DAS ENDE Vom Sinn apokalyptischer Narrative - Virtuelle Ringvorlesung mit Gästen Konzeption: Prof. Dr. Mirjam Schaub Sommersemester 2020 - Burg ...

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DA S                                            E N D E
Vom Sinn apokalyptischer Narrative
Virtuelle Ringvorlesung mit Gästen
Ko n z e p t i o n : Pro f . D r. M i r j a m S c h a u b
S o m m e rs e m e s te r 2 0 2 0

PROGRAMM

G
D A S    E N D E   D E R                  W E L T
Inhalt

                    Auftakt                  4

                    Anmeldung                6

                    Vortragstitel +          8
                    Termine

                    Ankündigungstexte +
                                             12
                    Kurzbiographien

                    Hinweise                 26
D A S                                E N D E                                       D E R                                    W E L T
Auftakt
          Als die Ankündigung für diese Ringvorlesung das erste Mal o
                                                                    ­ nline        Warum könnte das stimmen – und Panik trotzdem keine Option
          ging, war COVID-19 nicht mehr als die beunruhigende Nachricht            sein?
          einer Lungenkrankheit im Umfeld eines Wildtiermarktes im
          ­fernen China. Dass nur wenig später beängstigende Zustände in           Jede Zeit bringt ihre eigenen Utopien und Dystopien hervor: Das
           Krankenhäusern von Bergamo, New York, Madrid oder Heinsberg             frühe Nuklearzeitalter stand noch im Zeichen der Bedrohung
           herrschen sollten, überstieg die Vorstellungskraft.                     durch „die Bombe“. Es wurde abgelöst durch die „Population
                                                                                   Bomb“, die zu Hungersnöten und Kriegen führen würde – so etwa
          Jetzt, in Zeiten des lock-down, haben wir alle plötzlich mehr als ge-    der Club of Rome. Das Wachstum traf ein. Nur nicht seine Folgen.
          nug Zeit, um darüber nachzudenken, wie die Welt zu dem wurde,            Denn jede Verengung der Zukunft auf ein Weltende stößt soziale
          was sie heute ist: ein fragiles Gebilde, anfällig nicht nur für Krank-   Gegenbewegungen an, politische Korrekturen, technische Neu-
          heit, Terror und Krieg, sondern auch bevölkert von Wesen, die            entwicklungen, kreative oder unorthodoxe Lösungen. Wichtig ist,
          ­etwas richtig machen, die helfen, lindern und korrigieren wollen.       dass die Zeiger der Uhr rhetorisch immer wieder auf „Fünf vor
                                                                                   Zwölf“ zurückgedreht werden, denn mit einem „Nach uns die Sint-
          Wir beschäftigen uns daher mit der Sinnsuche, die in apokalyp-           flut!“ lässt sich kein Staat mehr machen.
          tischen Zeiten mit besonderer Dringlichkeit betrieben wird.
          Wir wollen über die Zukunft sprechen, in der Hoffnung, sie sei           Die Vorlesung diskutiert die Gratwanderung von utopischen und
          mehr und anderes als Projektion und Hochrechnung des Schon-­             dystopischen Narrativen des Endes der Welt quer durch die Kultur­
          Vergangenen. Wir wollen über Kippunkte nachdenken, ein­                  geschichte und ihre Disziplinen: Medizingeschichte, Theologie
          brechende Märkte, strauchelnde Demokratien und ein Klima, das            und Philosophie, Ethnologie, Kunstgeschichte, Literatur, Film,
          sich in Zeiten von Corona plötzlich auf ungeahnte Weise ­erholt.         Musik. Eingeladen sind Autor_innen & Wissenschaftler_innen,
                                                                                   ein Unternehmer und eine Aktivistin.
          In Krisenzeiten hatten früher Reinigungsrituale, Ablasshandel
          und Wanderprediger Konjunktur. Es gab immer mehr als nur eine            Im Zentrum steht die Frage nach dem sozialen Sinn apokalyp­
          Verhaltensweise, um die Angst zu zähmen und den Schrecken zu             tischer Narrative und ob man diesem etwa mit „antizipierendem
          bändigen. Heute verfolgen wir aufmerksam Podcasts von Epide-             ­Realismus“ klug begegnen kann.
          mologen oder Virologen, studieren die morgendliche Statistik, um
          unsere Überlebenswahrscheinlichkeit vor dem Gang nach Drau-
          ßen auszurechnen.                                                                                                Prof. Dr. Mirjam Schaub
                                                                                                                                schaub@burg-halle.de
          Wird die Krise das Bewusstsein unserer Gleichheit schärfen
          und die Notwendigkeit gemeinsamen Handelns stärken? Oder
          ­gewinnen neue Verteilungskämpfe und altbekanntes Konkurrenz-
           denken die Oberhand?

          Die Apokalypsen von heute – Pandemien, Klimakriege, Maschinen­
          dämmerungen, gentechnische Revolutionen – arbeiten mit expo-
          nentiellen, technischen Prognosen. Gemeinsam ist ihnen die Vor-
          stellung einer verknappten Zeit, das Bewusstsein, dass die Zeit zur
          Gegensteuerung abgelaufen, kritische Kipppunkte längst erreicht
          sein könnten.

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D A S                          E N D E                                      D E R                                  W E L T
Anmeldung

      Die Anmeldung erfolgt unter folgendem Link:                           Weitere Informationen zur Veranstaltung:

      https://t1p.de/8hul                                                   https://t1p.de/l0sd

      Aus Datenschutzgründen versehen Sie die E-Mail-Adressen bitte         Bei technischen Schwierigkeiten wenden Sie sich bitte an Anne-
      ohne @-Zeichen. Stattdessen tragen Sie die Adressen bitte mit der     Christin Bielig unter anne-christin.bielig@burg-halle.de.
      Variante: (a) ein.

