DAS MAGAZIN DER KATH. PFARREI ST. LIUDGER MÜNSTER-WEST - 8 5. Jahrgang Frühjahr 2018 - St. Liudger in Münster

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DAS MAGAZIN DER KATH. PFARREI ST. LIUDGER MÜNSTER-WEST - 8 5. Jahrgang Frühjahr 2018 - St. Liudger in Münster
8
5. Jahrgang
Frühjahr 2018

                DAS MAGAZIN DER KATH. PFARREI ST. LIUDGER   MÜNSTER-WEST

                                          Fußball
DAS MAGAZIN DER KATH. PFARREI ST. LIUDGER MÜNSTER-WEST - 8 5. Jahrgang Frühjahr 2018 - St. Liudger in Münster
© Photo by Abigail Keenan on Unsplash

                                                                                                  Vorwort

                                                                                                  Liebe Leserinnen und Leser!

                                                                                                  „So Pastor, getz erklär mich ma dat mitte     lich verlassen können wir uns letztlich
         Herr,                                                                                    Erlösung!“ – „Ganz einfach: 13. Juli 2014,    zwar nur auf die Rückbindung an Gott.
         lass uns fair spielen.                                                                   113. Minute, Mario Götze…“ – „Jou, dat        Das heißt aber noch lange nicht, dass wir
         Lass unser Spiel in deinen Augen gut sein.                                               war vielleicht ne Erlösung!!! Wat hab ich     unser Herz nicht auch an andere Dinge,
         Lass unser ganzes Leben ein faires Spiel sein,                                           geschrien, als der Junge dat Dingen ge-       Personen oder eben auch den Fußball
         eine Augenweide für dich und die Mitmenschen.                                            macht hat! Booooh, ich sach et dir! Und       hängen können.
         Wenn du gnädig bist,                                                                     wat war dat danach für ein Fest die ganze
         dann lass uns gewinnen,                                                                  Nacht!“                                       Immerhin gibt es in Deutschland schon
         hier im Spiel und später,                                                                                                              mehrere Friedhöfe eigens für Fußball-
         wenn das Leben und das Spiel zu Ende sind.                                               Es gibt keine andere Sportart, ja über-       fans, etwa auf Schalke oder beim HSV. In
                                                                                                  haupt kaum etwas anderes, das in der          England wird auf Wunsch teilweise sogar
                                                                                                  gleichen gesellschaftlichen Breite derar-     die Asche verstorbener Anhänger unter         Timo Weissenberg,

         Gebet der Fußball-Nationalmannschaft aus Ghana                                           tige Emotionen, ja Leidenschaften schürt      dem Spielfeld vergraben, so z.B. bei Chel-    Jahrgang 1973, ist seit
                                                                                                  und freisetzt, wie der Fußball. Das ist ein   sea London. Und im Camp Nou in Bar-           der Fusion im April
         Quelle: www.kirche-am-ball.de                                                                                                                                                        2016 Leitender Pfarrer
                                                                                                  Grund dafür, dass seine Bedeutung weit        celona wurde eine Urnenhalle für 20000
                                                                                                                                                                                              von St. Liudger.
                                                                                                  über die Stadien hinausreicht. Nicht um-      Urnen gebaut.
                                                                                                  sonst trifft sich die Bundeskanzlerin in
                                                                                                  gewissen Zeitabständen immer wieder           Doch es gibt auch die sehr feinfühlige
                                                                                                  mit Jogi Löw, um über aktuelle gesell-        Unterscheidung von Religion und Fußball
                                                                                                  schaftliche Themen zu sprechen. Um            bei den gläubigen Profis selbst. So erzähl-
                                                                                                  Fußball geht es dabei nach Aussagen           te Dieter Hecking in einer Talkshow ein-
                                                                                                  beider nur am Rande. Man mag es für           mal, dass er die gläubigen Profis, die vor
                                                                                                  eine übertriebene Wertschätzung dieser        dem Spiel oft beteten, immer wieder ein-
                                                                                                  Sportart halten, wenn man sie als gesell-     mal gefragt habe, um was sie da eigent-
                                                                                                  schaftlichen „Kitt“ bezeichnet. Und doch      lich beten. „Die einen beteten, dass sie
                                                                                                  verbindet die Begeisterung oder zumin-        ihre beste Leistung abrufen können und
                                                                                                  dest das Interesse für das runde Leder        sich keiner verletzt. Andere um einen re-
                                                                                                  sehr viele Menschen miteinander.              spektvollen Umgang miteinander, der zur
                                                                                                                                                Ehre Gottes werden möge. Niemand, den
                                                                                                  Grund genug für uns, dem Fußball eine         ich fragte, betete um den Sieg!“
                                                                                                  Ausgabe von „Lebendig“ zu widmen. –
                                                                                                  Ein Pfarrmagazin, das sich mit dem The-       Neben den Gedanken rund um „Fuß-
                                                                                                  ma „Fußball“ beschäftigt?                     ball und Religion“ finden Sie in diesem
                                                                                                  Um möglichen Missverständnissen zu-           Heft Artikel zur Bedeutung des Fußballs
                                                                                                  vorzukommen: Fußball und Religion             für die Persönlichkeitsentwicklung, zur
                                                                                                  haben nichts miteinander zu tun! The-         Kommerzialisierung, zur Trainingslehre,
                                                                                                  oretisch. Aber zählt das auch praktisch,      zum Fußball aus der Sicht von „Fußballel-
                                                                                                  „auf’m Platz“ des Lebens?                     tern“, ein Interview mit einem angehen-
                                                                                                  Wenn Religion vom Wortbegriff her             den Profi, Filmtipps und vieles mehr ...
                                                                                                  heißt, sich an etwas zurückbinden – oder
                                                                                                  freier: sein Herz an etwas hängen, dann       Viel Freude beim Lesen – und am runden
                                                                                                  verschwimmen die Grenzen da hin und           Leder, wünscht Ihnen im Namen der Re-
                                                                                                  wieder schon ein wenig. Oder? Wirk-           daktion,
                                                                                                                                                                  Pfr. Timo Weissenberg
2 | Lebendig                                                                                                                                                                                          Lebendig | 3
DAS MAGAZIN DER KATH. PFARREI ST. LIUDGER MÜNSTER-WEST - 8 5. Jahrgang Frühjahr 2018 - St. Liudger in Münster
Fußball = Religion?
      „Entscheidend is auf’m Platz!“
      (Oder etwas alternativer: Warum Fußball keine Religion ist                                                             Darf man auch für Tore beten?
      und Adi Preißler immer noch Recht hat)                                                                                 „Gott ist überall: bei jedem Spiel, für das wir Menschen zusammen kommen,
                                                                                                                             in Dir, in mir und immer auch im Gegner. Gebet ist eine Unterstützung im
                                                                                                                             „Innersten“, so wie das Anfeuern von Eltern und Freunde vom Spielfeldrand
                                                                                                                             aus. Dabei ist eines ganz wichtig: Fair Play. Das sieht Gott auch so. Er will,
                              Ich kann mich noch gut an meine „VfB-Kutte“ erinnern. Das war eine Jeans-
                                                                                                                             dass wir respektvoll miteinander umgehen. Gewinnen ist ja letztlich nur
                              Jacke mit verschiedensten Aufnähern meines Lieblingsvereins aus Stuttgart.                     schön, wenn es fair zugeht. Für Tore beten? Klar, man darf für alles beten ...
                              Einer hatte die Aufschrift „VfB Stuttgart ist meine Religion“. Nach einigen Mo-                aber nicht vergessen: der Gegner darf das auch!“
                              naten beschlich mich jedoch ein ungutes Bauchgefühl und ich entfernte den                                                                             Bruder Marcus Porsche,
                              Aufnäher von meiner Kutte wieder. Die Frage, ob denn Fußball nun Religion                                                                          Pastoralreferent St. Liudger
                              sei, beschäftigte mich im Laufe der Jahre allerdings nicht sonderlich, bis ich
                              mich im Rahmen meiner Dissertation zum Thema „Fußball und Kirche“ wieder
                              mit ihr befasste.                                                                           definiert und kontrolliert wird und der          Die Lebenserfahrung bestätigt es doch
                                                                                                                          eigenen Gesetzen folgt. Deshalb plädiere     immer wieder: Dort, wo ich mit positiver
                                  Um gleich auf den Punkt zu kommen:              Und auch die oft bemühten Verglei-      ich dafür: Lasst den Fußball Fußball und     Leidenschaft bei der Sache bin, kann Le-
                              Ich kam relativ flott zu der Auffassung         che zwischen den Fans im Stadion und        die Religion Religion sein!                  ben und Glaube gut gelingen: Da bin ich
                              „Fußball ist keine Religion!“ Welche Er-        der Liturgie unserer Kirche (Vorsänger,                                                  motiviert, da habe ich Lust, da geht mir
    Dr. Thorsten Kapperer
    Pastoralreferent in der   leichterung: Mein Bauchgefühl von da-           Kleidung, Fahnen, Riten, ...) sind äußer-      Wir sollten demnach nichts in den         Vieles leichter von der Hand. So kann
Pfarrgemeinde „Unter der      mals hatte mich nicht im Stich gelassen ...     lich betrachtet völlig korrekt, führen      Fußball hinein interpretieren, sondern       uns der Fußball ermutigen, folgenden
Homburg“ und Moderator        Doch wie kam ich zu dieser Erkenntnis?          aber dennoch nicht viel weiter, da das      lieber das zur Kenntnis nehmen, was im       Fragen auf die Spur zu kommen: Welche
 für den pastoralen Raum                                                      einzige Bestreben der Fans im Stadion       Wesen des Fußball-Spiels sowieso tief        Leidenschaften prägen mein Leben? Wo-
                Gemünden          Ein wichtiger Grund, der alleine schon      die bedingungslose Unterstützung ihrer      verwurzelt ist: Leidenschaft!                bei schlägt mein Herz höher? Was macht
                              genügen würde, um zu beweisen, dass der         Mannschaft durch Gesänge, Fahnen etc.                                                    mein Leben lebenswert? Wofür engagie-
                              Fußball keine Religion ist, ist die Tatsache,   ist – und nicht die Erinnerung an Jesu          Deshalb finde ich es viel spannender,    re ich mich von Herzen gerne? Wenn ich
                              dass dem Fußball das Moment des Trans-          Heilshandeln an uns Menschen. Die           wenn wir dem Fußball lernbereit als ei-      jetzt an die nächsten vier Wochen denke:
                              zendenten fehlt. Auf Fragen wie „Woher          Fans beten ja auch nicht ihre Mann-         nem Ort der Leidenschaft begegnen, als       Worauf freue ich mich besonders?
                              kommen wir? Warum sind wir hier auf             schaft an oder wenden sich in einer für     ihn unzulässig als Religion zu bezeich-
                              dieser Erde? Was kommt nach dem Tod?“           sie existentiell bedrohlichen Situation     nen. Denn von der untersten Spielklasse         Dies sind alles lebensfördernde und
                              kann und will der Fußball keine Ant-            im Gebet an den Stürmer-Star ihres          bis zur Fußball-Weltmeisterschaft lassen     damit auch zutiefst religiöse Fragen.
                              worten geben. Der entscheidende Unter-          Lieblingsvereins. Oder kennen Sie einen     sich Emotionen pur erleben. Wenn ich         Denn Gott möchte ja, dass unser Leben
                              schied liegt demnach nicht zuletzt darin,       Fußball-Fan, der ernsthaft daran glaubt,    als VfB-Fan beispielsweise an den Auf-       gelingt. Und wenn uns unsere Leiden-
                              dass die Kirchen Transzendenzerfahrung          dass ein verschwitztes Trikot von Bay-      stieg 2017 zurück in die erste Bundes-       schaften dabei helfen, ist das doch umso
                              ermöglichen und mit einem inhaltlichen          ern-Star Lewandowski eine theologi-         liga denke, oder wenn wir uns an den         besser.
                              Programm und einer klaren Adresse               sche Dimension aufweist? Fußballfans        Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft
                              versehen, nämlich den in Jesus Christus         sind vielmehr eine Bekenntnisgemein-        2014 in Brasilien erinnern: Das waren           Mögliche Antworten auf diese Fragen
                              menschgewordenen Gott, der denen, die           schaft als eine Glaubensgemeinschaft.       doch phantastische Momente!                  finden Sie sicherlich auf dem Spielfeld
                              auf ihn vertrauen, im Heiligen Geist nahe       Denn allein der auftretende Personen-                                                    Ihres persönlichen Lebens. Und so sind
                              ist. Diese Transzendenz gibt es im Fußball      kult macht aus einem Fußballer noch            Kurzum: die Leidenschaft des Fußballs     wir schließlich wieder ganz beim Fuß-
                              nicht. Das Stadion ist kein Tempel, in dem      keinen religiösen Heiligen. Dr. Mark-       zieht nicht erst seit gestern Menschen je-   ball, denn schon die BVB-Legende Alfred
                              es um das Letzte, das Unbedingte geht. So       wart Herzog von der Schwabenakade-          den Alters und Geschlechts weltweit in       „Adi“ Preißler wusste: „Entscheidend is
                              hat sich etwa der Deutsche Fußball-Bund         mie Irsee beschreibt den Fußball daher      ihren Bann. Wäre es da nicht sinnvoll,       auf‘m Platz“. ■
                              von Beginn an konsequent nicht nur poli-        auch nicht als Religion oder Religionser-   uns und unseren Glauben von der positi-                             Thorsten Kapperer
                              tische, sondern auch religiöse Neutralität      satz, sondern als autonomen Kulturbe-       ven Leidenschaft des Fußballs anstecken
                              auf die Fahnen geschrieben.                     reich, der von unabhängigen Verbänden       und inspirieren zu lassen?                                                                              C
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DAS MAGAZIN DER KATH. PFARREI ST. LIUDGER MÜNSTER-WEST - 8 5. Jahrgang Frühjahr 2018 - St. Liudger in Münster
Ich kann nicht vom Fußball lassen weil …
Was bedeutet das Spiel mit dem Ball den Menschen aus unserer Pfarrei und darüber hinaus?
Wir haben zu dieser Fragestellung mehrere Fußballbegeisterte bei uns befragt und um ein
Statement gebeten, warum sie vom Fußball nicht lassen können. Diese verschiedenen State-
ments finden Sie nun auf den folgenden Seiten auf kleinen Fußballfeldern. Maria Luisa Grohs,
Torhüterin in der U17 Nationalmannschaft der Frauen, hat uns folgendes Statement geschickt:
„Ich lerne, mir und anderen zu vertrauen, was es wirklich      Der Fußball lässt mich täglich an meinen
heißt zu gewinnen und zu verlieren, und dass nicht immer       Grenzen arbeiten und meine Ziele verfol-
das Ergebnis am Ende des Spiels entscheidet. Ich lerne, was    gen.
für einen hohen Stellenwert Kommunikation, Auftreten und
die Übernahme von Verantwortung haben.                         Außerdem macht Fußball einfach immer
                                                               Spaß – zuhause mit Freunden genauso
Ich lerne, Entscheidungen zu treffen und um Hilfe zu fragen,   wie bei der Nationalmannschaft.
ich lerne, wann man sich auf das Wesentliche konzentrieren
muss und wann die kleinsten Details von Bedeutung sind.        Manchmal blitzt der kurze Gedanke auf,
                                                               dass das System Leistungsfußball mich
                                                               gefangen hält und mir viele Freiheiten
                                                               nimmt: sieben Tage die Woche Training
                                                               und Spiele, Fokus und Disziplin.

