Das Futteral Des Baus Röthlisberger Schreinerei plant, konstruiert und baut - Beilage zu HocHparterre Nr. 4 / 2009

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Beilage zu Hochparterre Nr. 4 / 2009

Das Futteral des Baus
Röthlisberger Schreinerei
plant, konstruiert und baut
Beilage zu HochParterre 4 / 2009
2/ 3// Inhalt                                                                             Mehr als Liebe zum Holz
                                                                                   Editorial

                                                                                   Bildet der Bau die Hülle, ist der Innenraum das Futteral.
       4       Reportage                                                           In ihm erleben Bewohnerinnen und Benutzer ein Ge­
               Nur Gut Schreinern ist uns nicht genug
               Einblick in die Werkstätten von Röthlisberger Schreinerei.          bäude. Über diese zentrale Schnittstelle von Architektur
       10 Renovationen                                                             berichtet das vorliegende Heft. Es verbindet das
       	Eingriffe für die Beständigkeit                                            Können von Röthlisberger Schreinerei mit der für Archi-
               Hans-Jörg Ruch baut mit Respekt alte Engadiner Häuser weiter.       tektinnen und Innenarchitekten wichtigen Frage,
       12      Innenausbau                                                         wie sie Innenräume konstruktiv entwickeln und bauen.
       	Räume auf Hochglanz                                                        Generalunternehmen für den Innenausbau: So tritt
               Andreas Ramseier poliert Tische und Sitze in höheren Etagen.        die Firma heute auf und lebt gut davon, dass sie diesen
       14      Museumsbau                                                          hohen Anspruch erfüllt. Der Weg dahin führte über
               Parcours der Architektur                                            eine Schreinerei und Wagnerei, die 1928 gegründet
               Atelier Oï führt die Besucher zielsicher durch die Sammlung.
                                                                                   wurde. Seit den Sechzigerjahren produziert der Betrieb
       16	Ladenbau                                                                 Möbel in Lizenz und Innenausbauten. Heute wird
       	Inszenierung für Illustre Namen                                            die Firma in dritter Generation von Peter Röthlisberger
               Peter Marino inszeniert Edelboutiquen.
                                                                                   geführt. Sie plant, entwirft in enger Zusammenarbeit
       18	Büroausbau
       	Materialvielfalt im Glaspalast                                             mit Architekten, konstruiert und realisiert anspruchsvol-
               Ein Firmencampus am Genfersee mit höchsten Anforderungen.           le Inneneinrichtungen für private und öffentliche
       20 Reportage                                                                Auftraggeber. Und sie produziert seit 1977 eigene Möbel,
               hier Fabriziert, Dort montiert                                      die Designgeschichte schreiben. Drei Bereiche prägen
               Präzision in der Logistik: Wenn Schreinereiteile auf Lastwagen      heute die Arbeiten der Röthlisberger Schreinerei: Innen­
               und auf Schiffe verladen werden.
                                                                                   ausbau, Engineering und Kollektion.
       24 Innenarchitektur                                                         Zwei Grundsätze prägen das Selbstverständnis der
               Schnittstellen gestalten                                            Firma, die am Gümliger Sä­ge­weg zu Hause ist:
               Wo die Benutzer auf Architektur stossen. Beispiele vom Industrie-
               gebäude über die Klinik bis zur Boutique.                           erstens die Liebe zum Holz, die nie ins Sentimentale
       30 Interview                                                                kippt und durchaus fremdgehen kann. «Wir mögen
       	Konstruieren in Holz und Metall                                            Holz, ge­hören aber nicht zu den Höl­zigen», macht Chef
               Die Engineering-Abteilung sorgt für präzise Planung, egal ob im     Peter Röthlisberger klar und weist Bilder, die Hobel
               Bundeshaus oder in einer Bank.
                                                                                   und Holzspäne feiern, weit von sich. Ein Blick in den
       36	Kollektion                                                               Be­trieb bestätigt diese Haltung, wie die Repor­tage von
       	Auftritt der Möbel                                                         René Hornung zeigt: Holz ist nicht das einzige Material,
               «Röthlisberger Kollektion» — 30 Jahre Erfolgsgeschichte.
                                                                                   mit dem Röthlisberger plant und baut. Im Gespräch
                                                                                   mit Philipp Iseli erklärt Roland Keller, wie die von ihm
                                                                                   geführte Abteilung Engineering arbeitet. Auch für die
                                                                                   Röthlisberger Kollektion gilt: Holz ist nicht alles, aber
                                                                                   wenn Holz, wird es auf höchstem schreinerischen
                                                                                   Niveau bearbeitet.
                                                                                   Doch nichts wäre die Arbeit ohne die Architektinnen,
                                                                                   Innenarchitekten und Designer, deren Projekte hier vor­-
                                                                                   gestellt werden. Und so wird Röthlisberger Schreinerei
                                                                                   zweitens durch das stete und erfolgreiche «Pingpong»
                                                                                   geprägt, wie Peter Röthlisberger die Zusammenarbeit
                                                                                   zwischen Architekt und Innenausbauer, zwischen Desig-
                                                                                   ________________
                                                                                   ner und Möbelproduzent beschreibt. Meret Ernst
                                                                                   Impressum Hochparterre AG, Ausstellungsstrasse 25, CH-8005 Zürich, Telefon 044 444 28 88,
                                                                                   Fax 044 444 28 89, www.hochparterre.ch
                                                                                   Konzept und Redaktion: Meret Ernst ME; Gestaltung: Antje Reineck; Gestaltungskonzept: superbüro
                                                                                   Barbara Ehrbar; Produktion: René Hornung; Korrektorat: Lorena Nipkow, Küsnacht; Verlag: Susanne
                                                                                   von Arx; Litho: Team media, Gurtnellen; Druck, Vertrieb: Südostschweiz Presse und Print, Südost-
                                                                                   schweiz Print, Chur / Disentis.
            Das Team
                                                                                   Herausgegeben vom Verlag Hochparterre in Zusammenarbeit mit Röthlisberger Schreinerei AG
    der Röthlisberger
                                                                                   Bestellen: Röthlisberger Schreinerei AG, Tel. 031 950 21 30, innenausbau@roethlisberger.ch
         Schreinerei.
                                                                                   Fotos Titelblatt und Seiten 2 und 3: Alexander Jaquemet

                                                                                                                                                         Grosse Stücke in den
                                                                                                                                                 Werkhallen von Röthlisberger.
Beilage zu HochParterre 4 / 2009
4 / 5 // Reportage

nur gut
Schreinern ...
Beilage zu HochParterre 4 / 2009
6/7 //Reportage

… ist uns        In den Hallen von                                                                                                                                                                                                                        Handarbeit muss sein.

nicht genug Röthlisberger entstehen                                                                                                                                                                                Modernste
                                                                                                                                                                                                                  CNC-gesteuerte Maschinen.

Möbel und Innenausbauten, entworfen
von bekannten Architekten und Designern.
Die Produkte – produziert in Gümligen –                                                                                                                                                                                        Sorgfältige Auswahl.

