HANDELN - ÄTHIOPIEN BIENEN LIEFERN MEHR ALS NUR HONIG 75 JAHRE HEKS
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AUGUST 2021 HANDELN DAS MAGAZIN DES HILFSWERKS DER EVANGELISCHEN KIRCHEN SCHWEIZ ÄTHIOPIEN 75 JAHRE HEKS Ein Interview mit Franz Schüle BIENEN LIEFERN MEHR ALTER UND MIGRATION ALS NUR HONIG Gemeinsam geht es besser
INHALT IMPRESSUM NR. 353 / AUGUST 2021 HANDELN Das Magazin des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen Schweiz Erscheint 4-mal jährlich AUFLAGE 49 000 REDAKTIONSLEITUNG Dieter Wüthrich (dw) REDAKTION Bettina Filacanavo (fb) BILDREDAKTION Julie Lovens TITELBILD Die Prävention von COVID-19 in äthiopischen Flüchtlingscamps und deren Umgebung ermöglichte Abinet Teshome es, Wasser und Hygienekonzepte in Gebiete zu bringen, in denen es an allem fehlt. Ein Beispiel für humanitäre Hilfe, die die Ressourcen der betroffenen Bevölkerung langfristig stärkt. KORREKTORAT korr.ch GESTALTUNG Joseph Haas und Corinne Kaufmann-Falk, Zürich DRUCK Druckerei Kyburz AG, Dielsdorf THEMA PAPIER 75 Jahre HEKS Nautilus superwhite FSC Die Kirchliche Zusammenarbeit (KiZA) ist ein wichtiges ABONNEMENT Standbein der Auslandtätigkeit von HEKS. CHF 10.– / Jahr wird jährlich einmal von Ihrer Spende abgezogen IN DIESER NUMMER ADRESSE 3 Editorial HEKS Seminarstrasse 28 4 Äthiopien Postfach Entwicklung der Honigproduktion 8042 Zürich Telefon 044 360 88 00 7 Agenda 2030 Fax 044 360 88 01 E-Mail info@heks.ch Im Einsatz für die globalen Ziele www.heks.ch 10 75 Jahre HEKS www.eper.ch Die Kirchliche Zusammenarbeit im Mittelpunkt HEKS-SPENDENKONTO: Hilfswerk der Evangelischen 16 Alter und Migration Kirchen Schweiz Hilfestellung bei der Integration von älteren Flüchtlingen PC 80-1115-1 20 Grosse Not in Venezuela HEKS leistet humanitäre Hilfe 22 Patenschaft Werden Sie Patin oder Pate 2
EDITORIAL LIEBE LESERIN LIEBER LESER Ich freue mich, Ihnen in dieser Ausgabe feiern. In der heutigen Ausgabe lässt uns unseres Magazins einmal mehr eine bun- mit Franz Schüle eine Persönlichkeit an ih- te Palette von Themen und Aspekten aus ren Erinnerungen teilhaben, die die Ent- unserer Programmarbeit im In- und Aus- wicklung von HEKS während vieler Jahre land präsentieren zu können. Wussten Sie begleitet und als einer meiner Vorgänger zum Beispiel, dass Äthiopien weltweit zu massgeblich geprägt hat (Seiten 10–12). den zehn grössten Produzentenländern Ebenfalls aus ihrer persönlichen Warte von Honig gehört? Nein? Dann hat das beleuchtet Rita Famos, Präsidentin unse- vermutlich damit zu tun, dass nur gera- rer Stifterin, der Evangelisch-reformierten de 800 der rund 50 000 Tonnen jährlich Kirche Schweiz (EKS), die Bedeutung des produzierten Menge an diakonischen Auftrages, Honig exportiert werden den HEKS seit 75 Jahren und damit auch den Weg «Wir wollen im In- und Ausland erfüllt in die Regale des Schwei- zer Detailhandels finden. unseren Beitrag (Seite 14). Denn in Äthiopien selbst zur Umsetzung Zu diesem Auftrag ge- ist die Nachfrage nach hört auch das Pilotprojekt dem wertvollen Naturpro- der Agenda «HEKS AltuM-Tandem», dukt sehr gross. Für vie- le Kleinbauernfamilien 2030 leisten.» das sich an Menschen ab 50 richtet, die in die in diesem immer wieder Schweiz geflüchtet sind. von internen Konflikten erschütterten Diese älteren Flüchtlinge und MigrantIn- Land am Horn von Afrika ist die Imkerei nen haben es häufig besonders schwer, eine wichtige Existenzgrundlage und un- sich in unserer ihnen völlig fremden Kul- verzichtbare Einkommensquelle. HEKS tur zurechtzufinden. «AltuM-Tandem» unterstützt deshalb im Westen des Lan- nimmt sich der Probleme dieser älteren des unternehmerisch orientierte Familien, Menschen an und stellt ihnen eine Be- die nur über wenig eigenes Land verfü- gleitperson zur Seite, die ihnen hilft, sich gen, beim Aufbau einer eigenen Bienen- in der neuen Heimat zurechtzufinden. zucht. Lesen dazu unsere Reportage ab Mehr über dieses spannende Projekt er- Seite 4. fahren Sie in unserer Reportage auf den Seiten 16–19. Unser «Bienenprojekt» in Äthiopien ist in- dessen nur eines von vielen Mosaikstein- Habe ich Ihnen eingangs zu viel Vielfalt chen, mit denen HEKS seinen Beitrag zur versprochen? Ich hoffe nicht. Aber über- Umsetzung der «Agenda 2030», dem zeugen Sie sich selbst ... Ich wünsche globalen Plan der UNO für die Förde- Ihnen auf jeden Fall eine anregende Lek- rung einer nachhaltigen Entwicklung, türe und danke Ihnen für Ihr Interesse leisten will. Die «Agenda 2030» ist dem an unserer Arbeit und Ihre grosszügige übergeordneten Leitprinzip «Niemanden Unterstützung. zurücklassen» verpflichtet. Wie bedeu- tungsvoll dieses Motiv gerade in Zeiten von COVID-19 ist, wo sich die Lebenssitu- ation von ehedem schon benachteiligten Peter Merz Menschen weltweit, aber auch in der Direktor Schweiz teilweise dramatisch verschlech- tert hat, zeigt der Beitrag «Niemanden zurücklassen» (Seiten 7–9). In diesem Jahr dürfen wir bekanntlich das 75-jährige Bestehen unseres Werkes 3
ENTWICKLUNG LÄNDLICHER GEMEINSCHAFTEN Oben: Äthiopien hat eine grosse Tradition in der Bienenzucht. Sie ist eine gute Alter- native für Kleinbauern- familien, die kein eigenes Land besitzen. Links: Demitu Regassa wurde im Projekt zur Imkerin ausgebildet und später selber zur Ausbildnerin. Unten: Die Schulungen stärken die techni- schen Fähigkeiten zur Herstellung von Honig und Bienenwachs. 4
Smoker beruhigen die Bienen und erleichtern die Arbeit der ImkerInnen. ZUSATZVERDIENST DANK HONIG IN ÄTHIOPIEN In Äthiopien lässt sich mit der Entwicklung der Honigproduktion Kenntnisse und Fähigkeiten vertiefen können. Es braucht viel Know-how, um neben der Landwirtschaft und der Viehzucht das Einkommen von Honig ernten zu können: Man muss die Kleinbauern substanziell verbessern. Gleichzeitig entstehen lokale Bienenstöcke aufstellen, ein Bienenvolk und seine Königin erwerben und wissen, Selbsthilfe-Netzwerke. wie man sich um die Bienen kümmern muss, damit sie in der Nähe bleiben, um Text Eden Tadesse und Joëlle Herren Laufer Nektar zu sammeln. Nach der Ernte muss Fotos Abinet Teshome der Honig abgefüllt und ein Absatzmarkt gefunden werden. Das Projekt zielt daher darauf ab, die Pro- Äthiopien ist nicht nur als Wiege der der Region Oromia hat das Potenzial, sei- duktivität der Honigernte zu steigern und Menschheit bekannt, sondern auch als ne Honigproduktion zu erhöhen. Ein die Nutzung diverser Technologien zu Verbreitungsgebiet der «Apis mellifera Glücksfall, denn aufgrund des Bevölke- verbessern, um ein günstigeres Umfeld andansonii», einer Rasse von Zuchtbie- rungswachstums werden die landwirt- für Imker, aber auch für die Gemeinschaft nen. Das Land am Horn von Afrika gehört schaftlichen Flächen für den Anbau von von Horro Guduru als Ganzes zu schaffen. zu den zehn grössten Honigproduzenten Getreide und Gemüse, manchmal auch Dank dem Projekt haben die ImkerInnen der Welt und liefert über ein Drittel der für die Haltung von etwas Vieh, immer auch Zugang zu günstigem Material, wie afrikanischen Produktion. Nur wenige Glä- kleiner. Seit 2016 setzt