                                                               Aber so ist es nicht. Jede Einheit ist frei-
                                                               willig, ich freue mich auf jedes Training,
                                                               mich immer wieder mit den Besten aus
                                                               ganz Europa zu messen und für Deutsch-
                                                               land zu spielen.
                                                                                                                                           Fußballspruch des Jahres 2017:
                                                               Ich weiß dann genau, ich bin keine Ma-
                                                               rionette des Leistungssports, sondern ich

                                                                                                                                 „Wir danken der Mannschaft,
                                                               gehe meinen Weg, treffe meine Entschei-
                  Warum ich nicht                              dungen und mache, was mir wichtig ist:
               vom Fußball lassen kann:                        Ich spiele Musik, treffe mich mit Freun-
                                                               den, bin Messdienerleiterin und ich spiele
                                                               Fußball.“ ■
                                                                                                                                dass sie uns auch in dieser Saison
         Ich kann nicht vom Fußball lassen, weil
         ich mich auf dem Rasen frei fühle und
                                                                                Maria Luisa Grohs (16),
                                                                                                                                so zahlreich hinterhergereist ist.“
         mit dem Ball am Fuß glücklich bin,
                                                                    Schülerin der Marienschule Münster
         weil er mir alles ermöglicht und meine                    und Messdienerleiterin in der Pfarrei
         Leidenschaft ist. ■                                   Liebfrauen-Überwasser, ist Torhüterin in                         Die Fans von Schalke 04 verabschiedeten sich 2017 mit einem Transparent
                                                               der U17 Nationalmannschaft der Frauen.                           beim letzten Saisonspiel in Ingolstadt von den Schalker Spielern nach dem
                              Maria Luisa Grohs,                                 Ihr normaler Verein ist
                                Torhüterin in der
                                                                                                                                 Spiel gegen den FC Ingolstadt. Der Text auf dem Plakat wurde als bester
                                                                          U16 Jungen 1. FC Gievenbeck
                U17 Nationalmannschaft der Frauen                                                                              Fußballspruch 2017 ausgezeichnet. Der Preis wird seit 2006 vergeben und ist
                                                                                                                                          mit 5000 Euro für einen gemeinnützigen Zweck dotiert.

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                                                                                                              © Photo by Robbie Noble on Unsplash
DAS MAGAZIN DER KATH. PFARREI ST. LIUDGER MÜNSTER-WEST - 8 5. Jahrgang Frühjahr 2018 - St. Liudger in Münster
Die Bilder stammen aus der Galerie der Website zum Clericus Cup: www.clericuscup.it

