Das Magazin - Aus dem Inhalt - für evangelische Pfarrer:innen - Pfarrerinnen- und Pfarrerverein

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Das Magazin - Aus dem Inhalt - für evangelische Pfarrer:innen - Pfarrerinnen- und Pfarrerverein
62.
Jahrgang
    1/22      Das Magazin
Hessisches       für evangelische Pfarrer:innen
 Pfarrblatt

                           Aus dem Inhalt

                           Masken

                           Autorität
                           und Authentizität

                           Kommunikation
                           im Internet

                           Schattenseite
 D 1268 F                                      1
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Masken

                                                                                 schauen
                         Tragen und ertragen

                         Am Anfang war das Geschrei groß – und die Diskussionen wurden lautstark geführt. Ob
Bettina von Haugwitz
                         es denn erwiesen sei, dass das was bringen würde. Dann kam die Maskenpflicht. Und jetzt
             Pfarrerin
          (Hasselroth)
                         bin ich schon froh, dass wir beim Reli-Unterricht derzeit keine FFP 2 Maske mehr tragen
                         müssen. Das war echt anstrengend.
                         Dabei hatten wir doch in früheren Zeiten so viel Spaß mit dem Maske-tragen. Schon im
                         Kindergarten kann man ganz wunderbare Masken basteln. Einfach einen Pappteller ge-
                         nommen, zerschnippelt und beklebt, und dann kann man damit herrlich spielen.
                         Wie schön, wenn nicht gleich alle sehen, was ich für ein Gesicht mache, welche Gefühle
                         mich grade überwältigen. Also auch für die Arbeit mit pubertierenden Jugendlichen eine
                         schöne Sache.
                         Wer eine Maske trägt, kann etwas verbergen. Wer eine Maske trägt, ist jemand anderes.
                         Schlüpft in eine andere Rolle. Verschwindet hinter seiner Maske. Wer eine Maske trägt,
                         verändert sich. Die Person tritt zurück, geht auf Distanz.
                         Gelegentlich ist das eine gute Erfahrung, hilfreich und anregend. Aber dauerhaft?
                                   Beim Einkaufen, Konzertbesuch und überall da, wo ich auf Menschen treffe,
                                        macht die Maske einfach alle zu Fremden. Dazu noch warm eingepackt
                                             mit Mütze und Schal – wenig Aussicht auf eine kurze, freundliche
                                             Begegnung.
                                               Solch eine Distanz tut richtig weh. Vor allem dort, wo Nähe wichtig
                                              ist. Im Altenheim, in der Kita, im Krankenhaus. Denn Distanz bedeu-
                                             tet: Komm mir nicht zu nahe. Bleib weg von mir. Nähe ist gefährlich
                                             … lebensgefährlich.
                                             Wie soll das weitergehen? Ohne Maske jedenfalls nicht (mehr). Meine
                                          Erfahrung: Mit Einschränkungen lebt es sich leichter, wenn Fantasie ins
                                       Spiel kommt. Kreativität ist gefragt. Es gibt viele Möglichkeiten, Resonanz zu
                                  erzeugen. Da bin ich mir sicher. Pastoral integrierend wie bei den Schweizer Kol-
                         leg:innen mit Mund-Nasenschutz in den liturgischen Farben. Oder kunstvoll fokussierend,
                         wie Marcel Gregory Stock, der Maske und Mensch in den Mittelpunkt stellt. Seine Bilder
                         überraschen. Seine Botschaft: Sieh genau hin, trau deinen Augen, vergiss deinen Humor
                         nicht.
                         Passt gut, denke ich – auch zur Fastnacht.
                         Da werden dunkle Mächte mittels Masken vertrieben. Auch nicht schlecht.

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Augen Blicke             Editorial

wagen
Liebe Leserin, lieber Leser,

Einer, der aus unseren Reihen kommt, sagte             Die neue Regierung Deutschlands möchte „mehr
jüngst: Wir wagen nicht mehr ausreichend. Die          Fortschritt wagen“. Es wird auch Zeit. Angesichts   Wolfgang H. Weinrich
                                                                                                           Publizist
Tugend des Mutes ist unterbewertet, weil es uns        von zunehmender Armut, wachsender Orien-
                                                                                                           (Darmstadt)
seit Genenationen gut geht. Wir leben seit vielen      tierungslosigkeit im demokratischen System der
Jahren ohne Krieg, ohne Not und mit beständig          Republik, zu beobachtendem Desinteresse am
wachsendem Wohlstand. Menschheitsgeschicht-            gesellschaftlichen Miteinander, mangelndes Zu-
lich ist das unnormal. Man kann so tun, als wäre       trauen in wirtschaftliches Handeln oder man-
dieser Zustand durch Stillhalten zu sichern. Aber      gelnde Integrationsbereitschaft von Fremden
wenn wir beispielsweise die Wirtschaft betrach-        und Fremdem.
ten, spüren wir, dass dies eine Haltung ist, die       Aufgaben für die Regierung. Aufgaben für den
innovationsfeindlich ist. Worte des Altbundes-         Staat. Für die Religionsgemeinschaften und Kir-
präsidenten Joachim Gauck (Die Zeit, 9.12.21)          chen. Für uns.
erhalten die Nachfrage: Wenn die Gesellschaft          Es ist an der Zeit, neue, im Grund immer be-
zuvor unter Übermut litt (Wilhelm II. / Adolf Hit-     rechtigte Fragen zu stellen. Welche Werte sollen
ler), leidet sie vielleicht jetzt unter Untermut?      gelten? Wem ist zu glauben? Welche Regeln
Die Antworten sind nicht einfach. Feststellbar ist,    werden benötigt? Welche Interessen werden be-
dass wenig gewagt wird, wenn nicht alles zuvor         dient? Was ist Haltung? Warum ist der Weg das
genauestens geklärt scheint. Wird gegen Daten-         Ziel? Was macht Hoffnung? Gibt es ein Recht auf
schutz verstoßen? Werden individuelle Rechte           Leben und Sterben?
eingeschränkt? Wird gegen Gleichheitsgebote            Die Evangelische Kirche gibt auf diese Fragen
verstoßen? Sind alle Belange aller (tatsächlich        Antworten. Sie bedient sich vieler (neuer) Mittel
aller) Beteiligten berücksichtigt? Ist es juristisch   und Wege. Beispiele im Magazin. Gut so. So ar-
einwandfrei?                                           beitet sie weiter an ihrem Auftrag, um des Him-
Untermut hat Raum gegriffen und dazu geführt,          mels willen für die Menschen da zu sein. Wagt
dass immer weniger Menschen Neues wagen.               Neues. Es ist an der Zeit! Auch hier.
Neues, das bislang nicht vorgesehen, gedacht,
geplant, versucht worden ist. Vielleicht haben
es sich auch zu Viele bequem gemacht, sich ein-
gerichtet, wollen noch den Status Quo erhalten.        Ihnen und Ihrer Arbeit Gottes Segen wünschend
Warum Neues? Eine alternde Gesellschaft, deren
Rente und Pensionen wichtiger sind als die Zu-
kunft ihrer Kinder und Kindeskinder und deren
Gestaltung? Der Satz von Konrad Adenauer
„keine Experimente“ lebt! Zu wenige nehmen             Chefredakteur
(große) Wagnisse auf sich, wagen Neues, das die
Gesellschaft voranbringen könnte. Startup – ver-
suchen es. Nicht viele, eher zu wenige. Die sind       Die kommende Ausgabe 2/22 beschäftigt sich
schnell die Dummen; werden verlacht, diskredi-         mit den Themen Ostern und neuem Leben!
tiert, bleiben chancenlos.

                                                                                                                            3
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Inhalt

                              Inhalts
                                 verzeichnis
             Masken                                                          Buchempfehlungen ................................. 22
             (Bettina von Haugwitz) ........................... 2
                                                                             A P. Matheson / H. Sommer-Matheson:
             Editorial                                                       Sei also ohne Sorge, Liebling
             (Wolfgang H. Weinrich) ........................... 3            (Jens Haupt)

             Autorität und Authentizität                                     B M. Käßmann / A.Helm:
             (Dr. Eberhard Pausch) .............................. 5          Mit mutigem Schritt zurück zum Glück
                                                                             (Kurt-Helmuth Eimuth)
             Der Augenblick sagt viel / M. G. Stock
             (Achim Ritz) ............................................. 8    C H. Wegner-Nord:
                                                                             Ohne Himmel ist die Erde ziemlich grau
             Maske und Beruf                                                 (Kurt-Helmuth Eimuth)
             (Prof. Dr. Freimut Schirrmacher) ............. 11
                                                                             D Revolutionäres Christentum –
             Leitbild Pfarrverein Kurhessen-Waldeck 13
                                                                             ein Plädoyer
                                                                             (Maria Kissel)
             Dein Gott ist mein Gott - Queer
             (Nele Nogeitzig) ....................................... 15
                                                                             E W. Ratzmann / P. Zimmerling:
                                                                             Predigten mit Liedern
             Einladung zur Mitgliederversammlung /
                                                                             (Manfred Holtze)
             Pfarrverein Hessen-Nassau ..................... 16

