Agrar-genossen- schaften - DAS MAGAZIN FÜR DAS GENOSSENSCHAFTLICHE NETZWERK | 5-2019 - Genossenschaftsverband
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EDITORIAL Grüzi, liebe Leserin, lieber Leser! Ein knappes Jahr durfte ich in der Schweiz leben und arbeiten. Viel Bemerkens- wertes ist mir in Erinnerung geblieben. Eines hat sich besonders eingeprägt: die Wertschätzung der Schweizer gegenüber Lebensmitteln. Ahaus, 15. Oktober: Ich schreibe mein Editorial und schaue nebenbei, wie viel die Grillwürste derzeit bei Aldi im Onlinehandel kosten. Eine 540-g-Packung Land- beck Meister Bratwurst gibt es für 2,59 Euro. Und bei Migros, dem führenden Schweizer Handelsunternehmen? Die 200-g-Packung Bratwurst von Micarna be- kommt man dort für 2,49 Euro; also etwa 250 Prozent teurer. Agrargenossen- Das Pro-Kopf-Einkommen liegt nach Angaben der Weltbank in der Schweiz schaften, Eidgenos- aber nur rund 25 Prozent über dem deutschen. Ist die Ursache für Dumpingpreise eine deutsche Mentalität des Geizes? senschaft – Wohl kaum! Da es wiederum viele Menschen gibt, die 400 Gramm Bio-Qui- noa für 2,75 Euro bei Aldi kaufen. Sie lassen zugleich aber die daneben stehen- Haferflocken oder de 500-g-Packung Bio-Haferflocken für 0,95 Euro unbeachtet. 360 Prozent teurer – aber da handeln viele nach dem Motto: „Für meine Gesundheit ist mir nichts Quinoa? zu teuer!“ Ernährungstechnisch sind die Haferflocken übrigens der Quinoa über- legen. Und – Achtung Klimadebatte: Quinoa kommt aus Südamerika, Hafer aus Europa. Zugegeben, mein Warenkorb ist nur eine Momentaufnahme. Aber: Das Ver- hältnis weiter Teile der deutschen Gesellschaft zur Landwirtschaft ist von Egois- mus geprägt – scheinheilig und schizophren. Essen wird zur optimierten Nah- rungsaufnahme, sei es hinsichtlich des Preises, der Mengen, des Trendigen oder des Gesunden. Gleichzeitig will man Kulturlandschaften wie in den Heimat- filmen der 50er Jahre – Streichelzoos inklusive. In diesem Umfeld arbeiten die landwirtschaftlichen Genossenschaften und die Agrargenossenschaften. Vor dem Hintergrund der Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundes- ländern haben wir uns die Agrargenossenschaften genauer angeschaut und eine Umfrage gestartet. Unsere Ergebnisse werfen ein Schlaglicht auf die aktuelle Situation dieser Mitgliedergruppe. Hier sind keine Orthodoxen der konventionellen Landwirtschaft unterwegs, hier wirtschaften verantwor- tungsvolle Menschen für und in den Regionen. Kein Wunder, dass Bundes- landwirtschaftsministerin Julia Klöckner in ihrem GENiAL-Interview betont, dass sie genossenschaftliche Erzeugerorganisationen stärken und fördern möchte. Doch ohne das Zutun der Verbraucher wird es nicht gehen. Unsere Foto: Genossenschaftsverband, Adobe/©ange1011 Schweizer Beispiele zeigen, was möglich ist, wenn Menschen aus Genuss essen. Dafür ist die „Initiative Heimische Landwirtschaft“ bei uns der richti- ge Weg: Landwirte und Verbände müssen aufklären und Nahrungsmittel zu Asmus Schütt, dem machen, was sie sind: etwas sehr Persönliches, dem man Wert, Wissen und Leiter des Bereichs Presse- und Zeit widmen sollte. Öffentlichkeitsarbeit/Politische Interessenvertretung im Genossenschaftsverband – Ihnen viel Spaß beim nächsten Lebensmitteleinkauf Verband der Regionen bei heimischen Erzeugern! Ihr 5-2019 | GENIAL | 3
6 12 26 Im Fokus: Agrar- 14 genossen- schaften In Kürze Aus dem Verband Im Fokus Strom für E-Fahrzeuge 6 AWADO Agrar- und Im Fokus: Agrargenossenschaften 14 Energieberatung GmbH ist am Start 8 jugend creativ: Was ist eigentlich Glück? 6 Wo Agrargenossenschaften ihre Landwirte werben um Wertschätzung Chancen und Risiken sehen … 16 Die besondere Zahl: für ihre Arbeit 9 Unternehmensnachfolge Es summt + brummt... im Mittelstand 6 „Fokus auf regulatorische Fragen im Agrargenossenschaft europäischen Kontext“ Guthmannshausen 18 Grundschuld stehen lassen oder nicht? 7 Interview mit Prof. Dr. Sascha Mölls vom iGf Marburg 10 „Agrargenossenschaften sind keine Folien vom Feld sammeln und recyceln 7 gesichtslosen Großunternehmen“ Folgen des Brexits für Interview mit Verbandsvorstand Save the Date: Verbandstag 2020 in Berlin 7 Genossenschaften 12 Marco Schulz 19 Angst der Deutschen vor Klimawandel 7 Reform des europäischen „Genossenschaftliche Urheberrechts Erzeugerorganisationen stärken“ Anpassungen für Interview mit Julia Klöckner 20 Online-Kommunikation 13 Wetterkapriolen Interview mit Klimaforscher Prof. Dr. Otto Klemm 22 Ausgezeichnete Genossen Agrargenossenschaft Bartelshagen I 23 Fotos: adobe/by studio, aargente/Shutterstock.com, Alpschaukäserei Schwägalp, Lunch-Check Schweiz, BVR, Pool for nature eG, Adobe/Oliver Boehmer - bluedesign® 4 | GENIAL | 5-2019
INHALT Genossenschaften in Europa: Schweiz Aus den Regionen Gärten für die Ewigkeit Friedhofsgärtner Dortmund eG 24 Echt Pool! – Pool for nature eG 26 World Wide Geno Watch 28 GENiAL ist wieder auf Schusters Rappen: diesmal mit einer genuss- Gewinnsparen Plus: mehr Chancen 30 reichen Stippvisite in der Schweiz. Da ist echt alles Käse und das mit 34 Alles top: GenoHotel Baunatal 31 einer kostenfreien Lunch-Karte für Investoren und Nachhaltigkeit 32 arbeitende Menschen. Außerdem rückt GENiAL unsere genossen- Journalistenpreis „Blaue Boje“ 33 schaftlichen Landwirte mal ins rechte Licht und fragt nach, wie sie ihre Lage so einschätzen. Und zum guten Aus der Reihe Abschluss gibt es in dieser Ausgabe beim Länderquiz wieder etwas zu Charity-Lauf „walk4help“ gewinnen. der Volksbank BraWo 46 Impressum 44 5-2019 | GENIAL | 5
