Bibliotheken heute - Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz
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ISSN 1860-4188 LANDESBIBLIOTHEKSZENTRUM bibliotheken heute Herausgegeben vom Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz 3/2015, Jg. 11 Die Themen Bibliotheksangebote für Flüchtlinge und Asylsuchende in Rheinland-Pfalz Bestandserhaltung in Rheinland-Pfalz: Ergebnisse einer Umfrage Rückblick auf den Schulbibliothekstag und LESESOMMER 2015
Das Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz Wir richten Bibliotheken ein! beraten Im Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz (LBZ) sind die Bibliotheca Bipontina in Zweibrücken, die Pfälzische planen Landesbibliothek in Speyer, die Rheinische Landesbibliothek in Koblenz sowie die Landesbüchereistelle in Koblenz und Neustadt/Weinstraße zu einer bibliothekarischen Dienstleistungseinrichtung vereint. Das LBZ ermöglicht den einrichten Zugang zu weltweiten Informationsangeboten und die Nutzung moderner Informationstechnologien. Zusammen betreuen bilden die fünf Einrichtungen ein leistungsstarkes Kompetenzzentrum für alle Fragen im Bereich der Medien- und Informationsvermittlung, der Leseförderung sowie der Beratung und Unterstützung von Bibliotheken in den Kom- munen und Schulen. In enger Abstimmung arbeiten sie gemeinsam am Aufbau eines leistungsfähigen Bibliotheks- systems für das Land Rheinland-Pfalz und fördern die Kooperation und Vernetzung der Bibliotheken im Land, u.a. durch die Koordinierung landesweiter und regionaler Bibliotheksprojekte. Auch die Aus- und Fortbildung von Bib- liotheksfachkräften und die vielfältige Unterstützung von Ehrenamtlichen sind wichtige Anliegen des LBZ. Die detaillierten Aufgabenschwerpunkte und Angebote des LBZ finden Sie unter www.lbz.rlp.de Impressum bibliotheken heute ISSN 1860-4188 INTERNATIONAL Herausgeber: SCHULZ SPEYER Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz Bibliothekstechnik AG Postfach 1780 Bahnhofplatz 14 D-67327 Speyer 56068 Koblenz Tel.: 0 62 32 / 31 81-0 Fax: 0 62 32 / 31 81-800 Telefon: 0261 91500-101 sales@schulzspeyer.de Telefax: 0261 91500-102 www.schulzspeyer.de info@lbz-rlp.de www.lbz.rlp.de Redaktion: Dr. Annette Gerlach (V.i.S.d.P.) (Koblenz), Telefon: 0261 91500-101, E-Mail: gerlach@lbz-rlp.de Angelika Hesse (Neustadt), Telefon: 06321 3915-14, E-Mail: hesse@lbz-rlp.de 䉩 扬 楯 瑨 敫 敮 敵 瑥 ㈰ ㄵ ⴱ 䙲 敩 瑡 本 ′ 〮 ⁆ 敢 牵 慲 ′ 〱 㔠 〹 㨲 〺 㔱 Dr. Barbara Koelges (Koblenz), Telefon: 0261 91500-474, E-Mail: koelges@lbz-rlp.de Sandra Reiss (Koblenz), Telefon: 0261 91500-473, E-Mail: reiss@lbz-rlp.de Hannelore Tropf (Speyer),Telefon: 06232 9006-245, E-Mail: tropf@lbz-rlp.de Titelbild: Ein Internetzugang in der Bibliothek ist für Flüchtlinge ein willkommenes Informationsangebot und eine große Unter- stützung (Foto: © panthermedia.net / Michael Jung). Preis: Jahresabonnement (3 Hefte): 22,50 Euro, Einzelheft: 7,50 Euro. Das Abonnement kann zum 31.12. eines Jahres gekündigt werden. Kommunale öffentliche Bibliotheken, wissenschaftliche Bibliotheken, Schulbibliotheken sowie kirchliche Büchereien in Rheinland-Pfalz erhalten die Zeitschrift kostenlos. Elektronische Ausgaben von „bibliotheken heute“, Anzeigenpreise und Hinweise für Autorinnen und Autoren: unter http://lbz.rlp.de/ueber-uns/publikationen/bibliotheken-heute/ Druck: Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz, 56070 Koblenz bibliotheken heute wird gefördert vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, Mainz
bibliotheken heute 3/2015, Jg. 11 INHALTSVERZEICHNIS Bibliotheksangebote für Flüchtlinge und Asyl- INTERNET, NEUE MEDIEN suchende in Rheinland-Pfalz......................................106 Onleihe RLP: neue Bibliotheken und „Bibliotheken können als feste Anlaufstelle Werbematerialien............................................................ 138 interessant sein.“ – Ein Interview.................................. 107 Wittlich: Integrationsarbeit ist eine SCHULE UND BIBLIOTHEK Selbstverständlichkeit.....................................................109 Schulbibliothekstag 2015: Lesen und Emmelshausen: Flüchten, ankommen, Lernen im Fokus................................................................139 dazugehören.......................................................................112 AUSZEICHNUNGEN, WÜRDIGUNGEN Sprendlingen: Die Bücherei als Ort des Spracherwerbs............................................................113 Trauer um Horst Patenge............................................... 141 Wörth: Stadtbücherei als Dienstleister in der AUS DEM LANDESBIBLIOTHEKSZENTRUM Flüchtlingsarbeit................................................................115 LBZ ersteht wertvolle Handschrift aus dem Kloster Speyer: „Willkommenspaket“ – Himmerod..........................................................................142 nicht nur für Flüchtlinge................................................. 116 10 Jahre Kooperation mit polnischer Frankenthal: Für Mühen der Flucht sensibilisieren.....117 Partnerbibliothek..............................................................143 Wissen: Entdeckungsreise in die Bücherwelt.............. 118 Ausstellungen zu Manfred Peters und Arno Reinfrank Asbach: Bücher sollen bei Eingewöhnung helfen........119 im LBZ / Pfälzische Landesbibliothek...........................144 STATISTIK Textcollage mit Musik zu Heinrich Heine im LBZ / Rheinische Landesbibliothek...........................................145 Gesamtstatistik kommunale und kirchliche öffentliche Bibliotheken RLP 2014....................................................120 „Würdigende“ Veranstaltungen im LBZ / Bibliotheca Bipontina............................................................................146 BIBLIOTHEKSPRAXIS Bestandserhaltung in Rheinland-Pfalz..........................121 Literarischer Samstag im LBZ Koblenz........................ 147 Ausleihangebote der Landesbüchereistelle................ 147 NEUERÖFFNUNGEN, JUBILÄEN Stadtbücherei Lahnstein in neuen Räumen................ 124 AUS DEN VERBÄNDEN 30 Jahre Öffentliche Bücherei Stromberg................... 126 dbv: Bibliotheken in RLP heißen Flüchtlinge und Asylsuchende willkommen.............................................148 90 Jahre KÖB Iggelheim.................................................. 127 BIB-Fortbildung „Interne Kommunikation – Soft- LESEFÖRDERUNG UND waretools“..........................................................................149 VERANSTALTUNGEN LESESOMMER: Preisziehung und Bilanz 2015 – neues KURZINFORMATIONEN.............................. 149 Layout 2016.......................................................................128 ORTS-, PERSONEN- UND Dezembergeschichten und Adventskalender 2015....131 SACHREGISTER...............................................152 Fotostory 2.0 in Ingelheim............................................. 132 Projekt „Schüler helfen Schülern“ in Mutterstadt.....134 „Sacra Treveris capta“ – Vortragsreihe Preußische Zeit in Trier.........................................................................136 105
