Magazin 2022 Zusammen in Vielfalt - vhs-rlp.de
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2 Jetzt weiter bilden kennenlernen! weiter bilden. DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung • fokussiert sich auf das Praxisfeld der Erwachsenen- und Weiterbildung • spiegelt aktuelle Entwicklungen in der (beruflichen) Weiterbildungspraxis • informiert über Erkenntnisse in den relevanten Bezugswissenschaften • zeigt aktuelle Entwicklungsherausforderungen auf und gibt Impulse für die Zukunft Die Zeitschrift erscheint viermal jährlich zu einem thematischen Schwerpunkt aus dem Feld der Erwachsenen- und (beruflichen) Weiterbildung. Möchten Sie weiter bilden kennenlernen? Dann abonnieren Sie weiter bilden im Probeabo 4 für 3! Sie erhalten vier Ausgaben und bezahlen drei – für nur 36,75 € (statt 49,– €)! Oder Sie bestellen einfach eine einzelne Ausgabe. wbv.de/weiter-bilden wbv Publikation · wbv Media GmbH & Co. KG · service@wbv.de · wbv-publikation.de
Magazin 2022 Inhalt Grußwort 6 Zusammen in Vielfalt 7 Jahresthema Zusammen in Vielfalt 8 Im Gespräch mit Ministerin Katharina Binz 10 Gemeinsam für Gleichwertigkeit 14 Divesity & Inclusion geht alle an – Wie Roche in Deutschland Vielfalt lebt 16 Lebensstile der (Nicht-)Kursteilnehmer*innen 18 Nur in Vielfalt zusammen 23 Bildung für alle?! 26 Wir alle sind LU 28 Inklusion in der Weiterbildung 30 Fotowettbewerb 32 Management und Verwaltung 35 Visionär. Vertraut. Volkshochschule. 36 #sichtbar #gemeinsam 38 Diversity im vhs-Alltag von Verwaltungsmitarbeiter*innen 40 Aktuell 41 Kooperation mit Schulen 42 75 Jahre Rheinland-Pfalz 44 Deutscher Volkshochschultag in Leipzig! 46 Termine 47 Gremien: Arbeitskreise – Ausschüsse – Vorstand 48 Fachkonferenzen und Fachgespräche 50 Fortbildungen im Überblick 52 Fortbildungen für Verwaltungsmitarbeiter*innen 56 vhs-Weiterbildungsmanagement 58 Ihre Ansprechpartner*innen 60
4 Sehr geehrte Damen und Herrn, liebe Kolleginnen und Kollegen, „Zusammen in Vielfalt“ lautet das Leitthema unseres Magazins 2022. Diversität öffnet Institutionen und ist zugleich die Basis für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Deshalb steht das Jahr 2022 bundesweit unter dem Schwerpunkt „Zusammen in Vielfalt“. Gemeinsam wollen wir Diversität fest in der Volkshoch- schulwelt implementieren und dazu an der Weiterentwick- lung der Volkshochschulen arbeiten, uns austauschen und miteinander lernen. Denn gelebte Diversität erwächst aus der Vielfalt der Perspektiven. In unserem Magazin wollen wir diesen Chancen nachgehen und haben dazu Stim- men aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und vhs-Praxis Impressum gesammelt. Herausgeber: Verband der Volkshochschulen von Rheinland-Pfalz e.V. Redaktion: Mareike Schams Weiterbildungs- und Transformationsminister Alexander Gestaltung: 1951.agency, Mainz Schweitzer sieht in seinem Grußwort den Bedarf an An- Druck: Ahlfeldt Print GmbH geboten, die zur aktiven Auseinandersetzung mit unter- schiedlichen Sichtweisen und Lebenswelten anregen und die zu Mitverantwortung und selbstbestimmtem Handeln befähigen. Verband der Volkshochschulen von Rheinland-Pfalz e.V. Postfach 40 69 55030 Mainz Hintere Bleiche 38 55116 Mainz Telefon: 06131/28889-0, Fax: -30 E-Mail: geschaeftsstelle@vhs-rlp.de Internet: www.vhs-rlp.de
5 Auch unser Vorsitzender, Landtagspräsident Hendrik Für eine bessere Jahresplanung haben wir alle bereits Hering, sieht mit dem Zugang zu Bildung und der Her feststehenden Termine für das Jahr 2022 in den Über- stellung von Chancengleichheit wichtige Mittel, um Men- sichten Gremien, Fachkonferenzen und Fortbildungen im schen in die Lage zu versetzen, mit Vielfalt umzugehen, Überblick aufgelistet. Besonders hinweisen möchten wir eine Perspektive für sich selbst zu entwickeln und die auf den großen vhs-Tag im Juni 2022 in Leipzig! eigenen Fähig-keiten in die Gesellschaft einzubringen. Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre, hoffen, Im Gespräch mit unserer Redaktion unterstreicht Ministerin dass Sie einige Impulse für die Arbeit an Ihrer Einrichtung Katharina Binz die vielfältigen Kooperationsmöglichkeiten finden und laden Sie herzlich zu unseren Veranstaltungen, der Volkshochschulen mit dem Ministerium für Familie, Fortbildungen, Fachtagungen und -gesprächen ein. Frauen, Kultur und Integration, um die Chancen der Vielfalt in Rheinland-Pfalz zu nutzen. Doch wie können Nicht-Kursteilnehmer*innen für Bil- Ute Friedrich Mareike Schams dungsangebote gewonnen werden? Und wie definiert ein Verbandsdirektorin Referentin Wirtschaftsunternehmen wie Roche Diversity & Inclusion? Praxisbeispiele aus Berlin, Hannover und Ludwigshafen zeigen, wie sich Volkshochschulen auf den Weg zu mehr Vielfalt und Diversität machen. Außerdem bietet dieses Magazin wieder Informationen, Fachaustausch und Praxisbeispiele für vhs-Leitungen, Programmplanende und Verwaltungsmitarbeiter*innen in den Rubriken „Management und Verwaltung“ und „Aktuell“.
6 Grußwort Sehr geehrte Herren und Damen, die Transformation von Gesellschaft und Arbeitswelt In den Volkshochschulen finden wir engagierte Partner- sind zentrale Themen unserer Landesregierung. Die Art organisationen, für die gelebte Vielfalt gleichermaßen als und Weise, wie wir arbeiten und leben, verändert sich Voraussetzung und als Ziel bedeutsam ist, um Bildungs- grundlegend und wird immer vielfältiger. Die Menschen in prozesse zu gestalten. Ich freue mich darauf, mit den Rheinland-Pfalz haben das Bedürfnis, diesen Wandel zu Volkshochschulen in Rheinland-Pfalz und ihrem Landes- verstehen, ihre Perspektive einzubringen und sich wei- verband die sehr gute Zusammenarbeit fortzusetzen und terzuentwickeln. Hier ist Weiterbildung ein bedeutender gemeinsam Angebote und Weiterbildungsaktivitäten noch Faktor. diversitätssensibler weiterentwickeln zu können. Mein Ministerium verbindet seit Mai 2021 stärker die Themen Arbeit, Transformation, Soziales und Weiterbil- dung - gebündelt unter einem Dach. Mir ist dabei beson- ders wichtig zu betonen, dass wir Weiterbildungsangebote ©MASTD/Pulkowski brauchen, die über die bloße Vermittlung von Fachwissen hinausgehen und die an der gesellschaftlichen Vielfalt ansetzen. Wir wollen Teilhabe und Chancengleichheit am wirtschaftlichen und sozialen Leben ermöglichen – für alle Menschen in Rheinland-Pfalz. Daher brauchen wir Ihr Angebote, die zur aktiven Auseinandersetzung mit unter- Alexander Schweitzer schiedlichen Sichtweisen und Lebenswelten anregen und Minister für Arbeit, Soziales, Transformation die zu Mitverantwortung und selbstbestimmtem Handeln und Digitalisierung befähigen.