sich HEKS deshalb zum Beispiel Smokern, die es braucht, um ser gelangen auch nach Europa: Gerade dafür ein, die Imkerei mit jenen Familien die Bienen mit Rauch zu beruhigen, oder einmal 800 der rund 50 000 erzeugten zu entwickeln, die Mühe haben, ihre Mit- Schutzkleidung, die unabkömmlich ist, Tonnen werden exportiert. Denn in Äthi- glieder zu ernähren. Der Vorteil der Bie- um nicht gestochen zu werden. opien besteht selbst eine grosse Nachfra- nenzucht ist, dass man nicht selbst Land Die Schulungen ermöglichen es, die tech- ge nach diesem nahrhaften Lebensmittel, besitzen muss und dass die Investitions- nischen Fähigkeiten für die Herstellung das auch zu Tej – Honigwein – verarbeitet kosten gering sind. von Honig und Bienenwachs zu stärken. wird, während aus dem Bienenwachs Kir- Seit Projektbeginn haben die Ernten pro chenkerzen entstehen. Das Know-how erwerben Imker beträchtlich zugenommen. Die Im- Die BewohnerInnen von Horro Guduru, HEKS arbeitet mit der «Gurmuu Develop- ker haben sich zudem in Gruppen zusam- im ländlichen Westen Äthiopiens, betrei- ment Association», einer indigenen laizis- mengeschlossen, um Erfahrungen auszu- ben seit Generationen Bienenzucht. Die- tischen Organisation. Diese führt Schu- tauschen und um bessere Preise zu erzie- ses florierende Gebiet im östlichen Teil lungen durch, damit die ImkerInnen ihre len. Dies ermöglicht ihnen, ihr Einkommen 5
Honigaufbereitung vor dem Verkauf. ÄTHIOPIEN HEKS-SCHWERPUNKT: ENTWICKLUNG LÄNDLICHER GEMEINSCHAFTEN ERITREA JEMEN SUDAN GOLF VON ADEN ÄTHIOPIEN DSCHIBUTI SOMALIA OROMIA zu erhöhen. Das Projekt ermutigt auch organisiert sind und noch keine Vor- SÜDSUDAN dazu, geeignete Pflanzen anzubauen, de- kenntnisse in der Bienenhaltung hatten. ren Nektar die Bienen sammeln können. Dank dem Projekt verbesserten die Teil- DEM. REP. KONGO KENIA UGANDA nehmenden ihr Wissen und ihre prakti- Verbesserung der Existenzgrund- schen Fähigkeiten in der Imkerei und etwa Bevölkerung: lagen 69 Prozent erklärten, zwischen 2015 und Demitu Regassa ist Imkerin. Sie wurde 2018 eine deutliche Steigerung ihres Ein- 96 Mio. zunächst durch das Projekt geschult und kommens aus Honig erzielt zu haben. dann selbst Ausbildnerin. Früher hatte Eines der ärmsten Länder, Demitu keine finanziellen Mittel, kein Land und keine Tiere. Um für ihre acht Förderung der Artenvielfalt dank Honig Rang Kinder aufzukommen, stellt ihr Mann Es wäre schade, den Reichtum dieser Re- 174 von 187 heute Bienenstöcke her und sie kümmert gion, die mehr als 200 wildwachsende sich um die Bienen. «Als Gurmuu und und eine Vielzahl kultivierter Bienenwei- Das Ziel von HEKS in Äthiopien ist HEKS mir eine Ausbildung in der Imkerei depflanzen zählt, nicht für die Imkerei zu es, den Zugang zu lebensnotwen- vorschlugen, zögerte ich zuerst, denn ich nutzen. Die äthiopische Regierung ist an digen Ressourcen wie Wasser, hatte noch nie eine Ausbildung gemacht. dem Ansatz interessiert. Sie hat verstan- Boden und Saatgut zu verbessern. Es hat mir aber sehr viel gebracht: Heute den, dass die Bienenzucht ein Weg sein Dies erfolgt über eine nachhaltige produziere ich Honig und bin sogar selbst kann, um Kleinbauernfamilien, die ein Landwirtschaft, den Schutz von Ausbildnerin geworden! Ich habe bereits Viertel der Bevölkerung ausmachen, aus traditionellem Saatgut und ein Gruppe von 20 Frauen geschult und der Armut zu führen. Ausserdem trägt die Sicherstellung der Wasserver- dann noch einmal eine Gruppe von 19 die Bestäubung nicht nur zur Nahrungs- sorgung unter Berücksichtigung Frauen. Sie kommen jetzt sehr gut zu- mittelsicherheit bei, sondern erlaubt auch, von Dürren. recht und arbeiten hart, um gute Ergeb- natürliche Ressourcen zu bewahren und nisse zu erzielen», erzählt sie. Arbeitsplätze zu schaffen. Ein Glücksfall Das Projekt erreicht 3846 ImkerInnen so- in einer Zeit grosser politischer Instabilität, wie LieferantInnen von Produktionsmit- die es schwierig macht, sich ausserhalb teln. Es kommt zudem 180 bedürftigen des Gebiets zu begeben. Frauen zugute, die in Selbsthilfegruppen 6
AGENDA 2030 «NIEMANDEN ZURÜCKLASSEN» Diese Forderung zieht sich als übergeordnetes Prinzip durch die gesamte «Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung». Die Corona-Pandemie aber hat viele zu- rückgelassen. Sie hat bestehende Ungleichheiten schonungslos aufgedeckt und weiter verschärft. HEKS will mit seiner Arbeit im In- und Ausland gezielt zur Ver- wirklichung der Agenda 2030 beitragen. Text Nina Vladovic und Una Hombrecher Die «Agenda 2030» der UNO ist ein globaler Plan zur Förderung wie der Klimawandel oder die Zunahme von bewaffneten Kon- einer nachhaltigen Entwicklung bis 2030. Sie wurde 2015 von flikten drohen die in den letzten zwei Jahrzehnten erzielten den UNO-Mitgliedsstaaten verabschiedet. Die darin festgehal- Fortschritte wieder rückgängig zu machen. Zwar ist der Anteil tenen 17 Ziele und 169 Unterziele – die «Sustainable Develop- der Kinder und Jugendlichen, die keine Schule besuchen, in den ment Goals» (SDGs) – berücksichtigen alle drei Dimensionen letzten Jahren gesunken, viele übertragbare Krankheiten sind einer nachhaltigen Entwicklung: ökonomische, soziale sowie rückläufig, der Zugang zu Trinkwasser hat sich verbessert und ökologische Aspekte. Frauen sind in Führungspositionen stärker vertreten. Gleichzeitig Von vielen wird die Agenda 2030 als Paradigmenwechsel gefei- leiden jedoch immer mehr Menschen an Ernährungsunsicherheit, ert, denn im Gegensatz zu den vorangegangenen «Millennium die Zerstörung unserer Umwelt setzt sich bestürzend rasch fort Development Goals» (MDGs), die nur die Länder des globalen und in allen Weltregionen herrscht enorme Ungleichheit. Südens betrafen, nimmt die Agenda 2030 alle Staaten in die Dass sich auch die COVID-19-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Pflicht, ihren Beitrag an eine nachhaltige globale Entwicklung zu und sozialen Folgen stark negativ auf die meisten der 17 SDGs leisten. Auf nationaler Ebene bedeutet dies, dass die Ziele der auswirken wird, zeichnet sich bereits heute ab. In den Ländern Agenda 2030 bei allen politischen Entscheiden verstärkt berück- des globalen Südens sind verletzliche Personengruppen wie äl- sichtigt werden müssen – auch in der Schweiz. tere Menschen, Kinder, Menschen mit Behinderungen, Angehö- rige von Minderheiten, Migrantinnen und Migranten und Flücht- Umsetzung in der Schweiz linge deutlich stärker betroffen als der Rest der Gesellschaft. Die Ziele der Agenda 2030 sind ambitioniert, ihre Umsetzung Und auch Länder mit hohem Einkommen verzeichnen bei mar- erfordert einen immensen politischen Willen. Um die SDGs zu ginalisierten Gruppen die höchsten Sterblichkeitsraten. erreichen und Armut, soziale Ungerechtigkeit und den Klima- Vor diesem Hintergrund gewinnt die Forderung nach einer kla- wandel zu bekämpfen, braucht es eine Transformation der wirt- ren und konsequenten Strategie zur Umsetzung der SDGs in der schaftlichen und politischen Systeme unserer heutigen Gesell- Schweiz weiter an Dringlichkeit. Dem wird