bibliotheken heute 3/2015, Jg. 11 TITELTHEMA Bibliotheksangebote für Flüchtlinge und Asylsuchende in Rheinland-Pfalz 2015 sind so viele Menschen nach Deutschland gekom- staltete die Stadtbücherei Frankenthal eine Lesung, in men wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. In der ein Journalist und ein Fotograf über ihren Fluchtver- Rheinland-Pfalz sind laut Landesregierung bis zum No- such mit Syrern über das Meer nach Europa berichte- vember 2015 bereits 41.200 Menschen neu angekom- ten. Auch dies kann als Beitrag gewertet werden, einer men1 und der Zuzug reißt nicht ab. Die hohe Zahl von Willkommenskultur auf Grundlage von Informiertheit, Krisenherden auf der Welt zwingt Menschen zur Flucht, Verständnis und Mitgefühl den Weg zu ebnen. um sich vor Krieg, Gewalt und Verfolgung in Sicherheit Neben all den Angeboten und Kooperationen, welche zu bringen. Zu den Hauptherkunftsländern der Flücht- die Bibliotheken auf die Beine stellen, wird immer wie- linge zählen Syrien, Sudan, Afghanistan, Eritrea, Soma- der deutlich, wie hoch das persönliche Engagement lia, der Irak und die Balkan-Staaten.2 Um die Versor- auch aufseiten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gung und Unterbringungen im Land zu gewährleisten, in den Bibliotheken ist. werden die Erstaufnahmekapazitäten kontinuierlich Um die Perspektive zu wechseln, hat die „bibliotheken ausgebaut. Ziel ist es außerdem auch, die Flüchtlinge heute“-Redaktion zwei in der humanitären Flüchtlings- frühzeitig in die Gesellschaft zu integrieren. hilfe Tätige aus Rheinland-Pfalz zu einem Interview in dieser Ausgabe gebeten, um ihre Erfahrungen und Bei der Integration nimmt die Sprache eine Schlüssel- Empfehlungen an Bibliotheken weiterzugeben. funktion ein. Neben Angeboten zum Erwerb der deut- schen Sprache in Kindergärten, Schulen und Volks- hochschulen (VHS) sind auch Bibliotheken geeignete Sandra Reiss, LBZ Bildungspartner, deren Angebote sogar über die Förde- rung des Spracherwerbs hinausgehen können. Davon zeugen die in dieser Ausgabe vorliegenden Berichte rheinland-pfälzischer Bibliotheken und Büchereien, die zeigen, mit welcher Vielfalt diese Einrichtungen als Bil- dungs- und Integrationspartner dienen. Während in einigen Bibliotheken bereits in den vergan- genen Jahren interkulturelle Bibliotheksarbeit ein The- ma war und sie auf die aktuellen Entwicklungen durch ihre bisherige Arbeit auf diesem Gebiet vorbereitet sind (wie z.B. die Stadtbüchereien Wittlich oder Wörth), stellt das Flüchtlingsthema andere Einrichtungen vor neue Anforderungen. Neben Angeboten, die sich direkt an Flüchtlinge wen- den, bieten Bibliotheken auch Medien und Informati- onen für all jene Menschen an, die beruflich oder auch Gelebte Integration: Mit gutem Beispiel voran gingen die Mitarbei- ehrenamtlich in die Arbeit mit Flüchtlingen eingebun- ter der Gemeindebücherei Hahnstätten, die den Teilnehmern des den sind. So berichtet die Stadtbücherei Wörth, mo- Deutschkurses in der Verbandsgemeinde das Medienangebot der mentan vor allem auch Dienstleister für Betreuerinnen Bibliothek und die Möglichkeit der Ausleihe vorstellten. Foto: Gemeindebücherei Hahnstätten und Betreuer zu sein. Die UB Landau informierte die „bibliotheken heute“-Redaktion über ihren Büchertisch zum Thema „Migration“ (Toleranz, Integration, Asyl- und Einwanderungspolitik, Flucht und Vertreibung) speziell für Studierende und Lehrende im Rahmen von Seminaren, Lehrveranstaltungen und wissenschaftli- chen Arbeiten. Um die Bevölkerung für die Nöte und Strapazen von Flüchtlingen zu sensibilisieren, veran- 1 Quelle: Landesregierung RLP, www.rlp.de/de/service/presse/einzelansicht/news/detail/News/registrierung-aufgearbeitet-1/ vom 13.11.2015 2 Stand: Ende 2014, Quelle: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/186108/umfrage/herkunftslaender-von-fluechtlingen/ vom 27.10.2015 106
bibliotheken heute 3/2015, Jg. 11 TITELTHEMA „Bibliotheken können als feste Anlaufstelle interessant sein.“ Welche Angebote können Bibliotheken für Flüchtlinge und Asylbewerber machen? – Ein Interview. Neben den Berichten von Bibliotheken über Angebote für Flüchtlinge und Asylbewerber war die „bibliotheken heute“-Redaktion daran interessiert, auch die Perspektive von aktiv in der humanitä- ren Flüchtlingshilfe tätigen Menschen zu erfahren und welche Tipps sie Bibliotheken geben können. Wir fragten Lutz Zahnhausen, ehrenamtlicher Mitarbeiter beim Runden Tisch Asyl in Koblenz- Güls/Bisholder und Sabine Grabowsky, 2. Vorsitzende vom Arbeitskreis für humanitäre Hilfe für Asylbewerber e.V. in Neustadt/Weinstraße. Frau Grabowsky, Herr Zahnhausen, welche Infor- Kontakt mit Flüchtlingskindern und deren Bedürfnisse mationen und Angebote sind Ihrer Erfahrung nach geschult werden. Zudem entfalten Angebote, die deut- für Flüchtlinge wichtig, die Bibliotheken und Büche- sche Kinder und Flüchtlingskinder zusammenbringen reien bieten könnten? eine integrative Wirkung. Grabowsky: Neben dem freien WLAN-Zugang für Smartphones oder Internetplätzen in der Bibliothek Derzeit kommen viele Flüchtlinge aus Vorderasien können dies ganz konkret sein: lokale und überregio- und dem afrikanischen Kontinent. Wie lässt sich das nale Informationen (per Internet, Tageszeitung oder Sprachproblem bei der Kontaktaufnahme lösen? Bücher mit lokalem Bezug), weiterführende und ver- Grabowsky: Zunächst einmal können Englisch und tiefende Deutschlernangebote, Hör- und Audiomedien Französisch vom Bibliothekspersonal als Vermittler- sowie belletristische Angebote auch in den Hauptspra- sprachen eingesetzt werden. Denkbar wären die be- chen der Flüchtlinge wie Arabisch oder Persisch. Mehr- reits erwähnten mehrsprachigen Einführungen in die sprachige (!) Einführungen in die Bibliotheksbenutzung Bibliothek. Bibliotheken können sich auch an Integrati- durch das Bibliothekspersonal könnten auch in Koope- onsscouts der VHS wenden oder Flüchtlinge, die schon ration mit der VHS oder Flüchtlingsinitiativen angebo- gut Deutsch können, in ihre Arbeit einbeziehen. Hierfür ten werden. Denkbar wären zudem zweisprachige Le- eventuell bei örtlichen Initiativen nachfragen. sungen, sowohl für Erwachsene als auch für Kinder und Zahnhausen: Bei Sprachproblemen wird in der Praxis Jugendliche. einfach improvisiert. Unbedingt notwendig ist der Kon- Zahnhausen: Bibliotheken können als feste, zuverläs- takt zu Einheimischen. Die