Das Futteral Des Baus Röthlisberger Schreinerei plant, konstruiert und baut - Beilage zu HocHparterre Nr. 4 / 2009
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Beilage zu Hochparterre Nr. 4 / 2009 Das Futteral des Baus Röthlisberger Schreinerei plant, konstruiert und baut
Beilage zu HochParterre 4 / 2009 2/ 3// Inhalt Mehr als Liebe zum Holz Editorial Bildet der Bau die Hülle, ist der Innenraum das Futteral. 4 Reportage In ihm erleben Bewohnerinnen und Benutzer ein Ge Nur Gut Schreinern ist uns nicht genug Einblick in die Werkstätten von Röthlisberger Schreinerei. bäude. Über diese zentrale Schnittstelle von Architektur 10 Renovationen berichtet das vorliegende Heft. Es verbindet das Eingriffe für die Beständigkeit Können von Röthlisberger Schreinerei mit der für Archi- Hans-Jörg Ruch baut mit Respekt alte Engadiner Häuser weiter. tektinnen und Innenarchitekten wichtigen Frage, 12 Innenausbau wie sie Innenräume konstruktiv entwickeln und bauen. Räume auf Hochglanz Generalunternehmen für den Innenausbau: So tritt Andreas Ramseier poliert Tische und Sitze in höheren Etagen. die Firma heute auf und lebt gut davon, dass sie diesen 14 Museumsbau hohen Anspruch erfüllt. Der Weg dahin führte über Parcours der Architektur eine Schreinerei und Wagnerei, die 1928 gegründet Atelier Oï führt die Besucher zielsicher durch die Sammlung. wurde. Seit den Sechzigerjahren produziert der Betrieb 16 Ladenbau Möbel in Lizenz und Innenausbauten. Heute wird Inszenierung für Illustre Namen die Firma in dritter Generation von Peter Röthlisberger Peter Marino inszeniert Edelboutiquen. geführt. Sie plant, entwirft in enger Zusammenarbeit 18 Büroausbau Materialvielfalt im Glaspalast mit Architekten, konstruiert und realisiert anspruchsvol- Ein Firmencampus am Genfersee mit höchsten Anforderungen. le Inneneinrichtungen für private und öffentliche 20 Reportage Auftraggeber. Und sie produziert seit 1977 eigene Möbel, hier Fabriziert, Dort montiert die Designgeschichte schreiben. Drei Bereiche prägen Präzision in der Logistik: Wenn Schreinereiteile auf Lastwagen heute die Arbeiten der Röthlisberger Schreinerei: Innen und auf Schiffe verladen werden. ausbau, Engineering und Kollektion. 24 Innenarchitektur Zwei Grundsätze prägen das Selbstverständnis der Schnittstellen gestalten Firma, die am Gümliger Sägeweg zu Hause ist: Wo die Benutzer auf Architektur stossen. Beispiele vom Industrie- gebäude über die Klinik bis zur Boutique. erstens die Liebe zum Holz, die nie ins Sentimentale 30 Interview kippt und durchaus fremdgehen kann. «Wir mögen Konstruieren in Holz und Metall Holz, gehören aber nicht zu den Hölzigen», macht Chef Die Engineering-Abteilung sorgt für präzise Planung, egal ob im Peter Röthlisberger klar und weist Bilder, die Hobel Bundeshaus oder in einer Bank. und Holzspäne feiern, weit von sich. Ein Blick in den 36 Kollektion Betrieb bestätigt diese Haltung, wie die Reportage von Auftritt der Möbel René Hornung zeigt: Holz ist nicht das einzige Material, «Röthlisberger Kollektion» — 30 Jahre Erfolgsgeschichte. mit dem Röthlisberger plant und baut. Im Gespräch mit Philipp Iseli erklärt Roland Keller, wie die von ihm geführte Abteilung Engineering arbeitet. Auch für die Röthlisberger Kollektion gilt: Holz ist nicht alles, aber wenn Holz, wird es auf höchstem schreinerischen Niveau bearbeitet. Doch nichts wäre die Arbeit ohne die Architektinnen, Innenarchitekten und Designer, deren Projekte hier vor- gestellt werden. Und so wird Röthlisberger Schreinerei zweitens durch das stete und erfolgreiche «Pingpong» geprägt, wie Peter Röthlisberger die Zusammenarbeit zwischen Architekt und Innenausbauer, zwischen Desig- ________________ ner und Möbelproduzent beschreibt. Meret Ernst Impressum Hochparterre AG, Ausstellungsstrasse 25, CH-8005 Zürich, Telefon 044 444 28 88, Fax 044 444 28 89, www.hochparterre.ch Konzept und Redaktion: Meret Ernst ME; Gestaltung: Antje Reineck; Gestaltungskonzept: superbüro Barbara Ehrbar; Produktion: René Hornung; Korrektorat: Lorena Nipkow, Küsnacht; Verlag: Susanne von Arx; Litho: Team media, Gurtnellen; Druck, Vertrieb: Südostschweiz Presse und Print, Südost- schweiz Print, Chur / Disentis. Das Team Herausgegeben vom Verlag Hochparterre in Zusammenarbeit mit Röthlisberger Schreinerei AG der Röthlisberger Bestellen: Röthlisberger Schreinerei AG, Tel. 031 950 21 30, innenausbau@roethlisberger.ch Schreinerei. Fotos Titelblatt und Seiten 2 und 3: Alexander Jaquemet Grosse Stücke in den Werkhallen von Röthlisberger.
Beilage zu HochParterre 4 / 2009 4 / 5 // Reportage nur gut Schreinern ...
Beilage zu HochParterre 4 / 2009 6/7 //Reportage … ist uns In den Hallen von Handarbeit muss sein. nicht genug Röthlisberger entstehen Modernste CNC-gesteuerte Maschinen. Möbel und Innenausbauten, entworfen von bekannten Architekten und Designern. Die Produkte – produziert in Gümligen – Sorgfältige Auswahl. finden wir heute in der halben Welt wieder. Text: René Hornung, Fotos: Alexander Jaquemet sammengetan. Seit 1928 ist der Betrieb stets gewachsen, und aus einer Nicht mehr als «Rö» steht am Firmeneingang am Sägeweg in Gümligen Schreinerei wurde ein Möbel- und Innenausbauunternehmen mit einer bei Bern, und schon stehen wir in den grosszügigen Hallen von Röthlis- zehnköpfigen Engineering-Abteilung. berger Innenausbau. Gesamtleiter Peter Röthlisberger führt uns zu zwei Engineering im Möbel- und Innenausbau? Die Abteilung wurde nötig, weil Prototypen einer nach englischer Art gepolsterten Bank und schildert an ein Betrieb dieser Grösse mit Handwerk allein nicht überleben kann. Eigene diesen beiden Stücken das Hin und Her zwischen den Entwürfen aus De- Entwicklungsleistungen bringen zusätzlichen Umsatz. Neben dem Wissen signer- oder Architektenhand und der Arbeit hier im Betrieb. Frank Gehrys um Material