine               Fragestellung nachgegangen, wie der Austausch zu
              wichtige Aufgabe. Sie ist zugleich ein Baustein in dem             regulatorischen Aspekten zwischen Zulassungsbe-
              Prozess, der auch den sogenannten „Mind Change“                    hörden und dem akademischen Forschungsumfeld

euer Therapien und eine _ 12 _ effiziente Gesundheitsversorgung. Diese Innovationen sollen ohne unnötige Verzögerung bei den Patientinnen und Patienten ankomm
langfristig für eine innovationsfreundliche Entwick-               Patienten und Angehörigen wird erleichtert und be-
               lung verbessert werden kann.                                       schleunigt.“ Apps können die Vorsorge revolutionieren,
                                                                                  indem sie beispielsweise durch ein kontinuierlicheres
               Als regulatorische Behörde innovative Prozesse zu                  Monitoring frühzeitig informieren, wenn sich wich-
               begleiten und aktiv mitzugestalten, bedeutet auch,                 tige Parameter verändern. Per Handy – oder anderer
               sich auf neue Wege einzulassen sowie kreative                      „Smart Devices“ der Zukunft – ist es dann ganz
               Herangehensweisen zu ermöglichen – für die Leiterin                leicht und vor allem für jedermann selbstverständlich
               des Innovationsbüros ist das genau der richtige                    möglich, sofort entsprechende Handlungsoptionen
               Weg: „Langsame Prozesse mit hohem bürokratischen                   abzurufen: Angefangen bei der Erinnerung an regel-
               Aufwand sind schon jetzt nicht mehr zeitgemäß –                    mäßige Arzneimitteleinnahme oder bei der Anleitung
               und erst recht nicht in der Zukunft. Wir tragen Verant-            zu bewussterem Umgang mit (Krankheits-)Sympto-
               wortung gegenüber den Patientinnen und Patienten.                  men bis hin zur direkten Interaktion mit der Ärztin
               Sie verlassen sich darauf, dass wir gute und sichere               oder dem Arzt.
               Behandlungsoptionen schnell möglich machen.“
               Das Innovationsbüro versteht sich dabei als „Full-                 „Ich glaube, dass wir in Zukunft die Trennung von
               Provider“. Die Bereiche Arzneimittelzulassung und                  digitalen und klassischen Arzneimittel- und Medizin-
               Medizinprodukte befinden sich im BfArM unter einem                 produkten so nicht mehr sehen werden“, ist die Lei-
               Dach. Expertinnen und Experten können so unmittel-                 terin des Innovationsbüros überzeugt. „Die Produkte
               bar kontaktiert und zu den Beratungen hinzugezogen                 werden zu einer Art Baukasten verschmelzen, aus dem
               werden. „Wir bieten grundsätzlich Lösungen aus einer               man sehr individuelle Behandlungsoptionen – digitale
               Hand an und holen beispielsweise auch die zuständi-                oder konventionelle – zusammenstellen kann. Diesen
               gen Ansprechpartner außerhalb des BfArM an einen                   Prozess werden wir begleiten und dafür sorgen, dass
               Tisch“, betont die Leiterin. „Auf diese Weise sorgen wir           solche Innovationen möglich werden und schnellst-
               dafür, dass die Entwicklung ohne unnötige Verzöge-                 möglich in der Gesundheitsversorgung ankommen.“
               rung und unter Einhaltung der regulatorischen Anfor-               ______________________________________________________
               derungen ablaufen kann — von der Projektidee über                  Dr. Wiebke Löbker
               die Verschreibung durch den Arzt bis hin zur sicheren              Studium der Pharmazie. Von 2009 bis 2011 wissen-
               Anwendung.“                                                        schaftliche Mitarbeiterin am Institut für Pharma­
                                                                                  kologie und Toxikologie der Freien Universität Berlin.
               Mit Blick auf die zukünftige Ausgestaltung der                     Von 2011 bis 2016 Referentin und Teamkoordinatorin
               Gesund­heitsversorgung sieht Dr. Wiebke Löbker                     in der Abteilung „Arzneimittel“ des Gemeinsamen
               vor allem im Bereich der Medical Apps ein großes                   Bundesausschusses, Schwerpunkt frühe Nutzen­
               Potenzial: „Die Apps werden eine ganz neue Art von                 bewertung. Seit 2016 im BfArM als Leiterin der Stabs-
               medizinischer Versorgung ermöglichen: Die Inter­                   stelle Innovationsbüro/Changemanagement sowie
               aktion zwischen Arzt und Patient oder auch zwischen                als persönliche Referentin des Präsidenten tätig.

men. Wir haben Maßnahmen und Ziele formuliert, um zeitnah und effizient auf Innovationen, Herausforderungen und aktuelle Gesund­ _ 13 _ heitsbedrohungen reagi
4_        Digitale Gesundheitsanwendungen