von den Initiativen angebo- sige Anlaufstelle interessant sein. Da vielen Asylbe- tenen Sprachkurse entsprechen in Qualität oder Häu- werbern der Zugang zum Internet fehlt, bietet der freie figkeit vielleicht nicht immer dem, was wünschenswert Zugang in Bibliotheken eine enorme Hilfe. Erst wenn wäre. Die Alternative hieße aber in vielen Fällen keiner- Sprachkenntnisse in ausreichendem Maß vorhanden lei Sprachanlässe und wenig Austausch. sind, können natürlich Zeitungen und Bücher wichtig werden. Welche Partner würden Sie Bibliotheken für Koope- rationen im Rahmen der Flüchtlingsarbeit empfeh- Sind Ihrer Meinung nach spezielle Angebote für len? Flüchtlingskinder und Jugendliche besonders wich- Zahnhausen: Die im Internet gelisteten Initiativen, die tig? jeweils in bestimmten Stadtteilen aktiv sind. Es gibt Zahnhausen: Für diese Gruppen sind natürlich die aber (noch) keine koordinierende Stelle als Ansprech- Medien bedeutsam, die das schulische Fortkommen partner. Oberstes Gebot dabei: Möglichst wenig Büro- unterstützen. Besonders Lern- und Sprachprogramme kratie! Die ehrenamtlichen Helfer leiden in der Regel können helfen. unter Zeitnot. Da wird abgewogen, was wirklich effizi- Grabowsky: Sinnvoll sind spezielle Bücherkisten mit ent ist. Zeigebüchern und Bilderbücher für Sprachanfänger, Grabowsky: Neben den örtlichen Flüchtlingsinitiativen aber auch fremdsprachige Bücher in den gängigen auch die Schulen, die VHS und das Jugendamt. Flüchtlingssprachen. Lesepaten könnten gezielt für den 107
bibliotheken heute 3/2015, Jg. 11 TITELTHEMA In vielen öffentlichen Bibliotheken werden Jahres- ggf. ihre verliehenen Medien nicht mehr zurücker- gebühren für erwachsene Leser, teilweise auch für halten. Was würden Sie diesen Bibliotheken raten? Kinder erhoben. Sollte es hier Ausnahmeregelun- Zahnhausen: Die Angst ist vielleicht nicht ganz unbe- gen für Flüchtlinge geben, z.B. zeitlich begrenzte kostenlose Ausweise? gründet. Die Frage wäre, ob in einem ersten Schritt die Präsenzbibliothek, Zeitungen und Internet zur kosten- Zahnhausen: Ja, zumindest so lange, bis deren Asylver- fahren bearbeitet ist. Nach unseren Erfahrungen und freien Verfügung gestellt werden (Zeit ist in der War- je nach Nationalität, kann das zurzeit bis zu 18 Monate tephase ausreichend vorhanden) und die Erfahrungen dauern! daraus abgewartet werden, um weitere Schritte einzu- Grabowsky: Eine gebührenfreie Ausleihe für Asylbe- leiten. werber wäre sinnvoll, für Kinder und Jugendliche bis 18 Grabowsky: Empfehlen würde ich auf jeden Fall die be- Jahre sowieso. Denkbar sind auch reduzierte Nutzungs- reits erwähnten Einführungen in die Bibliotheksbenut- gebühren für Flüchtlinge, die nach Sozialgesetzbuch zung. Bibliotheken könnten auch darüber nachdenken, (SGB) II Leistungen erhalten. die Zahl der ausleihbaren Medien zu verringern. Durch die oft kurze Verweildauer der Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen befürchten manche Frau Grabowsky, Herr Zahnhausen, vielen Dank für das Bibliotheken, dass sie bei Wegzug der Entleihenden Interview! Weiterführende Informationen Informationsportal der Landesregierung RLP für Flüchtlinge in Deutsch, Englisch Praxisbeispiele, Angebote und Hinweise des und Arabisch: http://refugees.rlp.de/ Deutschen Bibliotheksverbandes: www.bibliotheksverband.de/dbv/ Sprachlernangebote des Goethe-Instituts themen/fluechtlinge-willkommen.html für Flüchtlinge und Kurse für ehrenamtli- che Lernbegleiter/innen: Praxisbeispiele aus NRW von der Bezirksregie- www.goethe.de/willkommen/ rung Düsseldorf: https://oebib.wordpress.com/2015/06/17/ Kostenfreie Verlagsangebote: bibliotheken-der-zugang-zu-information- Bildwörterbuch „WillkommensABC“ und-bildung-fur-fluchtlinge-und-asylbewerber/ arsEdition als Download oder App: www.willkommensABC.de Themenliste der Bayerischen Staatsbibliothek Arabisch- und Persisch-Wörterbuch online: – Landesfachstelle für das öffentliche Biblio- www.langenscheidt.com thekswesen: www.oebib.de/fachinformation/bestandsaufbau/ Informationsausstellung „Asyl ist Men- medienlisten/willkommen-in-deutschland/ schrecht“ der Menschrechtsorganisation PROASYL, buchbar von Bildungseinrichtungen Internationale Praxisbeispiele des Weltbiblio- und anderen Institutionen: theksverbandes IFLA: www.proasyl.de/de/home/ausstellung-asyl- www.ifla.org/files/assets/public-libraries/ ist-menschenrecht/ publications/library_service_to_refugees.pdf Eine Zusammenstellung der „bibliotheken heute“-Redaktion. 108
bibliotheken heute 3/2015, Jg. 11 TITELTHEMA Integrationsarbeit ist in Wittlich eine Selbstverständlichkeit Stadtbücherei profitiert von jahrelanger interkultureller Bibliotheksarbeit Bereits seit über zwanzig Jahren engagiert sich die Sprachkurse und Bibliothekseinführungen Stadtbücherei Wittlich verstärkt für Menschen, die kei- Nach dem Vorbild der Stadtbibliothek Hamm entstand ne deutschen Muttersprachler sind, aber in Wittlich und in Wittlich eine Abteilung mit dem Titel „Sprachen Umgebung leben. Außer den klassischen in der Bundes- A-Z“. Zwischen Ägyptisch und Vietnamesisch befinden republik gelehrten und gelernten Sprachen wie Englisch sich „Deutsch als Fremdsprache“ und „Deutsch“. Die und Französisch sowie Spanisch und Italienisch, wurde ASB-Gruppe O (= Sprachen) wurde vollständig auf- früh mit dem Aufbau eines Bestandes in Türkisch und gelöst. Insgesamt 2.644 Medien in 55 verschiedenen in Russisch begonnen. Bedingt durch den Bürgerkrieg Sprachen stehen den Kunden zur Verfügung. In diese im ehemaligen Jugoslawien führte die Stadtbücherei intensiv genutzte Gruppe investiert die Stadtbücherei Wittlich Mitte der 90-er Jahre auch einen Bestand mit Wittlich viel Geld und reagiert flexibel und schnell auf serbokroatischen Titeln, die damals aufwendig in Zag- neue politische und gesellschaftliche Gegebenheiten. reb bestellt und dank einer Asylbewerberin, die in der So wurden 2015 der arabische Bestand, Deutschkurse Stadtbücherei stundenweise tätig war, erfasst und ver- und Bildwörterbücher aufgestockt. mittelt wurden. Auch Sprachkurse für Kinder wurden gestaffelt. Ge- Mit der Auflösung der Sowjetunion kamen viele Spät- meinsam mit speziellen Medienkoffern für Pädagogen aussiedler nach Wittlich. Ein Stadtteil verdoppelte (z.B. Finken-Verlag, DaZ Lernen aus dem Koffer) kann seine Einwohnerzahl damals in rasant kurzer Zeit von so die schnelle Integration von Kindern und deren schu- ca. 700 auf ca. 1.400 Bürgerinnen und Bürger. Auf die lischer Erfolg gefördert werden. Engagierte Lehrer und anfänglichen Integrationsschwierigkeiten reagierte die FSJler an Schulen erzielen mit Hilfe der spielerischen Sprachlernangebote aus diesen Koffern wahre Wunder. Stadt direkt mit der Schaffung einer Stelle für eine rus- Einem sehr