      Sie erhalten dann vor jedem Termin eine E-Mail mit zwei Ein­
      ladungen von uns:

      • Link zum Ansehen der aufgezeichneten ­Vorträge auf dem
        VIMEO-Kanal der BURG. Dieser enthält auch das Passwort,
        das für den Zugang nötig ist.
      • Link zu einer online-Sitzung, dem virtuellen Gespräch mit
        unseren Gästen.

      Procedere
      • Der erste Video-Vortrag wird ab dem 23. April auf der BURG
        BOX abrufbar sein. Das erste virtuelle Gespräch erfolgt dann
        am 30. April 2020 auf Google MEET.
      • Die Video-Aufzeichnungen der Vorträge werden infolge 7 bis 14
        Tage vor dem Termin in der BURG BOX der Burg Giebichen­
        stein Kunsthochschule Halle (Saale) abrufbar sein.
      • Die virtuellen Gespräche finden mit je zwei Gästen immer
        ­donnerstags von 16.15 - 16.45 Uhr und 17.00 - 17.30 Uhr (in den
         sog. Normalwochen) statt. Bitte wählen Sie sich rechtzeitig ein,
         damit die Gespräche pünktlich beginnen können!

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D A S                                   E N D E                                             D E R                                       W E L T
Vortragstitel + Termine
 I.     Zukunft vom Ende her gedacht				                                                    V.     Forensik + Aktivismus
        23. April BURG BOX:                                                                        11. Juni BURG BOX:
        		        Mirjam Schaub (Philosophie/BURG Giebichenstein):                                 		       Tobias Holzlehner (Ethnologie/MLU Halle):
        		Wenn alle endlich gleich werden? Kleine Philosophie des Weltuntergangs                   		Ein Schiff wird kommen. Ethnologische Perspektiven vom Ende der Welt
        30. April MEET:                                                                            		       Annemarie Botzki (Pressesprecherin von Extinction Rebellion):
        		16:00-16:10 Grußwort des Rektors Prof. Dieter Hofmann                                    		Aufstand oder Aussterben: Protest in Zeiten von Corona
        		16:10–16:40 Thematische Einführung und Vorstellung der Vortragenden                      18. Juni MEET:
        		16:40–17:00 Diskussion                                                                   		16:15-16:45 Diskussion mit Tobias Holzlehner
                                                                                                   		17:00-17:30 Diskussion mit Annemarie Botzki

 II.    Vom Sinn der Narrative                                                              VI.    Endzeitmusik
        30. April
           BURG BOX:
        		Rafael Dernbach (freier Autor/Berlin):
                                                                                                   18. Juni BURG BOX:
        		 Antizipierender Realismus: einige Thesen zur Produktion von Zukünftigkeit
                                                                                                   		       Iris Dankemeyer (Kritische Theorie/BURG Giebichenstein):
        		Bernhard Fischer-Appelt (Weatherhead Center for International 		                         		       Die Gewalt der Musik. Techno und Apokalypse.
        		 Affairs, Harvard): Die Apostel der Zukünfte. Utopische & dystopische Narrative          		Florian Werner (freier Autor/Berlin):
        		des technischen Fortschritts                                                             		Top Ten Songs for the End of the World. Apokalyptische Audiovisionen im Pop
        07. Mai
          MEET:                                                                                    02. Juli MEET:
        		16:15-16:45 Diskussion mit Bernhard Fischer-Appelt                                       		16:15-16:45 Diskussion mit Iris Dankemeyer
        		17:00-17:30 Diskussion mit Rafael Dernbach                                               		17:00-17:30 Diskussion mit Florian Werner

 III.   Vom Unglück, nicht nur auf Schiffen                                                 VII.   Theologien
        07. Mai
           BURG BOX:                                                                                02. Juli BURG BOX:
        		Katharina Wolff (Historikerin und Seuchenforscherin/München)                              		       Philipp Stoellger (Systematische Theologie/Uni Heidelberg) im
        		 im Gespräch mit Mirjam Schaub über: Die Theorie der Seuche.                              		       Gespräch mit Mirjam Schaub über Arbeit an der Apokalyptik.
        		      Jörg Trempler (Kunstgeschichte/Uni Passau):                                         		       Zum Unterschied von ­Eschatologie und Apokalyptik
                Wir Schiffbrüchige – Vom modernen Gefühl des Scheiterns                             		       Jörg Frey (Neutestamentliche Wissenschaft/Uni Zürich):
                                                                                                    		Ein Buch mit sieben Siegeln? Wie wir die Bildersprache der Johannes-
        28. Mai MEET:
                                                                                                    		apokalypse verstehen können.
        		16:15-16:45 Diskussion mit Katharina Wolff
                                                                                                    09. Juli MEET:
        		17:00-17:30 Diskussion mit Jörg Trempler
                                                                                                    		16:15-16:45 Diskussion mit Philipp Stoellger
                                                                                                    		17:00-17:30 Diskussion mit Jörg Frey
 IV.    Das Ende der Natur vom Menschen her gedacht
        28. Mai
           BURG BOX:
        		Eva Horn (Neue Deutsche Literaturwissenschaft/Uni Wien):
        		 No Apocalypse, not now! Corona und das Anthropozän.
        		       Verena Lobsien (Anglistik/HU Berlin):
                 Der Tod im Leben – John Donnes Jenseitsästhetik                                    		ZUR BURG BOX:
        11. Juni MEET:
        		16:15-16:45 Diskussion mit Eva Horn                                                       		https://box.burg-halle.de/s/QbLp8BYgzaAX5r5
        		17:00-17:30 Diskussion mit Verena Lobsien
D A S                             E N D E                                       D E R                                     W E L T
Ankündigungstexte + Kurzbiographien                                                                                                     Mirjam Schaub

