BULLETIN DER BUNDESREGIERUNG

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BULLETIN
                               DER
                         BUNDESREGIERUNG
                             Nr. 85-1 vom 14. Juni 2021

Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel

zur Verabschiedung des ehemaligen DIHK-Präsidenten Dr. Eric Schweitzer
am 9. Juni 2021 als Videobotschaft:

Sehr geehrter Herr Schweitzer,
sehr geehrter Herr Adrian,
Herr Regierender Bürgermeister,
meine Damen und Herren,

lieber Herr Schweitzer, bereits Anfang des Jahres haben Sie Ihr Amt als Präsident des
Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) an Peter Adrian übergeben.
Aber wir wollen Sie dennoch nicht einfach so ziehen lassen, sondern stattdessen im
festlichen Rahmen verabschieden. Ich wäre heute natürlich lieber persönlich vor Ort
mit dabei. Dass ich Ihnen meinen Dank für Ihre Arbeit und unsere Zusammenarbeit
nur virtuell übermitteln kann, soll diesen Dank aber in keiner Weise schmälern.

Es wurde eben schon gesagt: 2013 wurden Sie der bis dahin jüngste Präsident des
Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Das sagt für sich betrachtet natürlich
noch nicht sehr viel aus. Aber dass Sie frischen Wind in die öffentliche Debatte brach­
ten – ich denke zum Beispiel an das Thema Erbschaftsteuer zurück –, das steht für
uns alle und auch für mich außer Zweifel. Sie pflegten immer das offene Wort, ohne
Scheu vor Kontroversen, sachlich und gut begründet.

In einem Interview sagten Sie einmal über sich selbst: „Ich bringe andere auf die
Palme, wenn ich für ein Thema brenne und nicht lockerlasse.“ Diese Hartnäckigkeit,
dieses Brennen für ein Thema – genau das braucht es ja auch, wenn man an der
Spitze eines Verbands steht, der die Interessen der gesamten gewerblichen Wirtschaft
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in unserem Land vertritt. Doch genauso bedarf es der Fähigkeit zu einem gewissen
Ausgleich. Denn das Meinungsspektrum der vielen großen und kleinen Unternehmen
verschiedenster Branchen ist bekanntermaßen breit gefächert. Es gilt also, beides zu­
sammenzubringen: Aufgeschlossenheit und Kompromissbereitschaft auf der einen
Seite und nötige Standfestigkeit auf der anderen Seite, zum Beispiel um Kompromisse
im eigenen Verband durchzusetzen und dann auch nach außen zu vertreten. Das ist
Ihnen, lieber Herr Schweitzer, sehr gut gelungen. Dabei kam Ihnen sicherlich auch Ihre
unternehmerische Erfahrung zugute. Wer wie Sie seit Jahren selbst ein Unternehmen
erfolgreich führt, dem wird durchaus abgenommen, dass er weiß, wovon er spricht.

So waren Sie mir und der Bundesregierung ein sehr geschätzter Gesprächspartner.
Das möchte ich hier ausdrücklich für all die Jahre sagen und auch mit Blick auf die
Pandemie und ihre ganz besonderen Auswirkungen auf die Wirtschaft. Ich glaube, wir
beide haben nicht geahnt, dass wir zum Ende Ihrer Amtszeit solch eine Zeit durchleben
würden.

Seit Beginn der Pandemie versuchen wir, eine Überlastung unseres Gesundheitswe­
sens zu vermeiden, weil von der Eindämmung des Virus nicht allein unser Gesund­
heitswesen abhängt, sondern im Ergebnis auch ganz wesentlich die wirtschaftliche
Erholung. In diesem Zusammenhang gibt es das recht weit verbreitete Missverständ­
nis, in der Pandemiebekämpfung gehe es um Gesundheit oder Wirtschaft. Das ist eine
falsche Annahme. Denn es ging und geht nie um Gesundheit oder Wirtschaft, sondern
immer ging es um Gesundheit und Wirtschaft. Mit anderen Worten: Je besser wir durch
die Pandemie kommen, das heißt, je nachhaltiger wir es schaffen, Infektionszahlen
nach unten zu drücken und vor allem unten zu halten, desto besser und nachhaltiger
kann sich in der Folge auch die Wirtschaft erholen.

Dafür war es von großer Bedeutung, dass wir – die Bundesregierung, die Wirtschafts­
verbände und die Gewerkschaften – uns in den Monaten der Pandemie regelmäßig
getroffen haben, um gemeinsam über Mittel und Wege zur Eindämmung der Pandemie
und ihrer Folgen zu beraten. Bei diesen Beratungen kamen alle Probleme auf den
Tisch: die Notwendigkeit von Kontaktbeschränkungen, um das Infektionsgeschehen
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einzudämmen, wie auch mögliche Öffnungsperspektiven, eine Strategie für systema­
tisches Testen und das Arbeiten im Homeoffice wie auch das Kurzarbeitergeld und
Wirtschaftshilfen und vieles mehr.