finden wir heute in der halben Welt wieder.
       Text: René Hornung, Fotos: Alexander Jaquemet                                sammengetan. Seit 1928 ist der Betrieb stets gewachsen, und aus einer
       Nicht mehr als «Rö» steht am Firmeneingang am Sägeweg in Gümligen            Schreinerei wurde ein Möbel- und Innenausbauunternehmen mit einer
       bei Bern, und schon stehen wir in den grosszügigen Hallen von Röthlis-       zehnköpfigen Engineering-Abteilung.
       berger Innenausbau. Gesamtleiter Peter Röthlisberger führt uns zu zwei       Engineering im Möbel- und Innenausbau? Die Abteilung wurde nötig, weil
       Prototypen einer nach englischer Art gepolsterten Bank und schildert an      ein Betrieb dieser Grösse mit Handwerk allein nicht überleben kann. Eigene
       diesen beiden Stücken das Hin und Her zwischen den Entwürfen aus De-         Entwicklungsleistungen bringen zusätzlichen Umsatz. Neben dem Wissen
       signer- oder Architektenhand und der Arbeit hier im Betrieb. Frank Gehrys    um Material und Konstruktion ist Engineering vor allem die Kenntnis, wie
       Mitarbeiter waren es, die die Zeichnung dieser Bank für den Neubau im        man die Gewerke auf dem Bau miteinander verbindet, erklärt Peter Röthlis-
       Novartis Campus in Basel hierherbrachten. Die Schreinertechniker erlaub-     berger: «Weil wir die Schnittstellen zwischen Wand, Decke und eingebau-
       ten sich nach einem kurzen Blick auf die Pläne die Bemerkung, dass man       tem Möbel bei unseren Arbeiten nicht mit Deckleisten kaschieren wollen.»
       hier drauf aber nicht sonderlich bequem sitzen werde. Die Bemerkung kam      Ziel ist es immer, die Anschlüsse von Treppen, Theken, Schrankeinbauten                                                                                                                          Furniere veredeln
       bei den Gehry-Mitarbeitern nicht gut an, sie wollten einen Prototypen.       oder einer Trennwand sauber zu lösen.                                                                                                                                                           das Werkstück.
       Die Röthlisberger-Mannen machten sich also an die Arbeit und siehe da:       «Einfach gut schreinern, war uns nicht genug», blendet Röthlisberger in
       Als die Auftraggeber wiederkamen, blieb ihnen nichts anderes übrig, als      die späten Achtzigerjahre zurück. Und so gab eine Lösung die nächste. Bald
       einzuräumen, dass die Bank wirklich nicht sonderlich gelungen sei. In der    waren interdisziplinäre Ansätze gefragt, nicht nur mit dem Material Holz.
       zweiten Runde bauten dann die Schreiner einen zweiten Prototypen nach        «Als Schreiner haben wir einen guten Zugang auch zu anderen Materia-                                                                                                                                                 Probe an der Maquette.
       ihren Erfahrungen und Erkenntnissen des Sitzkomforts.                        lien», stellt er fest. «Wir können mit Aluminium, Glas, Stahl oder Stein
                                                                                    umgehen.» Was umgekehrt — von anderen Handwerksdisziplinen — im Um-
              Sägen, Fräsen, schleifen Während Peter Röthlisberger diese Epi-       gang mit Holz nicht immer gesagt werden kann.
       sode schildert, sägen, schneiden, fräsen und schleifen rundum moderne
       CNC-gesteuerte Maschinen Platten und Massivhölzer. In der nächsten                  Entwürfe von Designern und Architekten Heute arbeitet der
       Ecke wird — sorgfältig von Hand — nachbearbeitet, Schreinerhandwerk vom      Betrieb mit renommierten Architekten zusammen, ist mit seinen Innenaus-
       Feinsten. Hinter der nächsten Türe riecht es nach Holz, und wenn sich der    bauspezialisten auch mal in einem Mies-van-der-Rohe-Gebäude in New
       Staubschutzvorhang hebt, kommt — einem Archiv ähnlich — das Furnierla-       York, in Berlin oder London anzutreffen, aber auch im Zürcher Stadthaus,
       ger ans Licht. Mindestens 40 Holzarten liegen hier in den Gestellen, denn    wo die Berner die neuen Stadtratstische bauen durften. Begonnen hatte die
       Furniere und ihre speziellen Zeichnungen verleihen dem Holz-Innenausbau      internationale Zusammenarbeit mit Architekten mit einem Auftrag für die                                                                                           Auch lackiert wird im Haus.
       das besondere Aussehen: «Furnier macht die Ästhetik», stellt Peter Röth-     Konzernzentrale von Daimler Chrysler in Stuttgart. Die Architektin Clara
       lisberger fest. Wie von Zauberhand werden die dünnen, schmalen Hölzer        Saal kannte die «Röthlisberger Kollektion», und über eine Empfehlung
       nach ästhetischen Kriterien zu grösseren Flächen zusammengeleimt, mo-        kam die Schreinerei in die engere Auswahl. «Der Auftrag war für unsere
       dernste Technik hilft dabei.                                                 Verhältnisse eigentlich viel zu gross», erinnert sich Röthlisberger.
       Neben diesem Furnierlager hatte Röthlisberger bis vor Kurzem kaum Holz       Die Lösung war eine Arbeitsgemeinschaft mit Glaeser, Baden. Nach einigen
       im Haus. Bestellt wird, was man für einen Auftrag braucht, zweimal am Tag.   Monaten entschieden sich die Berner, die Gesamtleitung zu übernehmen.
       Innert vier Stunden werden die Platten und Hölzer angeliefert. Weil es mit   Dieses Projekt bildete 1989 den Start der eigenen Engineering-Abteilung.
       den Massivholzqualitäten wegen der immer kürzeren Lieferzeiten aber Pro-     Der Auftrag lief gut, die Autobauer schoben Aufträge nach, und aus den
       bleme gab, lagern seit Anfang 2009 nun auch Esche und Eiche, Birke und       ursprünglich 1,4 Millionen D-Mark wurden schliesslich 7,5 Millionen.
       Birne und viele weitere Hölzer auf dem Areal. Je nach Bedarf werden sie in
       die Trocknungskammer gelegt, denn Holz, das im Innenausbau eingesetzt               Über den Möbelbau zum Innenausbau Der Aufbau des eigenen
       wird, darf nur 8 bis 9 Prozent Feuchtigkeit enthalten. Ohne künstliches      Engineerings brachte das Unternehmen in Zugzwang. Der Name Röthlis-
       Klima braucht die Trocknung je nach Holzart Wochen, manchmal Jahre.          berger sprach sich unter Architekten herum, das Netz wurde grösser und
       Die Kammer verkürzt diesen Prozess auf wenige Tage.                          grösser. So ist die Engineering-Abteilung auf zehn Schreinertechniker
                                                                                    gewachsen, und sie wird heute von Roland Keller als eigenes Profitcenter
              Keine Massenanfertigung Anders als in einem industriellen Pro­        geführt. Die Techniker sind auch für Dritte tätig, die ihre Innenausbauten in
       duktionsbetrieb kommt es hier weniger auf die Bearbeitungszeit des ein-      anderen Betrieben herstellen lassen.
       zelnen Werkstücks an. Angesichts der vielen Einzelaufträge ist es wichti-    Im Gümligen will man formal anspruchsvolle Lösungen erarbeiten — Peter           Maschinen müssen nicht
       ger, dass die Maschinen rasch umgerüstet werden können und vielseitig        Röthlisberger spricht gerne von «Qualität». Sie zu bedienen, ist ihm ein        möglichst schnell sein,
       einsetzbar sind. Wir stehen hier nicht in einer «Massen»-Schreinerei, die    Anliegen. Das gelingt nicht immer. Gerade in Projekten, die heute auf eine      sondern flexibel einsetzbar.
       auf die Maschinenauslastung schielt. Entstanden ist Röthlisberger Innen­     Lebensdauer von nur noch zehn Jahren ausgelegt sind, sind solche An-
       ausbau aus der Fusion einer Wagnerei und einer Schreinerei. Peter Röth-      sprüche nicht immer einfach zu erfüllen. Dennoch darf Kurzlebigkeit des
       lisbergers Grossvater mütterlicherseits und sein Vater hatten sich zu-       Entwurfs die Verarbeitungsqualität nicht beeinflussen.                                      Genaue Planung ist das A und O.