8 Jahresthema Zusammen in Vielfalt Landtagspräsident Hendrik Hering Bereits im Jahr 1984 prägte der Frankfurter Philosoph Vielfalt gehört zu modernen westlichen Gesellschaften Jürgen Habermas den Ausdruck „Neue Unübersichtlich- Wer mit jungen Menschen spricht, erlebt die hohe Sensi- keit“. Komplexität, Pluralismus, Multikulti oder Vielfalt, es bilität, die sie für die Themen des Rassismus, der Queer- gibt viele Begriffe, die zu beschreiben versuchen, wie sich ness und der Diskriminierung von Menschen mit Behin- unser Land seit den achtziger Jahren verändert hat. Mit derung besitzen. Dies gilt auch für Jugendliche, die selbst dem Motto „Zusammen in Vielfalt“ haben sich die Volks- keinen Migrationshintergrund in der Familie besitzen, hochschulen für eine optimistische Perspektive entschie- nicht queer sind oder mit einer Behinderung leben. Für den. Vielfalt bedeutet Reichtum. Sie bietet den Menschen sie gehört bereits zur Alltagsrealität, was manche Ältere Optionen und Auswahlmöglichkeiten. erst noch lernen müssen: Vielfalt gehört zu modernen westlichen Gesellschaften, sie lässt sich nicht rückgängig Der Reichtum an Optionen bietet Chancen, er kann den machen. Einzelnen wie die gesamte Gesellschaft jedoch auch über- fordern. Er kann in Unsicherheit umschlagen und damit zu Die Debatten im politischen Feuilleton sind zurzeit durch unberechtigten Ängsten führen. Ressentiments und Diskri- die Entgegensetzung von Identitätspolitik und Sozialpoli- minierungen sind leider allzu oft die Kehrseite der Vielfalt. tik geprägt. Der Gegensatz ist unfruchtbar. Denn in einer Daher ist es wichtig, den Umgang mit der Vielfalt solida- komplexen Gesellschaft mit unterschiedlichen Religionen, risch zu gestalten und „zusammen in Vielfalt“ zu leben. Gruppen und Milieus können Polarisierungen entstehen, So klingt Vielfalt gut: Einfache Sprache: Programmbereich & Einladung Sprachliche Gleichbehandlung im vhs-Kontext Kurs 27 06 22 Kurs 26 02 22 Termin: Dienstag, 10.05.2022 Termin: Dienstag, 15.03.2022 Ort: vhs Mainz Ort: online Referentin: Vera Apel-Jösch, Referentin: Corinna Waffender Übersetzerin Leichte Sprache Kostenbeitrag: 25 € Kostenbeitrag: 50 € Anmeldeschluss: 02.03.2022 Anmeldeschluss: 26.04.2022
9 die die Demokratie gefährden, wenn der Zusammenhalt Zusammenhalt der Gesellschaft nicht durch eine solidarische Sozialpolitik ermöglicht wird. Die Volkshochschulen sind ein guter Ort, um aus verschie- Die Entwicklungen in den USA in den letzten Jahren müs- denen Perspektiven heraus über die grundlegenden Werte sen uns als Warnung dienen. einer Gesellschaft zu diskutieren. Sie können dabei Räu- me schaffen, in denen Menschen mit unterschiedlichsten Chancengleichheit Hintergründen und Weltanschauungen zusammenkommen Die Volkshochschulen stellen sich daher mit dem Schwer- und so persönliche Teilhabe fördern. Sie können außer- punktthema „Zusammen in Vielfalt“ einer wichtigen dem so das Bewusstsein für die Vielfalt der Lebenslagen gesellschaftlichen Aufgabe und entwickeln die im Vorjahr schärfen und damit das Eintreten für solidarische Lösun- mit dem Schwerpunktthema „Solidarität“ verbundenen Pro- gen und den Zusammenhalt der Gesellschaft stärken. jekte fort. Die Volkshochschulen mit ihrer jahrzehntelangen Bildungserfahrung und ihrem historischen Fundament in Leitend ist dabei das Weiterbildungsgesetz. Es nennt als der Arbeiterbildung und Erziehung zur Demokratie können Aufgaben der Weiterbildung „den Erwerb neuer Kenntnis- einen wichtigen Beitrag leisten diese Herausforderung se, Fähigkeiten und Qualifikationen zu ermöglichen und zu zu meistern. Der Zugang zu Bildung und die Herstellung eigenverantwortlichem und selbstbestimmtem Handeln im von Chancengleichheit sind wichtige Mittel, um Menschen privaten und öffentlichen Leben sowie zur Mitwirkung und in die Lage zu versetzen, mit Vielfalt umzugehen, eine Mitverantwortung im beruflichen und öffentlichen Leben Perspektive für sich selbst zu entwickeln und die eigenen befähigen.“ Ein breites Spektrum der Erwachsenenbildung Fähigkeiten in die Gesellschaft einzubringen. kann in diesem Sinne Lern- und Übungsfeld für eine de- mokratische politische Kultur in einer pluralen, vielfältigen Gesellschaft sein. Hendrik Hering Landtagspräsident Vorsitzender des vhs-Landesverbandes Diversity an Volkshochschulen Kurs 26 05 22 Termin: Dienstag, 26.04.2022 Ort: Verband der Volkshochschulen, Mainz Referent: Stephan Kaps Kostenbeitrag: 50 € Anmeldeschluss: 12.04.2022
10 Im Gespräch mit Ministerin Katharina Binz Ministerin für Familie, Frauen, Kultur und Integration „Zusammen in Vielfalt“ lautet das aktuelle Schwer- Wir haben diesen Weg schon vor vielen Jahren einge- punktthema der Volkshochschulen – dieses Motto schlagen und wir werden ihn weitergehen, weil es viele passt auch genau zu den Aufgaben Ihres Ministeriums, ermutigende Entwicklungen gibt. Ich möchte ein paar Frau Binz! Ethnische Zugehörigkeit / Herkunft, Alter, Beispiele nennen: Am 9. November 2021 hat sich das Geschlecht, sexuelle Orientierung, Behinderung, Welt- Netzwerk diskriminierungsfreies Rheinland-Pfalz eine anschauung / Religion – diese Vielfalt macht unsere neue Rechtsform als eingetragenen Verein gegeben, das Gesellschaft aus. Diversität und der Umgang mit ihr bis dahin ein loser Zusammenschluss von landesweiten ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Interessenvertretungen war. Damit ist ein wichtiger Schritt Wie sehen Sie hier die aktuelle Stimmung in Rhein- in die Verstetigung dieses Zusammenschlusses gegangen land-Pfalz? Worin bestehen die größten Aufgaben? worden. Es wird nicht nur kurzfristig kooperiert, sondern mittel- und langfristig im Schulterschluss zusammengear- Die Corona-Pandemie ist eine große Belastungsprobe beitet. Wir haben diesen Netzwerkprozess von Beginn an für unsere Gesellschaft, die die Menschen ganz unter- unterstützt und gefördert und setzen die Zusammenarbeit schiedlich belastet. Viele Menschen haben in den letzten mit diesem neuen Verein fort. Er wird eine der Stimmen Monaten große wirtschaftliche und persönliche Sorgen sein, wenn wir zum Beispiel das Landesgesetz für Chan- erfahren und mussten sich fragen, wie es weitergehen cengleichheit, Demokratie und Vielfalt diskutieren, welches kann. Gleichzeitig sehe und erfahre ich auch, dass sehr wir derzeit vorbereiten. viele Menschen im Land Solidarität leben und ideenreich den Umgang mit dieser Ausnahmesituation gestalten. Das Ein weiteres Beispiel ist die Umsetzung unserer Landes- ist die Situation und in dieser wollen wir Vielfalt positiv strategie Vielfalt, mit der wir auch in den Innenbereich gestalten, wollen Menschen zusammenbringen und für der Landesverwaltung hineinwirken und die Prinzipien Akzeptanz werben. der Charta der Vielfalt, deren Mitglied wir sind, verwirkli- chen wollen: diskriminierungsfreie Arbeitsplätze sichern, Diskriminierung bekämpfen, Vielfalt nutzen und stärken,