             Schattenseite: Jemen .............................. 17
                                                                             Drei Fragen an … Karl Wolf .................... 25
             Gemeindliche Kommunikation im Internet
             (Lutz Neumeier) ....................................... 18      Briefe an die Redaktion .......................... 26

             #digitaleKirche und ihr Boom –                                  Persönliches aus den Pfarrvereinen....... 27
             Wo Kirche wächst …
             (Jörg Niesner) ........................................... 21   Impressum ............................................... 27

             Save the date: Tag für Pfarrer:innen ..... 12                   neue sprache
                                                                             (Clara Baum)............................................. 28

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Kontroverse

                                                               kritisch
Authentizität und Argumente:
Warum der Protestantismus gute Autorität braucht

Worms 1521                                               mehrmalige Berufung auf das je-eigene Gewissen,
                                                                                                               Dr. Eberhard Pausch
                                                         argumentativ schließlich der Verweis auf die Zeug-
Als Martin Luther 1521 vor dem Wormser Reichs-                                                                 Studienleiter
                                                         nisse der Schrift und die klaren Vernunftgründe.
tag auftrat, war sein Leben in Gefahr. Das wusste                                                              Evangelische Akademie
er. Aber er scheute den Autoritätskonflikt mit der                                                             (Frankfurt)
römisch-katholischen Kirche und auch mit dem             Konservativ-autoritäre
mächtigen Kaiser nicht. Er wollte die Kirche erneu-
ern. Stattdessen kam es zur Bildung einer neuen,
                                                         Traditionen in der Kirche
der evangelischen Konfession. 500 Jahre später           Kirchliche Autorität steht auch heute in der Dis-
wurde in Worms und an anderen Orten des dama-            kussion. Für die römisch-katholische Kirche ist
ligen Geschehens gedacht. Zugleich autoritätskri-        die Autoritätsfrage allerdings spätestens seit dem
tisch, authentisch und argumentativ klingen noch         Unfehlbarkeitsdogma von 1871 klar gelöst: Die
heute die Worte, die Luther damals fand und öf-          Kirche selbst, der Jurisdiktionsprimat des Papst-
fentlich aussprach: „… wenn ich nicht durch Zeug-        amtes sowie seine unterstellte Unfehlbarkeit in
nisse der Schrift und klare Vernunftgründe über-         Glaubensfragen „ex cathedra“ sichern dort ein
zeugt werde; denn weder dem Papst noch den               Herrschaftssystem, das von Basisbewegungen wie
Konzilien allein glaube ich, da es feststeht, dass sie   „Maria 2.0“ zwar angekratzt, aber bis heute nicht
öfter geirrt und sich selbst widersprochen haben,        wesentlich erschüttert werden kann. Nicht nur aus
so bin ich durch die Stellen der Heiligen Schrift, die   evangelischer Sicht ist das tragisch.
ich angeführt habe, überwunden in meinem Ge-
wissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher           Kritik an Autoritäten, speziell auch kirchlichen,
kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das      wurde seit der Aufklärung immer heftiger. Das gilt
Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam          auch für die modernen Gestalten der Aufklärung,
ist. Gott helfe mir, Amen!“ Autoritätskritisch war       den Kritischen Rationalismus und die Kritische The-
der Zweifel an Papst und Konzilien, authentisch die      orie der Frankfurter Schule. Der Anarchismus und

                                                                                                                                5
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Kontroverse

                                                                      strategisch

                                                  die antiautori-     on“) auf den Weg brachten, dachten sie, wie ge-
                                                  täre Bewegung       sagt, nicht antiautoritär oder anarchistisch. Auch
                                                  bezweifeln so-      der Gedanke an eine autonome Vernunft, den
                                                  gar alle Auto-      später die Aufklärung ins Spiel brachte, lag ihnen
                                                  ritäten. Diese      fern. Vielmehr setzten sie der Autorität der Kirche
                                                  beiden      Strö-   und des Papstes die Autorität der Bibel als Wort
                                                  mungen        ha-   Gottes als Grundlage für den christlichen Glauben
                                                  ben allerdings      entgegen. Dieser strategische Geniestreich muss-
                                                  im deutschen        te in der Folgezeit teuer bezahlt werden. Denn
                                                  Protestantis-       es entstand ein fundamentalistischer Flügel des
                                                  mus bis heute       Protestantismus, der die Lehre von der „Verbal-
                                                  wenig      Reso-    inspiration“ der Bibel etablierte und die evangeli-
                                                  nanz     erzielt.   sche Kirche bis heute von innen her belastet und
                                                  Das hat mit         spaltet. Biblizismus und Literalismus lagen Luther
                                                  theologischen       selbst zwar fern. Denn obwohl er die Kenntnis der
                                                  Prämissen wie       Bibel für unabdingbar wichtig hielt, war sie für ihn
              der „Zwei-Regimenten-Lehre“, aber auch mit der          kein Gesetzbuch. Und sie war auch kein „papiere-
              Historie des Staatskirchentums zu tun. Bekanntlich      ner Papst“, beanspruchte also keine Unfehlbarkeit
              geboten die Fürsten über die Konfession ihrer Lan-      für sich. Sie war vielmehr ein Kunstwerk, gebildet
              deskinder, und der König von Preußen war obers-         aus vielen einzelnen Büchern, geschrieben von irr-
              ter Bischof seiner Landeskirche. Daher bildete sich     tumsfähigen Menschen. Daher gewichtete Luther
              oft ein „autoritätsfrommes“ Bewusstsein aus, und        die Bücher der Bibel auch unterschiedlich stark.
              es entstanden starre Administrationssysteme, die        Die Paulusbriefe bedeuteten ihm etwa mehr als
              bis heute Bestand haben. Überhaupt, Preußen als         der Jakobusbrief. Sein Kriterium dafür war, ob eine
              protestantische DNA! In der Regierungszeit Fried-       Schrift „Christum treibet“, also die Botschaft von
              rich Wilhelms (des Vaters Friedrichs des Großen)        der bedingungslosen Liebe Gottes zu uns Men-
              wurden Pastoren regelmäßig zuerst als Militär-          schen in den Vordergrund stellt oder nicht. Gottes
              geistliche („Feldprediger“) eingestellt, bevor sie in   Liebe zählt. Und die Bibel zählt, weil und sofern
              normalen Gemeinden Dienst tun durften. So lern-         sie von dieser Liebe erzählt. Luthers Theologie war
              ten sie früh, sich mit dem Geist ihres militaristisch   somit keineswegs „fundamentalistisch“.
              ausgerichteten Staates zu identifizieren. Auch vor
              diesem Hintergrund erklärt sich, warum die Pfar-        Gute und schlechte Autorität
              rerschaft in ihrer großen Mehrheit die Weimarer         Vielleicht ist ja ohnehin jegliche Art von Fundamen-
              Demokratie ablehnte und stattdessen lieber im           talismus ein Ausdruck von „schlechter Autorität“.
              März 1933 mit Hitler und Hindenburg den „Tag            Es gibt nämlich zwei Arten von Autorität: gute und
              von Potsdam“ feierte.                                   schlechte. Sie sind anhand von mindestens fünf
                                                                      Merkmalen phänomenologisch klar voneinander
              Kirchlich-päpstliche                                    zu unterscheiden.
              versus biblische Autorität                              1. Gute Autorität sucht Gründe und Rechtfertigun-
              Als Luther und Zwingli in den 1520er Jahren die         gen für ihre Behauptungen und Handlungen. Sie
              protestantische Reformbewegung („Reformati-             rekurriert auf Argumente. Schlechte Autorität ver-

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Das Magazin - Aus dem Inhalt - für evangelische Pfarrer:innen - Pfarrerinnen- und Pfarrerverein
Kontroverse