             Innovationen
             unterstützen
              Die dynamische Entwicklung im Bereich der Medizin-                   Um die Grenze zwischen Wellnessanwendung und
              produkte stellt auch in Zukunft besondere Heraus-                    Medizinprodukt deutlich zu machen, hat das BfArM
              forderungen an die Regulatoren, denn Innovationen                    bereits vor mehreren Jahren eine Orientierungshilfe
              werden hier nicht an Indikations-, Sektoren- und                     auf seiner Website bereitgestellt, anhand derer Ent-
              Technologiegrenzen stehenbleiben. Das BfArM                          wicklerinnen und Entwickler erkennen können, ob ihr
              übernimmt in diesem Zusammenhang eine wichtige                       Produkt unter das Medizinproduktegesetz fällt. Die
              Rolle: Es unterstützt diese Innovationen und sorgt                   Anforderungen und Aufgaben des BfArM wachsen
              gleichzeitig dafür, dass im Gesundheitswesen sichere                 seither stetig weiter: „Wir erleben gerade eine faszi­
              Medizinprodukte zur Verfügung stehen.                                nierende Fülle neuer Ansätze und Möglichkeiten
                                                                                   bei digitalen diagnostischen und therapeutischen
              Helfen, den Weg zu bahnen, und zugleich Leitplanken                  Medizinprodukten“, berichtet Dr. Lauer, der seit 2011
              setzen: So beschreibt Dr. Wolfgang Lauer die Auf-                    die Abteilung „Medizinprodukte“ im BfArM leitet.
              gabe seiner Abteilung „Medizinprodukte“ im BfArM                     „In diesem Zusammenhang ist ein grundlegender
              – insbesondere mit Blick auf den Wandel durch die                    Wandel im Gesundheitswesen zu beobachten, der
              Digitali­sierung, die auf diesen Bereich immer größeren              bereits zu vielen gesetzlichen Neuregelungen geführt
              Einfluss nimmt. Waren mit dem Begriff der Medizin-                   hat und unsere Arbeit damit maßgeblich beeinflusst.“
              produkte bislang vor allem „klassische“ Produkte
              für diagnos­tische oder therapeutische Anwendungen                   Zu aktuellen gesetzlichen Initiativen gehört beispiels-
              verbunden, ändert sich dieser Markt seit einigen                     weise das „Digitale-Versorgung-Gesetz“ (DVG), das
              Jahren rasant. Softwareanwendungen für Smart­                        im Dezember 2019 in Kraft getreten ist. Damit haben
              phones sowie Tablets, sogenannte „Apps“, sind zu                     seither rund 73 Millionen Versicherte in der gesetz­
              alltäglichen Begleitern in Beruf und Freizeit geworden.              lichen Krankenversicherung einen Anspruch auf eine
              Sie haben auch im Gesundheitsbereich entsprech­end                   Versorgung mit sogenannten digitalen Gesundheits-
              Einzug gehalten.                                                     anwendungen, die von Ärzten und Psychotherapeuten
                                                                                   verordnet werden können und durch die Krankenkasse

agieren zu können. Seit _ 14 _ dem Jahr 1994 arbeitet das BfArM daran, die Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneimitteln nicht nur in Deutschland, sondern auch in gan
„Wir wollen sichere
              und innovative
              Medizinprodukte
              in der Versorgung.“