11 das sind die Stichworte dazu. Wo unterschiedliche Men- bringend erwiesen und es bleibt auch in Zukunft wichtig, schen zusammentreffen, da kommt es auch zu Konflikten. um gemeinsam Bildung und Weiterbildung voranzutreiben Entscheidend für das friedliche Zusammenleben ist, wie – auch zum Thema Vielfalt. wir mit solchen Konflikten umgehen. Deshalb wollen wir proaktiv Vorurteile abbauen, Begegnungen ermöglichen, Oberstes Ziel der Vielfaltspolitik unseres Hauses ist die friedlich an Gemeinsamkeiten arbeiten und lernen, Unter- Anerkennung von Gleichwertigkeit sowie die Chancen- schiede aushalten, aber nie den Gesprächsfaden abreißen und Teilhabegerechtigkeit für alle Menschen in Rheinland- lassen. Pfalz. Das ist unabhängig davon, woher sie kommen oder von wem sie abstammen, welchem Geschlecht sie sich Ihr Ministerium hat sich zum Ziel gesetzt, Vielfalt zu zugehörig wissen, wie alt sie sind, ob sie eine Behinderung fördern und Benachteiligung abzubauen. Dafür setzt haben, ob und an welche höheren Mächte sie glauben, sich u.a. der „Landesaktionsplan gegen Rassismus welche Weltanschauung sie haben oder nicht und wen sie und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ ein, lieben. in dessen Beirat auch der Volkshochschulverband vertreten ist. Um Respekt und Akzeptanz für Vielfalt Realität ist jedoch leider, dass Menschen aufgrund dieser zu erreichen, müssen Haltungen und Einstellungen Merkmale oftmals abgewertet, ausgeschlossen oder dis- überdacht, Diskriminierung bekämpft und Vielfalt kriminiert werden. Die wissenschaftliche Forschung dazu positiv gestaltet werden – durch Information und Auf- zeigt: Wer aufgrund eines Merkmales – beispielsweise das klärung, Politische Bildung, Medienkompetenz und Geschlecht – andere ablehnt, wertet oft auch andere Merk- das Kennenlernen unterschiedlicher Kulturen. Welche malsgruppen ab, etwa Behinderungen oder die ethnische Bildungsangebote können Volkshochschulen hier Herkunft. Die Gründe für die Abwertung bestimmter Grup- mitgestalten und in die Fläche tragen? pen sind durchaus vielfältig, gehen jedoch im Kern alle auf eine Ideologie der Ungleichwertigkeit zurück. Diese Die Volkshochschulen spielen eine wichtige Rolle als Bil- Ideologie widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz unserer dungseinrichtungen, die ein sehr breit gefächertes Angebot Demokratie fundamental. und niedrige Zugangsvoraussetzungen haben. Sie können sehr frühzeitig wahrnehmen, welchen Bedarf es dabei gibt, Diese Erkenntnis und das Konzept der Gruppenbezoge- welche Lücken in Bildungsangeboten insgesamt geschlos- nen Menschenfeindlichkeit bieten die Grundlage für ein sen werden können und natürlich sind sie dabei auch merkmalsübergreifendes und horizontales Vorgehen. unverzichtbare Netzwerkpartnerinnen für uns. Die sehr Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht daher die Gleich- langfristige Zusammenarbeit hat sich als äußerst gewinn- rangigkeit der Abwertungsmerkmale – es ist also nicht
12 schlimmer Rassismus ausgesetzt zu sein als Sexismus. Die Ergebnisse einer großen Studie der Agentur der Eu- Wir betrachten die Merkmale in ihrer Gesamtheit und ropäischen Union für Grundrechte von 2020 zeigen, dass ihrem Zusammenspiel. Mehrfachdiskriminierungen führen auch in Deutschland Handlungsbedarf besteht: So gehen beispielsweise oft zu noch stärkeren Benachteiligun- über 40 Prozent der Befragten nicht offen mit der eigenen gen. Volkshochschulen können hier durch Angebote zur sexuellen oder geschlechtlichen Identität um. 23 Prozent Aufklärung und Information über solche Zusammenhänge haben in den letzten 12 Monaten Diskriminierungen am Ar- wichtige Beiträge leisten und Menschen dabei helfen, mit beitsplatz erlebt und rund ein Drittel hat in den letzten fünf diesen herausfordernden Situationen besser umzugehen. Jahren physische oder sexuelle Übergriffe erfahren. Trans- idente und intergeschlechtliche Menschen sind mit fast 70 Die Maßnahmen des Landesaktionsplans gegen Rassis- Prozent besonders von Diskriminierungen betroffen. mus und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit – mit Blick nach außen – und die Maßnahmen der Strategie Die Landesregierung hat bereits 2013 als drittes Bun- Vielfalt – mit Blick in den Innenbereich der Landesverwal- desland den Landesaktionsplan „Rheinland-Pfalz unterm tung – arbeiten daher nach dem beschriebenen merkmals- Regenbogen“ beschlossen, um Diskriminierungen von übergreifenden und horizontalen Ansatz. Wie sich dieser LGBTIQ* zu bekämpfen, ihre rechtliche Gleichstellung Ansatz auch in konkreten Bildungsangeboten umsetzen voranzubringen und ihre gesellschaftliche Akzeptanz zu lässt, entwickeln wir zukünftig gerne auch in Zusammenar- fördern. 2016 hat sie als bundesweit erstes Land eine*n beit mit den Volkshochschulen in Rheinland-Pfalz. Landbeauftragte*n für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Geschlechtsidentität berufen, um dem Themenbereich Soweit zum generellen Ansatz in der Arbeit. Es ist aber durch eine politische Ansprechperson mehr Gewicht zu auch wichtig, einzelne Merkmale in den Blick zu nehmen. verleihen. Der Landesaktionsplan „Rheinland-Pfalz unterm Mit dem Landesaktionsplan „Rheinland-Pfalz unterm Regenbogen“ ist damit seit über acht Jahren ein wichtiger Regenbogen“ wollen wir den Zusammenhalt unserer Schwerpunkt der Menschenrechts- und Demokratiearbeit vielfältigen Gesellschaft unabhängig von der sexuellen und der Landesregierung. Er beruht auf dem Grundsatz der geschlechtlichen Identität stärken. Partizipation, denn LGBTIQ* sind Expert*innen ihrer eige- nen Lebenssituation. Lesbische, schwule, bisexuelle, transidente, interge- schlechtliche und nichtbinäre Menschen - kurz LGBTIQ* - In Rheinland-Pfalz sind LGBTIQ* im Landesrecht vollstän- sind zwar schon immer Teil unserer Gesellschaft. Doch ob- dig gleichgestellt. Daher liegt der Schwerpunkt im Land wohl die Akzeptanz größer geworden ist, erleben LGBTIQ* auf der Bekämpfung von Diskriminierung und der Förde- auch heute noch Vorurteile, Diskriminierungen und Gewalt. rung der gesellschaftlichen Akzeptanz durch Aufklärungs-,