        Mater Ecclesiae gegen North American
        Martyrs: Fußball im Vatikan
                               Die vatikanische Hymne („O felix Roma“ mit Musik von Charles Gounod)
                               kann man bei Fußballspielen nur selten hören. Dabei gibt es sie: die Hymne
                               und Fußballspiele des Vatikans gegen andere Nationalmannschaften, etwa
                               San Marino oder Monaco. Da aber der Vatikan weder Mitglied der FIFA
                               noch der UEFA ist, sind die Gelegenheiten rar.
                                  Immer wieder gibt es natürlich An-            Während die ACDV-Mannschaften
                               lässe für besondere Fußballspiele einer      mangels Spielern nur Calcetto spielen,
                               vatikanischen Auswahl-Elf, zum Beispiel      nämlich in Fünfer-Teams auf kleinerem
                               unter dem Motto „Luther vs. Papst“ im        Feld, treten die Kleriker als Elf an. Eine
                               vergangenen Jahr gegen die Mannschaft        Halbzeit dauert jedoch nur dreißig Minu-
                               von Wittenberg – ganz im Zeichen der         ten. Beim Clericus Cup gelten besondere
  Claudia Maria Korsmeier
                               Ökumene, des Reformationsjubiläums           Regeln: Fluchen ist verboten und wird
 engagiert sich in verschie-
denen Gremien und bei der
                               und (natürlich) als Benefizspiel. Die Far-   mit einer Karte geahndet, schlimmsten-
 Kirchenmusik. Sie arbeitet    be der Trikots versteht sich von selbst:     falls mit der Roten. Eine Blaue Karte
als Sprachwissenschaftlerin    Sie sind gelb-weiß. Aber der Vatikan hat     bekommt, wer ein mittelschweres Foul
 und ist Freie Mitarbeiterin   fußballmäßig viel mehr zu bieten. Denn       begangen hat: Er wird dann für fünf               Unterstützung durch ein gemeinsames Gebet vor Beginn des Finales: Clericus-Cup in Rom 2017
       bei „Kirche + Leben“.   es gibt zwei Ligen und mehrere Pokal-        Minuten vom Platz gestellt. Fangesän-
                               Meisterschaften.                             ge gibt es genauso wie Transparente,              wird aber auch hier, denn nicht alle am-      Fußball spielte und Torwart war, Fuß-
                                                                            Ansporn und Kritik – aber alles in Ma-            bitionierten Spieler sind mit der fußbal-     ball liebte, ist bekannt. Er war (nicht als
                                  1972 wurde die erste Liga der vatika-     ßen. Spieler bekreuzigen sich, wenn sie           lerischen Qualität ihrer eigenen Kollegen     einziger Papst) Ehrenmitglied mehrerer
                               nischen Angestellten, die ACDV (Attività     einlaufen, wie beim „richtigen“ Fußball           zufrieden. Der Pokal ist ein goldfarbener     Fußballclubs.
                               Calcistica dei Dipendenti Vaticani), ge-     auch, es wird auch gebetet.                       mit einem Priesterhut gekrönter Fußball,
                               gründet. Die Kleriker (auch die noch in                                                        der auf einem Paar Fußballschuhe steht.          Schon im 16. Jahrhundert sollen sich
                               der Ausbildung stehenden) tragen seit           Die Mannschaften rekrutieren sich              Von der Qualität der Meisterschaft kann       aber Päpste für eine Vorform des heuti-
                               2007 mit mehr als 350 Spielern aus etwa      aus den Mitgliedern verschiedener Pries-          man sich natürlich vor Ort überzeugen,        gen Fußballspiels interessiert haben, für
                               50 Ländern in sechzehn Mannschaften          terseminare und Orden. Gewechselt                 aber auch auf der Interseite www.cleri-       den Calcio Fiorentino, der aus Florenz
                               jährlich den Clericus                                                                          cuscup.it.                                    kam, so Papst Leo X., der von 1513 bis
                               Cup untereinander aus.                                                                                                                       1521 Oberhaupt der katholischen Kirche
                               Dumm ist nur, dass der                                                                            Die ACDV wurde von vatikanischen           war. Andere Päpste (Klemens VII., Leo
   Das Emblem der
                               Vatikan keinen Sport-                                                                          Angestellten gegründet, um den Zusam-         XI. und Urban VIII.) sollen als junge Leu-
     vatikanischen             platz hat, schon gar                                                                           menhalt untereinander und die körper-         te eben diesen florentinischen Fußball
  Nationalmannschaft           kein Fußballfeld. Wenn                                                                         liche Fitness zu fördern. Anstoß für den      selbst gespielt haben.
                               die Spiele also nicht auf                                                                      Clericus Cup gab 2007 Kardinal Tarcisio
                               einem der Rasen aus-                                                                           Bertone, der als großer Fußball-Fan gilt          Eine „richtige“ vatikanische National-
                               getragen werden, muss                                                                          und als Erzbischof Spiele italienischer       elf scheiterte bislang daran, dass es unter
                               man auf einen Fußball-                                                                         Mannschaften kommentierte. Immerhin           den etwa 500 Männern mit vatikanischer
                               platz der Stadt Rom                                                                            entstand der Clericus Cup unter Papst         Staatsangehörigkeit nicht genügend ad-
                               ausweichen. Das tut                                                                            Benedikt, der ja als nicht übermäßig          äquate Spieler gab. Von Frauenmann-
                               der Begeisterung aber                                                                          fußball-affin gilt. Papst Franziskus‘ Be-     schaften im vatikanischen Fußball hat
                               offensichtlich keinen                                                                          geisterung für Fußball ist dagegen kein       man noch nichts gehört. ■
                               Abbruch.                                                                                       Geheimnis. Und auch, dass Papst Johan-
                                                              Die Gewinner des Clericus-Cups 2017 mit ihrem Siegerpokal       nes Paul II., der als Jugendlicher selbst                         Claudia Maria Korsmeier

        8 | Lebendig                                                                                                                                                                                                                          Lebendig | 9
                                                                                                                          © Photo by Roman Kraft on Unsplash
DAS MAGAZIN DER KATH. PFARREI ST. LIUDGER MÜNSTER-WEST - 8 5. Jahrgang Frühjahr 2018 - St. Liudger in Münster
Über alle Grenzen hinweg –
                              Fußball beim „Weihnachtsfrieden“ 1914
                                                                                                                                                             Foto: von Photograph unknown, Public domain. [CC0], via Wikimedia Commons

                                 „Der Fußball ist heute eine universel-      Den Appell von Papst Benedikt XV. zur
                              le Sprache, die unsere Herzen öffnet. Er       Waffenruhe über Weihnachten lehnen
                              bringt die Menschen zusammen, über             die Befehlshaber ab. Man befindet sich
                              alle Grenzen hinweg“. Ex-UEFA-Präsi-           noch in der Anfangszeit des ersten Welt-
                              dent Michel Platini fasst mit seiner Aus-      kriegs und hofft, die Kämpfe schnell für
                              sage wohl genau das in Worte, was so           sich entscheiden zu können. Dass der
                              viele mit dem runden Leder verbinden.          Krieg erst vier Jahre später enden und
                              Abseits von Hass und Gewalt, welche            17 Millionen Tote fordern würde, ahnen
                              sich den Fußball gerne als Bühne su-           zu dieser Zeit wohl die Wenigsten. Da-
                              chen, bringt sie unseren geliebten Sport       mals sind die Todesstreifen noch keine
                              auf den Punkt und lenkt den Blick auf          Kilometer breit, oft liegen die Verfeinde-
                                                                                                                                                                                                                                         Stabsunteroffizier Clement
                              das Wesentliche: das Treten eines Balls,       ten nur 100 Meter und in Rufweite von-                                                                                                                      Barker berichtete vier Tage
    Camillo von Ketteler,     völlig unabhängig von Herkunft oder            einander entfernt. Und doch, trotz der                                                                                                                      nach Weihnachten 1914
     20 Jahre, zog es nach
                              Stand der Spieler. Als Platini im Dezem-       klaren Befehle von oben, entschließen                                                                                                                       in einen Brief, wie er die
dem Abitur vom Aasee an
    die Alster. Er studiert
                              ber 2014 an der ehemaligen Weltkriegs-         sich Soldaten an der gesamten Front zu                                                                                                                      später als „Weihnachtsfriede“
                              front in Belgien ein Denkmal enthüllt,         einem spontanen Weihnachtsfrieden.                                                                                                                          berühmt gewordenen Tage
  jetzt Sportjournalismus
                                                                                                                                                                                                                                         an der Front erlebte:
             in Hamburg.      steht er an der Stelle, an der sich verfein-                                                1914 schafft der Fußball einen Moment von Frieden und menschlicher Brüderlichkeit
                                                                                                                                                                                                                                         „... Ein Deutscher schaute
                              dete Krieger genau 100 Jahre zuvor zum            „An diesem Weihnachtsmorgen wa-                                                                                                                          über den Graben –
                              Fußball spielen trafen.                        ren sie nicht länger Franzosen, Englän-      liebten: Sie rauchten, tranken und er-             Platini die Bedeutung dieses Moments in                     keine Schüsse – unsere
                                                                             der, Deutsche oder Belgier – sie waren       zählten sich Geschichten. Weihnachts-              Worte zu fassen. Tatsächlich spielte der                    Männer taten dasselbe,
                                 1914. In Europa herrscht Krieg, und         einfach nur Männer“, kommentierte der        geschenke wurden verteilt oder ausge-              Fußball in diesen zwei friedlichen Tagen                    und dann gingen einige
                              Soldaten liefern sich Tag für Tag einen        damalige französische Präsident Fran-        tauscht. Und man spielte Fußball. Der              an der Front wohl lediglich eine Neben-                     unserer Männer hinaus
                              Kampf auf Leben und Tod. Auch vor              çois Hollande anlässlich des 100. Jahres-    Geschichte nach kickte einer der Solda-            rolle. Nur an wenigen Stellen des rund                      holten die Toten (69)
                                                                                                                                                                                                                                         herein und begruben sie.
                              den Weihnachtstagen sollen die Ausei-          tages die Ereignisse vom 24. Dezember        ten einen Ball aus dem Schützengraben,             30 Kilometer langen Streifens in Belgien
                                                                                                                                                                                                                                         Als nächstes wurde ein
                              nandersetzungen keinen Halt machen.            1914. Männer, die das taten, was sie eben    und man traf sich zum gemeinsamen                  wurde nachweislich auch gegen ein Le-                       Fußball aus unseren Grä-
                                                                                                                          Spiel. Kein Feld. Keine Tore oder Trikots.         der getreten. Doch es war das gemein-                       ben hinaus geschossen
                                                                                                                          Auch ob überhaupt mit einem richtigen              same Spiel, welches in Erinnerung blieb                     und Deutsche und Engländer
                                                                                                                          Fußball gespielt wurde, ist aufgrund der           und stellvertretend für die vereinende                      spielten Fußball …“
                                                                                                                          wenigen Überlieferungen fraglich. Und              Funktion des Fußballs steht.
                                                                                                                          doch war es ein Moment der Hoffnung,                                                                           Clement Barker 1914