die Ende 2020 veröf- schaften. Dazu wiederum sind ambitionierte Massnahmen fentlichte «Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030», in welcher seitens aller Interessenträger gefordert, auch die Beteiligung und der Bundesrat aufzeigt, wie er die «Agenda 2030» in den nächs- der Druck der Zivilgesellschaft. ten zehn Jahren umsetzen will, jedoch nicht gerecht. Die Strate- Bereits 2017 gründeten HEKS und rund 40 weitere Schweizer gie bleibt weit hinter den Ambitionen zurück: HEKS stellt in Organisationen das zivilgesellschaftliche Netzwerk «Plattform seiner Analyse fest, dass im Entwurf weder konkrete, verbindli- Agenda 2030», das die Umsetzung der Agenda 2030 in der che und messbare Umsetzungsziele für die Schweiz definiert Schweiz unterstützt und begleitet. Im Juli 2018 veröffentlichte noch zusätzliche finanzielle Ressourcen zur Umsetzung der die Plattform ihren Bericht «Wie nachhaltig ist die Schweiz?», in SDGs bis 2030 vorgesehen werden. Diese Kritik sowie konkrete dem sie den Handlungsbedarf aufzeigte und Empfehlungen zur Änderungsempfehlungen hat HEKS im Rahmen seiner Teilnah- Umsetzung der Agenda 2030 formulierte. So forderte die Platt- me am Vernehmlassungsverfahren eingebracht. form etwa eine stärkere institutionelle Verankerung der Agenda 2030 innerhalb der Bundesverwaltung, ausreichende Ressourcen HEKS bleibt dran für die Umsetzung und die Stärkung der politischen Kohärenz Für das laufende Jahrzehnt bilden die «Agenda 2030» und ihr für nachhaltige Entwicklung. Leitprinzip «Niemanden zurücklassen» einen wichtigen Schwer- punkt und Referenzrahmen der Arbeit von HEKS im Ausland Rückschläge durch multiple Krisen und in der Schweiz. Denn auch HEKS ist überzeugt: Ein gleich- Die bisherigen globalen Anstrengungen reichen jedoch nicht berechtigter Zugang zum sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen aus, um den nötigen Wandel herbeizuführen. Eine erste, ernüch- und politischen Leben stärkt den sozialen Zusammenhalt und ternde Bilanz zog der im Jahr 2019 veröffentlichte «Global Sus- bildet somit eine wichtige Grundlage für prosperierende, inklu- tainable Development Report»: Die multiplen Krisen unserer Zeit sive und friedliche Gesellschaften. 7
AGENDA 2030 DER BEITRAG VON HEKS AN DIE Neben seinem gesellschaftspolitischen Engagement trägt HEKS mit seiner Programmarbeit im In- und Ausland zur Umsetzung der Zie- le für eine nachhaltige Entwicklung bei. Acht Beispiele unseres Wirkens im Ausland und in der Schweiz. ZIEL 16 «FRIEDEN, GERECHTIGKEIT UND STARKE INSTITUTIONEN» In der Schweiz: Mit Rechtsberatung steht HEKS Asylsuchenden und ande- ren sozial Benachteiligten mit Rechts- beratung zur Seite und gewährleistet ihnen dadurch einen gleichberechtig- ZIEL 10 «WENIGER ten Zugang zur Justiz. UNGLEICHHEITEN» Im Ausland: Ohne Frieden, Gerech- In der Schweiz: HEKS unterstützt be- tigkeit und starke Institutionen ist nachteiligte Menschen in der Schweiz Entwicklung nachgewiesenermassen bei ihrer sozialen Integration, verhilft nicht nachhaltig. Deshalb fördert ihnen zur aktiven Teilhabe am gesell- HEKS in seinen Projektländern den schaftlichen Leben und trägt somit Aufbau einer starken Zivilgesellschaft nachhaltig zur Reduzierung von Ar- und die Konflikttransformation. mut und Ungleichheit bei. Im Ausland: HEKS setzt sich mit seinen Projekten dafür ein, dass sozial benachteiligte, marginalisierte Menschen Anteil am sozialen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Leben nehmen kön- nen. Seien dies Roma-Gemeinschaf- ten in Ost-Europa, Adibashi und Dalit in Bangladesch oder indigene Ge- meinschaften in lateinamerikanischen Ländern. ZIEL 15 «LANDÖKOSYSTEME SCHÜTZEN» Im Ausland: HEKS setzt sich in seinen ZIEL 13 «BEKÄMPFUNG DES Projekten für den Erhalt, die Wieder- KLIMAWANDELS» herstellung und die nachhaltige Be- Im Ausland: HEKS unterstützt jene wirtschaftung von Landökosystemen, Menschen, die am meisten unter den insbesondere der Biodiversität, ein. Folgen des Klimawandels leiden, je- doch wenig zu diesem beigetragen haben, darin, sich an langfristige kli- matische Veränderungen anzupassen und ihre Widerstandsfähigkeit ge- genüber klimabedingten Risiken zu stärken. HEKS setzt sich für mehr Kli- magerechtigkeit zwischen Nord und Süd ein. 8
UMSETZUNG DER AGENDA 2030 ZIEL 2 «KEIN HUNGER» Im Ausland: Die ärmsten und am stärksten von Hunger betroffenen Menschen leben im ländlichen Raum und so liegt ein besonderer Schwer- punkt der Arbeit von HEKS in Latein- ZIEL 3 «GESUNDHEIT UND amerika, Asien und Afrika darin, eine WOHLERGEHEN» nachhaltige und ökologische Land- In der Schweiz: Mit sozialen Aktivitä- wirtschaft zu fördern. Hier spielt der ten, Bewegungsangeboten und Bera- Zugang zu natürlichen Ressourcen tung trägt HEKS dazu bei, dass ältere wie Land, Wasser und angepasstem MigrantInnen sowie MigrantInnen in Saatgut eine entscheidende Rolle. prekären Lebensverhältnissen ihre physische und psychische Gesundheit pflegen können und trotz Sprachbar- rieren Zugang finden zu öffentlichen Angeboten des Schweizer Gesund- heitssystems. Seit der Corona-Pande- mie ist diese Arbeit umso wichtiger geworden. ZIEL 4 «HOCHWERTIGE BILDUNG FÜR ALLE» In der Schweiz: Sprache gilt als Schlüs- sel zur Integration und gesellschaftli- chen Teilhabe. Mit seinen Sprachkur- sen unterstützt HEKS in der Schweiz dabei, die hiesige Sprache zu lernen. Damit öffnen sich auch die Türen für weiterführende Bildungswege. ZIEL 8 «PRODUKTIVE VOLL- BESCHÄFTIGUNG UND MENSCHENWÜRDIGE ARBEIT» In der Schweiz: Mit Arbeitsintegrati- onsprojekten eröffnet HEKS Langzeit- arbeitslosen, SozialhilfebezügerInnen WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN und qualifizierten MigrantInnen, die Den Bericht «Wie nachhaltig ist die Schweiz?» der Plattform Agenda nur schwer eine Arbeitsstelle finden, 2030 und die Vernehmlassungsantwort von HEKS zum Strategieent- neue Perspektiven. wurf Agenda 2030 finden Sie online unter: www.heks.ch/agenda2030 9
75 JAHRE HEKS EINER ENGAGIERTEN, TÄTIGEN KIRCHE NAH Die Kirchliche Zusammenarbeit (KiZA) ist neben der Entwicklungs- zusammenarbeit und der Humanitären Hilfe das dritte Standbein der Auslandtätigkeit von HEKS. Ihre Anfänge reichen bis in die Grün- dungsjahre des Hilfswerks zurück. Franz Schüle hat die Entwicklung der KiZa in diesen 75 Jahren eine Zeit lang begleitet und massgeblich geprägt. Interview Corina Bosshard Foto HEKS / Bildarchiv Franz Schüle, HEKS begann bereits ab 1948, mit Beginn des Kalten Krieges, in Osteuropa zwischenkirchliche Hilfe zu leisten. Du bist während deiner Tä- tigkeit für HEKS viel in die Länder hin- ter dem «Eisernen Vorhang» gereist. Wie hast du die Stimmung dort in je- Die Zwischenkirchliche Hilfe von HEKS erreichte Menschen in Osteuropa, sei es in Rumänien zur Zeit des Kalten ner Zeit erlebt? Ich erinnere mich an meine erste Reise nach Rumänien im Jahr 1984. Im Land herrschte eine unglaubliche Bedrücktheit, Wie konnte HEKS damals überhaupt Warum war die Zusammenarbeit mit ein Klima der Angst. Die Menschen beob- zwischenkirchliche Hilfe