selbstkritisch

zichtet auf Begründungen und Rechtfertigungen.         nach vorne drängt und nach „kultureller Hege-
Sie behauptet und beharrt.                             monie“ (Gramsci) strebt. Der Fall des Bischofs
2. Gute Autorität beansprucht Verständlichkeit         Rentzing ist eine Spitze eines vielzackigen Eisber-
und appelliert an die Einsicht. Schlechte Autorität    ges.
basiert auf der Struktur von Befehl und Gehorsam.      Wo nach außen hin Liberalität behauptet wird,
3. Gute Autorität beruht auf der Authentizität,        agiert man nach innen oft mit der von Herbert
also der Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit des-       Marcuse so eindringlich beschriebenen „repressi-
jenigen, der Autorität in Anspruch nimmt. Schlech-     ven Toleranz“: Die Kirchen lassen alle möglichen
te Autorität wirkt unglaubwürdig, weil sie mit Be-     theologischen Auffassungen und Lehrmeinungen
liebigkeit und Willkür verbunden ist.                  in ihrer Mitte gelten, so dass eine unübersichtliche
                                                       Pluralität von Wahrheitsansprüchen entsteht. Ein
4. Gute Autorität ist jederzeit selbstkritisch und
                                                       Beispiel: Der Bremer Pastor Olaf Latzel hätte zu-
lernfähig, schlechte Autorität ist unbelehrbar und
                                                       allererst, längst bevor Staatsanwaltschaft und Ge-
beratungsresistent.
                                                       richte sich mit ihm beschäftigen mussten, einem
5. Gute Autorität eröffnet Freiheitsspielräume und     kirchlichen Lehrbeanstandungsverfahren unter-
fordert Verantwortung ein. Schlechte Autorität will    zogen werden müssen. Fundamentalistische, lite-
dagegen starr normieren, gesetzlich fixieren und       ralistische und reaktionäre Theologien zerstören
bei Verstößen hart sanktionieren.                      die Kirche von innen und sollten nicht geduldet
                                                       werden. Der faktische kirchliche Pluralismus führt
Repressive Toleranz und                                aber dazu, dass sich antagonistische Kräfte gegen-
reaktionäre Selbstblockaden                            seitig lähmen und echter Fortschritt nicht möglich
Diese kleine Phänomenologie guter und schlech-         wird. Die strukturelle Fortschrittsblockade des
ter Autorität lässt sich auf ganz verschiedene sozi-   Protestantismus wird etwa sichtbar in der nahe-
ale Systeme anwenden. Die Politik, aber auch die       zu irreduziblen Vielzahl der Landeskirchen, in den
Religionen und Kirchen liefern immer wieder Bei-       vielen Unabhängigkeit beanspruchenden Klein-
spiele für die dunklen Seiten von Autorität. Offen     und Kleinstgemeinden in diesen Kirchen, und in
repressiv verfährt die evangelische Kirche heute       der großen Zahl der innerhalb einer Kirche jeweils
nur noch selten. Aber ihre oft gepriesene Libe-        bestehenden Organe, Gremien, Ausschüsse und
ralität ist leider mitunter nur der Deckmantel für     Lobbygruppen, die alle stets Beteiligung fordern
Starrsinn, Dogmatismus und ein gut getarntes,          und im Zweifelsfall einander ausbremsen und blo-
gestaffeltes Sanktionsregime. Denn auch Kirchen        ckieren.
bergen Wölfe in Schafspelzen in ihrer Mitte. Die       Wenn der Protestantismus zukunftsfähig sein will,
„dunkle Seite der Macht“ findet sich nicht nur         ist er auf „gute Autorität“ angewiesen. Also auf
vor langer, langer Zeit in einer Galaxie weit, weit    eine Autorität, die sich verständlich machen will
entfernt von der unseren, sondern mitten unter         und auf die Einsichtsfähigkeit der Glaubenden
uns. Die Bundesarbeitsgemeinschaft „Kirche und         vertraut. Die selbstkritisch und lernbereit auftritt.
Rechtsextremismus“ kritisiert schon lange, dass        Die Freiheit erschließt und zugleich Verantwor-
auch in der evangelischen Kirche Rechtsextremis-       tung einfordert. Gute Autorität braucht Argu-
mus und Antisemitismus fröhliche Urständ feiern.       mente und Authentizität. In Luthers Worten: klare
Und es gibt immer wieder Anzeichen dafür, dass         Vernunftgründe und ein Gewissen, gefangen im
die „Neue Rechte“ im deutschen Protestantismus         „Wort Gottes“. 				                               

                                                                                                                       7
Das Magazin - Aus dem Inhalt - für evangelische Pfarrer:innen - Pfarrerinnen- und Pfarrerverein
Masken              Marcel Gregory Stock

                                                                                  lebendig
                        Der Augenblick sagt viel

                        Marcel Gregory Stock zeigt in seinem Bildband       sind bunte Fotos und Erzählungen aus einer Kri-
         Achim Ritz     #BEHINDTHEMASK wer und was hinter dem               se, die die Menschen auf ganz unterschiedliche
    freier Journalist
                        Stück Stoff steckt.                                 Weise getroffen hat. Marcel Gregory Stock hat
                        Im Moment zählt der Augenblick. Wenn während        sie alle fotografiert und um rund 50 Interviews
                        der Pandemie alle Menschen eine Maske tragen        von Björn Eenboom ergänzt. Seine Porträts zei-
                        und niemand Gesicht zeigt, wenn die Mimik sich      gen, was man in den Augen sieht.
                        hinter einem Stück Stoff versteckt, dann ist der    Die thematische Aufteilung des Bildbandes erin-
                        Blick in die Augen entscheidend. Sie können         nert an eine LP der Beatles. Der Künstler hat fünf
                        Geschichten erzählen, von Hoffnung und Trauer       Songs als Titel ausgewählt, die sich manchmal
                        berichten und die Stimmung ausdrücken. „Man         wie Klagelieder anhören. „Help“ rufen Gastwir-
                        kann mit den Augen auch flirten“, sagt Marcel       te, Eventagenturen, Hoteliers oder die Kranken-
                        Gregory Stock. Das habe er einmal im Super-         schwester, die im Gespräch mit Marcel Gregory
                        markt zwischen der Kassiererin und einem Kun-       Stock Tränen in den Augen hat, wenn sie an die
                        den beobachtet. Dieses Erlebnis gab dem Foto-       in der Klinik verstorbenen Menschen denkt. „Vie-
                        grafen einen Impuls. Wer oder was steckt hinter     le waren noch so jung“, sagt die Pflegerin. „Yes-
                        der Maske? Darauf hat der 35-Jährige viele Ant-     terday“ – der Fotograf denkt an das Gestern, die
                        worten gefunden. #BEHINDTHEMASK heißt sein          schöne Zeit Ende 2019. „Here comes the sun“
                        neuer Bildband mit 160 Porträts und Geschichten     – mit der Leichtigkeit eines lauen Sommerwindes
                        von Menschen – mitten in der Krise.                 wehen sinkende Inzidenzzahlen später wieder
                        Die Tapete hat viele Augen. Im Büro von Marcel      sonnige Gedanken in den Alltag. Die Hoffnung
                        Gregory Stock schauen ihm rund 70 Menschen          wächst, bevor dann viele Menschen mit Delta
                        täglich bei der Arbeit zu. Mal mit Maske, mal       und Omikron zwei Buchstaben aus dem griechi-
                        ohne Mund-Nasen-Schutz – Dutzende Fotos sei-        schen Alphabet kennenlernen mussten, die wie
                        ner Protagonisten aus dem Bildband schmücken        die Rufe der Kassandra Unheil ankündigen.
                        die Wände. Die Menschen begleiten ihn. Viele        Marcel Gregory Stock hatte keine großen
                        lassen ihn nicht mehr los. Ihre Geschichten wer-    Schwierigkeiten, das Vertrauen von prominenten
                        den mit Blick in den Bildband wieder lebendig. Es   Gesprächspartnern wie Ben Becker, Dieter Hal-

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Marcel Gregory Stock                          Masken

philosophisch

lervorden oder des ehemaligen Gesundheitsmi-           Porträtierten, die die zwei Stablampen parallel
nisters Jens Spahn und seines Nachfolgers Karl         hochhielten, sah das auch aus wie Gitterstäbe. Das
Lauterbach zu gewinnen. „Ich bin mit offenen           passte zu Lockdown und Kontaktsperre, als viele
Armen empfangen worden, viele haben sich ge-           das Gefühl hatten eingesperrt zu sein, sagt Stock
freut, dass mal jemand fragt, wie es ihnen geht.“      und ergänzt: „Außerdem gibt sich jeder selbst das
Alle haben erzählt, was die Krise mit ihnen ge-        Licht in der dunklen Zeit.“
macht hat und wie sie ihr Leben verändert hat.         Der Satz hat etwas Philosophisches, klingt wie ein
Bei seiner Reise durch 40 Städten hat er mit Men-      Rezept. Die eigene Resilienz stärken, sich selbst
schen gesprochen, „die einen Querschnitt unse-         motivieren, positiv denken und dann raus aus der
rer Gesellschaft abbilden“.                            Krise – vielleicht mit der innovativen Idee, die Men-
Als der Fotograf mit seiner Canon EOS 5D Mark          schen in der Pandemie künstlerisch in Szene zu
II auf den Schornsteinfeger, die alleinerziehende      setzen. So einfach ist es nicht für alle. Viele Men-
Mutter, das seit 65 Jahren verheiratete Ehepaar,       schen sind traurig, müde, gar verzweifelt, weil sie
die Pflegefachkraft im Seniorenheim, den Bischof       unter der Pandemie leiden, Freunde verloren ha-
in Magdeburg oder den Sänger Thomas Anders             ben oder wie Dieter Hallervorden um sein Theater
zuging, mussten diese Hauptdarsteller vor der          in Berlin bangen musste. Der 86-jährige Schau-
Kamera bei der Beleuchtung selbst die Regie            spieler wickelte sich beim Foto-Shooting mehrere
übernehmen. Allen drückte der Fotograf zwei            FFP2-Masken um die Hände und wollte damit das
Stablampen, die Mechaniker bei der Autorepara-         Virus einfach wegboxen.
                     tur am Motor gern verwen-         „Wenn man Menschen mit Maske sieht, malt
                        den, in die Hände, damit       man sich aus, wie das Gesicht wirklich aussehen
                          sie sich selbst ins rechte   könnte. Fantasie und Realität klaffen da meist aus-
                           Licht rücken. „Das hat      einander“, so die Erfahrung von Marcel Gregory
                           vielen geholfen, weil       Stock, der in Frankfurt aufgewachsen ist und heu-
                          man beim Fotografie-         te in Limburg wohnt. „Ich mag beim Fotografieren
                         ren nie weiß, wohin mit       den Doku-Stil und will mit der Kamera Menschen
                       den Händen. Bei manchen         begleiten, die eine Geschichte erzählen.“