rührigen Lehrer gelang es, eine Schülerin sischstämmige Sozialarbeiterin und entsprechenden mit Migrationshintergrund innerhalb von einem halben Räumlichkeiten, und die Stadtbücherei mit dem Auf- Jahr vom Stand „kein Wort Deutsch“ auf ein „befriedi- bau eines russischen Bestandes und der Einstellung ei- gend“ in Deutsch im Zeugnis zu fördern. ner jungen Spätaussiedlerin aus Kasachstan. Probleme mit dieser Migrantengruppe sind heute in Wittlich qua- Bibliothekseinführungen für Integrationskurse und si nicht mehr existent, wie auch der Ortsvorsteher des Flüchtlingsgruppen sind in Wittlich eine Selbstver- besagten Stadtteils nicht ohne Stolz erklärt. ständlichkeit. Mit Hilfe von Dolmetschern, einer ge- meinsamen Sprache wie Englisch oder Französisch so- Dank der Mitarbeit in der Fachkommission für Interkul- wie „Händen und Füßen“ erklären die Mitarbeiterinnen turelle Bibliotheksarbeit (2007 bis 2013) der Leitung und Mitarbeiter der Stadtbücherei diesen Gruppen die der Stadtbücherei Wittlich kamen viele neue Impulse Angebote der Bücherei. Gerne wird die Bibliothek als in die Bibliothek. Besonders aufschlussreich waren Stu- Aufenthaltsort genutzt. Freies WLAN sowie die kos- dienreisen in die Schweiz und nach Kanada. In einem tenfreie Nutzung stationärer PCs mit Internetzugang mehrsprachigen Land bzw. einem klassischen Einwan- ermöglichen Kontakte zur ehemaligen Heimat. Außer- derungsland engagieren sich Bibliotheken schon lange dem lernen und arbeiten manche Flüchtlinge gerne in für Menschen aus anderen Staaten und mit anderen Kleingruppen gemeinsam und genießen das Platzange- Muttersprachen. Die Willkommenskultur für Migran- bot der Bibliothek, die ein repressionsfreier Ort ohne ten in kanadischen Bibliotheken ist beeindruckend, Xenophobie ist, und Sicherheit und Willkommensein allerdings richtet sie sich ganz klar an qualifizierte Ein- vermittelt. wanderer, die das Land benötigt, und nicht an Bürger- kriegsflüchtlinge. Wichtig sind aber nicht nur die Arbeit in der Bibliothek und der bedarfsorientierte Bestand der Gruppe „Spra- chen A-Z“, sondern auch das Mitwirken in Gremien, 109
bibliotheken heute 3/2015, Jg. 11 TITELTHEMA deren Funktion Flüchtlingshilfe sowie Unterstützung zen. Es war nicht schwer, Menschen zu gewinnen, die für Migranten ist. Seit Gründung ist die Stadtbücherei bereit sind, ihre Sprachfähigkeiten ehrenamtlich zur Wittlich Mitglied beim „Round Table Migration“ (Ar- Verfügung zu stellen. Das Problem bestand darin, dem beitskreis Integrationspartner / BaMF). Gemeinsam suchenden Betreuer oder Flüchtling den passenden mit Vertretern des Bundesamtes für Migration und Dolmetscher zu vermitteln. Eine Einrichtung wie die Flüchtlinge, des Roten Kreuzes, der Caritas, der Kirchen, Stadtbücherei Wittlich mit 36 Stunden Öffnungszeit der Volkshochschulen, den muslimischen Gemeinden, wöchentlich, auch samstags, bot sich hier an. Benötigt einer russischen Integrationseinrichtung, Mitgliedern man einen solchen Dolmetscher, ruft man einfach in des Beirates für Migration und Integration innerhalb der Stadtbücherei an, die die Kontaktdaten der passen- des Kreistages sowie engagierten Privatpersonen wer- den Dolmetscher weitergibt. den aktuelle Probleme in Wittlich angesprochen und Lösungen gesucht und gefunden. Auch Bürgermeister und Landrat schätzen dieses Gremium und tragen ihre Öffentlichkeitsarbeit zur interkulturellen Biblio- aktuellen Probleme vor diesen Fachleuten gerne vor. theksarbeit Und natürlich gehört Öffentlichkeitsarbeit zur inter- kulturellen Bibliotheksarbeit. Besonders erfolgreich ist Stadtbücherei vermittelt Dolmetscher die Veranstaltungsreihe „Ich bin Wittlicher und komme Aktuell wurde ein Dolmetscherpool gebildet, den jeder aus …“. Hier berichten Wittlicher mit Migrationshinter- in Anspruch nehmen kann. Viele Privatpersonen, die eh- grund in einem Lichtbildvortrag über ihre Ursprungshei- renamtlich Flüchtlinge betreuen, können hier einen Lai- mat und erklären, warum sie diese verlassen haben und endolmetscher anfragen, der für einen Arztbesuch oder wie sie nach Wittlich kamen. Wittlicher aus Peru, Kirgi- Formulare der Verwaltung u.ä. kommt und übersetzt. sien, der Türkei, Kasachstan, Algerien und dem Tschad Es handelt sich nicht um ausgebildete Dolmetscher referierten bereits vor stets interessiertem Publikum oder Übersetzer, sondern um Menschen, die z.B. aktuell und konnten über ihre persönlichen Geschichten sehr arabisch oder eine der Sprachen Eritreas und Deutsch viel Verständnis für Menschen, die ihre Heimat verlas- oder Englisch sprechen und gerne beim Einkauf, in der sen müssen und in der Fremde eine neue suchen und Schule und im Kindergarten helfen, indem sie überset- fanden, erwecken. Die Veranstaltung findet halbjähr- Die Stadtbücherei Wittlich engagiert sich vielfältig im Rahmen interkultureller Bibliotheksarbeit, wie hier beim Projekt „Lebendige Bibliothek“. Foto: Carl Münzel 110
bibliotheken heute 3/2015, Jg. 11 TITELTHEMA lich statt, und im Rahmen der Interkulturellen Woche beiter wie z.B. die Mitgliedschaft im gewählten Beirat wird 2015 der Vortrag „Ich bin Wittlicher und komme für Migration und Integration auf Kreisebene sowie aus Togo“ zu hören sein. Für das Frühjahr 2016 steht die Einstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schon „Ich bin Wittlicherin und komme aus Venezuela“ mit Migrationshintergrund und Sprachkenntnissen. In auf dem Plan. Ein weiteres Highlight ist die „Lebendige der Stadtbücherei Wittlich arbeiten eine Mitarbeiterin Bibliothek“, wo Menschen mit Migrationshintergrund mit russischem und eine mit polnischem Hintergrund. als „lebendiges Buch“ in der Stadtbücherei an einem Es ist nicht nur für die Kundenberatung in der entspre- bestimmten Samstag sitzen. Jeder Kunde kann sich chenden Sprache und Bearbeitung der russischen und dazu setzen und erzählen lassen, wie man in Vietnam, polnischen Medien sinnvoll, über solches Personal zu Afghanistan, Kasachstan … lebt, denkt, arbeitet und verfügen, sondern vermittelt allen Menschen, dass Mi- fühlt. grationshintergrund in Deutschland inzwischen selbst- verständlich ist. Die Teilnahme am Internationalen Sommerfest und an dessen Mitorganisation sind für die Bibliothek selbst- verständlich; sie ist auch ein sehr geschätzter Partner, Bibliotheksangebote für Flüchtlinge werden sich ent- da sie im Gegensatz zu vielen karitativen und anderen wickeln, wie sich die interkulturelle Bibliotheksarbeit in Einrichtungen über ein Budget für Öffentlichkeitsar- Deutschland in den letzten Jahren entwickelt hat. Jede beit verfügt und so auch in der Lage ist, professionelle Kleinstadt steht heute vor dem Problem, Flüchtlinge in Künstlerinnen und Künstler zu engagieren. die Bürgerschaft zu integrieren. Bibliotheken können hier eine wichtige Rolle spielen, sie müssen sie nur er- greifen. Engagement vonseiten des Bibliothekspersonals Wichtig ist auch einfach persönliches Interesse und En- Elke Scheid, gagement der Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitar- Leiterin der Stadtbücherei Wittlich 111