leisten? kirchlichen Partnern so wichtig? achteten sich gegenseitig. In Erinnerung Eine eigentliche Aufbauarbeit in den Wenn wir Menschen in schwierigen Situ- geblieben sind mir vor allem die Bahn- kommunistischen Ländern durch ein ationen helfen wollten, dann musste das höfe: Wenn wir mitten in der Nacht an westliches und zudem kirchliches Hilfs- über die Kirchen geschehen. Die Kirche einem Bahnhof ankamen, ein, zwei Glüh- werk war nur in der DDR und in Ungarn war für die Menschen damals ein Zuhau- birnen die Bahnhofshallen beleuchteten beschränkt möglich. In jener Zeit konn- se, nicht wie der sozialistische Staat. So und man fast nichts sah. Die Leute waren ten wir nur kleine Brötchen backen. Wir war das damals in allen sozialistischen mit Säcken unterwegs, trugen Schuhe, brachten das Geld zum Teil selber mit Ländern: In den Kirchen fand man das die ihnen nicht passten – Sandalen im und waren froh, wenn wir einer Gemein- Menschliche, die Tiefe. Die Unterstützung Winter und Moonboots im Sommer. All de irgendwie helfen konnten, eine Kirche der Kirchgemeinden mittels Besuchen, die Wanderarbeiter und Leute, die man zu reparieren, die am Zerfallen war. Wir die Kontaktpflege und eine bescheidene hin- und herschob. Und in den Bahnhofs- pflegten aber auch immer den Kontakt materielle Hilfe waren für die Menschen hallen war nur dieses schlurfende Ge- zu den offiziellen Kirchenleitungen, um äusserst wichtig. räusch der Schuhe zu hören; niemand über sie ein paar Projekte zu unterstützen redete, weil man ja in der Öffentlichkeit und um ja nicht aufzufallen. Man wurde Nach der Wende 1989 wendete sich kaum mehr redete. Eine sehr bedrückte ja immer von der staatlichen Sicherheits- dann aber das Blatt ... Stimmung. polizei überwacht. Ja, ab 1990 wurde die Arbeit von HEKS in 10
Zur Person: Franz Schüle wirkte als Pfarrer in Uster, bevor er 1982 zu HEKS wechselte und bis 1997 für die Zwischenkirchliche Hilfe in Europa mit Schwerpunkt Osteuropa ver- antwortlich war. Ab 2007 dann amtierte er für zehn Jahre als HEKS-Zentralsekre- tär. Während seiner Tätigkeit hat er das Leben der Menschen und der Kirchen im totalitären Europa vor der Wende, den Umsturz in Rumänien um Weihnachten 1989 und die Kriege in Ex-Jugoslawien miterlebt. verschiedenste Betriebe vergab, zum Bei- spiel an Landwirte, Käsereien oder Schrei- nereien. Dieses Kreditprogramm wurde so erfolgreich, dass es auf weitere Regio- nen ausgedehnt wurde und heute als Stiftung eigenständig funktioniert. Krieges oder während des Balkan-Krieges, wo Hunderttausende Menschen auf der Flucht waren (hier an der Grenze zu Kosovo). Ebenfalls in deine Zeit bei HEKS fällt der Jugoslawien-Krieg. Wie konnte HEKS dort Hilfe leisten und welche Europa ganz neu ausgerichtet. Die Auf- in Kirchen ausluden. Die Solidarität in der Rolle spielten die kirchlichen Kontak- bauhilfe in Osteuropa wurde bestim- Schweiz war riesig und es sollte daher ein te? mend. Weil wir in Rumänien und anderen zweiter Hilfstransport folgen, doch ich Auch in Jugoslawien hatten wir langjähri- Ländern langjährige, vertrauenswürdige wollte und konnte nicht mehr mitmachen. ge Kontakte zu den reformierten und zur Kontakte zu den Kirchen aufgebaut hat- Die Leute in Rumänien brauchten etwas orthodoxen Kirche in Belgrad. Als dann ten, ergab sich für uns die grosse Chance, anderes als Milchpulver, alte Kleider oder der Krieg ausbrach, begann das bis dahin nach der Wende auch wirklich Partner an Gulaschsuppe in Konservendosen. Was mit Abstand grösste Nothilfeprojekt von unserer Seite zu haben, mit denen wir sie brauchten, war Unterstützung beim HEKS. Wiederum hatten wir das Privileg, sofort «durchstarten» konnten. Aufbau von Bäckereien, Mühlen und ei- einen guten Partner vor Ort zu haben: ein ner landwirtschaftlichen Produktion, die ökumenisches Hilfswerk, das wir gemein- Du hast dann den ersten grossen nicht von korrupten Leuten geführt wur- sam mit dem Ökumenischen Rat aufzu- Hilfstransport der Schweizer Hilfswer- de. So entstand das landwirtschaftliche bauen geholfen hatten. Dieses Hilfswerk ke in Rumänien organisiert und be- Förderprogramm von HEKS in Rumänien. konnte dann in ganz Ex-Jugoslawien, also gleitet. Und bald reisten die ersten rumänischen in Serbien, Kroatien und anderen Landes- Das war eine erfreuliche, aber auch zwie- Jungbauern für landwirtschaftliche Prak- teilen, Unterstützung leisten, weil es als spältige Sache, als wir mit fünf vollge- tika nach Graubünden. Was in der Land- neutrale Organisation wahrgenommen packten Lastwagen quer durch Rumänien wirtschaft begann, wurde bald zu einem und respektiert wurde. Es war essenziell fuhren und die Hilfsgüter im Bezirk Mures Finanzierungsprogramm, das Kredite an in diesem unsäglichen Krieg, über alle 11
75 JAHRE HEKS Grenzen hinweg zu helfen, die Notleiden- schen Rassen, zwischen Systemen, zwi- des, sondern wegen unserer tüchtigen den im Auge zu haben und nicht deren schen Ländern sind im Evangelium nicht kirchlichen Partner. Das sind schon sehr politische Haltung. etwas Wichtiges, nichts Endgültiges; beglückende Erlebnisse. Als ich dann als Grenzen sind dazu da, überwunden zu Zentralsekretär auch viele Projekte im Sü- Du hast Theologie studiert und vor werden. HEKS hat mit seiner Arbeit im- den kennenlernen durfte, war das für deiner Anstellung bei HEKS als Pfarrer mer wieder bewiesen, dass das möglich mich immer wieder tief beeindruckend: gearbeitet. Du hast aber auch ein Teil- ist. Was Menschen in Not mit Engagement studium in Ökonomie absolviert und und wenig materiellen Ressourcen zu- dich in der Drittwelt-Bewegung enga- Welches ist rückblickend einer deiner stande bringen. giert. Wie wichtig war es dir, für ein schönsten Eindrücke in der Zeit bei kirchliches Hilfswerk zu arbeiten? HEKS? Was wünschst du HEKS und seiner Es lag für mich nahe, etwas zu machen, Davon gibt es viele. Die Wende in Osteu- Kirchlichen Zusammenarbeit für die bei dem ich meine Interessen und Erfah- ropa hautnah mitzuerleben war bewe- Zukunft? rungen zusammenbringen konnte. Ich gend. Und dann sind da viele kleine Mo- Ich bin froh, dass HEKS auch heute noch arbeitete gerne bei HEKS, weil ich das, mente: Ich erinnere mich etwa an ein zu seinen evangelischen Grundwerten was als Botschaft in der Bibel steht, auch Altersheim in Rumänien, das ich 1984 auf steht. Und dass es seine Arbeit fortsetzt, konkret leben konnte. einer meiner Reisen besuchte. Das Ge- diese Linie weiterverfolgt, in der ich ein bäude war eine Art doppelstöckiger Stall, kleines Zwischenglied sein durfte. Diese Welche Botschaft ist das für dich? in dem die betagten Menschen in Reihen Linie nahm im Zweiten Weltkrieg ihren Menschen sollen sich mit Respekt, mit auf Pritschen lagen – ein fürchterlicher Anfang und sollte weitergeführt werden. Liebe, mit Empathie begegnen. Und je - Anblick. Im Laufe der Jahre konnte dort Denn ich glaube, dass Folgendes für die der Mensch ist als ein Geschöpf Gottes mit Unterstützung von HEKS ein Alters- Kirchen ganz wichtig ist: Man fühlt sich zu sehen, das es verdient, dass man ihm heim