                                                                                                                        9
Masken   Marcel Gregory Stock

                                                                  mutig

              Für seinen Bildband hat er mehr rund 25.000
              Fotos gemacht. Er weiß, was es bedeutet, vor
              der Kamera zu stehen, denn seit knapp zehn
              Jahren bringt er sich vor der Linse der digitalen
              Fotoapparate in Stellung. Nach seiner Ausbildung
              im Groß- und Außenhandel und während seines
              BWL-Studiums hat er seine Kariere als Model
              gestartet und nach fünf Jahren die Position ge-
              wechselt, das heißt die Kamera selbst in die Hand
              genommen, um sich ein Bild von anderen Men-
              schen zu machen, ein Foto, das auch ohne Worte
              alles sagt.
              Mit dem Weitwinkel ist Marcel Gregory Stock
              ganz nah an den Menschen. Die Begegnungen           miert ist und sich seiner Kirchengemeinde zu-
              und Gespräche haben Tiefgang. Neulich habe er       hause fühlt. „In der Kirche zu sein, ohne Handy,
              seit langem mal wieder einen Gottesdienst be-       nur die Orgelmusik, da kannst Du nachdenken,
              sucht. „Das hat mir Mut gegeben. Die Kirche         das tut gut, da kommst Du runter. Das ist wichtig
              ist für viele Menschen ein Zufluchtsort, wo man     in Krisenzeiten“, sagt Marcel Gregory Stock. Die
              Harmonie sucht und wo manche auf ihre Weise         Sicht nach innen, dieser Augenblick in der Kirche
              beten“, sagt der Mann, der getauft und konfir-      zählt für ihn.				                             

              + Termin vormerken + Termin vormerken + Termin vormerken +
                                               Der Pfarrerinnen- und Pfarrerverein
                                   in der Evangelischen Kirche Hessen und Nassau e.V. lädt ein:
                                     Tag für Pfarrerinnen und Pfarrer
                                         22. Juni 2022 · Friedberg
                        u.a. mit Erik Flügge – Autor des Buches „Eine Kirche für viele statt heiligem Rest“
                        Die Einladung (mit Anmeldemöglichkeit) ist zu finden im Magazin für evangelische
                             Pfarrer:innen 2/2022 und wird zusätzlich an unsere Mitglieder verschickt.

              + Termin vormerken + Termin vormerken + Termin vormerken + Termin vormerken +

10
Pandemie

                                                          markieren
Maske und Beruf –
Eine kurze Verhältnisbestimmung in der Pandemie

1. Maske und Rolle                                        Beziehungsfeld. Der oder die Rollenträger/in gestal-
                                                                                                                    Prof. Dr.
Die Maske ist zur Ikone der Corona-Pandemie ge-           tet nämlich mit seiner oder ihrer Person die Vorga-
                                                                                                                    Freimut Schirrmacher
worden. Welche Folgen ergeben sich daraus für             ben des Rollenprofils in einer letztlich unnachahm-
                                                                                                                    Pfarrer
Berufe, die sich besonders auf Beziehungs- und            lichen Weise. Das ist Grundlage allen Theaterspiels:      Bundesbereitschafts-
Prozessgestaltung beziehen? Zunächst einmal:              dass Schauspieler*innen ihre Rollen „ausfüllen“, ge-      polizeidirektion
Menschen schützen sich mit Masken, sie verändern          stalten und auch prägen können. Die Metapher der          (Kassel)
aber auch Kommunikation und Wahrnehmung und               Rolle engt also nicht ein, sondern öffnet – auch für
sind Zeichen der Fürsorge und des Selbstschutzes,         professionelle Berufswahrnehmung und etwa auch
ebenso wie Homeoffice, Zoom-Konferenzen, Ver-             Leitungsaufgaben – ein Spektrum. Sie ermöglicht
änderungen der Arbeitsabläufe. Der Gebrauch der           „Rollensicherheit“ und erschließt ein ganz eigenes
Maske steht dabei in einer kulturgeschichtlichen          Feld von Kreativität und Reflexivität. Beide, Rolle und
Tradition: Masken schützen Menschen voreinander,          Person, entwickeln sich aneinander, bleiben aber
aber sie verbergen und täuschen auch, oder ermög-         unterschieden: Die Person konkretisiert die Rollen-
lichen (zeitweise) Perspektivwechsel.                     vorgaben mit ihren individuellen Ausdrucksmöglich-
                                                          keiten und die Rolle gewinnt durch die Person ihre
Ergibt sich daraus auch ein verändertes Verständnis
                                                          unnachahmliche Ausprägungsgestalt. Dabei gibt es
professioneller Berufsausübung, etwa im Pfarramt?
                                                          keine starre Schnittstelle (wie im Bild der Maske),
Aufgrund der Starrheit einer Maske sicher nicht. An-
                                                          aber dennoch fallen Rolle und Person nicht vollstän-
ders der Begriff der Rolle, der in der Professionslite-
                                                          dig ineinander. Es leuchtet ein, dass ein solches Me-
ratur eine wichtige Bedeutung hat. „Maskenhaft“,
                                                          taphernfeld für die Reflexivität von Berufen bzw. der
„maskiert“, „hinter einer Maske“ – das markiert
                                                          Beziehung einer Person zum Beruf leistungsfähiger
dagegen in der Regel eine Problemanzeige: die
                                                          ist als das der Maske – und dass sich so ein spezi-
Eigentlichkeit (oder Authentizität) des Menschen
                                                          fisches Profil für Supervision und Coaching in Bezug
wird konfrontiert mit einer quasi erstarrten Berufs-
                                                          auf das eigene Rollenverhalten ergibt.
realisierung. Dies lässt keine dynamische oder kons-
truktive Entwicklung und Situationsangemessenheit
zu. Dies aber ist für professionelle Berufsausübung       2. Berufsidentität und Maske
grundlegend. In Berufsausübung und Führung                Lehramt, Pfarramt, Sozialpädagogik oder auch Po-
kommt es zwar wesentlich auf Rollensicherheit, und        lizei stellen etwa solche Professionen dar. In ihnen
Verlässlichkeit an, aber nicht auf Starrheit ohne Si-     haben Beziehungsfähigkeit und Prozessgestaltung
tuationsreflexivität. Dies gilt für die Rolle des oder    grundlegende Bedeutung, in z.T. vorgegebenen
der Unterrichtenden ebenso wie im Pfarramt, in der        Settings. Darauf muss sich auch eine kontinuier-
Sozialpädagogik, aber auch bei der Polizei. Masken-       liche Reflexion der Rollenwahrnehmung beziehen.
haftigkeit assoziiert eine (letztlich auch unmensch-      Sonst besteht die Gefahr, dass das Bezugsfeld von
liche) Unbeweglichkeit – und verhindert situations-       Person und Rolle ins Ungleichgewicht gerät: ent-
angemessenes Handeln. Anders ist dies bei dem             weder beeinträchtigen unreflektierte Impulse der
ebenfalls aus dem Schauspielbereich entlehnten            Person die Rollenwahrnehmung oder aber Anfor-
Begriff der Rolle. Hier ist Dynamik schon von vorn-       derungen der Berufswahrnehmung verlieren den
herein inkludiert: die Rolle setzt einen Rahmen, ist      Bezug zur Person. Im letzteren Falle besteht tat-
aber ausgestaltbar und hat auch eine Schutzfunk-          sächlich die Gefahr der Maskenhaftigkeit, so dass
tion für den oder die Rollenträger/in. Dabei ergibt       das berufliche Handeln unglaubwürdig und „auf-
sich „zwischen“ Person und Rolle ein dynamisches          gesetzt“ wirkt: Die Person ist dann aufgrund quasi