       Wenn alle endlich gleich werden?
       Kleine Philosophie des Weltuntergangs
       Der Vortrag führt in die Ringvorlesung ein und stellt die 13 Vor­        Zuvor war sie Professorin am Department Design der HAW Ham-
       tragenden mit ihren Themen und Thesen vor. Dabei geht es                 burg und Gründungsmitglied des künstlerisch-wissenschaftlichen
       darum, den verschiedenen Disziplinen und Feldern der Expertise           Graduiertenkollegs ‘Performing Citizenship’ (2015–2017), eine
       eine Bühne zu bereiten und die kommenden Vorträge thematisch             Kooperation aus Fundustheater, K3 und HCU Hamburg. Ihre
       zu rahmen. Die leitende These steht im Vortragstitel: Welche Form        besonderen Interessen gelten der Kunst-, Film- und Kulturphi-
       von Gleichheit stiftet die Aussicht auf ein synchrones Sterben und       losophie, der Epistemologie sowie der politischen Philosophie.
       was bedeutet das für den alten Wahlspruch: Einer für alle, alle für      Sie ist Mitherausgeberin eines Sammelbandes über Performing
       einen? Welches Versprechen verbirgt sich hinter der im Namen der         ­Citizenship, (Palgrave Macmillan/London 2019), der unter https://
       Apokalypse eingeschriebenen Vorstellung radikaler Transparenz,            link.springer.com/content/pdf/10.1007%2F978-3-319-97502-3.pdf als
       und welcher Schrecken folgt ihm dicht auf den Fersen? Die Fragen,         open access zugänglich ist. Ihre Monographie über Radikalität. Eine
       die sich anschließen, lauten: Wie gelingt es, den Zeiger der Uhr im-      andere Geschichte der Popkultur soll 2021 erscheinen.
       mer wieder auf „Fünf vor Zwölf“ zurückzudrehen, um Menschen
       überhaupt noch zu Umkehr zu motivieren oder für ein Handeln
       für die Gemeinschaft zu begeistern? Führt das apokalyptische Dis-
       positiv der zeitlichen Verknappung zu einer Intensivierung der
       noch offenen Lebenszeit? Begünstigt apokalyptisches Denken ra-
       dikale Entwürfe – und worin könnte deren Sinn liegen? Wie haben
       sich mit der Zeit die Vorstellungen von der Apokalypse g ­ ewandelt?
       Welche Weltenden haben wir (schon) überlebt? Was­ändert sich,
       wenn die Idee einer Weltgerichtsbarkeit durch entropische Vor-
       stellungen vom Klima- oder Seuchentod abgelöst wird? Wie
       hängen Weltschöpfung und Weltuntergang zusammen. ­Reimen
       sich Anfang und Ende überhaupt noch und warum könnte das
       wichtig sein?

       Mirjam Schaub, Dr. phil. habil., studierte Philosophie, Psychologie
       und Politikwissenschaft in Münster, München, Paris (Sorbonne I)
       und in Berlin (FU). Parallel besuchte sie die Deutsche Journalisten­
       schule (DJS) in München und schrieb für taz, Freitag, DIE ZEIT
       und das Feuilleton der FAZ, außerdem machte sie Porträts für das
       ZDF (aspekte). Sie promovierte über Gilles Deleuze (Gilles ­Deleuze
       im Wunderland: Zeit- als Ereignisphilosophie; sowie: Gilles Deleuze im
       Kino: Das Sichtbare und das Sagbare, beide Fink 2003) und habilitierte
       über den Beispielgebrauch in Philosophie und Ästhetik (Das Sin-
       guläre und das Exemplarische. Diaphanes, 2010). Seit 2017 Professorin
       für Philosophie an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in
       Halle (Saale).

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D A S                            E N D E                                      D E R                                      W E L T
Bernhard Fischer-Appelt                                                                                                             Rafael Dernbach

       Die Apostel der Zukünfte. Utopische & dystopische                      Antizipierender Realismus: einige Thesen zur Pro-
       Narrative des technischen Fortschritts                                 duktion von Zukünftigkeit
       Wer kann schon sagen, was morgen ist? Offensichtlich einige            Wissenschaftlich gesehen gibt es die Zukunft nicht. Die glän-
       Menschen. Die Zukunft vorhersehen zu wollen hat, eine lange            zenden Utopien, die drohenden Apokalypsen, aber auch der
       Geschichte, so wie der feste Wille, sie zu gestalten. Das geschieht    gewöhnliche Termin nächste Woche sind Fiktionen. Zwar spricht
       durch ‘Erzählungen’, die mit oft drastischen Bildern unsere            viel dafür, dass die uns bekannte Welt auch morgen noch existiert.
       Vorstellungskraft in Bahnen zu lenken versuchen, um unser Ver-         Doch, auch wenn unwahrscheinlich, könnte morgen alles vorbei
       halten zu bestimmen. Wirkmächtige Dystopien wie Paul Ehrlichs          sein. Zukünftigkeit ist also weder selbstverständlich noch einfach
       ­„Population Bomb“, spielen dabei ebenso eine Rolle, wie Utopien,      so gegeben. Sie wird jeden Tag neu durch Fiktionen medial kons-
        etwa der Digitalisierung, aus denen eine Flut von Manifesten her-     truiert. Und diese Fiktionen, diese Zukünfte sind mächtig. Wie
        vorgegangen ist. Der Vortrag erläutert das Zusammenspiel von          kaum andere vermögen sie es Kapital zu bewegen, Wünsche zu lei-
        dystopischen und utopischen Narrativen in technologie-basierten       ten und Privilegien zu verteilen. Dabei operieren sie nach e­ igenen
        Zukunftsprognosen. Er beleuchtet exemplarisch dadurch ent­            Realismen, die manches ein- und anderes ausschließen. Die Vor-
        stehende, positivistische Handlungskonzepte für die Gesellschaft,     lesung untersucht diese antizipierenden Realismen und fragt
        wie Kennedys „New Frontier“. Er bemüht sich um eine kritische         wie künstlerische Interventionen die Produktion von Zukünften
        Perspektive auf prognostizierte Zukünfte als Grundlage für ge-        ­adressierbar machen können.
        dankliche Unabhängigkeit.

