Das Wohl des Kindes ist keine Frage der Uhrzeit - Erfahrungen mit bedarfsgerechten Kinderbetreuungszeiten - Kita Plus
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KitaPlus Das Wohl des Kindes ist keine Frage der Uhrzeit Erfahrungen mit bedarfsgerechten Kinderbetreuungszeiten
Inhalt 1 Wie Kinder erweiterte Betreuungszeiten erleben 4 2 Passgenaue Betreuungszeiten 6 Modelle an Lebenssituationen orientieren! 8 Schritt für Schritt: Neue, bedarfsorientierte Betreuungsmöglichkeiten 10 Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt schaffen! 10 Familien fördern! 11 Neue Familienzeiten gewinnen! 12 Stimmen von Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern 14 3 Wohlergehen von Kindern als Dreh- und Angelpunkt 16 Kinderrechte im Blick 18 Das sagen Expertinnen und Experten 19 4 Was bedeutet das für die pädagogische Praxis? 22 Das sagen Expertinnen und Experten 24 Bedürfnisse und Interessen der Kinder berücksichtigen 26 Die Konzepte der „KitaPlus“-Modellstandorte 29 Bildungsprozesse gestalten 30 Bindungen aufbauen und Vertrauen schaffen 31 Zusammenarbeit zwischen Familien und pädagogischen Fachkräften stärken 31 Kinder aktiv einbeziehen 32 Das Wohlbefinden durch Raumgestaltung fördern 32 Bring- und Abholsituationen und Übergänge im Tagesverlauf 33 Familienporträt 33 5 Links und Literaturhinweise 35 3
1 Wie Kinder erweiterte Betreuungszeiten erleben Am späten Nachmittag sind nur noch wenige Kinder in der Kita. Im Garten ist jetzt viel mehr Platz als am Vormittag. Tarik und Lena schnappen sich zwei Laufräder und fahren um die Wette. Am Ende sind beide gleich schnell. Und ganz schön aus der Puste. Jetzt freuen sie sich auf das Abendessen. Pepe und sein größerer Bruder schlafen heute in der Kita. Den gemütlichen Raum mit den tollen Betten kennen sie schon. Die sehen aus wie Raumschiffe! Das große Kissen dient als Steuerrad: Los, auf zum Mond! Am Morgen holen die Eltern die beiden ab. Die vier verbringen den ganzen Tag gemeinsam. 4
Wie Kinder erweiterte Betreuungszeiten erleben Ihr Vater bringt Hilde diesen Samstag am frühen Morgen in die Kita. Dann beginnt sein Blockseminar in der Universität. Hilde freut sich auf die Kita. Mit dabei: ihr kleiner Stoffpinguin. Wenn morgens früh nur sehr wenige Kinder da sind, bereitet sie gemeinsam mit Erzieher Patrick und dem kleinen Pinguin das Frühstück vor. An diesem Dienstag wacht Rabea auf und ist schon aufgeregt: „Heute gehen Mama und ich in den botanischen Garten!“ Ihre Mutter hat nämlich heute die Spätschicht im Krankenhaus und den ganzen Vormittag frei. Gemeinsam schlendern die beiden durch den Garten. „Das sind Seerosen!“ erinnert sich Rabea vom letzten Besuch. Davon erzählt sie später ihren Freunden in der Kita. Blitz und Donner. Draußen vor der Kita tobt ein Gewitter. Leo fürchtet sich. Die Erzieherin Mia weiß, dass Leo Gewitter nicht mag. Für solche Fälle weiß Mia genau, wo Leos Lieblingsbuch ist. Es erzählt von einer kleinen Piratin, die segeln kann. Auch, wenn es stürmt. Leo hat das Gewitter schon fast vergessen. 5
Passgenaue Betreuungszeiten Manche Lebenssituationen erfordern eine Kinderbetreuungsmöglichkeit außerhalb der üblichen Zeiten. Sie können Eltern dabei unter- stützen, eine Beschäftigung aufzunehmen, sich weiterzubilden und den Familienalltag so zu gestalten, dass sie mehr Familienzeit haben. Davon profitieren die Eltern und die Kinder. 7
