COMPETENCE - Gesundheit als Business Das Magazin der ZHAW School of Management and Law Nr. 3, Dezember 2011
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COMPETENCE Gesundheit als Business Das Magazin der ZHAW School of Management and Law Nr. 3, Dezember 2011
Inhalt Vorwort 5 CEO-Sicht Interview mit Ole Wiesinger, CEO der Privatklinikgruppe Hirslanden 6 a. 191 0 Hintergrund ahre, c nssaal der Grü nderj Früher göttliche Gnade, heute käufliches Gut 11 peratio erg, O hau s Lindb ranken Privatk Hochschulperspektive Gesundheit in der Schweiz: teuer, aber wertvoll 14 Wie viel darf ein Lebensjahr kosten? 19 Unternehmensperspektive The mHealth Potential 23 Expertensicht Interview mit Mario Lütolf, Direktor des Schweizer Tourismus-Verbands 26 Das grosse Hauen ums Stechen 31 Massgeschneiderte Nahrung für mich und dich 34 Alumni-Perspektive Gesundheitssystem im Wandel 38 Perspektivenwechsel Schwarze Listen für säumige Krankenkassenzahler 43 Zentrum für medizinische Radiologie – Röntgeninstitut Lindberg AG, Winterthur: Das Tochterunternehmen der RI Holding AG ist mit modernen bildgebenden Geräten ausge stattet. Mittels digitalem Röntgen, Magnet resonanztomografie, Computertomografie, Ultraschall etc. werden detaillierte Bilder des menschlichen Körpers angefertigt. Um dem ständig steigenden Qualitätsanspruch in der Medizin gerecht zu werden, ist eine fortlaufen de Investition in den Unterhalt und die Erneu erung der Geräte zwingend. Man rechnet pro Jahr mit ca. 25 Prozent des Gesamtumsatzes. Building Competence. Crossing Borders. COMPETENCE | 2011 3
Vorwort Building Competence. Liebe Leserin, lieber Leser Wort kommen: Zwei Manager zeigen auf, wie die Nachfrage nach Gesund- Unsere Gesundheit spielt nicht nur heitsleistungen in unternehmerischem 1921 pital W interthur, , Kantonss für uns selbst als Individuen, sondern Erfolg resultiert; Hochschulvertreter hwestern Krankensc auch für die Gesellschaft und die Wirt- diskutieren den Wert der Gesundheit schaft als Kollektiv eine immer wich- für Gesellschaft und Volkswirtschaft; tigere Rolle. Einerseits sind Erhaltung Journalisten beleuchten aktuelle Busi- und allenfalls Wiedererlangung der ness-Trends, aber auch problemati- Gesundheit vor allem im Zusammenhang mit der gestie- schere Versicherungsaspekte. genen Lebenserwartung zu einem beträchtlichen Kosten- faktor für Individuum und Staat geworden. Andererseits Zur Illustration von COMPETENCE haben wir, wie auch in ist die Gesundheit wesentliche Bedingung für den volks- den vergangenen Ausgaben, Impressionen aus Winterthur wirtschaftlichen Erfolg. In einigen westlichen Ländern ist gewählt. Als traditionell wichtiger Standort für die Gesund- der Gesundheitssektor inzwischen der grösste Arbeitge- heitsbranche hat die Stadt viele aussagekräftige Motive zu ber. Und manche Experten meinen sogar, der Gesund- bieten. Der Fotograf Beat Märki und unsere Mediengestal- heitsmarkt habe das Potenzial, der Megamarkt des 21. terin Nadja Hutmacher haben dabei ein ganz besonderes Jahrhunderts zu werden. Daher misst auch unsere School Konzept gewählt: Den modernen Aufnahmen haben sie of Management and Law dem Wirtschaftsfaktor Gesund- altes Bildmaterial aus den Archiven von Winterthur gegen- heit schon seit einigen Jahren grosse Bedeutung bei. Dies übergestellt. Dadurch wird uns einmal mehr bewusst, wie kommt unter anderem darin zum Ausdruck, dass wir seit stark der Zeitgeist das Gesundheitsverständnis prägt. 1999 das Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie (WIG) führen, das auf ökonomische und sozialwissen- Es ist übrigens kein Zufall, dass auch IMPACT, das Ma- schaftliche Fragen im Bereich des Gesundheitswesens gazin der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissen- spezialisiert ist. schaften, seine jüngste Ausgabe ebenfalls dem Thema Gesundheit gewidmet hat. In verschiedenen Beiträgen Aufgrund dieser Relevanz befasst sich COMPETENCE, wird gezeigt, wo die ZHAW bisher aktiv war und welche das Magazin der School of Management and Law, in der Chancen sich im Gesundheitsbereich gerade für interdis- vorliegenden Ausgabe mit dem Thema «Gesundheit als ziplinäre Forschung bieten. Business». Wie es dem Konzept von COMPETENCE ent- spricht, lässt die Publikation verschiedene Perspektiven zu Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre! Das Departement Gesundheit der ZHAW ist eines der grössten Zentren der Schweiz für die Aus- und Weiterbildung in den Gesund heitsberufen Ergotherapie, Hebamme, Pflege und Physiotherapie. Es trägt massgeblich zur Professionalisierung der vier Berufe bei – eine Prof. André Haelg Dr. Regine Wieder Voraussetzung dafür, dass die Gesellschaft auf Leiter ZHAW School of Management and Law Chefredakteurin COMPETENCE hoch qualifizierte Gesundheitsfachpersonen zählen kann. Zwischen 2006 und 2011 hat sich die Anzahl der Bachelorstudierenden von 217 auf 1166 mehr als verfünffacht. COMPETENCE | 2011 5
CEO-Sicht Ein gutes Gesundheitswesen braucht freien Wettbewerb Die Privatklinkgruppe Hirslanden führt in der Schweiz 14 Kliniken Bekanntlich hilft Wettbewerb, die Qualität zu steigern. Ein echter Wettbewerb ist aber nur in einem nicht regulierten und ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Ihr CEO Ole Markt zwischen privatwirtschaftlichen Akteuren möglich. Wiesinger ist davon überzeugt, dass der freie Wettbewerb die Welche Erfahrungen haben Sie diesbezüglich mit Hirslan- den gemacht? Qualität im Spitalwesen fördert. Ole Wiesinger: Ich bin der Überzeugung, dass ein staat- Interview: Regine Wieder lich überreguliertes Gesundheitswesen zu einer schlech- teren Qualität der Leistungen und höheren Kosten führt. Gute Qualität ist nur möglich, wenn man die Kräfte des Wettbewerbs spielen lässt, mit einer gewissen Überwa- COMPETENCE: Worin bestehen die Erfolge der Privatkli- punkt dar. Hinzu kommen modernste Technologie und chungsfunktion des Staates. Die Revision des Kranken- nikgruppe Hirslanden in den letzten Jahren? Facharztgarantie, ambulant wie stationär. versicherungsgesetzes geht grundsätzlich in die richtige Ole Wiesinger: Wir konzentrieren uns konsequent auf Richtung, d. h. öffentliche und private Spitäler sollen gleich Qualitätsmanagement einschliesslich der gruppenweiten In der Vision der Hirslanden-Gruppe heisst es: «Wir han- behandelt werden. Das Gesetz sieht mehr Wettbewerb ISO-Zertifizierung aller Einheiten. Damit haben wir ein ex- deln nach unternehmerischen Grundsätzen und zeichnen und mehr marktwirtschaftliche Aspekte vor. In der Realität zellentes Qualitätsniveau erreicht. Ein weiterer kritischer uns durch hohe Qualität und Wirtschaftlichkeit aus.» Wirt- führt jedoch die Doppelrolle der Kantone als Regulatoren Erfolgsfaktor ist das Konzept der Kompetenzzentren. schaftlichkeit bedeutet auch, Kosten so weit wie möglich und Betreiber von Spitälern zu einer erheblichen Fehlsteu- Dies sind Zentren, in denen sich