nz Europa zu gewährleisten. Das Umfeld, in dem wir dabei tätig sind, wird von hochdynamischen Prozessen geprägt. Wissenschaftliche und _ 15 _ technologische Innovati
„Es ist ein grundlegender
                                                                                         Wandel im Gesundheitswesen
                                                                                         zu beobachten, der unsere
                                                                                         Arbeit maßgeblich beeinflusst.
                                                                                         Deshalb entwickeln auch
              erstattet werden: „Apps auf Rezept“, wie das Bundes-
              ministerium für Gesundheit diesen Schritt betitelte.
                                                                                         wir uns ständig weiter.“
              Damit Patientinnen und Patienten gute und sichere
              innovative Apps schnell nutzen können, wurde für die                   „In Zukunft könnten aktuelle Informationen zur
              Hersteller ein neuer Weg in die Erstattung geschaf-                    eigenen Gesundheit mit Ärztinnen und Ärzten aus-
              fen. Dabei spielt das BfArM eine Schlüsselrolle, denn                  getauscht sowie individuelle Hinweise für Diagnose
              es prüft Sicherheit, Funktionalität, Interoperabilität,                und Therapie kommuniziert werden.“ Dabei werde
              Qualität, Datenschutz und -sicherheit der Produkte.                    man zunehmend vernetzte Services nutzen, bei denen
              Zudem hat der Hersteller zu zeigen, dass seine App                     vielfältige Sensoren mit Medizinproduktefunktionen,
              bzw. Webanwendung einen Beitrag zur Verbesserung                       Kommunikation und individuell zugeschnittenen
              der Versorgung leistet. Deutschland ist hier internatio-               medizinischen Dienstleistungen verbunden sein werden.
              nal Vorreiter und vor allem unsere europäischen Nach-
              barn verfolgen diese Initiative mit großem Interesse.                  Hier zeigen sich das weite Feld und die entscheidende
                                                                                     Rolle, die den regulatorischen Behörden in Zukunft
              „Wir haben sehr schnell ein entsprechendes Prüfver-                    zukommt. Die Aufgabe des BfArM besteht in diesem
              fahren im BfArM etabliert, sodass die ersten Anwen-                    Zusammenhang nicht allein darin, die Sicherheit
              dungen schon ein halbes Jahr später eingereicht                        der Anwendung für die Patientinnen und Patienten
              und durch uns begutachtet werden konnten“, erklärt                     zu überprüfen. Das BfArM ist hier auch intensiv in
              Dr. Lauer. „Das gesamte Verfahren ist ein entschei-                    Prozesse eingebunden, die eine sinnvolle – und
              dender Schritt, um das Innovationspotenzial digitaler                  sichere – Vernetzung der Daten durch semantische
              Anwendungen für die Gesundheitsversorgung erschlie-                    und technische Interoperabilität garantieren 22. „Um
              ßen zu können.“ Auch das BfArM entwickelt sich mit                     im Sinne der Patientinnen und Patienten optimal zu
              diesen Aufgaben in eine neue Richtung. Denn bislang                    agieren, geht es auch darum, die Versorgung mit neu-
              war das Bundesinstitut in den sozialrechtlichen Prozess                en Technologien überhaupt zu ermöglichen“, erklärt
              der Entscheidung über die Kostenerstattung von Medi­                   Dr. Lauer. „Wir wollen sichere und innovative Medizin-
              zinprodukten nicht eingebunden. Dieser Schritt kann                    produkte in der Versorgung sehen und verstehen uns
              im Nachgang des sicheren Inverkehrbringens eines                       dabei ganz klar auch als Partner der Entwicklerinnen
              Medizinprodukts erfolgen und ist davon unabhängig.                     und Entwickler“, betont Dr. Lauer. „Wir stehen ihnen
                                                                                     von Anfang an zur Seite, damit ihre Ideen nicht an
              Natürlich werden auch in Zukunft klassische Medizin­                   regulatorischen Hürden scheitern. Gleichzeitig ver-
              produkte wie künstliche Hüftgelenke, Herzklappen                       größern auch wir ständig unser Wissen, um die neuen
              oder Röntgengeräte gebraucht werden, um Krank­                         Fragen, die sich mit der Beurteilung solcher Anwen-
              heiten zu erkennen, Leiden zu lindern und das Über-                    dungen ergeben, adäquat zu beantworten.“
              leben in Notfallsituationen zu ermöglichen. „Das
              Beispiel der digitalen Anwendungen zeigt jedoch, dass                  Auch bei der Bewertung von Medizinprodukten
              wir hier am Anfang eines grundlegenden Wandels im                      durch das BfArM sieht Dr. Lauer für die Zukunft
              Umgang mit der Gesundheit stehen“, so Dr. Lauer.                       einen eindeutigen Trend zum Einsatz von Künstlicher

tionen, exponentiell   _ 16 _ zunehmende Datenmengen („Big Data“, „Real World Data“), Künstliche Intelligenz, neuartige Designs klinischer Studien: Das Gesundheitswe
Intelligenz (KI). Denn die Menge und Komplexität von                  An­­wenderinnen und Anwender beeinflussen, um
               Produkt- und Risikoinformationen nimmt nicht zuletzt                  daraus Maßnahmen zur verbesserten Unterstützung
               durch die Nutzung der digitalen Anwendungen, wie                      des Meldens abzuleiten und für die Praxis zu etablieren.
               beispielsweise Apps, und die kurzen Innovationszyklen
               im Medizinproduktebereich stetig zu. Neue Möglich-                    Im Rahmen des Innovationswettbewerbs „5G.NRW“
               keiten zur Risikosignalerkennung und -bewertung sind                  wird zudem ein entsprechendes Teilprojekt des BfArM
               angesichts dieser großen Datenmengen zwangsläufig                     durch das Ministerium für Wirtschaft, Innovation,
               mit der Nutzung intelligenter IT-Werkzeuge verbun-                    Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-
               den. „Unsere Expertinnen und Experten sollen ihr                      Westfalen unterstützt. Medizinprodukterisiken sollen
               Fachwissen konkret für die Bewertung von Hinweisen                    künftig mit einer App ortsunabhängig, schnell und
               einsetzen können, nicht für die Suche danach“, erklärt                sicher an die Behörde gemeldet werden können. Auch
               Dr. Lauer. „Um auch in Zukunft Risiken schnell und                    diese Meldungen sollen als Basis genutzt werden,
               zuverlässig bewerten zu können, entwickeln wir in                     um Risiken verbessert bewerten zu können sowie im
               unserer Forschungsgruppe zur Medizinprodukte­                         Zusammenspiel mit Herstellenden und Landesbe-
               sicher­heit neue Ansätze zur datengestützten Risiko­                  hörden wirkungsvolle Sicherheitsmaßnahmen noch
               signalerkennung sowie zur besseren Berücksichtigung                   schneller auf den Weg zu bringen.
               von menschlichen Faktoren bei der Anwendung digi­
               taler Medizinprodukte. Diese nutzen wir auch unmit-                   Dr. Wolfgang Lauer sieht das BfArM für die Entwicklung
               telbar in unserer regulatorischen Risikobewertung.“                   gut aufgestellt: „Mit all diesen Themen beschäftigen
                                                                                     wir uns im BfArM bereits seit Jahren sehr intensiv. Wie
               Solche automatisierten Analysewerkzeuge unter                         stehen im engen Dialog zum Beispiel mit Universitäten
               Nutzung von KI sollen künftig unter anderem ein-                      und Start-ups, informieren und beraten zu digitalen
               gesetzt werden, um beispielsweise Freitexte nach                      Medizinprodukten, geben wichtige Impulse für politi-
               Risikohinweisen zu durchsuchen, die Rückschlüsse auf                  sche Entscheidungen – gemeinsam arbeiten wir daran,
               das Problem mit dem Produkt erlauben. Die beson­                      dass sich Patientinnen und Patienten auch in Zukunft
               dere Herausforderung liegt hierbei unter anderem in                   auf sichere Medizinprodukte verlassen können.“
               der Entwicklung von Algorithmen, die es ermöglichen,                  ______________________________________________________
               risikobezogene Informationen innerhalb von Frei-                      Dr. Wolfgang Lauer
               texten in strukturierte Daten zu überführen und im                    Studium des Maschinenbaus und Promotion im Bereich
               Hinblick auf Risikomuster zu analysieren.                             der Chirurgierobotik. Von 2008 bis 2011 Oberingenieur
                                                                                     und Forschungsgruppenleiter für Risikomanagement
               Die Patientensicherheit soll auch direkt beim Melden                  und die Ergonomie/Usability von Medizinprodukten an
               von Risiken in neue Bahnen gelenkt werden. So unter­                  der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule
               sucht das BfArM beispielsweise derzeit im Rahmen                      (RWTH) Aachen. Seit 2011 im BfArM als Leiter der
               eines vom Bundesministerium für Gesundheit geför­                     Abteilung 9 „Medizinprodukte“ tätig. Seit 2019 Zweiter
               der­ten Forschungsprojekts, welche Aspekte das                        Vorsitzender des europäischen Behördennetzwerks
               Mel­­den von Vorkommnissen durch professionelle                       „Competent Authorities for Medical Devices“ (CAMD).

