Das Prinzip der fähigkeitsbasierten Planung - Center for ...

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Das Prinzip der fähigkeitsbasierten Planung - Center for ...
CSS Analysen zur Sicherheitspolitik
Nr. 298, Februar 2022

Das Prinzip der
fähigkeitsbasierten Planung
Die Schweizer Armee befindet sich derzeit in einer Übergangsphase
hin zu einem fähigkeitsbasierten Entwicklungsansatz. Mehrere
Streitkräfte auf der ganzen Welt haben dies bereits vorgemacht und
sind dabei auf Hindernisse gestossen. Damit die Schweizer Armee
ähnliche Rückschläge vermeiden kann, muss sie sich auf den Kern
der fähigkeitsbasierten Planungsmethode und deren strikte
Anwendung konzentrieren.

Von Constant Despont

Das derzeitige strategische Umfeld belas-
tet die Streitkräfte vieler Länder weltweit.
Nicht nur Grossmächte wie China und
Russland sind präsent, auch Bedrohungen
wie der internationale Terrorismus rücken
wieder stärker in den Vordergrund. Des-
halb sind Streitkräfte mit unkonventionel-
len Bedrohungen konfrontiert und müssen
gleichzeitig die Fähigkeit zur Abwehr kon-
ventionellerer Bedrohungen aufrechterhal-
ten. Zudem birgt die rasante Entwicklung
neuer Technologien im Privatsektor Chan-
cen, aber auch Herausforderungen, denn
diese Technologien könnten die Schlag-
kraft der genannten Bedrohungen vergrö-
ssern. Streitkräfte stehen also untereinan-
der im Wettbewerb. Bis zu einem gewissen
Grad trifft das auch auf die Schweizer Ar-
mee zu.
                                                        Ausbildung im Theoriesaal des Armee-Ausbildungszentrums Luzern. Nique Nager / VBS/DDPS
Die Schweiz gehört als neutraler Staat kei-
nem Verteidigungsbündnis wie der NATO
an und ist deshalb einzig für die Verteidi-
gung ihres Staatsgebiets gegen jegliche Art
von Bedrohung verantwortlich. In der                    schwere gepanzerte Fahrzeuge zurück. Im          Um diese Lücke zu schliessen, hat das
Schweizer Militärdoktrin ist festgeschrie-              Hinblick auf neue Fähigkeiten, die im Zuge       Schweizer Militär nach dem Vorbild vieler
ben, dass die Schweiz jederzeit auf das                 der jüngsten Entwicklung militärischer           anderer Streitkräfte weltweit eine Über-
Schlimmste vorbereitet sein muss, wie etwa              Angelegenheiten (Revolution in Military          gangsphase eingeleitet, die ein Abrücken
auf einen Konflikt von hoher Intensität ge-             Affairs, RMA) entstanden, beispielsweise         von der bisherigen Entwicklungsplanungs-
gen einen staatlichen Akteur. Wie auch an-              Technologien wie die Künstliche Intelli-         methode und ein Ersetzen veralteter Waf-
dere Streitkräfte tut sich die Schweizer Ar-            genz (KI) sowie unbemannte Fahrzeuge             fensysteme durch modernere ermöglicht.
mee schwer damit, ihre Ziele mit begrenzten             (UFZ), hinkt die Schweiz hinterher. Diese        Zu diesem Zweck hat die Schweizer Ar-
Ressourcen zu erreichen. Noch immer                     Technologien verändern die Herangehens-          mee entschieden, die sogenannte fähig-
greift das Schweizer Militär grösstenteils              weise an künftige Konflikte und vor allem        keitsbasierte Planung (capability-based pl-
auf Systeme aus dem Kalten Krieg wie etwa               die Art, wie sie ausgetragen werden.             anning, CBP) einzuführen.