unterschiedliche Fach- zu reduzieren. Wie stellen Sie dabei sicher, dass bei der erung im System. ärzte und weiteres medizinisches Personal auf ein The- medizinischen Qualität keine Abstriche gemacht werden? ma konzentrieren, z. B. die Wirbelsäule, und in denen eine Ole Wiesinger: Wir können bei der Qualität keine Ab- Die Klinikgruppe kommuniziert, dass sie die Ärzte aktiv in integrierte Versorgung erfolgt. Wir betreiben derzeit etwa striche machen, da wir eine Qualitäts- und keine Kosten- die Umsetzung der Geschäftsentwicklung einbezieht. Wie 100 solcher Kompetenzzentren. Seit unserer Gründung führerschaft anstreben. Die Qualität der medizinischen genau funktioniert das? können wir Wachstum in allen Dimensionen aufweisen: Behandlung ist bei uns oberstes Gebot. Wir haben uns Ole Wiesinger: Die ISO-Zertifizierung erfordert unter an- Anzahl der Betten, Ärzte und Mitarbeiter, aber auch Fall- bisher komplett selbst finanziert und das unternehmeri- derem einen stringenten Strategieprozess eines jeden Un- zahlen und Pflegetage. Wir haben uns als der Anbieter für sche Risiko voll getragen. Erfolg haben wir, weil der Markt ternehmens. Im Fall der Kliniken beteiligen wir die Ärzte Zusatzversicherte positioniert, ohne dabei die Grundver- von unserer Leistung überzeugt ist. am Strategie- und Zielerarbeitungsprozess. Unsere Kom- Ole Wiesinger: «Gute Qualität ist nur möglich, wenn sicherten aus den Augen zu verlieren – immerhin sind 30 petenzzentren werden zusammen mit unseren Ärzten ent- man die Kräfte des Wettbewerbs spielen lässt.» Prozent unserer Patienten Grundversicherte. Ökonomisches Handeln bedeutet auch Einkommen zu wickelt. Beispielsweise geht das Ende 2008 gegründete maximieren. Kommt man da als privater Anbieter von me- Zentrum für Neuropelveologie auf eine Initiative unserer Im freien Markt müssen sich Organisationen von ihren dizinischen Leistungen nicht in Versuchung, besonders Ärzte zurück. Dieses hoch spezialisierte Zentrum beschäf Ole Wiesinger: Die Mediclinic-Gruppe ist die fünft- Wettbewerbern unterscheiden, um erfolgreich zu sein. teure Therapien anzuwenden? tigt sich mit Funktionsstörungen sowie Schmerzen und grösste Klinikgruppe der Welt und in drei geografischen Wodurch unterscheidet sich die Klinikgruppe von ihren Ole Wiesinger: Es ist selbstverständlich, dass wir kei- Erkrankungen im kleinen Becken und ist, wie auch die Regionen mit sehr unterschiedlichen mikro- und makro- Wettbewerbern? ne unnötigen oder zu teuren Therapien durchführen. Da anderen Kompetenzzentren, für uns von strategisch wich- ökonomischen Bedingungen vertreten: in der Schweiz, im Ole Wiesinger: Unsere Wettbewerber sind sowohl öf- greift auch unser Qualitätsmanagement, das wir flächen- tiger Bedeutung, da wir uns dadurch im Markt als innova- südlichen Afrika und in Dubai. Somit verfügt die Gruppe fentliche als auch private Spitäler. Wir unterscheiden deckend anwenden. Ausserdem sind Patienten heutzuta- tiver Dienstleister positionieren können. auch über Erfahrungen in unterschiedlichen Märkten: ers- uns dadurch, dass wir den strategischen Fokus auf die ge in der Regel bereits vor einer Behandlung sehr genau tens im gesättigten Markt der Schweiz, wo wir uns über Behandlung zusatzversicherter Patienten legen. Neben über potenziell notwendige Massnahmen und Methoden Hirslanden ist Teil der Mediclinic-Gruppe, die auch Kliniken die Qualitätsführerschaft differenzieren; zweitens in den bedingungsloser Kundenorientierung bieten wir unse- informiert. Auch würden die Hausärzte ihre Zuweisungs- in Südafrika, Namibia und den Vereinigten Arabischen Emi- Emerging Markets von Südafrika und Namibia, wo sich ren Patienten einen schnellen Zugang zur medizinischen praxis augenblicklich ändern und niemanden mehr zu uns raten betreibt. Sie selbst sind Mitglied der internationalen selbst Privatspitäler nur über Kostenführerschaft behaup- Behandlung. Selbstverständlich stellt die kompetente, schicken. Im Übrigen glaube ich grundsätzlich nicht, dass Konzernleitung von Mediclinic und in deren Verwaltungsrat ten können; und drittens in Dubai, wo die Gruppe derzeit aufmerksame und fürsorgliche Pflege in wohltuender Um- eine angebotsgesteuerte Nachfrage im akutstationären vertreten. Inwiefern sind die Herausforderungen im südli- strategisch zwischen Qualitätsfokus und Kostenfokus po- gebung nebst guter Verpflegung einen wichtigen Schwer- Bereich greift. chen Afrika bzw. in den VAE anders als in der Schweiz? sitioniert ist. 6 COMPETENCE | 2011 COMPETENCE | 2011 7
CEO-Sicht Affinität zur Forschung zu rek- sollte es dem Spital überlassen bleiben, welche Leistung zwang abgeschafft werden, d. h. eine Krankenkasse sollte rutieren. Insofern kann sich die es zu welchem Preis anbietet. Bisher haben wir bewiesen, nicht per se an jeden zugelassenen Arzt zahlen müssen, Privatklinikgruppe Hirslanden dass die Preise für unsere hochstehenden Leistungen sondern sie sollte wählen können, mit welchem Arzt sie gar nicht leisten, diesen Bereich durchaus wettbewerbsfähig sind. Kostensenkungsmass- Verträge macht. Zweitens bräuchte man eine monistische zu vernachlässigen. In Sachen nahmen sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht nötig. Finanzierung, d. h. es würden nicht mehr sowohl Kanton Forschung haben unsere Klini- als auch Krankenversicherung für unsere Gesundheits- ken sehr viel Autonomie und in- Die Privatklinikgruppe Hirslanden behauptet, sie engagiere leistungen bezahlen, sondern nur noch ein Zahlmeister. vestieren dort, wo ihre Schwer- sich nachhaltig in Gesellschaft und Politik als sozialverant- Drittens ist ein verfeinerter Risikostrukturausgleich erfor- punkte liegen. Zudem haben wortlicher Partner. Wie tut sie dies? derlich. Derzeit greift bei unseren Krankenversicherungen wir eine Forschungsstiftung, die Ole Wiesinger: Auf Gruppen- und Klinikebene haben wir ein finanzieller Ausgleichsmechanismus, der schlechte entsprechende Vorhaben finan- 2011 1,5 Mio. Franken für Projekte im Bereich der Cor Risiken kompensiert. Dieser muss adjustiert werden. In ziell unterstützt. porate Social Responsibility zur Verfügung gestellt. Das einem derartigen Setup mit Kantonen, die sich auf die beinhaltet sowohl Medical-Partnerschaften als auch Pro- Sicherstellung der medizinischen Versorgung mit einem Was entgegnen Sie jenen Kriti- jekte aus den Bereichen Gesundheit wie z. B. Schwei- Mindestmass an Regulierung beschränken und sich aus kern, die den Privatspitälern vor- zerische Herzstiftung, Krebsliga, aber auch Kunst- und der Betreiberschaft von Spitälern zurückziehen, würden werfen, sich nur mit dem profi- Kulturprojekte wie ein Sponsoring des Luzerner Sinfonie- die Qualität und Wirtschaftlichkeit im System steigen. tablen Geschäft rund um die Orchesters, oder auch Umweltprojekte wie das Solarflug- Privatpatienten abzugeben und zeugprojekt Solar Impulse von Bertrand Piccard. Zudem Die Klinik Hirslanden in Zürich