R+V Strom für E-Fahrzeuge E-Roller und Elektroautos – wo ist es erlaubt, sie aufzula- den? Eigenheimbesitzer können ihr Elektrofahrzeug einfach zu Hause an einer speziellen Steckdose laden, informiert die R+V-Versicherung. Doch bei gemeinschaftlich genutzten Stromquellen ist es anders In Tiefgaragen oder Parkhäu- sern wird der Strom häufig nur über einen gemeinsamen JUGEND CREATIV Zähler abgerechnet. „Nutzer müssen also im Vorfeld klären, ob und unter welchen Bedingungen sie ihr Elektrofahrzeug Was ist eigentlich Glück? dort aufladen können. Der Vermieter oder die Hausverwal- tung müssen ausdrücklich zustimmen“, so die R+V. Dassel- Wie sieht Glück aus, wie fühlt es sich an und wo findet man es? Um Fotos: BVR, Adobe/Kaesler Media, Adobe/Patryk Kosmider, Adobe/Eder, SFIO CRACHO/Shutterstock.com, Adobe/Zahl be gilt, wenn Arbeitnehmer ihre E-Bikes oder E-Roller am diese und weitere Fragen geht es beim 50. Internationalen Jugend- Arbeitsplatz aufladen. Eine Lösung kann hier sein, dass der wettbewerb „jugend creativ“ der Genossenschaftsbanken, der am Fahrzeugbesitzer auf eigene Kosten eine Ladestation in der 1. Oktober gestartet ist. Mehr als 90 Millionen Wettbewerbsbeiträge Tiefgarage anbringt. Doch auch dafür braucht er die Zustim- wurden seit der ersten Wettbewerbsrunde im Jahr 1970 internatio- mung des Vermieters oder der Eigentümergemeinschaft. nal eingereicht – das sind 700 Fußballfelder voller Kunst! In Bildern und Kurzfilmen können Schülerinnen und Schüler nun bis zum 21. Februar 2020 ihre persönlichen Vorstellungen und Erfahrungen von Glück ausdrücken. Schirmherrin des Wettbewerbs ist unter anderem Schauspielerin Iris Berben. L www.jugendcreativ.de GEN A DAS MA GAZIN FÜR DAS GENOSS ENSCHA FTLICHE NETZW ERK | 4-2019 Hand werk 227.000 mittelständische Unternehmen suchen bis Ende 2020 eine Nachfolge. Quelle: Christian Hirte, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium en nschaft Genosse em Boden und Bundesbeauftragter für Ostdeutschland sowie für das Handwerk und den Mittelstand, en mit gold im Interview in GENiAL 4-2019. 6 | GENIAL | 5-2019
IN KÜRZE BAUSPARKASSE SCHWÄBISCH HALL Grundschuld stehen lassen oder nicht? Wenn der letzte Kredit für das eigene Haus getilgt ist, möchten viele Eigentü- mer möglichst rasch die Grundschuld der Bank löschen lassen. Ist das sinnvoll? Hierzu informiert die Schwäbisch Hall: Nach Tilgung eines Darlehens erhält der Eigentümer die sogenannte Löschungsbewilligungsurkunde. Damit kann er zur Bank gehen und kostenpflichtig die Grundschuld der Bank löschen lassen. Grundsätzlich spricht aber nichts dagegen, die Grundschuld einfach stehen zu lassen. Denn die Bank hat nach Tilgung der Kredite keinen Anspruch mehr auf die Grundschuld. Sollte der Hausbesitzer allerdings in Zukunft wieder einmal ein Dar- lehen benötigen, kann es sogar sinnvoll sein, die Grundschuld nicht zu löschen. Denn dann spart er oder sie die Kosten für die Neueintragung und muss auch nicht mehr auf die Bearbeitung bei Notar und Grundbuchamt warten. Wichtig ist jedoch: Der Eigentümer muss die Löschungsbewilligungsurkunde gut aufheben. Denn ohne diese Urkunde kann die Löschung nicht beantragt, sondern muss eine eidesstattliche Erklärung abgegeben werden. UMWELTSCHUTZ Folien vom Feld sammeln und recyceln Der Deutsche Raiffeisenverband und Die ERDE (Erntekunststoffe Recycling Deutschland) sowie weitere Unternehmen haben sich selbst verpflichtet: Bis 2022 wollen sie 65 Prozent aller in Deutschland auf den Markt gebrachten Silo- und Stretchfolien sammeln und recyceln und so ihren Beitrag zum Umweltschutz leisten. „Das Konzept der Rücknahme funktioniert nur, wenn Hersteller, Verkäufer und Landwirte eng zusammenarbeiten“, so Dr. Henning Ehlers vom DRV. „Unsere genossenschaftlichen Unternehmen tragen diese Initiative engagiert mit, schaffen immer mehr Sammelstellen und unterstreichen damit ihr Verständnis von nachhaltigem Ressourceneinsatz.“ Die Ausweitung auf weitere Erntekunststoffe ist geplant. Zwar ma- chen Silo- und Stretchfolien mit zwei Dritteln den Großteil aus, zukünftig werden aber auch Spargelfolien, Rundballennetze und Mulchfolien gesam- melt und recycelt. Die gebrauchten Folien werden zu wertvollen Rohstoffen, unter anderem für neue Agrar- und Baufolien, Bewässerungsschläuche und Müllbeutel verarbeitet. www.erde-recycling.de 46 Save the Date: Verbandstag 2020 #neuewege gehen heißt das Motto des Verbandstages 2020. Das genossenschaftliche Familientreffen findet am 14. Mai in Berlin statt. Weitere Informationen folgen in Kürze. Prozent der Deutschen fürchten sich vor dem Klimawandel. Quelle: Union Investment, Die Ängste der Deutschen 5-2019 | GENIAL | 7
AUS DEM VERBAND AWADO Agrar- und Energieberatung GmbH ist am Start D Der Erfolg und die Zukunfts- ie Genossenschaften zu unterstützen und ihren Erfolg zu fördern ist ein zentraler Auftrag des Genossenschaftsverbandes. Künftig wer- fähigkeit der Agrargenossen- den die Beratungskompetenzen des Genossenschaftsverbandes schaften und der Genossen- im Bereich der Unternehmensberatung für die Agrar- und Landwirt- schaften der Agrarwirtschaft schaft in der AWADO Agrar- und Energieberatung GmbH gebündelt. Durch zielge- richtete und innovative Leistungen soll damit zum nachhaltigen Erfolg der Genos- sind zentrale Anliegen des senschaften beigetragen werden. Als Spezialist für geförderte Beratung ermög- Genossenschaftsverbandes. licht die AWADO den Genossenschaften auch Zugang zu geförderten Beratungs- Genossenschaften schaffen angeboten. Das Leistungsspektrum umfasst dabei alle Bereiche unternehmerischer Ent- nachhaltige Entwicklungs- scheidung: Die AWADO unterstützt und begleitet bei der Gestaltung einer ergeb- perspektiven auch für die nis- und zielorientierten Unternehmensführung, der Organisation der Genossen- schaft, bei strategischen Entscheidungen und im Bereich der Personalentwick- Entwicklung des ländlichen lung. Bei schwierigen Entscheidungen und deren Umsetzung, aber auch beim Fotos: Initiative Heimische Landwirtschaft Raums. Sie verbinden auf Controlling des Erfolgs steht die AWADO an der Seite der Genossenschaften. einzigartige Weise Sie ist darüber hinaus der Spezialist für Energieeffizienz im Netzwerk des Ge- nossenschaftsverbandes. Energieaudits, Energieeffizienzberatung, Plausibilitäts- Wirtschaftlichkeit mit beurteilungen für die Wirtschaftlichkeit von EEG-Anlagen stehen dabei im Fokus. Verantwortung für die Region. Detaillierte Informationen und Kontaktdaten finden Sie unter www.awado.de 8 | GENIAL | 5-2019