13 Beratungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Hier können die Aber unser Konzept einer erfolgreichen Integration setzt Volkshochschulen als kompetente und flächendeckend schon viel früher an – nämlich quasi am ersten Tag nach aufgestellte Bildungsinstanzen einen wichtigen Beitrag der Einreise in Deutschland, womit ich bei unserem neuen leisten, was bereits vielfach geschieht – beispielsweise integrationspolitischen Schwerpunkt bin: der Sprachmitt- durch Kooperationen mit dem durch das Land geförderte lung durch qualifizierte Kräfte. Sie sorgen dafür, dass Projekt „Familienvielfalt“ in Trägerschaft von QueerNet Zugewanderte dank ihres Dolmetschens frei von Miss- Rheinland-Pfalz e.V. verständnissen mit Vertreterinnen und Vertretern von Behörden, des Sozial-, des Gesundheits- und des Bil- Für zugewanderte Mitbürger*innen spielt das Erlernen dungswesens und natürlich mit Beraterinnen und Beratern der Sprache eine entscheidende Rolle. Hier arbei- kommunizieren können. Wir wissen, dass alle Beteiligten ten Volkshochschulen und Integrationsministerium von der Tätigkeit qualifizierter Sprachmittlerinnen und schon lange zusammen. Die Landeskurse „Sprachziel: Sprachmittler profitieren und dass Anliegen besser und Deutsch“ vermitteln darüber hinaus auch Werte, bieten effektiver bearbeitet werden können – eine klassische Win- interkulturelle Kompetenzen und machen verschie- Win-Situation. Wir wollen die Sprachmittlung in unserem dene Beratungsangebote. Sprachzertifikate Deutsch Land weiterentwickeln und professionalisieren und sie sind wichtige Hilfen für den Aufenthaltsstatus oder genauso gut aufstellen, wie uns das mit der Neukonzep- auf dem Arbeitsmarkt. Mit den Landeskursen „Sprach- tion der Sprachbildung gelungen ist. ziel: Deutsch“ wurde eine flexible und wirkungsvolle Bildungskette etabliert. Welche weiteren Projekte und Maßnahmen planen Sie? Wo setzen Sie künftige Schwerpunkte? Die Entwicklung unserer neuen Kurssystematik „Sprach- ziel: Deutsch“ im engen Dialog mit der landesfinanzierten Dialog- und Beratungsstelle „Sprachbildung für Erwach- Copyright: MFFKI sene mit Migrationshintergrund“ war ein voller Erfolg. Die große Nachfrage nach unseren landesgeförderten Deutschkursen gibt unserem Konzept recht, mit dem wir zugewanderten Menschen ein hochwertiges Angebot ma- chen, um zügig Deutsch lernen zu können. Das erleichtert Katharina Binz ihnen auch den Zugang zum Ausbildungs- oder Arbeits- Ministerin für Familie, Frauen, Kultur und Integration markt. des Landes Rheinland-Pfalz
14 Gemeinsam für Gleichwertigkeit Ministerin Katharina Binz „Zusammen in Vielfalt“ lautet das Leitthema des diesjähri- 29 Maßnahmen des Landesaktionsplans stehen dafür, gen Magazins des vhs-Landesverbands Rheinland-Pfalz eine Kultur der Gleichwertigkeit zu stärken. Einige sind und dies könnte auch der Leitspruch meines Ministeriums bereits umgesetzt, andere sind in der Vorbereitungsphase. und unserer Arbeit sein. Ein mit 170.000 Euro unterlegtes Förderprogramm unter- Grundbedingung für ein friedliches „Zusammen in Viel- stützt etwa seit 2021 Projekte, die merkmalsübergreifend falt“ sind demokratische Werte wie der Schutz der Würde gegen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und für aller. Tatsächlich sind diese Werte jedoch nicht für alle Demokratie und Vielfalt wirken. Wir freuen uns, wenn 2022 Menschen in unserer Gesellschaft gleichermaßen Rea- in diesem Rahmen auch Kooperationen im Bereich des lität. Auch in Rheinland-Pfalz erfahren Menschen etwa Verbandes der Volkshochschulen von Rheinland-Pfalz verbale Beleidigungen im Alltag oder gewaltvolle Über- entstehen. griffe – und zwar aufgrund einer ihnen zugewiesenen Gruppenzugehörigkeit. Also beispielsweise, weil andere Bereits im September 2020 ist die „Meldestelle m*power“ sie als Muslim*innen, Migrant*innen oder queere Men- (www.meldestelle-rlp.de) gestartet. Sie erstellt ein zivil- schen sehen. Dahinter stehen sogenannte Ideologien der gesellschaftliches Lagebild menschenfeindlicher Vorfälle Ungleichwertigkeit, die unser demokratisches Zusammen- und gibt Betroffenen damit eine Möglichkeit, ihre Erleb- leben gefährden. Diesen Ideologien müssen wir uns alle nisse sichtbar zu machen. Die gewonnenen Erkenntnisse zusammen entgegenstellen. sollen langfristig auch dazu dienen, Gegenstrategien zu entwerfen, beispielsweise für Bildungsorganisationen wie Die Landesregierung hat daher in Zusammenarbeit mit Volkshochschulen. über 80 Organisationen den Landesaktionsplan gegen Rassismus und Gruppenbezogene Menschenfeindlich- Im akuten Fall der Abwertung hilft indes der „Beratungs- keit (GMF) entwickelt. Auch der Verband der rheinland- kompass Rheinland-Pfalz“ auf möglichst kurzen Wegen, pfälzischen Volkshochschulen war intensiv an diesem Unterstützung für individuelle Notsituationen in Bezug Prozess beteiligt und ist nun im Beirat des Landesaktions- auf Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu finden. plans vertreten. An dieser Stelle bedanke ich mich ganz Betroffene, Angehörige aber auch Berater*innen und herzlich für dieses Engagement. Weiterbildner*innen, die im Berufskontext Zeug*innen von
15 menschenfeindlichen Vorfällen werden, finden dort mit wenigen Klicks Rat und Unterstützung. Die Website www. beratungskompass-rlp.de stellt zentrale Anlauf- und Bera- tungsstellen für alle Merkmale von GMF übersichtlich dar. Über eine Kartensuchfunktion finden Suchende einfach das passende Angebot in ihrer Nähe. Ein Schwerpunkt der kommenden Jahre ist das Programm „Solidarität gegen Hass und Gewalt im Netz“. Es soll Betroffene von digitaler Gewalt unterstützen und allgemein für den Umgang mit digitaler Gewalt stärken. Dazu wurde im September 2021 die Beratungsstelle „SoliNet“ (www. solinet-rlp.de) ins Leben gerufen. Sie bietet Beratung und Hilfe bei Fragen zu juristischen Einschätzungen, Online- Sicherheits- und Kommunikationsstrategien und bei Bedarf psychosoziale Begleitung. Copyright: MFFKI Ihre Arbeit wird ab 2022 durch Qualifizierungsangebote für Fachkräfte und Multiplikator*innen sowie verstärkte Öffent- lichkeitsarbeit ergänzt. Die Qualifizierungskurse befinden sich derzeit in der Konzeptionsphase und werden sich an wirkungsvollsten jedoch sind wir dort, wo wir zusammen- unterschiedliche Zielgruppen richten. Sie sollen 2022 von arbeiten. Ich freue mich daher, die rheinland-pfälzischen Projektträgern aus Rheinland-Pfalz umgesetzt werden. Ich Volkshochschulen als Partnerinnen im Engagement für ein begrüße es sehr, wenn sich Volkshochschulen mit ihrer „Zusammen in Vielfalt“ zu wissen. langjährigen Expertise im Bereich der Fort- und Weiterbil- dung in diesen Prozess einbringen. Katharina Binz Ministerin für Familie, Frauen, Kultur und Integration Das Arbeiten an einem demokratischen Zusammenleben des Landes Rheinland-Pfalz ist manchmal anstrengend und herausfordernd. Es ist niemals wirklich „fertig“, sondern eine stetige Querschnitts- aufgabe für alle Akteur:innen unserer Gesellschaft. Am