Passgenaue Betreuungszeiten Modelle an Lebenssituationen orientieren! eine gute und passende Betreuungsmöglichkeit angewiesen. Das Zusammenleben kann auf die Ob bei der Polizei, der Feuerwehr, im Kranken- Probe gestellt werden, wenn Kindertageseinrich- haus oder in der Gastronomie. Ob im Sicherheits- tungen beispielsweise nur von 8 bis 16 Uhr geöff- dienst, für ein Abendstudium oder als pflegende net haben und der Bedarf der Eltern vom beste- Angehörige: In verschiedenen Berufsfeldern oder henden Betreuungsangebot abweicht. Lebenssituationen müssen Eltern frühmorgens, spätabends, an Wochenenden oder an Feiertagen Manche Eltern brauchen eine zusätzliche Betreu- verfügbar sein. In Berufen mit Bereitschafts- oder ungsmöglichkeit zum Kita- oder Hort-Platz oder Schichtdiensten müssen sie oft flexibel sein. Ob zur Tagespflegeperson, weil diese keine Kinder mit Kindern oder ohne: Arbeits- und Lebensfor- betreuen, wenn sie arbeiten müssen. Neben den Anteil der Alleinerziehenden an allen Familien men, die außerhalb von Kernarbeitszeiten statt- mit mindestens einem minderjährigen Anforderungen, Kindsich bringt, ent- die ihr Job mit finden, erfordern viel Organisation. Für Familien steht die zusätzliche Belastung, eine alternative kann das zur Herausforderung werden. Ganz be- Betreuungsmöglichkeit 17 % organisieren zu müssen. Früheres Bundesgebiet sonders für Alleinerziehende! Denn sie sind auf Großeltern, 13 % Freundinnen und Freunde oder Baby- sitter springen ein. Doch eine Kinderbetreuung Neue Länder durch das private Umfeld ist immer 25auch % mit Un (einschließlich Berlin) Weitere Informationen: 18 % sicherheiten verbunden: Wer springt ein, wenn Drittes Arbeitspapier der2017 Evaluation 1997 der Babysitter erkrankt ist oder die Freundin zum Bundesprogramm „KitaPlus“ plötzlich anderen Verpflichtungen nachkommen muss? Dann wird der familiäre Alltag chaotisch Bedarfe der Eltern von Kindern im Alter von unter drei Jahren sowie von drei bis fünf Jahren Kinder unter drei Jahren 44 % 34 % 10 % 12 % Kinder zwischen 49 % 32 % 9% 10 % drei und fünf Jahren 0% 25 % 50 % 75 % 100 % Kein Bedarf an erweiterter Betreuungszeit Bedarf nach 17 Uhr Bedarf vor 8 Uhr Bedarf vor 8 und nach 17 Uhr Quelle: Deutsches Jugendinstitut: Ergebnisse der DJI-Kinderbetreuungsstudie U12 (2018). Hinweis: Rundungsbedingt kann die Summe der Anteile von 100 Prozent abweichen. 8
Passgenaue Betreuungszeiten und kleine, unvorhersehbare Vorkommnisse bringen den Zeitplan durcheinander. Eltern sind in solchen Fällen besonders gestresst. Sie versuchen sowohl dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin, dem Studium, der Ausbildung als auch der Familie gerecht zu werden – im Alltag ist das oft kaum zu schaffen. Außerdem können Kosten für den zusätzlichen Betreuungsbedarf anfallen, zum Beispiel für die Babysitterin oder den Babysitter. Diese Mehrkosten müssen in den meisten Fällen von den Familien selbst getragen werden. Viele Eltern stehen, was die Berufstätigkeit an- geht, enorm unter Druck, wenn die Betreuung der Kinder nicht geregelt ist. Gerade in den Abend- und Nachtstunden. Mitarbeiterin im Jugendamt, Drittes Arbeitspapier der programmbegleitenden Evaluation 9
Passgenaue Betreuungszeiten Schritt für Schritt: Neue, bedarfsorientierte Daneben braucht es aber auch Angebote, um Be- Betreuungsmöglichkeiten rufstätige, Arbeitssuchende oder Menschen in Ausbildung mit Familien zu unterstützen. Lebens- Der Bund fördert eine bessere Vereinbarkeit von modelle und Familienformen verändern sich: Familie und Beruf und trägt damit auch zu einer Zum Beispiel ist der Anteil Alleinerziehender an- kinderfreundlicheren Gesellschaft bei. Schritt für steigend. Dadurch wird ein flexibles Betreuungs- Schritt schafft er Grundlagen für einen besseren angebot für Kinder immer wichtiger. Zugang zu frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung bei gleichzeitig hoher Qualität. Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt schaffen! Ein flexibles Betreuungsangebot trägt auch dazu bei, für Chancengleichheit zwischen Männern Im Januar 1996 wurde erstmalig ein Rechts und Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen. Bis anspruch für Kinderbetreuung eingeführt. heute bleiben viele Frauen zu Hause oder arbeiten Dies galt zunächst für Kinder im Alter von über in Teilzeit, um ihre Kinder zu betreuen. Sie fan- drei Jahren und bis zum Schuleintritt. Seit dem gen die Zeiten früh morgens oder in den späten 1. August 2013 haben Kinder bereits ab dem Abendstunden auf, wenn es kein entsprechendes ersten vollendeten Lebensjahr Anspruch auf Angebot gibt. Erweiterte Betreuungszeiten unter- frühkindliche Förderung in einer Kindertages stützen Familien bei der gemeinsamen, besseren einrichtung oder in der Kindertagespflege. Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Anteil der Alleinerziehenden an allen Familien mit mindestens einem minderjährigen Kind Früheres Bundesgebiet 17 % 13 % Neue Länder 25 % (einschließlich Berlin) 18 % 2017 1997 Quelle: Ergebnisse des Mikrozensus – Bevölkerung in Familien/Lebensformen am Hauptwohnsitz. In: Statistisches Bundesamt (DESTATIS): Alleinerziehende in Deutschland 2017. Begleitmaterial zur Pressekonferenz am 2. August 2018 Bedarfe der Eltern von Kindern im Alter von unter drei Jahren sowie von drei bis fünf Jahren 10
Passgenaue Betreuungszeiten Eltern können so ihren Berufen nachgehen und ihren Kindern gleichzeitig die besten Startchan- cen ermöglichen. Auch der berufliche (Wieder-) Einstieg und Aufstieg während und nach Zeiten der Kindererziehung kann durch erweiterte Be- treuungsmöglichkeiten erleichtert werden. Familien fördern! Die Lebenslage der Eltern bestimmt wesentlich die Chancen ihrer Kinder. Es spielt eine große Rol- le, wie Eltern finanziell und sozial aufgestellt sind. Durch ein erweitertes Betreuungsangebot wird nicht nur die finanzielle Situation von einzelnen Familien gestärkt, sondern auch die wirtschaft liche Entwicklung der Gesellschaft. Ein geringes (Familien-)Einkommen bringt ein höheres Armutsrisiko mit sich. Gleichzeitig steigt die Gefahr der eingeschränkten gesellschaftlichen Teilhabe. Für Kinder von Alleinerziehenden ist die Armutsrisikoquote besonders hoch: 44 Pro- Erweiterte Betreuungszeiten entsprechen im zent der Alleinerziehenden sind armutsgefährdet. Einzelfall durchaus den besten Interessen eines Kindes. Auch deshalb, weil wir immer auch in Nicht alle Familien können auf Familienangehö- den Blick nehmen müssen, was die Alternative rige oder Freunde vor Ort zurückgreifen. Ein feh- wäre. Die Alternative wäre zum Beispiel, dass lendes Betreuungsangebot kann dazu führen, dass die Eltern eine bestimmte Berufstätigkeit nicht Mütter oder Väter eine bestimmte Arbeits- oder ausüben können. Dass sie ihren Job verlieren Ausbildungsstelle erst gar nicht antreten. Und oder kündigen müssen, was dann ja auch wie- finanzielle Sorgen sowie die Unsicherheiten der derum mit Konsequenzen für das Kindeswohl Eltern belasten auch die Kinder! verbunden wäre. Prof. Dr. Jörg Maywald im Interview 11
Passgenaue Betreuungszeiten Neue Familienzeiten gewinnen! Nehmen Familien Kinderbetreuung in erweiter ten Zeiten in Anspruch, geht dies in der Regel Qualitativ hochwertige Bildungs-, Betreuungs- nicht mit einem höheren Betreuungsumfang und Erziehungsangebote bieten ein hohes Maß an einher. Vielmehr steht die zeitliche Verlagerung, Entwicklungschancen – auch in zeitlich erweiter- beispielsweise ein sehr früher Betreuungsbeginn ten Betreuungssettings. Beispielweise sind die bis mittags im Vordergrund. Durch Betreuungs Gruppengrößen früh am Morgen oder spät am zeiten, die sich am Bedarf der Familien orientieren, Abend oft kleiner als in den Kernzeiten. In Rand- können neue, stressfreie Familienzeiten