und Konstruktion ist Engineering vor allem die Kenntnis, wie Mitarbeiter waren es, die die Zeichnung dieser Bank für den Neubau im man die Gewerke auf dem Bau miteinander verbindet, erklärt Peter Röthlis- Novartis Campus in Basel hierherbrachten. Die Schreinertechniker erlaub- berger: «Weil wir die Schnittstellen zwischen Wand, Decke und eingebau- ten sich nach einem kurzen Blick auf die Pläne die Bemerkung, dass man tem Möbel bei unseren Arbeiten nicht mit Deckleisten kaschieren wollen.» hier drauf aber nicht sonderlich bequem sitzen werde. Die Bemerkung kam Ziel ist es immer, die Anschlüsse von Treppen, Theken, Schrankeinbauten Furniere veredeln bei den Gehry-Mitarbeitern nicht gut an, sie wollten einen Prototypen. oder einer Trennwand sauber zu lösen. das Werkstück. Die Röthlisberger-Mannen machten sich also an die Arbeit und siehe da: «Einfach gut schreinern, war uns nicht genug», blendet Röthlisberger in Als die Auftraggeber wiederkamen, blieb ihnen nichts anderes übrig, als die späten Achtzigerjahre zurück. Und so gab eine Lösung die nächste. Bald einzuräumen, dass die Bank wirklich nicht sonderlich gelungen sei. In der waren interdisziplinäre Ansätze gefragt, nicht nur mit dem Material Holz. zweiten Runde bauten dann die Schreiner einen zweiten Prototypen nach «Als Schreiner haben wir einen guten Zugang auch zu anderen Materia- Probe an der Maquette. ihren Erfahrungen und Erkenntnissen des Sitzkomforts. lien», stellt er fest. «Wir können mit Aluminium, Glas, Stahl oder Stein umgehen.» Was umgekehrt — von anderen Handwerksdisziplinen — im Um- Sägen, Fräsen, schleifen Während Peter Röthlisberger diese Epi- gang mit Holz nicht immer gesagt werden kann. sode schildert, sägen, schneiden, fräsen und schleifen rundum moderne CNC-gesteuerte Maschinen Platten und Massivhölzer. In der nächsten Entwürfe von Designern und Architekten Heute arbeitet der Ecke wird — sorgfältig von Hand — nachbearbeitet, Schreinerhandwerk vom Betrieb mit renommierten Architekten zusammen, ist mit seinen Innenaus- Feinsten. Hinter der nächsten Türe riecht es nach Holz, und wenn sich der bauspezialisten auch mal in einem Mies-van-der-Rohe-Gebäude in New Staubschutzvorhang hebt, kommt — einem Archiv ähnlich — das Furnierla- York, in Berlin oder London anzutreffen, aber auch im Zürcher Stadthaus, ger ans Licht. Mindestens 40 Holzarten liegen hier in den Gestellen, denn wo die Berner die neuen Stadtratstische bauen durften. Begonnen hatte die Furniere und ihre speziellen Zeichnungen verleihen dem Holz-Innenausbau internationale Zusammenarbeit mit Architekten mit einem Auftrag für die Auch lackiert wird im Haus. das besondere Aussehen: «Furnier macht die Ästhetik», stellt Peter Röth- Konzernzentrale von Daimler Chrysler in Stuttgart. Die Architektin Clara lisberger fest. Wie von Zauberhand werden die dünnen, schmalen Hölzer Saal kannte die «Röthlisberger Kollektion», und über eine Empfehlung nach ästhetischen Kriterien zu grösseren Flächen zusammengeleimt, mo- kam die Schreinerei in die engere Auswahl. «Der Auftrag war für unsere dernste Technik hilft dabei. Verhältnisse eigentlich viel zu gross», erinnert sich Röthlisberger. Neben diesem Furnierlager hatte Röthlisberger bis vor Kurzem kaum Holz Die Lösung war eine Arbeitsgemeinschaft mit Glaeser, Baden. Nach einigen im Haus. Bestellt wird, was man für einen Auftrag braucht, zweimal am Tag. Monaten entschieden sich die Berner, die Gesamtleitung zu übernehmen. Innert vier Stunden werden die Platten und Hölzer angeliefert. Weil es mit Dieses Projekt bildete 1989 den Start der eigenen Engineering-Abteilung. den Massivholzqualitäten wegen der immer kürzeren Lieferzeiten aber Pro- Der Auftrag lief gut, die Autobauer schoben Aufträge nach, und aus den bleme gab, lagern seit Anfang 2009 nun auch Esche und Eiche, Birke und ursprünglich 1,4 Millionen D-Mark wurden schliesslich 7,5 Millionen. Birne und viele weitere Hölzer auf dem Areal. Je nach Bedarf werden sie in die Trocknungskammer gelegt, denn Holz, das im Innenausbau eingesetzt Über den Möbelbau zum Innenausbau Der Aufbau des eigenen wird, darf nur 8 bis 9 Prozent Feuchtigkeit enthalten. Ohne künstliches Engineerings brachte das Unternehmen in Zugzwang. Der Name Röthlis- Klima braucht die Trocknung je nach Holzart Wochen, manchmal Jahre. berger sprach sich unter Architekten herum, das Netz wurde grösser und Die Kammer verkürzt diesen Prozess auf wenige Tage. grösser. So ist die Engineering-Abteilung auf zehn Schreinertechniker gewachsen, und sie wird heute von Roland Keller als eigenes Profitcenter Keine Massenanfertigung Anders als in einem industriellen Pro geführt. Die Techniker sind auch für Dritte tätig, die ihre Innenausbauten in duktionsbetrieb kommt es hier weniger auf die Bearbeitungszeit des ein- anderen Betrieben herstellen lassen. zelnen Werkstücks an. Angesichts der vielen Einzelaufträge ist es wichti- Im Gümligen will man formal anspruchsvolle Lösungen erarbeiten — Peter Maschinen müssen nicht ger, dass die Maschinen rasch umgerüstet werden können und vielseitig Röthlisberger spricht gerne von «Qualität». Sie zu bedienen, ist ihm ein möglichst schnell sein, einsetzbar sind. Wir stehen hier nicht in einer «Massen»-Schreinerei, die Anliegen. Das gelingt nicht immer. Gerade in Projekten, die heute auf eine sondern flexibel einsetzbar. auf die Maschinenauslastung schielt. Entstanden ist Röthlisberger Innen Lebensdauer von nur noch zehn Jahren ausgelegt sind, sind solche An- ausbau aus der Fusion einer Wagnerei und einer Schreinerei. Peter Röth- sprüche nicht immer einfach zu erfüllen. Dennoch darf Kurzlebigkeit des lisbergers Grossvater mütterlicherseits und sein Vater hatten sich zu- Entwurfs die Verarbeitungsqualität nicht beeinflussen. Genaue Planung ist das A und O. Rohmaterial für edle Innenausbauten.
