ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ - ROADMAP
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ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ EINFÜHRUNG Die Digitalisierung verändert die Art und Weise, de Roadmap dokumentiert diesen Dialogprozess wie wir arbeiten, umfassend und nachhaltig. Dies und bietet davon ausgehend einen kompakten ist für sich genommen zwar nichts Neues, denn Überblick über die zentralen Themen von „Ar- der technische Fortschritt hat die Arbeitswelt beit 4.0“ sowie zu den Anknüpfungspunkten auf schon immer geprägt. Neu aber sind das Tempo Landesebene. und das Ausmaß, mit dem die Veränderungen voranschreiten. Es ist daher verständlich, warum So gilt es, die Schulen fit für die digitale Arbeits- mit der Digitalisierung einerseits große Erwar- welt zu machen, Unterricht und Lehre weiterzu- tungen und Hoffnungen verbunden werden, sie entwickeln und auch die duale Ausbildung an den andererseits aber auch Verunsicherung auslösen digitalen Wandel anzupassen. Ebenso muss da- kann. Die Menschen erwarten dementsprechend für gesorgt werden, dass diejenigen, die sich be- zu Recht von der Politik und ihren Partnern, dass reits in Arbeit befinden, auch morgen noch über sie den Wandel vorausschauend gestalten. Dazu die notwendigen Kompetenzen und Fähigkeiten müssen alle politischen Ebenen ihren Beitrag leis- verfügen. Und schließlich muss dort angesetzt ten, vor allem im Bund, aber auch hier im Land. werden, wo gearbeitet wird, nämlich in den Un- ternehmen im Land. Auch die Landesregierung und ihre Partner vom Ovalen Tisch der Ministerpräsidentin haben sich Um zur Gestaltung der digitalisierten Arbeits- daher des Themas angenommen. Im Rahmen ei- welt in Rheinland-Pfalz beizutragen, sind daher nes breit angelegten Arbeit-4.0-Dialogs haben gemeinsam mit den Partnern des Ovalen Tisches öffentliche Themenkonferenzen, Workshops und eine Vielzahl von Vorschlägen erarbeitet und in Betriebsbesuche stattgefunden. Die vorliegen- dieser Roadmap zusammengeführt worden. 2
ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ TEIL I – ZUM ENTSTEHUNGSPROZESS 1. DER ARBEIT-4.0-DIALOG IN RHEINLAND-PFALZ Den Auftakt zum Arbeit-4.0-Dialog bildete eine Crowdworkerin sowie dem Arbeitsalltag in einem Abendveranstaltung am 25. April 2017 mit Ex- Coworking Space zu sammeln. pertenvorträgen und einer Podiumsdiskussion. So führte beispielsweise der Werkleiter der BASF Im Nachgang der einzelnen Regionalkonferenzen in Ludwigshafen, Dr. Uwe Liebelt, dem Publikum fand jeweils ein Workshop der Partner des Ovalen anschaulich vor Augen, vor welchen Chancen und Tisches der Ministerpräsidentin statt. Aufbauend Herausforderungen die Industrie in einer Arbeits- auf den Eindrücken aus den Regionalveranstal- welt 4.0 steht. tungen wurde die Diskussion im Kreis der Partner vertieft. Dabei wurden Handlungsbedarfe iden- In den folgenden Regionalveranstaltungen stand tifiziert und Anknüpfungspunkte für die Road- dann der Austausch mit interessierten Bürgerin- map festgelegt. nen und Bürgern im Mittelpunkt. Die Veranstal- tungen boten ihnen die Möglichkeit, sich an den Die Inhalte, Fragen und Anregungen aus den Diskussionen zur Gestaltung der Zukunft der Ar- Regionalkonferenzen sind damit ebenso in die beit zu beteiligen, was auch intensiv genutzt wur- Roadmap eingeflossen wie die Workshops mit de: entweder digital über eine „Arbeit-4.0-App“ den Partnern des Ovalen Tisches. oder analog im Rahmen von Thementischen, ei- nem offenen Dialogformat. Jede Veranstaltung widmete sich einem Aspekt von Arbeit 4.0: Fragen der Veränderung von Ar- beitszeit und Arbeitsort spielten ebenso eine zen- trale Rolle wie die Mitbestimmung in der künf- tigen Arbeitswelt oder die Anforderungen der Digitalisierung an Bildung und Weiterbildung. Bereichert wurden die Veranstaltungen durch fachkundige Gäste. So erläuterten beispielsweise die Betriebsratsvorsitzende Heike Fried und René Chassein, Mitglied des Vorstands der Pfalzwer- ke AG, bei der ersten Regionalkonferenz in Lud- wigshafen, wie Unternehmen und Beschäftigte gemeinsam Vereinbarungen erarbeiten können, die angepasste Arbeitszeiten oder Möglichkei- ten des Homeoffices für beide Seiten gewinn- bringend regeln. An nachfolgenden Thementi- schen hatten die Teilnehmenden unter anderem Dr. Uwe Liebelt (President European Site & Verbund die Gelegenheit, Eindrücke aus dem Leben einer Management und Werkleiter der BASF Ludwigshafen) 3
ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ 2. ERFAHRUNGEN AUS DEN BETRIEBSBESUCHEN DER MINISTERIN Im Rahmen des breit angelegten Dialogprozesses Im Mittelpunkt der Besuche stand der intensive bot sich bereits vielfach die Gelegenheit zum in- Dialog sowohl mit den Betriebsleitungen als auch tensiven Austausch mit Betrieben und Beschäf- mit den Beschäftigten und ihren Interessenver- tigten. Konkrete Eindrücke von den Auswirkun- treterinnen und -vertretern. Dabei wurde einmal gen der Digitalisierung in den unterschiedlichsten mehr deutlich, wie sehr die Digitalisierung das Branchen konnte sich Arbeitsministerin Sabine Arbeitsleben der Menschen bereits verändert: Im Bätzing-Lichtenthäler zudem während einer Rei- Universitätsklinikum hat die elektronische Akten- he von Betriebsbesuchen verschaffen. Auf Einla- führung die Dokumentation auf Papier ersetzt, dung des ver.di-Landesbezirks Rheinland-Pfalz- das Versandhandelsunternehmen kommuniziert Saarland besuchte die Ministerin gemeinsam mit mit seinen Kunden per Videochat, beim Logistik- Landesbezirksleiter Michael Blug von November dienstleister ist der gesamte Zustellvorgang di- 2017 bis März 2018 unter anderem das DHL-Pa- gital unterstützt und kontrollierbar. ketzentrum in Saulheim, die Universitätsmedizin in Mainz, das Telekom Service Center in Ludwigs- Für die Betriebe resultieren daraus effizientere hafen und den SSI Schäfer Shop in Betzdorf. Abläufe und ein verbessertes Serviceangebot. Auch für die Beschäftigten bringt die Digitalisie- rung oftmals Verbesserungen und Erleichterun- gen mit sich, etwa, weil neue Arbeitszeitmodelle die Betreuung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen erleichtern können. Gleichzeitig ge- hen Dienstleistungen, die rund um die Uhr ver- fügbar sind, für die Arbeitnehmerinnen und Ar- beitnehmer mit Arbeitszeiten weit außerhalb des klassischen ,,Nine-to-five"-Tages einher. Zudem können digitale Techniken zu einer Leistungsver- dichtung führen, was auch Führungskräfte vor zusätzliche Anforderungen stellt. Es gilt daher, die Arbeitsbedingungen so auszugestalten, dass sie für Beschäftigte und Unternehmen gleicher- maßen von Vorteil sind. Wie wichtig es ist, den Wandel zu einer digitali- sierten Arbeitswelt aktiv zu gestalten, zeigt sich auch an weiteren Themen wie etwa dem Beschäf- tigtendatenschutz. Hier helfen klare Regeln, eine von gegenseitigem Vertrauen geprägte Arbeits atmosphäre zu schaffen. Besuch im DHL-Paketzentrum in Saulheim 4
ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ Mit am stärksten allerdings, so zeigten es die Be- triebsbesuche, bewegte die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Frage, wie sie mit den qua- lifikatorischen Anforderungen der digitalisierten Arbeitswelt Schritt halten können. Teils geht dies auch mit der Befürchtung einher, dass der eige- ne Arbeitsplatz insgesamt verloren geht. Gerade wenn es um die Weiterentwicklung der individu- ellen Kompetenzen und Qualifikationen sowie der Produktionsprozesse geht, ist es daher von herausragender Bedeutung, die Veränderungen gemeinsam so zu gestalten, dass alle Beschäftig- ten mitgenommen werden können. Deutlich wurde allerdings auch, dass es bei allen unbestreitbaren Herausforderungen viel Anlass für einen optimistischen Umgang mit der Digita- lisierung gibt: Wenn diese von den Sozialpartnern Besuch des SSI Schäfer Shops in Betzdorf gemeinsam gestaltet wird, kann sie nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sichern, sondern zugleich die Arbeitsbedingungen der Be- schäftigten verbessern. 5
ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ TEIL II: THEMEN DER DIGITALISIERTEN ARBEITSWELT 1. DAS BILDUNGSSYSTEM 1.1 Entwicklungen Die digitalisierte Arbeitswelt stellt neue grundle- ben Ort und zur selben Zeit zusammenkommen. gende Anforderungen an die Beschäftigten und Auch hier gibt die KMK-Strategie „Bildung in der Selbstständigen, die über das Beherrschen der digitalen Welt“ wertvolle Hinweise. Technik hinausgehen. Sogenannte „Soft Skills“ wie kommunikative Fähigkeiten oder das Verständnis Schließlich gewinnt die Verknüpfung von Theorie für komplexe Prozesse und Zusammenhänge (Ab- und Praxis in der beruflichen und akademischen straktionsfähigkeit) werden ebenfalls immer wich- Bildung noch stärker an Bedeutung. So wird bei tiger. Diese Kenntnisse, Kompetenzen und Fähig- Akademikerinnen und Akademikern zunehmend keiten gilt es, im Bildungssystem in seiner ganzen Wert auf berufspraktische Erfahrungen und Kom- Breite – von der schulischen Grundbildung über petenzen gelegt. Beruflich Qualifizierte haben im die berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung bis Rahmen der Aus- und Fort- bzw. Weiterbildung hin zur Hochschulbildung – zu vermitteln. die Möglichkeit, ein erweitertes Grundverständ- nis für die theoretischen Zusammenhänge ih- Die nötigen Grundlagen werden schon in den res Faches zu entwickeln. Insgesamt gewinnt die Schulen geschaffen. Die Kultusministerkonfe- Durchlässigkeit zwischen den Bildungssektoren renz hat unter dem Titel „Bildung in der digitalen nochmals an Bedeutung.1 Welt“ einen Katalog von digitalen Kompetenzen aufgestellt, welche alle Schülerinnen und Schüler 1.2 Herausforderungen und Möglich- während ihrer Schulzeit erwerben sollen. Dabei bezieht sie sich auch auf die besonderen Anfor- keiten des Bildungssystems derungen der beruflichen Bildung und gibt einen übergreifenden Kompetenzrahmen vor. Dieser In der Arbeitswelt 4.0 sind wir auf kompetente knüpft an die an den allgemeinbildenden Schu- Schülerinnen und Schüler sowie Auszubilden- len erworbenen Kompetenzen an. de und Studierende angewiesen. Die Kenntnis- se und Fähigkeiten, die für Tätigkeiten in der zu- Digitale Technologien können an den Schulen künftigen Arbeitswelt benötigt werden, gehen neue Impulse für die Gestaltung des Unterrichtes teilweise deutlich über die klassischen Inhalte geben. Sie können dabei helfen, die Aufmerksam- der Unterrichtsfächer hinaus. Notwendig sind keit und Motivation der Schülerinnen und Schüler etwa Kreativität, Kommunikationsfähigkeit oder zu steigern. Digitale Lernformate erlauben zudem spezifisches technisches Wissen. Hierfür ist zu- die Entkoppelung von Lernzeit und Lernort: Leh- nächst einmal die Qualifizierung der Lehrenden rende und Lernende müssen nicht immer am sel- sowohl an allgemeinbildenden und beruflichen 1 gl. etwa Bundesinstitut für Berufsbildung (2017): Durchlässigkeit im Bildungssystem. Möglichkeiten zur Gestaltung V individueller Bildungswege. Verfügbar unter: https://www.bibb.de/veroeffentlichungen/de/publication/download/8426. 6
ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ Technische/ technologische Kompetenzen Veränderungen der Arbeitsprozesse Qualifikations Kommunikative Digitalisierung anforderungen und kooperative Kompetenzen Zugang zu neuen Techniken und Systemen Analytische Kompetenzen Abbildung 1: Kompetenzanforderungen in der digitalisierten Arbeitswelt Schulen als auch an Hochschulen sowie in Un- u BERUFSSCHULE 2020 IN ternehmen von Bedeutung. Dabei erkennen die Lehrerinnen und Lehrer an Schulen selbst Hand- RHEINLAND-PFALZ lungsbedarf: In einer bundesweiten Befragung Bei dem Schulversuch „Berufsschule 2020“ von Lehrkräften der Sekundarstufe I stimmten (BS20) werden an neun berufsbildenden Schulen 85 Prozent der Aussage zu, dass Lehrkräfte in in Rheinland-Pfalz neue Ansätze getestet. Die Di- der Lehrerausbildung stärker auf die Förderung gitalisierung der Ausbildung und die Anwendung der computerbezogenen Fähigkeiten der Schü- neuer Technologien sind dabei zentrale Aspekte. lerinnen und Schüler vorbereitet werden soll- Die genaue Umsetzung dieser Änderungen unter- ten.2 Im Mai 2018 hat die Bertelsmann Stif- scheidet sich je nach Schule und Ausbildungsbe- tung in ihrem Monitor zur Lehrkräftebildung3 ruf. So ermöglichen beispielsweise Lernmanage- Rheinland-Pfalz für das Lehramtsstudium be- mentsysteme sowohl Schülerinnen und Schülern scheinigt, dass die Thematik der digitalen Bil- und ihren Lehrkräften als auch den Ausbildungs- dung bereits in den Prüfungsordnungen umge- betrieben den Onlinezugriff auf Lernmaterialien. setzt ist. Damit gehört Rheinland-Pfalz zu den Auch der Einsatz von 3-D-Druckern soll Theorie fünf am besten aufgestellten Bundesländern in und Praxis stärker verbinden. Diese Maßnahmen diesem Bereich. dienen dazu, den Unterricht flexibler zu gestal- ten, damit die Schülerinnen und Schüler zeit- und Zugleich ist der Zugang zu und die Nutzung der ortsunabhängig lernen können. neuen digitalen Technologien stark vom persön- lichen und familiären, nicht zuletzt wirtschaftli- 2 gl. Bos, W. et al. (Hrsg.) (2016): Schule digital – der Länderindikator 2016. Ergebnisse einer bundesweiten V repräsentativen DGB-Befragung mit 1210 Lehrpersonen der Sekundarstufe I in Deutschland. 3 Abrufbar unter: https://www.monitor-lehrerbildung.de/web/bundesland/rheinland-pfalz mwN. 7
ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ chen Hintergrund der Kinder und Jugendlichen berufsbildenden Schulen und Hochschulen wei- geprägt. Hier besteht die Herausforderung, allen ter verbessert und so Lern- und Ausbildungsin- jungen Menschen die gleichen Chancen für einen halte noch besser abgestimmt werden. Gerade erfolgreichen Übergang in die digitale Arbeitswelt weil sich die Anforderungen an Kompetenzen und zu eröffnen. Dies dient nicht allein der Chancen- Qualifikationen für die Arbeit der Zukunft sehr gleichheit und gesellschaftlichen Teilhabe. Im Er- dynamisch entwickeln, ist die unmittelbare Ver- gebnis wird es sich positiv auf die Wettbewerbs- bindung zur Arbeitswelt für diese Bildungsinsti- fähigkeit der rheinland-pfälzischen Unternehmen tutionen essenziell, um ihre Lerninhalte zeitnah auswirken, wenn alle Potenziale genutzt werden, und kontinuierlich anpassen zu können. Dabei ist um den digitalen Wandel zu gestalten. auch eine entsprechende digitale Infrastruktur in diesen Bildungseinrichtungen eine entscheiden- Durch heute verfügbare Technologien können de Voraussetzung, um digitale Kompetenzen ver- auch der Austausch zwischen Unternehmen und mitteln zu können. 2. VARIABLERE GESTALTUNG VON ARBEITSZEIT UND -ORT 2.1 Entwicklungen Die Digitalisierung wirkt sich auch umfassend auf die Arbeitszeiten der Arbeitnehmerinnen darauf aus, wo und wann Menschen arbeiten. und Arbeitnehmer. So ermöglichen etwa Cloud-Technologien, dass Beschäftigte rund um die Uhr und von nahezu Die technologischen Entwicklungen verlaufen jedem Ort auf Arbeitsinhalte zugreifen können. parallel zu einem gesellschaftlichen Wertewan- Unternehmen können dadurch ihre Arbeitspro- del. Immer mehr Beschäftigte wollen ihre Ar- zesse flexibel organisieren und so an die Anfor- beitszeit souverän und angepasst an ihre indi- derungen des Marktes anpassen sowie den Be- viduellen Bedürfnisse gestalten. Befragungen dürfnissen der Beschäftigten Rechnung tragen. haben ergeben, dass sich die Beschäftigten ei- nen Arbeitszeitstandard wünschen, der es ihnen Gleichzeitig kann über das Internet rund um ermöglicht, Arbeit und Leben selbstbestimmt zu die Uhr eingekauft und kommuniziert werden. gestalten.4 Bereits jetzt wird zunehmend außer- Damit verändert sich die Anspruchshaltung der halb der regulären Arbeitszeit und abseits des fes- Kunden und in der Konsequenz der Personalein- ten Arbeitsplatzes gearbeitet. Allerdings gibt es satz in bestimmten Branchen, so etwa im Ver- bei der variablen Gestaltung von Arbeitszeit und sandhandel, in der Logistik oder in der Kunden- -ort teils gegensätzliche Zielvorstellungen zwi- betreuung. Dies hat unmittelbar Auswirkungen schen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. 4 gl. IG Metall: Arbeitszeit – sicher, gerecht und selbstbestimmt. Die Befragung 2017. Abrufbar unter https://www. V igmetall.de/dl/igm/20170529_2017_05_29_befragung_ansicht_komp_489719b89f16daca573614475c6ecfb706a7 8c9f.pdf?, https://www.igmetall.de/befragung-2017-arbeitszeit-25366.htm. 8
ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ Im europäischen Vergleich ist mobiles Arbeiten in teile des Homeoffices. Eine Studie hat ermittelt, Deutschland bislang noch relativ wenig etabliert. dass Beschäftigte, die von zu Hause aus arbeiten, Nach eigenen Angaben arbeiteten 2016 etwa 12 durchschnittlich etwa vier Stunden (Wege-)Zeit Prozent der Beschäftigten zumindest manchmal in der Woche sparen.7 Zudem versprechen sich im Homeoffice, in den skandinavischen Ländern Beschäftigte davon eine bessere Vereinbarkeit war es hingegen ein Drittel.5 Laut einer neueren von Berufs- und Privatleben. Umfrage wünscht sich über die Hälfte der Befrag- ten, häufiger von zu Hause aus sowie zu weniger Neben Personen mit Erziehungs- oder Pflegever strikt festgelegten Zeiten zu arbeiten. Mobiles antwortung kann mobiles Arbeiten auch Men- Arbeiten findet aber nicht nur zu Hause, son- schen mit Behinderungen oder älteren Beschäf- dern zunehmend auch in flexiblen Büros statt, tigten dabei helfen, ihre Arbeitsmarktpotenziale die mithilfe von Desksharing und unterschied- verstärkt zu erschließen. Ein wichtiger Ansatz- lichen Zonen für unterschiedliche Arbeitssitua- punkt in Rheinland-Pfalz ist es, den ländlichen tionen die Ansprüche der Beschäftigten und der Raum mithilfe der Digitalisierung als Lebensort Unternehmen besser erfüllen sollen. attraktiv zu halten. Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter können im ländlichen Raum zu vergleichs- Unabhängig vom Einsatz neuer digitaler Techno- weise geringen Kosten leben und mittels digitaler logien werden schon länger vielfältige Ansätze Technik einer Beschäftigung auch weit entfernt eingesetzt. So hat sich der Anteil der Betriebe, von ihrem Wohnort nachgehen. Auch aus Sicht die Arbeitszeitkonten nutzen, zwischen 1999 und der Unternehmen kann die Digitalisierung dazu 2016 nahezu verdoppelt.6 beitragen, den ländlichen Raum als Unterneh- mensstandort attraktiver zu machen. 2.2 Herausforderungen und Möglich- Das Arbeiten an Orten außerhalb der Betriebs- keiten bei der variableren Gestaltung stätte und die gestiegenen Möglichkeiten zum von Arbeitszeit und -ort zeitvariablen Arbeiten stellen zugleich neuartige Anforderungen an Unternehmen und Beschäftig- Die aufgezeigten Entwicklungen und die damit te, um der möglichen Entgrenzung von Arbeit8 einhergehenden Chancen und Risiken werden auf vorzubeugen. Unternehmen stehen in der Ver- verschiedenen Ebenen intensiv diskutiert. Zeit- antwortung, sich auch außerhalb ihrer Betriebs- und ortsunabhängige Arbeit kann dazu führen, räume um den Arbeitsschutz zu kümmern, um er- dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre höhte physische und psychische Fehlbelastungen Arbeit selbstbestimmter erledigen können. In der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu ver- der freien Wahl des Arbeitsortes werden daher meiden. Auf der anderen Seite müssen auch die große Chancen gesehen. So ist beispielsweise der Beschäftigten in der Lage sein, mit den Möglich- Wegfall von Pendelzeiten einer der zentralen Vor- keiten des mobilen und zeitvariablen Arbeitens 5 gl. Brenke, K./Schäfer, D. (2016): Home Office. DIW Wochenbericht. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e. V. V 6 Vgl. Ellguth, P./Gerner, H.-D./Zapf, I. (2018): Flexible Arbeitszeitgestaltung wird immer wichtiger. IAB-Kurzbericht 15/2018. 7 Vgl. Institut für Demoskopie Allensbach (2015): Zu Hause arbeiten. Chancen der Digitalisierung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Bericht über eine Befragung im Herbst 2015 im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin: 2015. 8 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2016): Zum Verhältnis von Arbeit und Technik bei Industrie 4.0. Abruf unter: http://www.bpb.de/apuz/225688/arbeit-und-technik-bei-industrie-4-0?p=all. 9
ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ Dienste und Produkte rund Veränderung der physischen um die Uhr & psychischen Belastung durch Arbeit Digitalisierung Ständige Verfügbarkeit von Arbeitsinhalten Veränderung der Entgrenzung zwischen Arbeit und Privatem Zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten Verbesserung der Verein- barkeit von Arbeit, Weiter- bildung und Privatem Erhöhung der individuellen Gestaltungsmöglichkeiten Wertewandel Veränderung individueller Veränderung der Vereinbarkeit Gestaltungsansprüche von Arbeit, Weiterbildung und Privatem Abbildung 2: Mögliche Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeitszeiten und -orte verantwortungsvoll umzugehen. Unternehmens- u KOMPROMISSE ZU ARBEITSZEIT vertreterinnen und -vertreter schätzen dafür ein UND -ORT MIT BETRIEBSVEREIN- erhöhtes Maß an Sozial- und Organisationskom- petenz als besonders wichtig ein.9 BARUNGEN Bereits seit dem Jahr 2014 gilt bei der BMW AG Gerade im Bereich des zeit- und ortsunabhängi- München eine neue Betriebsvereinbarung zur gen Arbeitens werden Chancen und Risiken un- Mobilarbeit. Sie regelt u. a., dass die Mitarbeiter terschiedlich eingeschätzt. Als erfolgsverspre- mit ihren Vorgesetzten unter Berücksichtigung chend erscheinen daher insbesondere Ansätze, und Abwägung betrieblicher und privater Erfor- bei denen die Sozialpartner eine variable Gestal- dernisse ihre Erreichbarkeit abstimmen. Die Mit- tung von Arbeitszeit und -ort im Konsens und arbeiter müssen außerdem die Möglichkeit ha- innerhalb klar definierter Rahmenbedingungen ben, die Aufgaben in einer angemessenen Zeit erproben. erledigen zu können (Reaktionszeit). Außerhalb der abgestimmten Zeiten der Erreichbarkeit hat der Mitarbeiter im Sinne der Ruhe und Erholung das Recht, nicht erreichbar zu sein. 9 gl. Prümper, J. et al. (2016): Mobiles Arbeiten – Kompetenzen und Arbeitssysteme entwickeln. Deutsche Gesell- V schaft für Personalführung e. V. 10
ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ 3. BETRIEBLICHE MITBESTIMMUNG UND BESCHÄFTIGTENDATENSCHUTZ 3.1 Entwicklungen 3.2 Herausforderungen und Möglichkeiten im Bereich der Das Betriebsverfassungsgesetz regelt die Mitbe- Mitbestimmung und des stimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeit- Beschäftigtendatenschutzes nehmer. Die Mitbestimmung dient allerdings nicht allein dem Interesse der Beschäftigten, an Die Digitalisierung eröffnet für Beschäftigte und den Entscheidungen über Arbeitsbedingungen Arbeitgeber gleichermaßen neue Chancen. Neue beteiligt zu werden. Eine von Vertrauen geprägte Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich Arbeitszeit Betriebspartnerschaft kann vielmehr einen wich- und -ort, sich verändernde Qualifikationsanfor- tigen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg eines derungen oder der Einsatz neuer Technologien Unternehmens leisten. Praxisorientierte Lösun- – der Wandel der Arbeitswelt bringt zahlreiche gen verbessern Entscheidungsprozesse, gleichzei- Aspekte auf die Agenda, die zwischen Beschäf- tig steigt die Akzeptanz von Arbeitgeberentschei- tigten und Arbeitgebern geregelt werden können. dungen. Aus Sicht der Unternehmensvertreter ist Da sich die Arbeitswelt infolge der Digitalisierung die Mitbestimmung bereits in der bestehenden so schnell verändert wie nie zuvor, bietet eine Form ein Instrument, das es ermöglicht, den He- gelebte Betriebspartnerschaft auch hier das Po- rausforderungen der Digitalisierung mit der ge- tenzial, die Beschäftigten in diesen Wandel ein- botenen Flexibilität zu begegnen. Aus Sicht der zubeziehen, von ihrem Wissen zu profitieren und Beschäftigtenvertreter besteht bei der Mitbe- gleichzeitig die Akzeptanz für Veränderungen zu stimmung ein Weiterentwicklungsbedarf. erhöhen. Aus Sicht der Beschäftigtenvertreter wäre es daher wünschenswert, wenn im Zuge der Ein Beispiel für ein Thema, das unmittelbar mit Einführung neuer Technologien ihre Rolle beson- dem Arbeitsplatz der Beschäftigten und dessen ders bei Fragen der Organisation von Arbeitsab- Modalitäten zusammenhängt, ist der Beschäf- läufen gestärkt wird.10 tigtendatenschutz. Dieser enthält Regelungen, die sich auf die Erhebung, Verarbeitung und Nut- Die betriebliche Interessenvertretung ist aller- zung von personenbezogenen Arbeitnehmerda- dings überwiegend auf das Vorhandensein ei- ten oder auf Daten aus einem Beschäftigungs- ner Betriebsstätte ausgelegt. Die Digitalisierung verhältnis beziehen. Er erfüllt damit eine wichtige verändert jedoch teils auch die Form der Zu- Schutzfunktion für Arbeitnehmerinnen und Ar- sammenarbeit zwischen Unternehmen und Be- beitnehmer, weil er gewährleistet, dass mit die- schäftigten, etwa, wenn Arbeitnehmerinnen und sen Daten sicher umgegangen wird. Die Digita- Arbeitnehmer keinem festen Standort mehr zu- lisierung führt bei zahlreichen Arbeitsprozessen geordnet sind. Hier bestehen zwischen Beschäfti- dazu, dass heute wesentlich größere Mengen von gen- und Unternehmensvertretern unterschiedli- Daten anfallen als früher. Dies wird sich auf ab- che Vorstellungen darüber, welche Konsequenzen sehbare Zeit fortsetzen. 10 D ies ist das Ergebnis einer Befragung von Betriebsräten zum Thema „Industrie 4.0“. Vgl. dazu Agentur für Struktur-und Personalentwicklung GmbH (AgS) (2015): Industrie 4.0. Veränderungen & Handlungsbedarfe. Ergebnisse der Betriebs- rätebefragung im Mai 2015. Verfügbar unter: http://www.cms.igmetall-kueste.de/files/D_a274037358.pdf. 11
ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ daraus für die betriebliche Mitbestimmung re- sultieren. So weisen Beschäftigtenvertreter bei- spielsweise darauf hin, dass Solo-Selbstständige rechtlich von vorneherein nicht durch die betrieb- liche Interessenvertretung erfasst werden. Die neue Quantität und neue Qualität von Da- tenverarbeitung infolge der Digitalisierung hat u ERFOLGREICHE GEMEINSAME INNOVATIONSPROZESSE Innovationen können insbesondere dann erfolg- reich in einem Unternehmen eingeführt und um- gesetzt werden, wenn auch die Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter ihr Wissen einbringen, ihre Kompetenzen berücksichtigt und entsprechend auch Folgen für den Beschäftigtendatenschutz. weiterentwickelt werden. Das Unternehmen SSI Die intensivere Zusammenarbeit von Mensch Schäfer Shop GmbH veränderte einen Großteil und Maschine – egal, ob Produktionsroboter seiner internen wie externen Prozesse im Zuge oder Computersystem zur Einsatzplanung – führt der Digitalisierung. Damit waren erhebliche dazu, dass mehr Daten über die Menschen erfasst Umstellungen für die einzelnen Beschäftigten werden, sowohl in Produktions- auch als Dienst- verbunden. Um diese im Veränderungsprozess leistungsprozessen. Ebenso stellt die Einführung „mitzunehmen“, arbeiteten Betriebsrat und Un- von „Big-Data“-Technologien neue Anforderun- ternehmensleitung eng zusammen und legten gen an den Beschäftigtendatenschutz. Wie und gemeinsam die Rahmenbedingungen zur Wei- auf welcher Ebene der Datenschutz vor dem Hin- terbildung der Beschäftigten fest. Dabei wurde tergrund neuer Technologien und der weltwei- für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter ein ten technischen und ökonomischen Vernetzung individuelles Konzept zur Personalentwicklung umzusetzen ist, muss daher im Interesse aller erarbeitet und ein zeitlicher Rahmen festgelegt, Beteiligten geklärt werden. um die erforderlichen Kompetenzen zu erwerben. Verbesserung von Entscheidungsprozessen Einbeziehung der Beschäftigten Digitalisierung in den Betrieben Steigerung der Akzeptanz von Arbeitgeberentscheidungen Effizientere Produktionsabläufe Digitale Erfassung von Arbeitsprozessen Neue Anforderungen an den Beschäftigtendatenschutz Abbildung 3: Betriebliche Mitbestimmung und Beschäftigtendatenschutz 12
ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ 4 BERUFLICHE WEITERBILDUNG 4.1 Entwicklungen neue Berufsbilder wie Web-Entwickler, 3-D- Druckspezialisten oder Data-Warehouse-Leiter Kontinuierliche berufliche Weiterbildung ist entstanden sind.11 Es ist zudem davon auszuge- schon heute für viele Arbeitnehmerinnen und hen, dass die Qualifikationsanforderungen an die Arbeitnehmer sowie Selbstständige Alltag. In ei- Beschäftigten insgesamt steigen werden.12 Diese ner zunehmend digitalisierten Arbeitswelt wer- Verschiebungen gilt es, sowohl auf betrieblicher den sich die Anforderungen an Kenntnisse und Ebene als auch arbeitsmarktpolitisch angemes- Kompetenzen noch dynamischer verändern. In sen zu begleiten. einer deutschlandweiten Befragung aus dem Jahr 2016 gaben zehn Prozent der Unternehmen an, Auch wenn voraussichtlich nur ein überschauba- dass durch die Digitalisierung in den letzten zehn rer Teil der Berufsbilder komplett entfallen und Jahren Berufsbilder in ihrem Unternehmen ver- durch neue ersetzt werden wird, ist die überwie- schwunden sind. Etwa doppelt so viele berichten gende Mehrheit der Beschäftigten von der Digi- allerdings auch, dass durch die Digitalisierung talisierung betroffen, weil sich bestehende Be- Wegfall und Entstehung neuer Berufsbilder Qualifikations anforderungen Veränderung der Tätigkeitsprofile in nahezu allen Berufsbildern Digitalisierung Neue Formate Flexibler Zugang für Weiterbildung Hemmschwelle für Inanspruchnahme Abbildung 4: Auswirkungen der Digitalisierung auf die berufliche Weiterbildung 11 Vgl. Bitkom (2016): Neue Arbeit – wie die Digitalisierung unsere Jobs verändert. Verfügbar unter: https://www.bitkom.org/NP-Themen/NP-Standort-Deutschland/Bildung-Arbeit/Neue-Arbeit/Bitkom-Charts-PK- Neue-Arbeit-30-06-2016.pdf. 12 Vgl. WSI, WSI-Report Nr. 40 (Mai 2018): Die Digitalisierung der Arbeit – Verbreitung und Einschätzung aus Sicht der Betriebsräte. S. 11. Verfügbar unter: https://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_40_2018.pdf. 13
ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ rufsbilder verändern. Der sichere Umgang mit 4.2 Herausforderungen und Mög- Digitaltechniken wird künftig noch üblicher sein lichkeiten im Bereich der beruflichen als heute. Fähigkeiten zur Handhabung unter- Weiterbildung schiedlicher Software, die Programmierung tech- nischer Systeme und Kompetenzen zur Recher- Qualifizierung ist ein unverzichtbares Mittel, da- che und Auswertung umfassender Informationen mit Betriebe und Beschäftigte die Transforma- werden berufsfeldübergreifend immer wichtiger. tionsprozesse erfolgreich gehen können. Dabei Die überwiegende Mehrheit befragter Unterneh- müssen alle Gruppen am Arbeitsmarkt in die mensvertreterinnen und -vertreter stimmte der Veränderungsprozesse einbezogen werden. Dies Aussage zu, dass digitale Kompetenzen in Zu- gilt besonders für Beschäftigte, deren Tätigkei- kunft den gleichen Stellenwert wie fachliche und ten zukünftig in größerem Umfang automati- soziale Kompetenzen haben werden. Die ständi- siert ausgeführt werden können. Die Arbeitneh- ge Neu- und Weiterentwicklung von Arbeitspro- merinnen und Arbeitnehmer benötigen daher zessen und Technologien verlangen von den Ar- Unterstützungen, um die Anforderungen des beitnehmerinnen und Arbeitnehmern zudem ein Arbeitsmarktes abzuschätzen und bestehende hohes Maß an Veränderungskompetenz. Gleich- Weiterbildungsangebote passgenau auswählen zeitig wird es immer wichtiger, Probleme und zu können. Um genauere Erkenntnisse über die Prozesse in ihrer Gesamtheit zu erkennen und zukünftigen Veränderungsprozesse zu gewinnen, zu verstehen. Dies erfordert ausgeprägte analy- muss die Forschung über die Veränderung der Be- tische Fähigkeiten und stellt Anforderungen an rufsbilder vorangetrieben werden. die Selbstorganisation der Beschäftigten.13 Dies stellt insbesondere gering Qualifizierte vor eine Auch auf betrieblicher Ebene besteht teilweise Herausforderung, da sie bislang deutlich selte- noch große Unsicherheit, welche Qualifikatio- ner an Weiterbildungen teilnehmen als höher nen zukünftig am Markt gefordert sind und wie Qualifizierte.14 diese im eigenen Unternehmen aufgebaut wer- den können. Daraus folgen große Herausforde- rungen an eine systematische Personalplanung und -entwicklung sowie hinsichtlich der Bereit- stellung der nötigen Ressourcen für Qualifizie- rung und Weiterbildung. Nach Angaben von Un- ternehmensvertreterinnen und -vertretern gibt es in knapp einem Drittel der Unternehmen ein festes Budget und zentrale Strategien, mittels derer die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter digi- tale Kompetenzen erwerben sollen.15 Gerade klei- 13 V gl. IW (2016): Arbeitswelt der Zukunft. Wie die Digitalisierung den Arbeitsmarkt verändert. Verfügbar unter: https://www.iwkoeln.de/fileadmin/publikationen/2016/306398/Analyse_2016_108_Arbeitswelt_der_Zukunft.pdf. 14 Vgl. etwa Osiander, Christopher; Stephan, Gesine (2018): Gerade geringqualifizierte Beschäftigte sehen bei der beruflichen Weiterbildung viele Hürden. In: IAB-Forum, 02.08.2018. Verfügbar unter: https://www.iab-forum.de/ gerade-geringqualifizierte-beschaeftigte-sehen-bei-der-beruflichen-weiterbildung-viele-huerden/?pdf=8601. 15 Bitkom (2016): Digitalisierung schafft neue Jobs für Fachkräfte. Ergebnisse einer Befragung von 504 Geschäftsfüh- rern und Personalverantwortlichen. Verfügbar unter: https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/ Digitalisierung-schafft-neue-Jobs-fuer-Fachkraefte.html. 14
ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ nere inhabergeführte Unternehmen betreiben oft hingegen einerseits häufig eine Personalplanung und -entwicklung, die von unmittelbar anstehen- den Investitionen in digitale Geschäftsprozesse geprägt ist und richten danach die Qualifizie- rung und Weiterbildung aus. Kleine und mitt- lere Unternehmen (KMU) haben aufgrund ih- rer vergleichsweise kurzen Entscheidungswege u E NTWICKLUNG EINER IT-GESTÜTZTEN LEHR-LERN- STRUKTUR IN PRODUKTIONS- BETRIEBEN Die Evonik Performance Materials GmbH in Worms arbeitet gemeinsam mit der TU Darm- stadt und der Kompera GmbH aus Mannheim in aber andererseits auch die Möglichkeit, rasch auf dem Projekt „KeaP digital – Kompetenzentwick- sich verändernde Qualifikationserfordernisse zu lung am Produktionsarbeitsplatz“. Dabei erprobt reagieren. Unabhängig von der Unternehmens- das Unternehmen eine Lehr-/Lernplattform, mit größe gilt es, auf das in den Betrieben selbst vor- der es Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der handene Wissen über die Weiterbildungsbedarfe Produktion möglich ist, digitale Lernmodule zu der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückzu- erstellen. Auf diese Weise wird das Praxiswissen greifen. der erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ter für die Einarbeitung neuer Kolleginnen und Zugleich können die vielfältigen Lernformen, die Kollegen genutzt. Durch die Erstellung der Ein- es bereits heute gibt, durch digitale Technologien arbeitungsmodule gelingt es, das implizite Erfah- weiterentwickelt werden. Präsenz- und digitales rungswissen explizit zu formulieren und den Ein- Lernen lassen sich kombinieren, um die Weiter- arbeitungsprozess systematischer zu gestalten. bildung stärker auf die individuellen Vorausset- Die Lernmodule können jederzeit durch die Mit- zungen der Teilnehmer zuzuschneiden. Bildungs- arbeiterinnen und Mitarbeiter flexibel aktualisiert inhalte können präziser daran angepasst werden, werden, dadurch wird die nachhaltige Nutzung wo sich Wissenslücken auftun und Schulungsbe- sichergestellt. Innerhalb des Unternehmens wer- darf besteht. Lernen lässt sich durch den Einsatz den betriebliche Autorinnen und Autoren ausge- von Assistenz- und Tutorensystemen ohne hohe bildet und neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Produktivitätsverluste vermehrt direkt in die Ar- am Produktionsarbeitsplatz mit diesem Ansatz beitsprozesse integrieren. Beschäftigte können effizient qualifiziert. an Online-Seminaren teilnehmen, ohne vor Ort präsent sein zu müssen. Damit wird der Zugang zu derartigen Angeboten deutlich erleichtert so- wie die Vereinbarkeit von Weiterbildung, Beruf und Privatleben verbessert.16 16 Vgl. BMAS (2017): Werkheft 03. WeiterLernen. Berlin. 15
ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ TEIL III: WIR GESTALTEN DEN DIGITALEN WANDEL Auch wenn die grundsätzlichen Rahmenbedin- Die Partner des Ovalen Tischs haben sich die- gungen einer Arbeitswelt 4.0 oftmals auf der ser Gestaltungsaufgabe bereits heute vielfach Bundesebene gesetzt werden, gibt es auf der angenommen. Dies zeigt sich beispielsweise an Landesebene viele Ansatzpunkte, um den digi- der gemeinsamen Fachkräftestrategie, mit deren talen Wandel zu begleiten und fördern. Dies be- Vorhaben die Roadmap abgestimmt ist und die trifft etwa die Ausgestaltung des Unterrichts, der daher ineinandergreifen bzw. aufeinander auf- Ausbildung und der Lehre oder die Ausstattung bauen. Die rheinland-pfälzische „Strategie für das von allgemeinbildenden und beruflichen Schu- digitale Leben“ wiederum verknüpft umfassende len. Ebenso wichtig ist die Weiterbildung und Maßnahmen der verschiedenen Politikbereiche, Nachqualifizierung der Arbeitnehmerinnen und die im Kontext der Digitalisierung stehen. Arbeiternehmer. Und schließlich gilt es, die Wirt- schafts- und Sozialpartner zu unterstützen, um Auf dieser Grundlage gilt es aufzubauen, um die gleichermaßen die berufliche Perspektive der Be- Arbeitswelt 4.0 in Rheinland-Pfalz zukunftsge- schäftigten wie auch die Wettbewerbsfähigkeit recht zu gestalten und die Chancen der Digitali- der Unternehmen in Rheinland-Pfalz zu stärken. sierung zu nutzen. GUTE VORAUSSETZUNGEN VON ANFANG AN: SCHULE, AUSBILDUNG UND STUDIUM Bei jungen Menschen, die sich heute in der Schu- chermaßen pädagogischer wie auch technischer le, der Ausbildung oder dem Studium befinden, Hinsicht auf die digitale Zukunft vorzubereiten. haben wir die besten Möglichkeiten und damit Mit dem DigitalPakt soll der Bund den Ländern auch die Aufgabe, sie umfassend auf die digitali- und Kommunen Mittel für die schulische Infra- sierte Gesellschaft und auch die digitale Arbeits- struktur zur Verfügung stellen. Diese sollen auch welt vorzubereiten. Was in dieser Zeit an grundle- dazu genutzt werden, an den rheinland-pfälzi- genden Kompetenzen nicht erworben wird, muss schen berufsbildenden Schulen die Grundlagen später mit ungleich größerem Aufwand nachge- für die Erfordernisse der digitalen Arbeitswelt holt werden. Hierzu bedarf es technisch entspre- weiter zu verbessern. Im Sinne der Verpflichtung chend gut ausgestatteter Bildungsstätten und gut auf die KMK-Strategie gewährleistet die Landes- aus- und weitergebildeter Lehrkräfte. Allerdings regierung im Gegenzug die Aus- und Fortbildung ist die digitale Bildung kein Selbstzweck und soll- der Lehrkräfte, die Anpassung der Bildungsplä- te nicht nur vom technisch Machbaren ausgehen, ne sowie zusammen mit den Kommunen die sondern vom pädagogisch Sinnvollen. Sicherstellung von Betrieb und Wartung der Infrastrukturen. Im Rahmen ihrer Strategie „Bildung in der digita- len Welt“ hat die Kultusministerkonferenz bereits Im Rahmen der dritten Phase des Hochschul- wichtige Ziele formuliert, um die Schulen in glei- pakts 2016–2020 bauen Bund und Länder die 16
ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ Studienplatzkapazitäten weiter aus. Dabei liegt 10 % der eingesetzten Mittel für Programme ein Schwerpunkt auf den MINT-Fächern, die oft- zur Sicherung und Weiterentwicklung der Stu- mals eine besondere Nähe zu Themen der Digi- dienqualität, der Durchlässigkeit und der Digi- talisierung aufweisen. Darüber hinaus werden talisierung eingesetzt. 