dazuge- zeiten können Erzieherinnen und Erzieher noch wonnen werden. Dies kann sich positiv auf die besser auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder gesamte Familie auswirken. Eltern und Kinder eingehen. Auch die Wünsche der Kinder lassen können die Zeit, die sie gemeinsam haben, inten sich leichter berücksichtigen. Kinder freuen sich siver und ohne schlechtes Gewissen nutzen. darauf, in der Kita gemeinsam Abendessen vorzubereiten oder am Lagerfeuer Stockbrot Das heißt natürlich für uns qualitativ zu backen. mehr Zeit. Weil ich nachmittags zu Hause bin. Mutter, Drittes Arbeitspapier der Die Kinder fragen schon, wann sie das programmbegleitenden Evaluation nächste Mal wieder länger hier sind. Die genießen das auch. Vor allem der Kleine, der findet das toll, auch mit den Großen den Spätdienst zu machen. Die öffentliche geförderte Kindertagesbetreu Vater, Drittes Arbeitspapier der ung ist in Deutschland in § 22 Abs. 2 Achtes programmbegleitenden Evaluation Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) festgehalten. Oh, das lieben die! Das ist mit sehr viel Spaß Tageseinrichtungen für Kinder und verbunden und es sind nicht so viele Kinder da. Kindertagespflege sollen: Es wird sehr viel Individuelles gemacht, mit 1. die Entwicklung des Kindes zu einer eigen Ausflügen, Schwimmen. Es ist halt sehr familiär. verantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Die Kinder wollen, dass am Dienstag schon Persönlichkeit fördern, Samstag ist. Sie reden viel darüber zu Hause. 2. die Erziehung und Bildung in der Familie Und die Schwimmsachen sind schon mitt- unterstützen und ergänzen, wochs gepackt. 3. den Eltern dabei helfen, Erwerbstätigkeit Mutter, Drittes Arbeitspapier der und Kindererziehung besser miteinander programmbegleitenden Evaluation vereinbaren zu können. 12
Passgenaue Betreuungszeiten Die öffentlich geförderte Kindertagesbetreuung hat also zwei wesentliche Aufgaben: Bildung und Entwicklung von Kindern fördern und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen. Das Bundesprogramm „KitaPlus: Weil gute Betreuung keine Frage der Uhrzeit ist“ setzt genau hier an. Mit ihm fördert das Bundesfamilienmi- nisterium seit 2016 passgenaue, am Bedarf der Eltern orientierte Angebote in der Kindertagesbe- treuung. Wir haben eine wahnsinnige Flexibilität gewonnen. Für mich gehört das auch zur Qualität einer Kita. Ich bin überzeugt, dass das die Zukunft von Kita ist, dass sich die Betreuungszeiten mehr den Arbeitszeiten der Eltern anpassen. Vater, Drittes Arbeitspapier der programmbegleitenden Evaluation Ziel ist es, Eltern eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Damit könnten auch Paare ermutigt werden, die ihren Kinderwunsch aufgrund fehlender passender Betreuungsmöglichkeiten bislang nicht realisiert haben. Gleichzeitig ist ein Anliegen des Bundes- programms, zur wirtschaftlichen Stabilität in Familien beizutragen. Denn letztlich wird so auch das Wohlergehen der Kinder gefördert. 13
Passgenaue Betreuungszeiten Stimmen von Kooperationspartnerinnen Vor allem muss das Kindeswohl im und Kooperationspartnern des Bundesprogramms Vordergrund stehen. Bildung, Betreuung und Erziehung sind untrennbare Aufgaben – Wir erhoffen uns vom Bundesprogramm dafür ist ein ausreichender Personalschlüssel mehr Chancengleichheit am Arbeitsmarkt. mit qualifizierten pädagogischen Fach Das Selbstverständnis einer Kita sollte sein, kräften wichtig. die Erwerbstätigkeit von Müttern und Vätern Deutscher Gewerkschaftsbund, Erstes Arbeitspapier zu ermöglichen. Dafür brauchen wir flexible der programmbegleitenden Evaluation Betreuungszeiten. Erziehende erhalten dadurch unter anderem die Möglichkeit, an Eltern, die aufgrund