© 2022 Center for Security Studies (CSS), ETH Zürich                                                                                             1
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CSS Analysen zur Sicherheitspolitik                                                                                           Nr. 298, Februar 2022

Diese Methode entstand nach dem Ende
                                                          Das Basisschema der fähigkeitsbasierten Planung (CBP)
des Kalten Kriegs im US-amerikanischen
Militärwesen. Infolge des Wettrüstens mit
der Sowjetunion waren die Finanzen der
USA in Schieflage geraten. Vor dem Hin-
tergrund des neuen strategischen Umfelds
wählte das Verteidigungsministerium der
USA eine Entwicklungsstrategie auf Basis
der gewünschten künftigen Fähigkeiten
ihrer Streitkräfte, ohne Fokus auf einen be-
stimmten Feind. Dieser Ansatz zielt auf
vielfach einsetzbare Streitkräfte mit einer
effizienteren Ressourcennutzung ab. Dar-
aufhin übernahmen die mit den USA ver-
bündeten Länder den CBP-Ansatz und
passten ihn an, um allgemeine Standards
zu schaffen.

Auch nach 30 Jahren der Entwicklung und
Umsetzung von CBP durch verschiedene
Staaten ist die Methode für viele Streitkräf-
te weltweit immer noch eine Herausforde-
rung. Grund dafür ist das zunehmend kom-
plexe und kompetitive Umfeld, das
Streitkräfte manchmal zu einer Entwick-
lungsplanung wie in Privatunternehmen                   Erreichung eines bestimmten Ziels getan       ein zusammenhängendes Entwicklungssys-
zwingt. Schwierigkeiten entstehen aber                  werden muss, ohne dabei das «wie» zu spe-     tem aufgebaut sein (siehe Grafik), damit si-
auch aufgrund eines mangelnden Verständ-                zifizieren. Ein Beispiel: 200 Personen müs-   chergestellt wird, dass die zuvor festgelegte
nisses der Methode, ihrer Grundprinzipien               sen von Zürich nach Genf oder umgekehrt       Strategie effizient umgesetzt wird und die
und ihrer Grenzen. Die Ursachen für das                 transportiert werden. Die gefragte Fähig-     erwarteten Ergebnisse erzielt.
                                                                     keit ist in diesem Fall deren
CBP ist für viele Streitkräfte                                       Transport. Welches Mittel da-    Trotz einzelner Unterschiede des strategi-
                                                                     für eingesetzt wird, hängt von   schen Umfelds müssen sowohl Unterneh-
weltweit immer noch eine                                             Bedingungen wie etwa den ver-    men als auch Streitkräfte ihre Entwick-
Herausforderung.                                                     fügbaren Finanzmitteln oder      lungsplanung schnell an aktuelle Heraus-
                                                                     der Wichtigkeit der gewünsch-    forderungen (Reaktion) sowie zukünftige
Scheitern sind bei Privatunternehmen und                ten Fähigkeit ab. Im Kern geht es bei CBP     Herausforderungen (Antizipation) anpas-
Streitkräften ähnlich: die Einführung einer             darum, festzulegen, was getan werden muss     sen. Letzteres bedingt eine langfristige
Entwicklungsstrategie, die keiner tatsächli-            (Fähigkeit) und wie man dabei möglichst       Entwicklungsplanung. Der Zeithorizont
chen Nachfrage entspricht und die Unfä-                 effizient ist.                                jeglicher Planungsaktivität wird durch