bibliotheken heute 3/2015, Jg. 11 TITELTHEMA Flüchten, ankommen, dazugehören: Was können wir als Bücherei beitragen? – Ein Bericht aus Emmelshausen Diese Frage stellten wir schnell, als in unserer Umge- bung die ersten Flüchtlinge eintrafen. Auch den neuen Schülerinnen und Schülern, die nun im an die Bücherei angrenzenden Schulzentrum zur Schule gehen, wollten wir gerne Angebote machen und sie willkommen hei- ßen. Und unseren Leserinnen und Lesern möchten wir Bücher empfehlen, die ein Klima von Toleranz fördern und helfen können, Scheu und Vorurteile abzubauen. Große Worte, doch wie erreichen gerade in kleinen Bü- chereien? Sehr rasch kamen Mitglieder der Flüchtlings- hilfe und Vertreter der Kommune auf uns zu und baten um Ideen und Unterstützung. Nach anfänglicher Ratlosigkeit entwickelten wir dann doch einige Ideen… Eine hilfreiche Buchauswahl, unser Ordnungssystem und die Benutzungsordnung galt es Menschen zu ver- Zwei syrische Mädchen bei einer Buchvorstellung mit Büchereileiterin Jutta Tesch in der Stadtbücherei Emmelshausen. mitteln, die zunächst über sehr geringe Deutschkennt- nisse verfügen. Wie so oft, begannen wir bei den Kindern: Eine Erziehe- Spende von 500 Euro überlassen, die wir zum Einkauf rin, die unser Team ehrenamtlich unterstützt, besuchte passender Literatur verwendet haben. über einige Monate ein Mädchen aus Ägypten. Sie las Den Erlös von unserem letzten Bücherflohmarkt nutzen ihr vor, betreute sie beim Erlernen der deutschen Spra- wir für weitere Anschaffungen zum Thema und haben che und auf ihrem Weg in die erste Klasse nach den dies auch in Presseankündigung und Nachlese kommu- Sommerferien. Es war sehr schön zu sehen, wie sich Lourian nach ei- niziert. ner Vorlesestunde in der Bücherei, wo sie hocherfreut auch Klassenkameraden antraf, ein Lesebilderbuch mit Nach Sichtung von Büchern zum Thema Flucht, Ein- Prinzessinnengeschichten heraussuchte und nach einer wanderung und Integration haben wir einige Titel zu- Weile strahlend erklärte: „Schaut mal, ich hab selbst sammengestellt, wie Jenny Erpenbecks „Gehen, ging, gelesen!“ Lourians Mama hat sich beim nächsten Bü- gegangen“ oder eine schöne „neue“ Ausgabe von Fabio chereibesuch dann auch gleich angemeldet, denn auf Gedas „Im Meer schwimmen Krokodile.“ Frank Cottrell Anregung der Bürgermeisterin haben wir eine Benut- Boyce hat ein berührendes Buch für Leser von 9-15 zergruppe „Flüchtlinge“ eingerichtet, die vorerst von Jahren geschrieben: „Der unvergessene Mantel.“ Au- der Jahresgebühr befreit ist. ßerdem haben wir Themenpäckchen für Kindergärten und Schulen geschnürt, im Knesebeck Verlag ist z.B. ein Einige Tage später holte ein in der Flüchtlingshilfe en- sehr schönes Bilderbuch „Zuhause kann überall sein“ gagierter Lehrer zwei Mädchen aus Syrien in ihren Klas- erschienen. Zudem wurden altersgerechte, aktuelle sen ab, um uns zu besuchen. Bildwörterbücher eingekauft und dazu gepackt. Nach der Besichtigung der Bücherei, spielten wir in un- serem Leseraum bei Tee und Keksen unser Bibliotheks- Schließlich haben wir interessierte Flüchtlinge zu Füh- memory und stellten Bildwörterbücher vor. Die beiden rung, Buchvorstellung und Kaffee in die Bücherei einge- Mädchen waren ganz glücklich und haben auch sofort laden. Die Familien und auch die jungen Männer haben Bücher und CDs ausgeliehen. Der Lehrer begleitet die uns sehr gerne besucht, waren interessiert und haben Mädchen die ersten Male, so ist eine fristgerechte Bildwörterbücher für Erwachsene, Kinderbücher und Rückgabe gewährleistet. Filme ausgeliehen. Wir haben einen angenehmen und lustigen Nachmittag miteinander verlebt, eine ehren- Gleichzeitig hat uns die Stadtverwaltung eine private amtlich Aktive betonte ausdrücklich, wie wichtig es für 112
bibliotheken heute 3/2015, Jg. 11 TITELTHEMA die Flüchtlinge ist, „einfach mal rauszukommen und et- erreichen wir sicherlich dann, wenn wir das Motto des was anderes zu sehen und zu erleben.“ bekannten afrikanischen Sprichworts beherzigen: „Vie- le kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Unsere Erfahrung ist es, dass kurze Wege und unkon- Dinge tun, können das Gesicht dieser Welt verändern.“ ventionelle Aktionen sehr effektiv sind und wir möchten Jutta Tesch, mit diesem Artikel die Kolleginnen und Kollegen gerne Leiterin der Stadtbücherei Emmelshausen dazu anstiften, ähnliche Ideen auszuprobieren, denn eine wirkliche Willkommens- und Ankommenskultur Es ist angerichtet – die Gäste können kommen! Führung mit Buchvor- Ali aus Afghanistan, Said aus dem Iran und Cabdikadr aus Somalia stellung sowie Kaffee und Kuchen für Flüchtlinge und Asylbewerber freuen sich über die Einladung und über das Angebot in der Bücherei. in der Stadtbücherei. Fotos: Angelika Stief, Willi Hillingshäuser und Jutta Tesch Sprendlingen: Die Bücherei als Ort des Spracherwerbs Das Thema Flüchtlinge und Asylbewerber ist im Mo- Die erste Einführungsveranstaltung war ein Vortasten. ment allgegenwärtig und der Druck, etwas für diese Sehr schnell wurde klar, dass man sehr flexibel sein Menschen zu tun, die meist ohne Sprachkenntnisse bei muss. Selbst ein Kurs von nur zehn bis zwanzig Lernen- uns ankommen, wächst mit der Anzahl der Ankommen- den beinhaltet diverse Nationalitäten, unterschied- den. lichste Sprachen und verschiedenste Kenntnisstände Wie so viele Andere in verschiedensten Organisationen der deutschen Sprache. und Positionen auch, bin ich zunächst sehr plötzlich und ohne eigenes Zutun zu diesem Thema gekommen, Ebenso finden sich unter den Kursteilnehmern auch als die Referentin des Deutschkurses der Verbandsge- immer solche, die zwar kein oder kaum Deutsch spre- meinde mich ansprach, ob sie denn nicht einmal mit chen, dafür jedoch der englischen Sprache auf verschie- ihrem aktuellen Kurs zu mir in die Bücherei kommen densten Stufen mächtig sind. Wie schön ist es, wenn und ich eine kurze Einführung für die Kursteilnehmer man mit einem Gegenüber, mit dem man im einen geben könnte. Moment fast nur in der Zeichensprache und rudimen- tär auf Deutsch reden konnte, auf einmal auf Englisch Sprachkurse in der Bücherei ein richtig gutes Gespräch führen kann! Und trotz des Über diese Kontaktaufnahme habe ich mich sehr ge- fließenden Gespräches auf Englisch versuchen alle Be- freut. Kurz danach besuchte uns dannauch schon der sucher immer möglichst viel deutsch zu sprechen oder erste Kurs. zu verstehen. 113