Beilage zu HochParterre 4 / 2009 8/9 //Reportage Maschinen und Handwerk Hochwertige Arbeiten finden sich im Werkverzeichnis zuhauf. Röthlis- Meret Ernst sprach mit Peter Röthlisberger über perfektes Handwerk und berger zählt heute rund zwei Drittel seiner Kunden zur Kategorie der Ge- die Expansionspläne des Unternehmens in den USA – trotz Krise. schäftskunden oder der öffentlichen Hand. Ein Drittel sind Privataufträge, Ihr Unternehmen legt Wert auf perfektes Handwerk. Was heisst das die allerdings auch über Architekten oder Designer hereinkommen. Di- in einem Betrieb, der rund sechzig Mitarbeitende zählt? Wir stellen Möbel rektaufträge werden nur ausnahmsweise angenommen, und Röthlisberger und Innenausbauten her, die zwar den Einsatz modernster Hilfsmittel und hat auch keine eigene Entwurfsabteilung, man konzentriert sich auf die Maschinen benötigen, aber ohne Handwerk nicht gebaut werden können. Umsetzung. Das Unternehmen ist auf die Zusammenarbeit mit Profis aus Die Teile für den Schrank «Shell» etwa können nur mit computergesteuer- Architektur und Design eingespielt, «und wenn man uns von dieser Seite ten Maschinen produziert werden. Für den Zusammenbau benötigen wir er- fordert, sind wir gut», zieht Röthlisberger Bilanz. Dabei muss sich der Be- fahrene Schreiner mit grosser Handfertigkeit. Perfektes Handwerk beginnt trieb gegen eine inzwischen breite und starke Konkurrenz behaupten. Das mit der richtigen Materialwahl und der bis ins Detail präzisen Herstellung. Erfolgsrezept heisst: «Ambitiöse Architektur pflegen.» Es braucht aber auch eine raffinierte Konstruktion und technisches Know- how, damit zuverlässige, langlebige und einzigartige Produkte entstehen. Bekannte Architektennamen Jetzt tauchen Berühmtheiten auf: Sie entwerfen nicht selber, sondern holen sich die Ideen von aus- Mit Hans-Jörg Ruch und Renzo Piano, mit den Innenarchitekten Peter wärts. Warum? Aus dem einfachen Grund, weil jeder das tun soll, was er am Marino und Andreas Ramseier, aber neuerdings auch mit dem Büro von besten kann. Ein Architekt greift gerne auf unsere technischen Kenntnisse Frank Gehry arbeiten die Schreiner aus Gümligen zusammen. Das geht oft zurück, um einen Innenausbau zu planen, doch ohne sein entwerferisches sehr gut, braucht aber mitunter auch ein bisschen Zeit, damit man sich in Können brächten wir kein überzeugendes Resultat zustande. Ausserdem der Zusammenarbeit aneinander gewöhnen kann, wie das eingangs zitierte lassen wir uns von den Architekten und Designern gerne und immer wieder Beispiel mit dem Büro Gehry zeigt. aufs Neue fordern. Das geht nur, wenn wir uns im Entwurf nicht allein von Die Zusammenarbeit mit bekannten Architektinnen und Architekten ist den den Produktionsmöglichkeiten im Betrieb leiten lassen. Ganz abgesehen Röthlisberger-Mannen aber überhaupt nicht in den Kopf gestiegen. «Wir davon möchten wir unsere wichtigsten Partner nicht konkurrenzieren. machen einfach das, was wir gut können, wir sind weder Designer noch Wohin entwickelt sich Röthlisberger? Im Januar 2009 haben wir eine Architekten», so der Chef. Ihm ist offene Kommunikation sowie der rege neue Produktionshalle mit einem Massivholz-Kompetenzzentrum realisiert. Austausch zwischen externen Designern und den Ingenieuren im Betrieb So können wir die Qualität und Lieferbereitschaft auch im Massivholz er- wichtig, denn dies führe immer zu Verbesserungen. Wenn aber ein Architekt höhen. Noch in diesem Jahr gründen wir einen «Brückenkopf» in New York oder die Techniker sich um jeden Preis durchsetzen wollten, funktioniere es mit einem unserer Ingenieure, um die Kunden vor Ort näher zu betreuen. nicht. Auch wenn man mit dem Geschmack des Auftraggebers nicht über- Wie reagieren Sie auf die wirtschaftlich schwierige Situation? Auch einstimme: «Die technischen Details müssen gut gelöst sein.» wir spüren die Auswirkungen der Finanzkrise. Bereits im Herbst 2008 wurden Projekte verschoben oder annulliert. Wir bereiten uns mit ver- Technisches Wissen Die Zusammenarbeit ist auch deshalb wich- schiedenen Szenarien auf mögliche Entwicklungen vor und können dank tig, weil die Architekten in der Detailplanung der Innenausbauten heute der kurzen Entscheidungswege schnell reagieren. Trotz der allgemeinen selten mehr Spezialisten sind. Wie viel Schwund muss bei einer Holztreppe Verunsicherung investieren wir in die Zukunft und handeln nach dem Motto: eingerechnet werden, wenn man sie im kalten, aber trockenen Klima des Wenn die Wirtschaft wieder anzieht, stehen wir bereit. Oberengadins einbaut? Die Techniker im Betrieb füllen die Wissenslücken der Architekten. Dann wird die Zusammenarbeit oft spannend, vor allem Firmengeschichte: Entstanden ist Röthlisberger Innenausbau aus zwei wenn die Architekten sich persönlich für die Entwicklungsschritte interes- Betrieben, einer 1928 gegründeten Bauschreinerei und sieren und einen Augenschein in Gümligen nehmen. einer Wagnerei. Seit den 1960er-Jahren verlagerte Wir nehmen Platz im Büro, gleich neben den Arbeitsplätzen der Techni- sich die Tätigkeit auf die Möbelfabrikation. ker und dem Showroom der Röthlisberger Kollektion. Möbliert ist es mit Als junger Schreiner wurde Peter Röthlisberger von seinem Vater in die Entwicklung der «Röthlisberger Stücken aus der eigenen Kollektion. Jetzt zeichnet Peter Röthlisberger ein Kollektion» involviert, die 1977 lanciert wurde. Das gleichschenkliges Dreieck aufs Papier. In der ersten Ecke steht «Propor hat ihn als dritte Generation «infiziert». 1981 stieg er tionen», was Architektur und Design mit einschliesst. In der zweiten Ecke in die Firma ein, ein Jahr später übernahm er die «Konstruktion» oder «materialgerechte Verarbeitung». Wenn diese bei- Verantwortung für die Möbelkollektion und hat sie in den internationalen Märkten bekannt gemacht. den Pole gut miteinander zusammenarbeiten, komme in der dritten Ecke Der Bereich Innenausbau blieb lange regional aus- automatisch ein gutes Resultat zustande, ist der Chef aus Erfahrung über gerichtet, allerdings arbeitete man schon früh zeugt. Im Betrieb ist dabei allen klar, dass man sich hier aufs Eck der «Kon- mit Architekten zusammen. Über die Möbelgeschäfte struktion» konzentriert. Das Spektrum der Aufgaben ist allerdings breit und ergaben sich Architektenkontakte und Aufträge für Innenausbauten. Heute beschäftigen die beiden reicht vom Wohnhaus übers Büro bis zum Besprechungszimmer einer Bank Betriebe Röthlisberger Innenausbau und Röthlisberger oder zum Innenausbau von Schiffen. Kollektion zusammen 60 Mitarbeitende. Santiago Calatrava kam mit einer anderen Aufgabe: mit der Zeichnung ei- Peter Röthlisberger verantwortet den Gesamtbetrieb. nes runden Tisches mit acht Meter Durchmesser, dessen Aussenkante nur In der Geschäftsleitung sind Roland Keller für den Innenausbau und Jürg Scheidegger für die Möbelkol- wenige Zentimeter dünn sein sollte. Wie man einer solch fragilen Konst- lektion verantwortlich. ruktion ihre Stabilität geben konnte, das überliess Ingenieur Calatrava den Röthlisberger ist eine Familien-Aktiengesellschaft. Technikern bei Röthlisberger. _ Rund ein Drittel der Aktien werden von zehn Die Lösung bot schliesslich ein umlaufendes Stahlrohr und verstärkende aussenstehenden Personen gehalten. Platten. «Wir wussten erst, als wir die letzte Schraube eindrehten, ob die Konstruktion auch wirklich hält», erinnert sich Peter Röthlisberger. Der Tisch hält — der ursprünglich dafür vorgesehene Raum allerdings war zu Peter Röthlisberger, *1954. klein. Grund war eine Kommunikationspanne zwischen Calatrava und dem Auftraggeber: Meter und Feet waren durcheinandergeraten. Der Tisch — made in Gümligen — hat dann aber doch noch seinen Raum gefunden und steht jetzt in Dallas in einem Konferenzzimmer. Von einer Maschine zur nächsten.