nimmt im März 2009 als erste Institution der «Rosinenpickerei» zu betreiben? setzen wir uns für ein freiheitliches, an marktwirtschaft- Schweiz ein CyberKnife-System in Betrieb. Das CyberKnife-System ist das Ole Wiesinger: Erstens sind lichen Prinzipien orientiertes und wettbewerbliches Ge- weltweit einzige nichtinvasive, robotergesteuerte Radiochirurgiesystem für etwa ein Drittel unserer Patien- sundheitswesen ein. Es bedeutet auch, dass es ein faires die Behandlung von Tumoren an beliebigen Stellen des Körpers. ten gruppenweit Allgemeinver- und transparentes Nebeneinander von öffentlichen und sicherte, an einzelnen Standor- privaten Spitälern geben soll und muss. ten über 60 Prozent. Zweitens Forschungsaktivitäten sind für Spitzenkliniken unerlässlich, ist es doch selbstverständlich, dass Patienten, die Sie haben früher als Chirurg im Spital gearbeitet. Inwiefern um die Qualität bei Diagnose und Behandlung sicherzustellen. höhere Prämien bezahlen, eine erweiterte Leistung können Sie von dieser Erfahrung heute als Manager einer Allerdings sind die Forschungsaktivitäten an privaten Kliniken bekommen. Das ist auch in öffentlichen Spitälern nicht Klinikgruppe profitieren? eingeschränkter als an staatlichen, da private Kliniken keine anders; auch sie behandeln gerne Zusatzversicherte. Ole Wiesinger: Dank meiner medizinischen Erfahrung staatliche Unterstützung für ihre Forschung erhalten. Wie stel- verstehe ich Ärzte und ihre Anliegen besser. Ich profitiere Ole Wiesinger len Sie sicher, dass die Klinikgruppe trotzdem wettbewerbs- Wie gehen Sie damit um, dass die Hirslanden-Klinik davon, dass ich die medizinischen Abläufe kenne und vor Dr. Ole Wiesinger ist seit 2008 CEO der Privatklinikgruppe Hirslanden. Davor war er während vier Jahren Direktor der Klinik Hirslanden in fähig bleibt? «Im Park» in Zürich aufgrund mangelnder Wirtschaft- allem auch die Situation des Pflegepersonals. Ich muss Zürich. Wiesinger ist Mitglied des Verwaltungsrats der Mediclinic Swit- Ole Wiesinger: Hier muss zunächst zwischen Grundlagen- lichkeit nicht auf die Spitalliste gekommen ist? Werden zugeben, dass mir mein Arztberuf manchmal fehlt, denn zerland AG und Mediclinic International Limited, der südafrikanischen forschung und klinischer Forschung unterschieden werden. Sie Kostensenkungsmassnahmen einleiten? ich war ausgesprochen gerne Arzt. Aber meine Entschei- Muttergesellschaft der Privatklinikgruppe Hirslanden. Nach dem Stu- dium der Biologie und Humanmedizin absolvierte er ein Nachdiplom- Grundlagenforschung muss sinnvollerweise den Universitä- Ole Wiesinger: Ich bin nicht damit einverstanden, dung, ins Spitalmanagement zu wechseln, bereue ich kei- studium in Gesundheitsökonomie. Der 49-Jährige ist in Hamburg ge- ten vorbehalten bleiben; klinische Forschung kann an allen dass der Kanton verkündet, die Klinik «Im Park» sei nesfalls. boren, verheiratet und Vater von vier Kindern. klinischen Einrichtungen betrieben werden. Für die Privatkli- nicht wirtschaftlich genug. Erstens ist die Vergleichs- nikgruppe Hirslanden ist Forschung von strategischer Be- grundlage falsch, da man die durchschnittlichen Kos- Wie müsste man aus Ihrer Sicht ein ideales Gesundheits- Privatklinikgruppe Hirslanden Die Privatklinikgruppe Hirslanden umfasst 14 Kliniken in 10 Kantonen, deutung, da sie sich u. a. über die z. T. hoch spezialisierten ten aller öffentlichen Spitäler als Vergleichsgrösse an- system organisieren? zählt 1 520 Belegärzte und angestellte Ärzte und 5 654 Mitarbeitende. Kompetenzzentren positioniert, und diese wiederum wären gesetzt hat. Zweitens ist es Sache des Privatspitals, Ole Wiesinger: Grundbedingung ist Wettbewerb im Hirslanden ist die führende Privatklinikgruppe der Schweiz und weist ohne entsprechende klinische Forschungsaktivitäten nicht so wie es mit den Kosten umgeht, nachdem ja eben ab Markt, denn kein rein staatliches Gesundheitssystem hat im Geschäftsjahr 2010/11 einen Umsatz von 1 218 Mio. Franken aus. Die Privatklinikgruppe Hirslanden formierte sich 1990 aus dem Zu- erfolgreich und attraktiv. Unser Wachstum ist auch ein Re- 2012 nicht mehr das Objekt, d. h. das Spital, sondern sich je durchgesetzt. Darüber hinaus sind drei Vorausset- sammenschluss mehrerer Privatkliniken und ist seit 2007 Teil der süd- sultat unseres Bestrebens, hoch spezialisierte Ärzte mit einer das Subjekt, d. h. der Patient, finanziert wird. Auch zungen notwendig: Erstens müsste der Kontrahierungs- afrikanischen Spitalgruppe Mediclinic International Limited. 8 COMPETENCE | 2011 COMPETENCE | 2011 9
Früher göttliche Gnade, heute käufliches Gut Die Gesundheit spielte für den Menschen schon immer eine wichtige Rolle. Bereits seit der Antike kennt man sowohl ihre kör- perliche als auch ihre seelisch-geistige Dimension. Allerdings gibt ntonsspital W interthur, 19 26 es bis heute keine Einigkeit darüber, worin Gesundheit besteht Apotheke, Ka und wie stark sie der Mensch beeinflussen kann. Text: Regine Wieder Dafür, dass sie unser höchstes Gut sein soll, wissen wir die geistige und soziale Dimension mit einbezogen werden ausgesprochen wenig über unsere Gesundheit. Sie be- müssen. Dieses erweiterte Verständnis von Gesundheit schäftigt uns zwar fortwährend, aber meist nur indirekt, ist sicherlich insofern sinnvoll, als es unser psychosozi- indem wir versuchen, Krankheiten abzuwenden. Über ales Wohlbefinden explizit berücksichtigt. Problematisch Krankheiten wissen wir dagegen viel, weil uns über sie allerdings ist die Absolutheit, die in der Definition zutage eine grosse Menge an Informationen zur Verfügung steht. tritt. Gälten wir nur bei vollständigem körperlichem, geisti- Aber letztlich dreht sich alles um das eine: die Erhaltung gem und sozialem Wohlbefinden als gesund, so wären die oder Wiederherstellung unserer Gesundheit, eines Zu- meisten Menschen fast permanent krank. stands, den wir für erstrebenswert halten, aber bei dem wir uns nicht einig sind, worin er besteht. Gesundheit als Geisteshaltung Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Wert und Wesen Was ist Gesundheit? unserer Gesundheit die Menschen schon früh beschäftigt Ein gängiges Verständnis von Gesundheit ist die Abwe- haben und in engem Zusammenhang mit der Frage nach senheit von Krankheit. Diese Sicht ist einerseits problema- dem Lebenssinn stehen. Bereits im klassischen Griechen- tisch, weil Krankheit kein objektiver Zustand ist, sondern land ging das Verständnis von Gesundheit über körperli- von willkürlichen Definitionen abhängt. So argumentiert che Unversehrtheit hinaus. Eine wichtige Voraussetzung der Mediziner, Theologe und Buchautor Manfred Lütz, für Gesundheit war die Harmonie, die einerseits aus dem dass die Anzahl der Krankheiten ausschliesslich von der Fliessgleichgewicht der Körpersäfte besteht, andererseits Häufigkeit der medizinischen Kontrolluntersuchungen ab- aber auch durch eine intakte Umwelt sowie die