        Rohmaterial für edle Innenausbauten.
Beilage zu HochParterre 4 / 2009
8/9 //Reportage                                                                        Maschinen und Handwerk
           Hochwertige Arbeiten finden sich im Werkverzeichnis zuhauf. Röthlis-        Meret Ernst sprach mit Peter Röthlisberger über perfektes Handwerk und
       berger zählt heute rund zwei Drittel seiner Kunden zur Kategorie der Ge-        die Expansionspläne des Unternehmens in den USA – trotz Krise.
       schäftskunden oder der öffentlichen Hand. Ein Drittel sind Privataufträge,             Ihr Unternehmen legt Wert auf perfektes Handwerk. Was heisst das
       die allerdings auch über Architekten oder Designer hereinkommen. Di-            in einem Betrieb, der rund sechzig Mitarbeitende zählt? Wir stellen Möbel
       rektaufträge werden nur ausnahmsweise angenommen, und Röthlisberger             und Innenausbauten her, die zwar den Einsatz modernster Hilfsmittel und
       hat auch keine eigene Entwurfsabteilung, man konzentriert sich auf die          Maschinen benötigen, aber ohne Handwerk nicht gebaut werden können.
       Umsetzung. Das Unternehmen ist auf die Zusammenarbeit mit Profis aus            Die Teile für den Schrank «Shell» etwa können nur mit computergesteuer-
       Architektur und Design eingespielt, «und wenn man uns von dieser Seite          ten Maschinen produziert werden. Für den Zusammenbau benötigen wir er-
       fordert, sind wir gut», zieht Röthlisberger Bilanz. Dabei muss sich der Be-     fahrene Schreiner mit grosser Handfertigkeit. Perfektes Handwerk beginnt
       trieb gegen eine inzwischen breite und starke Konkurrenz behaupten. Das         mit der richtigen Materialwahl und der bis ins Detail präzisen Herstellung.
       Erfolgsrezept heisst: «Ambitiöse Architektur pflegen.»                          Es braucht aber auch eine raffinierte Konstruktion und technisches Know-
                                                                                       how, damit zuverlässige, langlebige und einzigartige Produkte entstehen.
              Bekannte Architektennamen Jetzt tauchen Berühmtheiten auf:                      Sie entwerfen nicht selber, sondern holen sich die Ideen von aus-
       Mit Hans-Jörg Ruch und Renzo Piano, mit den Innenarchitekten Peter              wärts. Warum? Aus dem einfachen Grund, weil jeder das tun soll, was er am
       Marino und Andreas Ramseier, aber neuerdings auch mit dem Büro von              besten kann. Ein Architekt greift gerne auf unsere technischen Kenntnisse
       Frank Gehry arbeiten die Schreiner aus Gümligen zusammen. Das geht oft          zurück, um einen Innenausbau zu planen, doch ohne sein entwerferisches
       sehr gut, braucht aber mitunter auch ein bisschen Zeit, damit man sich in       Können brächten wir kein überzeugendes Resultat zustande. Ausserdem
       der Zusammenarbeit aneinander gewöhnen kann, wie das eingangs zitierte          lassen wir uns von den Architekten und Designern gerne und immer wieder
       Beispiel mit dem Büro Gehry zeigt.                                              aufs Neue fordern. Das geht nur, wenn wir uns im Entwurf nicht allein von
       Die Zusammenarbeit mit bekannten Architektinnen und Architekten ist den         den Produktionsmöglichkeiten im Betrieb leiten lassen. Ganz abgesehen
       Röthlisberger-Mannen aber überhaupt nicht in den Kopf gestiegen. «Wir           davon möchten wir unsere wichtigsten Partner nicht konkurrenzieren.
       machen einfach das, was wir gut können, wir sind weder Designer noch                   Wohin entwickelt sich Röthlisberger? Im Januar 2009 haben wir eine
       Architekten», so der Chef. Ihm ist offene Kommunikation sowie der rege          neue Produktionshalle mit einem Massivholz-Kompetenzzentrum realisiert.
       Austausch zwischen externen Designern und den Ingenieuren im Betrieb            So können wir die Qualität und Lieferbereitschaft auch im Massivholz er-
       wichtig, denn dies führe immer zu Verbesserungen. Wenn aber ein Architekt       höhen. Noch in diesem Jahr gründen wir einen «Brückenkopf» in New York
       oder die Techniker sich um jeden Preis durchsetzen wollten, funktioniere es     mit einem unserer Ingenieure, um die Kunden vor Ort näher zu betreuen.
       nicht. Auch wenn man mit dem Geschmack des Auftraggebers nicht über-                   Wie reagieren Sie auf die wirtschaftlich schwierige Situation? Auch
       einstimme: «Die technischen Details müssen gut gelöst sein.»                    wir spüren die Auswirkungen der Finanzkrise. Bereits im Herbst 2008
                                                                                       wurden Projekte verschoben oder annulliert. Wir bereiten uns mit ver-
               Technisches Wissen Die Zusammenarbeit ist auch deshalb wich-            schiedenen Szenarien auf mögliche Entwicklungen vor und können dank
       tig, weil die Architekten in der Detailplanung der Innenausbauten heute         der kurzen Entscheidungswege schnell reagieren. Trotz der allgemeinen
       selten mehr Spezialisten sind. Wie viel Schwund muss bei einer Holztreppe       Verunsicherung investieren wir in die Zukunft und handeln nach dem Motto:
       eingerechnet werden, wenn man sie im kalten, aber trockenen Klima des           Wenn die Wirtschaft wieder anzieht, stehen wir bereit.
       Oberengadins einbaut? Die Techniker im Betrieb füllen die Wissenslücken
       der Architekten. Dann wird die Zusammenarbeit oft spannend, vor allem           Firmengeschichte:
                                                                                       Entstanden ist Röthlisberger Innenausbau aus zwei
       wenn die Architekten sich persönlich für die Entwicklungsschritte interes-      Betrieben, einer 1928 gegründeten Bauschreinerei und
       sieren und einen Augenschein in Gümligen nehmen.                                einer Wagnerei. Seit den 1960er-Jahren verlagerte
       Wir nehmen Platz im Büro, gleich neben den Arbeitsplätzen der Techni-           sich die Tätigkeit auf die Möbelfabrikation.
       ker und dem Showroom der Röthlisberger Kollektion. Möbliert ist es mit          Als junger Schreiner wurde Peter Röthlisberger von
                                                                                       seinem Vater in die Entwicklung der «Röthlisberger
       Stücken aus der eigenen Kollektion. Jetzt zeichnet Peter Röthlisberger ein      Kollektion» involviert, die 1977 lanciert wurde. Das
       gleichschenkliges Dreieck aufs Papier. In der ersten Ecke steht «Propor­        hat ihn als dritte Generation «infiziert». 1981 stieg er
       tionen», was Architektur und Design mit einschliesst. In der zweiten Ecke       in die Firma ein, ein Jahr später übernahm er die
       «Konstruktion» oder «materialgerechte Verarbeitung». Wenn diese bei-            Ver­antwortung für die Möbelkollektion und hat sie in
                                                                                       den internationalen Märkten bekannt gemacht.
       den Pole gut miteinander zusammenarbeiten, komme in der dritten Ecke            Der Bereich Innenausbau blieb lange regional aus­-
       automatisch ein gutes Resultat zustande, ist der Chef aus Erfahrung über­       gerichtet, allerdings arbeitete man schon früh
       zeugt. Im Betrieb ist dabei allen klar, dass man sich hier aufs Eck der «Kon-   mit Architekten zusammen. Über die Möbelgeschäfte
       struktion» konzentriert. Das Spektrum der Aufgaben ist allerdings breit und     ergaben sich Architektenkontakte und Aufträge
                                                                                       für Innenausbauten. Heute beschäftigen die beiden
       reicht vom Wohnhaus übers Büro bis zum Besprechungszimmer einer Bank
                                                                                       Betriebe Röthlisberger Innenausbau und Röthlisberger
       oder zum Innenausbau von Schiffen.                                              Kollektion zusammen 60 Mitarbeitende.
       Santiago Calatrava kam mit einer anderen Aufgabe: mit der Zeichnung ei-         Peter Röthlisberger verantwortet den Gesamtbetrieb.
       nes runden Tisches mit acht Meter Durchmesser, dessen Aussenkante nur           In der Geschäftsleitung sind Roland Keller für den
                                                                                       Innenausbau und Jürg Scheidegger für die Möbelkol-
       wenige Zentimeter dünn sein sollte. Wie man einer solch fragilen Konst-
                                                                                       lektion verantwortlich.
       ruktion ihre Stabilität geben konnte, das überliess Ingenieur Calatrava den     Röthlisberger ist eine Familien-Aktiengesellschaft.
       Technikern bei Röthlisberger.
                                                                                       _
                                                                                       Rund ein Drittel der Aktien werden von zehn
       Die Lösung bot schliesslich ein umlaufendes Stahlrohr und verstärkende          aussenstehenden Personen gehalten.
       Platten. «Wir wussten erst, als wir die letzte Schraube eindrehten, ob die
       Konstruktion auch wirklich hält», erinnert sich Peter Röthlisberger. Der
       Tisch hält — der ursprünglich dafür vorgesehene Raum allerdings war zu                                                          Peter Röthlisberger, *1954.
       klein. Grund war eine Kommunikationspanne zwischen Calatrava und dem
       Auftraggeber: Meter und Feet waren durcheinandergeraten. Der Tisch —
       made in Gümligen — hat dann aber doch noch seinen Raum gefunden und
       steht jetzt in Dallas in einem Konferenzzimmer.

                                                                                                                                           Von einer Maschine zur nächsten.
Beilage zu HochParterre 4 / 2009
                                                                                                                                                                      Massivholz im Wohnbereich.
10/11 // Renovationen