Beilage zu HochParterre 4 / 2009 Massivholz im Wohnbereich. 10/11 // Renovationen Eingriffe für Hans-Jörg Ruch die Beständigkeit spielt mit Peter Röthlisberger immer wieder «Pingpong». Text: Barbara Wülser, Fotos: Giancarlo Gardin Die Garderobe im Elternschlafzimmer ist die kleine Schwester des Trep- Ankommen Die Morgensonne blinzelt durch die hölzernen Jalousien penhauses; sie wurde ebenfalls in den Raum gestellt und trennt nun Ba- und wirft helle Streifen über den Esstisch. Die Streifen fallen vom Tisch und dezimmer und Schlafzimmer. «Einmal die Regeln gelernt kann man sie ziehen auf dem Holzboden weiter. Hans-Jörg Ruch lässt seinen Blick über überall anwenden», sagt der gebürtige Solothurner Hans-Jörg Ruch, der die Einheit von Tisch, Bank und Boden wandern. Der 62-jährige Architekt seit über dreissig Jahren im Engadin wirkt. aus St. Moritz hat ein anderes Bild vor Augen. Rollen wir die Geschichte Eine weitere Regel, die sich vom Keller bis zum Dachstock durchzieht, lau- fünfzehn Jahre zurück. Hans-Jörg Ruch steht mit Peter Röthlisberger am tet: Verwende möglichst einfache, detaillose Fügungen! Erst das Detail- und selben Ort. Die beiden Männer sind in ein Gespräch vertieft; sie spielen Materialwissen der Schreinerei Röthlisberger habe solch schlichte und be- «Pingpong», wie sie sagen. Lärche, Ahorn, Fichte — welches ist das pas- ständige Verbindungen von Holz, Chromstahl und Glas ermöglicht, wie sie sende Holz für den Innenausbau des 1939 von Alfred Verdieri erbauten in Bad und Küche zu finden sind, ist Hans-Jörg Ruch überzeugt. Auch nach Das Bad, eingefügt in die Hölzer. Wohnhauses in St. Moritz? 15 Jahren sehen sie aus, als seien sie erst gerade zusammengefügt worden. Es war schon damals nicht das erste Mal, dass Hans-Jörg Ruch und Pe- Dasselbe Prinzip wurde auch für die Korpusse verwendet, die sich — aus ter Röthlisberger gemeinsam an einem Projekt arbeiteten. Sie hatten ihr Holz, Sichtglas oder Milchglas gefertigt — im ganzen Haus finden. Hans-Jörg Zusammenspiel bereits zwei Jahre zuvor beim Umbau der Réception des Ruch, der hohe Ansprüche an sich, seine Arbeit und seine Partner stellt, Hotels «Hauser» in St. Moritz erprobt. Der gemeinsame Umbau des Wohn- schätzt Röthlisbergers unternehmerische genauso wie dessen fachliche hauses von Verdieri ist die Ernte der damaligen Erfahrung. Kompetenz: Dank der Bündelung der Aufträge halte der Betrieb in Gümligen Heute weiss Hans-Jörg Ruch: Die Entscheidung für Röthlisberger war die Wege kurz, die Finanzen übersichtlich und die Verantwortlichkeiten klar. ebenso richtig wie die Holzart der kanadischen Douglasie, die dem Haus Und bei allem werden immer auch die Termine eingehalten. Ruhe und Geborgenheit vermittelt. Das kann kein anderes Holz, auch kein einheimisches. Douglasie passt vorzüglich zu den gesprossten Kastenfens- Wiederkommen Vom Schreiner Röthlisberger hat der Architekt Ruch tern aus Tannen-, Lärchen- und Eichenholz, die beim Umbau 1994 / 1995 gelernt, wie man mit Massivholz umgeht. Er weiss: Wer im «vollen Holz» ar- restauriert und wiederverwendet wurden. Sämtliche Einbauten und Möbel beitet, muss sich gewissen Bedingungen unterwerfen. Dieses Wissen kommt wie Böden, Tische, Schränke, Türen und Betten sind aus demselben Schlag Hans-Jörg Ruch zugute. Das ist dem Architekten wichtig, sagt er doch von Möglichst detaillose Fügungen und fast durchwegs aus Massivholz gefertigt. Aus demselben Schlag sind sich, er suche bei seinen Umbauten von historischen Engadiner Häusern im ganzen Haus. auch die Arbeiten von Ruch und Röthlisberger. «Bei uns gibt es keine nicht nur Schönheit, sondern auch Wahrheit. Mittlerweile hat er sich mit Bruchstellen», sagt der Architekt. Man sehe nicht, wer was gemacht habe. seinen subtilen Eingriffen weit herum einen Namen gemacht. Das sei letztlich auch nicht wichtig. Mit Peter Röthlisberger hat Hans-Jörg Ruch vor drei Jahren nochmals zusammengearbeitet; wiederum für einen Umbau eines Wohnhauses in Bleiben Ein Lichtstreifen schimmert durch den schmalen Schlitz St. Moritz, diesmal von Nicolaus Hartmann von 1928. Wiederum entwi- zwischen Boden und unterster Treppenstufe. Der Lichtschlitz zieht sich rund ckelten die beiden eine aussergewöhnliche Treppe, diesmal aus dem Holz um das hölzerne Treppenhaus. Es wurde wie ein Puzzleteil ins Gebäude der Edelkastanie. Als Besonderheit entstand aus dieser Zusammenarbeit gestellt. Zehn Meter hoch vom Keller bis zum Dachstock steht das ein- zudem der Schrank «Plusminus» für die Röthlisberger Kollektion. Die läufige, hohle Treppenhaus nun da und macht keinen Wank. Nur sommers Schranktür ist ein Plus-Minus-Täfer aus ebendiesem Holz. Der Architekt schwillt es an und winters schrumpft es ein bisschen. Der rund zwei Zenti- hatte das uralte Prinzip des aus versetzten Brettern gefertigten Täfers im meter breite Schlitz sichert dem Holz hierbei genügend Raum zu. Hartmann-Haus vorgefunden und für dessen Innenausbau neu interpretiert. Das «Pingpong»-Spiel zwischen Hans-Jörg Ruch und Peter Röthlisber- Peter Röthlisberger nahm den Ball auf und spielte ihn als Idee für einen ger hat diese ungewöhnliche Lösung hervorgebracht. Die Herausforderung Schrank an Hans-Jörg Ruch zurück. lautete: Wie entfliehen wir den engen räumlichen Verhältnissen, bringen Eine Tür zu öffnen, ist ein Akt der Konzentration. Im umgebauten Wohnhaus irgendwo einen Lift unter und erschliessen vier Etagen über eine Treppe? in St. Moritz ist es ein Akt der Besinnung. Der Moment reduziert sich nicht Obwohl ursprünglich gar nicht für den Treppenbau vorgesehen, baute die auf das Hinunterdrücken der Türfalle; die makellose Türe verfügt nämlich Schreinerei Röthlisberger ein Modell und überzeugte Architekt und Bau- über gar keine. Sie schmückt sich einzig mit einem Magnetstreifen. Ein herrschaft davon, dass sie die Richtigen dafür sind. Die Erfahrung in der letztes Mal einen Blick werfen ins sonnendurchflutete Wohnzimmer. Adieu. Möbelproduktion kam der Firma hier zugute. Die Wangen des frei stehenden Mit einem kaum hörbaren Sauggeräusch schliesst sich die Tür. Treppenmöbels wurden aus vier Zentimeter dicken Douglasie-Brettern Ob es das letzte Mal war? Wohl kaum. Doch mehr ist nicht zu erfahren. vor Ort zusammengefügt und verleimt. Gleich starke Treppenstufen halten «Wir sind am Pingpongspielen», verrät Peter Röthlisberger nur. die Wangen zusammen. Von der Konstruktion her an der Grenze des Mög- Privathaus St. moritz, 1994 / 1995 lichen habe dieses möbelartige Element sie besonders herausgefordert, _ > Architekt: Hans-Jörg Ruch, St. Moritz sagt Roland Keller, zuständig fürs Engineering bei Röthlisberger. > Verfahren Innenausbau: Präqualifikation Entspannen Fugenlos schmiegt sich die aus Chromstahl getriebe- ne Badewanne in die hölzerne Ummantelung. Das Fenster über der Wanne gibt den Blick frei auf die atemberaubende Engadiner Bergwelt. Im verglas- Frei stehendes Treppenmöbel aus vier Zentimeter dicken ten Korpus unter dem Waschbecken liegen frische Frotteetücher bereit. Douglasie-Brettern, zusammen Die geradlinigen Formen von Badewanne, Dusche und Waschbecken setzen gehalten von gleich starken sich in der angrenzenden Garderobe fort. Treppenstufen.