esen erlebt einen immer schnelleren Wandel mit entsprechenden Herausforderungen. Lediglich der Auftrag an das BfArM ist dabei jeder- _ 17 _ zeit gleichgeblieben: Obe
5_        Künstliche Intelligenz

            Das Muster
            im Chaos erkennen
             Die Zukunft der Medizin und ihre Fortschritte                          Fragestellungen beantworten zu können. Die Daten
             sind untrennbar mit der Auswertung vielfältiger                        werden anschließend analysiert und statistisch
             gesundheitsbezogener Daten sowie der Nutzung von                       aus­gewertet, indem man sie beispielsweise nach be-
             „Künstlicher Intelligenz“ (KI) verbunden. Im BfArM                     stimmten Mustern durchsucht oder auf Assoziationen
             findet KI bereits konkrete Anwendung. Ziel des                         zwischen interessierenden Merkmalsausprägungen
             Bundesinstituts ist es, bei dem Einsatz dieser Metho-                  testet. Seit 2019 unterstützt hierbei ein KI-Rechner die
             den eine Vorreiterrolle für Europa einzunehmen.                        Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der For-
                                                                                    schungsabteilung des BfArM. Auf diesem können sie
             Welchen Einfluss haben die Gene eines Menschen                         innovative und rechenintensive Verfahren der Daten-
             auf die Wirksamkeit von Arzneimitteln? Wie kann man                    analyse implementieren und ausführen. Dazu gehören
             für jede Patientin und jeden Patienten die optimale                    zum Beispiel Methoden des „Maschinellen Lernens“,
             Therapie finden? Um solche Fragen beantworten zu                       einem Teilgebiet der KI. Diese Verfahren spielen
             können, benötigt die medizinische Forschung vor                        immer dann eine wichtige Rolle, wenn es gilt, komplexe
             allem eines: Daten. Solche Daten können aus den un-                    Zusammenhänge in hochdimensionalen und sehr
             terschiedlichsten Quellen stammen, wie beispielsweise                  großen Datenmengen zu finden oder zu analysieren.
             aus Genomdatenbanken, Krankenkassendaten, Neben-
             wirkungsmeldungen von Arzneimitteln und Vorkomm-                       Dr. Michael Steffens befasst sich in der Forschungs-
             nismeldungen zu Medizinprodukten sowie auch von                        gruppe Pharmakogenomik des BfArM unter anderem
             digitalen Gesundheitsanwendungen wie Medical Apps.                     mit der Frage, welchen Einfluss metabolische Profile
                                                                                    auf die Arzneimitteltherapiesicherheit in der Routi-
             Das BfArM hat das Potenzial von „Big Data“ für seine                   neversorgung haben. Kennt man das Genom einer
             Arbeit längst erkannt. In seinen wissenschaftlichen                    Person, kann man aus ihrer genetischen Veranlagung
             Laboren werden zum Beispiel in pharmakologischen                       ableiten, wie sie vermutlich auf ein Arzneimittel rea­
             und genetischen Experimenten einige dieser Daten                       gieren wird. Damit lässt sich vorhersagen, ob bestimm-
             generiert, um regulatorische und wissenschaftliche                     te Nebenwirkungen auftreten oder ob überhaupt ein

erstes Ziel all unserer _ 18 _ Maßnahmen ist die Erhöhung der Patientensicherheit. Das BfArM hat sich dabei nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler E
„Künstliche Intelligenz
              wird die Medizin in Zukunft
              maßgeblich unterstützen.
              Durch die Auswertung immer
              umfangreicherer und detaillierterer
              Daten wird es möglich sein,
              immer besser auf den einzelnen
              Patienten abgestimmte Prognosen
              und Therapieentscheidungen
              zu treffen.“