entspre- hänge. Andererseits greift das Verständnis, Gesundheit chende Ernährung gebildet wird. Für Plato ist die Ge- sei der Zustand ohne Krankheit, auch zu kurz. Generell sundheit des Menschen vor allem von dem Zustand der gehen wir davon aus, dass die Gesundheit wieder herge- Seele abhängig, die zwar mit dem Körper verbunden ist, Steinberg-Apotheke Winterthur: Gemäss stellt, wenn die körperliche Krankheit besiegt ist. Fraglich aber weit über ihm steht und unsterblich ist. Er sieht in Schweizerischem Apothekerverband pharma ist allerdings, ob man nach dem Verschwinden der Krank- der Seele auch die Vernunft beheimatet, die die Aufga- Suisse gibt es schweizweit über 1 700 Apo theken und eine Apotheke pro 4 500 Einwoh heitssymptome bereits von Gesundheit sprechen kann. be hat, Tugenden zu fördern und die Harmonie der Seele nerinnen und Einwohner. Die Apothekendichte Gemäss der Definition der World Health Organization ist herzustellen. Auch bei Aristoteles kommt im Zusammen- liegt somit unter dem europäischen Mittel von Gesundheit «ein Zustand des vollständigen körperlichen, hang mit Gesundheit, die er als höchstes Gut bezeichnet, 3 300. Durchschnittlich beschäftigt eine Apo geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das der Tugendaspekt zum Ausdruck. Aristoteles ist sogar der theke in der Schweiz knapp 11 Personen und Fehlen von Krankheit oder Gebrechen». Zumindest weist Meinung, der Mensch sei für seine Krankheiten oft selbst erwirtschaftet einen Betriebserlös von 2,9 Mio. diese Formulierung darauf hin, dass Abwesenheit von verantwortlich und könne Gesundheit durch eine tugend- Franken. Krankheit nicht ausreicht und neben der körperlichen auch hafte Haltung erreichen. 10 COMPETENCE | 2011 COMPETENCE | 2011 11
Hintergrund Gesundheit von Gottes Gnaden Zwischen Mechanizismus und Kontrolle über die Gesundheit rungsprozess und schliesslich dem Tod so lange wie mög- Auch im abendländischen Mittelalter wurde Gesundheit Harmonieideal Die Vorstellung, dass die innere Haltung sowohl Körper lich auszuweichen, ist zwar prinzipiell nachvollziehbar. Es stark mit religiösen Fragen verbunden. Körperliche Krank- Ein mentalitätsgeschichtlicher Paradigmenwechsel fand als auch Psyche übersteuern und ein Gleichgewicht be- stellt sich allerdings die Frage, ob die permanente Sorge heiten, vor allem auch Missbildungen, waren zunächst in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts statt. Ein gänz- wirken kann, wurde mit Beginn des 20. Jahrhunderts um das Wohlbefinden uns nicht letztlich mehr Lebensqua- eine Strafe Gottes für eine menschliche Sünde. Sie wur- lich neues Verständnis von Gesundheit entstand, als René durch Sigmund Freud (1856 – 1939) fundamental in Frage lität nimmt, als sie uns gibt. den aber auch als eine Botschaft verstanden, die den Descartes (1596 – 1650) mit seinem «Discours de la mé- gestellt. Gemäss seiner Theorie der Psychoanalyse sind Menschen zur Kontemplation und Umkehr bringen sollte, thode» (1637) den Grundstein für die moderne wissen- unbewusste psychische Vorgänge für unser Verhalten, um letztlich seine seelische Gesundung zu bewirken. Um- schaftliche Denkweise legte und mit seinen Ideen eine unser Denken und unsere Emotionen verantwortlich. Erst gekehrt sah man im körperlich Gesunden Ausdruck eines wichtige Voraussetzung für die Aufklärung schuf. Für Des durch Aufdecken dieser unbewussten Vorgänge können gottgefälligen und tugendhaften Lebens. Diese Gesund- cartes besteht der Mensch aus zwei Elementen: einem psychische und psychosomatische Störungen behoben heit manifestierte sich durch Körperkraft und die Fähig- mechanisch funktionierenden Körper und einer Seele. Den werden. Auch wenn die Wissenschaftlichkeit dieser Theo- keit zum Kampf mit Schwert und Schild. Nicht umsonst menschlichen Körper vergleicht er mit einem Automaten rie nicht allen Prüfungen standhält, so haben wir Freud zu stösst man bei einer etymologischen Untersuchung des und den Blutkreislauf mit einem Fluss, der verschiede- verdanken, dass die menschliche Psyche in der Medizin Wortes «Gesundheit» auf althochdeutsche Formen, die ne Maschinen, nämlich die Organe, antreibt. Descartes und auch in anderen Wissenschaften eine immer stärkere in etwa «Stärke» bedeuten. Obwohl Krankheit als Strafe erwartet von der Medizin, dass sie durch systematische Gottes gesehen wurde, verlangte das Gebot der christ- Suche nach den Ursachen den Menschen von Krankhei- «Dass der Mensch nur dann lichen Nächstenliebe, den Kranken zu helfen, was auch ten befreien kann. Sein mechanistisches Verständnis des gesund ist, wenn auch seine Psyche zuverlässig praktiziert wurde. Denn schliesslich hätte eine menschlichen Organismus markiert den Beginn einer lan- im Gleichgewicht ist, wird heute gen Tradition, die sich zum Teil bis heute gehalten hat. Es kaum noch in Frage gestellt.» «Umgekehrt sah man im körperlich ist die Überzeugung, dass Gesundheit und Krankheit fast Gesunden Ausdruck eines gott vollständig durch den Menschen gesteuert und kontrolliert Berücksichtigung fand und noch findet. Dass der Mensch gefälligen und tugendhaften Lebens.» werden können. Auch wenn sich diese Sicht im Laufe der nur dann gesund ist, wenn auch seine Psyche im Gleich- Zeit als problematisch erwiesen hat, bleibt Descartes’ Ver- gewicht ist, wird heute kaum noch in Frage gestellt. Zu- Vernachlässigung der karitativen Pflicht zur Folge haben dienst für die Entwicklung der Wissenschaften beachtlich. sätzlich haben wir – gerade auch durch Freud – gelernt, können, dass Gott einen dafür selbst mit Siechtum be- Eine weitere wichtige Wende im Verständnis von Gesund- dass es menschliche Phänomene wie eben das «Unbe- straft. In dieses Dilemma gerieten die Menschen insbe- heit vollzog sich über ein Jahrhundert später. Der noch wusste» gibt, die wir mit den uns zur Verfügung stehen- sondere, als im 14. Jahrhundert in Europa die Pest wü- während der Aufklärung propagierten Vernunft als Erkennt- den Methoden nicht vollständig erschliessen, allenfalls tete, die als rasender Zorn Gottes interpretiert wurde. Im nis- und Problemlösungsprinzip wurde gegen Ende des erahnen können, die aber ein wichtiges Element unserer Gegensatz zu diesem körperbezogenen Verständnis von 18. Jahrhunderts die Emotion gegenübergestellt. Das Be- Gesundheit ausmachen. Gesundheit gab es im Mittelalter auch einige Strömungen, dürfnis, widerstreitende Kräfte miteinander zu versöhnen, die alles Körperliche verteufelten und sich zu strengster resultierte anschliessend im Harmonieideal der Klassik. Obwohl wir uns der Grenzen der Wissenschaft bewusst Askese verpflichteten. Für sie hatte die körperliche Verfas- Dieses Prinzip nimmt auf das bereits in der Antike propa- sein müssten, hat sich das von Descartes begründete sung wenig Bedeutung, wichtig war die geistige Haltung. gierte Ideal der Vollkommenheit und Ganzheit Bezug. Vor mechanistische Menschenbild hartnäckig