       Bernhard Fischer-Appelt, Gründer mehrerer Unternehmen für              Rafael Dernbach erforscht und kuratiert soziale und mediale
       digitale Medien und Kommunikation, ist CEO der ­fischerAppelt          Konstruktionen von Zukunft. Zuletzt hat er als wissenschaftlicher
       AG, die er zusammen mit seinem Bruder vor über dreißig Jahren          Mitarbeiter für Strategie und Inhalte an der Eröffung des Futu-
       gegründet und die sich zu einer der führenden Kommunikations­          riums in Berlin mitgewirkt. Als Gates Scholar promovierte er an
       agenturen Europas entwickelt hat. Er studierte Politik- und            der University of Cambridge zu Antizipierendem Realismus und war
       Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hamburg und schloss       Gastforscher an der Freien Universität Berlin und der Princeton
       1989 sein Studium an der London School of Economics mit einem          University. Seine Essays und Interviews erschienen bei German
       M.Sc. (Econ) in Industrial Relations ab. Er ist Vorstandsmitglied      Life and Letters, Zeit Online, ZDFinfo und Teknokultura und
       des Europakollegs in Hamburg, Institut für Europäische Integra-        ­wurden im Haus der Kulturen der Welt Berlin und im Art Printing
       tion. Als Autor von Büchern wie Die Moses-Methode kommentiert           House Vilnius gezeigt.
       er regelmäßig in den europäischen Medien zu Fragen des Ma-
       nagements, der Innovation und der Organisationsstrategie in der
       digitalen Wirtschaft. 2018 ist er für einen zweijährigen Forschungs-
       aufenthalt an der Harvard University in das Weatherhead Scholars
       Program aufgenommen worden und untersucht techno-exponen-
       zielle Zukunftsprojektionen und deren Geschichte ebenso wie die
       Frage der Autonomie in Innovation-Entwicklungsprozessen.

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D A S                              E N D E                                        D E R                                      W E L T
Katharina Wolff                                                                                                                              Jörg Trempler

       im Gespräch mit Mirjam Schaub über:                                        Wir Schiffbrüchige - Vom modernen Gefühl des Schei-
       Die Theorie der Seuche                                                     terns
       Während Kriege und Unwetter sichtbare Phänomene von zer­                   Der Schiffbruch ist ein beliebtes Thema der Kunst- und Bildge-
       störerischer Natur waren, nötigten die Pest und jede andere                schichte. Dies ist keineswegs verwunderlich, da Schiffe zu den
       Seuche in der Geschichte den Menschen zunächst eine umfassen-              Hauptverkehrsmitteln der Neuzeit zählen und die Schifffahrt in der
       de Theorie­bildung ab. Lautlos und unsichtbar töteten sie ohne             abendländischen Kultur seit spätestens der Antike mit der Gefahr
       Unterschied - was waren sie? Wo lagen die Einfallstore für die             des Scheiterns auf See verbunden ist. Die Schifffahrt wurde somit
       Seuche in die Welt, und wie waren diese zu verschließen? Gab es            zu einer Standardmetapher für menschliche U     ­ nternehmungen
       Schuldige? Die Frage nach der Natur einer Seuche stellte in der Ge-        überhaupt, der Schiffbruch ein sprachliches Bild der Risiken, die
       schichte stets den ersten Schritt im Umgang mit der Situation dar,         mit jedem Vorhaben verbunden sind. Mit dem berühmten ­Gemälde
       um basierend darauf schließlich zum eigentlich größten Anliegen            „Das Floss der Medusa“ von Theodore Géricault von 1819 ändert
       der Menschen zu gelangen: Der Entwicklung von Abwehrstra-                  sich das Verhältnis insofern, dass der Schiffbruch nicht mehr als
       tegien in Prophylaxe und Therapie. Die gängigsten Theorien zu              Ausnahme-, sondern zum Normalfall wird. Der Vortrag zeichnet
       Seuchen sollen hier kurz überblickt und ihr Einsatz in der Praxis          diese Geschichte nach und thematisiert einige der Adaptionen, die
       beschrieben werden, um schließlich auch einen Blick in die Mo-             dieses Schlüsselwerk der Moderne bis in die Kunst der Gegenwart
       derne zu werfen: Was hat sich seit der Pest geändert? Was blieb            erfahren hat.
       gleich? ­Welchen Platz finden Seuchenkatastrophen in der Gegen-
       wartskultur?
                                                                                  Jörg Trempler, Prof. Dr. phil. habil., 2001 Promotion zu Karl
       Katharina Wolff absolvierte zunächst das Staatsexamen der                  Friedrich Schinkels Wandbildprogramm am Alten Museum in
       Medizinisch-­  technischen Laboratoriumsassistentin (MTLA) am              Berlin, 2004-2007 Forschungsprojekt der Fritz-Thyssen-Stiftung
       Max von Pettenkofer-Institut für Hygiene und medizinische Mi-              „Katastrophen als ikonisches Erkenntnismodell“, 2007 bis 2008
       krobiologie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nach               Postdoktorand der Max-Planck-Gesellschaft am Kunsthistori-
       kurzer Berufstätigkeit nahm sie ein Studium der Geschichts­                schen Institut in Florenz. Von 2008 bis 2013 wissenschaftlicher
       wissenschaften an der LMU München auf und schloss es mit dem               ­Mitarbeiter der DFG Kolleg-Forschergruppe Bildakt und Verkör-
       Magister Artium ab. Von 2014 bis 2018 war sie wissenschaftliche             perung an der Humboldt-Universität zu Berlin. Habilitation 2010
       Mitarbeiterin am Exzellenzcluster Religion & Politik der Westfäli-          ebenda mit einer Arbeit zu Katastrophen. Bild und Bedeutung, 2013
       schen Wilhelms-Universität Münster im Projekt Höhere Gewalt‘ und            ­Visiting Scholar am Yale Center for British Art. 2014 Junior Fellow
       öffentliche Ordnung. Politik im Zeichen der Pest. Hier forschte sie über     am A ­ lfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald, seit 2015 Inha-
       historische Krankheitskonzepte und deren Umsetzung im indivi-                ber des Lehrstuhls für Kunstgeschichte und Bildwissenschaft an
       duellen und kollektiven Lebensbereich. Neben der Untersuchung                der Universität Passau, Co-Kurator der Ausstellung Entfesselte Na-
       des Umgangs mit und der Auswirkungen von Seuchenkatastro-                    tur. Das Bild der Katastrophe um 1600, Hamburger Kunsthalle 2018.
       phen in der Vormoderne richtet sich ihr Blick stets auch auf die
       Gegenwart, z. B. die Ebola-Katastrophe von 2014 bis 2016. Des Wei-
       teren zählt die Beschäftigung mit Seuchen und Epidemien in der
       modernen Populärkultur zu ihren Forschungsinteressen. Ihre bei
       Prof. Dr. Jan Keupp entstandene Dissertation mit dem Titel Die
       Theorie der Seuche. Krankheitskonzepte und Pestbewältigung im Mittelal-
       ter wird voraussichtlich 2020 erscheinen.