Beilage zu HochParterre 4 / 2009 12 /13 // Innenausbau Räume auf Andreas Ramseier geht auf Die Tischform wird von Hochglanz Kundenwünsche ein der LED-Leuchte aufgenommen. Hinter den grossformatigen und poliert Tische, Wände und Sitzflächen Tafeln von Mayo Bucher verbirgt sich die Multimedia-Leinwand. für Verwaltungsräte und Bankkunden. Text: Meret Ernst, Fotos: Ramseier + Associates Ltd. Sitzungszimmer für Verwaltungsräte müssen abhörsicher sein, und sie sind Er hätte auch Jazzer werden können. «Trompete», antwortet Andreas Ram- medientechnisch hochgerüstet. Sie bieten jeden erdenklichen klimatischen seier auf die Frage nach seinem Instrument. Seit seiner Jugend spielt er, und akustischen Komfort und setzen auf ausgeklügelte Lichtszenarien, die und mit einer Leidenschaft, die lange offenliess, ob er einen Beruf draus per Knopfdruck abgerufen werden. Ein «Boardroom» sollte mindestens machen sollte. Statt ans Konservatorium zu gehen, lernte er Hochbauzeich- zehn Jahre überdauern, inklusive der medientechnischen Nachrüstung, die ner. Später die Frage: ans Technikum oder an die Kunstgewerbeschule Zü- unweigerlich nötig wird. Heisst, er muss so lange gefallen. rich? Er entschied sich für Zürich: «Es ging dort freudiger, farbiger zu und Kernstück ist der Tisch, an dem die Verwaltungsräte ihre Entscheidungen her.» Zu jener Zeit prägte Willy Guhl die angehenden Innenarchitekten und fällen. Ein Tisch bildet Hierarchien ab, kann Diskussionen fördern oder Designer. Mit 23 Jahren gehörte Andreas Ramseier zur letzten Diplomklas- erschweren. Der CEO, unzufrieden mit seinem Platz am Kopfende langer se, die von Guhl betreut wurde. In Erinnerung sind ihm Willy Guhls Ruhe, Reihen, skizzierte seine Idee und erwähnte den Raum, in dem der Welt seine Sensibilität und Detailtreue. sicherheitsrat tagt. Ein ovaler Tisch war gewünscht, an dem sich alle sehen Doch was tun nach dem Abschluss? Doch Musik? Er ging nach Boston, und der keine Hierarchie festlegt. Der Entwurf reagierte darauf. studierte zwei Jahre Komposition für Filmmusik am Berkelee College of Das Oval des Tisches öffnet sich an der Längsseite hin zur 18 Quadratmeter Music und gewann die Einsicht, dass für ihn daraus kein Beruf zu machen grossen Multimedia-Leinwand, die ferngesteuert hinter den grossformati- war. Andreas Ramseier blieb in den USA, heuerte beim ehemaligen Marcel gen Tafeln des Zürcher Künstlers Mayo Bucher erscheint. Die Tischfläche Breuer-Mitarbeiter Thomas Wells als Entwurfsarchitekt in LA an. Er wuchs wird einzig von einer schräg stehenden Front getragen, die, wie Andreas an den Projekten, an Hotels, Hochhäusern, einer Villa in Hawaii, an Wohn- Ramseier skizzierte, direkt aus dem Boden schiesst. Die stützenlose Kon- bauprojekten für Miami. «Meine wichtigste Zeit», urteilt er im Rückblick. struktion forderte die Techniker heraus, erläutert Roland Keller, Chefin- genieur bei Röthlisberger. Das segmentierte Metallskelett ist im Unter- Die amerikanische Lektion Die Musik, ein Umweg? «Nein. Ich lebe lagsboden verankert und mit MDF ausgekleidet, die Tischfläche, die sich heute noch von der nötigen Disziplin, vom Team Spirit, den es braucht, wenn gegen das Oval hin in einem Wulst über die Kante zieht, ist mit schwarzem man in der Gruppe musiziert.» Stets klopft er bei Einstellungsgesprächen Nappaleder bezogen. Gegen innen ist die Stütze mit mattiertem Glas ver- die Musikalität der Bewerber ab. Können sie Noten lesen, verstehen sie blendet. Die Scheiben sind aufgrund der Schräge und der ovalen Grundform Der raumbeherrschende etwas von Rhythmik, Komposition, Harmonie, weiss er, dass er sich besser des Tisches gekrümmt — wie die Frontscheiben eines Autos. Konferenztisch wird mit ihnen verständigen kann: «Das erleichtert die gemeinsame Arbeit.» Auch bei der Konstruktion des integrierten Buffets waren die Techniker einzig von einer schräg Aus welcher Schule seine Mitarbeiter stammen, ist ihm zweitrangig, wich- gefordert. Wie bei einem Kiosk klappt der obere Teil der Wand auf und gibt stehenden Front getragen. tig sei die Person. Und er trennt nicht zwischen Innenarchitektur, Archi- die Anrichte frei, die von der dahinterliegenden Küche bedient wird. Eine tektur und Design. «Ich gehe frei an die Aufgabe heran, freier wohl als der grössten Herausforderungen war auch hier, abhörsicher zu bauen. ETH-Architekten, die semesterweise lernen, wie man baut.» Aus Amerika zurück nach Zürich und in die Selbstständigkeit führte ihn der Corporate Architecture Andreas Ramseier, der mit seinem Team gewonnene Wettbewerb für einen Teilumbau des Hotels «Atlantis Shera- den eingeladenen Studienwettbewerb gewann, entwarf den «Boardroom» Perfekte Übergänge von Decke und Boden zur Wand. ton». Das war 1980. Mitgenommen hat er die Liebe für den Entwurf. «Wir auf Mass. Für einen CEO einer internationalen Firma zu arbeiten, sei nicht übernehmen rund zwei Drittel der Architektenleistung, machen die Ausfüh- immer einfach. Entscheide müssen dann gefällt werden, wenn der CEO Zeit rungsplanung und haben die gestalterische Oberleitung, den Rest geben wir hat. «Aber ich funktioniere in diesem Umfeld gut.» Eine solide Vorberei- an Generalunternehmen, so wie es in Amerika üblich ist.» Heute führt er tung sei wichtig, damit er den Bauherrn für seinen Entwurf gewinnen kann. 12 bis 15 Mitarbeiter, in seinem Büro an bester Lage in Zürich, der Stadt Auf Vorschläge des Auftraggebers gehe er ein, weil dieser etwas Massge- in Europa, die seiner kosmopolitischen Sehnsucht am dienlichsten ist. Die schneidertes verlange. Sein Credo: «Der Bauherr soll sich einbringen.» Liste internationaler Kunden pflegt er entsprechend. Andreas Ramseier entwirft vom Benutzer her, der in vielen Fällen der Auftraggeber ist. Und weil in seinem Portfolio viele Firmen figurieren, Im Zentrum der Macht «Does it look rich enough?», war die ban- beschäftigt er sich damit, wie die Identität einer Firma in den Raum über- ge Frage, die sich die Bauherren stellten, als sie zusammen mit Andreas setzt werden kann. Vorbild ist ihm die in seinen Augen unterschätzte Ramseier und seinem Team den Raum für den Verwaltungsrat eines in- amerikanische Architektur, exemplarisch ihr Umgang mit Schriften. Wie ternationalen Versicherungskonzerns entwickelten. Wie repräsentativ ein weit ein Gebäude, ein Raum ausdrücken soll, wofür die Firma steht, ist eine «Boardroom» wirken muss und ob dafür nur auf Hochglanz polierter Frage, die er stets aufs Neue klären will. Historismus in Frage komme, ist eine Sache des kulturellen Verständnis- ses. Und das differiert bei Verwaltungsräten, je nachdem ob deren Herkunft Boardroom, 2006 > Architektur: Andreas Ramseier + Associates Ltd., amerikanisch, englisch oder kontinentaleuropäisch ist. Die Frage wurde Zürich. Christine Brandt, Christoph Schieber, Andreas … und gibt den Blick dann aber kein zweites Mal gestellt, als der 160 Quadratmeter grosse Schiessl, Peter Steinmann, Roger Stucki, Mischa auf die Anrichte frei. Raum gebaut war. Er setzt auf zurückhaltende, moderne Klassik. Nicht auf Wüthrich (Projektmitarbeiter) Materialprotz, sondern auf sorgfältigen Finish, was dem Bild der Gruppe, > Verfahren Innenarchitektur: Eingeladener Studienwettbewerb deren Hauptsitz in der Schweiz liegt, durchaus entspricht: der Boden aus > Verfahren Innenausbau: Eingeladener Wettbewerb dunkler Eiche, die Wandverkleidung aus emailliertem Grünglas, eine abge- hängte Decke aus Aluminiumlochblech. _ > Kunst: Mayo Bucher, Zürich Die geschlossene Wand … … klappt bei Bedarf wie ein Kiosk nach oben auf ...