über die Jahr- Inmitten dieser Ambivalenz von Körperverehrung und diesem Hintergrund wird auch Gesundheit neu definiert. hunderte behauptet und scheint in den letzten Dekaden Körperverachtung hatte es die Medizin ausgesprochen Gesundheit war nicht mehr hauptsächlich das Ergebnis gar noch populärer geworden zu sein. Der Trend, dass Regine Wieder schwer. Zwar hatte sie bereits seit dem 13. Jahrhundert einer reibungslos funktionierenden Maschine, sondern vor allem körperliche Intaktheit und Perfektion mit allen zur Dr. Regine Wieder ist an der ZHAW School dank ihrem Zugang zu dem reichen medizinischen Wis- die Zusammenführung von Körper und Seele. Goethe Verfügung stehenden Methoden erreicht werden können, of Management and Law als Dozentin für Wissenschaftstheorie, Kommunikation und sen der Araber und der berühmten Fakultäten von Bolog- (1749 – 1832), der sich zeitlebens über sein Befinden Ge- wenn man nur genügend investiert, ist allgegenwärtig. Public Relations tätig. Nach ihrem Studium na, Salerno und Montpellier grosse Fortschritte gemacht. danken machte, sah in der Gesundheit eine Harmonie, die Selbst fernöstliches Gedankengut und Meditationsprak- und Doktorat in Europäischer Literatur an Dennoch konnten sich ihre Erkenntnisse kaum gegen den das Resultat einer inneren Haltung ist. Diese ermöglichte tiken, wie z. B. Yoga, werden letztlich oft entgegen ihrer der Universität Oxford und einem längeren Forschungsaufenthalt an der University of alles dominierenden Glauben – und insbesondere auch ihm trotz körperlicher Krankheit und psychischer Krisen, die ursprünglichen Idee im Sinne des Machbarkeitswahns Pennsylvania hat sie als Kommunikations- den Aberglauben – durchsetzen. entgegengesetzten Kräfte ins Gleichgewicht zu bringen. instrumentalisiert. Das Bestreben, Krankheiten, dem Alte- spezialistin in der Wirtschaft gearbeitet. 12 COMPETENCE | 2011 COMPETENCE | 2011 13
Hochschulperspektive Gesundheit in der Schweiz: teuer, aber wertvoll Dass die Kosten des schweizerischen Gesundheitswesens Abbildung 2 zeigt denselben Tatbestand aus Sicht der ein- Tabelle 1: Lebenserwartung bei Geburt in Jahren, hoch sind und ständig ansteigen, kann man beinahe täglich zelnen Person für die Schweiz. So sind in der betrachteten Zeitperiode die Ausgaben pro Kopf zu Preisen von 2005 Schweiz 1985, 2000 und 2009 den Medien entnehmen. Darüber sollte allerdings nicht verges- von 4 400 auf 8 000 Franken pro Jahr, also um 83 Prozent Jahr Männer Frauen sen werden, dass auch der Wert der Gesundheit sehr hoch ist angestiegen. Das Pro-Kopf-Einkommen hat dagegen real nur um 24 Prozent von rund 57 000 auf 70 000 Franken 1985 73,5 80,2 und zukünftig weiter zunehmen wird. zugenommen. Dabei gilt es zu beachten, dass trotz der 2000 76,9 82,6 Text: Reto Schleiniger überproportionalen Zunahme der Gesundheitsausgaben 2009 79,8 84,4 das Einkommen auch abzüglich dieser Ausgaben immer Differenz 1985 bis 2009 6,3 4,2 noch angestiegen ist. In der Schweiz betrugen im Jahr 2009 die Ausgaben für die hoch ist und die USA mit einem Wert von 17,4 Prozent im Bundesamt für Statistik der Schweiz Gesamtheit aller Gesundheitsleistungen 61 Mia. Franken, Jahr 2009 unangefochten an der Spitze stehen. In allen Abbildung 2: Gesundheitsausgaben und BIP pro Kopf, wovon rund die Hälfte über die obligatorische Kranken Ländern hat die Quote über die Zeit stark zugenommen. 1985 bis 2009 Natürlich wird die Lebenserwartung auch von anderen versicherung und die Kantonsbeiträge an die Spitäler ab- Im Durchschnitt über alle OECD-Länder stieg der Anteil Faktoren als der Gesundheitsversorgung beeinflusst. 190 gedeckt wurde. Im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt in den letzten 25 Jahren um 3,4 Prozentpunkte. Die Ge- Wenn aber beispielsweise die Hälfte der Veränderung 180 stiegen die Ausgaben in den letzten 25 Jahren von 7,7 sundheitsausgaben sind also in dieser Zeit deutlich stär- 170 der Lebenserwartung, also gut drei Jahre bei den Män- auf 11,4 Prozent. Abbildung 1 zeigt, dass der Anteil der ker gewachsen als die Gesamtwirtschaft. 160 nern und gut zwei Jahre bei den Frauen, auf vermehrte 150 Gesundheitsausgaben in unseren Nachbarländern ähnlich Gesundheitsleistungen zurückzuführen ist, so kann man 140 130 sich die Frage stellen, ob die zusätzlichen Lebensjahre die 120 Mehrkosten von jährlich 3 600 Franken wert sind. Neuere 110 Studien für die USA und auch für die Schweiz bejahen 100 1985 1990 1995 2000 2005 2010 diese Frage. Die Erhaltung der Gesundheit kostet also viel, Abbildung 1: Entwicklung des Anteils an Gesundheitsausgaben in ausgewählten Ländern (in Prozent) Gesundheitsausgaben real pro Kopf indexiert ihr Nutzen wird aber von der Bevölkerung noch höher be- 18 BIP real pro Kopf indexiert wertet. 16 Bundesamt für Statistik der Schweiz Das bedeutet, dass die Ausweitung der Gesundheitsver- 14 sorgung in der Schweiz als Ganzes wohlfahrtssteigernd ist. Es heisst allerdings nicht, dass Art und Menge der 12 Nicht nur die Kosten steigen Gesundheitsleistungen in einzelnen Bereichen nicht über 10 Bei der Beurteilung dieses Kostenwachstums ist aller- das von den Konsumenten gewünschte Mass hinausge- dings insofern Vorsicht geboten, als steigende Kosten hen oder dass alle Leistungen möglichst kostengünstig 8 nicht a priori etwas Schlechtes sein müssen. Dies wäre erbracht werden. Es kann also durchaus noch «Luft im 6 nur dann der Fall, wenn den zunehmenden Kosten kein System» in Form von allokativer und produktiver Ineffizi- Nutzen gegenüberstehen würde. Ein häufig verwendeter enz vorhanden sein. Um zu analysieren, ob solche Ineffizi- 4 Indikator für den Nutzen von Gesundheitsleistungen ist die enzen bestehen, müssen zuerst die Ursachen der hohen 2 Lebenserwartung. Diese ist in der Schweiz, wie aus Tabel- Kosten bzw. des Kostenwachstums identifiziert werden. le 1 zu entnehmen ist, in den letzten 25 Jahren deutlich Anhand der einzelnen Einflussfaktoren lässt sich dann die 0 Korea United Kingdom Sweden Austria Switzerland Germany France United States angestiegen. Frage genauer erörtern, ob die Kosten zu hoch sind bzw. deren Wachstum zu hoch ist. Im Folgenden werden die 1985 2000 2009 vier Kostentreiber Alter, technischer Fortschritt, Versiche- OECD, Health Data 2011 rungsmarkt und Einkommen näher betrachtet. 14 COMPETENCE | 2011 COMPETENCE | 2011 15