16 Divesity & Inclusion geht alle an – Wie Roche in Deutschland Vielfalt lebt Katja Huber & Mirco Rossbach Vielfalt, Diversität, Gleichberechtigung: Gespräche rund Definition Diverstität und Inclusion um diese Stichworte sind in Unternehmen und in der Politik Vielfalt allein reicht jedoch nicht: Bei Roche wird gezielt in vollem Gange. Doch was bedeutet Diversity & Inclusion zwischen Diversity und Inclusion unterschieden. Diversity konkret im Arbeitsalltag? Wie können Unternehmen D&I in bezeichnet dabei die sicht- und unsichtbaren Unterschiede ihrer Kultur verankern - und so täglich leben? Der Einblick zwischen verschiedenen Personen, während Inclusion in eines der führenden Gesundheitsunternehmen weltweit eine Kultur beschreibt, in der jede einzelne Person respek- gibt uns einen Blick hinter die Kulissen. tiert wird, dazu gehört und erfolgreich sein kann. D&I bei Roche in Deutschland “Nur wenn wir eine solche Kultur haben, kann uns Diversi- Der Roche Campus in Penzberg bei München. Andreas tät weiterbringen. Denn dann fördert D&I die Innovations- Schmitz, Arbeitsdirektor und Mitglied der Geschäftsfüh- kraft und trägt dazu bei, die sich immer schneller verän- rung, Roche Deutschland Holding, ist einer von rund dernden Anforderungen der Arbeitswelt ebenso schnell zu 17.200 Mitarbeiter*innen in Deutschland zur Erforschung meistern”, und Entwicklung von Medikamenten und Diagnostika. Das erklärt Schmitz. Thema Vielfalt ist für den 41-Jährigen aus gutem Grund fester Bestandteil der Unternehmenskultur: Upskilling, Aktionstage und Verantwortung Diversity & Inclusion betrifft alle Mitarbeiter*innen im “Vielfältige Perspektiven sind für Unternehmen notwendig, Unternehmen - daher muss auch die Verantwortung für um innovativ und resilient zu sein. Chancengerechtigkeit, eine entsprechende Kultur in der gesamten Organisation Wertschätzung und Solidarität gehören zu unserem Selbst- verankert sein. Die Grundlage dafür bilden ein ausgepräg- verständnis und bilden die Basis unseres Erfolgs.” tes Engagement der Führungskräfte und eine entspre- chende Sichtbarkeit des Themas. Bei Roche wird dazu beispielsweise jährlich der “D&I Month” veranstaltet, ein
17 Aktionsmonat mit Fokus auf D&I, bei dem Roche aus allen Inclusion messbar machen Unternehmensbereichen über 80 Workshops, Schulungen Um datenbasiert Rückschlüsse auf die Diversität und und Diskussionsrunden für die Mitarbeiter*innen anbietet. die wahrgenommene Inclusion ziehen zu können, führte Auch wenn jede*r einzelne Mitarbeiter*in zur D&I Kultur Roche in Deutschland 2021 für alle Mitarbeiter*innen eine beiträgt: Für eine erfolgreiche Umsetzung braucht es freiwillige und anonyme Inclusion Befragung durch. Der Expert*innen mit dem entsprechenden Fachwissen, die innovative Ansatz, demographische Daten mit einer sub- dieses in die gesamte Organisation tragen. Eine von ihnen jektiven Bewertung der erlebten Inclusion zu kombinieren, ist Silke Heinrichs, Global D&I Partner. beleuchtet noch nicht dagewesene Perspektiven quan- titativ und erlaubt es, mit neuen Rückschlüssen maßge- “Wir fördern das Bewusstsein von Mitarbeiter*innen für schneiderte Lösungen für D&I zu finden. D&I und stärken so ihre Fähigkeit, eigene Handlungswei- sen zu reflektieren und das Thema in den Arbeitsalltag zu “Bei Roche leben wir D&I - aber D&I lebt als Bestandteil integrieren”, unserer Kultur auch selbst und entwickelt sich ständig sagt Heinrichs. weiter. Daher starten wir unter anderem basierend auf den Ergebnissen der Befragung kontinuierlich neue Projekte”, Roche setzt dazu auf ein ausführliches Schulungspro- sagt Schmitz. So sind für 2022 Initiativen geplant, die gramm, das unter anderem Trainings zu unbewussten verschiedene D&I Aspekte wie soziale Herkunft in den Fo- Denkmustern, interkulturellem Austausch, Gender Balance kus rücken und alle Mitarbeiter*innen dazu anregen, sich und Solidarität beinhaltet. In eigenen, durch das Manage- eigene D&I Ziele zu setzen. ment unterstützten Netzwerken, z. B. für Frauen in Füh- rungspositionen, Mitarbeiter*innen aus der LGBTQ+ Com- “Denn D&I means DIY – munity oder aus dem Ausland, können sich Kolleg*innen Diversity und Inclusion heißt Do it Yourself.” miteinander austauschen und mit eigenen Veranstaltungen Impulse setzen. Katja Huber Expert Communications, Roche Diagnostics GmbH Mirco Rossbach Diversity & Inclusion, Roche Diagnostics GmbH
18 Lebensstile der (Nicht-)Kursteilnehmer*innen Vera Allmanritter & Oliver Tewes-Schünzel Möglichst viele und verschiedene Bevölkerungsgruppen für Denk- und Arbeitsansatz bislang jedoch anscheinend nicht ihre Angebote zu begeistern, ist eines der zentralen Ziele von gefunden. Vielleicht hilft nun aber eine neu vorliegende, Volkshochschulen. Dabei stellt sich die Frage, nach welchen vertiefende Datenbasis unter anderem zu den Lebenssti- Kriterien am besten Zielgruppen gebildet werden können, len der (Nicht-)Kursteilnehmer*innen von Volkshochschu- um sie mit Angeboten, Marketing und Kommunikation gezielt len, diese Idee neu zu beleben: In Berlin wurden 2019 und anzusprechen. Hierfür sind vertiefte Kenntnisse zu (poten- 2021 großangelegte, repräsentative Bevölkerungsbefra- ziellen) Kursteilnehmer*innen elementar, um erfolgreich gungen zum Status quo der Kulturellen Teilhabe durchge- Audience-Development-Strategien für eine größere und 1 führt und dies nach Soziodemografie UND Lebensstil.4 breitere Nachfrage entwickeln zu können. Ein erster Impuls Doch was genau ist noch einmal der Lebensstil einer ist oft die Nutzung von soziodemografischen Informationen, Person? Er beinhaltet deren Geschmack, Vorlieben sowie wie beispielsweise zu formaler Bildung, Alter, Geschlecht typische Einstellungen und Verhaltensweisen. Auch und Einkommen – doch ist dieser Ansatz wirklich hilfreich? welche Produkte sie präferiert, welche Medien sie nutzt, Ein an sich alter Denkansatz neu belebt was in der Freizeit gemacht wird und damit auch, welche Die Soziologie hat bereits in den 1980er-Jahren auf die Bildungs-, Kultur- und Freizeitangebote von Interesse sind, begrenzte Erklärungskraft von Soziodemografie in Bezug lässt sich über den Lebensstil gut beschreiben. Dieser auf soziales Verhalten verwiesen. Als ergänzender Ansatz Ansatz bedeutet nicht, dass Soziodemografie keine Rolle wurde damals eine Betrachtung von verschiedenen mehr spielt. Die Ressourcen einer Person (bspw. Einkom- Lebensstilen in der Bevölkerung empfohlen. Und an sich 2 menslevel) sind weiterhin relevant, aber es bestimmt der handelt es sich auch im Volkshochschulbereich um keine Lebensstil, wofür sie eingesetzt werden.5 neue Idee. So erläutern beispielsweise drei Publikatio- In den beiden genannten Studien wurde die Lebensstilty- nen des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung von pologie des Soziologen Gunnar Otte verwendet. Er fand vor fast 25 Jahren ausführlich, wie die praktische Arbeit in der Bevölkerung Deutschlands neun Lebensstile, die speziell von Volkshochschulen mit SINUS Milieus erfolgen sich bildlich in einem zweidimensionalen Modell nach kann.3 Eine richtig flächendeckende Anwendung hat dieser deren Ausstattungsniveau und Modernitätsgrad darstellen 1 Für vertiefende Informationen zu Audience Development siehe bspw. Allmanritter 2017 (Kapitel 2). 4 Vgl. Allmanritter et al 2020. In diesen Beitrag flossen zum Teil textlich 2 Für eine Überblicksdarstellung siehe beispielsweise Otte 2008. überarbeitete und erweiterte Abschnitte aus dieser Publikation ein. 3 Vgl. Tippelt et al 2008; Barz et al 2004a, 2004b. 5 Vgl. Otte 2008.
