Das Adoleszente Gehirn: Neurobiologische und psychologische Perspektiven - Kinderzentrum-Mecklenburg. 9. Herbstsymposium

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Das Adoleszente Gehirn: Neurobiologische und psychologische Perspektiven - Kinderzentrum-Mecklenburg. 9. Herbstsymposium
Kinderzentrum-Mecklenburg.
           9. Herbstsymposium

     Das Adoleszente Gehirn:
Neurobiologische und psychologische
           Perspektiven

             Dr. Peter J. Uhlhaas
        Abteilung für Neurophysiologie
      Max-Planck Institut für Hirnforschung
              Frankfurt am Main
Das Adoleszente Gehirn: Neurobiologische und psychologische Perspektiven - Kinderzentrum-Mecklenburg. 9. Herbstsymposium
Warum Jugendliche so sind, wie sie sind...

  »Youth are heated by Nature as drunken men by wine.«

                  Aristoteles, Rhetorik
Das Adoleszente Gehirn: Neurobiologische und psychologische Perspektiven - Kinderzentrum-Mecklenburg. 9. Herbstsymposium
Warum Jugendliche so sind, wie sie sind...

J.W. von Goethe » Die Leiden des Jungen Werthers « (1774)

Frank Wedekinds »Frühlings Erwachen« (1891)

Hermann Hesses »Unterm Rad« (1906)

Robert Musils »Die Verwirrungen des Zöglings Törleß« (1906)
Das Adoleszente Gehirn: Neurobiologische und psychologische Perspektiven - Kinderzentrum-Mecklenburg. 9. Herbstsymposium
Warum sind Jugendliche so, wie sie sind ?
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Adoleszenz

Adoleszenz:   Ursprung im lateinischen Verb adolescere,
                 „aufwachsen“ oder „heranreifen“

                 Psychosoziale Anpassung an die physiologischen
                 Veränderungen im Zuge der Pubertät

                 -> Ausreifung primärer und sekundärer
                    Geschlechtsmerkmale

              Alter: ca. 12-21 Jahre

                 Universelles Merkmal der Entwicklung bei Säugetieren
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Adoleszenz und Kultur

               Traditionelle (kalte) Kulturen:

               Fehlen der Adoleszenz, Übergang
               zum Erwachsenenalter durch
               Initiationsriten

               Moderne (heisse) Kulturen:

               Kindheit und Adoleszenz sind
               getrennt durch eine langanhaltende
               Adoleszenz
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Puberale Geschlechtsreifung und
                       puberaler Wachstumsschub

Was sind die Ursachen?

Auschüttung von Gonadotropine

-> Sexualhormone

Die wichtigsten Sexual – Hormone

• Androgen z.B. Testosteron
• Östrogen z.B. Östradiol
• Progesteron

Sie wirken in Frauen und Männern
- aber das Mengenverhältnis ist verschieden

neuronale Steuerungszentren:
V.a. Hypothalamus u. Hypophyse
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Adoleszenz: Eine Vernachlässigte Entwicklungsphase?

Sowohl die psychologische und neurowissenschaftliche Entwicklungsforschung
haben soweit die Bedeutung der Adoleszenz vernachlässigt…

Position: Frühe von Entwicklungsstadien sind von entscheidender, prägender
         Bedeutung

         spätere Entwicklungsstadien, z.B. die Adoleszenz, haben nur einen
         geringen Einfluss auf psychologische und physiologische Prozesse
Das Adoleszente Gehirn: Neurobiologische und psychologische Perspektiven - Kinderzentrum-Mecklenburg. 9. Herbstsymposium
Adoleszenz und Psychopathologie

            Paus et al. (2008) et al. Nature Neuroscience Reviews
Das Adoleszente Gehirn: Neurobiologische und psychologische Perspektiven - Kinderzentrum-Mecklenburg. 9. Herbstsymposium
Adoleszenz: Denn Sie wissen nicht was sie tun…
Adoleszenz: Risikoverhalten

„Risikoverhalten wird definiert als
Verhalten,    das    mittelbar   oder
unmittelbar das Wohlbefinden, die
Gesundheit           oder          die
Persönlichkeitsentwicklung
beeinträchtigen kann (Jessor 1998).
Adoleszenz und Risikowahrnehmung
Entwicklung von Exekutiven Prozessen während der Adoleszenz:
                   Entscheidungsprozesse
Entwicklung von Exekutiven Prozessen während der Adoleszenz:
                   Entscheidungsprozesse
Entwicklung von Exekutiven Prozessen während der Adoleszenz:
                   Entscheidungsprozesse
Entwicklung von Exekutiven Prozessen während der Adoleszenz:
                   Entscheidungsprozesse
Entwicklung von Exekutiven Prozessen während der Adoleszenz:
                   Entscheidungsprozesse
Adoleszenz: Denn Sie wissen nicht was sie tun…
Adoleszenz und Risikoverhalten: Einfluss des sozialen
                     Kontexts

                                        Gardner und Steinberg, 2005
Adoleszenz und Risikoverhalten: Einfluss des sozialen
                     Kontexts