                                                                                                                          eine kurze Rückkehr zur spielerischen                 Besonders in einer Zeit, in der rechte
                                                                                                                          Leichtigkeit, bevor man sich am nächs-             und nationalistische Parolen in den Sta-
                                                                                                                          ten Tag wieder in die Absurdität des               dien dieser Welt ertönen, sollte man sich
                                                                                                                          Krieges stürzte.                                   die Ereignisse von 1914 nochmals in Er-
                                                                                                                                                                             innerung rufen. ■
                                                                                                                             „Für mich persönlich ist die Vorstel-                                Camillo von Ketteler
                                                                                                                          lung, dass der Fußball vor 100 Jahren für
                                                                                                                          diese jungen Männer eine gemeinsame
                                                                                                                          Sprache, ein Zeichen der Brüderlichkeit
                                                                                                                          war, besonders bewegend“, versuchte

      10 | Lebendig                                                                                                                                                                                                                            Lebendig | 11
DAS MAGAZIN DER KATH. PFARREI ST. LIUDGER MÜNSTER-WEST - 8 5. Jahrgang Frühjahr 2018 - St. Liudger in Münster
Zwei Päpste über den Fußball:                                                                           Fußball verbindet durch das gemeinsame Ziel; Erfolg und Misserfolg jedes Einzelnen
                                                                                                                                   liegen in Erfolg und Misserfolg des Ganzen.
Franziskus und Benedikt machen sich so ihre Gedanken ...                                                                   Papst Benedikt XVI.
                                                                                                                       Quelle: Das christliche Fußball-Album. St. Benno-Verlag, Leipzig, ISBN 9783746222226;
                                                                                                                                                            www.st-benno.de. Aus: www.pfarrbriefservice.de
Rom, 14. November 2016. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft wird morgens um 8 Uhr
von Papst Franziskus empfangen. Zwei Tage zuvor hatte die Elf ihr WM-Qualifikationsspiel ge-
                                                                                                        „Es [das (Fußball-)Spiel] ist Einübung                Ratzinger findet auch mahnende

                                                                                                                                                                                                                                 © Photo: Nacho Arteaga/Unsplash
                                                                                                                                                                                                                           und 11291 kna 239915, Wolfgang Radtke,
                                                                                                                                                                                                                                            in pfarrbriefservice de
gen San Marino mit 8:0 gewonnen. Der Papst spricht zu den Fußballern über ihren Beruf: „Siege           ins Leben. Es symbolisiert das Leben               Worte: „Natürlich kann dies alles ver-
im Fußball sind immer Mannschaftssiege. Ihre Mannschaft definiert sich über diese Qualität.             selbst und nimmt es sozusagen in ei-               dorben werden durch einen Geschäfts-
Dabei sind Siege im Spitzensport nicht nur von einer großen Disziplin abhängig, sondern auch            ner frei gestalteten Weise voraus. Mir             geist, der das Ganze dem düsteren Ernst
von Verantwortung und Respekt füreinander. Das macht Sie erfolgreich.“                                  scheint, die Faszination des Fußballs              des Geldes unterwirft und das Spiel aus
                                                                                                        bestehe wesentlich darin, dass er diese            einem Spiel in eine Industrie verkehrt,
                   Teamgeist sei aber nicht alles, denn er      Der Erzbischof macht sich laut Ge-      beiden Aspekte in einer sehr überzeu-              die eine Scheinwelt von erschrecken-
                müsse auch über die eigene Gruppe hi-        danken darüber, worin die ungeheure        genden Form verbindet. Er nötigt den               dem Ausmaß hervorbringt.“
                nauswirken: „Das alles bringt euch zum       Anziehungskraft dieses Spiels steckt:      Menschen, zunächst sich selbst in Zucht
                Erfolg als ‘Mannschaft‘ und gleichzeitig     „Der Pessimist wird sagen, es sei das      zu nehmen, so dass er durch Training                  Sein Fazit: „Vielleicht könnten wir,
                auch dazu, eure Verantwortung außer-         Gleiche wie im alten Rom. Die Parole       die Verfügung über sich gewinnt, durch             indem wir dies bedenken, wirklich vom
                halb des Platzes zu erkennen, besonders      der Massen lautete: panem et circenses,    Verfügung Überlegenheit und durch                  Spiel her das Leben neu erlernen. Denn
                gegenüber den Jugendlichen, die euch         Brot und Zirkus. Brot und Spiele seien     Überlegenheit Freiheit. Er lehrt ihn aber          in ihm wird Grundlegendes sichtbar:
                oft zum Vorbild nehmen.“ Anderen Na-         nun einmal der Lebensinhalt einer deka-    dann vor allem auch das disziplinier-              Der Mensch lebt nicht vom Brot allein,
                tionalmannschaften hatte er einmal mit       denten Gesellschaft, die keine höheren     te Miteinander; als Mannschaftsspiel               ja, die Brotwelt ist eigentlich nur die
                auf den Weg gegeben: „Auch wenn ihr          Zwecke mehr kennt.“ Aber das ist für       zwingt er zur Einordnung des Eigenen               Vorstufe für das eigentlich Menschliche,
                bekannt seid, bleibt immer Menschen          Ratzinger nur ein Ansatzpunkt, selbst      ins Ganze. Er verbindet durch das ge-              für die Welt der Freiheit.
                im Sport und im Leben.“ Und „seiner“         wenn er der offensichtlichen Bedeutung     meinsame Ziel; Erfolg und Misserfolg
                argentinischen Mannschaft San Loren-         des Spiels, das mit Brot auf eine Stufe    jedes einzelnen liegen in Erfolg und                  Die Freiheit aber lebt von der Re-
                zo: „Seid immer echte Sportler!“ Und         gestellt wird, noch wichtige Gedanken      Misserfolg des Ganzen.“                            gel, von der Zucht, die das Miteinander
                wieder, mit anderen Worten: Das habe         abgewinnen kann.                                                                              und das rechte Gegeneinander, die Un-
                auch mit Selbstbeherrschung, Fairness                                                      Der spätere Papst ist fasziniert da-            abhängigkeit vom äußeren Erfolg und
                und Ehrlichkeit zu tun.                         Worauf er hinauswill, ist dies: Das     von, wie die beiden Gegner eines Fuß-              von der Willkür erlernt und eben damit
                                                             Spiel ist Teil eines paradiesischen Zu-    ballspiels durch die gemeinsamen Re-               wirklich frei wird. Das Spiel ein Leben
                   Zeitsprung. Vierzig Jahre zurück.         stands, und zwar der Teil, der völlig      geln, die zu halten sie sich verpflichtet          – wenn wir in die Tiefe gehen, könnte
                München 1978. Der spätere Papst Bene-        zweckfrei und zwanglos ist (im Gegen-      haben, geeint werden.                              das Phänomen einer fußballbegeisterten
                dikt ist gerade erst Erzbischof von Mün-     satz zum Brot, das für „Sättigung ohne                                                        Welt uns mehr geben als bloße Unter-
                chen und Freising geworden. Als solcher      Mühsal“ steht), und „dabei doch alle          Und die Zuschauer, die Ratzinger an-            haltung.“ ■
                äußert sich Josef Ratzinger im Bayeri-       Kräfte des Menschen anspannt und           spricht? „Im Zusehen identifizieren sich                          Claudia Maria Korsmeier
                schen Rundfunk in der Sendung „Zum           ausfüllt.“ In diesem Sinn gehe das Spiel   die Menschen mit dem Spiel und den
                Sonntag“ zum Thema Fußball. Denn die         – hier also das Fußballspiel – über den    Spielern“, stellt er fest. „Die Spieler wer-
                Fußballweltmeisterschaft steht be-           Alltag hinaus.                             den zum Symbol des eigenen Lebens;
                vor, und Fußball war auch vor                                                           das wirkt wieder auf sie zurück.
                vierzig Jahren schon in den                           Aber auch das ist Ratzinger zu    Sie wissen, dass die Menschen in
                Köpfen aller.                                         wenig. Er gelangt auf eine ge-    ihnen sich selbst dargestellt und
                                                                       radezu philosophische Ebene:     bestätigt finden.“