19 Abbild 1: Lebensstil-Typologie nach Soziologe Gunnar Otte lassen (siehe Abbildung 1). Der Lebensstil einer Person die Kursteilnehmer*innen häufig einen formal hohen wird dabei ausschließlich über deren Zustimmung oder Bildungsabschluss haben. Allein auf Basis dieser sozio- Ablehnung von zwölf Aussagesätzen im Fragebogen gene- demografischen Informationen Zielgruppen für Audience riert, die kombiniert ausgewertet werden. Ein Beispiel wäre Development-Strategien zu bilden, führt jedoch zu kurz die Frage: „Selbstverwirklichung ist mir in meinem Leben und ist daher nicht empfehlenswert. Denn ein Blick auf die sehr wichtig“. Soziodemografische Merkmale fließen in die Lebensstile zeigt: Die homogene Gruppe DER Jüngeren, Zuordnung zu einem Lebensstil hingegen nicht ein. 6 DER Senior*innen, DER Bildungsbürger*innen und so weiter gibt es nicht. Lebensstile versus Soziodemografie Schon ein kurzer Blick in die Ergebnisse der Berliner So haben beispielsweise zwei der neun Lebensstile, Bevölkerungsbefragungen zeigt, wie hilfreich der Le- nämlich die „Unterhaltungssuchenden“ und die „Innovativ bensstilansatz ist. Sieht man sich die Zusammensetzung Gehobenen“, einen jüngeren Altersschwerpunkt (
20 Abbildung 2: „Unterhaltungssuchende“ und „Innovativ Gehobene“ nebeneinandergestellt Lebensstile der (Nicht-)Kursteilnehmer*innen In den Befragungsergebnissen sieht man bezüglich dieser Kenntnisse zu den Lebensstilen helfen aber nicht nur Freizeitangebote zunächst: Alle vier hier beispielhaft für dabei, (potenzielle) Kursteilnehmer*innen besser zu einen Vergleich gewählten Angebote werden von allen verstehen und an Hinweise zu gelangen, wie sie (noch Lebensstilen wahrgenommen, die Nachfrage wird von erfolgreicher) angesprochen werden könnten. Es lässt keinem einzigen Lebensstil dominiert (siehe Abbildung 3). sich mit Hilfe dieser Daten auch aufzeigen, wie erfolgreich Ganz allgemein besteht jedoch bei Lebensstilen mit einem Volkshochschulen aktuell bereits verschiedene Lebensstile höheren Ausstattungsniveau und Modernitätsgrad eine erreichen. Wie sieht die Lage im Vergleich zu deren Vertei- höhere Wahrscheinlichkeit, diese Angebote zu nutzen. lung in der Bevölkerung aus? Zudem kann man mit diesen Insbesondere der Lebensstil „Innovativ Gehobene“ ist bei Daten aufzeigen, wie die Volkshochschulen hierbei im allen vier Angeboten im Vergleich zur Bevölkerung über- Vergleich zu anderen Bildungs-, Kultur- und Freizeitange- durchschnittlich repräsentiert. Gleichzeitig fällt bei allen boten dastehen. Mit diesem Wissen wird gut sichtbar, wer vier Angeboten die Nutzungswahrscheinlichkeit bei den die direkte Konkurrenz ist oder wer sich als Kooperations- „Bodenständig Traditionellen“ am niedrigsten aus.9 partner für Volkshochschulen im weiteren Freizeitbereich eignen würde. 9 Vgl. eigene Auswertungen des IKTf für diesen Beitrag; Allmanritter et al 2020, S. 40ff.
21 Anteil Bevölkerung Volkshochschulen Bibliotheken Sportveranstaltungen Oper, Ballett, Tanztheater Konservativ Gehobene 6 4 4 5 9 Konventionalisten 9 9 7 9 7 Bodenständig Traditionelle 10 5 4 6 3 Liberal Gehobene 14 17 14 17 26 Mittelständische 16 14 16 17 13 Heimzentrierte 13 6 12 10 4 Innovativ Gehobene 15 24 20 20 29 Hedonisten 11 16 14 11 13 Unterhaltungssuchende 7 8 8 6 3 Abbildung 3: Verteilung der Lebensstile in der Bevölkerung und Besuchswahrscheinlichkeit Kooperationspartner finden dings, sich darauf auszuruhen. Denn es ist davon auszu- Aber es zeichnen sich auch Unterschiede zwischen den gehen, dass nicht alle Programmbereiche der Volkshoch- Angeboten ab. Deutlich wird dies, wenn man die von schulen hier schon gleichermaßen flächendeckendend den Freizeitangeboten erreichten Lebensstile mit ihrer erfolgreich sind. Bei einem vertiefenden Blick in die von jeweiligen Zusammensetzung in der Gesamtbevölkerung besonders vielen Lebensstilen als attraktiv empfundenen vergleicht: Offenbar stehen Volkshochschulen hier ganz Angebote würden vermutlich vor allem populäre und eher gut da. Sie schaffen es sogar, einige Lebensstile eher zu niedrigschwellige Kursinhalte hervorstechen. Um hierzu an erreichen, als dies für andere hier aufgeführten Angebo- differenzierte Kenntnisse zu gelangen, kann nur ausdrück- te gilt. Dabei liegt die Volkshochschule hinsichtlich der lich empfohlen werden, in Befragungen von aktuellen erreichten Lebensstile deutlich näher an Bibliotheken oder Kursteilnehmer*innen einmal die Lebensstilfragen einzu- auch Sportveranstaltungen als an Oper, Ballett und Tanz- bauen. theater. Eine Zusammenarbeit kann natürlich mit all diesen Weitere Informationen zu den „Kulturelle Teilhabe in Angeboten dennoch fruchtbar sein: Beispielsweise im Berlin“-Studien und zugehörigen Publikationen finden Sie Sinne der gemeinsamen Ansprache von beidseitig schon unter www.iktf.berlin. gut erreichten Zielgruppen oder einer Kooperation bei der Ansprache von Zielgruppen, die bislang jeweils nur eines Dr. Vera Allmanritter der Angebote erreicht hat. Leiterin des Instituts für Kulturelle Teilhabeforschung (IKTf), Für Volkshochschulen positiv festhalten lässt sich mit den Berlin vorliegenden Daten sehr gut, wie erfolgreich sie bereits Oliver Tewes-Schünzel heute zur Kulturellen Teilhabe beitragen. Kein Grund aller- Wissenschaftlicher Mitarbeiter am IKTf