Landwirte werben um Wertschätzung für ihre Arbeit Die Arbeit der Landwirte kennen und schätzen lernen, darum geht es der Initiative Heimische Landwirtschaft. Sie wurde 2011 in Thüringen gegründet, hat seit Jahren bundesweite Unterstützer und ist inzwischen die größte ihrer Art in Deutschland. M ehr Wertschätzung für die Arbeit der Landwirte und heimische Lebensmittel – dafür setzt sich die 2011 von mehreren Landwirtschaftsbetrieben in Thüringen gegründete Initiative Heimische Landwirtschaft ein. Mittlerweile haben sich der Organisation fast 1.500 große und kleine, konventionell und ökologisch wirtschaftende Mitgliedsbetriebe aus ganz Deutschland sowie mehr als 100 Fördermitglieder ange- schlossen. Auch der Genossenschaftsverband – Verband der Regionen engagiert sich seit vielen Jahren. „Unser Ziel ist es, die Gesellschaft für landwirtschaftliche Themen zu sensibilisieren und mehr Verständnis für die Arbeit der Landwirte zu schaffen“, sagt Evelyn Zschächner, Leiterin Kommunikation und Marketing und zugleich Ge- samtverantwortliche der Initiative. Ergänzend zur Arbeit von berufsständischen Interessenvertretungen, welche die politische Kommunikation im Fokus hätten, kümmere sich die Initiative Heimische Landwirtschaft um die Verbraucher- kommunikation. Erreicht werden sollen gerade diejenigen, die keinen direkten Bezug zur Landwirtschaft haben, weil sie beispielsweise in Städten und Ballungsgebieten zu Hause sind. Über Radiokampagnen und digitale Kanäle wer- de Aufmerksamkeit für landwirtschaftliche Themen geweckt und könnten Zusammenhänge vermittelt werden. Unter dem Slogan „Bestes von hier!“ sind in vielen Bundesländern bereits Radiospots zu hören. „Sie schaffen ein Grundrau- schen für landwirtschaftliche Themen und rücken diese ins Bewusstsein“, so Zschächner. „Aber“, betont Evelyn Zschächner, „unsere Öffentlichkeitsarbeit muss noch weiter verstärkt werden.“ Dafür brau- che es mehr Unterstützung aus der Branche. Egal ob Landwirtschaftsbetrieb, Unternehmen aus dem vor- und nachge- lagerten Bereich, Institution, Verband oder Privatperson: Jeder könne seinen Beitrag leisten, um Landwirtschaft wie- der näher an die Verbraucherinnen und Verbraucher heranzuführen. Denn nur gemeinsam könne es gelingen, die Kluft zwischen Verbraucherinnen und Verbrauchern auf der einen und landwirtschaftlichen Erzeugern auf der anderen Seite zu schließen, ist sie überzeugt. Weitere Informationen und Anmeldeformular unter heimischelandwirtschaft.de 5-2019 | GENIAL | 9
„Fokus auf regulatorische Fragen im europäischen Kontext“ Die interdisziplinäre wissenschaftliche Forschung über das Genossenschaftswesen ist das Metier von Prof. Dr. Sascha Mölls. Er ist seit 2018 Geschäftsführender Direktor des Marburger Genossenschaftsinstituts (iGf Marburg). Im GENiAL-Magazin spricht er über Intentionen und Schwer- punkte. Was sind die besonderen Schwer- punkte des Marburger Instituts, auch in Abgrenzung zu anderen wissen- schaftlichen Genossenschaftsinsti- tuten? PROF. DR. SASCHA MÖLLS: Das ifG Mar- burg steht für interdisziplinäre Forschung an der Schnittstelle von „Recht & Wirtschaft“ An welchen aktuellen Themen und wird institutionell von Professoren der forscht das Institut derzeit? Rechts- und Wirtschaftswissenschaften ge- tragen. Im Gegensatz zu vielen anderen In- Aktuelle juristische Forschungsprojekte be- stituten ist es damit nicht zentral an einer handeln verschiedene wirtschafts- und un- bestimmten Professur angesiedelt. Die eta- ternehmensrechtliche Fragestellungen (auch) blierte Struktur führt zu einer breiten fachli- aus europarechtlichem Blickwinkel. In den chen Expertise, die sich explizit von den heu- Wirtschaftswissenschaften geht es um die te oftmals festzustellenden starken Speziali- Analyse von Governance-Strukturen (von sierungen unterscheidet. Nicht zuletzt dürfte Banken), die Umsetzung „neuer“ Publizi- die gewählte Verankerung auch den Genera- tätsvorschriften (zum Beispiel IFRS 9) sowie tionenwechsel erleichtern und Kontinuität si- um angrenzende Fragen des Risikomanage- chern. ments. „Im Vergleich zu den Das Institut besteht seit 1947. Was Warum ist das Thema IFRS/HGB, an möchten Sie als neuer Geschäfts- dem Sie forschen, für die Genossen- Schwerpunkten in der führender Direktor ändern und was schaftsbanken so wichtig? Vergangenheit, die pri- beibehalten? Mit großer Skepsis gegenüber jeder Art uni- mär in genossenschafts- Im Vergleich zu den Schwerpunkten in der former Regulierung, die die Spezifika von Vergangenheit, die primär in genossen- Ländern ausblendet, stehe ich der in Europa rechtlichen Themen la- schaftsrechtlichen Themen lagen, geht es populären (Regulierungs-)Leitidee einer stär- gen, geht es künftig um künftig um ein breiteres Spektrum aktueller keren Kapitalmarktorientierung kritisch ge- regulatorischer Fragen im europäischen Kon- genüber. Bezogen auf die Rechnungslegung ein breiteres Spektrum text. Zugleich sollen die zugehörigen ökono- führt eine solche Neuorientierung zur Aufga- mischen Analysen gestärkt werden, die für be des Vorsichtsprinzips und der Kapitaler- aktueller regulatorischer eine sinnvolle Umsetzung der Vorgaben un- haltungsvorschriften, tangiert in schwierigen Fragestellungen im euro- erlässlich sind. Der interdisziplinäre Charak- Zeiten insbesondere die Ertragslage von Ban- ter soll dadurch gestärkt und ausgebaut wer- ken und bedarf zwecks Vermeidung weite- päischen Kontext.“ den. rer Fehlregulierungen einer kritischen Würdi- Foto: Jürgensen gung. Ich bin erstaunt, dass sich der Genos- senschaftssektor nicht schon frühzeitig offen- siv gegen diesen Trend gestemmt hat. 10 | GENIAL | 5-2019
AUS DEM VERBAND „Die größte Sensibilisierung lässt sich nach meiner Er- fahrung durch regelmäßige Präsenz der genossenschaftli- Wie kann es heute gelingen, Studen- chen Praxis in der universitä- tinnen und Studenten für genossen- schaftliche Themen zu begeistern? ren Lehre erreichen. Gefragt Welchen Hintergrund haben die Stu- dierenden, die die Veranstaltungen Die größte Sensibilisierung lässt sich nach sind also Gastvorlesungen Ihres Instituts besuchen? meiner Erfahrung durch regelmäßige Prä- und/oder Fallstudienseminare senz der genossenschaftlichen Praxis in der Unsere Lehrangebote im Bereich „Rech- universitären Lehre erreichen. Gefragt sind zu aktuellen Themen sowie nungswesen, Finanzierung und Banken“ so- also Gastvorlesungen und/oder Fallstudi- wie der Kooperationsökonomie richten sich enseminare zu aktuellen Themen sowie Un- Unternehmensbesichtigun- zunächst an Studierende aller wirtschaftswis- ternehmensbesichtigungen, aber auch früh- gen, aber auch frühzeitige senschaftlichen Studiengänge sowie an Stu- zeitige Angebote von Praktika sowie Werk- dierende der Rechtswissenschaften. Ferner studententätigkeiten. Angebote von Praktika sowie werden die Angebote von Studierenden zum Stefanie Schulte Beispiel aus der Mathematik und Informatik Werkstudententätigkeiten.“ nachgefragt. Für diese Gruppe sind unsere Veranstaltungen zum Risikomanagement oder zu Programmier- und Analysesoftware- paketen („Big Data“) ebenso interessant wie praxisnahe Abschlussarbeiten.