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DAS MAGAZIN DER KATH. PFARREI ST. LIUDGER MÜNSTER-WEST - 8 5. Jahrgang Frühjahr 2018 - St. Liudger in Münster
„Ich werde weiter hart arbeiten, um
                meinem Traum näher zu kommen.“
                Seinen Namen darf man schon einmal im Hinterkopf behalten: Julian Niehues
                ist 16 Jahre alt, lebt in der Aaseestadt und ist Kapitän der U17 von Fußball-
                Drittligist SC Preußen Münster. In seinem Verein sorgt der großgewachsene
                Mittelfeldspieler schon länger für Aufsehen, nun ist auch der DFB auf Julian
                aufmerksam geworden und lud ihn zu einem Perspektivlehrgang für die Natio-
                nalmannschaft ein. Im Interview für die „Lebendig“ sprach er mit Camillo von
                Ketteler über Verantwortung im Team, Erfahrungen und Zukunftspläne.
                Lebendig (L): Julian, du spielst mit Preu-   Mannschaft ist das sehr wichtig, denn
                ßen Münster in der U17 Bundesliga und        selbstverständlich bin ich erster An-
                bist seit dieser Saison auch noch Kapitän    sprechpartner, wenn es mal Probleme
                deiner Mannschaft. Was bedeutet dieses       zwischen Team und Trainern gibt.
                Amt für dich?
                                                             L: In den letzten Wochen durftest du oft-
                Julian Niehues (JN): Für mich ist das vor    mals auch schon in der U19 aushelfen
                allem charakterlich ein riesiger Schritt     und mittrainieren. Trotz des Altersunter-
                gewesen. Als Kapitän setze ich mich          schieds kein Problem für dich?
                jetzt viel mehr für die Mannschaft ein
                und führe sie. Auf dem Platz merkt man,      JN: Als Spieler merkt man natürlich
                dass ich das Team unterstütze und Ver-       schon einen deutlichen Unterschied in
                antwortung übernehme. Das sind alles         Niveau und Engagement. In der U19
                Eigenschaften, die man sich aneignet         geht alles viel schneller, da muss man
                und die unglaublich wichtig sind, um         sich ein bisschen umgewöhnen. Aber da
                nicht nur fußballerisch, sondern vor al-     ich mit vielen Jungs auch im letzten Jahr
                lem menschlich zu wachsen. Auch mein         schon zusammen in der U17 gespielt
                Verhältnis zum Trainer ist enger gewor-      habe, konnte ich relativ schnell reinfin-
                den, wir sprechen sehr viel miteinander.     den und hatte keine großen Probleme
                                                             mitzuhalten.
                L: Du bist mit zwei großen Geschwistern
                aufgewachsen und hast früh gelernt, dich     L: Die A‐Junioren tragen ihre Heimspiele
                durchzusetzen. Helfen dir Erfahrungen        wie die erste Mannschaft im Preußen‐Sta-
                aus der Familie auch dabei, als Kapitän      dion aus. Motiviert es dich nochmal mehr,
                zwischen Trainerstab und Mannschaft zu       den Profis so nah zu sein?                    „Das Gefühl, ein Spiel für
                vermitteln?

                JN: Aus diesem Blickwinkel habe ich das
                                                             JN: Natürlich ist es ein ganz besonderes
                                                             Gefühl, im Stadion auflaufen zu dürfen.
                                                                                                         Deutschland bestritten zu haben,
                Ganze bisher noch nicht betrachtet, aber
                wenn ich so darüber nachdenke, könnte
                                                             Das geht ja schon damit los, dass wir die
                                                             Umkleidekabinen der ersten Mannschaft
                                                                                                             ist einfach unbeschreiblich.“
                das durchaus sein. Natürlich lernt man       nutzen dürfen und somit hautnah erle-
                in der Großfamilie, verschiedene Situati-    ben können, wie ein Spieltag im Profi-
                onen bestmöglich zu bewältigen und da-       bereich abläuft. Aber sobald wir auf dem
                bei allen Beteiligten gerecht zu werden.     Platz stehen, zählt nur der Fußball, und
                Besonders bei Konflikten innerhalb der       dann ist es auch eigentlich egal, ob im                              C
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                                                                                                  C                                   Lebendig | 15
DAS MAGAZIN DER KATH. PFARREI ST. LIUDGER MÜNSTER-WEST - 8 5. Jahrgang Frühjahr 2018 - St. Liudger in Münster
Stadion oder auf irgendeinem Trainings-        Ligaalltag gewöhnt bin, aber ich glau-       L: Es gab bereits in der Vergangenheit im-
                platz.                                         be, ich habe mich ganz gut geschlagen.       mer wieder Angebote größerer Clubs, du
                                                               Höhepunkt waren natürlich die beiden         bist aber in Münster geblieben. Aus Liebe
                L: Kürzlich hat der Deutsche Fußball           Testspiele.                                  zum Verein?
                Bund dich zu einem viertägigen Per-
                spektivlehrgang eingeladen. Eine Ehre für      L: In einem der beiden Spiele ging es aus-   JN: Als Vereinsliebe würde ich das
                dich?                                          gerechnet gegen Preußens U17, also dein      nicht beschreiben, aber möglichst lan-
                                                               eigenes Team …                               ge hier zu bleiben, bietet einfach einen
                JN: Ja, das war eine große Ehre für mich.                                                   riesigen Vorteil für mich. Zuhause kann
                Ich habe mich extrem gefreut, als ich da-      JN: Ja, das war schon ein seltsames Ge-      ich Schule und Fußball kombinieren,
                von gehört habe, weil mir sowas einfach        fühl für mich. Klar hätte ich mich ge-       habe Familie und Freunde um mich und
                zeigt, dass ich auf dem richtigen Weg          freut, gegen ein Team zu spielen, das ich    komme ohne lange Fahrtzeiten mit dem
                bin. Aber natürlich war ich vorher auch        nicht sowieso schon jeden Tag um mich        Fahrrad zum Training. Ich habe, mich
                sehr nervös und gespannt, da von Preu-         habe, aber trotzdem habe ich es natür-       inzwischen hier im Verein etabliert und        Während Julian die Karriere eines Profi-Spielers anstrebt, hat sich
                ßen eher selten Spieler eingeladen wer-        lich sehr genossen. Und ich glaube, be-      glaube, dass ich alles habe, um mich           Camillo für den Sportjournalismus entschieden.
                den.                                           sonders für meine Jungs im Verein war        bestmöglich entwickeln zu können.
                                                               das eine tolle Möglichkeit, um einord-                                                      L: Du sagst, dass dir ein guter Abschluss sehr wichtig ist. Hast
                L: Wie läuft sowas ab?                         nen zu können, wo sie stehen.                L: In deinem Alter verbringen sicher viele     du schon einen Plan B, falls es mit dem Fußball nicht klappen
                                                                                                            deiner Mitschüler das ganze Wochenende         sollte?
                JN: Das Ganze war in der Sportschule           L: Was ist das für ein Gefühl, das Trikot    auf Partys, während du mit Training und
                Kaiserau, wo ich ja auch schon einige          der Nationalmannschaft tragen zu dür-        Spielen einen streng getakteten Alltag         JN: Aktuell weiß ich ehrlich gesagt noch nicht genau, wo-
                Male mit der Westfalenauswahl war.             fen?                                         hast. Wieviel Zeit bleibt für Familie und      hin es gehen würde, aber ich habe ja auch noch ein wenig
                Nachdem wir Sonntagnachmittag alle                                                          Freunde?                                       Zeit. Mir ist es wichtig, dass ich später etwas mit Sport ma-
                angekommen waren, ging es nach ei-             JN: Das war ein Wahnsinnsgefühl für                                                         che, vielleicht auch im Management oder journalistischen
                nem kurzen Medizincheck auch direkt            mich. Auch wenn es nur ein Lehrgang          JN: Ja, klar ist es manchmal nervig, so gut    Bereich. Mit einem bestandenen Abitur habe ich da ja alle
                ins Training. Zu Beginn habe ich etwas         und eigentlich kein richtiges Länder-        wie jeden Tag unterwegs zu sein, aber          Möglichkeiten. Natürlich ist Fußball Plan A, aber vor allem,
                gebraucht, mich dann aber recht schnell        spiel war, hat es trotzdem unglaublich       ich sehe das eigentlich nicht als Nach-        was Verletzungen angeht, weiß man ja nie, was passiert.
                in die Mannschaft eingefunden. Das Ni-         viel Spaß gemacht. Das Gefühl, ein Spiel     teil, sondern eher als Privileg. Fußball ist
                veau ist selbstverständlich ein ganzes         für Deutschland bestritten zu haben, ist     einfach meine große Leidenschaft, und          L: Wie sieht es denn mit deiner Verletzungshistorie aus?
                Stück höher gewesen, als ich es vom            einfach unbeschreiblich.                     wenn man diesen Weg geht, kann man
                                                                                                            halt nicht immer bei jeder Party dabei         JN: Bisher bin ich glücklicherweise ohne große Rückschlä-
                                                                                                            sein. Trotzdem bleibt mir aber genug           ge ausgekommen. Mein längster Ausfall war, glaube ich,
                                                                                                            Zeit für Freunde und Familie, und wenn         mal eine Patellasehnenreizung, da musste ich drei Monate
                                                                                                            unsere Spiele passend liegen, kann ich         pausieren. Ich hoffe, dass das auch in Zukunft so bleiben
                                                                                                            abends auch mal was unternehmen.               wird.

                                                                                                            L: Und die Schule?                             L: Klingt als würde es momentan sehr gut laufen für dich.
                                                                                                                                                           Wie stellst du dir deine Zukunft vor?
                                                                                                            JN: Für die bleibt auch genug Zeit. Mir
                                                                                                            ist es extrem wichtig, dass ich ein gutes      JN: Ich muss jetzt gut überlegen, was der nächste Schritt
                                                                                                            Abitur mache, und auch meine Eltern            sein wird, und dann den für mich richtigen Weg wählen.
                                                                                                            sind da sehr hinterher (lacht). Ich habe       Ob bei Preußen oder bei einem anderen Verein, steht mo-
                                                                                                            das Glück, dass meine Schule sehr ent-         mentan noch nicht fest, das wird sich in den nächsten Wo-
                                                                                                            gegenkommend ist, wenn es um Unter-            chen zeigen. Aber natürlich werde ich weiter hart an mir
                                                                                                            richtsbefreiungen geht. Im Frühjahr war        arbeiten, um meinem Traum näher zu kommen.
                Schon früh zeigte sich, welchen Weg Julian (links) in seinem Leben einschlagen würde: Die   ich zum Beispiel mit der Westfalenaus-
                Bilder zeigen ihn und Camillo bei einem Messdiener-Fußball-Turnier in St. Stephanus 2007.   wahl für eine Woche in Bulgarien und           L: Dann wünschen wir Dir mal weiter viel Erfolg und danken
                                                                                                            hatte überhaupt keine Probleme mit der         Dir für das Interview! ■
                                                                                                            Freistellung.