Eingriffe für        Hans-Jörg Ruch
die Beständigkeit spielt mit Peter
Röthlisberger immer wieder «Pingpong».
       Text: Barbara Wülser, Fotos: Giancarlo Gardin                                   Die Garderobe im Elternschlafzimmer ist die kleine Schwester des Trep-
              Ankommen Die Morgensonne blinzelt durch die hölzernen Jalousien          penhauses; sie wurde ebenfalls in den Raum gestellt und trennt nun Ba-
       und wirft helle Streifen über den Esstisch. Die Streifen fallen vom Tisch und   dezimmer und Schlafzimmer. «Einmal die Regeln gelernt kann man sie
       ziehen auf dem Holzboden weiter. Hans-Jörg Ruch lässt seinen Blick über         überall anwenden», sagt der gebürtige Solothurner Hans-Jörg Ruch, der
       die Einheit von Tisch, Bank und Boden wandern. Der 62-jährige Architekt         seit über dreissig Jahren im Engadin wirkt.
       aus St. Moritz hat ein anderes Bild vor Augen. Rollen wir die Geschichte        Eine weitere Regel, die sich vom Keller bis zum Dachstock durchzieht, lau-
       fünfzehn Jahre zurück. Hans-Jörg Ruch steht mit Peter Röthlisberger am          tet: Verwende möglichst einfache, detaillose Fügungen! Erst das Detail- und
       selben Ort. Die beiden Männer sind in ein Gespräch vertieft; sie spielen        Materialwissen der Schreinerei Röthlisberger habe solch schlichte und be-
       «Pingpong», wie sie sagen. Lärche, Ahorn, Fichte — welches ist das pas-         ständige Verbindungen von Holz, Chromstahl und Glas ermöglicht, wie sie
       sende Holz für den Innenausbau des 1939 von Alfred Verdieri erbauten            in Bad und Küche zu finden sind, ist Hans-Jörg Ruch überzeugt. Auch nach         Das Bad, eingefügt
                                                                                                                                                                      in die Hölzer.
       Wohnhauses in St. Moritz?                                                       15 Jahren sehen sie aus, als seien sie erst gerade zusammengefügt worden.
       Es war schon damals nicht das erste Mal, dass Hans-Jörg Ruch und Pe-            Dasselbe Prinzip wurde auch für die Korpusse verwendet, die sich — aus
       ter Röthlisberger gemeinsam an einem Projekt arbeiteten. Sie hatten ihr         Holz, Sichtglas oder Milchglas gefertigt — im ganzen Haus finden. Hans-Jörg
       Zusammenspiel bereits zwei Jahre zuvor beim Umbau der Réception des             Ruch, der hohe Ansprüche an sich, seine Arbeit und seine Partner stellt,
       Hotels «Hauser» in St. Moritz erprobt. Der gemeinsame Umbau des Wohn-           schätzt Röthlisbergers unternehmerische genauso wie dessen fachliche
       hauses von Verdieri ist die Ernte der damaligen Erfahrung.                      Kompetenz: Dank der Bündelung der Aufträge halte der Betrieb in Gümligen
       Heute weiss Hans-Jörg Ruch: Die Entscheidung für Röthlisberger war              die Wege kurz, die Finanzen übersichtlich und die Verantwortlichkeiten klar.
       ebenso richtig wie die Holzart der kanadischen Douglasie, die dem Haus          Und bei allem werden immer auch die Termine eingehalten.
       Ruhe und Geborgenheit vermittelt. Das kann kein anderes Holz, auch kein
       einheimisches. Douglasie passt vorzüglich zu den gesprossten Kastenfens-                Wiederkommen Vom Schreiner Röthlisberger hat der Architekt Ruch
       tern aus Tannen-, Lärchen- und Eichenholz, die beim Umbau 1994 / 1995           gelernt, wie man mit Massivholz umgeht. Er weiss: Wer im «vollen Holz» ar-
       restauriert und wiederverwendet wurden. Sämtliche Einbauten und Möbel           beitet, muss sich gewissen Bedingungen unterwerfen. Dieses Wissen kommt
       wie Böden, Tische, Schränke, Türen und Betten sind aus demselben Schlag         Hans-Jörg Ruch zugute. Das ist dem Architekten wichtig, sagt er doch von                                      Möglichst detaillose Fügungen
       und fast durchwegs aus Massivholz gefertigt. Aus demselben Schlag sind          sich, er suche bei seinen Umbauten von historischen Engadiner Häusern                                       im ganzen Haus.

       auch die Arbeiten von Ruch und Röthlisberger. «Bei uns gibt es keine            nicht nur Schönheit, sondern auch Wahrheit. Mittlerweile hat er sich mit
       Bruchstellen», sagt der Architekt. Man sehe nicht, wer was gemacht habe.        seinen subtilen Eingriffen weit herum einen Namen gemacht.
       Das sei letztlich auch nicht wichtig.                                           Mit Peter Röthlisberger hat Hans-Jörg Ruch vor drei Jahren nochmals
                                                                                       zusammengearbeitet; wiederum für einen Umbau eines Wohnhauses in
              Bleiben Ein Lichtstreifen schimmert durch den schmalen Schlitz           St. Moritz, diesmal von Nicolaus Hartmann von 1928. Wiederum entwi-
       zwischen Boden und unterster Treppenstufe. Der Lichtschlitz zieht sich rund     ckelten die beiden eine aussergewöhnliche Treppe, diesmal aus dem Holz
       um das hölzerne Treppenhaus. Es wurde wie ein Puzzleteil ins Gebäude            der Edelkastanie. Als Besonderheit entstand aus dieser Zusammenarbeit
       gestellt. Zehn Meter hoch vom Keller bis zum Dachstock steht das ein-           zudem der Schrank «Plusminus» für die Röthlisberger Kollektion. Die
       läufige, hohle Treppenhaus nun da und macht keinen Wank. Nur sommers            Schranktür ist ein Plus-Minus-Täfer aus ebendiesem Holz. Der Architekt
       schwillt es an und winters schrumpft es ein bisschen. Der rund zwei Zenti-      hatte das uralte Prinzip des aus versetzten Brettern gefertigten Täfers im
       meter breite Schlitz sichert dem Holz hierbei genügend Raum zu.                 Hartmann-Haus vorgefunden und für dessen Innenausbau neu interpretiert.
       Das «Pingpong»-Spiel zwischen Hans-Jörg Ruch und Peter Röthlisber-              Peter Röthlisberger nahm den Ball auf und spielte ihn als Idee für einen
       ger hat diese ungewöhnliche Lösung hervorgebracht. Die Herausforderung          Schrank an Hans-Jörg Ruch zurück.
       lautete: Wie entfliehen wir den engen räumlichen Verhältnissen, bringen         Eine Tür zu öffnen, ist ein Akt der Konzentration. Im umgebauten Wohnhaus
       irgendwo einen Lift unter und erschliessen vier Etagen über eine Treppe?        in St. Moritz ist es ein Akt der Besinnung. Der Moment reduziert sich nicht
       Obwohl ursprünglich gar nicht für den Treppenbau vorgesehen, baute die          auf das Hinunterdrücken der Türfalle; die makellose Türe verfügt nämlich
       Schreinerei Röthlisberger ein Modell und überzeugte Architekt und Bau-          über gar keine. Sie schmückt sich einzig mit einem Magnetstreifen. Ein
       herrschaft davon, dass sie die Richtigen dafür sind. Die Erfahrung in der       letztes Mal einen Blick werfen ins sonnendurchflutete Wohnzimmer. Adieu.
       Möbelproduktion kam der Firma hier zugute. Die Wangen des frei stehenden        Mit einem kaum hörbaren Sauggeräusch schliesst sich die Tür.
       Treppenmöbels wurden aus vier Zentimeter dicken Douglasie-Brettern              Ob es das letzte Mal war? Wohl kaum. Doch mehr ist nicht zu erfahren.
       vor Ort zusammengefügt und verleimt. Gleich starke Treppenstufen halten         «Wir sind am Pingpongspielen», verrät Peter Röthlisberger nur.
       die Wangen zusammen. Von der Konstruktion her an der Grenze des Mög-
                                                                                       Privathaus St. moritz, 1994 / 1995
       lichen habe dieses möbelartige Element sie besonders herausgefordert,

                                                                                       _
                                                                                       > Architekt: Hans-Jörg Ruch, St. Moritz
       sagt Roland Keller, zuständig fürs Engineering bei Röthlisberger.               > Verfahren Innenausbau: Präqualifikation

              Entspannen Fugenlos schmiegt sich die aus Chromstahl getriebe-
       ne Badewanne in die hölzerne Ummantelung. Das Fenster über der Wanne
       gibt den Blick frei auf die atemberaubende Engadiner Bergwelt. Im verglas-                                                                                                                   Frei stehendes Treppenmöbel
                                                                                                                                                                                                   aus vier Zentimeter dicken
       ten Korpus unter dem Waschbecken liegen frische Frotteetücher bereit.
                                                                                                                                                                                                   Douglasie-Brettern, zusammen­
       Die geradlinigen Formen von Badewanne, Dusche und Waschbecken setzen                                                                                                                        gehalten von gleich starken
       sich in der angrenzenden Garderobe fort.                                                                                                                                                    Treppenstufen.
Beilage zu HochParterre 4 / 2009
12 /13 //  Innenausbau

Räume auf Andreas Ramseier geht auf                                                                                                                                                                                                                              Die Tischform wird von

Hochglanz Kundenwünsche ein                                                                                                                                                                                                                                     der LED-Leuchte aufgenommen.
                                                                                                                                                                                                                                                                Hinter den grossformatigen

und poliert Tische, Wände und Sitzflächen                                                                                                                                                                                                                       Tafeln von Mayo Bucher verbirgt
                                                                                                                                                                                                                                                                sich die Multimedia-Leinwand.