AUS DEM VERBAND D a die Austrittsverhandlungen Standards. Betroffen wären vor allem export- fall der Arbeitnehmerfreizügigkeit haben. Es bisher noch nicht abgeschlossen orientierte Genossenschaften. Der Deutsche könnte sein, dass der Zugang zu Fachkräften sind, lassen sich keine endgülti- Raiffeisenverband (DRV) befürchtet negative für deutsche Unternehmen in Großbritanni- gen Aussagen zu den tatsächli- Auswirkungen auf den Export von Milch- und en künftig schwieriger wird. Beim Wegfall der chen Folgen des Brexits machen. Denn bis Fleischprodukten, die etwa 15 Prozent des uneingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit zum Austritt bleibt Großbritannien Mitglied deutsch-britischen Agrarhandels ausmachen. sollten sich betroffene Arbeitgeber darauf vor- der Europäischen Union. Sicher ist nur: In Allein 20 Prozent der britischen Einfuhren an bereiten, kurzfristig Visa, Aufenthaltsgeneh- Großbritannien wird das ins nationale Recht Schweinefleisch kommen aus Deutschland. migungen und Arbeitserlaubnispapiere für in umgesetzte EU-Recht (Gesetze auf der Ba- Zudem hat der Brexit direkte und bedeu- Großbritannien tätige neu einzustellende nicht sis von EU-Richtlinien) zunächst Bestand ha- tende Auswirkungen auf den Mehrjährigen britische Mitarbeiter besorgen zu müssen. ben. Die meisten Auswirkungen werden sich Finanzrahmen (MFR) der Europäischen Uni- für Unternehmen und Genossenschaften er- on für die Jahre 2021-2017 und somit auf das Gesellschaftsrecht: Noch ungeklärt ist die geben, die mit britischen Betrieben verquickt Budget der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) Frage des Umgangs mit englischen Limited sind. Wer mit britischen Unternehmen Han- nach 2020. Weniger Budget für die EU-Agrar- und anderen britischen Rechtsformen - wie del treibt, wird sich vornehmlich um die The- politik bedeutet auch weniger EU-Förderung etwa der „Limited Liability Partnership“ (LLP), men „Umsatzsteuer“ und Zölle kümmern für die Direktzahlungen und Förderprogram- einer haftungsbeschränkten Personengesell- müssen. me für die nachhaltige und umweltschonen- schaft, die aufgrund des EU-Rechts Niederlas- de Bewirtschaftung und die ländliche Ent- sungen in Deutschland eröffnen oder sogar ih- Mögliche Folgen für: wicklung für landwirtschaftliche Betriebe und ren Verwaltungssitz hierhin verlegen konnten. Genossenschaften. Unklar ist auch, ob in Deutschland ein Vertrau- Volksbanken und Raiffeisenbanken ensschutz für die bestehenden Gesellschaf- Der Euro als Gemeinschaftswährung könnte Allgemeine Folgen für alle ten britischen Rechts anzuerkennen wäre. in Bedrängnis kommen. Frankfurt könnte als Genossenschaften Auch in Großbritannien ansässige europäi- Bank- und eventuell auch Börsenplatz profitie- sche Rechtsformen, wie z.B. die Europäische ren. Direkte Auswirkungen auf die genossen- Umsatzsteuer: Das gemeinsame Mehrwert- (Aktien-)Gesellschaft (SE) oder die Europäi- schaftlichen Primärinstitute sind nach derzeiti- steuersystem der EU wird auf Großbritannien sche Genossenschaft (SCE), wären vom Bre- gen Einschätzungen eher gering. nicht mehr anwendbar sein. Die steuerfreien xit betroffen, da dort für sie das europäische innergemeinschaftlichen Lieferungen und in- (Gesellschafts-)Recht nicht mehr greift. Gewerbliche Genossenschaften nergemeinschaftlichen Erwerbungen werden Großbritannien ist laut Statistischem Bun- dann umsatzsteuerlich Aus- und Einfuhren. Datenschutz: Der Brexit wird ebenfalls zu desamt der drittwichtigste Exportmarkt für Betriebe müssen deshalb ihr Buchhaltungs- veränderten Rahmenbedingungen bei der Deutschland. Mehr als 30 Milliarden Euro system prüfen und gegebenenfalls die Mel- Übermittlung personenbezogener Daten betrug die Außenhandelsbilanz; über 2.500 dung der Umsätze in den Umsatzsteuer-Erklä- nach Großbritannien führen. Großbritannien Unternehmen aus Deutschland haben eine rungen verändern. ist nach dem Ausscheiden aus der EU daten- Niederlassung im Vereinigten Königreich. Ihr schutzrechtlich als „Drittstaat“ zu sehen. Kapitalstock dort: etwa 130 Milliarden Euro, Zölle: In die betriebliche Kalkulation müssen 400.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. voraussichtlich nach dem Brexit Zölle kalkuliert Marken- und Patentrecht: Unionsmarken Betroffen sind insbesondere große Handels- werden. Hinzurechnungstatbestände könn- sind ohne gesonderte Regelung über das Fort- genossenschaften. ten auch für Großbritannien als Drittland grei- bestehen ab dem Tag des vollzogenen Brexits fen (zum Beispiel Lizenzen für Waren, die aus in Großbritannien nicht mehr europarechtlich Landwirtschaftliche Genossenschaften Großbritannien eingeführt werden). geschützt, zumal dann die Unionsmarkenver- Experten befürchten Einschränkungen für den ordnung in Großbritannien als Nicht-EU-Land Agrarhandel. Der Fokus liege auf neuen briti- Arbeitsrecht/Aufenthaltsrecht: Der Brexit nicht mehr gilt. schen Anforderungen wie Nachweisen über wird Auswirkungen im Zusammenhang mit die Einhaltung veterinärer und phytosanitärer einer Einschränkung oder gar einem Weg- Folgen des Brexits für Genossenschaften Die deutsche Wirtschaft, vor allem der Mittelstand, blickt mit Sorge auf den bevorstehenden Brexit. Rund 42 Prozent erwarten negative Auswirkungen auf den deutschen Export. 80 Prozent befürchten bereits angekündigte Zölle auf Importe und Exporte. 58 Prozent der Unternehmen vermuten außerdem Nachteile bei der Beschaffung. Wie und welche Genossenschaften können betroffen sein? 12 | GENIAL | 5-2019