                                                                                                                                   11
Pandemie

           distanzieren

           mechanisierter Vollzüge im Handeln gar nicht mehr         Kommunikation wird störanfälliger, weil Ge-
           erkennbar. Im ersteren Fall können übersteigerte An-        sichtsmimik oder „emotionale Zwischentöne“
           liegen nach Anerkennung, Bedürfnisbefriedigung              schlechter erkennbar sind,
           oder (im Pfarrberuf nicht ganz selten) Weltbesse-         Feed backs aus Gesprächsverhalten und intuiti-
           rung die reflektierte Rollen-wahrnehmung zerstören          ven Reaktionen sind weniger präzis möglich,
           oder zumindest überlagern: Wahrnehmen und Han-            nicht alle Themen können überhaupt bei Mas-
           deln im Berufskontext stehen dann in der Gefahr,            kierung oder in Zoom-Konferenzen angespro-
           sich immer mehr nach den Bedürfnissen der Person            chen werden, insbesondere emotionale Aspek-
           zu orientieren und zu verabsolutieren – mit zum Teil        te verlangen nach zusätzlichen Kommunika-
           zerstörerischen Folgen. In beiden Fällen entkoppelt         tionsmöglichkeiten.
           sich jedenfalls aber die Beziehung von Rolle und Per-    Kommunikation wird im Distanzmodus also an-
           son, so dass es zu Überlastungsszenarien und Stress      strengender, auch Führen wird in der Pandemie
           kommt. Es kann sich auch eine Entwicklung über           schwieriger: die Gefahr von Missverständnissen und
           verschiedene Erschöpfungsstadien zum hin zum             Konflikten steigt, Vertrauen bedarf der Pflege und
           Burn-out ereignen, im Bemühen, das empfundene            es erscheint schwieriger, Sicherheit aufzubauen. Er-
           Defizit immer intensiver und aktiver erreichen zu        forderlich sind daher in der Pandemie besondere
           wollen – und daran letztlich zu scheitern.               Achtsamkeit und eine bedachtsame Erweiterung
           Die sensible Beziehung von Person und Rolle wird         des Handlungsspektrums, insbesondere durch:
           in einigen professionellen Berufsfeldern noch er-         strukturierte Feedback-Phasen, Kultur der Feh-
           weitert um die der Organisation, so dass sich eine          lerfreundlichkeit
           Trias ergibt: Das professionelle Handeln interpre-        Möglichkeit für zusätzliche persönliche Kontakt-
           tiert quasi das „offizielle“ Bild der Organisation. Da      aufnahmen bei emotional sensiblen Problemlagen
           mag in Kirche, Kultusministerium, Sozialeinrichtung       Gesprächsstrukturierungen und Moderation
           oder Polizeidirektion vieles an Absichtserklärungen       Phasen zum Austausch zur Befindlichkeit in der
           und Stellungnahmen ergehen – wirksam und an-
                                                                       Pandemie-Situation
           schaulich wird eine Organisation durch konkrete
                                                                     Offenheit für Reflexion und Weiterentwicklun-
           Beziehungen, Begegnungen und Erfahrungen mit
                                                                       gen von Mischformen der Kommunikationsme-
           konkreten Akteur:innen. Personalführung und Or-
                                                                       dien
           ganisationsentwicklung haben also die besondere
                                                                    Die Pandemie verändert aufgrund des Zwanges zu
           Aufgabe, hierfür Raum und Sicherheit zu geben.
                                                                    Distanzkommunikation also die Beziehungsgestal-
           Dies geht sicher auch nur mit kontinuierlicher Refle-
                                                                    tung in professionellen Berufen. Dies bedeutet aber
           xion des Führungsverhaltens.
                                                                    nicht zwingend, dass Kommunikation maskenhaft
                                                                    erstarren muss. Dieser Gefahr aber ist aktiv entge-
           3. Maske und Pandemie                                    genzuarbeiten. Das Bedingungsgefüge aus Person,
           Was bedeutet der von Maskierung und Distanzie-           Rolle und Organisation, wie es für professionelle Be-
           rung geprägte Kontext also für professionelle Be-        rufsausübung kennzeichnend ist, gilt es zu sichern,
           rufsausübung? Es zeigen sich eine Reihe von Gefah-       weiterzuentwickeln und an die Distanzsituation an-
           ren, insbesondere:                                       zupassen. Entsprechend nimmt die Bedeutung der
            Die eigene Beziehungsgestaltung kann zu „emo-          Reflexivität, d.h. der Supervision, in der Pandemie
             tionaler Maskenhaftigkeit“ erstarren, sich also        zu. So wird die Maske zum Ausgangspunkt des
             auf eine Informationsebene reduzieren,                 Nachdenkens über das eigene Selbstverständnis. 

12
Orientierung

                                      solidarisch
Leitbild Pfarrverein Kurhessen-Waldeck

Der Pfarrverein Kurhessen-Waldeck ist ein               Leitbild
freiwilliger Zusammenschluss von Pfarrerin-
                                                        1. Der Pfarrverein versteht sich als Solidargemein-
nen und Pfarrern, Vikarinnen und Vikaren in
der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Wal-                schaft der Pfarrer:innen und Vikar:innen in der
deck.                                                      Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck.
                                                           Hierzu bietet er vielfältige Unterstützungsleis-
                                                           tungen, wie zum Beispiel:
Gründung
Der Pfarrverein Kurhessen-Waldeck ist am 1. Ok-
                                                        		 Gewährung von Beihilfen zur Anschaffung
tober 1891 gegründet worden als Interessenver-
                                                        			 eines Talars, zum Berufsstart, zum Dienst-
tretung der Pfarrerschaft mit dem Wunsch nach
                                                        			 zeitende und in persönlichen Notsituatio-
mehr Gemeinschaft miteinander, nach Förderung
                                                        			 nen, sowie in der Ausbildung, Fort-/Weiter-
der theologischen Arbeit und Beihilfe zur mate-
                                                        			 bildung (Studiensemester), sowie bei Pro-
riellen und sozialen Sicherung des Pfarrerstandes
                                                        			 motions- und Habilitationsvorhaben;
einschließlich rechtlicher Vertretung. Diese Ziele
                                                        		 persönliche Beratung und Begleitung in
sind bis heute gültig für das Selbstverständnis des
                                                        			 schwierigen beruflichen und privaten Situ-
Vereins.
                                                        			ationen;
                                                        		 anwaltliche Erstberatung
Vorstand & Organe                                       			bei Dienstrechtsfragen;
Der Vorstand besteht aus 5 Mitgliedern, die der         		 Versicherungen;
Gesamtausschuss für eine Zeit von 6 Jahren wählt.       		 Pfarramtskalender.
Dazu gehören der oder die Vorsitzende samt Stell-
vertretung, sowie drei Mitglieder und drei Bei-            Neben finanziellen Beihilfen und anderen Sach-
sitzende mit beratender Stimme (Vertretung der             leistungen bietet der Pfarrverein auch günstigen
Vikar:innen, Vertretung der Ruheständler:innen,            Wohnraum, bislang vor allem für die Zeit nach
Pfarrer:innenvertretung), sowie der Schatzmeister.         Beendigung des aktiven Dienstverhältnisses und
Der Gesamtausschuss besteht aus dem Vorstand               dem damit verbundenen Auszug aus dem Pfarr-
und den Vertrauensleuten aus den Kirchenkreisen            haus.
und trifft sich einmal im Jahr und ist offen für alle
Mitglieder. Jahresabschluss und Haushaltsplan           2. Der Pfarrverein sieht sich als „Sprachrohr“ sei-
werden durch den Gesamtausschuss genehmigt.                ner Mitglieder gegenüber dem Dienstgeber. Er
Die Mitgliederversammlung wird nach Bedarf vom             vertritt die Interessen seiner Mitglieder in der
Vorstand einberufen.                                       Öffentlichkeit und gegenüber dem Dienstgeber.
Der Pfarrverein hat zurzeit 1134 Mitglieder, dar-          Als berufsständische Organisation arbeitet er
unter ca. 65 % im aktiven Dienst und 35% Ruhes-            eng mit der gesetzlich geregelten Pfarrvertre-
tändler:innen (Stand Januar 2021). Im Pfarrverein          tung und der Mitarbeitervertretung zusammen
sind ca. 90% der aktiven Pfarrerinnen und Pfarrer          und fördert deren Arbeit.
Mitglied.
Die Verwaltung des Pfarrvereins wird vom Kirchen-       3. Der Pfarrverein fördert die theologische Diskussion.
kreisamt Kirchhain-Marburg wahrgenommen.                   Gemeinsam mit dem Evangelischen Pfarrerin-
Das Sekretariat des Pfarrvereins befindet sich in          nen- und Pfarrerverein in Hessen und Nassau
Kassel.                                                    gibt er das “Hessische Pfarrblatt” als Forum der