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D A S                             E N D E                                       D E R                                       W E L T
Eva Horn                                                                                                                                 Verena Lobsien

       No apocalypse, not now! Corona und das                                   Der Tod im Leben – John Donnes Jenseitsästhetik
       Anthro­pozän
       Seit Jahren beschäftigen wir uns nicht nur mit unzähligen, fikti-        John Donne – berühmt-berüchtigter englischer Dichter des 17.
       ven oder auch real möglichen Katastrophenszenarien. De facto             Jahrhunderts – hat unter anderem damit Aufsehen erregt, wie er
       sind viele der wirklich katastrophalen Prozesse, die derzeit ab-         in seinen Gedichten über das Ende der individuellen Welt nach-
       laufen, eher langsamer und latenter Natur. Ein Vorschlag, diese          denkt. Immer wieder thematisiert er den höchstpersönlichen tip-
       „Katastrophe ohne Ereignis“ auf einen Begriff zu bringen, ist das        ping point, der uns allen bevorsteht. Was geschieht im Sterben?
       Konzept des Anthropozäns. Es versammelt eine Vielzahl von sehr           Wie trennen sich Körper und Seele? Oder trennen sie sich nicht?
       ­komplexen, aber tiefgreifenden ökologishcen Veränderungen auf           Wie katastrophal ist das? Wie kann der Tod einer einzelnen eine
        dem gesamten Planeten: Klimawandel, Veränderung der Chemie              Apokalypse der gemeinsamen Welt heraufbeschwören? Und wie
        der Meere, Ozonloch, Artenverlust, Veränderung wichtiger Stoff-         kann man über all das von hier aus, also diesseitig, reden? Donne
        kreisläufe, allgegenwärtige Toxine in Luft, Wasser und Böden uvm.       geht solchen Fragen in den sog. „Anniversaries“, zwei längeren Ge-
        Aber wie verhält sich die aktuelle Krise zu dieser strukturellen        dichten zum Jahrestag des Todes einer jungen Frau nach. Der Vor-
        ökologischen Krise? Eine Rhetorik der Apokalypse mit all ihren          trag will verstehen und erläutern, wie und weshalb er das tut; zu-
        geschichtstheoretischen Implikationen, so die These des Vortrags,       dem, welche sprachlichen Verfahren uns zu Gebote stehen, wenn
        hilft hier überhaupt weiter. Es ist vielmehr zu fragen, was wir von     wir über Dinge sprechen wollen, über die man schwer sprechen
        der Corona-Krise für die Aufgaben lernen können, die das Anthro-        kann, und wie man diese Dinge vielleicht imaginieren könnte. Auf
        pozän uns stellt.                                                       dem Spiel stehen dabei die Liminalität poetischer Texte und zu-
                                                                                gleich einige grundsätzliche Möglichkeiten einer Jenseitsästhetik.