Reform des europäischen Urheberrechts – Anpassungen für Online-Kommunikation Die lange diskutierte Novelle des Urheberrechts auf europäischer Ebene ist seit April 2019 beschlossen und die Richtlinie seit dem 6. Juni 2019 in Kraft getreten. Es handelt sich um die bedeutendsten Änderungen seit fast zwan- zig Jahren. Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie in den nächsten zwei Jahren in nationales Recht umsetzen. Hier die wichtigsten Neuerungen und Streitpunkte sowie die Konsequenzen für Genossenschaften. Was sich getan hat: Fazit und Handlungsempfehlung • Digitalisierung und Urheber- Jede Genossenschaft muss bei ih- recht – weitere Gesetzesharmo- ren veröffentlichten Inhalten (Intra- nisierung in Europa net, Website, Zeitung, Flyer, Fotos, • offizieller Schlusspunkt im Streit Logos, Filme, Musik etc.) prüfen, ob über „Zensurmaschine – Ende Rechte Dritter betroffen sind. Ist das des freien Internets“ und „Ende nicht einwandfrei zu klären, sind die der freien Presse“ contra „freie Inhalte zu löschen. Für neue Inhalte Bahn für Upload-Filter und sind umfassende und auf den jewei- Presse-Leistungsschutzrecht“ ligen Fall ausgerichtete praxistaugliche Nutzungsverträ- • Einigung auch bei höchst umstrittenen Themen wie ge erforderlich. Eine pauschale „Sie-dürfen-alles-Erklä- „Leistungsschutz für Presseverlage“,Art. 15 (zuvor rung“ des Urhebers hält der Prüfung aufgrund urheber- Art. 11) und „Haftung für Plattformbetreiber“ („Up- rechtlicher Besonderheiten in der Regel nicht stand und load-Filter“), Art. 17 (zuvor Art. 13) kann zu hohen Nachzahlungen führen. • Reform kann große Auswirkungen auf Kommunika- Gern unterstützen und beraten die Spezialisten der tion und Geschäfte im Netz haben GRA Rechtsanwaltsgesellschaft bei einer rechtlich ein- wandfreien Internetpräsenz, bei der Prüfung der Ur- heberrechte und der Erstellung von Nutzungsver- einbarungen und vertreten außergerichtlich oder in Worum geht es? Streitpunkte und Stimmungsbild Gerichtsverfahren. Urheberrecht ist in der Regel nationales Recht, das durch EU-Richtlinien vorgegeben ist. Die Reform war notwen- Ansprechpartner dig, um den Flickenteppich aus nationalen Urheber- rechtsbestimmungen EU-weit zu harmonisieren sowie Dr. Claudia Richter LL.M.Eur., dem zunehmend digitalen europäischen Binnenmarkt Rechtsanwältin und Fachanwältin und dem Internetzeitalter weiter anzupassen. für Urheber- und Medienrecht, Im Kern geht es um zwei Punkte: die Haftung der On- Tel.: 0541 2051716, E-Mail: Fotos: Detlef Heese, GRA, Adobe/Oliver Boehmer - bluedesign® line-Plattformbetreiber für urheberrechtswidrige Inhal- claudia.richter@gra-rechtsan- te und den damit verbundenen möglichen Einsatz so- waltsgesellschaft.de genannter „Uploadfilter“ sowie ein neues „Leistungs- schutzrecht“ für Presseverleger. Die Absicht dahinter: einen fairen Ausgleich zwi- schen Urhebern und Plattformen schaffen und garan- Peter Heyers, Rechtsanwalt, Fach- tieren, dass Künstler und Kreative – also die Urheber anwalt für Urheber- und Medien- – Geld für ihre Arbeit erhalten. Die Kreativen könnten recht sowie für IT-Recht, zwar ihr Urheberrecht geltend machen, müssten aber Tel.: 0541 2051716, E-Mail: selbst gegen jeden einzelnen Hochladenden vorgehen. peter.heyers@gra-rechtsanwalts- Hauptproblem dabei: Sie müssen den Hochladenden gesellschaft.de ausfindig machen, bevor sie ihn überhaupt abmahnen können. Oft scheitern sie daran und auch an den Kosten. 5-2019 | GENIAL | 13
Erfolgreich säen 550 Agrargenossenschaften sind Mitglied im Genossenschaftsverband. Sie erwirtschaften 1,5 Milliarden Euro Umsatz und beschäftigen mehr als 15.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. n t e rn e hmen d m o derne U s c h a f t en s i n e u t s c h land“ ionen e.V., am a r g e n o ssen t o r i n Ostd – Verband der Reg rar in Berlin Ag r haftsfa k „Unsere c rbandes renz Ag W i r t s haftsve ssekonfe ichtigevorrsitzender des Geno 24. September auf s s e n s c d e r P re e i n w und arkey, Vorstands B Ralf W. 14 | GENIAL | 5-2019
IM FOKUS: AGRARGENOSSENSCHAFTEN und ernten be betrie ehrfa milien ti ven M opera Die ko ssensc haften pas argeno smodell Euro echtigung von Agr Zukunft eG leichber Für di Foto: Adobe/oticki 5-2019 | GENIAL | 15
Wo Agrargenossenschaften ihre Chancen und Risiken sehen … Agrargenossenschaften sind wichtige Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor auf dem Land – vor allem in den fünf Bundesländern Brandenburg, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen Bw und Sachsen-Anhalt. Der Genossenschaftsverband hat seine Agrargenossenschaften zu ihrer aktuellen Lage befragt. GENiAL hat die interessantesten Ergebnisse aufbereitet. 97,4 Prozent unter- stützen kommunale und soziale Einrichtungen, stellen Technik für Dorffeste oder Räume zur Verfügung. 79 Prozent der Agrargenossen- schaften bezeichnen ihre wirtschaftliche Situation als gut bis befriedigend. 28 Prozent sehen große Chancen 92 beim Trend zu Bio und regionalen Produkten. Fotos: Thomas Rafalzyk, Adobe/nasyk Prozent der Agrargenossenschaf- ten planen weitere Investitionen, vor allem in Fuhrpark, Gebäude und Maschinen. 16 | GENIAL | 5-2019
IM FOKUS: AGRARGENOSSENSCHAFTEN genossenschaften sind die optimale Synthese aus wirtschaftlicher Leistungskraft und regionaler Verbundenheit. Wer ihre Zukunft infra- ge stellt, stellt die Zukunft vieler landwirtschaftlich geprägter Räume in Ostdeutschland infrage.“ Der Verbandschef weiter: „Unsere Mitglieder brauchen Pla- nungssicherheit, um die lange Zeit zurückgehaltener Investitionen in Maschinen, Gebäude und Fuhrpark jetzt nachzuholen“. Masterplan für ländliche Räume gefordert Zu der Unsicherheit über den politischen Rahmen komme eine emo- tionale, teilweise aufgeheizte und unversöhnliche gesellschaftliche Diskussion hinzu. „Der Anspruch an Nahrungsmittelqualität, Kon- trollintensität, Transparenz in der Erzeugung in Deutschland hat im- mens zugenommen. Aber maximale Standards und niedrigste Preise gehen nicht zusammen. Wenn wir eine heimische Erzeugung mit ho- hen Standards wollen, müssen wir auch bereit sein, dafür etwas zu bezahlen: an der Ladentheke und über Förderung“, so Barkey. Dritter unwägbarer Faktor, dem die Agrargenossenschaften aus- geliefert sind, sind die Witterungseinflüsse. Die Land- und Forstwirt- schaft sei nicht nur den im Wirtschaftsleben üblichen Marktrisiken U und Preisschwankungen ausgesetzt, sondern in besonderer Weise nsere Agrargenossenschaften sind moderne Unterneh- auch den Witterungseinflüssen. „Wir werden weiterhin extreme Wit- men und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Ostdeutsch- terungsbedingungen haben“, sorgt sich der Verbandschef. 2018 seien land. Die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Uni- die kurzfristigen Soforthilfeprogramme von Bund und Ländern zwar on muss nun die Weichen richtig stellen, damit diese Zu- notwendig gewesen, sie seien aber langfristig nicht die Antwort. sammenschlüsse von Landwirten und bäuerlichen Familien ihre Be- deutung für die Wertschöpfung und das gesellschaftliche Leben im ländlichen Raum weiterhin entfalten können.