Ebene zu einer der führenden Zulassungsbehörden entwickelt. Unser Aufgabenspektrum ist breit gefächert, unsere Expertise und Kom- _ 19 _ petenz findet weltweit hohe
„Die eigentliche Kunst ist es,
                                                                                       die beste Auswertestrategie und
                                                                                       den geeigneten Algorithmus für das
              therapeutischer Effekt erzielbar ist. Nicht nur für die                  jeweilige medizinische Problem
              betroffenen Patientinnen und Patienten ist die­­se
              Kenntnis von großem Vorteil, weil dadurch unnö­tige
                                                                                       beziehungsweise die pharma­-
              Verschreibungen und das Auftreten von unerwünsch-                        kologische Fragestellung zu finden.“
              ten Nebenwirkungen bestenfalls vermieden werden
              können. Auch dem Gesundheitssystem bleiben dadurch
              Kosten erspart, wie sie etwa durch die Behandlung
              von Nebenwirkungen entstehen.                                         rungstechnologie hat es in den vergangenen Jahren
                                                                                    ermöglicht, große Mengen pharmakogenetisch
              Als Mediziner, der gleichzeitig ein Studium der In-                   und -genomisch relevanter Daten zu erzeugen.
              formatik (IT) absolviert hat, kann Dr. Steffens seine
              Expertise im Bereich der Bioinformatik im Fachgebiet                  Das BfArM ist im Bereich der Pharmakogenomik unter
              der Pharmakogenomik optimal einbringen. „Die                          anderem mit der sogenannten EMPAR-Studie aktiv.
              eigentliche Kunst ist es, unter Berücksichtigung der                  Dabei geht es um die Frage, ob genetische Unterschie-
              verfügbaren Daten und vorliegenden Datenstruktu-                      de einen erkennbaren Einfluss auf die Inanspruch-
              ren die beste Auswertestrategie und den geeigneten                    nahme von Versorgungsleistungen der Gesetzlichen
              Algorithmus für das jeweilige medizinische Problem                    Krankenversicherung haben. Im Rahmen der Studie
              beziehungsweise die pharmakologische Fragestel-                       werden in der Forschungsabteilung Gesundheitsdaten
              lung zu finden“, so der Wissenschaftler. Dabei greifen                von mehr als 10.000 Versicherten, die freiwillig an der
              sowohl medizinisches und statistisches als auch                       Studie teilnehmen, sowie deren metabolische Profile
              IT-Fachwissen über KI-Methoden ineinander. Genau                      mithilfe des KI-Rechners ausgewertet.
              diese Schnittstelle mache die tägliche Arbeit so inte-
              ressant. „KI wird meiner Ansicht nach nicht den Arzt                  Ein weiteres Beispiel für den Einsatzbereich der KI am
              oder die Ärztin ersetzen können, aber sie wird diese                  BfArM ist die Analyse potenzieller Fehlerquellen von
              in Diagnostik und Therapie in Zukunft maßgeblich                      Medizinprodukten. Dabei werden Meldungen, die das
              unterstützen. Die Auswertung immer umfangreicherer                    Auftreten eines solchen sogenannten Vorkommnisses
              und detaillierterer Daten wird ermöglichen, immer                     beschreiben, automatisch analysiert. Die entwickelten
              bessere auf den einzelnen Patienten abgestimmte                       Programme und Algorithmen ermöglichen es, risiko-
              Prognose- und Therapieentscheidungen zu treffen.“                     bezogene Informationen innerhalb von Freitexten in
                                                                                    strukturierte Daten zu überführen und zu untersuchen.
              Das gilt für viele Gebiete in der Medizin. Die Pharma­
              kogenomik ist nur eines davon, allerdings ein sehr                    Auch in der regulatorischen Arbeit werden KI-
              dynamisches. Der rasante Fortschritt der Sequenzie-                   Anwendungen zunehmend ihren Platz finden, so