                                        Gardner und Steinberg, 2005
Adoleszenz und Risikoverhalten: Einfluss des sozialen Kontexts

                                               Gardner und Steinberg, 2005
Das Adoleszente Gehirn
Das Neuron (Nervenzelle)

                Jedes Neuron besteht aus:

                – einem Zellkörper (Soma)

                – den Dendriten für den Empfang
                   von Signalen anderer Neuronen

                – dem Axon zur Übertragung von
                  Signalen an andere Neuronen
                  mittels baumartig aufgefächerter

                – Synapsen, die den Kontakt zu den
                  Dendriten anderer Neuronen
                  herstellen.
Biologie der Adoleszenz: Anatomie

Anatomische Veränderungen während der Adoleszenz weitaus dynamischer
als ursprünglich vermutet…..

Frühe Befunde:
Huttenlocher (1979) -> Abbau von synaptischen Verbindungen (Pruning)
                       währen der Adoleszenz

In-vivo MR-Studien haben neuartige Einsichten in das adoleszente Gehirn
ermöglicht!
Post-Mortem Untersuchungen der Grauen Substanz:

                                  Auditory cortex
                                   Visual Cortex
                                X Middle Frontal Gyrus

                                      Huttenlocher and Dabholkar (1990)
Post-Mortem Untersuchungen der Grauen Substanz:
Functional Magnetic Resonance Imaging of the Adolescent Brain
MR-Studien zur Entwicklung der Grauen Substanz
Abbau der Grauen Substanz während der Adoleszenz

                                        Gogtay et al. 2004
Abbau der Grauen Substanz während der Adoleszenz

                      Left hemisphere   Right hemisphere

n = 81; age range: 12-24 years                             Klein et al. (in prep)
Geschlechtsunterschiede in der Entwicklung der Grauen Substanz

                                                   Giedd et al. 1999
White Matter and Connectivity
Development of White Matter Volume

                                     Gogtay et al. 2002
Anatomische Entwicklung während der Adoleszenz

                               PFC/OFC: Steuerung von
                               Verhalten, Handlungsplanung

Limbisches System:
Triebverhalten, Emotionen
Was ist funktionelle Kernspintomographie (fMRT)?

Abbildungen nicht nur der Struktur (Anatomie),
sondern auch der Funktion (Physiologie,
neuronale Aktivität) des Gewebes.
Daher funktionelle MRT (fMRT/fMRI)

fMRT ermöglicht die Untersuchung des
Zeitverlaufs von Hirnaktivität mit Sekunden-
Auflösung

fMRT erlaubt die Untersuchung der
Arbeitsmechanismen des Gehirns während z.B.
Bewegungen ausgeführt, Bilder betrachtet, Töne
gehört, Ereignisse erinnert oder räumliche
Vorstellungen analysiert werden.
Changes in Affectregulation During Adolescence

                                          Hare et al. 2008
Amygdala Hyperactivity During Adolescence

                                       Hare et al. 2008
Entwicklung des Belohnungssystems und der
               Handlungsplanung in der Adoleszenz

Probanden: Kinder: 7-11 Jahre, Jugendliche: 13-17 Jahre, Erwachsene: 23-29 Jahre

                                                                    Galvan et al. 2007
Entwicklung des Belohnungssystems und der
   Handlungsplanung in der Adoleszenz

                                     Galvan et al. 2007
Entwicklung des Belohnungssystems und der
   Handlungsplanung in der Adoleszenz

                                     Galvan et al. 2007
Das Adoleszente Gehirn: Dysbalance zwischen Hirnarealen

        Schematische Darstellung der Trajektorien neurofunktioneller Entwicklung im
        präfrontalen Kortex und im limbischen System (in Anlehnung an Casey et al. 2008)

                                                                            Galvan et al. 2007
Das EEG
Oscillations and Neuronal Synchrony

Delta-band (1- 4 Hz)
Cognitive function?

Theta-band (4-7 Hz)
Memory processes, top-down control

Alpha-band (8-12 Hz), Idling Rhythm,
Memory, Inhibition

Beta-band (13-30 Hz)
attention, motor control

Gamma-band (30–100 Hz)
including perception, problem solving,
and consciousness.
Resting State Oscillations During Development

Subject A (21 years)         Subject B (9 years)
Neural Synchrony During Human Development

             Age                      n
        Group 1      6–8              12
        Group 2      9 – 11           14
        Group 3     12 – 14           12
        Group 4     15 – 17           15
        Group 5     18 – 21           15
                                     = 68

                        +

400ms             ISI 3500-4500 ms          400ms
Spectral Power Reflects Local Synchronized Activity
Phase-Synchrony Measures Synchrony at a Global Scale
Neural Synchrony During Human Development:
                                                                                                        Behavioural Data

                                                              Correct Response Rate / Face Condition                                                                               Correct Responses / No-Face Condition

                                                 1,0                                                                                                        1,0
              Correct Response Rate % +/- 2*SE

                                                                                                                    Correct Response Rate % +/- 2*SE
                                                 0,9                                                                                                        0,9

                                                 0,8                                                                                                        0,8