ihrer persönlichen oder Qualifizierung und Weiterbildung teilzu beruflichen Situation erweiterte Betreuungszeiten nehmen, einen Sprachkurs zu besuchen, eine nutzen, fällt dies nicht immer leicht. Auch für Ausbildung zu absolvieren oder in Arbeit Einrichtungen der Kinderbetreuung und für integriert werden zu können. Kindertagespflegepersonen, die erweiterte Stab der Beauftragten für Chancengleichheit Betreuungszeiten anbieten, sind die gesellschaftli- am Arbeitsmarkt (BCA), Erstes Arbeitspapier chen Diskussionen zum Thema bedarfsgerechte der programmbegleitenden Evaluation Betreuungszeiten für die alltägliche Arbeit relevant. Teilweise erhalten sie aus ihrem sozialen Wenn wir gemeinsam die Vereinbarkeit von oder öffentlichen Umfeld viel Verständnis, teilwei- Familie und Beruf wirklich voranbringen se wird ihnen aber auch mit Skepsis begegnet. Ihre wollen, muss man bei der bedarfsdeckenden Beweggründe werden oft nicht verstanden oder Bereitstellung von Kinderbetreuungsangebo- die Nutzung der erweiterten Zeiten wird negativ ten die Anpassung von Öffnungszeiten an die kommentiert. Diese Vorbehalte haben meist mit Bedürfnisse von Müttern und Vätern in der Fehlannahmen zu tun. Etwa, dass bedarfsgerechte Arbeitswelt unbedingt mitdenken. Denn: Gäste Angebote zu einem höheren Betreuungsumfang bedienen, Busse steuern, Menschen pflegen – führen würden und dieser zu Lasten des Kindes das alles sind berufliche Tätigkeiten, die mit ginge. den üblichen Öffnungszeiten von Kindertages- einrichtungen und Kindertagespflegepersonen Entweder ich arbeite nicht und werde als in der Regel nicht kompatibel sind. Hartz-IV-Empfängerin abgestempelt oder Bundesvereinigung der Deutschen ich arbeite und bin dann eine Rabenmutter. Arbeitgeberverbände, Erstes Arbeitspapier der Mutter, Drittes Arbeitspapier der programmbegleitenden Evaluation programmbegleitenden Evaluation 14
Passgenaue Betreuungszeiten Die Erfahrungen aus dem Bundesprogramm Überlegungen zum Wohlergehen von Kindern, „KitaPlus“ zeigen, dass das Wohlergehen der Kinder das heißt zum Kindeswohl und auch zu Kinder- auch in erweiterten Betreuungszeiten an erster rechten, sind bereits bei der Konzeption des Stelle steht. Um dies sicherzustellen, werden Bundesprogramms „KitaPlus“ berücksichtigt verschiedene Maßnahmen ergriffen und in der worden. Dabei betont die Programmkonzeption pädagogischen Konzeption verankert (siehe auch Kinderrechte als Ausgangspunkt für gutes und Kapitel 3). sicheres Aufwachsen. Bedarfsgerechte Öffnungszeiten sollten Normalität werden. Das wäre das Allertollste. Es ist ja eine seltsame Normvorstellung, Das Wohl des einzelnen Kindes muss dabei die wir in unserer Gesellschaft haben, dass immer oberste Priorität bleiben. Es braucht ein „Kita-Zeit“ immer nur zu einer bestimmten qualitativ gutes pädagogisches Konzept, das Zeit stattfindet. Wir erleben in vielen von den zum Beispiel feste Orientierungsstrukturen im „KitaPlus“-Standorten, dass die Kinder das Tagesablauf, einen Betreuungsrahmen oder total attraktiv finden, auch mal im Kinder flexible Hol- und Bring-Zeiten festlegt. Genauso garten abendzuessen oder schon morgens wichtig sind konzeptionell geregelte Ausgleichs um sechs da zu sein. Schritt für Schritt wird zeiten und eine individuelle Eingewöhnungs es für die Kinder normaler und führt dann phase. Kinder brauchen insbesondere eine auch nicht mehr zu so einer Aufregung in der Bezugserzieherin oder einen Bezugserzieher Gesellschaft. bzw. persönlich zugeordnete Tagespflegeper Katrin Macha im Interview sonen (insb. in Großtagespflegestellen) als enge Kommunikationspartnerin oder engen Koopera Aus der Perspektive des Städte- und Gemeinde- tionspartner der Familie. Dies ist gerade