                                                                                                                         13
Orientierung

               Kurhessen-Waldeck

                 theologischen und gesellschaftspolitischen Dis-      5. Der Pfarrverein pflegt die Gemeinschaft der Mit-
                 kussion heraus.                                         glieder, er gibt den Pfarrerinnen und Pfarrern im
                 Er veranstaltet dazu jährlich einen Pfarrtag, auch      Ruhestand eine „Heimat“, tritt für den theo-
                 um den Austausch und die Gemeinschaft zu                logischen Nachwuchs ein und fördert diesen.
                 fördern.
                 Der Pfarrverein trägt zur Weiterentwicklung des      6. Der Pfarrverein initiiert innovative Projekte zur
                 Berufsbildes „Pfarrerin bzw. Pfarrer“ bei.              Gestaltung der Arbeitsbedingungen im Pfarr-
                 Er versteht den Pfarrdienst in der Spannung von         dienst und fördert deren Umsetzung. Er setzt
                 Amt und Beruf.                                          sich für menschengerechte Lebens- und Arbeits-
                 Der Pfarrdienst ist eingebunden in die Gemein-          bedinungen im Pfarrdienst ein.
                 schaft der anderen kirchlichen Dienste, die an
                 der Kommunikation des Evangeliums in ihrer je
                 eigenen Weise mitwirken.
                 Im Rahmen der Verhältnisbestimmung der un-
                                                                      Hintergrund: Die Frage der neuen Bischöfin, Dr.
                 terschiedlichen Dienste in der Kirche vertritt der   Beate Hofmann, wozu es den Pfarrverein benöti-
                 Pfarrverein die Interessen der Pfarrerschaft.        ge, nahm der Vorstand zum Anlass, Ziele und In-
                                                                      halte der Arbeit des Pfarrvereins zu verschriftlichen.
               4. Der Pfarrverein arbeitet mit anderen Pfarr-         Auch im Hinblick auf die Gewinnung von neuen
                  vereinen auf Ebene der Evangelischen Kirche in      Mitgliedern erschien eine Standortbestimmung,
                  Deutschland zusammen und ist mit ihnen in re-       die Veränderungen in der Selbstwahrnehmung ak-
                  gelmäßigem Austausch.                               tueller Herausforderungen für den Pfarrdienst im
                  An der Herausgabe des “Deutsches Pfarrerin-         21.Jahrhundert ernst nimmt, sinnvoll. Aus diesem
                  nen- und Pfarrerblatt” und des “Pfarramtska-        internen Verständigungsprozess entstand das Leit-
                  lenders” ist er beteiligt. .                        bild. Darüber hinaus führte Austausch zu erfreuli-
                  Er unterstützt die Teilnahme am Deutschen Pfar-     chen Veränderungen der Leistungen (Beihilfen) für
                  rerinnen- und Pfarrertag.                           die Mitglieder.      			                            

 14
Queer

                                                          lieben
Dein Gott ist mein Gott
Netzwerk Queerhessen-                                     als wir uns als Team von vier jungen Theolog:in-
                                                          nen der EKKW zur Gründung unseres Netzwerks             Nele Nogeitzig,
Waldeck stellt sich vor                                   entschlossen. Mittlerweile besteht unsere Gruppe        Studentin der Theologie
                                                          aus Theolog:innen unterschiedlichen Alters und          (Leipzig)
Ruth und Noomi. David und Jonathan. Von beiden
Paaren wird gesagt, dass sie einander sehr viel be-       aus unterschiedlichen Arbeitsfeldern innerhalb von
deuteten und sich lieben. Ruth hat Noomi ange-            Kurhessen-Waldeck, sowohl im Pfarramt als auch
hangen. „Denn wo immer du hingehst, da gehe ich           an der Universität. Zurzeit treffen wir uns alle zwei
hin, und wo immer du übernachtest, da übernachte          Monate zu einem (digitalen) Stammtisch. Zudem
auch ich. Dein Volk ist mein Volk, dein Gott ist mein     wollen wir für die pfarramtliche Praxis ein Konzept
Gott.“ (Rut 1,16 BigS) Worte aus Ruth`s Mund zu           erarbeiten, wie queere Menschen und queere bzw.
ihrer Schwiegermutter Noomi. Später wird Ruth eine        queerfreundliche Pfarrpersonen für Kasualien besser
Ehe mit Boaz eingehen, und doch bleibt es Noomi,          zueinander finden können. Ebenso ist eine Planung
die ihre wichtigste Beziehung ist.                        für queere Gottesdienste anlässlich des Christopher
                                                          Street Days 2022 im Gespräch. Unser Netzwerk ist
David und Jonathan lieben einander und schließen
                                                          ein klares Symbol für Toleranz und Gleichberechti-
darüber einen Bund. David singt in seinem Lied nach
                                                          gung aus dem Inneren der EKKW heraus. Solidarisch
dem Tod von Jonathan: „Schmerz kommt an mich
                                                          stehen wir im Bund mit unseren queeren Glaubens-
wegen dir, mein Bruder Jonathan, du warst mir so
                                                          geschwistern auch über die Grenzen unserer Lan-
lieb. Wundersamer war mir deine Liebe als Frauen-
                                                          deskirche hinaus.
liebe.“ (2 Sam 1,26 BigS).
                                                          Viele queere Menschen in kirchlichen Räumen ha-
Man kann diese Texte so auslegen, dass es sich
um Liebesgeschichten eines lesbischen und eines
schwulen Paars handelt. Selbst wenn sie so nicht
interpretiert werden, sind es doch Geschichten, die
davon erzählen, dass zwei Menschen in treuer Ver-
antwortung verbindlich füreinander da sind.
Liebesgeschichten. Für mich ist es wichtig, die Erinne-
rung daran wachzuhalten, dass wir als queere Men-
schen in eine lange Geschichte mit Gott eingeschrie-
ben sind, so, wie wir sie in der Bibel finden. Diese
Erinnerung stellt für uns einen wichtigen Teil unserer    ben schwere Verletzungen erlitten. Das darf nicht
Identität dar: Wir sind als queere Menschen Theo-         vergessen werden. Dazu wollen wir nicht schwei-
log:innen und als Theolog:innen queere Menschen.          gen, sondern heute und in Zukunft ein heilsames
Queer zu sein kann bedeuten, sich außenstehend            Gegengewicht schaffen. Die Diskriminierung nicht-
und allein auf weiter Flur zu fühlen. Je nachdem          heteronormativer Menschen ist in weiten Teilen
wo und wie man lebt, kann es sein, dass es weni-          der Gesellschaft eine schmerzliche Realität. Es kann
ger Räume gibt, in denen man sich in seiner Identi-       auch nicht ausgeschlossen werden, dass für uns in
tät angenommen und gesehen fühlen kann. Unser             der theologischen Arbeit und pfarramtlichen Praxis
Netzwerk Queerhessen-Waldeck stellt einen solchen         noch einige bedrohlich wirkende Klippen zu um-
Raum dar: Wir wollen einander unterstützen, fürei-        schiffen sind. Daher wollen wir einander daran er-
nander da sein und einander sehen, weil uns vieles        innern, dass wir alle Ruth und Noomi, David und
miteinander verbindet. Wir starteten Anfang 2021,         Jonathan sind.				                                

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Einladung   zur Mitgliederversammlung

                                                     9. März 2022
            PFARRERINNEN- UND PFARRERVEREIN IN DER EVANGELISCHEN KIRCHE HESSEN UND NASSAU E.V.
            Melsunger Straße 8 a · 60389 Frankfurt am Main · Telefon 069 / 471820 · Fax 069 / 479487
                          E-Mail: info@pfarrverein-ekhn.de · www.pfarrverein-ekhn.de

               Der Vorstand des Pfarrerinnen- und Pfarrervereins in der EKHN e. V. lädt ein zur ordentlichen Mitglie-
               derversammlung. Mittwoch, 09. März 2022, 14 Uhr. Diese wird als Zoom-Konferenz stattfinden.
               Anmeldung bis 02.03.2022 (Kontaktdaten s. o.).

              Tagesordnung                                        			Propsteibereich Starkenburg
               1.) Anträge zur Tagesordnung                       		 f.) Stellvertreter/in
               2.) Begrüßung und Feststellung                     			Propsteibereich Starkenburg
            		     der Beschlussfähigkeit                         		 g.) Stellvertreter/in
               3.) Geistliches Wort und Totengedenken             			Propsteibereich Oberhessen
               4.) Bericht des Vorsitzenden
                                                                   12.) Satzungsänderungen
               5.) Vortrag: „Beihilfe besser verstehen –
                                                                  		 a.) Redaktionelle Änderungen:
            		     sachkundige Antworten auf häufig ge-
                                                                  			§ 3, Absatz 1: „Der Vorstand besteht
            		     stellte Fragen“ von der Leiterin der Bei-
                                                                  			 aus folgenden Personen, von denen
            		     hilfestelle der EKHN, Katrin Vollhardt
                                                                  			 je eine für folgende Aufgaben gewählt
               6.) Bericht des Schatzmeisters
                                                                  			 wird: Vorsitz, dessen Stellvertretung,
            		     für das Rechnungsjahr 2021
                                                                  			 Schriftführung, verantwortliche Kassen-
               7.) Bericht des Vorsitzenden des Verwal-
                                                                  			 führung, Vorsitz des Verwaltungsrats
            		     tungsrats für soziale Einrichtungen
                                                                  			 für soziale Einrichtungen, Schriftleitung
            		 (Solidarfonds)
                                                                  			 des Mitteilungsblattes, sofern vom Ver-
               8.) Entlastung des Vorstands und des Ver-
                                                                  			 ein der EKHN gestellt, je eine Vertre-
            		     waltungsrats für das Rechnungsjahr 2021
                                                                  			 tung der Propsteibereiche, Vertretung
               9.) Anträge Pfarrer Mathias Engelbrecht –
                                                                  			 der Pfarrerinnen und Pfarrer im Ruhe-
            		     u.a. Antrag Satzungsänderung § 6
                                                                  			 stand, Vertretung der Pfarrerinnen und
            		     (Unterlagen dazu vergleiche Homepage.)
                                                                  			 Pfarrer im Probedienstverhältnis, Ver-
              10.) Haushaltsplan für 2022
                                                                  			 tretung der Pfarramtskandidatinnen
              11.) Wahlen
                                                                  			und Pfarramtskandidaten.“
            		     a.) Stellvertretende/r Vorsitzende/r
                                                                  		 – Änderung von „Schriftleitung des
            		     b.) Schriftführer/in
                                                                  			Mitteilungsblattes“ in „Redaktions-
            		     c.) Vertreter/in der Ruheständlerinnen
                                                                  			leitung des Mitteilungsblattes“.
            			und Ruheständler
            		     d.) Vertreter/in für Propsteibereich              13.) Verschiedenes
            			 Rheinhessen und Nassauer Land
            		     e.) Vertreter/in                                                          gez. Dr. Martin Zentgraf