Beilage zu HochParterre 4 / 2009 Atelier Oï entwickelte eine 14 /15 // Museumsbau «Mikroarchitektur». Sie Parcours der Hand in Hand planten erleichtert die Orientierung im Innern des Gebäudes Architektur und bauten Atelier Oï und führt durch die Ausstellung. und Röthlisberger die Innengestaltung des Museums «Laténium» in Neuenburg. Text: Renate Menzi, Fotos: Yves André offeneren Interpretation der Inhalte. So wird zum Beispiel der Gletscher Wenn das Ufer winterlich weiss und die gegenüberliegende Seite vom Ne- mit einem Isolationsmaterial dargestellt, das Lichteinstrahlung ähnlich bel verdeckt ist, erscheint der Neuenburgersee wie ein Meer. Die Pfahlbau- bricht wie Eis. Eine Bärenhöhle wird in einer skulpturalen Anordnung von er, die hier in der Bronzezeit gewohnt haben, kannten das Meer wohl nicht organisch geformten Flächen lediglich angedeutet. Um diese eigenen For- und hatten bestimmt andere Gedanken, wenn sie aufs Wasser schauten. men zu entwickeln und die Interpretation umzusetzen, ohne auf das gängige Wie konnten sie überhaupt bei diesen Temperaturen überleben? Was bis visuelle Vokabular archäologischer Ausstellungen zurückzugreifen, waren heute von ihrer Existenz erhalten ist, sind gegen dreitausend archäologi- das technische Knowhow und die Erfahrung von Röthlisberger notwendig. sche Fundgegenstände, die im «Laténium» in Hauterive / Neuchâtel nach Neben der Entwicklung von massgeschneiderten Räumen und Behältern den neusten museologischen Erkenntnissen in einem grosszügig gestal- galt es auch mehrere Tausend Jahre alte Objekte zu präsentieren und zu teten Bau ausgestellt werden. Im drei Hektar grossen Park am Seeufer schützen. Die diffizilen konservatorischen Bedingungen machten unzähli- sind zahlreiche Rekonstruktionen in Originalgrösse aufgestellt, darunter ein ge Tests nötig und schränkten die Bandbreite an einsetzbaren Materialien Pfahlbauhaus und ein gallo-römisches Schiff. Das 2001 eröffnete archäo- ein — eine zusätzliche Herausforderung für den Innenausbauer. logische Museum «Laténium» wurde inzwischen mit dem Museumspreis des Europarats ausgezeichnet. Farbkonzept, Abstraktion und Technik Für Atelier Oï ist das Ziel Die permanente Ausstellung ist so konzipiert, dass die Besucher auf einem erreicht, wenn die Besucherinnen und Besucher sich in den verschiedenen als Zeitachse angelegten Weg die Geschichte durchwandern, vom Mittel Geschichts- und Raumdimensionen bewegen können, ohne sich zu verlie- alter bis zurück zur Epoche der Neandertaler. Dabei ist die räumliche ren, wenn sie die Objekte erleben und erfassen können, ohne ihnen zu scha- Inszenierung ausschlaggebend: Der Parcours führt über zwei Stockwerke den. Funktioniert die Ausstellungsgestaltung auch noch acht Jahre nach ih- und bewegt sich unter und über dem ursprünglichen Seeniveau. In acht rer Eröffnung? Im Unterschied zu anderen Präsentationen archäologischer chronologische Kapitel unterteilt wird neben der Geschichte rund um die Funde umgibt eine luftige und freundliche Atmosphäre die Besucher vom Funde auch über die archäologische Arbeit informiert: Graben unter der Anfang bis zum Ende des Parcours. Das Farbkonzept, das den Erdtönen der Einbauten in kühlen Farben Erde, Suchen und Finden unter Wasser und im Gletschereis. Kindern und Exponate kühle Farben mit viel Weissanteil entgegensetzt, schafft einen setzen Kontraste zu den Erdtönen der Exponate. Jugendlichen stehen in jedem Saal didaktische Spiele und Minilaboratori- wohltuenden Kontrast. Die Mikroarchitekturen sind semantisch unaufdring- en zur Verfügung. Kurze Filme, Videos und Modelle veranschaulichen das lich und versetzen die Besucher doch in die richtige Stimmung, um den Leben vergangener Epochen. Kontext der Funde zu verstehen. Zudem ist die anspruchsvolle Technik so gut versteckt, dass sie die Aufmerksamkeit nicht von den Objekten ablenkt. Die Entwicklung der Mikroarchitektur Nachdem das interdis- Jede sichtbare Schraube in der Architektur würde die Exponate in den ziplinär arbeitende Atelier Oï aus La Neuveville den Wettbewerb für die Vitrinen, die ja die Anfänge der Technik zeigen, konkurrenzieren und die Ausstellungsgestaltung im Jahr 2000 gewonnen hatte, interessierten sich Besucher unweigerlich ins Hier und Jetzt zurückholen. Insgesamt nehmen zahlreiche Unternehmen für die bauliche Umsetzung. Schliesslich wurde die Farbgebung, die exakte Beleuchtung der Exponate und die thematisch der Auftrag Röthlisberger und Glaeser zugeschlagen, die sich zusammen assoziierten Mikroarchitekturen auch etwas von der Schwere der Wissen- beworben hatten. «Das waren auch unsere Wunschkandidaten», berichtet schaft. Die räumliche Anordnung der Objekte ist nicht nur kompositorisch Aurel Aebi von Atelier Oï und fügt an, dass in anderer Konstellation gar stimmig, sondern hilft den Besuchern, sie zu verstehen. So legt die Archi- nicht möglich gewesen wäre, das Projekt umzusetzen. Die Aussage bezieht tektur den Besuchern eine Orientierung, Rückbesinnung und Neupositionie- sich nicht nur auf die enormen technischen Anforderungen, sondern auch rung nahe, ohne sie didaktisch zu gängeln. auf den Zeitdruck, unter dem die Ausstellung innerhalb von wenigen Mona- Laténium — Park und Archäologiemuseum, 2001 ten aufgebaut werden musste. > Bauherrschaft: Kanton Neuenburg Worin bestand die grösste Herausforderung für die Designer? Atelier Oï > Architektur: Laurent Chenu, Bruce Dunning, Pierre stiess im Jahr 2000 zu einem Projekt, das bereits einen Vorlauf von zehn Jéquier, Philippe Vasserot, Pieter Versteegh, Genf Jahren hatte. Der Bau des Gebäudes war abgeschlossen und mit dem In- > Museografie / Szenario / Koordination: Museum nenraum die Ausstellungshülle vorbestimmt. Auch das Riemenparkett und Development, Vevey > Szenografie / Design / grafisches Konzept / Signaletik: die leicht geneigten Gänge, die den Parcours als Reise nach unten führen, Atelier Oï, La Neuveville waren gebaut. Zu diesen Vorgaben kamen die Anforderungen aller am Pro- > Realisation der «evolutiven Standards»: Glaeser Das rekonstruierte jekt beteiligten Fachleute. Patrick Reymond von Atelier Oï schildert, wie be- Innenausbau, Baden gallo-römische Schiff sonders schwierig es war, die unterschiedlichen Wünsche der politischen > Mikroarchitekturen: Röthlisberger Schreinerei, steht auf einem Gümligen Bett aus Glassplittern. Behörden, der Konservatoren, der Archäologen und der Museumsleitung _ > Verfahren Innenausbau: Präqualifikation unter einen Hut zu bringen. > Ausstellungsfläche: 2750 m2 Die Designer entwickelten für die unterschiedlichen Ausstellungsbereiche eine «Mikroarchitektur», die das Gesamtvolumen in eine Struktur von klei- neren und grösseren Räumen unterteilt. Das erleichtert die Orientierung und unterstützt die Themen. Im Gegensatz zum archäologischen Ansatz — der Rekonstruktion des historischen Kontexts — wollte Atelier Oï die Aus- stellungsarchitektur nicht illustrativ einsetzen, sondern suchte nach einer Fundgegenstände werden in Vitrinen inszeniert.