       Eva Horn, Dr. phil. habil., ist Professorin für Neuere deutsche Lite-    Verena Lobsien, Dr. phil. habil., ist Professorin für Neuere Eng-
       ratur am Institut für Germanistik der Universität Wien. Sie hat in       lische Literatur/Allgemeine und Vergleichende Literaturwis-
       Basel, New York, Frankfurt/Oder, Konstanz und Paris unterrich-           senschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Nach Promo-
       tet. In Wien leitet sie seit 2018 das Vienna Anthropocene Network. Pu-   tion und Habilitation zu Themen der Klassischen Moderne sind
       blikationen zum thema: Eva Horn: Zukunft als Katastrophe, Frank-         ihre ­Forschungsschwerpunkte seit längerem die Literatur und
       furt: Fischer 2014. Eva Horn/Hannes Bergthaller: Anthropozän....zur      Kultur der Renaissance, mit diversen Projekten zu Fragen der
       ­Einführung, Hamburg: Junius 2019.                                       Antike­transformation. Sie ist (u.a.) Autorin von Skeptische Phan-
                                                                                tasie ­(München 1999), Transparency and Dissimulation (Berlin 2010),
                                                                                ­Jenseitsästhetik (Berlin 2012), Shakespeares Exzess (Wiesbaden 2015)
                                                                                 und, mit Eckhard Lobsien, Die unsichtbare Imagination (München
                                                                                 2003). Zur Zeit schreibt sie ein Buch über Sympathie, das vielleicht
                                                                                 noch 2020 erscheint.

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D A S                           E N D E                                    D E R                                     W E L T
Annemarie Botzki                                                                                                              Tobias Holzlehner

       Aufstand oder Aussterben: Protest in Zeiten von                     Ein Schiff wird kommen. Ethnologische Perspektiven
       ­Corona. Ein Vortrag über digitale Rebellionen und                  vom Ende der Welt
        Nachbarschaftssolidarität.
       Die Entscheidungen, die in diesen Tagen von Regierungen ge-         Cargo-Kult ist in der Ethnologie die Bezeichnung für endzeitli-
       troffen werden, werden das nächste Jahrzehnt bestimmen. Um zu       che Vorstellungen und Praktiken, die Mitte des 20. Jahrhunderts
       überleben, bleiben uns trotz Corona nur wenige Jahre, um Netto      vor allem in Melanesien kursierten. Im Zentrum dieser religiös-­
       Null Emissionen zu erreichen. Wie kann daher effektiver Protest     politischen Bewegungen war der Glaube an das imminente Ende
       in Zeiten von stark begrenzten politischen Rechten aussehen?        der Welt, die Wiederkehr der Ahnen und das Einsetzten eines
       Wie können wir jetzt erfolgreich Einfluss auf die Finanzspritzen    glückspendenden, unerschöpflichen Warenflusses. Die Schiffe
       und wegweisenden Entscheidungen nehmen, um die Biosphäre            oder Flugzeuge mit den himmlischen Gütern kamen nie; nur die
       zu stabilisieren und eine gerechtere und emissionsfreie Welt zu     Reste der Lockversuche blieben zurück.
       ­schaffen?                                                          Als das Erwarten einer Epoche übernatürlicher Glückseligkeit
                                                                           und sozio-ökonomischer Gerechtigkeit ist der Millenarismus auch
                                                                           integraler Teil europäischer Geistesgeschichte. Das katastrophale
                                                                           Ende der Sowjetunion markiert den letzten großen Zusammen-
                                                                           bruch einer solchen utopischen Gesellschaftsform. Auch hier
                                                                           ­blieben nur die Ruinen zurück. Mit einem Fallbeispiel vom nord-
                                                                            östlichen Rand Eurasiens, erkundet der Vortrag das Verhältnis von
                                                                            utopischen Traumwelten und Katastrophe. Die Spurensuche in
                                                                            der Küstenlandschaft Ostsibiriens wird so zu einer Archäologie
                                                                            der Moderne und ihrer materiellen Hinterlassenschaften und geht
                                                                            dabei der Frage nach, wie Menschen das plötzliche Ende einer nie
                                                                            erreichten Utopie erleben und überleben.

       Annemarie Botzki ist Aktivistin bei Extinction Rebellion und Mit-   Tobias Holzlehner, PhD, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am
       Herausgeberin des Buches Wann wenn nicht wir. Sie studierte So-     Seminar für Ethnologie der Martin-Luther-Universität Halle-­
       zialwissenschaft, Europäische Politik und Umweltmanagement          Wittenberg. Studium der Ethnologie, Ur- und Frühgeschichte und
       und arbeitete als Energie-Reporterin in Brüssel und London und      Slawistik in Tübingen. Er promovierte an der University of A  ­ laska
       zuletzt an Solarinnovationen in Berlin.                             Fairbanks, USA mit einer Arbeit über informelle Wirtschaft und
                                                                           Netzwerke in Russland. Seine langjährige ethnologische For-
                                                                           schung in Sibirien erkundet naturkultürliche ­Begegnungen und
                                                                           Transformationen in nordpazifischen Grenzräumen. Zu seinen
                                                                           Publikationen zählen u.a. Shadow Networks: Border Economies, In-
                                                                           formal Markets and Organized Crime in the Russian Far East, Berlin:
                                                                           LIT, 2015 und Economies of Trust: Informal economies and the state in
                                                                           the ­Russian-Chinese borderland, in C. Humphrey, Trust and Mistrust in
                                                                           the Economies of Chinese-Russian Borderlands, pp. 65-86, Amsterdam:
                                                                           ­Amsterdam University Press, 2018.