bibliotheken heute 3/2015, Jg. 11 TITELTHEMA Etliche Deutschkurse in unterschiedlichen Zusammen- wörterbüchern oder einfachen Geschichten zu lernen. setzungen sind mittlerweile zum Kennenlernen in der Ebenso ist der Einsatz von DVDs – wegen der Möglich- Bücherei gewesen. Meine Einführungen halte ich inzwi- keit auf andere Sprachen umzuschalten und dieselbe schen in einem einfachen Deutsch mit kurzen Sätzen, Szene einmal auf Deutsch und einmal auf Englisch oder die ich langsam und in Ruhe spreche. Je nach Zusam- Französisch anschauen zu können – speziell für diejeni- mensetzung der Gruppe mache ich sie jedoch dann gen, die bereits eine weitere Sprache verstehen können, auch in fliegendem Wechsel auf Englisch. Oder flechte sehr zu empfehlen. auch einmal nur einen englischen Begriff, ein englisches Wort ein. Das hat sich sehr bewährt. Und die Kursteil- Mittlerweile habe ich auch schon einige Zeit eine Stun- nehmer freuen sich über die Möglichkeiten, die eine Bü- de Einzelunterricht pro Woche für ein syrisches Mäd- cherei ihnen bietet. chen gegeben. Dieses war vom Alter in die 5. Klasse eingeschult worden, konnte aber auf Grund der Sprach- Natürlich hat es sich ganz schnell herausgestellt, dass schwierigkeiten aus den meisten Fächern nicht viel bis unser Bestand durchaus nicht in größerem Maße für gar nichts an Wissen mitnehmen. In diesen Stunden dieses Thema ausgelegt ist. Auch der Einsatz von Wör- wurde sie auf Betreiben des Klassenlehrers herausge- terbüchern ist schwierig, zum einen durch die Vielfalt nommen und extra in der Sprache geschult. Auch hier der benötigten Sprachen, zum anderen durch die nicht haben mir die Kinderbücher – im direkten Dialog im leistbare, benötigte Anzahl. Besonderen die Wimmelbilderbücher – gute Dienste geleistet. Kinderbücher und DVDs als Einstieg Daher habe ich mich darauf eingestellt, das zu nutzen, Weitere Angebote in Vorbereitung was vorhanden ist. Meine eigenen Erfahrungen beim Ich bin dabei, einen Bestand mit geeigneten Büchern zum Lernen einer Sprache – ich habe zwei Jahre in den USA „erste Worte lernen“ für Erwachsene aufzubauen. Mit gelebt – haben mir dabei sehr geholfen. Und da ich mit Kleinkindern dort war, habe ich zur Erweiterung meiner dem Flüchtlingsbeauftragten der Verbandsgemeinde habe eigenen Sprachkenntnisse Kinderbücher schätzen ge- ich Kontakt aufgenommen und hoffe, dass wir gemein- lernt. Natürlich würde man diese Bücher in der eigenen sam bald noch viele weitere Angebote schaffen können. Sprache eben nur mit Kindern lesen wollen – in einer Ideen habe ich viele: mehrsprachige Vorlesestunden für die fremden Sprache stellt aber auch ein Kinderbuch oft Kinder unter Einbindung eines oder mehrerer Erwachsener schon sehr hohe Anforderungen an das Vokabular und, der zugehörigen Volksgruppe, Angebote im Flüchtlingsca- je nach Niveau des Buches, auch an den Satzbau. fé der Verbandsgemeinde und einiges mehr. Momentan Es sind die Worte des Alltags, die in diesen Büchern bin ich unter anderem damit beschäftigt Kooperations- komprimiert zu finden sind. Und das ist es, was man partner zu suchen, Geld aufzutreiben, um hier den Bestand als erstes in einem Land mit fremder Sprache braucht erweitern zu können, und einiges mehr. – hochgeistige Literatur kommt da erst sehr viel später Und ich freue mich jedes Mal, wenn ich einem meiner zum Zuge. Diese Erfahrung versuche ich bereits ganz Kunden beim Einkaufen oder im Ort begegne und wir uns am Anfang eines Besuches zu vermitteln und daraus freundschaftlich grüßen! resultierend die Erkenntnis, dass nichts Ehrenrühriges dabei ist, die ersten Wörter und Sätze – neben einem Heike Walther, regulären Deutschkurs – auch zum Beispiel aus Kinder- Leiterin der Gemeinde- und Schulbücherei Sprendlingen 114
bibliotheken heute 3/2015, Jg. 11 TITELTHEMA Stadtbücherei Wörth als Dienstleister in der Flüchtlingsarbeit Die Stadtbücherei Wörth hatte bereits vor der aktuellen Seit dem starken Zustrom von Flüchtlingen bietet die Flüchtlingsproblematik einen hohen Anteil an Nutzern VHS neben ihren regulären Deutschkursen auch kos- mit Migrationshintergrund und daher ihren Bestands- tenlose Deutschkurse für alle interessierten Flüchtlinge aufbau entsprechend multikulturell ausgerichtet. an. Die Lehrkräfte haben einen kostenlosen Benutzer- So gibt es einen wachsenden Bestand an zweisprachi- ausweis der Stadtbücherei und können damit auf den gen Kinder- und Jugendbüchern (Englisch, Französisch, kompletten Bestand zugreifen. Türkisch, Russisch, Arabisch u.a.) und fremdsprachigen „Die Themen, die im Kurs behandelt werden, sind sehr Romanen (Englisch, Französisch, Russisch, Türkisch). unterschiedlich. Für die Bewältigung all der Fragen, braucht man oft zusätzliche Materialien wie Karten, Im Sachbuchbereich bietet die Stadtbücherei Sprach- kurse zum Deutsch lernen für verschiedene Zielgrup- Spiele, Bücher etc. Einen großen Beitrag leistet hier die pen, Vorbereitungsmaterial für Integrationskurse, Bild- Bücherei. Denn sie ist nicht nur ein Ort, wo man die nö- wörterbücher und Grammatiken für unterschiedliche tigen Medien ausleihen kann, sondern oft Beratungs- Sprachgruppen sowie pädagogisches Material zu inter- stelle der Kursleiter, die nach Bedarf passende Medien kulturellen Themen und Sprachförderung für Erzieher/ empfehlen kann“, so eine der Kursleiterinnen der VHS. innen und Lehrerkräfte. Auch die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer und Be- Ergänzend dazu kommen Bücher, die inhaltlich das The- treuer von Kirche, Tafel und anderen engagierten Grup- ma Migration und Flucht aufgreifen. pen können dieses Angebot nutzen. Führungen mit Auf dieses Medienangebot wird verstärkt zugegriffen. Flüchtlingsgruppen sind in Planung. Mittlerweile wurden alle Medien, die im weitesten Sin- ne zu diesem Thema gehören, mit dem IK „Integration“ Zusammenfassend können wir feststellen, dass die versehen, so dass der Bestand von allen Interessierten Stadtbücherei im Moment vor allem Dienstleister für gezielt abgerufen werden kann. professionelle wie ehrenamtliche Betreuer ist. Wir schauen aber neugierig auf die Arbeit der Kolleginnen Die enge Zusammenarbeit mit der VHS, die auch räum- lich in die Bücherei integriert ist, erwies sich auch hier und Kollegen in diesem Bereich und sind offen für An- als hilfreich. So konnten wir bereits 2014 einen Work- regungen und Anforderungen, die politisch und gesell- shop „Interkulturelles Training für Vorlesepaten und schaftlich an uns herangetragen werden. Lernpaten“ in Kooperation mit dem Jugendmigrations- dienst Wörth (JMD) und dem Jugendmigrationsdienst Helga Hanik, Germersheim (IB) veranstalten. Leiterin der Stadtbücherei Wörth 115