Beilage zu HochParterre 4 / 2009 16 /17 // Ladenbau Inszenierung für Peter Marino plant illustre Namen in New York und Röthlisberger baut die Teile in Gümligen. Text: Thérèse Balduzzi unterschiedlichen Farben leuchtet. Entlang der Wand schlängelt sich eine «Röthlisberger arbeitet extrem präzis, und das macht einen Architekten Holztreppe über vier Geschosse, die einen weiten Überblick über die dar- sehr, sehr glücklich», sagt Peter Marino mit einem donnernden Lachen. unterliegenden Stockwerke ermöglicht. Die Luxustaschen und Koffer sind «Ihre Werkstattpläne unterscheiden sich von denen anderer Schreiner wie in Gestellen mit uniformen, rechteckigen Öffnungen angeordnet. Darüber Tag und Nacht.» Auf die Firma ist der New Yorker Architekt 1994 ge- hängen antike Louis-Vuitton-Truhen vor den Wänden in der Luft. Durch ihre kommen, als er den Innenausbau des Modehauses Feldpausch in Zürich versetzte Anordnung ergänzen sie die Leuchtwand in der Mitte und sind entwarf. Seither hat der preisgekrönte Architekt die Schweizer Präzisions- für die Kunden beim Treppensteigen zwischen den Stockwerken am besten Privatbank, New York, 2004: schreinerei bei kniffligen Aufgaben immer wieder beigezogen. Und solche sichtbar. So entsteht ein nahtloser Übergang von Etage zu Etage. Wartezone, bis ins letzte Detail perfekt. Fotos: Manuel Vázques Fernández, Madrid gibt es bei Peter Marino Architect (PMA), einer Firma mit 130 Angestellten, Der Begriff, der das wichtigste Element seines Schaffens beschreibt, ist gerne. Denn Peter Marino ist ein bekennender Materialfetischist — in sei- denn auch Integration. Marino integriert Einrichtungselemente wie Gestelle nem Büro unterhält er ein Archiv antiker Stoffe — und liebt es, Materialien und Türen so, dass sie Bestandteil der Wand werden. Er integriert aber auf unübliche Art zu verwenden und zu kombinieren. Da Marino sowohl auch Kunst in seine Designs und gibt Auftraggebern seine Empfehlungen, Architektur wie Innenarchitektur und zudem auch Möbel entwirft, sind welche Arbeiten von welchen Künstlern er wo aufstellen oder aufhängen Privatbank, New York, 2003: solchen Experimenten auch kaum Grenzen gesetzt. Stein, Holz, Bronze, würde. Und dies nicht nur für Privatresidenzen oder Büros, sondern auch Am Deckenraster des Seagram Buildings richten Textilien, Leder, handgemalter Lack, Gips, Texturen — er arbeitet gerne mit für Luxusgeschäfte. Schliesslich entwirft Marino auch viele Möbel selber. sich die Einbauten aus. warmen Materialien. «Ich bin für eine moderne Architektur mit luxuriösen, taktilen Materialien bekannt», erklärt der Architekt. «Viele zeitgenössi- Zusammenarbeit mit Röthlisberger Ein Beispiel für ein solches sche Architekten benutzen Beton, Metall und Plastik. Ich mag Beton in ei- Gesamtkunstwerk sind die 2003 gebauten Büros einer Privatbank im ner Parkgarage, aber nicht in einem Wohnhaus. Und Plastik altert oft nicht 38. Stock des New Yorker Seagram Buildings. Das 1958 von Mies van der schön», erklärt er seine Vorlieben. Marino bleibt auch Trendmaterialien Rohe gebaute Hochhaus steht unter Denkmalschutz, was einen Teil der fern, weil sie nach wenigen Jahren schon so passé wirken können. Herausforderungen bildete. So darf an den Fenstern und an den ihnen ent- langführenden Radiatoren nichts verändert werden. Auch das Deckenraster Verkaufsfördernde Architektur Der knapp sechzigjährige ge- muss eingehalten werden. Ziel dieser Bestimmungen ist, dass das Gebäude bürtige New Yorker schwamm schon früh gegen den Strom: Vor dreissig von aussen einheitlich aussieht. Weitere Herausforderungen ergaben sich Jahren gab ihm Andy Warhol, mit dem er befreundet war, den Auftrag, erst durch die präzisen Vorstellungen des Kunden. So wollte dieser keinerlei sein Townhouse an der Upper East Side und danach die legendäre Factory Türklinken, Knöpfe oder andere Beschläge sehen sowie keine Führungs- beim Union Square zu renovieren. Doch es war die Anfrage des Gründers schienen am Fussboden oder in der Decke. Chanel Store, Hongkong, von Barneys — dem bis heute absolut tonangebenden Modehaus in New Marino entwarf ein Empfangsfoyer, ein Grossraumbüro, ein Büro für das Se- 2005: Kunstwerke spielen eine wichtige Rolle im Entwurf York —, die seiner Karriere die Zukunft wies. Obwohl damals für einen kretariat und den Geschäftsleiter sowie einen Konferenzraum. Alle Abgren- von Peter Marino. Fotos: Peter seriösen Architekten noch etwas verpönt, sagte Marino schliesslich zu, zungen ergeben sich durch Holzelemente, die teilweise beweglich sind, aber Marino Architect PLLC, New York die Gestaltung des Modehauses zu übernehmen. Heute zählt er die Top- einheitlich aussehen. Dafür engagierte er die Firma Röthlisberger, die die Luxusmarken Chanel, Christian Dior, Louis Vuitton, Fendi sowie Donna Ka- Wandverkleidungen, Trennwände, Türen, Einbauschränke und Sideboards ran und Calvin Klein zu seinen Kunden. Seine Entwürfe sind nicht nur an herstellte sowie technische Lösungen finden half. So verwendete Marino der Fifth Avenue, sondern auch an den prominentesten Einkaufsstrassen Holztüren, die mit Aluminium eingefasst sind, und mit Metall verkleide- in Tokio, Rom, Paris und Hongkong vertreten. Giorgio Armani liess sich von te Säulen, eine seiner beliebten Materialmischungen. Zudem mussten die Marino auch seine Privatwohnung in Mailand ausbauen. Elemente auf das bestehende Deckenraster ausgerichtet sein. «Um dies Lange bevor es für ambitionierte Architekten chic wurde, sich mit Shop- zu erreichen, erstellten wir als Vormontage ein Metallskelett für die Trenn- ping auseinanderzusetzen, erkannte Peter Marino das verkaufsfördernde wände und gaben so den örtlichen Handwerkern präzise Anhaltspunkte mit Potenzial der Architektur für Luxusboutiquen. Für die Chanel-Boutique in auf den Bau», erklärt Roland Keller der Firma Röthlisberger. Tokio entwarf er den zehnstöckigen «Tower of Light», ein Turm, auf dessen Eine weitere Herausforderung sind die Glasschiebetüren, die den Konfe- Fassade nachts dank Faseroptik ein Netz unregelmässiger, zittriger senk- renzraum und das Büro des Geschäftsinhabers abgrenzen. Sie werden per rechter und waagrechter Linien leuchten. Das dabei entstehende Muster Knopfdruck bedient und sind praktisch unsichtbar, zumal keine Schienen lehnt sich an die für die Marke typischen, grob gewobenen Tweedstoffe oder Metallrahmen verwendet wurden. «Andere Schreiner wollen nicht mit ihrer Deuxpièces an. In der Boutique herrschen dagegen geometrische For- Metall oder Glas arbeiten, weil das nicht ihre Spezialität ist und sie kein men. So ist die prominente Treppe schwarz umrandet wie die Verpackung Risiko eingehen wollen. Das ist zwar verständlich, aber mit Röthlisberger des legendären Parfums Chanel No. 5. zusammenzuarbeiten, ist auch deshalb attraktiv, weil die Firma vor solchen Architektur, Innenausbau, Möbel Auf seine Vorgehensweise be- _ Aufgaben nicht zurückschreckt», erklärt Peter Marino. fragt antwortet Marino: «Ich versuche jeweils, ein zentrales Konzept zu finden, eine tragende Idee. Doch vieles entsteht auch organisch. Manchmal bringt ein herumliegendes Materialmuster einen auf eine neue Idee. Um- Louis Vuitton, Hongkong, 2005: gekehrt kann etwas als Konzept toll klingen, das aber in Realität gar nicht Treppe mit wechselnden Projektionen. gut aussieht.» Für das 2004 eröffnete Louis-Vuitton-Geschäft an der Fifth Avenue in New York schuf Marino in der Mitte des vierstöckigen Lokals eine Wand aus leuchtenden Glasquadraten, die im Schachbrettmuster in Chanel Store, Hongkong, 2005: Dekorative Elemente verbinden die Etagen miteinander.