                                                 0,7                                                                                                        0,7

                                                 0,6                                                                                                        0,6

                                                 0,5                                                                                                        0,5
                                                          Early        Late          Early        Late      Adult                                                              Early          Late           Early        Late       Adult
                                                        Childhood    Childhood    Adolescence Adolescence                                                                    Childhood      Childhood     Adolescence Adolescence

                                                                     Mean RT / Face Condition                                                                                               Mean RT / No-Face Condition

                                                 1400                                                                                                                 1400

                                                 1300                                                                                                                 1300

                                                 1200                                                                                                                 1200

                                                 1100                                                                                                                 1100
              RT (ms) +/- 2*SE

                                                                                                                                                   RT (ms) +/- 2*SE
                                                 1000                                                                                                                 1000

                                                  900                                                                                                                 900

                                                  800                                                                                                                 800

                                                  700                                                                                                                 700
                                                  600                                                                                                                 600

                                                  500                                                                                                                 500

                                                  400                                                                                                                 400
                                                           Early        Late         Early        Late      Adult                                                                 Early         Late          Early        Late      Adult
                                                         Childhood    Childhood   Adolescence Adolescence                                                                       Childhood     Childhood    Adolescence Adolescence

Uhlhaas et al. (2009). The development of neural synchrony reflects late maturation and restructuring functional networks in
                                  humans. Proc. Natl. Acad. Sci. U. S. A. 106, 9866–9871
Late Development of High-Frequency Oscillations During Adolescence

Uhlhaas et al. (2009). The development of neural synchrony reflects late maturation and restructuring functional networks in humans.
                                          Proc. Natl. Acad. Sci. U. S. A. 106, 9866–9871
Non-Linear Maturation of Beta/Gamma-Band Phase Synchrony During
                              Adolescence

Uhlhaas et al. (2009). The development of neural synchrony reflects late maturation and restructuring functional networks in humans.
                                          Proc. Natl. Acad. Sci. U. S. A. 106, 9866–9871.
Late Maturation of Fronto-Parietal Phase-Synchrony

Uhlhaas et al. (2009). The development of neural synchrony reflects late maturation and restructuring
                  functional networks in humans. Proc. Natl. Acad. Sci. U. S. A. 106, 9866–9871
Arbeitsgedächtnis und Neuronale Synchronisation

                        Objekte werden im Arbeitsgedächtnis in
                        einer integrierten Form gespeichert

                        Aufrechterhaltung von Gedächtnisspuren

                        Präzise Aktivierung von Information
                        während des Abrufs
Magnetoenzephalograph des Brain Imaging Centres (BIC)
                     Frankfurt

                               MEG: Messung der magnetischen
                               Aktivität des Gehirns

                               Magnetischen Signale des Gehirns
                               werden durch die elektrischen
                               Ströme aktiver Nervenzellen
                               verursacht

                               Besonders geeignet für die Messung
                               hoch-frequenter Oszillationen
Entwicklung des visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnisses
in der Adoleszenz: Alpha-Band Aktivität in der Haltephase
Late Development of Dopamine-Interneuron Interactions

Scatter plot showing the effect of quinpirole on PFC interneurons excitability from prepubertal to adult ages,
           expressed as the ratio between evoked firing after and before quinpirole administration.

                                                                                      Tseng and O‘Donnell (2005)
Late Development of GABAergic Neurotransmission

                                                       Post-Puberty

                                                       Pre-Puberty

                               Hashimoto et al. 2009, Biological Psychiatry
Zusammenfassung

1)   Die Adoleszenz ist eine zentrale, psychologische Entwicklungsperiode

2)   Vulnerabilität des Adoleszenten Gehirns, i.e. psychiatrische Störungen,
     Risikoverhalten

3)   Biologie des Adoleszenten Gehirns:

     a) Strukturelle Veränderungen

     b) Reorganisation der Schaltkreise

     c) Veränderungen in Neurotransmittersystemen

4) Implikationen für Erziehung und Gesellschaft?
Acknowledgement

Max-Planck-Institute for Brain Research   University of Frankfurt, Department of Psychiatry
         Eugenio Rodriguez
         Wolf Singer                                  Konrad Maurer
         Frederic Roux
         Christine Tillmann
         Axel Kohler
         Tahmine Tozman

Brain Imaging Centre (BIC)                            University of Cologne,
                                                      Department of Psychiatry
            Michael Wibral
                                                      F. Markus Leweke
                                                      Dagmar Koethe
                                                      Laura Kranaster
Psychologie der Adoleszenz: Psychoanalyse

Rekapitulation infantiler Konflikt -> die Adoleszenz eine zweite Ausgabe der
Kindheit (kennzeichnend für den bizarren und regressiven Charakter des
Adoleszenzverhaltens)

 Chancen und Gefahren der Adoleszenz für Entwicklungsprozesse!

1) Regressive Prozesse erlauben eine Umformung defekter oder
  unvollständiger Entwicklungen

2) Aufeinandertreffen eines starken Es auf ein schwaches Ich (A. Freud)

3) Zweiten Individuation (Blos, 1962)
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