Hochschulperspektive Teurer Lebensabend? beurteilen, die zu Kosteneinsparungen führt. So bestehen Krankheitssymptome ist und welche Behandlungsmög- heit aufgewendet wird. Eine Studie für die USA berechnet, Alle demografischen Fortschreibungen gehen davon aus, im Rahmen des Schweizerischen Krankenversicherungs- lichkeiten in Frage kommen. Dieser Informationsvorsprung dass dieser alleine auf den Präferenzen der Bevölkerung dass der Anteil älterer Menschen in der Schweiz wachsen gesetzes kaum Anreize für kostensparende Innovationen, kann nun unter Umständen dazu benutzt werden, den Pa- beruhende Anteil bis Mitte des Jahrhunderts auf 30 Pro- wird. Damit wurde lange stillschweigend angenommen, da dieses auf dem so genannten Kostenerstattungsprin- tienten zu viele oder zu teure Leistungen zu verkaufen. Mit zent ansteigen wird. dass sich die Gesundheitsausgaben pro Kopf auch erhö- zip beruht, wonach die Krankenkassen die Kosten für alle der aktuellen Revision des Krankenversicherungsgesetzes hen werden. Diese Annahme wird allerdings durch neuere in Anspruch genommenen Leistungen tragen müssen. Mit soll dieses Problem über die Forcierung von Managed- Es gibt also viele Gründe für steigende Gesundheitskos- Studien in Zweifel gezogen, die zeigen, dass vielmehr die der Einführung von Fallpauschalen von stationären Be- Care-Modellen eingedämmt werden. Die Idee dabei ist, ten. Die meisten davon sind allerdings Ausdruck der Prä- Nähe zum Tod als das eigentliche Alter die Gesundheits- handlungen ab 2012 kommt es dabei allerdings zu einer dass die Ärzte im Rahmen dieser Modelle Budgetver- ferenzen der Bevölkerung. Auch wenn es möglich wäre, kosten erhöht. Die wissenschaftliche Diskussion darüber Änderung des Prinzips, von der man sich einen kosten- antwortung übernehmen, indem sie pro Patient mit einer den Gesundheitsmarkt durch eine optimale Regulierung ist noch im Gange. Der Stand der Dinge ist aber, dass die sparenden Effekt erhofft. Pauschale abgegolten werden. Damit entfällt der Anreiz, vollkommen effizient zu gestalten, so würden die Kosten Todesnähe vor allem einen Einfluss auf Akutbehandlungen unnötige Behandlungen zu verschreiben. zukünftig dennoch zunehmen, und auch ihr Anteil am hat, während das Alter an sich eher die Pflegekosten, z. B. Moralisches Risiko bleibt Bruttoinlandprodukt würde weiter steigen. Natürlich zah- für Alzheimerpatienten, erhöht. Wie dem auch sei: Selbst Im Versicherungsmarkt für Gesundheit sind darüber hin- Steigende Einkommen – steigende len wir alle lieber weniger als mehr, jedoch nur bei glei- wenn die zunehmende Alterung die Gesundheitskosten aus noch weitere Aspekte von Bedeutung, die zu einer Kosten cher Leistung. Wenn aber die Frage nach der Ausweitung ansteigen lässt, so ist dies Ausdruck der gestiegenen zu starken Ausdehnung der in Anspruch genommenen Der letzte hier erörterte Kostentreiber ist das Einkommen. von Leistungen gestellt wird, dann findet das eine breite Nachfrage einer älter gewordenen Bevölkerung. Alterung Leistungen führen. Häufig erörtert werden dabei das so Dazu ist zuerst einmal Folgendes festzuhalten: Es ist ganz Zustimmung. So wurde die Volksabstimmung am 17. Mai kann also zu einem Kostenanstieg führen, von zu hohem genannte moralische Risiko (moral hazard) und die an- normal, dass sich die Ausgabenanteile für einzelne Gü- 2009 zur Aufnahme der Komplementärmedizin in den Wachstum kann aber in diesem Zusammenhang nicht die gebotsinduzierte Nachfrageausdehnung. Das moralische ter mit zunehmendem Einkommen ändern. Es wäre alles Grundleistungskatalog der obligatorischen Krankenversi- Rede sein. Risiko ergibt sich dadurch, dass krankenversicherte Per- andere als rational, unabhängig von seinem Einkommen cherung von allen Ständen und mit einem Ja-Anteil von 67 sonen Gesundheitsleistungen pauschal über Prämien immer genau fünf Prozent davon beispielsweise für Brot Prozent deutlich angenommen. Die schlechte Nachricht Anreize für Kosteneinsparung schaffen finanzieren und für einzelne, effektiv nachgefragte Leis- ist also, dass die Kosten auch in Zukunft weiter steigen Technischer Fortschritt zeigt sich in Form von kostengüns- tungen wenig oder nichts zahlen. Dadurch verhalten sich «Dass uns der zweiundsiebzigste werden. Die gute Nachricht ist, dass dies gar keine so tigerer Erstellung bestehender Leistungen oder in Form versicherte Personen anders, als wenn sie nicht versichert Fernsehkanal weniger wert ist als der schlechte Nachricht ist. von neuen oder verbesserten Leistungen. Letztere sind wären, zum Beispiel indem sie zu wenig Prävention be- zweite, scheint offensichtlich; warum ein allgemein anerkannter und bedeutender Kostentrei- treiben oder zu häufig zum Arzt gehen. Mit Instrumenten uns aber das zweiundsiebzigste ber im Gesundheitswesen. Allerdings ist damit noch nicht wie Franchise und Selbstbehalt lässt sich das Risiko zwar Lebensjahr weniger wert sein soll als geklärt, wodurch technischer Fortschritt in dieser Form eindämmen, allerdings wird dadurch der Versicherungs- das zweite, ist weniger klar.» schutz reduziert. Das moralische Risiko ist also sozusagen «Ein künstliches Hüftgelenk oder die der volkswirtschaftliche Preis, den wir für den Versiche- auszugeben. Es kommt der Zeitpunkt, da man von Brot neuen biotechnologisch hergestellten rungsschutz zu zahlen haben. Der Preis ist nicht einfach gesättigt ist und kein zusätzliches konsumiert, auch wenn Medikamente gegen Krebs sind zu quantifizieren, dürfte aber nicht sehr hoch sein. Zudem das Einkommen weiter zunimmt. Sättigung oder ein ab- ist davon auszugehen, dass das moralische Risiko eher nehmender Grenznutzen ist bei den meisten Gütern fest- zwar sehr teuer, ihr Nutzen ist aber das Kostenniveau, nicht aber das Kostenwachstum be- zustellen. Es ist allerdings fraglich, ob mit zunehmendem auch sehr hoch.» einflusst. Alter Sättigung auch in Bezug auf die Lebensdauer auftritt. ausgelöst wird und warum diese neuen Leistungen auch Dass uns der zweiundsiebzigste Fernsehkanal weniger Reto Schleiniger nachgefragt werden. Falls dies aufgrund der Präferenzen Erfolgsrezept «Managed Care» wert ist als der zweite, scheint offensichtlich; warum uns Dr. Reto Schleiniger ist Professor an der der Nachfrager geschieht, dann führt der technische Fort- Ein weiterer kostentreibender Effekt des Krankenversi- aber das zweiundsiebzigste Lebensjahr weniger wert sein ZHAW und Privatdozent an der Universität Zürich. Seine bevorzugten Forschungsgebie- schritt zwar zu höheren Kosten, ist deswegen aber kein cherungsmarktes, die angebotsinduzierte Nachfrage- soll als das zweite, ist weniger klar. Wenn nun die Sätti- te sind Umwelt- und Gesundheitsökonomie Problem. Ein künstliches Hüftgelenk oder die neuen bio- steigerung, ergibt sich, weil die Leistungserbringer als gung bei Lebensjahren nicht oder langsamer eintritt als bei sowie Public Finance. technologisch hergestellten Medikamente gegen Krebs Gesundheitsspezialisten gegenüber den Patienten einen anderen «Gütern», dann ist zu erwarten, dass mit zuneh- sind zwar sehr teuer, ihr Nutzen ist aber auch sehr hoch. systematischen Informationsvorsprung besitzen. Der Pa- mendem Einkommen ein immer grösserer Anteil davon für Anders ist diejenige Form des technischen Fortschritts zu tient weiss ja meist nicht genau, was die Ursache seiner Gesundheit bzw. für ein längeres Leben bei guter Gesund- 16 COMPETENCE | 2011 COMPETENCE | 2011 17