entstehen, wo Menschen heute in der Kirche nahe, wenn sie engagiert und begegnet, es unterstützt und ermutigt. Würde alt werden können – und zwar tätig ist. Von Menschen gesetzte Grenzen zwi- nicht in erster Linie wegen unseres Gel- DIE KIRCHLICHE ZUSAMMENARBEIT Die «Zwischenkirchliche Hilfe» war das Während in den Anfangsjahren Infra- erste Mandat, das die Evangelische Kir- struktur-Beiträge und der Stipendien- und che Schweiz (EKS) 1946 an HEKS übertrug. Literaturdienst im Vordergrund der Kirch- Gemäss diesem Mandat ist die Zusam- lichen Zusammenarbeit standen, unter- menarbeit mit reformierten Kirchen und stützt, berät, fördert und begleitet HEKS ihren Organisationen auf bestimmte geo- die reformierten Partnerkirchen heute vor grafische Gebiete beschränkt. Der grosse allem beim Aufbau eines lebendigen Teil der Partnerkirchen befindet sich in kirchlichen Gemeinwesens und bei ihrem Mittel- und Osteuropa. Darunter bildet diakonischen Auftrag. HEKS setzt sich da- die Familie der ungarisch-sprachigen refor- für ein, dass reformierte Kirchen in ihren mierten Kirchen in Ungarn, der Slowakei, Ländern als zivilgesellschaftlich relevante der Ukraine (Transkarpatien), Rumänien Organisationen wahrgenommen werden, (Siebenbürgen) und Serbien (Vojvodina) die sich insbesondere für die Schwächsten die grösste Gruppe. In Tschechien arbeitet und Benachteiligten einsetzen. HEKS mit der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder zusammen, während Mittels Austauschprogrammen und Ver- die Waldenserkirche in Italien der einzige anstaltungen fördert HEKS zudem die Partner in Westeuropa ist. Seit 2018 wur- Solidarität und den Dialog zwischen refor- de die KiZa auf den Mittleren Osten und mierten Kirchgemeinden in der Schweiz die Arbeit mit reformierten Partnern im und den Partnerkirchen im Ausland. Libanon und in Syrien ausgeweitet. 12
AUS BESONDEREM ANLASS SPENDEN Ein persönliches Ereignis ist die Gelegenheit, soziales Engagement zu zeigen. Sie feiern etwas Besonderes und möchten Oder planen Sie in Ihrem Quartier oder in Spenden aus besonderem Anlass kom- Ihre Freude teilen? Möchten Sie gleichzei- Ihrer Gemeinde einen Sponsorenlauf oder men von Herzen. Wir freuen uns auf Ihre tig etwas Gutes tun und Menschen unter- eine Wanderung und sammeln Sie ge- Kontaktaufnahme und danken herzlich stützen, denen es nicht so gut geht? meinsam mit den anderen Teilnehmen- für Ihre Unterstützung. Dann bitten Sie doch mit der Einladung den für einen guten Zweck. Ihre Gäste um Spenden für ein Projekt, das Ihnen besonders am Herzen liegt! Wir unterstützen Ihre Aktion mit passen- den Bildern und Informationen sowie Ein- HIER IHRE Anlässe dazu gibt es genug: eine Hochzeit, zahlungsscheinen. Gerne entwickeln wir ein Geburtstag, ein Jubiläum, ein Ab- gemeinsam mit Ihnen weitere Ideen, die WERTVOLLE AKTION schied, eine Taufe, eine Konfirmation oder auf Ihren Anlass zugeschnitten sind. STARTEN der Abschluss eines erfolgreichen Projek- www.heks.ch/eventspenden tes. Auch bei schmerzhaften Anlässen wie Jede Spende verdanken wir persönlich. Ansprechperson: Jacques Gengler einer Abdankung für einen geliebten Men- Sie erhalten eine Liste mit den Namen der eventspenden@heks.ch schen können Sie z. B. anstelle von Grab- Spenderinnen und Spendern sowie dem Telefon: 044 360 88 00 schmuck im Gedenken an die verstorbe- eingegangenen Totalbetrag. Auf Wunsch ne Person Hilfe spenden, die weiterwirkt. erstellen wir auch individuelle Zertifikate. Dafür können Sie Spenden sammeln: Sauberes Wasser für alle Starthilfen für Frauen Betreuung älterer Menschen Der Zugang zu sauberem Wasser und sanitä- Mit einem Startkapital, z. B. für eine Ziege oder Für ältere pflegebedürftige Menschen hat HEKS ren Anlagen ist ein Menschenrecht. Sie helfen eine Nähmaschine, können Frauen eine eigene in Osteuropa nach dem Vorbild der schweize- Brunnen, Zisternen, Wasserleitungen oder Geschäftstätigkeit aufbauen. Aus dem Erlös rischen Spitex Hauspflegedienste aufgebaut. Latrinen zu bauen und schenken damit vielen kaufen sie Kleider für die Kinder, bezahlen Schenken Sie vereinsamten Menschen medi- Familien ein wichtiges Stück Lebensqualität. Schul- oder Gesundheitskosten und entwi- zinische Betreuung und Zuwendung. ckeln ihr Geschäft weiter. Schutz und Obdach Perspektiven für Benachteiligte Menschen für Katastrophenopfer Kinder und Jugendliche in der Schweiz Kriege und Naturkatastrophen stürzen die be- Kinder und Jugendliche erhalten geschützte Mit über 60 Projekten unterstützt HEKS so- troffenen Menschen in grosses Elend. Tausen- Freiräume, damit sie ohne Angst lernen, kon- zial Benachteiligte in 13 Schweizer Kantonen. de verlieren auf einen Schlag ihr ganzes Hab struktive Kräfte und lebensbejahende Perspek- Schenken Sie diesen Menschen Zugehörigkeit, und Gut. Helfen Sie ihnen mit Notunterkünf- tiven zu entwickeln. Sie ermöglichen Kindern neue Perspektiven und die Möglichkeit, sich ten, Nahrungsmitteln, Küchengeschirr, Decken eine Schulbildung, schenken unbeschwerte am Alltagsleben zu beteiligen. und Hygieneartikeln. Freizeit und ebnen Jugendlichen den Weg zu einem eigenen Einkommen. 13
75 JAHRE HEKS KIRCHLICHE IDENTITÄT: EIN MEHRWERT Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS), ihre Mitgliedkirchen und die refor- mierten Christinnen und Christen in der Schweiz identifizieren sich mit HEKS – dem Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz. Als ich in Uster und Zürich Enge Gemeindepfarrerin war, organisierten «meine» Kirchgemeinden regelmässig Ba- sare und Sponsoring-Aktionen. Wunder- bare Gemeindeevents, an denen ich auch meine Back-, Servier- und Networking- Kompetenzen voll ausleben konnte. Der Erlös dieser veritablen Gemeindefeste zur Marke der Schweizer Reformierten, Ich wünsche mir, dass sich die evange- kam dann jeweils auch Projekten von die Projektmitarbeitenden vor Ort sind zu lisch-reformierten Kirchen der Schweiz HEKS zugute. Dabei stand für uns nicht deren Gesicht geworden. noch lange mit HEKS identifizieren und nur die Höhe der Summe, die überwiesen die Arbeit mittragen. HEKS will mit den werden konnte, im Zentrum: Für die Mit- Die Kirchen haben HEKS damit eine gros- Kirchen wieder vermehrt in Dialog treten wirkenden und die Gemeinde war das se Verantwortung anvertraut und die EKS und hat dazu ein Projekt erarbeitet, wel- Bewusstsein zentral, dass sie gemeinsam ist stolz über die Qualität und Quantität ches in den nächsten Monaten starten etwas tun konnten, um die Arbeit von von Hilfe, die HEKS im Namen der evan- soll. Das ist sowohl für die Kirche wie HEKS zu unterstützen, es war nämlich gelisch-reformierten Kirchen im Ausland auch für HEKS ein grosser Gewinn. Ich nicht irgendein Hilfswerk. Für die Mitwir- und in der Schweiz erbringt. HEKS tut freue mich, dass HEKS selbstbewusst mit kenden – da schliesse ich mich mit ein – dies dabei äusserst professionell und er- seiner kirchlichen Identität umgeht, und nahm HEKS das weltweit gültige Liebes- reicht auch zahlreiche Spenderinnen und ich bin überzeugt, dass die christlichen gebot von