 18                                                                                                                                                 19
D A S                             E N D E                                       D E R                                     W E L T
Iris Dankemeyer                                                                                                                        Florian Werner

       Die Gewalt der Musik. Techno und Apokalypse                              Top Ten Songs for the End of the World. Apokalypti-
                                                                                sche Audiovisionen im Pop
       In der Unterhaltungskultur sind Weltuntergangsszenarien beliebt.         „It’s the End of the World as We Know It“, „Hurra, die Welt geht
       Ohne existentielle Bedrohung wären die Heldengestalten aus Sci-          unter!“, „God’s Gonna Cut You Down“, „The Final Countdown“.
       encefiction, Comic und Film arbeitslos. Nur wenn wieder einmal           Neben Liebe, Sex und Markenartikeln stellt der Weltuntergang
       das Ende der Menschheit bevorsteht, kann die Menschheit ein              eines der prominentesten Themen in der Popmusik dar. Aber seit
       letztes Mal gerettet werden. Was aber, wenn die Menschheit nicht         wann wird dieses eschatologische Event so öffentlichkeitswirksam
       mehr zu retten ist? In der Populärmusik ist mit Techno ein neues         besungen? Welche Funktionen hat das jüdisch-christlich g ­ eprägte
       Zeitalter angebrochen. Seit den neunziger Jahren hat eine eigene         Motiv der Apokalypse in einem säkularen Kontext? Und: Wie
       Clubkultur die gewohnten Amüsierbetriebe abgelöst. Zum Tanzen            kann man ein Ereignis, das seinem Wesen nach das Ende der Zeit
       geht man jetzt in Tarnkleidung und mit Accessoires wie Atem-             bedeutet, in einem linearen Medium wie der Musik überhaupt
       schutzmasken in Keller, die „Tresor“ oder „Bunker“ heißen und den        darstellen? Solche Fragen sollen anhand von Hör- und Video-
       Dancefloor der Disko mit Stroboskop und Kunstnebel­schwaden in           beispielen aus allen Epochen der populären Musik verhandelt
       eine Art Kriegsschauplatz verwandeln. Diese Tanzmusik macht              werden: vom Barockoratorium bis zum HipHop, von John Cage bis
       Ernst: Ihr kompromissloser Rhythmus wird zum Ritual des                  Marilyn Manson.
       Gruppen­  gehorsams. Techno vollbringt auch Wunder: Wie ein
       neuer Mythos vereint er die Lebenslust und Bewegungsfreude
       ­junger Menschen mit deren Melancholie, Wut und Desillusionie-
        rung. Längst ist es leichter, sich das Ende der Welt vorzustellen als
        das Ende des Kapitalismus. Das Lebensgefühl von Techno mit sei-
        ner Mischung aus Dystopie und Offenbarung artikuliert das Ende
        der Geschichte. Die Vorlesung diskutiert quasireligiöse und real­
        politische Aspekte der Technoszene.

       Iris Dankemeyer studierte Soziologie und Sozialpsychologie in            Dr. phil. Florian Werner, studierte Anglistik, Amerikanistik und
       Hannover und Philosophie und Neuere Deutsche Literatur in                Germanistik in Tübingen, Berlin und Aberdeen und wurde 2007
       Berlin. Nach dem Ende des Studiums 2008 arbeitete sie als freie          mit einer Arbeit über HipHop und Apokalypse promoviert. Er
       Autorin (u.a. für konkret, jungle world, De:Bug, testcard), mit den      schreibt erzählende Sachbücher und Prosa, lehrt an verschiedenen
       Schwerpunkten Musik- und Kulturkritik, Feminismus und Neo­               Hochschulen und arbeitet für den Hörfunk. Seine Werke wurden
       sexualitäten. Ab 2010 begann sie, zusammen mit dem Künstler              unter anderem ins Englische, Spanische und Japanische übersetzt
       Ernst Markus Stein eine Konzert- und Performancereihe in Berlin          und mehrfach ausgezeichnet. Zuletzt erschien: Auf Wanderschaft.
       und New York zu organisieren. Seitdem richtete sie zahlreiche Ver-       Ein Streifzug durch Natur und Sprache (Duden 2019). Florian Werner
       anstaltungen der seltsameren ästhetischen Art aus. Anschließend          lebt mit seiner Familie in Berlin.
       schrieb sie von 2013 bis 2017 an der FU Berlin im Fach Philosophie
       eine Dissertation über Die Erotik des Ohrs. Musikalische Erfahrung und
       Emanzipation nach Adorno. Ihre Interessengebiete umfassen vor al-
       lem Sozialphilosophie, Dialektik, psychoanalytische Kultur­theorie
       und materialistische Ästhetik. In ihrer freien Zeit versucht sie, das
       altmodische Handwerk der Zauberei zu erlernen.

  20                                                                                                                                                 21
D A S                               E N D E                                          D E R                                       W E L T
Philipp Stoellger                                                                                                                                              Jörg Frey

        im Gespräch mit Mirjam Schaub über:                                          Ein Buch mit sieben Siegeln? Wie wir die Bilder­
        Arbeit an der Apokalyptik. Zum Unterschied von                               sprache der Johannesapokalypse verstehen können.
        Eschatologie und Apokalyptik
        Das apokalyptische Begehren eines Weltendes unterscheidet                    Die Apokalypse des Johannes ist für viele ein Buch mit sieben
        sich deutlich von der eschatologischen Hoffnung auf eine Welt­               ­Siegeln. Ihre vielfältigen, oft bizarren und düsteren Bilder ­werden
        vollendung. Die einen suchen das Ende ‚dieser verdorbenen Welt‘               von den einen zur Angstmacherei missbraucht, von anderen in
        in der eigenen Lebenszeit, die anderen hoffen auf eine Vollendung             ­kühner Weise „entschlüsselt“. Der Vortrag will – ausgehend von der
        dereinst – auf dass noch einige Lebenszeit zu wünschen übrig                   Wirkung der apokalyptischen Bilder in der Kunst – die l­ iterarische
        bleibt. Geschichte in aller Dehnung der Zeit wird eschatologisch               Zusammensetzung der Bildersprache dieses Werks erläutern und
        begrüßt und kultiviert; apokalyptisch hingegen drastisch verkürzt.             zeigen, wie dieses Buch für seine damaligen Leser eine Gegenwelt
        Daher ist Apokalyptik auch gnosogen, Eschatologie hingegen                     erzeugen konnte, die sie zum Durchhalten im Glauben und zur
        antignostisch konzipiert. Dieser Unterscheidung lohnt näher                    Hoffnung trotz widriger Umstände ermutigte. Nur im Blick auf
        nachzudenken, um nicht alle Hoffnung auf ein Weltende zu set-                  das, was dieses Buch in seiner Zeit bedeutete, lässt sich verantwort-
        zen, und auch, um es sich nicht zu leicht zu machen mit der Kritik             lich danach fragen, was es uns heute sagen kann.
        an den Folgelasten des apokalyptischen Syndroms.