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Die Schatten      Seite
                                                                                                                                          Studienhilfe

                                                                                   Jemen                 ist wahrscheinlich das ärmste
Foto: Copyright Abdullah Gamal Abdullah/Diakonie Katastrophenhilfe · Land: Jemen

                                                                                     Land der Erde. Schauplatz einer der dramatischsten
                                                                                   humanitären Krisen weltweit. 24 Millionen Menschen
                                                                                   sind direkt von den Folgen bewaffneter Auseinander-
                                                                                    setzungen betroffen - den meisten fehlt der Zugang
                                                                                   zu elementarer Gesundheits- und Wasserversorgung,
                                                                                             sicheren Unterkünften und Bildung.
                                                                                    Der Jemen-Konflikt hat das Land in eine humanitäre
                                                                                     Krise gestürzt. Millionen Menschen brauchen Hilfe.
                                                                                            Auf einer Geberkonferenz appellierte
                                                                                          UN-Generalsekretär Guterres eindringlich
                                                                                                        an die Staaten.

                                                                                                                                                 17
Internet

                            Youtube Podcast
                            Kommunikation im Netz

                            Schlaglichter                                            Hybride kirchliche Arbeit ist nicht neu. Bereits Pau-
           Lutz Neumeier                                                             lus hat sich neben seinem Vorort-Sein Gemeinden
Pfarrer, Medienpädagoge     aus 20jähriger Erfahrung                                 in Briefen zugewandt.
                   (Lich)   Anfang der 2000er Jahre hatten die ersten Kir-
                            chengemeinden eigene Websites, über ihre Not-            Vom Kassettendienst
                            wendigkeit wurde heiß diskutiert. 20 Jahre später
                            sind gemeindliche Seiten Standard geworden und           zu YouTube und Podcast
                            erreichen viele Menschen.                                Als ich in Vakanzvertretung vor 10 Jahren eine
                            Das Internet hat sich in dieser Zeit grundlegend ge-     Kirche zu renovieren hatte, sollte die Möglichkeit,
                            wandelt: Von statischen Websites zur Kommunika-          Kassetten vom Gottesdienst aufzunehmen, wieder
                            tionszentrale und zum täglichen Lebensbegleiter          ermöglicht werden. Nach Diskussion wurde auf
                            eines Großteils der Menschen, nicht nur in unse-         USB-Sticks umgestellt. Seit Corona vermehrt ge-
                            rem Land.                                                nutzt ist es einfacher, Gottesdienste ins Internet zu
                                                                                     übertragen, entweder live, oder im Nachhinein. Für
                                                                                     einfachste Varianten ist wenig Technik nötig. Auch
                                                                                     Senioren schauen sich Gottesdienste auf YouTube
                                                                                     live an: Beim ersten Lockdown war bei uns oft ein
                                                                                     über 90 Jahre alter Mann mit seiner 15 Jahre jünge-
                                                                                     ren Partnerin online dabei und grüßte im Chat.
                                                                                     Eine von vielen weiteren Möglichkeiten ist, Podcasts
                                                                                     aufzunehmen, z.B. von Predigten. Das Verbreiten
                                                                                     der Audiofiles ist nicht schwer: die aufgenommene
                                                                                     mp3-Datei auf der Website der Gemeinde bereit-
                                                                                     stellen oder die einschlägigen Podcast-Möglichkei-
                                                                                     ten nutzen.
                                                                                     Ein Podcast, den unsere Vikarin und ich monatlich
                                                                                     während ihres Vikariats aufnahmen („So kann’s lau-
                                                                                     fen“ lich.link/pod ) wurde pro Folge im Schnitt 2700
                                                                                     Mal angehört und wird weiter abgerufen - auch ein
                            Es ist eine unumkehrbare Tatsache, dass die meis-        Jahr nach Veröffentlichung der vorerst letzten Folge.
                            ten Menschen täglich im Internet sind und es nicht
                            nur beruflich oder zum Lernen, sondern auch zur          Pfarrpersonen
                            täglichen Kommunikation und Unterhaltung nut-
                            zen. (vgl. jährliche Studie von ARD / ZDF: https://
                                                                                     in Socialmedia
                            www.ard-zdf-onlinestudie.de).                            Facebook macht es uns einfach: Ehemaligen Kon-
                            Will evangelische Kirche, wollen Gemeinden nah           firmand:innen gratuliere ich so zum Geburtstag
                            bei den Menschen sein, müssen sie heute wie zu           und wünsche Gottes Segen. So kommt Gott auf
                            allen Zeiten dort hingehen, wo die Menschen sind:        ihre Timeline und am Geburtstag in ihr Leben und
                            Auf die Straßen und Plätze vor Ort und heute ge-         in das all der anderen, die vielleicht auch zum Ge-
                            nauso ins Internet und in die Socialmedia: Hybride       burtstag gratulieren und meine Gratulation lesen.
                            kirchliche Arbeit vor Ort und digital ist unabdingbar.   Über Socialmedia lässt sich hervorragend Kontakt

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Internet

Facebook
      Instagram
halten zu den Menschen aus der Gemeinde, noch         Durch das mobile und kommunikative Web 2.0
Jahre über die Konfizeit hinaus.                      sind die Möglichkeiten noch vielfältiger geworden.
Als Pfarrer:innen können wir aber auch aus unse-      Heute geschieht Kommunikation und Seelsorge
rem Alltag berichten. So kommen Menschen auf          auch in den Socialmedia oder über Messenger
die Idee, uns anzusprechen, wenn sie vielleicht       (gerade auch immer wieder die Anbahnung eines
einen ähnlichen Anlass haben, wie den, über den       Seelsorgegesprächs, das f2f fortgesetzt werden
wir mal in einem Post berichtet hatten.               kann).
Ich erhalte Anfragen für Taufen und Hochzeiten
über die sozialen Medien. Auf diesem Wege gab         Gemeinde
es auch bereits Beerdigungsanfragen. Wir wollen
als Seelsorger:innen so einfach wie möglich an-       in Socialmedia
sprechbar sein und die Menschen suchen uns da,        In den sozialen Medien können wir als Gemeinden
wo sie einen gut Teil ihrer Zeit verbringen: In den   über unsere Arbeit berichten oder auch für Veran-
Socialmedia. Auch Seelsorge kann so beginnen:         staltungen werben.
                                                      Für unseren jährlichen Motorradgottesdienst wer-
Digitale Seelsorge                                    ben wir unter anderem auf Facebook auch mit be-
                                                      zahlter Werbung in einem Radius, der Frankfurt mit
in der Gemeinde                                       einschließt. Und tatsächlich kommen Menschen
Chat-Seelsorge schon Anfang der 2000er Jahre:         aus Frankfurt nach Oberhessen, genießen die An-
Als junger Pfarrer habe ich die Erfahrung gemacht,    fahrt, den Gottesdienst und die anschließende ge-
dass Konfirmand:innen im Internet eine viel gerin-    meinsame Ausfahrt mit Kaffeetrinken. Wir schal-
gere Hemmschwelle haben, mit ihrem Pfarrer zu         ten bezahlte Werbung aber auch für klassische
kommunizieren als von Angesicht zu Angesicht          Konzerte unserer Kantorei. Die Werbung ist um ein
(face to face, f2f). Immer wieder haben sich im       Vielfaches billiger als in der örtlichen Wochenzei-
Chat (damals ICQ) neben vielen einfachen Kon-         tung, erreicht dabei aber ebenso viele Menschen.
takten tiefgehende seelsorgerische Chats ergeben      Unser Instagram-Account ist in unsere gemeindli-
(siehe Chatauszug im Kasten), die manches Mal im      che Website eingebunden. So sind neue Fotos von
Internet anfingen und dann f2f fortgesetzt wur-       Veranstaltungen oft schon direkt während des Ge-
den.                                                  meindefestes zum Beispiel nicht nur auf Instagram
                                                      und Facebook, sondern ohne jeden zusätzlichen
                                                      Aufwand auch auf der Website zu sehen.

                                                      Konfiarbeit
                                                      in digitaler Erweiterung
                                                      Für die Konfis sind ihre Smartphones wichtiger Be-
                                                      standteil ihres Lebens. Die von der Deutschen Bi-
                                                      belgesellschaft und der EKD entwickelte KonApp
                                                      (www.konapp.de) kann die ganze Konfizeit be-
                                                      gleiten und z.B. auch eine Messengernutzung er-
                                                      sparen.