e Anerkennung. Um die-_ 20 _ses Niveau aufrecht zu erhalten und den damit verbundenen Erwartungen gerecht zu werden, setzen wir uns mit den aktuellen Entwicklungen u
Dr. Steffens. Geplant sei zum Beispiel, ein Modell des                   Therapien und Arzneimittelgaben hieran auszu-
              Maschinellen Lernens zu entwickeln, das Meldungen                        richten“, erklärt Dr. Steffens. „Umgekehrt werden
              über Nebenwirkungen automatisch bewerten sowie                           bestimmte Substanzgruppen, wie beispielsweise
              die Kausalzusammenhänge zwischen Medikament und                          Psychopharmaka, derzeit meistens noch nach dem
              Nebenwirkungen erkennen und klassifizieren kann.                         ‚Trial-and-Error‘-Prinzip verordnet.“ Dabei werde oft
              Ein solches Modell könne beispielsweise die regulato-                    wertvolle Zeit verloren, die schwerkranke Patientinnen
              rische Bewertung in der Pharmakovigilanz unmittelbar                     und Patienten nicht haben. „Die Entwicklung geht
              unterstützen.                                                            aber dahin, dass in nicht allzu ferner Zukunft das
                                                                                       gesamte Genom einer Patientin oder eines Patienten
                   „Künstliche Intelligenz“ und „Deep Learning“
                   Der Begriff „Künstliche Intelligenz“ (KI) wird in der Öffentlich-   bekannt sein wird. Daraus können dann die wichtigs-
                   keit häufig mit intelligenten Sprachassistenten oder Program-       ten prognostischen Informationen für verschiedenste
                   men zur Bilderkennung in Zusammenhang gebracht. Dahinter            medizinische Fragestellungen abgeleitet werden.“
                   verbergen sich meistens spezielle maschinelle Lernverfahren
                   auf Basis künstlicher neuronaler Netze, die man unter dem
                   Begriff „Deep Learning“ zusammenfasst. Kennzeichnend für            Vor dem Hintergrund, dass das Genom des Menschen
                   diese Netzwerkarchitektur ist, dass sie aus mehreren verbor-        rund 25.000 Gene enthält und aus mehr als 3 Milli-
                   genen Schichten – sogenannten „hidden layers“ – besteht, die        arden Basenpaaren besteht, wird die Bedeutung der
                   es gestatten, Eigenschaften in zunehmender Komplexität aus
                                                                                       Datenanalyse und KI bei dieser Aufgabe besonders
                   den Daten zu extrahieren. Auch der KI-Rechner am BfArM ist
                   für solche Deep-Learning-Anwendungen geeignet. Ein weiterer         deutlich.
                   wesentlicher Vorteil der neuronalen Netze ist, dass sie in der
                   Lage sind, einmal erlerntes Wissen wiederzuverwerten, wodurch       ______________________________________________________
                   zukünftige KI-Anwendungen immer „intelligenter“ werden.
                                                                                       Dr. Michael Steffens
                                                                                       Studium der Humanmedizin und Informatik. Von
              Daten unter Einsatz von Methoden der KI zu analy-                        1999 bis 2001 an der Klinik für Diagnostische und
              sieren und nutzbar zu machen, verleiht der „Perso-                       Inter­ventionelle Radiologie an der Universitätsklinik
              nalisierten Medizin“ derzeit einen enormen Schub. Je                     Bonn und von 2001 bis 2011 am dortigen Institut
              mehr und bessere Daten über die individuelle Genetik                     für Medizinische Biometrie, Informatik und Epidemio-
              von Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen,                     logie (IMBIE) tätig. 2010 Forschungsaufenthalt am
              desto besser kann man in Zukunft die Behandlung                          Wellcome Trust Centre for Human Genetics in
              hieran ausrichten. Die Nutzen-Risiko-Bewertung für                       Oxford. Von 2011 bis 2013 am Institut für Medizini-
              Therapieverfahren wird somit zunehmend individuali-                      sche Biometrie, Epidemiologie und Informatik an
              sierter. „In der Therapie bestimmter Krebserkrankun-                     der Universitätsklinik Mainz beschäftigt. Seit 2013
              gen ist es bereits heute gängige Praxis, ausgewählte                     im BfArM in der Forschungsabteilung im Bereich
              genetische Marker im Voraus zu bestimmen, um                             der Pharmakogenomik tätig.

und Herausforderungen auseinander, die dieses Umfeld mit sich bringt, und nutzen sie bestmöglich für unsere Kernaufgaben: die Zulassung _ 21 _ und die Verbesserung de
6_       Semantik Klassifikationen