“ So fasst Ralf W. Barkey, Vorstandsvorsitzender des Genossenschaftsverbandes – Verband der Regionen, die aktuelle Situation der Agrargenossenschaften vor dem „Der Gesetzgeber täte gut Hintergrund der anstehenden Finalisierung der Konzepte für die GAP ab 2020 zusammen. daran, die Vorschläge des „Der Gesetzgeber täte gut daran, die Vorschläge des Agrar- ausschusses von Anfang April 2019 aufzugreifen“, fordert der Ver- Agrarausschusses von Anfang bandschef. Aus agrargenossenschaftlicher Sicht sei zentral, dass die Agrargenossenschaften als Mehrfamilienbetriebe anerkannt wer- April 2019 aufzugreifen.“ den. Grundsätzlich sprach sich der Agrarausschuss für eine Obergren- ze von 100.000 Euro bei den Direktzahlungen aus, davon soll aber die Hälfte der Lohnkosten abgezogen werden können. Auf eine Kap- pung kann ganz verzichtet werden, wenn mindestens zehn Prozent Der Verband fordert spezielle gesetzliche Regelungen für die des Prämienvolumens auf die ersten Hektar der Betriebe umverteilt Land- und Forstwirtschaft. Zur Abmilderung der Auswirkungen von werden. Daher sei es wichtig, Agrargenossenschaften als das anzu- Witterungseinflüssen auf die Land- und Forstwirtschaft sei die Ein- erkennen, was sie sind: Zusammenschlüsse von mehreren Einzelbe- führung einer steuerfreien Risikorücklage eine geeignete Maßnah- trieben, die im Sinne der genossenschaftlichen Selbsthilfe durch eine me, um das Risikomanagement der Betriebe langfristig zu stärken. Bündelung ihrer Kräfte am Markt erfolgreicher agieren wollen, als es Barkey fordert die Politik zum Handeln auf: „Wir brauchen gera- jeder für sich könnte. de für die ostdeutschen Bundesländer einen ‚Masterplan ländliche Nur durch den Zusammenschluss könnten die Betriebe zudem Räume‘. Bestehende Genossenschaften – seien es die Agrargenos- bei Investitionen, Gehältern, Weiterbildungsangeboten oder Work- senschaften, die Kreditgenossenschaften oder die Konsumgenos- Life-Balance mit Arbeitgebern in den Städten mithalten. Landwirt- senschaften – leisten hier bereits einen Beitrag. Weitere Aufgaben- schaftliche Großbetriebe wiederum verlören an Bindung zur Heimat- felder könnten genossenschaftlich behandelt werden. Wir als Genos- region. Damit ginge der wertvolle Beitrag, den Agrargenossenschaf- senschaftsverband sind zu einer sachorientierten Zusammenarbeit ten für das gesellschaftliche Leben leisten, verloren. Barkey: „Agrar- bereit.“ 5-2019 | GENIAL | 17
Es summt + brummt, kreucht + fleucht Die Agrar eG Guthmannshausen legt großflächig Bienenweiden an. Auf rund 150 Hektar tummeln sich unzählige Bienen, Hummeln oder Schmetterlinge. Auch Feldha- sen, Fasane und Rehe können sich dort zurückziehen. Diese „Greening“-Maßnahme treibt äußerst bunte Blüten. B lühende (Arten-)Vielfalt ist Trumpf auf den Bienenweiden im läutert Pflanzenbauer Steffen Müller, der seit 19 Jahren im Vorstand Territorium der Agrar eG Guthmannshausen. Auf einer Ge- der Genossenschaft ist. samtfläche von rund 210 Fußballfeldern wächst und sprießt es, um nicht nur Bienen Nahrung zu bieten und ökologische Für den Artenschutz in der Region Schützenhilfe zu leisten. „Bis in den Oktober hinein blüht immer et- Auf diese Weise werden vom Unternehmensverbund – der mit sei- was“, berichtet Steffen Müller, Vorstand der Agrargenossenschaft in nen fast 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern knapp 4.500 Hektar be- Thüringen. „Es gibt nicht viele Betriebe, die einen so hohen Anteil an wirtschaftet – zirka 150 Hektar als ÖVF vorgehalten. „Das ist unser Bienenweiden haben wie wir.“ Auf ihnen gedeihen Sonnenblumen, aktiver Beitrag für Artenschutz in der Region. Auf unseren Bienenwei- Phacelia, Malven, Wicken, Ringelblumen und Lupinen, genauso wie den kreucht und fleucht es munter“, sagt Steffen Müller. „Wir haben Saaterbsen und verschiedene Klee-Arten. uns ganz bewusst für eine jährliche Neuansaat entschieden; das sorgt Die spezielle Mischung macht’s: Und die sät die Genossenschaft für größere Vielfalt der Blüten und Pflanzen.“ Zuvor hatte der Betrieb im Frühjahr „als zertifiziertes Bienenweiden-Saatgut“ aus, so Steffen einen Großteil seiner ÖVF über den Anbau von Erbsen, also Eiweiß- Müller. Allein 15 Kilogramm Saatgut werden pro Hektar eingedrillt, um pflanzen, erbracht. Sich davon allerdings, „da diese laut europäischen Umweltschutz und Biodiversität zu fördern. „Das sind nur für Saatkos- Vorgaben nicht mehr mit Pflanzenschutzmittel behandelt werden dür- ten, also ohne Arbeitslohn und Maschinen, jährlich 6.000 bis 8.000 fen“, wieder verabschiedet. „Wir haben einen Versuch auf fünf Hektar Fotos: Agrargenossenschaft Guthmannshausen eG, Genossenschaftsverband Euro, die wir aufbringen“, betont der Vorstand. Auch 2019 entstanden gestartet; diese Erbsen konnten wir nicht ernten“, berichtet er. dadurch wichtige Refugien für Wildbienen, Wespen und vielfältige an- Deshalb hat die Agrargenossenschaft Schläge aus der Produkti- dere Insekten – sowie Unterschlupf- und Nistmöglichkeiten für das on genommen und zu Bienenweiden umgewandelt. Die Dürren 2018 heimische Niederwild. Dafür werden rund 60 Schläge, verteilt über und 2019 setzten auch diesen Pflanzen zu, sodass die Blütezeit später das gesamte Bewirtschaftungsterritorium, bereitgestellt. „Das sind und der Blütenstand geringer waren. meist kleine Flächen mit einer natürlichen Abgrenzung oder mit einer Ihre Erfahrung mit Blühflächen ist auch im Umkreis gefragt: als schlechten Bonität“, so Steffen Müller. kompetenter Ratgeber. Deshalb wird die Genossenschaft im nächs- ten Jahr bei der Anlage eines neuen Blühstreifens in einer Nachbar- Flächen mit besonderem Umweltnutzen gemeinde Unterstützung leisten. „Nachhaltigkeit ist bei allen unseren Bereits seit 2018 legt die Agrar eG Guthmannshausen Bienenwei- Aktivitäten ein Thema“, unterstreicht Steffen Müller – gerade in Zeiten den an – und weist diese als „Ökologische Vorrangflächen“ (ÖVF) aus. des Klima- und Strukturwandels. „Damit werden wir den Vorgaben der Europäischen Union gerecht“, Im rund 700 Einwohner zählenden Ort Guthmannshausen ist die erklärt der Vorstand. Landwirtschaftsbetriebe, die Direktzahlungen von Genossenschaft einer der bedeutendsten Arbeitgeber. Ihr Hauptbe- der EU bekommen, müssen wegen des sogenannten Greenings Um- tätigungsfeld ist der Anbau von Weizen, Braugerste, Zuckerrüben, weltleistungen erfüllen. Diese machen fünf Prozent der Bruttoackerflä- Raps, Mais und Sonnenblumen. Zudem wird die Vermehrung und Auf- chen des Betriebes aus. Je nach Wertigkeit der Greening-Maßnahme bereitung von Saatgut seit mehreren Jahrzehnten im Unternehmen wird ihr ein Gewichtungsfaktor zugeordnet. „Unsere Bienenweiden betrieben. haben als Flächen mit besonderem Umweltnutzen den Faktor 1,5“, er- Anja Pieper 18 | GENIAL | 5-2019