22 Literatur Allmanritter, Vera (2017): Audience Development in der Huntemann, Hella; Echarti Nicolas; Lux Thomas; Migrationsgesellschaft. Neue Strategien für Kulturins- Reichart Elisabeth (2019): Volkshochschul-Statistik 58. titutionen. Bielefeld: transcript. Folge, Berichtsjahr 2019. DIE Survey Daten und Be- richte zur Weiterbildung. Bonn: Deutsches Institut für Allmanritter, Vera; Renz, Thomas; Tewes-Schünzel, Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslan- Oliver; Juhnke, Sebastian (2020): Kulturelle Teilhabe in ges Lernen https://www.die-bonn.de/doks/2021-Volks- Berlin 2019. Soziodemografie und Lebensstile. Ergeb- hochschule-01.pdf (24.11.2021). nisse einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung, gefördert von der Berliner Senatsverwaltung für Kultur Otte, Gunnar (2008): Sozialstrukturanalysen mit Le- und Europa (Schriftenreihe Kultursoziologie des IKTf, bensstilen. Eine Studie zur theoretischen und metho- Nr. 1), Berlin. https://www.iktf.berlin/Kulturelle_Teilha- dischen Neuorientierung der Lebensstilforschung. be_Berlin_2019_IKTf_lang.pdf (24.11.2021). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Barz, Heiner; Tippelt, Rudolf (Hrsg.) (2004a): DIE spe- Otte, Gunnar (2019): Weiterentwicklung der Lebens- zial. Weiterbildung und soziale Milieus in Deutschland. führungstypologie, Version 2019. https://sozialstruktur. Band 1: Praxishandbuch Milieumarketing. Bielefeld: soziologie.uni-mainz.de/files/2019/12/Otte2019-Wei- Bertelsmann Verlag. terentwicklung-der-Lebensführungstypologie-Versi- on-2019.pdf (24.11.2021). Barz, Heiner; Tippelt, Rudolf (Hrsg.) (2004b): DIE spe- zial. Weiterbildung und soziale Milieus in Deutschland. Tippelt, Rudolf; Reich, Jutta; von Hippel, Aiga; Barz, Band 2. Adressaten- u. Milieuforschung zu Weiterbil- Heiner; Baum Dajana (2008): DIE spezial. Weiterbil- dungsverhalten und -interessen. Bielefeld: Bertels- dung und soziale Milieus in Deutschland. Band 3: Mi- mann Verlag. lieumarketing implementieren. Bielefeld: Bertelsmann Verlag
23 Nur in Vielfalt zusammen Manjiri Palicha „Zusammen in Vielfalt“ heißt der Jahresschwerpunkt im Rassismus, Sexismus, Diskriminierung aufgrund sozialer kommenden Jahr. Und wie steht dies im Verhältnis zu Herkunft, Religion oder Weltanschauung. unserem Selbstverständnis, „Weiterbildung für alle“? Der Um in dieser Vielfalt zusammen zu sein, wäre der erste Leitsatz der Volkshochschulen; Weiterbildung für alle, also Schritt, diese innerhalb unserer Gemeinschaften, unserer eine Weiterbildung ohne Barrieren für alle Menschen in Volkshochschulen zu erkennen, zu stärken und zu feiern Deutschland, ist nicht nur ein Kernelement des Selbst- genau was hinter „Weiterbildung für alle“, „vhs als Lern- verständnisses der Institution Volkshochschulen, sondern und Begegnungsort“ für alle steckt. auch ihr gesellschaftlicher Auftrag – der sich wiederum, wie jeder öffentliche Auftrag auch aus den zu Grunde Doch was bedeutet das für die Volkshochschulen in ihrer liegenden Gesetzestexten ergibt, wie bspw. dem Allge- Planung und Umsetzung dieser Idee, dass wir in unserer meinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Im ersten Vielfalt zusammen sind? Geht es nur darum, Angebote für Paragraphen desselben heißt es: „Ziel des Gesetzes ist, unterschiedliche „Zielgruppen“ zu haben? Oder geht es Benachteiligungen aus Gründen der ›Rasse ‹ oder wegen 10 um „gelungene Integration“ von z.B. Migrant*innen oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion Menschen mit Behinderung? oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder Weder noch. Die Charta der Vielfalt sagt uns hier, „Di- der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“ versity Management macht hingegen eine gelungene D.h. eine Benachteiligung, auch in der Weiterbildung, ist Mitarbeit und gesellschaftliche Teilhabe weniger von der verboten11. Das Gesetz also anerkennt und schützt die individuellen „Integrationsleistung“ oder Anpassung an gesellschaftliche Vielfalt. eine Norm abhängig. Es versucht in einem umfassenderen Oft wird „Diversität“ mit „Migration“ gleichgesetzt. Aber, wie Verständnis von Inklusion, Rahmenbedingungen so zu im AGG deutlich, geht es um viel mehr: Es geht um Nicht- gestalten und bestehende Strukturen entsprechend zu Diskriminierung von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt, verändern, dass jede*r Einzelne in ihrer/seiner individuel- von Menschen mit Behinderung und um Abbau von len Vielfalt von Anfang an als zugehörig betrachtet werden kann.“12 10 Eigene Hervorhebung, Unter „Rasse“ versteht die Autorin das soziale Konstrukt von „race“ aus dem Englischen. 11 „Vielfalt. Begegnung. Bildung. Diversity-Mainstreaming in den Volks- 12 https://www.charta-der-vielfalt.de/fileadmin/user_upload/Studien_Publi- hochschulen und ihren Verbänden“ vom DVV, S.1 kationen_Charta/Charta_der_Vielfalt-O%CC%88H-2017.pdf
24 Die Volkshochschule 2030. Zusammen in Vielfalt. Nachhaltig. Vernetzt. Wie sehen Volkshochschulen 2030 aus? Welche Megathemen beschäftigen unsere Gesellschaft und welche Entwicklun- gen muss sie bewältigen? Das waren die Fragen, die Grundlage für das Arbeitsprogramm des DVV-Vorstands gewesen sind. Die Vielfalt unserer Gesellschaft prägt das Leben und bietet Chancen und Potenziale. Nur dort, wo Vielfalt gefördert und gelebt wird, ist auch der Zusammenhalt stark. Damit wir alle Menschen ansprechen können, gilt es, Anti-Diskrimi- nierungsarbeit zu leisten, Barrieren abzubauen und Vielfalt zu fördern. Um dieses Ziel zu erreichen und Diversität fest in der Volkshochschulwelt zu implementieren, steht das Jahr 2022 unter dem gemeinsamen Schwerpunkt „Zusammen in Vielfalt“. Sascha Rex Leiter Stabsstelle Grundsatz und Verbandsentwicklung, DVV Für die Volkshochschulen heißt das, eine institutionelle Diese Checkliste ist in drei Teile aufgeteilt: Öffnung auf allen Ebenen. Hierfür finden wir Antworten a) Organisationale Ebene: Ist Diversität im Leitbild fest- bzw. Anregungen in Form einer Checkliste zu Diversity geankert? Gibt es Diversity-Beauftragte in der vhs? Wer- Mainstreaming, welche vom Diversity Ausschuss des den diese bei wichtigen Entscheidungen auch einbezogen DVV erstellt wurde. Diese Checkliste dient als eine Art und beteiligt? Brauchen wir als Organisation in diesem Bestandsaufnahme und regt gleichzeitig bei der Planung Prozess externe Unterstützung? Zentral zu einer Umset- konkrete Schritte an. zung von Diversity Mainstreaming: Nur wenn die Leitungs- ebene hinter dieser Idee steht, kann in der Organisation ein Diversity Mainstreaming umgesetzt werden. Wichtig für Diversity Mainstreaming: Netzwerken, Netzwerken und noch mehr Netzwerken. Mit queeren Communities, mit migrantischen Selbstorganisationen, mit unterschiedlichen Communities von Menschen mit unter-