higkeit, die Strategie umfassend umzuset-                                                             branchenspezifische Anforderungen und
zen. Bei beiden kann CBP diese Ursachen                 CBP ist ein Top-down-Ansatz. In einem         das Prozessumfeld vorgegeben. Ein Unter-
für das Scheitern ausräumen. Das Basis-                 Privatunternehmen legt also der Verwal-       nehmen im Bereich Informationstechnolo-
schema (siehe Grafik) bietet einen Stan-                tungsrat eine Entwicklungsstrategie mit       gie hat vielleicht einen sehr kurzen Zeitho-
dard, der auf die Situation einzelner Streit-           bestimmten Leitlinien fest, auf deren         rizont von einem bis zwei Jahren, während
kräfte angepasst werden kann.                           Grundlage die Mitarbeitenden für die Kun-     der Planungszyklus eines Unternehmens in
                                                        dinnen und Kunden eine Leistung erbrin-       der Luftfahrtindustrie viel länger ist. Auch
Grundprinzipien                                         gen oder ein Produkt zur Verfügung stellen.   im militärischen Bereich besteht dasselbe
Neue Technologien sowie zunehmender                     Im Kontext von Streitkräften steht der für    Spannungsverhältnis zwischen Reaktion
Wettbewerb schaffen eine schwierige Situ-               die Entwicklungsplanung der Streitkräfte      und Antizipation. Das Problem kann mit-
ation für Privatunternehmen und Streit-                 zuständige Stab oder Rat der Generäle an      tels Unterstützungsprozessen gelöst wer-
kräfte. De facto müssen sich beide perma-               der Spitze. An der Basis befindet sich die    den. Diese Unterstützungsprozesse sollen
nent neu erfinden, um konkurrenzfähig zu                Soldatin oder der Soldat, die oder der die    zeitaufwendige Aufgaben wie die Erfor-
bleiben: Sie müssen neue Technologien                   Aufgabe ausführt. Aufgrund dieses Top-        schung und Entwicklung von neuen Tech-
einbinden, um effizienter zu werden, oder               down-Ansatzes muss die Entwicklungspla-       nologien vom Hauptprozess trennen und
das Vorgehen der Konkurrenz vorwegneh-                  nung vertikal von der Spitze bis zum Fuss     als Entlastung dienen.
men, um dagegenhalten und besser ab-                    der Hierarchiepyramide erfolgen. Die Ent-
schneiden zu können. Dank CBP können                    wicklung selbst muss so organisiert sein,     Ein weiteres Ziel der Unterstützungspro-
sich Organisationen neu erfinden, indem                 dass eine vollständige Kohärenz innerhalb     zesse ist die Bereitstellung der für das rei-
sie das Fähigkeitskonzept ins Zentrum der               des Prozesses gewährleistet ist – von der     bungslose Funktionieren des Hauptpro-
Entwicklungsplanung stellen. Fähigkeit –                Strategie, die von der Pyramidenspitze aus-   zesses benötigten Informationen. Informa-
bei der Schweizer Armee auch «operatio-                 gegeben wird, bis zu ihrer Umsetzung an       tionen können intern oder extern sein.
nelle Fähigkeit» – beschreibt, was für die              der Basis. Zu diesem Zweck sollte CBP als     Letztere beinhalten zum Beispiel das Um-

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feld, in welchem der Akteur tätig ist, den Begriffen. Diese Präzisierung umfasst meh-       Schritt budgetiert und geplant und im letz-
Fortschritt der Konkurrenz oder auch die rere Dokumente: ein Kriegsszenario, Ein-           ten Schritt von den Streitkräften beschaffen.