für Verwaltungsräte und Bankkunden.
       Text: Meret Ernst, Fotos: Ramseier + Associates Ltd.                           Sitzungszimmer für Verwaltungsräte müssen abhörsicher sein, und sie sind
       Er hätte auch Jazzer werden können. «Trompete», antwortet Andreas Ram-         medientechnisch hochgerüstet. Sie bieten jeden erdenklichen klimatischen
       seier auf die Frage nach seinem Instrument. Seit seiner Jugend spielt er,      und akustischen Komfort und setzen auf ausgeklügelte Lichtszenarien, die
       und mit einer Leidenschaft, die lange offenliess, ob er einen Beruf draus      per Knopfdruck abgerufen werden. Ein «Boardroom» sollte mindestens
       machen sollte. Statt ans Konservatorium zu gehen, lernte er Hochbauzeich-      zehn Jahre überdauern, inklusive der medientechnischen Nachrüstung, die
       ner. Später die Frage: ans Technikum oder an die Kunstgewerbeschule Zü-        unweigerlich nötig wird. Heisst, er muss so lange gefallen.
       rich? Er entschied sich für Zürich: «Es ging dort freudiger, farbiger zu und   Kernstück ist der Tisch, an dem die Verwaltungsräte ihre Entscheidungen
       her.» Zu jener Zeit prägte Willy Guhl die angehenden Innenarchitekten und      fällen. Ein Tisch bildet Hierarchien ab, kann Diskussionen fördern oder
       Designer. Mit 23 Jahren gehörte Andreas Ramseier zur letzten Diplomklas-       erschweren. Der CEO, unzufrieden mit seinem Platz am Kopfende langer
       se, die von Guhl betreut wurde. In Erinnerung sind ihm Willy Guhls Ruhe,       Reihen, skizzierte seine Idee und erwähnte den Raum, in dem der Welt­
       seine Sensibilität und Detailtreue.                                            sicherheitsrat tagt. Ein ovaler Tisch war gewünscht, an dem sich alle sehen
       Doch was tun nach dem Abschluss? Doch Musik? Er ging nach Boston,              und der keine Hierarchie festlegt. Der Entwurf reagierte darauf.
       studierte zwei Jahre Komposition für Filmmusik am Berkelee College of          Das Oval des Tisches öffnet sich an der Längsseite hin zur 18 Quadratmeter
       Music und gewann die Einsicht, dass für ihn daraus kein Beruf zu machen        grossen Multimedia-Leinwand, die ferngesteuert hinter den grossformati-
       war. Andreas Ramseier blieb in den USA, heuerte beim ehemaligen Marcel         gen Tafeln des Zürcher Künstlers Mayo Bucher erscheint. Die Tischfläche
       Breuer-Mitarbeiter Thomas Wells als Entwurfsarchitekt in LA an. Er wuchs       wird einzig von einer schräg stehenden Front getragen, die, wie ­Andreas
       an den Projekten, an Hotels, Hochhäusern, einer Villa in Hawaii, an Wohn-      Ramseier skizzierte, direkt aus dem Boden schiesst. Die stützenlose Kon-
       bauprojekten für Miami. «Meine wichtigste Zeit», urteilt er im Rückblick.      struktion forderte die Techniker heraus, erläutert Roland Keller, Chefin-
                                                                                      genieur bei Röthlisberger. Das segmentierte Metallskelett ist im Unter-
              Die amerikanische Lektion Die Musik, ein Umweg? «Nein. Ich lebe         lagsboden verankert und mit MDF ausgekleidet, die Tischfläche, die sich
       heute noch von der nötigen Disziplin, vom Team Spirit, den es braucht, wenn    gegen das Oval hin in einem Wulst über die Kante zieht, ist mit schwarzem
       man in der Gruppe musiziert.» Stets klopft er bei Einstellungsgesprächen       Nappaleder bezogen. Gegen innen ist die Stütze mit mattiertem Glas ver-
       die Musikalität der Bewerber ab. Können sie Noten lesen, verstehen sie         blendet. Die Scheiben sind aufgrund der Schräge und der ovalen Grundform
                                                                                                                                                                                        Der raumbeherrschende
       etwas von Rhythmik, Komposition, Harmonie, weiss er, dass er sich besser       des Tisches gekrümmt — wie die Frontscheiben eines Autos.
                                                                                                                                                                                       Konferenztisch wird
       mit ihnen verständigen kann: «Das erleichtert die gemeinsame Arbeit.»          Auch bei der Konstruktion des integrierten Buffets waren die Techniker                           einzig von einer schräg
       Aus welcher Schule seine Mitarbeiter stammen, ist ihm zweitrangig, wich-       gefordert. Wie bei einem Kiosk klappt der obere Teil der Wand auf und gibt                       stehenden Front getragen.
       tig sei die Person. Und er trennt nicht zwischen Innenarchitektur, Archi-      die Anrichte frei, die von der dahinterliegenden Küche bedient wird. Eine
       tektur und Design. «Ich gehe frei an die Aufgabe heran, freier wohl als        der grössten Herausforderungen war auch hier, abhörsicher zu bauen.
       ETH-Architekten, die semesterweise lernen, wie man baut.»
       Aus Amerika zurück nach Zürich und in die Selbstständigkeit führte ihn der            Corporate Architecture Andreas Ramseier, der mit seinem Team
       gewonnene Wettbewerb für einen Teilumbau des Hotels «Atlantis Shera-           den eingeladenen Studienwettbewerb gewann, entwarf den «Boardroom»                                                                    Perfekte Übergänge von Decke und Boden zur Wand.
       ton». Das war 1980. Mitgenommen hat er die Liebe für den Entwurf. «Wir         auf Mass. Für einen CEO einer internationalen Firma zu arbeiten, sei nicht
       übernehmen rund zwei Drittel der Architektenleistung, machen die Ausfüh-       immer einfach. Entscheide müssen dann gefällt werden, wenn der CEO Zeit
       rungsplanung und haben die gestalterische Oberleitung, den Rest geben wir      hat. «Aber ich funktioniere in diesem Umfeld gut.» Eine solide Vorberei-
       an Generalunternehmen, so wie es in Amerika üblich ist.» Heute führt er        tung sei wichtig, damit er den Bauherrn für seinen Entwurf gewinnen kann.
       12 bis 15 Mitarbeiter, in seinem Büro an bester Lage in Zürich, der Stadt      Auf Vorschläge des Auftraggebers gehe er ein, weil dieser etwas Massge-
       in Europa, die seiner kosmopolitischen Sehnsucht am dienlichsten ist. Die      schneidertes verlange. Sein Credo: «Der Bauherr soll sich einbringen.»
       Liste internationaler Kunden pflegt er entsprechend.                           Andreas Ramseier entwirft vom Benutzer her, der in vielen Fällen der
                                                                                      Auftraggeber ist. Und weil in seinem Portfolio viele Firmen figurieren,
              Im Zentrum der Macht «Does it look rich enough?», war die ban-          beschäftigt er sich damit, wie die Identität einer Firma in den Raum über-
       ge Frage, die sich die Bauherren stellten, als sie zusammen mit Andreas        setzt werden kann. Vorbild ist ihm die in seinen Augen unterschätzte
       Ramseier und seinem Team den Raum für den Verwaltungsrat eines in-             amerikanische Architektur, exemplarisch ihr Umgang mit Schriften. Wie
       ternationalen Versicherungskonzerns entwickelten. Wie repräsentativ ein        weit ein Gebäude, ein Raum ausdrücken soll, wofür die Firma steht, ist eine
       «Boardroom» wirken muss und ob dafür nur auf Hochglanz polierter               Frage, die er stets aufs Neue klären will.
       Historismus in Frage komme, ist eine Sache des kulturellen Verständnis-
       ses. Und das differiert bei Verwaltungsräten, je nachdem ob deren Herkunft     Boardroom, 2006
                                                                                      > Architektur: Andreas Ramseier + Associates Ltd.,
       amerikanisch, englisch oder kontinentaleuropäisch ist. Die Frage wurde           Zürich. Christine Brandt, Christoph Schieber, Andreas                                                                                                                           … und gibt den Blick
       dann aber kein zweites Mal gestellt, als der 160 Quadratmeter grosse             Schiessl, Peter Steinmann, Roger Stucki, Mischa                                                                                                                               auf die Anrichte frei.
       Raum gebaut war. Er setzt auf zurückhaltende, moderne Klassik. Nicht auf         Wüthrich (Projektmitarbeiter)
       Materialprotz, sondern auf sorgfältigen Finish, was dem Bild der Gruppe,       > Verfahren Innenarchitektur: Eingeladener
                                                                                        Studienwettbewerb
       deren Hauptsitz in der Schweiz liegt, durchaus entspricht: der Boden aus       > Verfahren Innenausbau: Eingeladener Wettbewerb
       dunkler Eiche, die Wandverkleidung aus emailliertem Grünglas, eine abge-
       hängte Decke aus Aluminiumlochblech.                                           _
                                                                                      > Kunst: Mayo Bucher, Zürich
                                                                                                                                                                    Die geschlossene
                                                                                                                                                                              Wand …