Es war von größter Bedeutung, dass die Bundesregierung ein umfassendes, milliar­
denschweres Hilfs- und Investitionspaket auf den Weg gebracht hat. Dank der soliden
Haushaltspolitik in den Jahren vor der Pandemie hatten wir hinreichenden Handlungs­
spielraum, um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie abzufedern. Die
Hilfsprogramme kommen Unternehmen und Selbstständigen aller Wirtschaftszweige
und Größenordnungen zugute. Inzwischen sehen wir immer deutlichere Zeichen der
Erholung. Die Zahl der Arbeitslosen sinkt und liegt wieder unter dem Stand des Vor­
jahres. Auch die Zahl der Kurzarbeiter ist erstmals seit Beginn des zweiten Lockdowns
wieder gesunken. Das liegt natürlich an den freundlichen Konjunkturdaten. So steigen
zum Beispiel auch im Einzelhandel die Umsätze wieder. Insgesamt konnten die
Wachstumserwartungen für Deutschland für dieses und das nächste Jahr zuletzt wie­
der weiter nach oben korrigiert werden.

Die derzeit deutlich sinkenden Infektionszahlen machen Mut und zeigen, wie sehr un­
sere Maßnahmen und Verhaltensregeln wirken. Das gilt auch für den Einsatz der Un­
ternehmen, die mit Möglichkeiten zum Homeoffice und regelmäßigem Testen zu die­
sem Erfolg ganz wesentlich beitragen. Dafür danke ich ihnen. Gerade flächende­
ckende Tests sind für eine frühzeitige Erkennung und Unterbrechung der Infektions­
ketten von entscheidender Bedeutung. Hinzu kommt die Impfkampagne, bei der nun
auch nach und nach die Betriebsärzte einbezogen sind. Das wird der Impfbereitschaft
mit Sicherheit weiteren Rückenwind geben.

Auch wenn es wirtschaftlich inzwischen also wieder aufwärtsgeht, weiß ich natürlich,
dass das keinesfalls zwangsläufig bedeutet, dass es aus Sicht der Wirtschaftsver­
bände weniger zu kritisieren gibt. Der DIHK und sein Präsident sprechen klare Worte.
Seit Oktober letzten Jahres muss in diesem Zusammenhang allerdings das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts mit beachtet werden, das verlangt, die Struktur der Kam­
mervertretung auf Bundesebene im Industrie- und Handelskammergesetz neu zu ord­
nen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag soll von einem eingetragenen
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Verein in eine Körperschaft öffentlichen Rechts mit gesetzlicher Mitgliedschaft umge­
wandelt werden. Den Gesetzentwurf dazu hat die Bundesregierung schon vor einiger
Zeit auf den Weg gebracht. Es liegt nun an Bundestag und Bundesrat, die Beratungen
zu diesem Gesetzentwurf zügig abzuschließen. Im Deutschen Bundestag wird das
diese Woche passieren. Denn es ist natürlich wünschenswert, noch in dieser Legisla­
turperiode die Rechtssicherheit herbeizuführen, die der DIHK für seine Arbeit braucht.
Ich glaube, nur so kann der DIHK seine wichtige Rolle ausüben, die ihm zum Beispiel
auch in der Aus- und Weiterbildung zukommt.

Der DIHK ist ein Partner der ersten Stunde in der Allianz für Aus- und Weiterbildung.
Mit dieser Allianz wollen wir das Erfolgsmodell der dualen Ausbildung weiter stärken.
Und ich bin froh, dass Sie, lieber Herr Schweitzer, immer ein engagierter Fürsprecher
dieser Allianz waren.

Junge Menschen auf dem Weg ins Berufsleben treffen die Folgen der Pandemie im
Augenblick besonders hart. Im vergangenen Ausbildungsjahr ging die Zahl der Ausbil­
dungsverträge deutlich zurück. Die Coronakrise aber darf jungen Menschen die beruf­
liche Zukunft eben nicht verbauen. Deshalb müssen wir alles daransetzen, ihre Aus­
bildungs- und Berufschancen zu sichern – für die jungen Menschen selbst wie auch
zur Fachkräftesicherung unserer Wirtschaft. Fachliches Wissen und Können sind und
bleiben für jedes Unternehmen entscheidende Erfolgsfaktoren.

Natürlich erschweren coronabedingte Umsatzeinbußen Investitionen in die Ausbildung
und damit in die Zukunft von Betrieben. Umso wichtiger ist es, dass die Bundesregie­
rung kleine und mittlere Unternehmen mit dem Bundesprogramm „Ausbildungsplätze
sichern“ unterstützt. Hier hat die Bundesregierung zuletzt die Ausbildungsprämien so­
gar verdoppelt. Es muss uns so schnell wie möglich gelingen, aus dem Negativtrend
bei den Ausbildungsverträgen einen Positivtrend zu machen. Dabei sind Staat und
Sozialpartner auch gemeinsam gefordert, Betriebe und Auszubildende besser zusam­
menzubringen. Das gelang natürlich während der Coronaeinschränkungen nicht so
gut wie es hätte sein müssen. Kein Jugendlicher und kein Betrieb sollen allein gelas­
sen werden.
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Die Allianzpartner werden im sogenannten „Sommer der Berufsausbildung“ mit geziel­
ten Aktionen und Informationen für die duale Ausbildung werben. Ich begrüße das
sehr. Aber auch angesichts des demografischen Wandels wird das nicht der letzte
Sommer sein, in dem wir die Werbetrommel für Ausbildung rühren.