Wie viel darf ein Lebensjahr kosten? Das Bundesgericht hat im November 2010 ein stark beachte- tes Leiturteil zum Krankenversicherungsgesetz (KVG) publiziert. Im Urteil steht, dass eine Krankenkasse nicht verpflichtet ist, ei selweid, 1 911 jährlich rund eine halbe Million Franken für ein Medikament zu Freibad G bezahlen, für das kein hoher therapeutischer Nutzen nachge- wiesen werden kann. Text: Urs Brügger Eine bemerkenswerte Aussage in einem Leiturteil des Bun- und Wirtschaftlichkeit (WZW-Kriterien) zu erfüllen haben. desgerichts hat Ende 2010 im schweizerischen Gesund- Im Urteil wurde eine wissenschaftliche Studie zitiert, die heitswesen hohe Wellen geworfen und wird seither inten- die Wirksamkeit des Medikaments untersucht hatte. Die- siv diskutiert. Es ging um die Frage, ob eine Krankenkasse se besagte, dass im Falle der 67-jährigen Frau lediglich die Kosten eines sehr teuren Medikaments zur Therapie eine leichte Verbesserung der Gehfähigkeit zu erwarten einer seltenen Stoffwechselkrankheit übernehmen soll. Im sei. In der Studie wurde die Gehstrecke gemessen, die Urteil wurde festgehalten, dass für solche medizinischen vergleichbare Patienten mit dieser Krankheit innerhalb von Leistungen 100 000 Franken pro zusätzlich gewonnenem sechs Minuten zurücklegen konnten. In der Patienten- Lebensjahr eine in der Gesundheitsökonomie häufig ver- gruppe mit Medikament betrug die Gehstrecke rund 330 wendete Obergrenze seien. Kann ein Lebensjahr einen Meter, während die Vergleichsgruppe ohne Medikament Preis haben? Und darf es eine solche Grenze geben? in dieser Zeit durchschnittlich 300 Meter schaffte. Im Urteil des Bundesgerichts steht: «… die Frage nach dem hohen Kosten-Nutzen-Verhältnis ist entscheidend therapeutischen Nutzen [ist] graduell und in Relation zu Der vom Bundesgericht beurteilte Fall betraf eine 67-jähri- den Behandlungskosten zu beurteilen: Je höher der Nut- ge Frau, die an der seltenen Morbus Pompe erkrankt war. zen ist, desto höhere Kosten sind gerechtfertigt.» Für das Die Krankheit ist unheilbar, führt zunächst zu Invalidität Bundesgericht war die Wirtschaftlichkeit in diesem Fall und schliesslich zum frühzeitigen Tod. Ein einziges Medi- nicht genügend. kament existiert dagegen. Es heisst Myozyme, und seine Therapiekosten pro Jahr betragen stolze 500 000 Fran- Leistungskatalog berücksichtigt WZW- ken. Die Wirksamkeit ist allerdings eher bescheiden. Das Kriterien Medikament wirkt vor allem bei jüngeren Patientinnen und Morbus Pompe betrifft nur rund ein Dutzend Patienten in Patienten und verbessert die Atmungs- und Gehfähigkeit. der Schweiz. Aus diesem Grund würden solch hohe Kos- Da das Medikament damals nicht auf der so genannten ten pro Fall für das Gesundheitssystem insgesamt kein 2011 feierte das Schwimmbad Geiselweid, in Winterthur liebevoll «Geisi» genannt, sein 100- Spezialitätenliste aufgeführt war, hatte die Krankenkas- Problem darstellen. Das Bundesgericht hat auch dazu jähriges Bestehen. Es ist somit das älteste noch se dieser Patientin nach einem halben Jahr die weitere eine Überlegung angestellt. Es hat geschrieben, dass im Betrieb stehende Freibad der Schweiz. Be Bezahlung des Medikaments verweigert. Gegen diesen in der Schweiz rund 180 000 Personen in einem ähnlich reits im ersten Jahr verzeichnete das Schwimm Entscheid klagte die Frau. Das Bundesgericht gab der schlechten körperlichen Zustand seien wie die Patienten bad eine stattliche Besucherzahl von rund Krankenkasse Recht und verwies auf Artikel 32 im KVG, mit Morbus Pompe. Würden für alle diese Fälle pro Per- 62 000. Ein Eintritt kostete damals 15 Rappen, gemäss dem alle durch die Krankenkassen bezahlten son 500 000 Franken jährlich zur Verfügung stehen, könn- heute sind es 6 Franken. Leistungen die Kriterien Wirksamkeit, Zweckmässigkeit te man vermutlich die Lebensqualität all dieser Personen COMPETENCE | 2011 19
Hochschulperspektive In der Schweiz laufen gegenwärtig verschiedene Initiati- rücksichtigt werden. Teure Behandlungen von seltenen ven, diesen Prozess der Aufnahme von Leistungen in den Krankheiten belasten das Gesundheitssystem weniger Leistungskatalog besser zu strukturieren und internationa- als von häufigen Krankheiten. Damit wird der so genann- len Standards anzupassen. Das zitierte Bundesgerichts- te «Budget Impact» kleiner, was auch höhere Kosten pro urteil hat diesen Bemühungen zusätzlich Schub verliehen. Lebensjahr erlaubt. Bisher haben sich die Behörden und Auch die WZW-Kriterien und ihre Interpretation in der die Politiker in der Schweiz allerdings davor gedrückt, Schweiz werden nochmals zu klären sein. Beim Kriterium das heisse Eisen solcher ökonomischer Grenzziehungen der Wirtschaftlichkeit muss diskutiert werden, ob ein so anzupacken. Die Fiktion, Rationierung und Zweiklassen- genannter oberer Grenzwert für den «Preis» eines zusätzli- medizin im Gesundheitswesen zu vermeiden, wird bis chen Lebensjahres gelten soll, wie ihn das Bundesgericht heute in Politikerreden aufrechterhalten. Alterung der Be- ins Spiel gebracht hatte. völkerung und technischer Fortschritt werden die Kosten weiter nach oben treiben. Alles zu jedem Preis über das Meinung der Bevölkerung zählt Gesundheitssystem zu finanzieren, ungeachtet der Grös In England beispielsweise verwendeten die Behörden in se des Nutzens, wird zukünftig wohl nicht mehr uneinge- der Vergangenheit bei ihren Entscheidungen einen sol- schränkt möglich sein. Gesundheitsökonomische Studien chen oberen Grenzwert von 30 000 britischen Pfund pro liefern keine Antwort auf Fragen wie die nach dem Wert Lebensjahr bzw. QALY. Dahinter steht die theoretische des Lebens. Zudem sind sie mit methodischen Problemen Überlegung, dass mit diesem Vorgehen bei einem fixen behaftet. Sie können aber als eine Entscheidungsgrundla- Budget für Gesundheitsausgaben die Anzahl Lebensjahre ge neben anderen dienen, da sie Daten zu solchen Fragen Bild: Shutterstock maximiert werden kann. Das Problem dabei ist, dass dann und damit eine zusätzliche Perspektive liefern. Dank dem Therapien bezahlt werden, die ein gutes Kosten-Nutzen- Bundesgericht werden nun in der Schweiz solche heiklen In der Schweiz laufen gegenwärtig verschiedene Initiativen, den Prozess der Aufnahme von Leistungen in den Leis- Verhältnis haben, solche mit einem schlechten Kosten- und doch unvermeidbaren Fragen diskutiert, vor denen tungskatalog besser zu strukturieren und internationalen Standards anzupassen. Nutzen-Verhältnis aber nicht. Bei Umfragen zeigt sich, man sich hierzulande lange gedrückt hat. dass grosse Teile der Bevölkerung ein solches Vorgehen ebenfalls verbessern. Dies würde das Gesundheitswesen Klärungsbedarf in der Schweiz als ungerecht empfinden. Ein Argument ist: «Niemand zusätzlich zu den gegenwärtigen Gesamtkosten von rund Überlegungen wie die vom Bundesgericht angestellten kann etwas dafür, wenn er oder sie eine teure Krankheit 60 Mia. Franken nochmals weitere 90 Mia. Franken pro zum Kriterium Wirtschaftlichkeit