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DAS MAGAZIN DER KATH. PFARREI ST. LIUDGER MÜNSTER-WEST - 8 5. Jahrgang Frühjahr 2018 - St. Liudger in Münster
Eiskalt, bärenstark!
                              Frühmorgens am Wacker
                                 Samstagmorgen 8:30 Uhr. Gerade            gefähr 7 Jahre alt und werden in diesem         Mit dem Halbzeitpfiff fällt das 1:1. Vie-
                              noch pünktlich geschafft zum Treffpunkt.     Alter noch oft von ihren Eltern begleitet,   le Kinder holen sich bei ihren Eltern die
                              Ausschlafen wär auch mal schön! Erst         angefeuert und nach dem Spiel beglück-       Trinkflasche ab und erklären aufgeregt,
                              mal einen Kaffee bei Beate und Hansi an      wünscht oder auch getröstet. Viele Väter     warum das Gegentor so ungerecht war.
                              der Hütte. Den holen sich auch einige        und Mütter kennen sich sogar schon seit      Dann besprechen sich Spieler und Trai-
                              andere Väter und Mütter, die ihre Kin-       der Zeit bei den „Nanos“ und „Mikros“.       ner. Bevor die zweite Halbzeit beginnt,
                              der zum heutigen Spiel der F-Jugend von      Oft haben sie schon Schleifen im Akkord      macht die Truppe noch einmal ihren
                              Wacker Mecklenbeck begleiten. Die Kids       gebunden, Bälle geschleppt, Trikots ge-      Kreis: Laut ist das obligatorische „Eis-
                              sind schon längst wach! Nach dem Um-         waschen, Fotos gemacht, manchmal so-         kalt, bärenstark! Wacker Mecklenbeck ist
                              ziehen mit ein wenig Streit um die besten    gar einen Spielbericht für die Homepage      da!!!“ zu hören. Da kann eigentlich nichts
                              Rückennummern sind sie auf den Rasen-        geschrieben. Klar ist das anstrengend und    mehr schiefgehen, oder?                                 Warum ich nicht
                              platz gestürmt und schießen alle verfüg-     manchmal nervig.
                              baren Bälle wild durch die Gegend. Die                                                       Ich hole mir noch einen Kaffee an der
                                                                                                                                                                             vom Fußball lassen kann:
           Mario Schröer,     Trainer sagen eine Aufwärmübung an,             „Tooor! Super Jungs, klasse der Dop-      Hütte und verpasse so das 2:1 für den
Jahrgang 1971, ist seit der   und das Chaos ordnet sich.                   pelpass!“, freue ich mich über das 1:0 für   Gegner. „War Pech, der Torwart hätte           Weil ich dieses Spiel von Kindesbei-
     F-Jugend bei Wacker                                                   Wacker und klatsche mit meinem Nach-         ihn beinahe gehabt!“, berichtet mir später     nen an liebe und praktiziere. Bis heute
   und spielt heute in den       „Wird ein enges Ding heute, die ande-     barvater ab. Alle schmunzeln über die        mein Nachbar am Spielfeldrand. „Egal,          muss ich gegen einen Ball treten, so-
„Alten Herren“ mit seinen     ren haben letzte Woche wieder gewon-         professionellen Jubelposen der Kinder.       macht nichts! Ihr schafft das noch!“, hö-      bald einer in mein Blickfeld kommt. Ich
    Kumpels von damals.
                              nen“, vermutet ein anderer Vater neben                                                    ren wir die Trainer rufen. Wir Eltern drü-     liebe die Spannung und fiebere selbst
                              mir. „Ja, aber wir haben gut trainiert am       Ich bin einer der Koordinatoren für die   cken kräftig die Daumen und feuern un-         immer am Fernsehen mit. ■
                              Mittwoch“, gebe ich zurück. „Die Jungs       Mannschaft, die sich darum kümmern,          sere Kinder an. Alles aus der Entfernung,
                              natürlich“, schiebe ich schnell hinterher.   dass alle Eltern ihre Kinder gut und si-     darauf haben sich die Eltern aller Vereine
                                                                                                                                                                                                  Thomas Laufmöller,
                              Inzwischen läuft das Spiel, und ich werde    cher betreut wissen. Wir sind Ansprech-      geeinigt. Gut so, das macht es den Kin-
                              ein wenig nervös. Die Kinder sind alle un-   partner für alles Organisatorische, das      dern leichter!                                                          Pastor in St. Stephanus
                                                                                        Coaching machen die noch
                                                                                        jungen Trainer weitgehend          „Spitze, super gemacht!“, bejubeln wir
                                                                                        selbständig. Aber ohne die      dann doch umso lautstärker „unser“ Aus-
                                                                                        Hilfe der Eltern läuft natür-   gleichstor. Fernschuss nach einer kurz
                                                                                        lich gar nichts, das ist bei    ausgeführten Ecke! Wusste ich doch –
                                                                                        Wacker genauso wie bei          das Training war gut diese Woche!
                                                                                        jedem anderen Sportverein
                                                                                        auf der Welt. Wenn sich            Beim Abpfiff sind sich die Eltern einig:     Ein Leben ohne Gott
                                                                                        die Eltern der Kinder ken-      Das Unentschieden geht in Ordnung. Die          ist wie Fußball ohne Ball.
                                                                                        nen und gut verstehen, fin-     Eltern der gegnerischen Mannschaft sind         Dirk Heinen, (* 1970 in Köln),
                                                                                        den sich aber leicht Helfer.    auch zufrieden und ähnlich geschafft wie        ehemaliger deutscher Fußballtorwart.
                                                                                        Fahrdienste, Vertretung der     wir. Die Kinder sind glücklich, viele ho-
                                                                                        Trainer, Trikotwäsche sind      len sich noch Weingummi oder eine frü-          Quelle: Das christliche Fußball-Album. St. Benno-Verlag,
                                                                                        kein Problem, wenn alle mit-    he Pommes an der Hütte.                         Leipzig, ISBN 9783746222226;
                                                                                        machen. Bei uns klappt das                                                      www.st-benno.de. Aus: www.pfarrbriefservice.de
                                                                                        meist super!                       Ganz ehrlich: Ausschlafen ist nichts
                                                                                                                        dagegen! ■
                                                                                                                                                 Mario Schröer

      18 | Lebendig                                                                                                                                                                                                     Lebendig | 19
„YOU’LL NEVER WALK        ALONE“
               Du wirst niemals alleine gehen

 Religiöse Aspekte in Fußballhymnen

 In den evangelischen Landeskirchen in Hessen werden künftig in Gottesdiensten vermehrt eng-
 lischsprachige Popsongs gesungen. Unter den neuen Liedern in dem 2017 publizierten Beiheft
 zum Evangelischen Gesangbuch (EG plus) ist neben den Hits „Tears in Heaven“ (Tränen im
 Himmel) von Eric Clapton und „Sailing“ (Segeln) von Rod Stewart auch der Fangesang „You‘ll
 never walk alone“ zu finden.  C