Beilage zu HochParterre 4 / 2009 18 /19 // Büroausbau Materialvielfalt Ein Firmencampus im Glaspalast am Genfersee Vom Attikageschoss des CEO-Flügels geht der erforderte beim Büroausbau höchste Blick weit auf den Genfersee. Stahl, Glas, Holz, Corian und ein Qualität in Planung und Verarbeitung. Sandwichmaterial mit Wabenstruktur wurden eingesetzt. Text: Ariana Pradal, Fotos: Tim Soar boards und den Tisch des Chefbüros realisiert. Komplex waren die Ent- Grosse internationale Firmen der Pharmabranche geben sich mit einfachen wicklung und Konstruktion der Wände, denn sie mussten rigorosen Akus- Bauten nicht zufrieden. Der Hauptsitz von Serono am Genfersee nimmt sich tikvorgaben entsprechen. Und sie mussten auf die Glashülle reagieren, die einen amerikanischen Universitätscampus zum Vorbild. Bauherr war der sich je nach Wetterlage und Temperatur 40 Millimeter nach innen und nach damalige Mehrheitsaktionär und Firmenchef Ernesto Bertarelli. Kaum war aussen neigen kann. Deshalb mussten die Gümliger flexible Elemente ent- der Bau auf dem 75 000 Quadratmeter grossen Gelände beendet, verkaufte wickeln, die dem wechselnden Druck standhalten. Peter Röthlisberger be- er Serono 2007 an die deutsche Merck, und die neuen Besitzer zogen ein. tont, dass die konstruktive Lösung, mit der die Wände an die Glasfassade Entworfen wurde der Komplex von dem aus Chicago stammenden Archi- anschliessen, in dieser Art noch nie ausgeführt wurde. Zudem hatten die tekturbüro Murphy Jahn. Drei historischen Bauten stellten sie drei neue Innenausbauer den Anspruch, dass die Lösung nicht nur technisch, son- Gebäude zur Seite. Sie sind unter einem grossen gewölbten Dach vereint dern auch optisch überzeugte. Trotz der enormen Druckbelastung musste Die hinterleuchtete und mit Passerellen verbunden. Die neuen, siebengeschossigen Büro- und die gefundene Lösung des Problems auch im Detail minimal und elegant Ornamentwand im betriebs- Laborgebäude bestehen aus einer raffinierten Glas-Stahl-Struktur, die in daherkommen — was den Technikern auch gelungen ist. Dass der Finish eigenen Restaurant verbirgt einen Korpus. ihrer Mitte zwei Plätze vereint. Der Campus überzeugt mit der technisch aller Oberflächen und Möbel von höchster Qualität sein musste, versteht wirkenden Architektur und mit der Energieversorgung, die zu siebzig Pro- sich für die Chefetage von selbst. zent aus erneuerbaren Quellen gespiesen wird. Hauptquelle ist das Wasser Für das Restaurant konstruierte Röthlisberger die Ausgabetheke sowie wei- Möbel wie dieser des nahe gelegenen Sees, das fürs Heizen und Kühlen der Gebäude benutzt tere Korpusse für das Essen und die Kassen. In einen der Korpusse bauten Schreibtisch wurden und unterirdisch zum Campus gepumpt wird. Das System haben die ver- sie eine weisse Corianwand mit einem gefrästen Ornament ein. Von hinten eigens für Merck antwortlichen Ingenieure in Zusammenarbeit mit den kantonalen Behörden beleuchtet schimmert diese Wand in verschiedenen Schattierungen. Mit Serono entwickelt. erarbeitet. Bald sollen auch die umliegenden Bauten davon profitieren. Inkjet bedruckte grosse Glasscheiben dienen als Raumtrenner. Auch die- ses Projekt stellt klar: Röthlisberger verarbeitet weit mehr als Holz und Innenräume im Materialmix Mackay + Partners — und vor allem ihr bewältigt Aufgaben, die längst nicht mehr unserem Bild des Schreiners Projektleiter Gavin Harris — waren für den Innenausbau des gesamten Cam- entsprechen, der nur an der Hobelbank steht. Im CEO-Flügel arbeitet die Geschäftsleitung. pus verantwortlich. Nach Entwürfen und Vorstellungen der Londoner Archi- tekten realisierten die Fachleute von Röthlisberger den Empfang, einen Teil Merck Serono Headquarters, 2007 > Adresse: 9, Chemin des Mines, Genf des Restaurants, die Kaffeeküchen und Sitzzonen auf den verschiedenen > Architektur: Murphy Jahn, Chicago Etagen sowie den CEO-Flügel. «Ein grosses und wichtiges Projekt», blickt > Innenarchitektur: Mackay & Partners, London; Peter Röthlisberger zurück, «aber auch komplex und herausfordernd.» Projektleitung: Gavin Harris Stahl, Glas in mehreren Oberflächenbearbeitungen, Leder, Eiche, brünier- > Fassade / Struktur: Werner Sobek Ingenieure, Stuttgart > Energie: Transsolar Energietechnik, Stuttgart tes Messing, Corian oder Sandwichplatten mit Wabenstruktur sind nur eini > Generalunternehmen: Steiner, Genf ge der Materialien, die Röthlisberger in diesem Bau verarbeitet hat, der > Akustik: AAB — J. Stryjenski & H. Monti, Genf _ Arbeitsplätze für 1200 Personen bietet. Für Peter Röthlisberger ging das > Teilentwicklung / Ausführung Innenausbau und Innen- riesige Projekt «oft an die Grenze des Machbaren, doch alle Beteiligten architektur: Röthlisberger Schreinerei AG, Gümligen arbeiteten enorm gut zusammen.» Und dies obwohl die Bauherrschaft, die Innenarchitekten und die Schreinereifachleute aus Gümligen aus unter- schiedlichen Kulturkreisen stammen und andere Sprachen sprechen. Doch einmal mehr bestätigte sich die Regel: Ein Projekt ist nur so gut wie der Auftraggeber. Dass die Zusammenarbeit so gut geklappt hat, ist unter anderem auf den beruflichen Hintergrund des Bauherrenvertreters Mark Underhill zurückzuführen. Der Architekt stammt nicht — wie sonst oft bei solchen Aufträgen — aus dem Finanz- oder Marketingbereich. Mit ihm habe man bereits auf den Plänen Details besprechen können, zum Beispiel wie breit die Schattenfugen in einer Holzwand oder die Proportionen der Glas- türen ausfallen sollen, erinnert sich Peter Röthlisberger. Dieselbe Sorgfalt im Detail galt auch den Nähten und der Polsterung der Lederarbeiten oder den Kanten und Oberflächen der Möbel. Das war auch nötig, denn der damalige Bauherr Ernesto Bertarelli forderte sorgfältige Planung und per- fekte Ausführung für sein rasch wachsendes Eigentum. Flexible Wände Für den Innenausbau dieses Projekts setzten Röthlisbergers Fachleute neuste Technologien ein. Sie entwarfen Konst- ruktionen, die man noch nie so gelöst hat. Zu erwähnen sind die Arbeiten im CEO-Flügel, der sich zuoberst in einem Neubau unter dem Dach befindet. Röthlisberger hat hier alle Trennwände, Türen, Treppen sowie zwei Side-
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