                                                                                                                                                                                       … klappt bei Bedarf wie ein Kiosk nach oben auf ...
Beilage zu HochParterre 4 / 2009
                                                                                                                                                                                                                               Atelier Oï entwickelte eine
14 /15 // Museumsbau                                                                                                                                                                                                          «Mikroarchitektur». Sie

Parcours der Hand in Hand planten                                                                                                                                                                                             erleichtert die Orientierung
                                                                                                                                                                                                                              im Innern des Gebäudes

Architektur       und bauten Atelier Oï
                                                                                                                                                                                                                              und führt durch die Ausstellung.

und Röthlisberger die Innengestaltung des
Museums «Laténium» in Neuenburg.
       Text: Renate Menzi, Fotos: Yves André                                           offeneren Interpretation der Inhalte. So wird zum Beispiel der Gletscher
       Wenn das Ufer winterlich weiss und die gegenüberliegende Seite vom Ne-          mit einem Isolationsmaterial dargestellt, das Lichteinstrahlung ähnlich
       bel verdeckt ist, erscheint der Neuenburgersee wie ein Meer. Die Pfahlbau-      bricht wie Eis. Eine Bärenhöhle wird in einer skulpturalen Anordnung von
       er, die hier in der Bronzezeit gewohnt haben, kannten das Meer wohl nicht       organisch geformten Flächen lediglich angedeutet. Um diese eigenen For-
       und hatten bestimmt andere Gedanken, wenn sie aufs Wasser schauten.             men zu entwickeln und die Interpretation umzusetzen, ohne auf das gängige
       Wie konnten sie überhaupt bei diesen Temperaturen überleben? Was bis            visuelle Vokabular archäologischer Ausstellungen zurückzugreifen, waren
       heute von ihrer Existenz erhalten ist, sind gegen dreitausend archäologi-       das technische Knowhow und die Erfahrung von Röthlisberger notwendig.
       sche Fundgegenstände, die im «Laténium» in Hauterive / Neuchâtel nach           Neben der Entwicklung von massgeschneiderten Räumen und Behältern
       den neusten museologischen Erkenntnissen in einem grosszügig gestal-            galt es auch mehrere Tausend Jahre alte Objekte zu präsentieren und zu
       teten Bau ausgestellt werden. Im drei Hektar grossen Park am Seeufer            schützen. Die diffizilen konservatorischen Bedingungen machten unzähli-
       sind zahlreiche Rekonstruktionen in Originalgrösse aufgestellt, darunter ein    ge Tests nötig und schränkten die Bandbreite an einsetzbaren Materialien
       Pfahlbauhaus und ein gallo-römisches Schiff. Das 2001 eröffnete archäo-         ein — eine zusätzliche Herausforderung für den Innenausbauer.
       logische Museum «Laténium» wurde inzwischen mit dem Museumspreis
       des Europarats ausgezeichnet.                                                          Farbkonzept, Abstraktion und Technik Für Atelier Oï ist das Ziel
       Die permanente Ausstellung ist so konzipiert, dass die Besucher auf einem       erreicht, wenn die Besucherinnen und Besucher sich in den verschiedenen
       als Zeitachse angelegten Weg die Geschichte durchwandern, vom Mittel­           Geschichts- und Raumdimensionen bewegen können, ohne sich zu verlie-
       alter bis zurück zur Epoche der Neandertaler. Dabei ist die räumliche           ren, wenn sie die Objekte erleben und erfassen können, ohne ihnen zu scha-
       Inszenierung ausschlaggebend: Der Parcours führt über zwei Stockwerke           den. Funktioniert die Ausstellungsgestaltung auch noch acht Jahre nach ih-
       und bewegt sich unter und über dem ursprünglichen Seeniveau. In acht            rer Eröffnung? Im Unterschied zu anderen Präsentationen archäologischer
       chronologische Kapitel unterteilt wird neben der Geschichte rund um die         Funde umgibt eine luftige und freundliche Atmosphäre die Besucher vom
       Funde auch über die archäologische Arbeit informiert: Graben unter der          Anfang bis zum Ende des Parcours. Das Farbkonzept, das den Erdtönen der                                                                      Einbauten in kühlen Farben
       Erde, Suchen und Finden unter Wasser und im Gletschereis. Kindern und           Exponate kühle Farben mit viel Weissanteil entgegensetzt, schafft einen                                                                     setzen Kontraste zu
                                                                                                                                                                                                                                   den Erdtönen der Exponate.
       Jugendlichen stehen in jedem Saal didaktische Spiele und Minilaboratori-        wohltuenden Kontrast. Die Mikroarchitekturen sind semantisch unaufdring-
       en zur Verfügung. Kurze Filme, Videos und Modelle veranschaulichen das          lich und versetzen die Besucher doch in die richtige Stimmung, um den
       Leben vergangener Epochen.                                                      Kontext der Funde zu verstehen. Zudem ist die anspruchsvolle Technik so
                                                                                       gut versteckt, dass sie die Aufmerksamkeit nicht von den Objekten ablenkt.
              Die Entwicklung der Mikroarchitektur Nachdem das interdis-               Jede sichtbare Schraube in der Architektur würde die Exponate in den
       ziplinär arbeitende Atelier Oï aus La Neuveville den Wettbewerb für die         Vitrinen, die ja die Anfänge der Technik zeigen, konkurrenzieren und die
       Ausstellungsgestaltung im Jahr 2000 gewonnen hatte, interessierten sich         Besucher unweigerlich ins Hier und Jetzt zurückholen. Insgesamt nehmen
       zahlreiche Unternehmen für die bauliche Umsetzung. Schliesslich wurde           die Farbgebung, die exakte Beleuchtung der Exponate und die thematisch
       der Auftrag Röthlisberger und Glaeser zugeschlagen, die sich zusammen           assoziierten Mikroarchitekturen auch etwas von der Schwere der Wissen-
       beworben hatten. «Das waren auch unsere Wunschkandidaten», berichtet            schaft. Die räumliche Anordnung der Objekte ist nicht nur kompositorisch
       Aurel Aebi von Atelier Oï und fügt an, dass in anderer Konstellation gar        stimmig, sondern hilft den Besuchern, sie zu verstehen. So legt die Archi-
       nicht möglich gewesen wäre, das Projekt umzusetzen. Die Aussage bezieht         tektur den Besuchern eine Orientierung, Rückbesinnung und Neupositionie-
       sich nicht nur auf die enormen technischen Anforderungen, sondern auch          rung nahe, ohne sie didaktisch zu gängeln.
       auf den Zeitdruck, unter dem die Ausstellung innerhalb von wenigen Mona-
                                                                                       Laténium — Park und Archäologiemuseum, 2001
       ten aufgebaut werden musste.
                                                                                       > Bauherrschaft: Kanton Neuenburg
       Worin bestand die grösste Herausforderung für die Designer? Atelier Oï          > Architektur: Laurent Chenu, Bruce Dunning, Pierre
       stiess im Jahr 2000 zu einem Projekt, das bereits einen Vorlauf von zehn          Jéquier, Philippe Vasserot, Pieter Versteegh,  Genf
       Jahren hatte. Der Bau des Gebäudes war abgeschlossen und mit dem In-            > Museografie / Szenario / Koordination: Museum
       nenraum die Ausstellungshülle vorbestimmt. Auch das Riemenparkett und             Development, Vevey
                                                                                       > Szenografie / Design / grafisches Konzept / Signaletik:
       die leicht geneigten Gänge, die den Parcours als Reise nach unten führen,         Atelier Oï, La Neuveville
       waren gebaut. Zu diesen Vorgaben kamen die Anforderungen aller am Pro-          > Realisation der «evolutiven Standards»: Glaeser                             Das rekonstruierte
       jekt beteiligten Fachleute. Patrick Reymond von Atelier Oï schildert, wie be-     Innenausbau, Baden                                                         gallo-römische Schiff
       sonders schwierig es war, die unterschiedlichen Wünsche der politischen         > Mikroarchitekturen: Röthlisberger Schreinerei,                             steht auf einem
                                                                                         Gümligen                                                                   Bett aus Glassplittern.
       Behörden, der Konservatoren, der Archäologen und der Museumsleitung

                                                                                       _
                                                                                       > Verfahren Innenausbau: Präqualifikation
       unter einen Hut zu bringen.                                                     > Ausstellungsfläche: 2750 m2
       Die Designer entwickelten für die unterschiedlichen Ausstellungsbereiche
       eine «Mikroarchitektur», die das Gesamtvolumen in eine Struktur von klei-
       neren und grösseren Räumen unterteilt. Das erleichtert die Orientierung
       und unterstützt die Themen. Im Gegensatz zum archäologischen Ansatz —
       der Rekonstruktion des historischen Kontexts — wollte Atelier Oï die Aus-
       stellungsarchitektur nicht illustrativ einsetzen, sondern suchte nach einer