Jesus Christus ernst und ver- Spender, die der Kirche nicht nahestehen. Grundwerte, auf denen es steht, und die wirklichte es durch entsprechendes Han- Im Rahmen einer Weiterbildung habe vielfältigen Beziehungen zur Kirche deln. ich davon erfahren, dass HEKS mit der Ak- Mehr werte sind, die HEKS von anderen tion «Gib e Geiss» einen PR-Award ge- Schweizer Hilfsorganisationen unterschei- Dies tut HEKS noch heute. Mit den ver- wonnen hat. Das erfüllt mich mit Stolz. Es det. schiedensten Programmen und Projekten zeigt, dass die Arbeit von HEKS auch aus- im In- und Ausland leistet HEKS wertvol- serhalb der Kirche geschätzt wird. Rita Famos, Pfarrerin len Dienst am Menschen, den die Kirchen Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche in Qualität und Vielfalt so nicht annä- Als Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz (EKS) hernd leisten könnten. HEKS verwirklicht Schweiz ist HEKS eine Stiftung der EKS. damit seit 75 Jahren den diakonischen Es ist damit auch institutionell in den Kir- Auftrag der Kirche im In- und Ausland, chen verankert und geprägt von Grund- indem es Bedürftigen ungeachtet ihrer überzeugungen, welche für das helfende Religionszugehörigkeit, ihrer sozialen Handeln von HEKS zentral sind: Not wird Stellung oder ihrer Hautfarbe Hilfe zu- durch tätige Nächstenliebe gelindert. Die Zur Person Rita Famos kommen lässt. Dank der langjährigen und Kirchen glauben an HEKS und an dessen Rita Famos (*1966) hat Theologie studiert nachhaltigen Arbeit von HEKS verfügen Wirkkraft. Anlässlich der Synode im letz- und wirkte unter anderem als Gemeinde- die Schweizer Kirchen über ein breites, ten Jahr stimmten sie der Fusion von pfarrerin und als Sprecherin der Sendung weit verzweigtes und qualitativ ausge- HEKS mit Brot für alle zu. Die Kirchen be- «Wort zum Sonntag» beim Schweizer zeichnetes Netz von Freunden und Part- gleiten HEKS auf diesem Weg und unter- Fernsehen. Im November 2020 wurde sie nern in ganz Europa und dem Nahen stützen dessen Arbeit nicht nur finanziell. als Nachfolgerin von Gottfried Locher Osten. Die Abkürzung «HEKS» wurde Sie tragen die Arbeit von HEKS auch im und als erste Frau in diesem Amt zur Prä- während dieser Zeit für unzählige Part- kirchlichen Leben, in Gottesdiensten und sidentin der Evangelisch-reformierten Kir- nerkirchen und NGO im Osten und Süden Gebeten mit. che Schweiz (EKS) gewählt. 14
GRUSSWORTE ZUM Sándor Zán Fábián Bischof der Reformierten Kirche in Transkarpatien, HEKS-JUBILÄUM Ukraine Aufrichtige Partnerschaft «Die Reformierte Kirche in Transkarpatien ist wahrscheinlich eine der kleinsten Kirchen, die HEKS seit Jahrzehnten treu Daniel Ženatý unterstützt. Es war in den letzten nahezu Synodalsenior der 20 Jahren für mich persönlich höchst ins- Evangelischen Kirche pirierend, die aufrichtige Haltung, Unter- der Böhmischen Brüder, Tschechien stützung und Partnerschaft zu erleben, die HEKS unserer Kirche in der Diaspora, die mit schwierigen wirtschaftlichen Um- Rettende Unterstützung ständen zu kämpfen hat, entgegenge- «Ich bin in der Zeit des totalitären kommu- bracht hat. Anlässlich des 75-Jahr-Jubi- nistischen Regimes aufgewachsen. Mein läums möchten wir unseren Dank und Vater war Pfarrer, das Gehalt, das er vom Segenswünsche für HEKS zum Ausdruck Staat als geheucheltes Zeichen der Fürsor- bringen und ihm wünschen, dass es wei- ge für die Kirche erhielt, lag weit unter terhin im Geiste des barmherzigen Sama- dem Durchschnittsgehalt. Als jüngstes riters unterwegs ist.» von fünf Kindern habe ich mit Bange be- obachtet, wie meine Eltern versuchten, mit diesem Gehalt zurechtzukommen – Monat für Monat. Die Unterstützung von HEKS, die zweimal im Jahr kam, war für uns oft die Rettung. Sie ermöglichte uns und vielen weiteren Pfarrfamilien ein ei- Pfarrerin Boroka Beke nigermassen würdiges Leben. Auch dank Reformierte Kirche dieser Unterstützung haben wir es letzt- Rumänien lich geschafft, die Zeit der kommunisti- schen Unfreiheit in unserem Land zu Wahre Nächstenliebe überstehen.» «Nächstenliebe ist nicht nur eine Aufgabe, die wir von Gott erhalten haben, sondern auch ein grosser Segen in unserem Leben. Die Reformierte Kirche Rumäniens und Prof. Rev. Paul Haidostian alle von HEKS unterstützten Projekte durf- Präsident der Union der ten die wahre Nächstenliebe erfahren. Es Armenisch-Evangelischen ist ein Privileg, Teil einer solchen Zusam- Kirche im Nahen Osten (UAECNE), Libanon menarbeit mit unseren in der Schweiz lebenden Schwestern und Brüdern in Christus zu sein. Wir wünschen Gottes Hilfe und Ermutigung Rosangela Jarjour Segen für diejenigen, die bei HEKS arbei- «Für uns als Armenisch-Evangelische Kir- Generalsekretärin der ten und für die gesamte Organisation. che im Nahen Osten ist es nicht nur die Dachorganisation der Möge er unsere weitere Zusammenarbeit direkte Unterstützung von Menschen in protestantischen Kirchen segnen, damit ihre Früchte sowohl unsere Not, die von Bedeutung ist, es ist die Er- im Nahen Osten (FMEEC), Syrien Kirchen als auch unser persönliches Leben mutigung generell, die wir und andere bereichern können.» Menschen und Kirchen im Nahen Osten in schwierigen Situationen von HEKS er- Ein sicherer Ort in Kriegszeiten fahren dürfen. Ich möchte HEKS und sei- «HEKS hat während der letzten Jahre un- nen Unterstützenden danken für alles, ser lebendiges Kinderprogramm in Syrien was sie getan, geplant, verteilt oder ge- tatkräftig unterstützt. Dank HEKS konn- teilt haben mit uns im Nahen Osten. Ich ten im Laufe der vergangenen fünf Jahre wünsche HEKS, dass es sein hohes Level mehr als 2400 Kinder am Programm teil- an Einfühlungsvermögen gegenüber den nehmen. Statt in den gefährlichen Stras- Menschen behalten möge, dass es wei- sen konnten sie an einem sicheren Ort terhin den Menschen als Menschen und zusammenkommen, spielen und Gemein- seine Bedürfnisse im Fokus hat.» schaft erfahren. HEKS war und ist eine starke Stütze für die Kirchen in Syrien, die nach Jahren des Krieges mit immensen Schwierigkeiten konfrontiert sind.» 15