Entwicklung der nationalen und internati- satzkonzepte, eine Gesamtstrategie für die
onalen Rechtslage. Zu den internen Infor- Streitkräfte, spezifische Strategien für be-      Im Fall der Schweizer Armee könnten sich
mationen gehören der Staat, seine aktuel- stimmte Zielsetzungen sowie eine Militär-         vier Unterstützungsprozesse im Basissche-
len Fähigkeiten oder auch die Möglichkei- doktrin. Anschliessend setzt des Planungs-        ma von CBP als entscheidend für zukünfti-
ten zur Verbesserung seiner Funktionsweise. organ in jedem Dokument Prioritäten be-         ge Bemühungen erweisen. Erstens kann
Die dritte Art von Unterstützungsprozes- züglich der Risiken und der auszuführenden         das externe Informationsmanagement vom
sen ist ausschliesslich für Streit-                                                         militärischen Nachrichtendienst und dem
kräfte nötig: ein Prozess, der Jede Armee der Welt kann                                     Nachrichtendienst des Bundes gemeinsam
eine schnelle Reaktion auf eine                                                             auf einer jährlichen Basis ausgeführt wer-
Bedrohung im Einsatzgebiet
                                     CBP für die Planung ihrer                              den. Zweitens könnte das interne Informati-
ermöglicht. Diese Art von Pro- Entwicklung nutzen.                                          onsmanagement auf der Arbeit der Behör-
zess ist vor allem für Streitkräf-                                                          den Armeeplanung und Unternehmens-
te im Kampfeinsatz wichtig, wie etwa für Einsätze. In diesem Schritt sollte einerseits      entwicklung Verteidigung im Armeestab
Frankreich in Mali. Für Länder wie die festgelegt werden, wie die Streitkräfte die          aufbauen. Drittens kann Wissenschaft, Tech-
Schweiz, die an keinem solchen Einsatz verschiedenen Aufgaben zu erledigen beab-            nologie und Innovationsmanagement vom
beteiligt sind, ist er weniger von Belang. Da sichtigen. Andererseits sollten die nötigen   Bereich Wissenschaft und Technologie des
alle Unterstützungsprozesse eigene Zeit- Fähigkeiten und eine Zielsetzung für die           Bundesamts für Rüstung, armasuisse, über-
horizonte haben, müssen sie mit dem Entwicklung der Streitkräfte sowie Ent-                 nommen werden. Der vierte Unterstüt-
Hauptprozess koordiniert werden, um eine wicklungstendenzen bestimmt werden.                zungsprozess, schnelle Entwicklung, ist für
effiziente Unterstützung zu gewährleisten. Diese Tendenzen umschreiben einen für            die Schweizer Armee weniger von Belang,
                                              die Streitkräfte besonders wichtigen For-     da sie nicht an Kampfeinsätzen beteiligt ist.
CBP in Streitkräften                          schungsbereich, wie etwa die KI und UFZ.
CBP kann zur Beschreibung des Entwick-                                                      Einschränkungen von CBP
lungssystems von Streitkräften als Basis- Der dritte Schritt ist die Fähigkeitsentwick-     Obwohl viele Privatunternehmen CBP er-
schema visualisiert werden (siehe Grafik). lung. In diesem Schritt definiert die Pla-       folgreich umgesetzt haben, kämpfen einige
Das Entwicklungssystem besteht aus ei- nungsbehörde mit der Unterstützung der               Länder aus verschiedenen Gründen immer
nem Hauptprozess und Unterstützungs- militärischen Einsatzbehörde die Fähig-                noch mit Schwierigkeiten bei der korrek-
prozessen. Ersterer umfasst die Schritte ei- keiten, die für die Erreichung der gesetzten   ten Implementierung. CBP verlangt ein
nes kohärenten Top-down-Ansatzes. Ziele entwickelt werden müssen. Zu die-                   hohes Mass an Koordination und eine sehr
Letztere stellen die Durchführung zuge- sem Zweck werden die Fähigkeiten, die in            spezifische Organisation der Entwick-
höriger Aufgaben sicher. Die Verwaltung den Streitkräften bereits vorhanden sind,           lungsprozesse zugunsten einer kohärenten
des Hauptprozesses liegt üblicherweise in von den benötigten Fähigkeiten abgezo-            Entwicklung. Wenn das Planungsorgan
der Verantwortung des Planungsorgans der gen. Das Resultat ist eine «Fähigkeitslü-          CBP als Methode, jedoch ohne passendes
Streitkräfte. In der Schweizer Armee ist cke». Die verschiedenen Fähigkeiten der            Entwicklungssystem, anwendet, entsteht
das die Aufgabe des Armeestabs (A Stab). Fähigkeitslücke werden danach priorisiert,         ein Problem. Für CBP ist eine genaue
Ausgangspunkt für den Hauptprozess bil- wie wichtig sie für den Erfolg der zugehö-          Kenntnis der Entwicklungsmethode sowie
den politische Institutionen, denn typi- rigen Aufgabe sind, oder auch danach, wel-         ein funktionierendes Entwicklungssystem
scherweise gibt eine Regierung eine natio- ches Risiko ihre Abwesenheit für die je-         unerlässlich. Zudem muss das System
nale Verteidigungsstrategie heraus, in der weilige Aufgabe darstellt.                       komplett transparent sein und die in ver-
die Zielvorgaben für die Streitkräfte er-                                                   schiedenen Bereichen verwendeten Daten
wähnt sind.                                   Die priorisierten Fähigkeiten werden in       müssen gemeinsamen Standards entspre-
                                              den vierten Schritt übertragen: Projektma-    chen, damit das System interoperabel ist.