1. UNSERE SCHULEN UND HOCHSCHULEN FIT FÜR DIE DIGITALE ARBEITSWELT MACHEN Die Landesregierung versetzt alle Städte und ■■ Informatik-Lehrkräfte werden für den unter- Landkreise in die Lage, flächendeckend eine Breit- richtlichen Einsatz benötigt und sollen nicht bandversorgung zur Verfügung zu stellen. Sie mit dem Ausbau, der Wartung und dem geht beim Ausbau Hand in Hand mit den Kom- Support der digitalen Infrastruktur betraut munen voran. Rheinland-Pfalz vollzieht dabei werden. Das Land strebt dementsprechend zügig den Netzwechsel vom Kupfer zur Glasfaser eine stärkere Unterstützung der Schulen für und errichtet bis zum Jahr 2025 flächendeckende eine Beauftragung von IT-Fachkräften an. Gigabit-Netze. Eine zeitgemäße digitale Basis Diese müssen schnell erreichbar sein und infrastruktur an allen Bildungsstätten ist eine Probleme vor Ort unmittelbar lösen. Da grundlegende Voraussetzung für eine verlässli- rüber hinaus brauchen Schulen zusätzliche che Nutzung digitaler Medien und ermöglicht Ressourcen für die Entwicklung schuleigener so die Vermittlung digitaler Kompetenzen. Die Digitalkonzepte und ihrer Umsetzung. Die Hochschulen verfügen mit dem Wissenschafts- Digitalisierung verändert nicht zuletzt die netz Rheinland-Pfalz über eine hervorragende Zusammenarbeit des schulischen Personals glasfaserbasierte Netzinfrastruktur, die zu den miteinander und bedingt eine Transformati- leistungsfähigsten Wissenschaftsnetzen in der on der Aufbau- und Ablauforganisation. Des- Bundesrepublik zählt. halb stellt die Landesregierung jeder Schule die Ressourcen zur Koordination der Bildung ■■ Zur Ausstattung der Schulen zählt neben der in der digitalen Welt zur Verfügung. Bereitstellung schulischer Infrastruktur und internetgestützter Lernplattformen auch der ■■ Seit nunmehr 18 Jahren trägt der Virtuelle Ausbau des glasfaserbasierten Breitband- Campus Rheinland-Pfalz (VCRP) wirkungs- Internetzugangs und eines leistungsstar- voll dazu bei, digitale Medien auf vielfältige ken W-LAN. Die „Strategie für das digitale Art und Weise zu verankern. Die lokalen an Leben“ sieht den Anschluss der Schulen an den Hochschulen etablierten Serviceeinhei- das Hochgeschwindigkeitsnetz vor. Insbe- ten und der VCRP arbeiten eng zusammen, sondere die berufsbildenden Schulen werden um den Hochschullehrenden und Studieren- dabei berücksichtigt. Dieser Ausbau wird den moderne, leistungsfähige und bedarfs- von der Landesregierung schulartübergrei- gerechte Plattformen, Infrastrukturen und fend vorangetrieben werden. Ziel ist es, die Unterstützungsleistungen für das digitale Schulen mit ausreichenden Bandbreiten Lehren und Lernen zur Verfügung zu stellen. entsprechend ihres jeweiligen Nutzerbedarfs Auch künftig werden die Hochschulen eine auszustatten. entsprechend moderne digitale Ausstattung bereitstellen. 17
ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ 2. UNTERRICHT UND LEHRE WEITERENTWICKELN Die Inhalte in Schule, Ausbildung und Studium schutzes berücksichtigt, entwickelt werden. gilt es, an das digitale Zeitalter anzupassen. Di- Auch wird sichergestellt, dass die Nutzung gitale Kompetenzen müssen an allen Schulen digitaler Medien die Inklusion in der Schule verlässlich erworben werden. Neue Technologien unterstützt. verbessern die Bildungsqualität allerdings nicht automatisch, sondern nur dann, wenn der Tech- ■■ Informatik kommt in der digitalisierten Ar- nikeinsatz pädagogisch und didaktisch sinnvoll beitswelt eine immer größere Bedeutung zu. ist. Kinder und Jugendliche sollen Technik nicht Der Informatikunterricht soll daher an den nur bedienen, sondern mit ihr als digital aufge- Schulen ausgebaut und dementsprechend klärte Menschen auch verantwortungsbewusst sollen Lehrkräfte eingestellt werden. umgehen können.17 Schülerinnen und Schüler sowie Auszubildende sollen befähigt werden, die ■■ Ein Teil der jungen Menschen an berufsbil- Herausforderungen der digitalisierten Welt ein- denden Schulen verfügt bereits über digitale zuschätzen. Diese Kompetenzen ermöglichen ge- Kompetenzen. Voneinander zu lernen hat sellschaftliche Teilhabe. über die eigentlichen Lerninhalte hinaus ei- nen gemeinschaftsfördernden, pädagogisch Auch die Qualifikationen der Lehrkräfte an Schu- sinnvollen Effekt. Um die vorhandenen Kom- len und Hochschulen gilt es, entsprechend den petenzen von Schülerinnen und Schülern für Anforderungen der digitalen Welt gemäß zu stär- einen zukunftsweisenden Unterricht noch ken und auszubauen. Dabei sollen die bereits vor- besser nutzbar zu machen, wird die Etablie- handenen Ressourcen und Kompetenzen, auch die rung eines Peer-to-Peer-Konzepts angestrebt. der Schülerinnen und Schüler, genutzt werden. ■■ Die Bundesagentur für Arbeit führt ab 2019 ■■ In den Schulen bedarf es abgestimmter flächendeckend die „Lebensbegleitende didaktischer Konzepte, denn diese bilden die Berufsberatung vor dem Erwerbsleben“ ein. Grundlage für die Entscheidung, welche Aus- Das Beratungsangebot an allen allgemein- stattung notwendig ist und wie sie einge- bildenden Schulen wird bereits zwei Jahre setzt wird. Voraussetzung dafür ist, dass die vor Schulende einsetzen – an Gymnasien ab Kompetenzen der KMK-Strategie landesweit Klassenstufe 9. Sukzessive wird das Angebot in den Curricula aller Bildungsgänge ent- auf die berufsbildenden Schulen, Berufs- sprechend abgebildet werden. schulen und Hochschulen ausgeweitet. ■■ Die Lehrkräfte an Schulen müssen dabei un- ■■ Die Bundesagentur für Arbeit baut ihr digita- terstützt werden, fachlich auf dem neuesten les Medienangebot in der beruflichen Ori- Stand zu bleiben. Für den Erwerb methodi- entierung weiter aus. Das neu entwickelte scher und didaktischer Kompetenzen sowie Selbsterkundungstool (unter www.arbeits- zur Sensibilisierung beim Einsatz digitaler agentur.de/selbsterkundungstool) und die Unterrichtsmaterialien soll daher ein ent- App „Azubi-Welt“ bieten anwenderfreund- sprechendes Fortbildungskonzept, welches lich umfangreiche Informationen bzw. Hilfe unter anderem auch Fragen des Daten- bei der Berufs- und Studienwahl. 17 V gl. Kultusministerkonferenz (2016): Strategie der Kultusministerkonferenz – Bildung in der digitalen Welt. S. 17. Verfüg- bar unter: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2017/Strategie_neu_2017_datum_1.pdf. 18
ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ ■■ Der Besuch eines Berufsinformationszen ■■ Die an den Hochschulen, dem Virtuellen trums (BiZ) ist für Schülerinnen und Schüler Campus Rheinland-Pfalz sowie dem Hoch- in der Regel ein fester Bestandteil der beruf- schulevaluierungsverbund Südwest vorhan- lichen Orientierung. Für alle Schülerinnen denen hochschuldidaktischen und E-Lear- und Schüler, die das BiZ in der Arbeitsagen- ning-Qualifizierungsangebote für Lehrende tur nur schlecht oder gar nicht erreichen sollen mit Unterstützung der Landesregie- können,steht ein mobiles Angebot zur Ver- rung noch besser aufeinander abgestimmt fügung. Mit dem Einsatz von Tablets kann und bedarfsgerecht weiterentwickelt und die Berufsberaterin bzw. der Berufsberater ausgebaut werden. direkt im Klassenraum eine Berufsorientie- rung durchführen. ■■ Die Landesregierung diskutiert mit den Hochschulen ein Programm zur Förderung ■■ Die Landesregierung hat mit der prämierten von offenen Bildungsmaterialien und der App „Zukunft läuft“ zur Berufs- und Studien gemeinsamen Nutzung digitaler Bildungs- orientierung ein Werkzeug entwickelt, mit medien in der Lehre. Damit wird ein Beitrag dem Schülerinnen und Schüler ihre eigenen geleistet, um die Vermittlung digitaler Kom- Interessen reflektieren können und mit einer petenzen curricular zu verankern. persönlichen Berufswahl- oder Studiums- liste ihre Zukunft planen. Daneben ist die Kompetenzanalyse ein weiteres Instrument zur Feststellung der individuellen, überfach- lichen und berufsbezogenen Kompetenzen. Diese werden durch systematische Beobach- tungen sowie standardisierte Testverfahren und Fragebögen erfasst. In Ergänzung dazu wurde das Analyseinstrument „2P/Poten- zial & Perspektiven“ für neu zugewanderte Jugendliche im Alter von 10 bis 20 Jahren eingerichtet. 