        Prof. Dr. Philipp Stoellger, Studium der evangelischen Theo­logie            Prof. Dr. Jörg Frey, Studium der Ev. Theologie in Tübingen,
        und Philosophie, promovierte mit der Arbeit Metapher und Lebens-             Erlangen und Jerusalem, 1996 Promotion, 1998 Habilitation in
                                                                                     ­
        welt. Hans Blumenbergs Metaphorologie als Lebens-welthermeneutik und         Tübingen, war 1998-1999 Professor für Neues Testament an der
        ihr religionsphänomenologischer Horizont, Tübingen 2000, habilitiert         Theologischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena,
        mit der Arbeit Passivität aus Passion. Zur Problemgeschichte einer catego-   1999-2010 Ordinarius für Neutestamentliche Wissenschaft und
        ria non grata, Tübingen 2010. Seit 2015 Lehrstuhl für S  ­ ystematische      Antikes Judentum an der Ev.-theol. Fakultät der LMU München
        Theologie: Dogmatik und Religionsphilosophie an der Theologi-                und ist seit 2010 Professor für Neutestamentliche Wissenschaft
        schen Fakultät der Universität Heidelberg; 2007-15 Lehrstuhl für             mit Schwerpunkten Antikes Judentum und Hermeneutik an der
        Systematische Theologie und Religionsphilosophie an der Theo-                Theologischen Fakultät der Universität Zürich. Er ist Herausgeber
        logischen Fakultät der Universität Rostock, Gründer des Instituts            der Monographienreihe Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen
        für Bildtheorie (ifi) der Universität Rostock, Gründungs­sprecher            Testament und Herausgeber zahlreicher Sammelwerke.
        des DFG-Graduiertenkollegs 1887: Deutungsmacht: Religion                     Kernpublikationen: Die johanneische Eschatologie I-III, Tübingen
        und belief systems in Deutungsmachtkonflikten; Fellow des                    1997-2000; Die Herrlichkeit des Gekreuzigten, Tübingen 2013; Der
        ­Marsilius-Kollegs, Heidelberg; Beirat des Internationalen ­Kollegs          Judasbrief und der zweite Petrusbrief, Leipzig 2015; Von Jesus zur neu-
         für Kulturtechnikforschung und Medien-philosophie (IKKM),                   testamentlichen Theologie, Tübingen 2016; Theology and History in the
         Weimar; Leiter der Forschungsstätte der Evangelischen Studien-              Fourth Gospel, Waco, Tx. 2018; Qumran, Early Judaism, and New Testa-
         gemeinschaft (FEST), Heidelberg. Forschungsschwerpunkte:                    ment Interpretation, Tübingen 2019.
         Christologie und Anthropologie; Hermeneutik, Phänomenologie
         und Religionsphilosophie; Bild- und Medientheorie.

  22                                                                                                                                                              23
D A S                             E N D E                                   D E R                                W E L T
Hinweise

       Verwendbarkeit / Applicability                                       Konzeption
       • Kunst: Fachwissenschaft Philosophie/Ästhetik                       Prof. Dr. Mirjam Schaub
       • Kunst (Lehramt): Philosophie (WK-PhG)                              schaub@burg-halle.de
       • Kunstpädagogik (Diplom): Philosophie
                                                                            Organisation
       • MA Kunstwissenschaften: Modul 2 Theorien und Diskurse
       • MA Design Studies (Philosophie-VL als Wahlpflichtfach)             Anne-Christin Bielig
                                                                            anne-christin.bielig@burg-halle.de
       Lernziel, Qualifikationsziele / Objectives, Learning Outcome
                                                                            Layout
       • Erarbeitung theoretischer und diskursiver Zugänge zu histori-
         schem Wissen                                                       Margarita Wenzel
                                                                            mail@margarita-wenzel.com
       • Einbindung disziplinärer und transdisziplinärer Theorien zum
         tieferen Verständnis der jeweiligen Fachdisziplinen
       • Fähigkeit, das kulturelle, gesellschaftliche und politische Dis-
         kursfeld, in dem sich die Inhalte bewegen, zu reflektieren
       • Bildung eigener Schwerpunkte und Forschungsansätze auf der
         Basis der Vernetzung, Reflexion und Pointierung des Themen-
         spektrums

       Beurteilung / Assessment
       • Studierende Kunst: Teilnahmeschein (unbenotet), Leistungs-
         schein (Mündliche Prüfung zum Semesterende);
       • Studierende Kunst (Lehramt): Teilmodulleistung (unbenotete
         Präsentation) oder/und Modulprüfung (mündliche Prüfng zum
         Semesterende);
       • Studierende der Kunstpädagogik (Diplom): Teilnahmeschein
         (unbenotet) oder Leistungsschein (Mündiche Prüfung);

       • Studierende Master Kunstwissenschaften: Teilmodulleistung
         (unbenotete Präsentation) oder Modulprüfung (Schriftliche
         Hausarbeit)

  24                                                                                                                  25
D A S   E N D E   D E R   W E L T
DER WELT

Burg Giebichenstein Kunsthochschule Haale
University of Art and Design
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