Der Hauptprozess umfasst insgesamt sechs nagement. Das Entwicklungsteam hat die             Da verschiedene Abteilungen der Streit-
Schritte und beginnt mit einer Lagebeurtei- Aufgabe, Varianten für Hardware- oder           kräfte (Luft, Land, Wasser, Weltraum und
lung. In diesem Schritt werden die Bedro- Softwarelösungen zur Schliessung der Fä-          Cyberraum) dazu neigen, eigene Standards
hungen ermittelt, mit denen Streitkräfte higkeitslücke zu finden. Diese werden an-          zu entwickeln und ihre Vorrechte leiden-
konfrontiert werden könnte. Bedingungen, schliessend dem Planungsorgan präsen-              schaftlich zu verteidigen, ist die Sicherstel-
unter denen die Armee operieren muss, tiert, das die passendste Lösung auswählt.            lung dieser Kohärenz für die gesamten
werden spezifiziert, wie etwa Geografie, Eine Lösung könnte etwa die Anschaffung            Streitkräfte besonders schwierig.
Wetterlage, sozio-kultureller Kontext, po- eines neuen Waffensystems sein oder ganz
litischer Kontext oder neue Technologien. einfach eine Änderung in der Doktrin, die         Darüber hinaus zwingt CBP Armeen eher
                                              es ermöglicht, mit denselben Ressourcen       dazu, ihre Entwicklung wie ein Privatun-
Der zweite Schritt ist die Anpassung der bessere Ergebnisse zu erzielen. Das US-            ternehmen zu planen. Dieser Ansatz eignet
Pläne. Während dieser Phase stützt sich das amerikanische Verteidigungsministerium          sich aber weniger für Verwaltungsbehörden
Planungsorgan auf die für den Militärein- verwendet zur Beurteilung der Praktikabi-         wie beispielsweise das US-amerikanische
satz zuständige Behörde. In der Schweizer lität der vorgeschlagenen Lösungen eine           Verteidigungsministerium, denn diese ge-
Armee heisst diese Behörde Kommando Analysemethode mit folgenden Faktoren:                  wichten Stabilität höher als Innovation und
Operationen (Kdo Op). Basierend auf der Doktrin, Organisation, Training, Material,          Sicherheit höher als Risikomanagement.
Lagebeurteilung operationalisiert das Kdo Leitung, Personal, Hilfsmittel und Richtli-       Ein weiteres mögliches Problem ist die Fi-
Op die von der Regierung vorgegebenen nien (DOTMLPF-P). Die ausgewählten                    nanzmittelverwaltung. Finanzielle Engpäs-
Ziele und präzisiert sie mit militärischen Lösungen werden dann in einem fünften            se werden oft erst in einem späten Stadium

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bedacht, woraus sich finanziell nicht nach-  ceneinsatz unkomplizierter als für die USA,                 sich ständig wandelndem Umfeld ist es
haltige Lösungen ergeben. Hinzu kommt,       die ständig in Konflikte auf der ganzen                     nicht mehr möglich, sich auf das Ersetzen
dass einige Länder versuchen, sämtliche      Welt involviert sind. Das Hauptziel kleiner                 von Waffensystemen zu beschränken. CBP
Probleme im Einsatzgebiet durch beson-       Staaten ist die Verteidigung ihres eigenen                  ermöglicht eine kohärente Entwicklung al-
ders teure neue Technologien zu lösen. Die   Gebiets. Ausserdem können sie von Erfah-                    ler verwandter Prozesse. Dank des Kon-
elektromagnetische Schienenkanone der        rungen der Grossmächte profitieren, ohne                    zepts der «Fähigkeit» werden innovative
US-Marine sollte beispielsweise Ziele über   eigene Ressourcen einzusetzen. Österreich                   Entwicklungen weg vom einfachen Erset-
                                                        beispielsweise plant seine Ent-                  zen veralteter Waffensysteme möglich.