2P ist ein computergestütz- tes Analyseinstrumentarium zur Erfassung fachlicher und überfachlicher Kompetenzen. Das Verfahren arbeitet mit kulturfairen und sprachreduzierten Aufgabenstellungen. ■■ Die Landesregierung prüft zusätzlich, ob und wenn ja auf welcher Ebene ein Unterstüt- zungsangebot zur Arbeitsweltorientierung von jungen Menschen geschaffen werden soll. Dies kann beispielsweise in Form einer Onlineplattform geschehen oder curricular verankert werden, um junge Menschen über ihre Rolle in der Arbeitswelt zu informieren und für einen angemessenen Umgang mit sozialen Netzwerken zu sensibilisieren. 19
ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ 3. DUALE AUSBILDUNG 4.0 Die duale Ausbildung in Deutschland hat welt- ■■ Der digitale Wandel stellt auch die Ausbil- weit Vorbildcharakter, weil sie in hervorragender derinnen und Ausbilder in den Unternehmen Weise Theorie und Praxis verbindet. Auch die du- vor neue Herausforderungen. Die Partner ale Ausbildung muss sich dem digitalen Wandel sensibilisieren und beraten die Betriebe anpassen, hat dabei aber den Vorteil, strukturell hinsichtlich der digitalen Herausforderungen ohnehin dynamisch und betriebsnah angelegt und unterstützen geeignete Fortbildungen, zu sein. Eine Herausforderung besteht darin, die insbesondere auch für Ausbilderinnen und duale Ausbildung für junge Menschen attraktiv Ausbilder. zu gestalten. Die Partner engagieren sich daher für die weitere Stärkung der dualen Ausbildung ■■ Um ausreichend junge Menschen für MINT- in Rheinland-Pfalz. Berufe gewinnen zu können, ist es notwen- dig, sie frühzeitig für naturwissenschaftlich- ■■ Um eine zukunftsfähige Ausbildung zu technische Fragestellungen zu begeistern ermöglichen, ist bei den berufsbildenden und diese Begeisterung entlang der Bil- Schulen sowie auch bei den Bildungszentren dungskette zu erhalten. Die MINT-Strategie der Kammern und anderer Träger eine fort- des Landes wird daher unterstützt. Die laufende Modernisierung der Ausstattung Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland erforderlich. der Bundesagentur für Arbeit hat ein MINT- Kompetenzzentrum eingerichtet. Ziel ist es, ■■ In den verschiedenen Berufen stellen sich die den Frauenanteil bei den neu abgeschlos- Herausforderungen der Digitalisierung teils senen Ausbildungsverträgen in den dualen sehr unterschiedlich dar und sollten früh- MINT-Ausbildungsberufen langfristig auf zeitig und praxisnah Eingang in den Berufs- 20 % zu steigern. MINT-Botschafterinnen schulunterricht finden. Dies geschieht durch betreuen und beraten dabei die Arbeitsagen- eine entsprechende Berücksichtigung in turen vor Ort. den Rahmenlehrplänen und die damit ein- hergehende Qualifizierung der Fachkräfte. ■■ Der Digitalisierungsgrad der Unternehmen Die Curricula der industriellen Metall- und ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Dem- Elektroberufe wurden bereits zu Beginn des entsprechend unterscheiden sich auch deren Schuljahres 2018/2019 um die Bereiche Möglichkeiten, ihren Auszubildenden digi- „Digitalisierung der Arbeit, Datenschutz und tale Kompetenzen weiterzuvermitteln. Die Informationssicherheit“ ergänzt. Die Part- Partner begrüßen daher eine Ausweitung ner prüfen, ob dafür ergänzend interessierte von Ausbildungskooperationen. Interessante und qualifizierte Fachkräfte aus der Praxis Kooperationspartner sind z. B. kleinere Be- gewonnen werden können, die gemeinsam triebe, die den Auszubildenden einen breite- mit den regulären Lehrkräften in den Berufs- ren Anwendungsbereich digitaler Techniken schulen ausbildungsrelevante Inhalte an- anbieten, als dies in den Ausbildungsordnun- schaulich vermitteln. gen vorsehen ist. Derartige Kooperationen können die Attraktivität der Betriebe für potenzielle Auszubildende steigern. 20
ZUKUNFT DER ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ ■■ Der Unterricht in den berufsbildenden Schu- Unterricht ist perspektivisch zudem auch für len ist nach wie vor auf die Anwesenheit von die Wahlschulbildungsgänge denkbar. Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften vor Ort ausgerichtet. Dies muss auch der ■■ Vielfach werden die Berichtshefte in der Be- Regelfall sein. Es wird aber geprüft, wie die rufsausbildung noch handschriftlich geführt, Möglichkeiten der Digitalisierung für einen auch Lehrmittel liegen in der Regel nur in ergänzenden standortflexibleren Unterricht analoger Form vor. Die Partner werben da- genutzt werden können. Das Lernbaustein- für, dass der digitale Ausbildungsnachweis konzept kann dabei die Zusammenlegung von stärkere Verbreitung findet. Auch Schul Lerngruppen über die einzelne berufsbildende bücher sollen perspektivisch in den Schulen Schule hinaus ermöglichen. Standortflexibler alternativ digital genutzt werden können. DIE ARBEITSWELT GESTALTEN: BESCHÄFTIGTE UND UNTERNEHMEN IM DIGITALEN WANDEL Die Digitalisierung bietet denjenigen, die sich be- Doch nicht nur Unternehmen, auch der öffent- reits im Erwerbsleben befinden, neue Chancen, liche Dienst muss sich im digitalen Wandel an- stellt sie aber zugleich vor Herausforderungen. passen und die Weichen für eine moderne Perso- Dies gilt für die Unternehmen ebenso wie für die nalentwicklung stellen. Die Landesregierung wird Beschäftigten. Nur gemeinsam kann es gelingen, daher ihren Teil dazu beitragen, die Digitalisierung die Möglichkeiten des digitalen Wandels für alle des öffentlichen Dienstes im Land zu gestalten Seiten gewinnbringend zu nutzen. und seine Beschäftigten dabei zu begleiten und zu unterstützen. Weiterbildung ist in dieser Zeit der besonders dynamischen technologischen Veränderungen der Schlüssel für gute Perspektiven des Einzel- nen auf dem Arbeitsmarkt. Gleichzeitig sind gut qualifizierte Beschäftigte die Voraussetzung für wettbewerbsfähige Unternehmen. Beschäftigte wie Betriebe müssen daher in die Lage versetzt werden, zu erkennen, welche Kompetenzen er- forderlich sind und welche Möglichkeiten es gibt, diese zu erhalten beziehungsweise aufzubauen. Dies beinhaltet auch Fragen der finanziellen För- derung. Unterstützungsbedarf besteht hier vor allem bei kleineren und mittleren Unternehmen, die noch keine ausreichenden eigenen Ressour- cen für eine strategische Personalplanung und -entwicklung aufbringen. 21
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