             Damit alle wissen,
             wovon die Rede ist
             Die Digitalisierung im Gesundheitswesen wäre                   auch für die Forschung mit den Daten unter Zuhilfe­
             ohne Semantik kaum denkbar. Auf Basis einheitlicher            nahme der Künstlichen Intelligenz. Um sehr große
             Terminologien können Daten automatisch verarbei-               Datenmengen nach Mustern zu durchsuchen, müssen
             tet und beispielsweise gezielt nach Mustern sowie              die Rechner auch hier wissen, hinter welcher Bezeich-
             Informationen durchsucht werden. Im BfArM arbei-               nung sich beispielsweise die Varizellen verbergen. Der
             ten Expertinnen und Experten an entsprechenden                 erste Schritt zu diesem Ziel ist die Verwendung einer
             Systemen und kooperieren dabei auch mit der Welt-              einheitlichen Terminologie, wenn es etwa um die
             gesundheitsbehörde (WHO), um die Entwicklung                   Diagnose einer Erkrankung geht. Dr. Stefanie Weber,
             weltweit voranzutreiben.                                       Leiterin der Stabsstelle Klassifikationssysteme und
                                                                            des Semantikzentrums am BfArM, beschäftigt sich
             Der Patient nennt es Windpocken, der Arzt stellt die           bereits seit mehr als 15 Jahren mit der Entwicklung
             Diagnose Varizellen: Für beinahe jede Erkrankung und           und Weiterentwicklung entsprechender Systeme.
             Behandlungsmethode gibt es verschiedene Ausdrücke,             „Für die Digitalisierung und ein effizient gesteuertes
             die inhaltlich zwar gleichbedeutend sind, aber von ver-        Gesundheitswesen ist unsere Arbeit eine notwendige
             schiedenen Personen nicht unbedingt gleich verstan-            Voraussetzung“, betont Dr. Weber. Bereits im Deut-
             den oder interpretiert werden. Im Gesundheitssystem            schen Institut für Medizinische Dokumentation und
             können solche Informationen und damit die Patien-              Information (DIMDI) lag ein besonderer Fokus auf
             tendaten außerdem viele Wege in unterschied­lichen             diesem Aufgabengebiet.
             Systemen nehmen. Aber wenn ein IT-Programm nur
             den medizinischen Fachbegriff „Varizellen“ kennt, kann         Mit Blick auf die Integration des DIMDI in das
             es keine automatische Verbindung zu der Beschreibung           BfArM im Mai 2020 war es ein erklärtes Ziel, diese
             „Windpocken“ herstellen. Damit also die richtigen              Entwicklung verstärkt voranzutreiben, sodass eine
             Schlussfolgerungen aus vorhandenen Daten gezogen               entsprechende Stabsstelle eingerichtet wurde. Es galt,
             werden können, müssen Systeme die Informationen                die Synergieeffekte in den Bereichen Semantik und
             auf dieselbe Weise interpretieren können. Das gilt             Klassifikationssysteme bestmöglich zu nutzen und auf

der Sicherheit von Arz-_ 22 _neimitteln, die Risikoerfassung und -bewertung von Medizinprodukten und die Überwachung des Betäubungsmittel- und Grundsto
„Die Anwendungs-
             felder der ICD-10
             sind in kaum
             einem anderen Land
             so vielfältig wie
             in Deutschland.“

offverkehrs. Wohl kaum ein Thema prägt das Gesundheitswesen derzeit so sehr wie die Digitalisierung. Sie birgt enorme Chancen _ 23 _ für die Entwicklung
„Für die Digitalisierung und ein
                                                                                  effizient gesteuertes Gesundheits-
                                                                                  wesen ist unsere Arbeit eine
                                                                                  notwendige Voraussetzung.“

           diese Weise beide Fachgebiete zu stärken. Beispiels-               Auf diese Weise werden Diagnosen so spezifisch wie
           weise lässt sich die Arbeit an der Analyse und der                 möglich und in allen Systemen gleichermaßen ver-
           Auswertung von Gesundheitsdaten durch die Exper­                   ständlich definiert.
           tise der Datenanalystinnen und -analysten optimal
           verbinden. In der neu entstandenen Stabsstelle                     Diese Interoperabilität wird für die Gesundheits-
           arbeiten die Ex­per­tinnen und Experten unter ande-                versorgung immer wichtiger, weil nur so digitale
           rem an der „International Statistical Classification of            Gesundheitsanwendungen, wie beispielsweise Apps,
           Diseases and Related Health Problems“ (ICD). Mit                   sinnvoll und effizient genutzt werden können. In
           diesem System werden in Deutschland Diagnosen in                   Zukunft sollen die Anwendungen miteinander kom-
           der ambulanten und stationären Versorgung ver-                     munizieren und außerdem mit anderen Diensten
           schlüsselt. Neben der Übersetzung und alljährlichen                und Anwendungen auf der nationalen E-Health-
           Re­vi­sion dieses Systems spielen auch seine Weiter­               Infrastruktur zusammenspielen. Auf diese Weise
           entwicklung und die Suche nach neuen Einsatz­                      lassen sich Mehrwerte für die Versorgung erzielen.
           möglichkeiten eine wichtige Rolle.                                 Ebenso sind auch Klassifikationen wichtig, um sta-
                                                                              tistische Auswertungen vornehmen zu können. So
           Die ICD wird von der WHO herausgegeben und ist                     basieren beispielsweise die Aussagen zur Todesursa-
           als essenzieller Bestandteil der Dokumentation von                 chenstatistik für Deutschland auf der ICD. Für den
           Diagnosen im Gesundheitswesen in Abrechnungs-,                     wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn steht nicht der
           Qualitätssicherungs- und anderen Dokumentati-                      Einzelfall im Fokus, sondern die Aussagen, die sich
           onssystemen etabliert. Die deutsche Modifikation                   über eine Gruppe gleicher Fälle treffen lassen. Dazu
           der ICD wird mit dem Begriff ICD-10-GM („German                    müssen Einzelfälle in der Klassifikation zu Gruppen
           Modification“) abgekürzt. Sie wird seit rund 20 Jahren             oder Klassen zusammengefasst werden.
           angewandt und ist eng an die Fassung der WHO
           angelehnt, um internationale Vergleiche und Studien                „Die Anwendungsfelder der ICD-10 sind in kaum
           zu ermöglichen. „Grundsätzlich kann man unsere                     einem anderen Land so vielfältig wie in Deutschland“,
           Arbeit mit der Erstellung eines Wörterbuchs verglei-               sagt Dr. Stefanie Weber. Nicht nur für Statistik und
           chen“, erklärt Dr. Weber. „Wir nehmen Begrifflich-                 Abrechnung ist die ICD-10-GM relevant. Auch für die
           keiten für Erkrankungen auf und standardisieren sie.               Krankschreibungen, die Verordnung von Heil- und
           Damit ermöglichen wir den präzisen elektronischen                  Hilfsmitteln sowie von digitalen Gesundheitsanwen-
           Austausch zwischen allen Akteuren.“ Man spricht in                 dungen, die Qualitätssicherung in Krankenhäusern
           diesem Zusammenhang von der „Semantischen Inter­                   sowie die Meldung von Infektionserkrankungen ver-
           operabilität“. Die Semantik definiert Begriffe, sodass             wendet Deutschland diese Klassifikation. Sie nimmt
           eine entsprechende Terminologie entstehen kann.                    also eine zentrale Schlüsselfunktion ein.