Für die korrekte Anwendung                              wicklung mit CBP trotz sehr                      Vom Kauf neuer Ausrüstung abgesehen
                                                        kleinen Budgets. Grundsätzlich                   führt das Konzept auch tiefgreifende Ver-
von CBP ist eine angemessene                            stellt die Mitgliedschaft in ei-                 änderungen auf doktrineller und organisa-
Struktur fundamental.                                   nem Bündnis wie der NATO                         torischer Ebene ein.
                                                        kein Problem für CBP dar.
eine Distanz von 300 Kilometern mit einer Letztlich kann jede Armee der Welt CBP                         Für die korrekte Anwendung von CBP ist
Geschwindigkeit von Mach 7 treffen. Das für die Planung ihrer Entwicklung nutzen.                        eine angemessene Struktur fundamental.
Projekt belief sich auf eine halbe Milliarde Die Pflichten eines Bündnisses sind ledig-                  Die involvierten Behörden müssen ver-
Dollar und scheiterte an der Komplexität lich zusätzliche Leitlinien, um die Zusam-                      schiedene Prozesse hinreichend koordinie-
und den Kosten. Im Vergleich dazu hat menarbeit der einzelnen Mitglieder zu fes-                         ren und dabei regelmässige und wiederkeh-
Russland eine bessere Lösung gefunden, tigen. Durch die Beteiligung an einem                             rende Entwicklung ermöglichen. Zudem
die auf der Optimierung einer vorhandenen solchen Bündnis kann die Entwicklung ge-                       ist es notwendig, mögliche Einschränkun-
Technologie statt auf der Entwicklung ei- wisser Fähigkeiten auch an Bündnispartner                      gen für das reibungslose Funktionieren von
ner völlig neuen Technologie basiert.        übertragen werden.                                          CBP genug früh zu erkennen und anzuge-
                                                                                                         hen, damit nicht der ganze Entwicklungs-
Diese Einschränkungen können durch die               Per se ist CBP in der Anwendung auch für            planungsprozess scheitert. Für Streitkräfte
Einführung eines Entwicklungssystems                 neutrale Staaten kein Problem, wie Öster-           ist diese Methode in der Praxis kompliziert,
mit speziellem Fokus auf die Analysephase            reich beweist. Die Schweiz verfügt über             denn sie müssen ihre Komfortzone verlas-
relativ einfach überwunden werden. Aller-            Behörden, die die meisten Schritte und              sen und anfangen, eine Denkweise von Pri-
dings erschweren auch äussere Einschrän-             Unterstützungsprozesse des Basisschemas             vatunternehmen anzunehmen. Im derzeiti-
kungen der Armee die reibungslose Um-                übernehmen können. Allerdings ist es                gen strategischen Umfeld gibt es allerdings
setzung von CBP. Der Druck von gewissen              wichtig zu erwähnen, dass die Schweizer             keine bessere Alternative.