IM FOKUS: AGRARGENOSSENSCHAFTEN „Agrargenossenschaften sind keine gesichtslosen Großunternehmen“ Wie die Zukunft der Agrargenossenschaften aussehen kann und soll und was die derzeitige Rolle von Agrargenossenschaften ist, darüber sprach GENiAL mit Marco Schulz, Vorstandsmit- glied des Genossenschaftsverbandes. Welche Zukunft hat die Landwirt- Welche politischen Forderungen schaft und welche Rolle können Agrar- erhebt der Genossenschaftsverband genossenschaften da spielen? für die Agrargenossenschaften? MARCO SCHULZ: Die Landwirtschaft steht Zentrale politische Forderung ist die gesell- vor großen Herausforderungen: Klimawan- schaftliche und politische Anerkennung der del, gesellschaftliche Forderungen an die Agrargenossenschaften als kooperative Produktionsweisen der Landwirtschaft, vo- Mehrfamilienunternehmen. Hierfür setzen latile Märkte mit meist unzureichenden Prei- wir uns im Rahmen einer Neuregelung der sen, eine schwer kalkulierbare Agrarpolitik Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und darü- und eine zunehmende Regulation mit stetig ber hinaus ein. Die Anerkennung ist wichtig, wachsender Bürokratie. Wir müssen davon da Agrargenossenschaften eben keine ge- ausgehen, dass Wetterextreme, wie wir sie sichtslosen Großunternehmen sind, sondern im vergangenen Jahr mit der Dürreperiode zukunftsweisende Zusammenschlüsse, die erlebt haben, in Zukunft zunehmen werden. für eine nachhaltige Landwirtschaft stehen. Wie alle landwirtschaftlichen Unternehmen Gemeinsam werden Größenvorteile für eine sind Agrargenossenschaften stark vom Wet- ökonomisch, ökologisch und sozial verträg- ter abhängig. Daher zeigen sie im Übrigen liche Entwicklung in der Landwirtschaft ge- auch eine hohe Bereitschaft, mehr zum Kli- nutzt. Agrargenossenschaften stehen für die maschutz beizutragen. demokratische Beteiligung aller Mitglieder Bereits heute sind Agrargenossenschaf- und eine gleichberechtigte Mit-Unternehmer- ten vielfach aktiv bei der Produktion erneu- schaft. Da die Vorschläge der EU-Kommission erbarer Energien aus Sonne und Biogas und zur zukünftigen GAP und den Direktzahlun- setzen sich für Umweltbelange ein. Erst kürz- gen nicht den Besonderheiten von Agrarge- Die Landwirtschaft hat vor allem in lich wurde eines unserer Mitglieder für sei- nossenschaften Rechnung tragen, lehnen wir Ostdeutschland mit steigenden Prei- nen Beitrag zum Naturschutz vom WWF aus- diese auch kategorisch ab. sen für landwirtschaftliche Flächen gezeichnet. Damit die Agrargenossenschaf- zu kämpfen. Wie stehen Sie aktuellen ten diesen positiven Weg in Zukunft fortset- Wie bringt der Genossenschaftsver- Regulierungsvorhaben gegenüber, die zen und eine noch aktivere Rolle beim Klima- band seine Forderungen beispiels- einen weiteren Preisanstieg verhin- schutz einnehmen können, müssen aber ihre weise zur GAP voran und wie kann er dern sollen? Bemühungen und Leistungen, die über den sich mit seiner Meinung durchsetzen? Als Genossenschaftsverband unterstützen Umwelt- und Klimaschutz hinausgehen, poli- Indem wir in der politischen Arbeit und unse- wir grundsätzlich Initiativen zur Stärkung der tisch anerkannt und durch gezielte Maßnah- ren Forderungen auch bei langwierigen Pro- regionalen Wertschöpfung in der Landwirt- men unterstützt werden. Hierzu zählen bei- zessen nicht nachlassen und neben unseren schaft. Grundlage hierzu ist die Erhaltung ei- spielsweise die Stärkung des Risikomanage- eigenen Bemühungen stärker den Schulter- ner breiten Streuung des Bodeneigentums, ments von Agrargenossenschaften durch die schluss mit europäischen Partnern suchen. zu der die Agrargenossenschaften seit jeher Einführung einer Risikoausgleichsrücklage, Zuletzt ist uns das in der Diskussion um die beitragen. Staatliche Eingriffe in den Boden- eine verbesserte und flächendeckende Breit- Anerkennung der Besonderheiten von Agrar- markt sollten immer behutsam vorgenom- bandinternetanbindung, damit Smart-Far- genossenschaften im Agrarausschuss des men werden. Die bisher vorgelegten und dis- ming-Lösungen zum Einsatz kommen kön- Europäischen Parlaments gelungen. Hier kutierten Modelle von Agrarstrukturgesetzen nen, oder etwa die Kostenkompensation für haben sich sowohl der praxisnahe Dialog in verschiedenen Bundesländern haben mich weitere Klimaschutzmaßnahmen über einen mit der europäischen Politik als auch die Zu- nicht überzeugt. Einschneidende staatliche Agrarklimafonds. sammenarbeit mit Vertretern von Genossen- Eingriffe in Märkte bergen immer die Gefahr schaften in Italien ausgezahlt. Nicht ganz un- kontraproduktiver Folgen. wesentlich ist nach wie vor auch die Landes- politik. Mit Blick auf die GAP-Verhandlungen haben wir beispielsweise von der Landesre- gierung in Thüringen große Bereitschaft zur Unterstützung erfahren. 5-2019 | GENIAL | 19
Sie sehen „die ländlichen Regionen als die Kraftzentren“, die Sie lebens- wert und attraktiv gestalten wollen. Welche konkreten Ideen und Vorha- ben sind das? JULIA KLÖCKNER: Mit meinem Ministeri- um bin ich auch zuständig für ländliche Räu- me und verstehe mich als ihre Anwältin. Es geht um die Herstellung gleichwertiger Le- bensverhältnisse. Viele Dörfer und Kleinstäd- te sind attraktiv und vital, bieten gute Arbeits- plätze, haben Schulen, Ärzte, Läden. Aber das ist nicht überall so. Leerstand, Abbau von Angeboten und Wegzug der Jungen betref- fen viele Regionen und Orte – zu viele. Des- halb lege ich den Fokus darauf, mehr Leben in diese Regionen zu bringen, und helfe, die Daseinsvorsorge auch in der Fläche zu ge- währleisten. Etwa, indem wir Maßnahmen finanzschwacher Kommunen zur Dorferneu- erung mit bis zu 90 Prozent finanziell unter- stützen und den Ausbau von schnellem Inter- net beschleunigen – wir prüfen eine eigene Infrastrukturgesellschaft für den Mobilfunk- ausbau. Stärken werde ich das Ehrenamt: Vereinen werden wir in Rechts- und Finanz- fragen hauptamtliche Strukturen zur Seite stellen. „Wichtiges Anliegen für mich: genossenschaftliche Erzeugerorganisationen stärken und fördern“ Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sprach mit GENiAL über Nachhaltigkeit, Tierwohl und Klimaschutz in der Landwirtschaft. Außerdem sind Genossenschaften für sie wichtige und unverzichtbare Erzeuger in der Agrarwelt. 20 | GENIAL | 5-2019