sind in der Gesundheits- hat.» Zudem macht die Bevölkerung auch einen Unter- Jahr kosten. Dieser Betrag wäre jedoch nicht zu finan- ökonomie üblich. Dabei geht es um die beiden Fragen: schied zwischen schweren und harmlosen Krankheiten, zieren. Deshalb sei auch aus Gerechtigkeitsgründen die Wie sieht das Kosten-Nutzen-Verhältnis einer medizi- was diese Methoden zu wenig berücksichtigen. Und Bezahlung von Myozyme abzulehnen. nischen Leistung aus? Welches sind die Kostenfolgen für schliesslich wurde der Wert von 30 000 britischen Pfund das Gesundheitssystem? willkürlich gesetzt. Inzwischen sind auch die Engländer Das Bundesgericht beurteilt Einzelfälle. Wichtig sind die von einer strikten Anwendung einer solchen Grenze abge- WZW-Kriterien auch auf Ebene des Gesundheitssystems Für die Beurteilung der ersten Frage werden häufig so ge- rückt. Man ist dort zur Einsicht gekommen, dass derartige für Entscheide im Zusammenhang mit der Aufnahme von nannte Kosten-Nutzen-Analysen angewandt. Kosten wer- Wertvorstellungen der Bevölkerung in die Überlegungen Leistungen in den so genannten Leistungskatalog. Dieser den dabei in Geldwerten ausgedrückt, während der Nut- einzubeziehen sind. Urs Brügger umfasst sämtliche medizinischen Leistungen, die von der zen üblicherweise in anderen Kategorien berechnet wird. Prof. Dr. Urs Brügger ist Gesundheitsöko- Krankenkasse vergütet werden müssen. Ein Teilbereich des Oft wird dabei der Nutzen von medizinischen Leistungen Gesundheitsökonomische Studien nom und Leiter des Winterthurer Instituts für Leistungskatalogs ist die Spezialitätenliste für die Medika- in Lebensjahren oder in qualitätsbereinigten Lebensjahren können helfen Gesundheitsökonomie (WIG). In Forschung und Lehre befasst er sich mit den Themen mente. Zuständig für die Festlegung des Leistungskatalogs (QALY, d. h. «Quality Adjusted Life Years») ausgedrückt. Der sich abzeichnende Konsens in der Schweiz ist der, Health Technology Assessment, Managed ist das Eidgenössische Departement des Innern (EDI). Für Das Resultat dieser Studien ist dann z. B. ein Geldwert pro dass aufgrund der erwähnten Einwände keine fixe Gren- Care und Patientenklassifikationssystemen. die Medikamente ist ausschliesslich das Bundesamt für zusätzlich gewonnenem Lebensjahr. Die Methodik ist eta- ze über alle Krankheiten hinweg gelten sollte. Zudem Gesundheit zuständig, das eine Abteilung des EDI bildet. bliert und international verbreitet, wenn auch umstritten. soll auch die Seltenheit einer bestimmten Krankheit be- 20 COMPETENCE | 2011 COMPETENCE | 2011 21
The mHealth Potential 1910 rthur, Rotkr euza uto W inte Technology is transforming chronic diseases, dwindling physician and care resources, healthcare and mHealth solu- inefficiencies in care delivery (e.g. duplicate or unnecessary tests) and a lack of good access to the right information in tions have significant potential the system. What is clear is that the healthcare industry is to improve care outcomes for at a tipping point for fundamental change. Technology will be a key enabler in driving this much needed transforma- patients and lower the cost of tion within our delivery system that will ultimately improve care. Learn about innovative patient care and lead to better healthcare outcomes. mHealth solutions which facili- Role of Telecommunication Companies tate mHealth adoption to spur When you think of the number of people that a global tech- nology provider like AT&T connects every day, it becomes widescale implementation. clear why a carrier can play a significant role in creating Author: Eleanor Chye solutions that can transform an industry like healthcare. AT&T believes the use of mobile technologies and smart networks can contribute to a healthier world and is com- mitted to developing solutions that will make it simple for providers and patients alike to adopt new mHealth tech- Imagine a prescription bottle sending you reminders to nologies. The company has sold technology and com- take a pill, an application on a smartphone s ending real- munications solutions into healthcare for decades and in time feedback to a diabetes patient on what to do if blood 2010 created a new practice area called AT&T ForHealthSM sugar levels are too high or too low, or a heart patient that will accelerate the delivery of innovative wireless, recovering at home with caregivers remotely monitoring cloud-based and networking services and applications to their status over a wireless network. mHealth solutions like help the healthcare industry improve patient care and re- these have significant potential to improve care outcomes duce costs. AT&T’s mHealth solutions roadmap includes for patients and lower the cost of care. Today, mHealth services to support mobile patient care focused on en- presents exciting potential, yet remains in the experimen- gagement and care outcomes and enterprise mobilization tal phase. While innovative solutions are being devel- focused on improving efficiencies and workflow. oped, there are barriers to mHealth adoption and practi- cal actions that we can act on today to spur widescale Disease Management – Aiding Diabetes implementation. Self-Management Self-management of chronic illnesses has grown increas- Increasing Cost of Healthcare in the U.S. ingly important, given the aging population and high Rettungsdienst Winterthur: Eine rasche und According to a recent report from the Centers for Medicare healthcare costs. Just consider diabetes – there are nearly professionelle medizinische Erstversorgung & Medicaid Services, U.S. healthcare spending is expected 26 million people with diabetes in the U.S. today – and kann über Leben und Tod entscheiden. Eine optimale Betreuung in den ersten Minuten ver to nearly double to 4.6 trillion dollar in 2020, from 2.6 tril- that number is expected to grow to 39 million by 2020. hindert Folgeschäden und senkt die Kosten für lion dollar in 2010. The projections also estimate that by This illustrates the need for innovative solutions that can den Spitalaufenthalt wesentlich. Voraussetzung 2020, national healthcare spending will account for nearly support diabetes self-management. Wireless technology dafür ist ein guter Rettungsdienst mit ausge 20 percent of the nation’s economic output – up from 17.6 now allows diabetes patients to manage their disease bildetem Personal und dem entsprechenden percent of GDP in 2010. Several factors are driving the real-time and on-the-go. Pilots are underway with AT&T Material (z.B. Rettungswagen). Eine wertvolle increasing costs – general population growth and people mHealth Solutions Presents DiabetesManager® with em- Investition, die sich auszahlt. living longer, needing to help patients better self-manage ployees at AT&T, one of the nation’s largest corporate pay- 22 COMPETENCE | 2011 COMPETENCE | 2011 23
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