 20 | Lebendig                                                                                 Lebendig | 21
Das Lied ist über sämtliche Landes-     chorals „Amazing Grace“ (!) verfasst hat,    durchzuhalten und nicht aufzugeben. Der      Dass dieses Lied, das erst spät den Weg
                               und Vereinsgrenzen hinweg die Mutter        der Stern von Bethlehem (Mt 2) gleichsam     Song ist getragen von der Überzeugung:       ins Fußballstadion gefunden hat, tatsäch-
                               aller Fußballhymnen. Es wurde vermut-       über dem Signal Iduna Park, dem mit          Irgendwann werden die dunklen Wolken         lich Menschen Zuversicht und Trost über
                               lich 1963 das erste Mal von Fans auf der    über 80.000 Zuschauerplätzen größten         verschwinden, und der Himmel leuchtet        den biologischen Tod hinaus zu spenden
                               Stehtribüne „The Kop“ im Stadion des        Fußballstadion der Bundesliga, aufzuge-      wieder golden! Fürchte dich daher nicht      vermag, wurde am 15.11.2009 deutlich.
                               FC Liverpool an der legendären Anfield      hen. Der hell leuchtende, schwarz-gelbe      vor der Dunkelheit! Das erinnert an Wor-     An diesem Tag sang die 17-jährige Schü-
                               Road angestimmt. Als der Stadionlaut-       Stern wird in dem Song „als schönster        te aus den Psalmen und dem Buch Jesaja.      lerin Alina Schmidt die Hymne im Stadi-
                               sprecher vor dem Spiel ausfiel, intonier-   Stern von allen dort, am großen Himmels-     Markant ist die Parallele zu Jes 43,1+2:     on von Hannover 96 bei der bewegenden
                               ten die Fans den Song selbst und sangen     zelt“ beschrieben. Der Fan erhält Anteil     „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich      Abschiedsfeier für den verstorbenen Na-
                               ihn lautstark zu Ende. Die ursprünglich     an dem Glanz des Sterns Borussia („spür’     erlöst... Wenn du durch Wasser gehst, will   tionaltorhüter Robert Enke († 32): You’ll
                               1945 von Richard Rodgers und Oscar          ich seinen Glanz, dann sag ich mir: Er ist   ich bei dir sein, und wenn du durch Strö-    never walk alone. ■
                               Hammerstein für das Musical „Carousel“      auch ein Teil von dir!“). Dieser weist ihm   me gehst, sollen sie dich nicht ersäufen.“                    Prof. Dr. Christhard Lück
                               komponierte und 1963 von der Band           den Weg durchs Leben („ganz egal, wo-
       Dr. Christhard Lück,    Gerry & The Pacemakers interpretierte       hin er uns auch führt, ich werd´ immer
     51 Jahre, aus Münster-    Hymne, verbreitete sich von Liverpool       bei dir sein“). Man könnte meinen, hier
Albachten, ist Professor für   aus um die Fußballwelt. Wer einmal im       erklingt ein Kirchenlied.
evangelische Theologie und     Stadion miterlebt hat, wie Zehntausen-
   Religionspädagogik und      de das Lied voller Andacht und Inbrunst        Das Stadionlied des 1. FC Köln „Mer
 interessierter Fußball-Fan.
                               singen und dazu ihre Schals in die Höhe     stonn zo dir, FC Kölle“ wurde von der
                               strecken, vergisst diese Gänsehautstim-     Kölner Kultband De Höhner getextet.
                               mung sein Leben lang nicht mehr (unter      Die schwungvolle Hymne stellt den Zu-
                               www.youtube.com sind verschiedene           sammenhalt und das Gemeinschaftsge-
                               Versionen des Lieds leicht auffindbar).     fühl der Fans auf der ganzen Welt heraus
                                                                           („E Jeföhl da verbingk“). Vereinsanhänger
                                                                           gibt es demnach nicht nur in der Nähe
         Wesentlich ist für den Fangesang, ähnlich                         (Kölner Stadtteile „Iehrefeld, Raderthal,
                                                                           Nippes, Poll, Esch, Pesch und Kalk“), son-
      wie in der biblischen Überlieferung, die Hoff-                       dern auch in der Ferne („Rio und Rom“)
      nung auf einen „goldenen Himmel“, der über                           (vgl. die katholische Universalkirche!).
                                                                           Auch wenn das Fan-Sein beim FC Köln
         alle Alltagssorgen und Ängste hinausweist.                        bedeuten kann, leiden („Freud oder Leid“)
                                                                           und durch das Feuer gehen zu müs-
                                                                           sen („wenn et sin muss durch et Füer“),
                                  Doch Fangesänge sind mehr als stim-      schwören die Fans ihrem Verein, der im          Wird Fußball zur Ersatzreligion?
                               mungsgewaltige Lieder. Sie drücken aus,     Lied vertrauensvoll mit „du“ angespro-
                               was viele Anhänger tief im Herzen für       chen wird, ewige Treue und Ehre („Mer           Für einige wenige Fans schon. Diese wünschen sich dann auch eine Bestat-
                               ihre Mannschaft empfinden. Die Lied-        schwöre dir, he op Treu un op Iehr!“).          tung in einem Sarg in Vereinsfarben. Aber das sind Extremfälle. Dem Fußball
                               texte, die die meisten Fans wie treue                                                       fehlt die transzendentale, unsere Wirklichkeit übersteigende Dimension. Er
                               Gottesdienstbesucher in- und auswendig         Auch die Urhymne des Fußballs                ist die schönste Nebensache der Welt, aber nicht die letzte Sache. Der Fußball
                               kennen, weisen dabei zuweilen höchst        „You’ll never walk alone“ wird häu-             hilft nicht, wenn es ernst wird. Ein persönliches Beispiel: Am Tag als mein
                               bemerkenswerte Analogien zu biblisch-       fig als ein Treuebekenntnis der Fans            Vater gestorben ist, spielte der FC gegen den Hamburger SV. Ein Klassiker.
                               theologischen Metaphern und Motiven         verstanden. Dieses gilt gerade in schwe-        Aber es hat mich natürlich überhaupt nicht interessiert. Seelsorglich beglei-
                               auf. So scheint in der Hymne von Bo-        ren Zeiten, etwa bei dem Abstieg des            tet haben unsere Familie Mitarbeiter eines katholischen Hospizes und eine
                               russia Dortmund „Leuchte auf, mein          eigenen Teams: „Du wirst niemals allei-         evangelische Pfarrerin. Fußball ist und bleibt Fußball. Religion ist und bleibt
                               Stern Borussia“, die der frühere Stadi-     ne gehen.“ Die Hymne ist zugleich ein           Religion.
                               onsprecher Bruno Knust auf die senti-       Hoffnungslied, das Mut machen will,                                                                       Prof. Christhard Lück
                               mentale Melodie des englischen Kirchen-     in den stürmischen Phasen des Lebens

       22 | Lebendig                                                                                                                                                                                              Lebendig | 23
90 Minuten – Bei Abpfiff Frieden
                                     Es ist schon ein Weile her, dass wir      und die politische Welt des Nahen Os-                 Ich spiele im Film einen Funktionär          bekannte Charakterdarsteller in Israel,
                                  „90 Minuten – Bei Abpfiff Frieden“ ge-       tens. Es geht um nichts Geringeres als            der FIFA, dessen wahrlich nicht einfa-           und Eyal Halfon ist international aner-
                                  dreht haben. Ich erinnere mich gern dar-     die endgültige Lösung des ewigen Kon-             che Aufgabe es ist, für dieses historische       kannter Regisseur. Schon beim Casting
                                  an – ein anspruchsvoller Film mit gut ge-    fliktes zwischen Israel und Palästina. Ein        Spiel einen Schiedsrichter zu finden, der        in Köln war spürbar, dass wir sehr gut
                                  schriebenen Figuren, im Kern ernst, aber     Fußballspiel am neutralen Ort (eben in            über alle Zweifel an seiner Neutralität          miteinander klar kamen. Wir alle hatten
                                  voller guter satirischer Momente.            Portugal) – der Gewinner darf bleiben –           erhaben ist und Befürchtungen, evtl.             eine wirklich gute Zeit. Mit Detlev Buck
                                                                               nicht in Portugal, sondern in der Heimat          parteiisch zu pfeifen, gar nicht erst auf-       hatte ich leider keine Szene, aber ihn als
                                     Gefilmt wurde „The 90 Minutes War“ –      – der Verlierer muss gehen, unklar wo-            kommen lässt. Ich finde ihn nach ner-            deutschen (!) Trainer der israelischen
                                  so der Originaltitel – schon im Jahr 2014.   hin, vielleicht ja nach Portugal.                 venaufreibenden Diskussionen mit den             Mannschaft zu besetzen, ist schon ein
                                  Ich war bei Dreharbeiten in Bonn und in                                                        Funktionären der beiden Mannschaften –           gute Idee.
                                  Portugal mit dabei. Portugal – das war           Eine herausfordernde Story, gedreht           ein portugiesischer Dorfschiedsrichter,
                                  natürlich eine wunderbare Angelegen-         in Form einer sog. Mockumentary. Das              der kaum weiß, wo Israel überhaupt liegt.           Der Film ist bei uns kein Kassenschla-
              Harald Redmer,      heit. So oft kommt man als Schauspie-        ist die Genre-Bezeichnung für einen fik-          Wunderbar. Dummheit kann hilfreich               ger geworden, wurde aber von der Kritik
     Jahrgang 1954, kann auf      ler nicht zu ein paar Tagen am Atlantik,     tionalen Dokumentarfilm. Der Film nutzt           sein. Die Sequenz, in der ich den jungen         ausgesprochen gut aufgenommen. In Is-
      rund 30 Jahre Arbeit als    noch dazu an einem wirklich ungewöhn-        dokumentarische Techniken, mischt                 Referee einer ernsten Gesinnungsprü-             rael sorgte er dagegen für viel Aufsehen
freischaffender, professionel-
                                  lichen Drehort: dem Fußballstadion von       aber Reales und Fiktives und eröffnet in          fung unterziehe, ist meine Lieblings-            und erhielt 3 Nominierungen für den
   ler Schauspieler, Regisseur
    und Produzent zurückbli-
                                  Leiria. Da fanden 2004 Vorrundenspiele       diesem Fall Spielraum für ungewohnte              szene. Mein Filmpartner Pêpê Rapazote            Ophir Award, dem Preis der israelischen
    cken. Er ist Mitbegründer     zur EM statt – das war das Turnier, bei      Perspektiven auf ein brisantes Thema.             ist im Übrigen ein Star in Portugal. Die         Film und Fernsehakademie.
   des Pumpenhaus Münster.        dem die deutsche Mannschaft schon früh                                                         Mädchen im Hotelfoyer gerieten in helle
 Im Fernsehen war er u.a. in      ausgeschieden war und am Ende Grie-             Deutscher Drehort war übrigens der             Aufregung, wenn er auftauchte.                      Die Verbindungen von Fußball und
verschiedenen Tatort-Folgen       chenland gewonnen hatte.                     imposante Gebäudekomplex der Deut-                                                                 Politik, oft diskutiert und kritisiert – in
   und bei Wilsberg zu sehen.                                                  schen Welle in Bonn, im Film die FIFA-               Überhaupt war es eine Freude, mit             „90 Minuten – Bei Abpfiff Frieden“ zeigt
    Seit 2013 ist er Geschäfts-
                                    Fußball ist nur vordergründig das          Zentrale, ohne die es bei so einem ge-            großartigen Schauspielern zu arbeiten.           sie sich in einer beeindruckenden und
führer des NRW Landesbüro
    Freie Darstellende Künste
                                  Thema des Films, denn der Film spiegelt      waltigen Ereignis natürlich nicht gehen           Moshe Ivgy und Norman Issa sind sehr             amüsanten Variante. ■
  in Dortmund und Manager         zwei Realitäten, die Welt des Fußballs       kann.                                                                                                                         Harald Redmer
 des ältesten deutschsprachi-
   gen freien Theaterfestivals
                  FAVORITEN.
                                                                                                                                                             Vierundvierzig Beine rasen
                                                                                                                                                            durch die Gegend ohne Ziel.
                                                                                                                                                            Und weil sie so rasen müssen,
                                                                                                                                                           nennt man das auch Rasenspiel.

                                                                                                                                                      Rechts und links steh`n zwei Gestelle,
                                                                                                                                                            je ein Spieler steht davor.
                                                                                                                                                         Hält er den Ball, ist ein Held er,
                                                                                                                                                      hält er nicht, schreit man „Du Tooor!“

                                                                                                                                                        Fußball spielt man meistens immer
                                                                                                                                                               mit der unteren Figur.
                                                                                                                                                        Mit dem Kopf, obwohl`s erlaubt ist,
                                                                                                                                                          spielt man ihn ganz selten nur.