25 schiedlichen Behinderungen, mit Frauenorganisationen um eine „Weiterbildung von allen“. Um dies zu erreichen, einige Beispiele zu nennen. brauchen wir eine konsequente Diversitätsorientierung auf allen drei obengenannten Ebenen. b) Personalebene: Wie sieht die Teamzusammensetzung aus? Wie sieht der Kursleiter*innenpool aus? Sprechen Manjiri Palicha die Stellenausschreibungen unterschiedliche Menschen Geschäftsführende Direktorin der vhs Berlin Mitte an? Gibt es Möglichkeiten zu regelmäßigem Austausch zu Stellvertretende Sprecherin des Diversitiy Ausschusses diesen Fragen? im DVV c) Angebotsebene: Gibt es kompetente Ansprechpartner*innen innerhalb einer Volkshochschule? Werden unterschiedliche Diversitätsdimensionen bei der Programmgestaltung berücksichtigt? Werden verschiede- ne Communities bei der Programmplanung angesprochen und mitbezogen? Wie zugänglich ist die Homepage und das Anmeldeverfahren? Welche Sprachen spricht die vhs? Wie werden Angebote kommuniziert und adressiert? Um eine „Weiterbildung für alle“ zu erreichen braucht es Netzwerkgruppe „Die Volkshochschule 2030“ Im Rahmen des Schwerpunktjahres „Zusammen in Vielfalt“ bietet der DVV verschiedene Unterstützungsleistungen an. Die 2021 veröffentlichte „Toolbox Organisationsentwicklung“ enthält einen exemplarischen Workshop zum Thema Diversität, den Volkshochschulen vor Ort durchführen können. Hierzu bietet der Diversityausschuss des DVV zudem Fortbildungen an. Ebenso organisiert der Ausschuss eine Schulung zu den Checklisten zum Diversity Mainstreaming an Volkshochschulen. Darüber hinaus erhalten Volkshochschulen Unterstützung durch Marketingmaterialien, Textbausteine und Social Media-Vorlagen. All diese Materialien und aktuelle Termine zu Workshops und Veranstaltungen sind in der vhs.cloud-Netzwerkgruppe „Die Volkshochschule 2030“ hinterlegt und werden stetig aktualisiert. Christian Sattler Referent für Online-Redaktion und Kommunikation, DVV
26 Bildung für alle?! Diversitätssensible Angebotsgestaltung Stephan Kaps „Die Schwelle des Körpers, der Körper als Schwelle Als Volkshochschulen tragen wir unsere Zielgruppe bereits unterminiert die Vorstellung des Körpers als abge- im Namen: das Volk, alle Menschen und zwar unabhängig schlossene Einheit. Gleichheit lässt sich daher nicht von ihrem Status oder anderer Kriterien. In den Leitbildern auf ein Kalkül reduzieren, in dem jeder abstrakten findet sich daher die Formulierung „Bildung für alle“ wieder. Person der gleiche Wert zugeschrieben wird, denn die Doch wer sind diese „alle“, gibt es diese Homogenität Gleichheit von Personen muss in Begriffen der wech- überhaupt und was müssen wir als Einrichtungen tun, um selseitigen sozialen Abhängigkeit gedacht werden. wirklich alle zu erreichen? Zwar ist richtig, dass alle Personen gleichbehandelt werden sollen, aber Gleichbehandlung ist nicht mög- Eine Antwort steckt im Titel des DVV-Vorstandspapiers lich außerhalb einer sozialen Organisation des Le- „Zusammen in Vielfalt. Nachhaltig. Vernetzt.“, denn genau bens, in der materielle Ressourcen, die Verteilung von dieser Dreiklang gibt der Idee Volkshochschule ihre weitere Lebensmitteln, Wohnungen, Arbeit und Infrastruktur Daseinsberechtigung, wenn es zu einer konsequenten auf gleiche Bedingungen der Lebbarkeit abzielen. Der Umsetzung kommt. Bezug auf diese Gleichheit der Lebbarkeit ist daher unverzichtbar für jede substanziell sinnvolle Bestim- Appell an die vhs-Mitarbeiter*innen mung von „Gleichheit“.“ „Zusammen in Vielfalt“ beinhaltet mehrere Aspekte: das Gemeinsame bei gleichzeitiger Anerkennung der Verschie- Judith Butler, „Die Macht der Gewaltlosigkeit“, Suhrkamp, denheit. Es ist auch ein Appell an vhs-Mitarbeiter*innen, die erste Auflage 2020, S. 30 Gelingensbedingungen dafür zu schaffen, also die Bedarfe und Bedürfnisse der Adressat*innen zu kennen über deren inhaltlichen Wünschen hinaus die barrierefreie Infrastruktur zur Angebotsteilnahme herzustellen.
27 Doch was heißt das konkret aus meiner Praxis im Pro- ● …Podien paritätisch besetzen und Gruppen einladen, grammbereich Kultur und Gestalten an der vhs Hannover? für sich selbst zu sprechen. ● …transparent sein, Strukturen und Vorgaben zu benen- Ich sollte... nen, damit das Gegenüber die mir gegebenen Rah- ● …mutig sein, Fehler zu machen und daraus zu lernen. mungen verstehen kann. ● …mich kritisch mit meinen eigenen Privilegien ausein- ● …die Kraft der Institution nutzen, um Adressat*innen andersetzen. der vhs-Angebote gesellschaftlich relevante Themen ● …lebenslanges Lernen (vor-)leben und am Puls der näher zu bringen. Zeit sein. ● …ermöglichen statt verhindern. ● …meine Funktion einsetzen, um auch für marginalisier- ● …manchmal einfach anfangen und machen, statt mir te Gruppen Angebote und Räume zu schaffen. 1000 Gründe zu überlegen, warum etwas misslingen ● …in Kooperationen die Infrastruktur bereitstellen, damit könnte. Peer-to-Peer-Angebote umgesetzt und neue Personen- Hilfreich können für die Angebotsplanung Checklisten oder gruppen erreicht werden können. z.B. die Toolbox Diversität des DVV sein (Hinweise dazu ● …aktiv die Diversität bei den Funktionsgruppen erhö- s. S. 25), um den Übergang zu gestalten, bevor sich das hen, auf die ich Einfluss habe, um eine Repräsentanz grundlegende Verständnis für Vielfalt auf allen Ebenen zu schaffen. durchsetzen wird. ● …als Führungskraft mit gutem Beispiel vorangehen. ● …Ally sein und dies durch kleine Symbole zeigen (z.B. Weitere Infos und Workshops gibt es in der vhs.cloud- ein Regenbogenpin, ein Aufkleber, sensible Vordrucke Gruppe Netzwerk Diversität. und Formulare oder die wertschätzende Frage, wie eine Person angesprochen werden möchte). Stephan Kaps ● …mich vernetzen, austauschen und miteinander vonei- Leiter des Programmbereichs Kultur und Gestalten, nander lernen. vhs Hannover ● …die Chancen der Digitalität nutzen, um meine eigene Weiterbildung und die Angebote zu diversifizieren und mehr Menschen zu erreichen. Diversity an Volkshochschulen Kurs 26 05 22 Termin: Dienstag, 26.04.2022 Ort: Verband der Volkshochschulen, Mainz Referent: Stephan Kaps Kostenbeitrag: 50 € Anmeldeschluss: 12.04.2022
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