IM FOKUS: AGRARGENOSSENSCHAFTEN Alle müssen ihren Beitrag leisten, sagen Sie: Deshalb sind auch Tier- wohl-Label und Lebensmittelampel in vieler Munde. Doch was können diese politischen Vorhaben tatsäch- lich bewirken? Welchen Beitrag müssen Land- und Es geht um gute Orientierung und Transpa- Forstwirtschaft beispielsweise beim renz für die Verbraucher. Aber auch um Ein- Thema Klimawandel leisten? kommenssicherung der Tierhalter. Wir setzen Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche auf ein staatliches, glaubwürdiges Tierwohl- Aufgabe, man kann sie nicht nur bei den Bau- kennzeichen, das wie das Bio-Siegel eine ern abladen. Die Landwirtschaft ist für sie- Positivkennzeichnung ist für Erzeugnisse, ben Prozent der CO2-Emission in Deutsch- die über dem gesetzlichen Standard liegen. land verantwortlich – andere Sektoren sto- Der Verbraucher erkennt so auf einen Blick, ßen weit mehr aus. Als einzige Branche kön- wo mehr Tierwohl drinsteckt – und warum es nen Land- und Forstwirtschaft zudem CO2 Was heißt hierbei gleichzeitig mehr kostet. Für den Tierhalter ist es ein Vor- binden, in den Ackerböden und Hölzern der effizienter und nachhaltiger teil im Wettbewerb. Denn nur wer verbindlich Wälder. Mir ist es wichtig, auf diese Relati- wirtschaften? und nachprüfbar höhere Kriterien einhält und on hinzuweisen. Klar ist: Die Landwirtschaft Durch Kulturartenvielfalt in seiner Fruchtfol- so mehr für das Tierwohl tut, darf mit dem hat reduziert und muss weiter reduzieren. ge, durch gezielten Humusaufbau, durch Kennzeichen werben. Das macht seine Be- Dazu habe ich im Klimakabinett zehn kon- möglichst reduzierte, nicht wendende Bo- deutung und Glaubwürdigkeit aus. krete Maßnahmen vorgelegt. Es geht um denbearbeitung und durch die Auswahl mög- Im Ernährungsbereich sehen wir, dass entsprechende Ackerbodenbehandlungen lichst trockenstresstoleranter Sorten kann immer häufiger zu Fertiggerichten gegriffen zur besseren CO2-Speicherung, um weniger das erreicht werden. Auch hier lassen wir un- wird. Sich ausgewogen zu ernähren und zu- Torfabbau oder Wiedervernässung von sere Bauern nicht allein. Wir erarbeiten Emp- nehmendes Übergewicht, das sind Heraus- Mooren, um Energieeinsparungen. fehlungen zur gezielten Bewässerung, zu kli- forderungen. Umso wichtiger ist, dass die mastressresistenteren Anpflanzungen, zur gesunde Wahl zur einfachen Wahl wird. Als Landwirte haben unter anderem Bearbeitung des Bodens, um die Feuchtig- erweitertes Nährwertkennzeichen für die durch die Dürre 2018 und diverse keit länger zu halten. Und auch die Möglich- Vorderseite von Lebensmittelverpackungen Wetterkapriolen 2019 schwere Mona- keiten der Präzisionslandwirtschaft und Digi- will ich daher den NutriScore einführen. Die te hinter sich. Wie hilft die Bundesre- talisierung helfen, Nachhaltigkeit und Ertrags- Ergebnisse unserer wissenschaftlich fundier- gierung hier weiter? sicherung zusammenzubringen. ten Verbraucherbeteiligung zeigen, dass die- Deutlich wird, dass sich unsere Landwir- ses Modell von den Bürgerinnen und Bür- te verstärkt auf den Klimawandel einstellen In den alten Bundesländern ist die gern am leichtesten erfasst und verstanden müssen! Sie sind die Ersten, die die Auswir- landwirtschaftliche Produktion durch wird, ihnen beim Einkauf die beste Orientie- kungen unmittelbar spüren, darunter leiden. Familienbetriebe geprägt, in den rung bietet. Damit habe ich eine valide Ent- Als Unternehmer sind sie gefordert, Risiko- neuen sind es vor allem Zusammen- scheidung getroffen in einer Debatte, die seit vorsorge zu betreiben. Damit sie das auch schlüsse in größere Agrargenossen- über einem Jahrzehnt sehr emotional – teils können, wollen wir entsprechende Ange- schaften: Wie unterstützt das Minis- auch polarisierend – geführt wird. bote in diesem Bereich ausbauen. Ich setze terium diese Genossenschaften? mich etwa für die Einführung der sogenann- Es ist in unser aller Interesse, dass eine flä- Worauf müssen sich einerseits Ver- ten Gewinnglättung ein. Damit fußt die Be- chendeckende, bäuerliche, familiengeführte braucher und andererseits Erzeuger steuerung der Einkünfte auf einer dreijähri- Landwirtschaft erhalten bleibt. Das gilt un- einstellen, wenn Sie als Bundesmi- gen Grundlage. So gleichen sich gute und abhängig von der Betriebsgröße und der ge- nisterin über „gemeinsames Interes- schlechte Jahre aus und finanzielle Mittel wählten Rechtsform. Die genossenschaft- se“ bei diesen Themen sprechen? werden freigesetzt. Zudem setzen wir uns lichen Prinzipien der Selbsthilfe, Selbstver- Wir brauchen einen neuen Gesellschaftsver- dafür ein, den Steuersatz für die Elementar- antwortung und Selbstverwaltung sind dabei trag – ein neues Landwirtschaftsbewusst- gefahr „Dürre“ auf 0,03 Prozent der Versi- wichtig für uns als Verbraucher und für uns sein. Und ein neues Verbraucherbewusst- cherungssumme abzusenken. Der Bundes- als Gesellschaft. Es ist für mich ein wichtiges sein. Das heißt, die Landwirtschaft wird finanzminister hat kürzlich signalisiert, einer Anliegen, solche Erzeugerorganisationen überhaupt nicht umhinkommen, nicht nur ef- solchen Regelung nicht im Wege zu stehen. weiter zu stärken und zu fördern. Dies betrifft fizienter, sondern gleichzeitig auch nachhalti- zum Beispiel die Bereiche tierartgerechte ger und ressourcenschonender zu produzie- Stallneu- und -umbauten, Bewässerungsein- ren. Noch mehr auf Tierwohl, Umweltschutz richtungen oder Geräte für die Ausbringung und Artenvielfalt zu achten. Ebenso hat es von Wirtschaftsdünger. Zudem können Ge- der Verbraucher in der Hand, welche Wirt- nossenschaften auch Beratungsleistungen schaftsweise er mit seinem Konsum und sei- zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, nem Geldschein unterstützt. Seinen Forde- des Tierwohls oder des Umwelt-, Natur- und Foto: CDU Rheinland-Pfalz rungen und Erwartungen sollte er eigene Ta- Klimaschutzes in Anspruch nehmen. Die Kos- ten folgen lassen. Bauernfamilien können die ten hierfür werden entsprechend gefördert. gestiegenen gesellschaftlichen Erwartungen Yvonne Reißig nicht alleine stemmen. Wir können und müs- sen bei der Umsetzung helfen – und daraus auch einen Standortvorteil machen. 5-2019 | GENIAL | 21
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