                                                                                                                                                                      Heinz Erhardt
                                                                                                                                              © Aus: ‚Die Gedichte‘ von Heinz Erhardt, 2015 Lappan Verlag Oldenburg
                                                                                                 Bild: Camino Filmverleih GmbH

         24 | Lebendig                                                                                                                                                                                                          Lebendig | 25
Die letzten echten Typen!
                                                                                                                                       Ich glaube einfach, dass Gott mit im Spiel meines Lebens ist.
                                                                                                                                Bastian Schweinsteiger
                                                                                                                                                                Quelle: Das christliche Fußball-Album. St. Benno-Verlag, Leipzig, ISBN 9783746222226;
                                                                                                                                                                www.st-benno.de. Aus: www.pfarrbriefservice.de
                                    Endlich wieder Fußball-WM! Wahnsinn, wie schnell die Jahre nach Götzes
                                    Siegtreffer im WM-Finale von Rio verflogen sind. Und by the way: Wir sind
                                    immer noch WELTMEISTER! In Russland treten wir 2018 also an, um erstmals                    zehntelang als zuverlässige Navigation         te mit ihren Scheuklappen nur noch den
                                                                                                                                durchs Leben dienten.                          kurzfristigen Erfolg anbeteten.
                                    in der Geschichte unserer Nationalmannschaft einen Titel zu verteidigen. Jogi,
                                    mach ett! Play it again, damit wir Deutschen im Sommer 2018 ein weiteres, eu-                  In meiner Jugend galten Politiker           Worauf ist Verlass?
                                    phorisches Fußballmärchen erleben können! Nach den letzten Wahlen und bei                   noch als echte Vorbilder. Genscher,            In Zeiten, in denen fast alle großen Tür-
                                    der trüben Stimmung hierzulande sehnen wir uns ja alle danach wieder friedlich              Brandt, Helmut Schmidt – Männer, zu            me ins Wanken geraten sind und man
                                    und vor allem gemeinsam zu feiern.                                                          denen man hochschaute, deren Wort              wie bei „Herr der Ringe“ nur darauf war-
                                                                                                                                etwas galt und denen man parteiunab-           tet, dass sie vollends einstürzen, lautet
                                                                                                                                hängig Respekt zollte. Ebenso die Wirt-        die alles entscheidende Frage: „Worauf
                                       Wenn man unsere Weltmeister in             meinem Buch „Was macht dich stark“            schaftsbosse. Wenn ein VW-Vorstand             ist heute noch Verlass?“ Da, wo betrü-
  David Kadel (*1967) arbeitet      den letzten Jahren beobachtet hat, konn-      treffe ich Fußballstars, die sich sehr vie-   in unserer ausverkauften Stadthalle            gen normal geworden ist und wir uns
      als „Inspirations-Trainer“    te man feststellen, wie Manuel Neuer,         le Gedanken darüber machen, was ein           sprach, war es mucksmäuschenstill und          über den nächsten großen Betrugsskan-
   mit Fußball-Profis sowie der     Mats Hummels, Thomas Müller & Co.             Vorbild heute eigentlich darstellen und       man lauschte den Worten dieses Erfolgs-        dal einer Welt-Firma längst nicht mehr
 Deutschen Leichtathletik-Na-       zu echten Vorbildern gereift sind. Fuß-       vermitteln soll. Spieler und Trainer, die     menschen voller Bewunderung. Diese             wundern, erscheint es fast unmöglich,
   tionalmannschaft und berät
                                    ballstars, die sich ihrer Rolle als Vorzei-   sich selbst hinterfragen, reflektieren und    Vorbilder von damals sind ausgestorben         dass wir Menschen oder Institutionen
   Firmen mit seinem Konzept
       H.E.R.Z.E.N.S. Coaching.     geathleten sehr bewusst geworden sind         sich dessen bewusst sind, dass sie auch       – wie Dinosaurier. An ihrer Stelle stehen      unser Vertrauen noch schenken. Doch
   Der gebürtige Perser hat ein     und nicht müde werden, Gutes zu tun.          außerhalb des Fußballs etwas zu sagen         jetzt die Donald Trumps und Dax-Fond-          es gibt ein gallisches Dorf, in dem die
     Buch über Gebetserhörun-       Wie zum Beispiel Mats Hummels, der            haben, etwas Gutes bewirken können.           Manager unserer Zeit. Marktschreier,           letzten aufrechten Krieger leben und da-
    gen geschrieben: „Wenn Du       sich entschieden hat, bis zum Ende sei-       Während ich mich auf die Reisen durch         die wir mitleidig belächeln oder leiden-       rum kämpfen, ihrer Vorbild-Rolle auch
       für Sonne betest lass den    ner Karriere ein Prozent seines Gehalts       Deutschland machte, um diese etwas            schaftlich verspotten, aber sicher nicht       gerecht zu werden.
 Schirm zu Hause!“, und tourt
                                    für das Hilfsprojekt „Common Goal“            anderen Fußballer zu treffen, habe ich        bewundern, weil sie als Vorbild nicht
    gerade durch die deutschen
  Programm-Kinos mit seinem
                                    zu spenden. Oder Toni Kroos, der eine         immer mal wieder darüber nachge-              taugen.                                           Es ist beinahe peinlich, aber ausge-
Film „Und vorne hilft der liebe     faszinierende Stiftung für Kinder in Not      dacht, warum uns Vorbilder eigentlich                                                        rechnet eine Unterhaltungs-Branche,
   Gott“ mit Jürgen Klopp und       gegründet hat, für deren Arbeit er sich       so wichtig sind, dass wir uns auf den         Gebrauchtwagenhändler-Mentalität               die als völlig oberflächlich und für viele
             sieben Fußballstars.   mit voller Leidenschaft einsetzt. Oder        Weg machen und ihnen gerne stunden-           An welcher Stelle ist unsere Welt falsch       höchstens die schönste Nebensache der
                                    Manuel Neuers Stiftung „Manus“, die ich       lang zuhören. Vielleicht weil uns ihre        abgebogen, dass es Menschen mit Ge-            Welt ist, scheint die letzten Vorbilder un-
           www.davidkadel.de        kürzlich besuchte und in der ich Kinder       Lebensgeschichte berührt? Oder weil           brauchtwagenhändler-Mentalität tat-            serer Zeit zu bewahren. Der Fußball. Und
           www.undvornehilft
                                    und Jugendliche von benachteiligten           wir sie bewundern, wie sie im Scheitern       sächlich schaffen, Millionen Wählern           ich meine damit nicht die Kicker, deren
              derliebegott.de
                                    Familien im Ruhrpott traf, die nicht nur      Stärke erlangt haben? Was macht ein           ihre Stimme abzuringen und plötzlich           Dribblings und Schusstechnik wir be-
                                    über die Einrichtung schwärmten, son-         Vorbild letztlich zu einem echten Vor-        als König eines Landes aufzutreten? Die-       staunen. Es sind diese letzten, echten Ty-
                                    dern viel mehr über Manuel Neuers sehr        bild?                                         selbe tragische Entwicklung beobachten         pen und deren faszinierende Persönlich-
                                    persönliches Engagement und seine sehr                                                      wir tagtäglich in der Wirtschaft, wo die       keiten, die wir bewundern. Helden zum
                                    herzliche Art und Weise, wie er mit den          Vorbilder. In einer mehr und mehr          Welt-Firmen, die uns einst mit ihrem           Anfassen. Kerle, die sich nicht scheu-
                                    Kindern und Mitarbeitern vor Ort um-          orientierungslosen Gesellschaft sind sie      großen Stern am Horizont den Weg               en, schwach zu sein und offen über ihr
                                    geht.                                         die letzten Leuchttürme, zu denen wir         wiesen und für ehrliche Arbeit stan-           Scheitern zu sprechen. Echte Persönlich-
                                                                                  noch hochschauen und von denen wir            den, zum Gespött ihrer eigenen Werte           keiten, die für uns zu Vorbildern taugen,
                                       Interessant finde ich, wenn sich ei-       uns Richtungsweisung erhoffen. Die            geworden sind. Vorbilder stehen für ge-        weil sie bestimmte Werte verkörpern,
                                    ner, der ein sportliches Vorbild ist – weil   FAZ titelte kürzlich mit einer aus der        wisse Werte, für die wir sie bewundern:        nach denen wir uns sehnen: Fleiß, Ent-
                                    er so genial die Bälle aus dem Winkel         Bahn geworfenen Weltkugel und der             Authentizität, Verlässlichkeit, Transpa-       schlossenheit, Opferbereitschaft, Herz-
                                    boxen kann –, langsam auch zu einem           Überschrift: „Orientierungslose Welt!“        renz, Leidenschaft, Akribie und Treue.         blut, Freundschaft trotz Konkurrenz. In
                                    gesellschaftlichen Vorbild entwickelt.                                                      Große Firmen haben, blind vor Gier, Ju-        der Politik sind das oft nur Phrasen, die
                                    Sie haben an ihrer Persönlichkeit ge-            Tagtäglich spüren wir schmerzhaft          dasse eingestellt, die ihre heiligen Werte     unsere letzten Helden jedoch über Jahre
                                    arbeitet und entdeckt, wie bereichernd        eine für unmöglich gehaltene Verschie-        und die Seele des Unternehmens eiskalt         treu mit Leben füllen müssen, um ihre
                                    es sein kann, wenn man Sinn stiftet. In       bung von Fixsternen, die uns jahr-            verkaufen durften, weil die Aufsichtsrä-       Träume wahr werden zu lassen.                          C
           26 | Lebendig                                                                                                                                                                                                                   Lebendig | 27
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