Lobbys kann dazu führen, dass Fähigkei-              Armee – und auf höherer Ebene das Eid-
ten oder Waffensysteme entwickelt wer-               genössische Departement für Verteidigung            Im Fall der Schweizer Armee könnten po-
den, die eher wirtschaftlichen als militäri-         – zwei Dokumente nicht herausgeben, die             tenzielle Lösungen für unkonventionelle
schen Zwecken dienen. In ähnlicher Weise             als Grundlage für CBP dienen: eine natio-           Bedrohungen eher mehr Gewicht erhalten.
setzt die Politik tendenziell Ziele in den           nale Verteidigungsstrategie und eine Ar-            Möglicherweise wären einige Grundlagen-
Zusammenhang mit der Innen- oder Au-                 meestrategie. Der Sicherheitspolitische             dokumente wie eine nationale Verteidi-
ssenpolitik statt mit der Verteidigungspoli-         Bericht, der als Grundlage für sicherheits-         gungsstrategie und die zugehörige Opera-
tik. In beiden Fällen kann das schlimme              bezogene Überlegungen dient, ist keine              tionalisierung in Form einer Armeestrategie
Folgen für die Entwicklungsplanung ha-               nationale Verteidigungsstrategie, sondern           nützlich. Allerdings verfügt die Schweizer
ben. Die Armee kann diese Risiken ver-               eher eine Zusammenstellung von Leitlini-            Armee, wie bereits erwähnt, über die meis-
mindern, indem sie den zuständigen politi-           en für die nationale Sicherheit. Seit dem           ten Verwaltungsbehörden, die für eine er-
schen Behörden erklärt, inwiefern diese das          Ende des Kalten Kriegs hat es in der                folgreiche Umsetzung von CBP erforder-
Gesamtziel gefährden.                                Schweiz keine Armeestrategie mehr gege-             lich sind.
                                                     ben, welche die Aufgabe der Armee kon-
CBP für kleine Staaten                               kret beschreibt. Wenn die Schweizer Ar-
CBP wurde zwar von den USA, der gröss-               mee CBP wirksam umsetzen will, ist die
ten Streitkraft der Welt, entwickelt, doch           Entwicklung derartiger Strategiepapiere
auch kleinere Staaten können das Prinzip             essenziell, um die Kohärenz des gesamten              Für mehr zu Militärdoktrin und Rüstungs­
anwenden. Dabei stehen sie ähnlichen He-             Entwicklungssystems nicht zu gefährden.               beschaffung, siehe CSS Themenseite.
rausforderungen gegenüber: ein erhöhter
Legitimationsdruck für die Verwendung                Die Zukunft von CBP
von Steuergeldern und die Komplexität des            2018 begann die Schweizer Armee, CBP                Constant Despont ist Researcher im Team Globale
strategischen Umfelds, in dem sie agieren            für die Entwicklungsplanung einzusetzen.            Sicherheit am Center for Security Studies (CSS) der
müssen. Für kleine Staaten ist der Ressour-          In einem strategisch und technologisch              ETH Zürich.

Die CSS Analysen zur Sicherheitspolitik werden herausgegeben vom               Zuletzt erschienene CSS-Analysen:
Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich. Das CSS ist ein Kompetenz-
                                                                               Nationale Ans tze zum Schutz vor Ransomware Nr. 297
zentrum für schweizerische und internationale Sicherheitspolitik. Jeden
                                                                               Cybersicherheit im Gesundheitswesen regulieren Nr. 296
Monat erscheinen zwei Analysen auf Deutsch, Französisch und Englisch.
                                                                               Mikrochips: klein und gefragt Nr. 295
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Herausgeber: Julian Kamasa, Benno Zogg
                                                                               Ukraine, Georgien und Moldau zwischen Ost und West Nr. 293
Lektorat: Constant Despont, Julian Kamasa
                                                                               Kampfroboter: Realität oder Science-Fiction? Nr. 292
Layout und Grafiken: Miriam Dahinden-Ganzoni

Feedback und Kommentare: analysen@sipo.gess.ethz.ch                            © 2022 Center for Security Studies (CSS), ETH Zürich
Weitere Ausgaben und Abonnement: www.css.ethz.ch/cssanalysen                   ISSN: 2296-0236; DOI: 10.3929/ethz-b-000528995                            4
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