                                                                                                                       19
Internet

                                     TikTok Twitter

                Unsere Konfis lernen die Geschichten von Jesus         ben mit Gratulationen auf Facebook: Warum nur
                auch über eine App kennen und folgen dort auf          die Senioren besuchen und nicht wenige Minuten
                Jesu Spuren: findingJ, zu finden im Playstore und      für digitale Gratulationen nutzen? Ich bekomme
                Appstore. Wie das geht, ist auf der Website www.       immer einen „Like“ und fast immer ein „Vielen
                findingJ.de beschrieben.                               Dank“ für solche Glückwünsche und manches
                Die Konfis können aber auch selbst mit ihren Han-      Mal, wenn ich die Zeit habe, entspannt sich ein
                dys kreativ werden:                                    kurzer Chat: „Was machst du denn heute (darf ich
                Jugendliche verbringen viele Stunden damit, Vi-        noch ‚du‘ sagen)?“ … Aus solch lockeren Online-
                deos auf YouTube anzuschauen oder Influencern          Begegnungen haben sich immer wieder Seelsorge-
                auf Instagram oder TikTok zu folgen. Selten aber       gespräche ergeben.
                werden sie von sich aus aktiv und gestalten eigene     Es ist doch unsere originäre Arbeit als Pfarrerin:en,
                Inhalte. Hier kann in der Konfiarbeit ein Anstoß ge-   den Kontakt zu den Menschen zu suchen und Zeit
                geben werden, die eigenen Gaben zu entdecken           zu haben für sie. Suchen wir also den Kontakt dort,
                und Fähigkeiten zu erlernen: Von Konsumenten zu        wo sie heutzutage sind: Im Internet und in den so-
                Produzenten!                                           zialen Medien! Das ist eine sehr lohnenswerte und
                Mit selbst erstellten Erklärvideos, Stopmotionfil-     beflügelnde Gemeindearbeit im digitalen Raum!
                men oder Instagram-Stories können biblische Ge-
                schichten von den Jugendlichen aufgenommen             Zum Schluss:
                werden oder sie reflektieren z.B. über das Thema
                                                                       Im Februar gibt es vom Autor und dem Medien-
                Mobbing. Beispiele und Anleitungen finden sich
                                                                       haus der EKHN eine Fortbildungsreihe zu kirchli-
                unter lich.link/mpg.
                                                                       cher Arbeit in den Socialmedia - gerade auch für
                Das rpi der EKKW und EKHN bietet regelmäßig
                                                                       Anfänger:innen oder Interessierte: ekhn.link/feb22
                Fortbildungen auch für digitale Möglichkeiten in
                der Konfiarbeit an.
                Ein toller Nebeneffekt: Die selbst gedrehten Filme                                Alle hier genannten
                bleiben jahrelang auf den Handys und erinnern im-                                 Links sind auf einer
                mer wieder an die Konfizeit.                                                      kleinen Webseite zu
                                                                                                  finden:
                Ist der Aufwand nicht zu groß?                                                    lich.link/hessen
                Wenn ich in den Supermarkt im Ort gehe, so pla-                                   (oder nebenstehenden
                ne ich normalerweise die doppelte Zeit ein, weil                                  QR-Code scannen)
                es ja fast immer Gespräche mit Menschen aus der
                Gemeinde gibt. Warum planen wir nicht auch ein
                oder zwei Stunden pro Woche (oder auch mehr)
                                                                       Wenn es zu all dem Geschriebenen
                ein für Kontaktpflege in den sozialen Medien und
                                                                       Fragen gibt, bin ich jederzeit
                für all die anderen Möglichkeiten, den Menschen
                                                                       gerne zu Rede und Antwort bereit,
                unserer Gemeinden dort zu begegnen, wo sie sich
                                                                       auch für Beratungen
                über viele Stunden wöchentlich aufhalten?
                                                                       für Kolleg:innen, Gemeinden
                Eine Stunde pro Woche kann schon reichen, ein
                                                                       oder z.B. Dekanatskonferenzen.
                größerer Zeitaufwand ist aber auch sehr lohnens-
                wert. Da beginnt zum Beispiel wie oben geschrie-       Kontakt: neumedier.com          

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Internet

                                                                                                                       Foto: Christina Simon
                                                           #hashtag
#digitaleKirche und ihr Boom –
Wo Kirche wächst …
Viele Pfarrer:innen erkannten schon früh das Poten-        nach Seelsorge und authentischer Verkündigung
tial des Internets für die kirchliche Arbeit. Vielfach     wuchs stetig. Längst waren erste digitale Andachts-                                 Jörg Niesner
                                                                                                                                               Pfarrer
autodidaktisch wurden Kenntnisse in der Program-           formate wie etwa die „#twomplet“ bei Twitter ent-
                                                                                                                                               Mitglied im YEET-Netzwerk
mierung von Websites erworben und in oft nächte-           standen und unter dem Hashtag #digitaleKirche                                       der EKD
langer Arbeit gaben sie ihren Gemeinden ein Gesicht        versammelte sich all das neue Erleben von Kirche im                                 (Laubach)
im Netz. Es wurden Termine und Gottesdienste be-           digitalen Raum. Der Boom der #digitaleKirche ging
worben, Kontaktdaten einfach verfügbar gemacht,            schon vor der Corona-Pandemie los, aber die Pande-
Predigten online gestellt. Als die ersten sozialen Netz-   mie hat die Entwicklung massiv beschleunigt. Auch
werke aufkamen – los ging es in Deutschland mit            auf der Seite der Netz-Skeptiker war nun klar: Kirche
StudiVZ, wer-kennt-wen, später kamen Facebook              ohne Internet wird es nicht mehr geben.
und Twitter dazu, war Kirche zurückhaltender. Nur          Inzwischen tauchen täglich neue Pfarrer:innen, Vi-
wenige Pfarrpersonen waren als solche auffindbar           kar:innen und Theologiestudierende bei Instagram,
und aktiv. Zu einer generellen (berechtigten) Skepsis      Twitter, Tiktok usw. auf und erstellen vielfältige Inhal-
hinsichtlich des Datenschutzes, gesellten sich pasto-      te, sind für die Menschen, die längst nicht mehr zwi-
raltheologische Anfragen zum Verhältnis von Amt            schen online und offline unterscheiden, sondern für
und Person, zur Privatheit und Abgrenzung – auch           die die Sozialen Netzwerke und der Austausch über
diese Fragen: berechtigt. „Social Media“ wurde             sie, ganz normaler Teil ihres Leben ist, ansprechbar. Es
kirchlicherseits eher aus der Perspektive der Öffent-      findet Seelsorge statt, Menschen lernen christlichen
lichkeitsarbeit wahrgenommen und genutzt, denn             Glauben kennen und feiern ihn gemeinsam. Neben
als Chance für die Kommunikation des Evangeliums.          Verkündigungsinhalten und Seelsorge gibt es ver-
Währenddessen fingen Menschen an, ihr Leben                schiedene (Live-)Andachtsformate. Besonders wird
auch in aller Selbstverständlichkeit online zu leben:      von vielen geschätzt, dass es verschiedene Rückka-
sie schlossen online Freundschaften und Beziehun-          näle gibt, Möglichkeiten, sich inhaltlich einzubringen
gen, tauschten sich über existenzielle Fragen aus,         und zu diskutieren.
trauerten im Netz. Kleine Bildchen mit Sinnsprüchen        Die EKD hat über das Gemeinschaftswerk der Evan-
wurden millionenfach geteilt, bei Twitter&Co. leiden-      gelischen Publizistik „YEET“ initiiert, ein Netzwerk
schaftlich um ethische Fragen gerungen. Im Grunde          verschiedener kirchlicher Content-Creator und es ist
entstand ein gewisses Sinn- und auch Ritual-Vakuum         nicht mehr das einzige. Im November wurde dann
im digitalen Raum. In den Medienhäusern der Lan-           die norddeutsche Gemeindepastorin Josephine Tes-
deskirche merkte man schnell, dass es mehr brauch-         ke, die als „Sinnfluencern“ unter dem Namen @se-
te, als Bibelverse auf Bilden aus Bilddatenbanken zu       ligkeitsdinge_ täglich 35.000 Follower:innen erreicht,
posten, allerdings war die Arbeit nun mal - auch per-      in den Rat der EKD gewählt. Es tut sich viel rund um
sonell - eher auf kirchlichen Journalismus und klassi-     #digitaleKirche. Sie wächst täglich, während Kirche
sche Öffentlichkeitsarbeit ausgelegt.                      insgesamt schrumpft. Kirche tut gut daran, Struktu-
Die wenigen Pfarrpersonen, die bei Twitter und In-         ren zu schaffen, die kreative Digitalarbeit fördern. Für
stagram ohne besonderen diesbezüglichen Auftrag            einige Unbelehrbare ist es immer noch „am Handy
unterwegs waren, wurden in der binnenkirchlichen           daddeln“, aber in Wahrheit ist es echte Arbeit, die
Öffentlichkeit eher kritisch beäugt, merkten aber          echte Zeit kostet.
selbst zunehmend, wie gefragt pastorale Arbeit im          (Der Autor ist als @wasistdermensch in den Sozia-
Netz ist. Die Nachfrage nach theologischen Inhalten,       len Netzwerken aktiv und erreicht dort täglich bis zu
insbesondere bibelhermeneutische Grundfragen,              zehntausend Menschen).			                          

                                                                                                                                                              21
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