bibliotheken heute 3/2015, Jg. 11 TITELTHEMA Speyer: „Willkommenspaket“ – nicht nur für Flüchtlinge Dass Sprache auch eine Barriere darstellen kann, ist Büchern in angemessener Sprache anfangen können. vielen wahrscheinlich bekannt. Außerdem ist in unserer So bieten wir jedem seinen ganz eigenen Zugang zur Gesellschaft das Lesen eine Schlüsselqualifikation. Um Literatur und gleichzeitig einen barrierefreien Zugang dies auch möglichst schnell Flüchtlingen und Asylbe- zum gesellschaftlichen, kulturellen und beruflichen Le- werbern zu ermöglichen, hat die Stadtbibliothek Spey- ben. Das Angebot besteht für Kinder und Erwachsene. er verschiedene Angebote. In Speyer gibt es den „Treffpunkt Asyl“. Dort- So bieten wir für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer hin geben wir unsere geschenkten oder „ausge- der Deutsch- und Alphabetisierungskurse Führungen musterten“ Kinderbücher. Nach Rückmeldung an und für die Dauer der Kurse auch einen kostenlosen der Betreuer vor Ort wird das Angebot von Kin- Leseausweis. Für die Deutsch-Feriensprachkurse gibt dern, aber auch Erwachsenen gerne angenommen. es immer eine Medienkiste, in der sich auch Bildwör- Angedacht haben wir, auch die Menschen im „Treff- terbücher befinden. Hier arbeiten wir ganz eng mit der punkt Asyl“ zu Bibliotheksbesuchen mit Führungen Volkshochschule Speyer zusammen, die diese Kurse an- einzuladen. bietet. Angela Magin, Bei den Führungen weisen wir auf unsere beiden Stadtbibliothek Speyer Computer-Arbeitsplätze hin, die ohne Bibliotheks- ausweis genutzt werden können. Hier besteht auch die Möglichkeit, Recherchen im Internet vorzuneh- men. Außerdem bieten wir ein kostenloses WLAN an. Das neue Lernportal des Deutschen Volkshochschul- verbandes www.ich-will-deutsch-lernen.de wurde zur Förderung der sprachlichen, beruflichen und gesell- schaftlichen Integration Zugewanderter entwickelt. Wir haben angedacht, die Plattform auf dem Desktop unserer Computer zu installieren, damit die Interessier- ten direkt darauf zugreifen können. Der Bestand „Deutsch als Fremdsprache“ wurde aus- gebaut, ebenso die „Bildwörterbücher“ aufgestockt. Es gibt Medien in Russisch/Deutsch, Türkisch/Deutsch und Arabisch/Deutsch. Sobald uns weitere Zielspra- chen bekannt sind, schaffen wir auch dafür Medien an. Darüber hinaus haben wir ein Regal mit Büchern in „Ein- Kinder eines Ferien-Sprachkurses nutzen nach einer Füh- facher Sprache“ eingerichtet, damit die Teilnehmerin- rung durch die Stadtbibliothek Speyer das Bestandsangebot. nen und Teilnehmer der Kurse gleich mit dem Lesen von Foto: Anke Mertens / VHS Speyer 116
bibliotheken heute 3/2015, Jg. 11 TITELTHEMA Für Mühen der Flucht sensibilisieren Lesung in der Stadtbücherei Frankenthal Rund 100 Besucherinnen und Besucher fanden sich am Noch drei Wochen waren die zumeist heimlich aufge- 13. August in der Stadtbücherei Frankenthal zu einer nommenen Fotografien von Stanislav Krupar im Ober- Veranstaltung des Journalisten Wolfgang Bauer ein, der geschoss der Stadtbücherei zu sehen. aus seinem Buch „Über das Meer – mit Syrern auf der Flucht nach Europa“ vorlas. Trotz einiger Bedenken im Vorfeld, ob und wie diese Die Stadtbücherei Frankenthal hatte sich zum Ziel ge- Veranstaltung aufgenommen werden würde, hielten setzt, das aktuelle Thema Flüchtlinge aufzugreifen und wir es für wichtig, uns zu diesem Thema zu positionie- mit dieser Veranstaltung für die Nöte der geflüchteten ren. Die Resonanz war jedoch durchweg positiv und die Menschen und ihre mühevolle Flucht nach Deutsch- Veranstaltung war eine ausgesprochen lohnenswerte land zu sensibilisieren. Erfahrung für die Stadtbücherei. Zusammen mit dem Fotografen Stanislav Krupar, Christine Wieder, dessen Bilder ebenfalls in der Stadtbücherei zu sehen Stadtbücherei Frankenthal waren, zahlte Bauer Geld an Schleuser. Mit verdeck- ter Identität versuchten sie, gemeinsam mit syrischen Flüchtlingen, auf einem Flüchtlingsboot über das Mit- telmeer nach Europa zu kommen. Über das Meer – Auch Bauer und Krupar stießen auf einige Schwierig- keiten: Sie waren tagelang in engen Wohnungen ein- Mit Syrern auf der gesperrt und wurden Geiseln einer Mafiabande. In Kleinbussen erreichten sie schließlich den Strand und Flucht nach Europa konnten die Flüchtlingsboote besteigen. Auf hoher See mussten alle Bootsinsassen, unter denen sich auch Vortrag und Gespräch Kinder, kranke und alte Menschen befanden, von ei- mit dem Autor und Zeit-Reporter nem kleinen in ein größeres Flüchtlingsboot wechseln. Wolfgang Bauer Schließlich kam es zu einem Zusammenstoß mit be- waffneten ägyptischen Sicherheitskräften. Die beiden Donnerstag | 13. August 2015 | 19:30 Uhr Journalisten gaben ihre Identität preis und verbrachten Stadtbücherei | Welschgasse 11| Eintritt 5 Euro neun Tage in einem ägyptischen Gefängnis. Schließlich wurden sie in die Türkei abgeschoben und konnten von dort zurück nach Europa fliegen. Während der zweistündigen Veranstaltung las Wolf- gang Bauer einige Kapitel aus seinem Buch und erzähl- te anschaulich von seinen Erlebnissen. Im Fokus stand dabei die unsichere Situation der Flüchtlinge. Diese be- finden sich gegenüber den Schleppern, denen sie hohe Summen für ihre Dienste zahlen, in einer äußerst hilflo- sen Position. Die aktuelle Lage der Menschen, die nach Europa flüchten, wurde in den historischen und politi- schen Kontext eingebettet und anhand von reellen Be- gebenheiten für das Publikum be-greifbar. Im Anschluss an die Lesung kam es zu einer angeregten und konstruktiven Diskussion. Die Besucherinnen und Besucher der Veranstaltung zeigten Interesse an der Situation der Flüchtlinge in Deutschland. Viele waren motiviert, sich aktiv für die Belange von Flüchtlingen zu engagieren. 117
bibliotheken heute 3/2015, Jg. 11 TITELTHEMA Entdeckungsreise in die Bücherwelt Flüchtlingskinder besuchten im Rahmen eines Sprachkurses eine Bücherei Soviel Fleiß ist nicht selbstverständlich: In Wissen geht wachsen. Um sie dann auch ans Lesen zu bekommen, ein halbes Dutzend Kinder sogar in den Osterferien zur kann der Besuch in der Bücherei dabei helfen, die Schule. Sie alle sind Flüchtlingskinder und üben in der Hemmschwelle zum Betreten einer solchen Institu- Karwoche im Rahmen eines Kurses jeden Vormittag tion abzubauen. Auch Carol Oertel würde sich freuen, deutsche Vokabeln und Grammatik. Und weil das Spre- wenn die Kinder als regelmäßige Lesegäste wiederkä- chen einer Sprache nicht alles, sondern auch das Lesen men, und kann sich gut vorstellen, dass auch weitere wichtig ist, haben die Erst- bis Fünftklässler zusammen Deutschkurse die Bücherei besuchen. mit ihrer Sprachförderlehrerin der Evangelischen öf- fentlichen Bücherei in Wissen einen Besuch abgestat- Ulrike Fritscher, tet, die dazu extra außer der Reihe öffnete. Rhein-Zeitung Büchereileiterin Carol Oertel hieß die Mädchen und Dieser Beitrag ist erstmals