SOZIALE INTEGRATION UNTERSTÜTZUNG IM NEUEN LAND Wenn ältere Menschen aus ihrer Heimat in die Schweiz flüchten müssen, haben sie es besonders schwer, sich bei uns zurechtzufinden. Mit dem Pilotprojekt «HEKS AltuM-Tandem» nimmt sich HEKS den Problemen dieser Menschen an, indem es ihnen Begleitpersonen zur Seite stellt. Text Bettina Filacanavo Fotos Nathalie Taiana Halima Mosch klingelt an der Tür einer heute an ihrem Wohnort in Zürich Stett- Wohnsiedlung in Zürich Schwamendin- bach und Umgebung in verschiedenen gen. In der Hand hält sie einen Teller mit sozialen Projekten mit. Achmad und Fati- selbstgebackener Baklava. Sie besucht ma begleitet sie in ihrer Freizeit, und das heute ein Ehepaar aus Syrien. Ahmad Allo sehr gerne: «Da meine Kinder jetzt schon (61 Jahre) und Fatima Mohammed (52 im Teenageralter sind, habe ich etwas Jahre) wurden vor rund acht Jahren aus mehr Freizeit und diese möchte ich sinn- ihrer Heimatstadt Aleppo in Syrien ver- voll nutzen», sagt sie auf die Frage nach trieben. Der Krieg hatte alles zerstört. ihrer Motivation. Nach einer Flucht-Odysee und einem län- geren Aufenthalt in der Türkei kamen sie Hilfe bei allem vor drei Jahren als Asylsuchende in die Wir sind bei Ahmad und Fatima im Wohn- Schweiz. Halima, die ebenfalls Arabisch zimmer. Der Fernseher läuft lautlos, aber spricht, begleitet die beiden seit rund die Maschinen auf der grossen Baustelle zwei Jahren und hilft ihnen, sich in der Selbstgemachte Baklava: Freundschaft geht neben ihrem Wohnhaus laufen auf Hoch- auch durch den Magen. neuen Kultur zurechtzufinden. touren und sind laut. Ahmad schliesst das Fenster und Halima übersetzt das Ge- Ein Pilotprojekt in Zürich spräch. Die drei kennen sich bereits gut, Halima ist 38 Jahre alt. Sie ist gebürtige denn Halima besucht Ahmad und Fatima Marokkanerin und lebt seit 18 Jahren mit regelmässig. Auf die Frage, in welchen ihrem Mann und ihren Kindern in der Bereichen Halima sie denn unterstützen Schweiz. Über eine Bekannte erfuhr sie bei ihrem Neuanfang in der Schweiz zu könne, lachen die beiden und Ahmad von «HEKS AltuM-Tandem» und wusste begleiten und ihre Integration in die Ge- sagt: «Bei allem, Halima hilft uns bei al- sofort, dass sie sich in diesem Projekt en- sellschaft sowie in ihr Wohnumfeld zu lem! Sie hilft uns mit den Rechnungen gagieren wollte. Als Freiwillige begleitet unterstützen. Älteren geflüchteten Men- oder erklärt uns die Abrechnung der Kran- sie geflüchtete ältere Menschen, die hier schen stehen nämlich in der Regel weder kenkasse, sie begleitet uns zum Arzt oder in der Schweiz leben. «HEKS AltuM-Tan- Bildungsoptionen noch Arbeitsintegrati- zu den Behörden und sie hilft mir bei mei- dem» ist ein Teilprojekt von «HEKS Al- on offen, um Zugang zu unserer Gesell- nen Hausaufgaben aus dem Deutsch- tuM» (Alter und Migration) der Regional- schaft zu erhalten und am sozialen Leben kurs.» Ahmad holt einen schwarzen Ord- stelle Zürich/Schaffhausen. Es ist ein teilnehmen zu können. Weil die gemein- ner, ein einfaches Ablagesystem, das er Pilotprojekt, das in Zusammenarbeit mit same Sprache sehr wichtig ist, sprechen mit Halima angelegt hat. «Wir haben der Hochschule für Soziale Arbeit der die Freiwilligen die Sprache der Geflüch- diesen Ordner, wo wir die Rechnungen Fachhochschule Nordwestschweiz (HSA teten. oder die Post ablegen, und wenn Halima FHNW) konzipiert und im September uns besucht, schauen wir zusammen, 2019 lanciert wurde. Ziel ist es, neu zu- Halima hat in ihrer Heimat ursprünglich worum es sich handelt, wenn wir etwas gezogene Geflüchtete im Alter von 50+ Sozialpsychologie studiert und arbeitet nicht verstehen», erklärt er. 16
Zürich Schwamendingen: HEKS-Mitarbeiterin Halima Mosch (Mitte) begleitet das Ehepaar Fatima Mohammed (52 Jahre) und Ahmad Allo (61 Jahre), welches vor acht Jahren aus Syrien fliehen musste. Knappe finanzielle Mittel oder ein Sport-Abonnement zu lösen. Vor dass Informationen und Briefe von Behör- Eine Vorstudie zum Pilotprojekt «HEKS diesem Hintergrund ist es besonders den und offiziellen Stellen bzw. ÄrztInnen AltuM-Tandem» hat ergeben, dass ältere wichtig, dass älteren Geflüchtete Ange- gar nicht oder nur partiell verstanden Geflüchtete häufig in äusserst prekären bote wie Konversationsmöglichkeiten auf bzw. missverstanden werden. Dies wie- finanziellen Verhältnissen leben. Das hat Deutsch für ältere Personen, günstige derum kann gesundheitliche oder finan- nicht nur einen Einfluss auf ihre Wohnsi- Einkaufsmöglichkeiten bzw. kulturelle zielle Konsequenzen nach sich ziehen, tuation, sondern auch auf die Pflege von Angebote (Bücher-Brocki, Bibliotheken), zum Beispiel wenn Kündigungsfristen sozialen Kontakten. Die Betroffenen kön- aber auch günstige Sportangebote (Yoga- nicht eingehalten werden oder die Ge- nen sich kein Bahnticket leisten und sind und Schwimmkurse) im näheren Umfeld flüchteten davon ausgehen, dass die von vielen sozialen Aktivitäten ausge- kennen, damit die Mobilitätskosten für Krankenkasse Kosten übernimmt, die schlossen, weil ihnen das Geld fehlt, um sie möglichst niedrig bleiben. Mangeln- nicht über die Grundversicherung abge- in ein Café zu gehen, Bücher zu kaufen de Deutschkenntnisse führen auch dazu, deckt sind. 17
SOZIALE INTEGRATION Wenig soziale Kontakte Weil das Ehepaar sonst nicht oft andere Leute trifft, ist Halima auch eine wichtige Kontaktperson für Ahmad und Fatima. Vor allem Fatima verlässt die Wohnung GEMEINSAM GEHT ES BESSER selten. Und mit der Pandemie wurde ihre soziale Isolation noch stärker spürbar. Text Mara Dieterle Mittlerweilen sind die beiden Frauen gut Foto: Julie Lovens Mindestens einmal in der Woche telefo- befreundet und unternehmen manchmal nieren Ibrahim und Zakariya mitein- etwas zusammen. Heute zum Beispiel Auch Ibrahim Noureddine und Zakariya ander oder treffen sich, wenn möglich, wird Halima Fatima mit dem Auto noch Mamo sind Teilnehmende des Pilotpro- auch mal auf einen Kaffee. Besprochen zum Arzt fahren, weil es Fatima seit ein jektes «HEKS AltuM- Tandem». Der ge- wird dabei alles Mögliche: Privates wie paar Tagen nicht gut geht. Sie ist Diabe- bürtige Libanese Ibrahim lebt seit 32 auch Organisatorisches. «Immer wenn tikerin und gesundheitlich angeschlagen. Jahren in der Schweiz und unterstützt ich Unterstützung brauche, rufe ich ihn Dass noch eine Tochter mit ihren Kindern Zakariya und seine Familie im Integrati- an und Ibrahim hilft mir sofort.» Ibrahim in Aleppo lebt und nicht zu ihnen in die onsprozess. Ibrahim kam 1989 als begleitet Zakariya auch zu den Arztbe- Schweiz einreisen kann, beschäftigt sie Flüchtling in die Schweiz. Seither lebt er suchen, bei denen er das Übersetzen sehr. Es gebe keine Möglichkeit, sie in die in Zürich, hat Deutsch gelernt und im übernimmt. Zakariya hat Probleme mit Schweiz zu holen, sagt Fatima traurig. Sie Coop und bei der Migros Clubschule ge- dem Fuss und muss dafür regelmässig hätten es schon vergeblich versucht. arbeitet. Mit der Pensionierung letztes ins Spital für Abklärungen, Operation Jahr ist der Wunsch aufgekommen, sich und die Nachuntersuchungen. Auch der Ihre anderen Kinder sind in Sicherheit: freiwillig zu engagieren. Zakariya Mamo Gang zum Zahnarzt machen die beiden Zwei Söhne leben in Zürich und die zweite ist aus Syrien über die Türkei nach Euro- gemeinsam. Dies ist im Moment regel- Tochter in Norwegen. Mit ihren Söhnen, pa geflüchtet und lebt mit seiner Frau mässig der Fall, da Zakariya eine Zahn- 22 und 30 Jahre alt, pflegen Fatima und und fünf Kindern seit 2016 in der prothese braucht. «Jemanden zu haben, Ahmad regelmässig Kontakt. Lange Zeit Schweiz. Zuerst wurde die Familien in der all diese Erfahrungen hier in der waren sie von ihren getrennt gewesen, einem Asylzentrum in Basel unterge- Schweiz bereits gemacht hat und diese und als sie ebenfalls in die Schweiz einrei- bracht, dann kamen sie nach Winterthur weitergibt, ist unbezahlbar», sagt Zaka- sen konnten, erfüllte sich ihr grösster und jetzt leben sie ebenfalls in Zürich. riya. Wunsch, wieder als Familie in Sicherheit vereint zu sein. Der ältere Sohn hat