                                                                                                                                                                                              Fundgegenstände werden in Vitrinen inszeniert.
Beilage zu HochParterre 4 / 2009
16 /17 // Ladenbau

Inszenierung für Peter Marino plant
illustre Namen         in New York und
Röthlisberger baut die Teile in Gümligen.
       Text: Thérèse Balduzzi                                                        unterschiedlichen Farben leuchtet. Entlang der Wand schlängelt sich eine
       «Röthlisberger arbeitet extrem präzis, und das macht einen Architekten        Holztreppe über vier Geschosse, die einen weiten Überblick über die dar-
       sehr, sehr glücklich», sagt Peter Marino mit einem donnernden Lachen.         unterliegenden Stockwerke ermöglicht. Die Luxustaschen und Koffer sind
       «Ihre Werkstattpläne unterscheiden sich von denen anderer Schreiner wie       in Gestellen mit uniformen, rechteckigen Öffnungen angeordnet. Darüber
       Tag und Nacht.» Auf die Firma ist der New Yorker Architekt 1994 ge-           hängen antike Louis-Vuitton-Truhen vor den Wänden in der Luft. Durch ihre
       kommen, als er den Innenausbau des Modehauses Feldpausch in Zürich            versetzte Anordnung ergänzen sie die Leuchtwand in der Mitte und sind
       entwarf. Seither hat der preisgekrönte Architekt die Schweizer Präzisions-    für die Kunden beim Treppensteigen zwischen den Stockwerken am besten                                        Privatbank, New York, 2004:
       schreinerei bei kniffligen Aufgaben immer wieder beigezogen. Und solche       sichtbar. So entsteht ein nahtloser Übergang von Etage zu Etage.                                            Wartezone, bis ins letzte Detail perfekt.
                                                                                                                                                                                                 Fotos: Manuel Vázques Fernández, Madrid
       gibt es bei Peter Marino Architect (PMA), einer Firma mit 130 Angestellten,   Der Begriff, der das wichtigste Element seines Schaffens beschreibt, ist
       gerne. Denn Peter Marino ist ein bekennender Materialfetischist — in sei-     denn auch Integration. Marino integriert Einrichtungselemente wie Gestelle
       nem Büro unterhält er ein Archiv antiker Stoffe — und liebt es, Materialien   und Türen so, dass sie Bestandteil der Wand werden. Er integriert aber
       auf unübliche Art zu verwenden und zu kombinieren. Da Marino sowohl           auch Kunst in seine Designs und gibt Auftraggebern seine Empfehlungen,
       Architektur wie Innenarchitektur und zudem auch Möbel entwirft, sind          welche Arbeiten von welchen Künstlern er wo aufstellen oder aufhängen                                        Privatbank, New York, 2003:
       solchen Experimenten auch kaum Grenzen gesetzt. Stein, Holz, Bronze,          würde. Und dies nicht nur für Privatresidenzen oder Büros, sondern auch                                     Am Deckenraster des
                                                                                                                                                                                                 Seagram Buildings richten
       Textilien, Leder, handgemalter Lack, Gips, Texturen — er arbeitet gerne mit   für Luxusgeschäfte. Schliesslich entwirft Marino auch viele Möbel selber.                                   sich die Einbauten aus.
       warmen Materialien. «Ich bin für eine moderne Architektur mit luxuriösen,
       taktilen Materialien bekannt», erklärt der Architekt. «Viele zeitgenössi-            Zusammenarbeit mit Röthlisberger Ein Beispiel für ein solches
       sche Architekten benutzen Beton, Metall und Plastik. Ich mag Beton in ei-     Gesamtkunstwerk sind die 2003 gebauten Büros einer Privatbank im
       ner Parkgarage, aber nicht in einem Wohnhaus. Und Plastik altert oft nicht    38. Stock des New Yorker Seagram Buildings. Das 1958 von Mies van der
       schön», erklärt er seine Vorlieben. Marino bleibt auch Trendmaterialien       Rohe gebaute Hochhaus steht unter Denkmalschutz, was einen Teil der
       fern, weil sie nach wenigen Jahren schon so passé wirken können.              Herausforderungen bildete. So darf an den Fenstern und an den ihnen ent-
                                                                                     langführenden Radiatoren nichts verändert werden. Auch das Deckenraster
              Verkaufsfördernde Architektur Der knapp sechzigjährige ge-             muss eingehalten werden. Ziel dieser Bestimmungen ist, dass das Gebäude
       bürtige New Yorker schwamm schon früh gegen den Strom: Vor dreis­sig          von aussen einheitlich aussieht. Weitere Herausforderungen ergaben sich
       Jahren gab ihm Andy Warhol, mit dem er befreundet war, den Auftrag, erst      durch die präzisen Vorstellungen des Kunden. So wollte dieser keinerlei
       sein Townhouse an der Upper East Side und danach die legendäre Factory        Türklinken, Knöpfe oder andere Beschläge sehen sowie keine Führungs-
       beim Union Square zu renovieren. Doch es war die Anfrage des Gründers         schienen am Fussboden oder in der Decke.                                                                                              Chanel Store, Hongkong,
       von Barneys — dem bis heute absolut tonangebenden Modehaus in New             Marino entwarf ein Empfangsfoyer, ein Grossraumbüro, ein Büro für das Se-                                                            2005: Kunstwerke spielen eine
                                                                                                                                                                                                                          wichtige Rolle im Entwurf
       York —, die seiner Karriere die Zukunft wies. Obwohl damals für einen         kretariat und den Geschäftsleiter sowie einen Konferenzraum. Alle Abgren-
                                                                                                                                                                                                                          von Peter Marino. Fotos: Peter
       seriösen Architekten noch etwas verpönt, sagte Marino schliesslich zu,        zungen ergeben sich durch Holzelemente, die teilweise beweglich sind, aber                                                           Marino Architect PLLC, New York
       die Gestaltung des Modehauses zu übernehmen. Heute zählt er die Top-          einheitlich aussehen. Dafür engagierte er die Firma Röthlisberger, die die
       Luxusmarken Chanel, Christian Dior, Louis Vuitton, Fendi sowie Donna Ka-      Wandverkleidungen, Trennwände, Türen, Einbauschränke und Sideboards
       ran und Calvin Klein zu seinen Kunden. Seine Entwürfe sind nicht nur an       herstellte sowie technische Lösungen finden half. So verwendete Marino
       der Fifth Avenue, sondern auch an den prominentesten Einkaufsstrassen         Holztüren, die mit Aluminium eingefasst sind, und mit Metall verkleide-
       in Tokio, Rom, Paris und Hongkong vertreten. Giorgio Armani liess sich von    te Säulen, eine seiner beliebten Materialmischungen. Zudem mussten die
       Marino auch seine Privatwohnung in Mailand ausbauen.                          Elemente auf das bestehende Deckenraster ausgerichtet sein. «Um dies
       Lange bevor es für ambitionierte Architekten chic wurde, sich mit Shop-       zu erreichen, erstellten wir als Vormontage ein Metallskelett für die Trenn-
       ping auseinanderzusetzen, erkannte Peter Marino das verkaufsfördernde         wände und gaben so den örtlichen Handwerkern präzise Anhaltspunkte mit
       Potenzial der Architektur für Luxusboutiquen. Für die Chanel-Boutique in      auf den Bau», erklärt Roland Keller der Firma Röthlisberger.
       Tokio entwarf er den zehnstöckigen «Tower of Light», ein Turm, auf dessen     Eine weitere Herausforderung sind die Glasschiebetüren, die den Konfe-
       Fassade nachts dank Faseroptik ein Netz unregelmässiger, zittriger senk-      renzraum und das Büro des Geschäftsinhabers abgrenzen. Sie werden per
       rechter und waagrechter Linien leuchten. Das dabei entstehende Muster         Knopfdruck bedient und sind praktisch unsichtbar, zumal keine Schienen
       lehnt sich an die für die Marke typischen, grob gewobenen Tweedstoffe         oder Metallrahmen verwendet wurden. «Andere Schreiner wollen nicht mit
       ihrer Deuxpièces an. In der Boutique herrschen dagegen geometrische For-      Metall oder Glas arbeiten, weil das nicht ihre Spezialität ist und sie kein
       men. So ist die prominente Treppe schwarz umrandet wie die Verpackung         Risiko eingehen wollen. Das ist zwar verständlich, aber mit Röthlisberger
       des legendären Parfums Chanel No. 5.                                          zusammenzuarbeiten, ist auch deshalb attraktiv, weil die Firma vor solchen

              Architektur, Innenausbau, Möbel Auf seine Vorgehensweise be-           _
                                                                                     Aufgaben nicht zurückschreckt», erklärt Peter Marino.