neuer Therapien und_ 24 _ eine effiziente Gesundheitsversorgung. Diese Innovationen sollen ohne unnötige Verzögerung bei den Patientinnen und Patienten anko
Die Digitalisierung macht dabei nicht an Landesgren-              verschiedenste Akteure, wie Wissenschaftler oder
             zen halt. Klassifikation und Semantik müssen daher                Start-ups, an Möglichkeiten zur Erforschung von und
             so weiterentwickelt werden, dass in Zukunft auch                  zum Umgang mit Covid-19. Ziel der cocos-Initiative
             das Potenzial von medizinischen Informationen aus                 ist es, diese Projekte zusammenzubringen, damit sie
             der Europäischen Union (EU) sowie der gesamten                    optimal wirksam werden. Dazu werden einheitliche
             Welt für deutsche Patientinnen und Patienten ge-                  Datenformate und Standards zur Interoperabilität für
             nutzt werden kann. Damit eine grenzübergreifende                  Covid-bezogene Daten und deren Zusammenführung
             Versorgung und Forschung innerhalb Europas mög-                   etabliert.
             lich wird, ist der Austausch mit den europäischen
             Partnern wichtig. Hier bestehen enge Kooperationen                Das BfArM wird hier auch weiterhin strategische
             mit internationalen Behörden wie der Europäischen                 Eckpunkte setzen und an der Entwicklung und
             Arzneimittel-Agentur und der WHO. „Wir bringen                    Verbreitung von Klassifikationssystemen und Termi-
             unsere jahrelange Expertise rund um die medizini-                 nologien mitwirken. Der langjährige Einsatz für die
             schen Begriffssysteme ein. Die Erkenntnisse wollen                internationale Klassifikationsarbeit wird auch institu-
             wir mit den Partnerorganisationen anderer EU-Länder               tionell gewürdigt: Die vom DIMDI 2003 begonnene
             teilen, um voneinander zu lernen und die Standardi-               Arbeit als WHO-Kooperationszentrum für das System
             sierung aufeinander abzustimmen“, so die Medizine-                Internationaler Klassifikationen wurde nun für weitere
             rin. So sind die Expertinnen und Experten des BfArM               vier Jahre bestätigt. Diese Expertise wird jetzt unter
             beispielsweise in die Arbeiten zur E-Health Digital               dem Dach des BfArM als Teil der Digitalisierungsstra-
             Service Infrastructure der EU eingebunden. „Darin                 tegie weiter ausgebaut.
             geht es um die Erstellung landesübergreifender                    ______________________________________________________
             Gesundheitsdienste wie dem elektronischen Rezept                  Dr. Stefanie Weber
             oder der Patientenakte“, erklärt Dr. Weber. Für die               Studium der Humanmedizin, Zertifikat Medizin­
             Patientinnen und Patienten soll damit sichergestellt              informatik. Ab 2002 wissenschaftliche Mitarbeiterin im
             werden, dass auch in Gesundheitssystemen anderer                  Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation
             Länder ihre Daten präzise interpretiert und verstan-              und Information (DIMDI) im Bereich Klassifikationen.
             den werden können.                                                Seit 2008 Leiterin des „WHO-Kooperationszentrums
                                                                               für die Familie der Internationalen Klassifikationen“,
             Das BfArM beteiligt sich außerdem an der cocos-                   von 2010 bis 2020 Leiterin des Referats „Medizinische
             Initiative, in der sich führende Akteure des Gesund-              Begriffssysteme“ im DIMDI, von 2015 bis 2018 Vorsitz
             heitswesens zusammengeschlossen haben. „cocos“                    der WHO-Task Force zur Fertigstellung der ICD-11.
             steht dabei für „Corona Component Standards“.                     Seit 2020 im BfArM als Leiterin der Stabsstelle „Klassi-
             Mit Blick auf die Corona-Pandemie arbeiten derzeit                fikationssysteme, Semantikzentrum“ tätig.

ommen. Wir haben Maßnahmen und Ziele formuliert, um zeitnah und effizient auf Innovationen, Herausforderungen und aktuelle Ge- _ 25 _ sundheitsbedrohungen
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