be- reits eine eigene Familie, und so können Ahmad und Fatima auch ihre Enkelkinder sehen. Ein grosses Wiedersehen gab es ges, aber ich kann noch nicht besonders sprechen. Während seine Frau nicht ger- auch mit der Tochter aus Norwegen: Sie gut sprechen, weil ich nicht oft Gelegen- ne und nur selten aus dem Haus geht, hat konnte letztes Jahr nach sieben langen heit habe, das Gelernte anzuwenden», er das Fahrrad für sich entdeckt – ein Jahren der Trennung ihre Eltern in Zürich meint er. Halima hilft ihm aber regelmäs- günstiges und dazu gesundes Fortbewe- besuchen. Während unseres Gesprächs sig bei den Hausaufgaben und dann gungsmittel. klingelt das Telefon: Die Tochter aus spricht sie mit ihm Deutsch. Weil er nicht Aleppo ruft an und erscheint auf Fatimas so viele soziale Kontakte hat, würde der Und was werden Halima, Ahmad und Handy-Bildschirm. Die Mutter geht ins gelernte Schneider, der in Aleppo ein Fatima als Nächstes unternehmen? Hali- Zimmer nebenan, um ungestört mit der eigenes Modegeschäft besass, gerne ma hat bereits einen Plan: «Ich werde Tochter reden zu können. wieder arbeiten. Wegen seines Alters ist ihnen bei meinem nächsten Besuch das es aber sehr schwierig, eine Arbeitsstelle Gemeinschaftszentrum Hirzenbach hier Eine Beschäftigung wäre wichtig zu finden. Eine Arbeit oder wenigstens im Quartier zeigen, wo sie in einem sozi- Ahmad zeigt uns indes die Kursunter- eine Beschäftigung würde ihn sehr glück- al lebendigen und multikulturellen Rah- lagen seines Deutschkurses. Er hat schon lich machen. Vielleicht ergebe sich aber men günstig einen Kaffee trinken kön- einige Lehrbücher durchgearbeitet. Der bald etwas in einem Nähatelier in einem nen. Da sie vorher in Zürich Wiedikon Kurs mache ihm Spass, auch wenn die Gemeinschaftszentrum, erzählt er. So hät- gewohnt haben, kennen sie sich hier im deutsche Sprache nicht einfach sei. «Ich te er auch mehr soziale Kontakte und neuen Quartier noch nicht so gut aus. kann bereits gut lesen und verstehe eini- könnte regelmässiger unsere Sprache Das wollen wir nun ändern.» 18
SOZIALE INTEGRATION ALTUM – ALTER UND MIGRATION In der Schweiz steigt die Zahl älterer Menschen, auch diejenige älterer MigrantInnen. Für Letztere ist der Zugang zu öffentlichen Angeboten im Alters- und Gesundheitsbereich jedoch noch immer erschwert. HEKS springt in die Lücke und zeigt mit «HEKS AltuM» auf, wie Gesundheitsprävention und Begleitung im Alter in einer postmigrantischen Gesellschaft funk- tionieren können. Text Andrea Oertli Seit Jahren nimmt die Zahl der älteren MigrantInnen in der der Zielgruppe selbst, sondern sensibilisiert auch Institutionen Schweiz kontinuierlich zu. Im Jahr 2019 lebten hier insgesamt und Gemeinden für die Anliegen und Bedürfnisse älterer rund 335 000 MigrantInnen über 65. Viele von ihnen kamen als MigrantInnen. junge Menschen in die Schweiz, um hier zu arbeiten. Andere flüchteten in den 80er-, 90er- oder Nullerjahren aus Sri Lanka, Erfolg dank Schlüsselpersonen aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens oder aus Soma- Erreicht werden die Teilnehmenden dank der Zusammenarbeit lia in die Schweiz. Sie alle gingen anfangs davon aus, dass ihr mit Migrationsvereinen sowie mit sogenannten «Schlüsselper- Aufenthalt in der Schweiz nur vorübergehend sein würde. Doch sonen», die aus den gleichen Kulturkreisen stammen und gleich- sie blieben. Nachdem sie hier jahrzehntelang gearbeitet haben zeitig mit den Schweizer Verhältnissen gut vertraut sind. Sie und ihre Kinder und Grosskinder hier aufgewachsen und ver- werden von HEKS ausgebildet, um in der Kontaktaufnahme und wurzelt sind, entscheiden sich viele auch nach der Pensionierung -pflege mit älteren MigrantInnen eine Schlüsselrolle einzuneh- gegen eine Rückkehr in die einstige Heimat. men. Besonders wertvoll erwies sich dieses System zuletzt wäh- rend der Corona-Pandemie: Als physische Treffen nicht mehr Älter werden fern der Heimat möglich waren, richteten die Schlüsselpersonen schnell «Whats- Doch älter werden ist nicht einfach und für viele MigrantInnen App»-Gruppen in verschiedenen Sprachen ein, um mit den Teil- stellen sich zusätzliche Herausforderungen. Insbesondere für nehmenden in Kontakt zu bleiben. Bald folgten interaktive An- solche, die über eine geringe Schulbildung verfügen, unter ho- gebote zum sozialen Austausch und Anleitungen für sportliche her Arbeitsbelastung standen und daneben wenig Zeit und Res- Übungen zu Hause. Wer den Umgang mit digitalen Kommuni- sourcen hatten, sich um ihre sprachliche und soziale Integration kationsmitteln nicht beherrschte, wurde regelmässig per Telefon zu kümmern. Mit dem Älterwerden droht ihnen zunehmend kontaktiert. Auf diese Weise konnte HEKS ältere MigrantInnen Isolation, Vereinsamung und Verarmung, sie leiden häufiger un- durch die schwierige Zeit der Corona-Krise begleiten. ter psychischen und physischen Beschwerden als ältere Men- schen ohne Migrations- oder Fluchthintergrund. Studien bestä- Begleitung für ältere Geflüchtete tigen, dass bestehende öffentliche Angebote in den Bereichen Vermehrt kamen in den letzten Jahren auch ältere Menschen als Prävention und Gesundheitsförderung ältere MigrantInnen lei- Flüchtlinge aus Bürgerkriegsländern wie Syrien, Irak oder Afgha- der häufig viel zu wenig erreichen. Dies stellt auch Institutionen nistan in die Schweiz. Diese sind einerseits mit dem Älterwerden im Alters- und Gesundheitsbereich vor neue Herausforderungen. in der Diaspora konfrontiert, andererseits aber auch mit allen anderen Herausforderungen, die ein Neuanfang in einem ande- Bedürfnisse erkennen – und reagieren ren Land nach traumatisierenden Erfahrungen von Gewalt und HEKS hat diese Problematik früh erkannt und lancierte bereits Flucht mit sich bringt. Um sie in beiden Prozessen zu unterstüt- 2006 das Programm «AltuM – Alter und Migration» in Zürich, zen, startete HEKS im Herbst 2019 in Zusammenarbeit mit der später auch in der Westschweiz, in Basel, in der Ostschweiz und Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwest- in der Region Aargau/Solothurn. «HEKS AltuM» bietet Menschen schweiz (HSA FHNW) das Pilotprojekt «HEKS AltuM-Tandem» in mit Migrationshintergrund ab 55 Jahren vielfältige Unterstüt- der Region Zürich. In diesem Projekt begleiten Freiwillige isoliert zung: An Informationsveranstaltungen oder in Kleingruppen lebende Geflüchtete im Alter 50+ individuell im Alltag und un- informiert HEKS zu wichtigen Themen im Alter, z. B. Altersvor- terstützen sie in ihrer Integration. Das Pilotprojekt läuft Ende sorge, Ergänzungsleistungen oder Gesundheitsprävention. 2021 aus, aktuell sucht HEKS nach Finanzierung für die Weiter- Zudem organisiert HEKS Aktivitäten zur Freizeitgestaltung, wie führung des Projekts. Café- und Tanz-Treffs oder Yoga-Kurse, an denen sich Teilneh- mende austauschen, Kontakte knüpfen und ihr Deutsch verbes- Weitere Informationen zu Alter und Migration: sern können. Schliesslich arbeitet «HEKS AltuM» nicht nur mit www.heks.ch/alterundmigration 19
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