in der Rhein-Zeitung Altenkir- Jungen willkommen und führte sie in die Welt der chen, Betzdorf vom 1. April 2015 auf Seite 16 erschienen. Bücher ein. Neben Lese- und Bilderbüchern für alle Wir veröffentlichen ihn hier leicht gekürzt mit freundli- Altersstufen gab es noch viel mehr zu entdecken: die cher Genehmigung der Rhein-Zeitung. lustigen kleinen Tierfigürchen in den Regalen, die auf Kindergröße zugeschnittenen Tische und Stühle, viele Gesellschaftsspiele und einige CDs, die man alle auch ausleihen kann. „Unsere Bücherei ist sehr kinderfreundlich aufgebaut“, findet die Leiterin. Sie hat versucht, das auch den Besu- cherkindern herüberzubringen, indem sie ihnen Infor- mationen über die Bücherei gab und ihnen den sorg- samen Umgang mit Büchern, etwa beim Umblättern, zeigte. Ihre anfängliche Scheu legten die Kinder schnell ab, stöberten in den Regalfächern nach interessantem Le- sestoff und probierten das Spiel „Twister“ aus. Dabei verständigen sie sich untereinander auf Deutsch, und das klappt schon sehr gut. Dafür, dass die Mädchen und Jungen – unter anderem aus Italien, Polen oder dem Kosovo – nicht länger als ein Jahr hier leben, haben sie schon große Fortschritte gemacht. „Die Kinder lernen so schnell“, merkt ihre Sprachför- derkraft mit Stolz auf ihre Gruppe an. Sie bringt ihnen die Sprache spielerisch bei. „Die Sache soll ja auch Spaß machen.“ Über die allerersten Anfänge – sich gegensei- In der Evangelischen öffentlichen Bücherei gingen die Flücht- tig vorstellen, bitte und danke sagen und Grußformeln lingskinder auf Entdeckungsreise in die Welt der Bücher. lernen – sind die Kinder meistens schnell hinausge- Foto: Ulrike Fritscher 118
bibliotheken heute 3/2015, Jg. 11 TITELTHEMA Bücher sollen Flüchtlingen bei Eingewöhnung helfen Integration: Evangelische Bücherei schafft zweisprachige Werke an Auf vielfältige Weise erhalten in der Verbandsgemeinde Dieser Beitrag ist erstmals in der Rhein-Zeitung Linz, Asbach Flüchtlinge Unterstützung. Auch in der evange- Neuwied vom 8. Juni 2015 auf Seite 25 erschienen. Wir lischen öffentlichen Bücherei Asbach möchte man veröffentlichen ihn hier leicht gekürzt mit freundlicher jenen Menschen entgegenkommen, die in der Wes- Genehmigung der Rhein-Zeitung. terwaldgemeinde angekommen sind. Büchereileiterin Beate Klein hält nicht nur Bücher in sieben Sprachen für die Nutzer der Bibliothek bereit, ebenso hat sie auch zweisprachige Bücher, darunter auch viele Kinderbü- cher, angeschafft. Da kann beispielsweise die Geschich- te von Jim Knopf in Russisch ausgeliehen werden, fran- zösische Comics oder Gedichte in arabischer Sprache. „Wir möchten so unseren Beitrag dazu leisten, dass die Menschen eine Chance haben, sich hier zu integrieren“, sagt Beate Klein. So hat sie sich unter anderem auch mit der Integrationslotsin der Verbandsgemeinde As- bach zusammengesetzt, um zu erfahren, was die Leute aus arabischsprachigen Ländern gern lesen. Besonders erfreut ist Beate Klein, dass ihr Team seit Oktober von der aus Syrien stammenden Siham Aslan unterstützt wird. „Frau Aslan kann so Brücken bauen und bei der Verständigung behilflich sein“, meint Klein. Auch mit der ehrenamtlichen Büchereimitarbeiterin Natalia Weizel ist das Team etwas internationaler ge- worden. Natalia Weizel stammt aus Russland und dient Natalia Weizel (von links), Siham Aslan und Beate Klein oftmals als Ansprechpartnerin für ihre Landsleute, die von der evangelischen öffentlichen Bücherei in Asbach. in Asbach leben. Foto: Beate Christ Beate Christ, Rhein-Zeitung 119
bibliotheken heute 3/2015, Jg. 11 STATISTIK STATISTIK Gesamtstatistik Rheinland-Pfalz 2014 Kommunale und kirchliche öffentliche Bibliotheken 120
bibliotheken heute 3/2015, Jg. 11 BIBLIOTHEKSPRAXIS BIBLIOTHEKSPRAXIS Bestandserhaltung in Rheinland-Pfalz „Kulturgut in Gefahr – Archive und Bibliotheken in Rheinland-Pfalz“ so wurde die Broschüre betitelt, die die Auswertung einer Umfrage dokumentiert, die in Bibliotheken und Archiven in RLP im Jahr 2014 durchgeführt wurde. Diese Umfrage hat eine Vorgeschichte. 2013 traf die AG Bestandserhaltung Rheinland-Pfalz erstmals im Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur zusam- men. Sie setzt sich zusammen aus Bibliothekaren und Archivaren, die für staatliche, kommunale, wis- senschaftliche oder kirchliche Einrichtungen stehen. Um eine Ausgangsbasis für alle weiteren Überlegun- Angeschrieben wurden 82 Bibliotheken aus unter- gen zu haben, wurde eine landesweite Umfrage 2014 schiedlichen Trägerschaften, davon antworteten 42, so durchgeführt. Der vorliegende Beitrag fasst für die Bi- dass das Ergebnis repräsentativ ist. Historisch bedingt bliotheken die Ergebnisse der Umfrage zusammen, für ist die bibliothekarische Überlieferung in Rheinland- die Archive ist dies nachzulesen in der schon genann- Pfalz sehr verstreut und findet sich nicht in einigen we- ten Broschüre oder auf der Homepage von Landesbi- nigen großen Bibliotheken, sondern in vielen kleinen bliothekszentrum (LBZ) und Landesarchivverwaltung Einrichtungen mit unterschiedlicher Trägerschaft. (LAV).1 Die Umfrage begann mit einer genauen und differen- zierten Abfrage des historischen Bestandes und unter- schied dabei zwischen Druckwerken der verschiedenen Jahrhunderte, Handschriften und Autographen. Inter- essanterweise verwiesen Bibliotheken in durchaus nen- nenswertem Umfang auch auf digitale Angebote und audiovisuelle Medien, die im Folgenden jedoch nicht im Mittelpunkt standen, sondern eigene Herausforderun- gen bei ihrer Erhaltung haben. Nur 35 Bibliotheken haben die Frage zum Ausmaß der Schäden beantwortet, bei der Frage zu einzelnen Schäden (Verschmutzung, Schimmel, Papierzerfall, Ein- band-/mechanische Schäden) sind es meist weniger. Grund kann die Schwierigkeit bei der Schadenserken- nung und -beschreibung sein, zudem haben die wenigs- ten eine Schadensanalyse. Erschreckend hoch sind die Zahlen bei vermeidbaren Schäden. Die Verschmutzung ist erklärbar, da fast kei- ne Bibliothek die Möglichkeit hat, die Magazine und die Magazinbestände regelmäßig zu reinigen. Schlimmer jedoch sind die hohen Zahlen beim Schim- mel, denn dieser stellt eine Gesundheitsgefährdung für Mitarbeiter und Benutzer dar und ist nicht allein eine Die Broschüre „Kulturgut in Gefahr – Archive und Bibliotheken in Bestandsschädigung. Verursacht wird Schimmel immer Rheinland-Pfalz“ dokumentiert die Ergebnisse einer 2014 in rhein- durch eine mangelhafte Unterbringung und falsche kli- land-pfälzischen Bibliotheken und Archiven durchgeführten Umfrage zur Bestandserhaltung. matische Bedingungen. Die Kosten für die Beseitigung 1 Siehe http://lbz.rlp.de/ueber-uns/publikationen/einzelne-publikationen/ 121
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