       fragt antwortet Marino: «Ich versuche jeweils, ein zentrales Konzept zu
       finden, eine tragende Idee. Doch vieles entsteht auch organisch. Manchmal
       bringt ein herumliegendes Materialmuster einen auf eine neue Idee. Um-
                                                                                                                                                                                           Louis Vuitton, Hongkong, 2005:
       gekehrt kann etwas als Konzept toll klingen, das aber in Realität gar nicht
                                                                                                                                                                                         Treppe mit wechselnden Projektionen.
       gut aussieht.» Für das 2004 eröffnete Louis-Vuitton-Geschäft an der Fifth
       Avenue in New York schuf Marino in der Mitte des vierstöckigen Lokals
       eine Wand aus leuchtenden Glasquadraten, die im Schachbrettmuster in
                                                                                                                                                                     Chanel Store, Hongkong, 2005:
                                                                                                                                                                    Dekorative Elemente verbinden
                                                                                                                                                                    die Etagen miteinander.
Beilage zu HochParterre 4 / 2009
18 /19 // Büroausbau

Materialvielfalt Ein Firmencampus
im Glaspalast         am Genfersee                                                                                                                                     Vom Attikageschoss des
                                                                                                                                                                         CEO-Flügels geht der

erforderte beim Büroausbau höchste                                                                                                                                Blick weit auf den Genfersee.                                                              Stahl, Glas, Holz,
                                                                                                                                                                                                                                                            Corian und ein

Qualität in Planung und Verarbeitung.                                                                                                                                                                                                                       Sandwichmaterial
                                                                                                                                                                                                                                                            mit Wabenstruktur
                                                                                                                                                                                                                                                            wurden eingesetzt.

       Text: Ariana Pradal, Fotos: Tim Soar                                           boards und den Tisch des Chefbüros realisiert. Komplex waren die Ent-
       Grosse internationale Firmen der Pharmabranche geben sich mit einfachen        wicklung und Konstruktion der Wände, denn sie mussten rigorosen Akus-
       Bauten nicht zufrieden. Der Hauptsitz von Serono am Genfersee nimmt sich       tikvorgaben entsprechen. Und sie mussten auf die Glashülle reagieren, die
       einen amerikanischen Universitätscampus zum Vorbild. Bauherr war der           sich je nach Wetterlage und Temperatur 40 Millimeter nach innen und nach
       damalige Mehrheitsaktionär und Firmenchef Ernesto Bertarelli. Kaum war         aussen neigen kann. Deshalb mussten die Gümliger flexible Elemente ent-
       der Bau auf dem 75 000 Quadratmeter grossen Gelände beendet, verkaufte         wickeln, die dem wechselnden Druck standhalten. Peter Röthlisberger be-
       er Serono 2007 an die deutsche Merck, und die neuen Besitzer zogen ein.        tont, dass die konstruktive Lösung, mit der die Wände an die Glasfassade
       Entworfen wurde der Komplex von dem aus Chicago stammenden Archi-              anschliessen, in dieser Art noch nie ausgeführt wurde. Zudem hatten die
       tekturbüro Murphy Jahn. Drei historischen Bauten stellten sie drei neue        Innenausbauer den Anspruch, dass die Lösung nicht nur technisch, son-
       Gebäude zur Seite. Sie sind unter einem grossen gewölbten Dach vereint         dern auch optisch überzeugte. Trotz der enormen Druckbelastung musste                                        Die hinterleuchtete
       und mit Passerellen verbunden. Die neuen, siebengeschossigen Büro- und         die gefundene Lösung des Problems auch im Detail minimal und elegant                                        Ornamentwand im betriebs-
       Laborgebäude bestehen aus einer raffinierten Glas-Stahl-Struktur, die in       daherkommen — was den Technikern auch gelungen ist. Dass der Finish                                         eigenen Restaurant
                                                                                                                                                                                                  verbirgt einen Korpus.
       ihrer Mitte zwei Plätze vereint. Der Campus überzeugt mit der technisch        aller Oberflächen und Möbel von höchster Qualität sein musste, versteht
       wirkenden Architektur und mit der Energieversorgung, die zu siebzig Pro-       sich für die Chefetage von selbst.
       zent aus erneuerbaren Quellen gespiesen wird. Hauptquelle ist das Wasser       Für das Restaurant konstruierte Röthlisberger die Ausgabetheke sowie wei-                                                       Möbel wie dieser
       des nahe gelegenen Sees, das fürs Heizen und Kühlen der Gebäude benutzt        tere Korpusse für das Essen und die Kassen. In einen der Korpusse bauten                                                     Schreibtisch wurden
       und unterirdisch zum Campus gepumpt wird. Das System haben die ver-            sie eine weisse Corianwand mit einem gefrästen Ornament ein. Von hinten                                                         eigens für Merck
       antwortlichen Ingenieure in Zusammenarbeit mit den kantonalen Behörden         beleuchtet schimmert diese Wand in verschiedenen Schattierungen. Mit                                                           Serono entwickelt.

       erarbeitet. Bald sollen auch die umliegenden Bauten davon profitieren.         Inkjet bedruckte grosse Glasscheiben dienen als Raumtrenner. Auch die-
                                                                                      ses Projekt stellt klar: Röthlisberger verarbeitet weit mehr als Holz und
              Innenräume im Materialmix Mackay + Partners — und vor allem ihr         bewältigt Aufgaben, die längst nicht mehr unserem Bild des Schreiners
       Projektleiter Gavin Harris — waren für den Innenausbau des gesamten Cam-       entsprechen, der nur an der Hobelbank steht.                                                                           Im CEO-Flügel arbeitet die Geschäftsleitung.
       pus verantwortlich. Nach Entwürfen und Vorstellungen der Londoner Archi-
       tekten realisierten die Fachleute von Röthlisberger den Empfang, einen Teil    Merck Serono Headquarters, 2007
                                                                                      > Adresse: 9, Chemin des Mines, Genf
       des Restaurants, die Kaffeeküchen und Sitzzonen auf den verschiedenen          > Architektur: Murphy Jahn, Chicago
       Etagen sowie den CEO-Flügel. «Ein grosses und wichtiges Projekt», blickt       > Innenarchitektur: Mackay & Partners, London;
       Peter Röthlisberger zurück, «aber auch komplex und herausfordernd.»              Projektleitung: Gavin Harris
       Stahl, Glas in mehreren Oberflächenbearbeitungen, Leder, Eiche, brünier-       > Fassade / Struktur: Werner Sobek Ingenieure, Stuttgart
                                                                                      > Energie: Transsolar Energietechnik, Stuttgart
       tes Messing, Corian oder Sandwichplatten mit Wabenstruktur sind nur eini­      > Generalunternehmen: Steiner, Genf
       ge der Materialien, die Röthlisberger in diesem Bau verarbeitet hat, der       > Akustik: AAB — J. Stryjenski & H. Monti, Genf

                                                                                      _
       Arbeitsplätze für 1200 Personen bietet. Für Peter Röthlisberger ging das       > Teilentwicklung / Ausführung Innenausbau und Innen­-
       riesige Projekt «oft an die Grenze des Machbaren, doch alle Beteiligten          architektur: Röthlisberger Schreinerei AG, Gümligen
       arbeiteten enorm gut zusammen.» Und dies obwohl die Bauherrschaft, die
       Innenarchitekten und die Schreinereifachleute aus Gümligen aus unter-
       schiedlichen Kulturkreisen stammen und andere Sprachen sprechen.
       Doch einmal mehr bestätigte sich die Regel: Ein Projekt ist nur so gut wie
       der Auftraggeber. Dass die Zusammenarbeit so gut geklappt hat, ist unter
       anderem auf den beruflichen Hintergrund des Bauherrenvertreters Mark
       Underhill zurückzuführen. Der Architekt stammt nicht — wie sonst oft bei
       solchen Aufträgen — aus dem Finanz- oder Marketingbereich. Mit ihm habe
       man bereits auf den Plänen Details besprechen können, zum Beispiel wie
       breit die Schattenfugen in einer Holzwand oder die Proportionen der Glas-
       türen ausfallen sollen, erinnert sich Peter Röthlisberger. Dieselbe Sorgfalt
       im Detail galt auch den Nähten und der Polsterung der Lederarbeiten
       oder den Kanten und Oberflächen der Möbel. Das war auch nötig, denn der
       damalige Bauherr Ernesto Bertarelli forderte sorgfältige Planung und per-
       fekte Ausführung für sein rasch wachsendes Eigentum.

              Flexible Wände Für den Innenausbau dieses Projekts setzten
       Röthlisbergers Fachleute neuste Technologien ein. Sie entwarfen Konst-
       ruktionen, die man noch nie so gelöst hat. Zu erwähnen sind die Arbeiten im
       CEO-Flügel, der sich zuoberst in einem Neubau unter dem Dach befindet.
       Röthlisberger hat hier alle Trennwände, Türen, Treppen sowie zwei Side-
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