Als Partner ist der DIHK nicht nur in Ausbildungsfragen und nicht nur in Deutschland
gefragt. In 92 Ländern pflegen Auslandshandelskammern eine enge Kooperation mit
Akteuren aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft vor Ort. Das macht sie – auch für die
Bundesregierung – zu wichtigen Anlaufstellen und Informationsquellen für deutsche
Unternehmen, die im Ausland aktiv sind oder sein wollen.

Das gilt nicht zuletzt für afrikanische Standorte. Ich weiß, dass sowohl Herrn Schweit­
zer als auch Herrn Adrian die wirtschaftlichen Beziehungen zu Afrika sehr am Herzen
liegen. So macht sich der DIHK auch für den Erfolg des Compact with Africa stark –
einer Initiative, die wir während der deutschen G20-Präsidentschaft 2017 ins Leben
gerufen haben. Diese Initiative dient dazu, private Investitionen in reformorientierten
Partnerländern anzukurbeln.

Ich bin dem DIHK sehr dankbar dafür, dass er die Wirtschaftskonferenzen organisiert,
die regelmäßig im Rahmen der Compact with Africa-Kongresse stattfinden. Dort bieten
sich deutschen Unternehmen, die sich in Partnerländern engagieren wollen, hervorra­
gende Gelegenheiten, sich miteinander und mit den Regierungen dieser Länder aus­
zutauschen.

Ich begrüße es sehr, dass der DIHK das Netz der Auslandshandelskammern in Afrika
noch erweitern möchte und hoffe, dass die geplanten neuen Standorte in Côte d’Ivoire
und Äthiopien bald starten können.

Im Übrigen wurden auch die Auslandshandelskammern von der Pandemie hart getrof­
fen. Ihr Einsatz für die deutsche Wirtschaft im Ausland kann teilweise nur sehr einge­
schränkt stattfinden. Erschwerte Ein- und Ausreisen, unterbrochene Lieferketten –
manche Auswirkungen werden noch lange zu spüren sein. Doch auch in herausfor­
dernden Zeiten können sich deutsche Unternehmen auf die Kammern und ihre Dele­
gationsbüros vor Ort verlassen, zumal sie ihnen auch digital mit Rat und Tat zur Seite
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stehen können. Gleichwohl sind die Arbeitsbedingungen der Kammern während der
Pandemie alles andere als einfach. Die Bundesregierung unterstützt daher den DIHK
in dieser schwierigen Situation. Gemeinsam haben wir einen Schutzschirm für die Aus­
landshandelskammern konzipiert, damit keine von ihnen infolge der Coronakrise in fi­
nanzielle Schieflage gerät.

Lieber Herr Schweitzer, nach acht Jahren ist für Sie die Zeit an der Spitze des DIHK
satzungsgemäß zu Ende gegangen. Als Ehrenpräsident werden Sie ihm zwar auch
weiter eng verbunden bleiben, aber vermutlich trotzdem mehr Zeit finden, sich Ihrem
Unternehmen zu widmen. Ihr Vater hatte das Berliner Recyclingunternehmen ALBA
gegründet. Heute führen Sie zusammen mit Ihrem Bruder die ALBA Group. ALBA ist
außerhalb Berlins nicht nur Kennern der Branche ein Begriff, sondern auch jedem Bas­
ketballfan. Das Familienunternehmen macht sich als Sponsor im Profisport verdient,
aber es sorgt auch in Schulen für Bewegung, indem es ein großes Angebot an Sport­
kursen unterstützt. Zudem macht sich die Unternehmensgruppe für krebskranke Kin­
der und für Heimkinder stark.

Ich hoffe, dass Sie sich mit Ihrem Unternehmen auch weiterhin in den Dienst der einen
oder anderen guten Sache stellen. Was auch immer Sie anpacken, ich wünsche Ihnen
auch künftig eine glückliche Hand. Alles Gute für Sie.

Lieber Herr Adrian, Sie haben die Führung des DIHK in einer schwierigen Zeit über­
nommen. Wir hatten bereits Gelegenheit zum persönlichen Austausch. Als langjähri­
ges Mitglied des Vorstands kennen Sie den DIHK wie Ihre Westentasche. Schon des­
halb weiß ich den DIHK weiter in guten Händen. Ich bin mir außerdem sicher, dass der
Dialog mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag auch der nächsten Bun­
desregierung wichtig sein wird. Denn Politik und Wirtschaft sind wechselseitig auf
ebenso kritische wie konstruktive Gespräche angewiesen – zum Wohle unseres Lan­
des. In einem Wort also: Alles Gute und viel Erfolg für Ihre Präsidentschaft.

Und Ihnen allen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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