vor dem bundes dürfen bei der Feststellung des Bedarfs Hintergrund der psychosozial erheblichen Be nicht nur die Erwerbstätigkeit der Eltern und die lastungen relevant, denen sich Alleinerziehende Anforderungen der Arbeitswelt eine Rolle spielen, (ihnen fehlt häufig eine soziale Unterstützung) vielmehr müssten die Bedürfnisse der Kinder wie auch Familien, die in einem Wechselschicht ebenfalls berücksichtigt werden (Erstes Arbeits- system berufstätig sind, ausgesetzt sehen papier der programmbegleitenden Evaluation). (Programmkonzeption des Bundesprogramms „KitaPlus“). 15
3 Wohlergehen von Kindern als Dreh- und Angelpunkt Am 20. November 1989 wurde die UN-Kinder- rechtskonvention verabschiedet. Ratifiziert wurde sie auch von Deutschland. Der aktuelle Koalitions- vertrag sieht vor, Kinderrechte explizit ins Grund- gesetz aufzunehmen. Damit rückt das Wohl ergehen von Kindern noch stärker in den Vorder grund. 16
Wohlergehen von Kindern als Dreh- und Angelpunkt Weitere Informationen: Bericht der Bundesregierung zur UN-Kinderrechtskonvention 17
Wohlergehen von Kindern als Dreh- und Angelpunkt Kinderrechte im Blick am Kindeswohl orientieren müssen. Neben der UN-Kinderrechtskonvention sind Grundrechte Der Begriff „Wohlergehen von Kindern“ oder des Kindes bereits in der EU-Grundrechtecharta „Kindeswohl“ ist in Deutschland gesetzlich noch und als Kindschafts- und Familienrecht im nicht explizit definiert. Allerdings stehen Kindern Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und dem Kinder- dieselben Grundrechte des Grundgesetzes (GG) und Jugendhilferecht (SGB VIII) zu finden. wie Erwachsenen zu. Das Bundesverfassungsge- richt erkennt an, dass das Kind ein Wesen mit Werden Betreuungszeiten erweitert oder flexibili- eigener Menschenwürde und einem eigenen siert, stellt dies besondere Anforderungen an alle Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit ist. Beteiligten. Um zu erreichen, dass es den Kindern Nach wie vor werden die Rechte von Kindern zu allen Zeiten gut geht, braucht es bestimmte jedoch nicht immer so beachtet, wie es die Rahmenbedingungen. Die Bundesarbeitsgemein- Kinderrechtskonvention vorsieht. Um die Kinder- schaft der Landesjugendämter (BAG) betont in rechte sichtbar zu stärken, sieht die Bundesregie- ihrem Positionspapier „Flexibilisierung der rung eine Verankerung der Kinderrechte im GG Kindertagesbetreuung“, dass bedarfsgerechte und als ein starkes und notwendiges Signal an. Durch familienunterstützende Angebotsformen der die Grundgesetzänderung wird den staatlichen Kindertagesbetreuung den Bedürfnissen und Akteuren eine klare Orientierung für ihr Handeln altersgerechten Entwicklungsbedingungen von gegeben. Das Bundesverfassungsgericht hält Kindern unterschiedlicher Altersstrukturen bereits jetzt fest, dass sich Pflege und Erziehung gerecht werden müssen. Fachkräfte haben vor allem die ganzheitliche Erziehung, Bildung und Betreuung zu realisie- ren, bei gleichzeitiger Sicherung der physischen und psychischen Gesundheit der Kinder. Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, Erstes Arbeitspapier der programmbegleitenden Evaluation 18
Wohlergehen von Kindern als Dreh- und Angelpunkt Das sagen Expertinnen und Experten dort Trost zu bekommen – in Situationen, in denen es ihnen nicht gut geht, wenn sie belastet oder „Kindern geht es gut, wenn sie spielen.“ traurig sind oder wenn sie Angst haben. Aus Sicht des Kinderrechts formuliert, gehören zu einem Prof. Dr. Jörg Maywald ist Geschäftsfüh- gesicherten Kindeswohl die Erfüllung der Schutzbe- rer der Deutschen Liga für das Kind dürfnisse, der Förderbedürfnisse und auch der und Honorarprofessor im Bereich Beteiligungsbedürfnisse. der internationalen Kinderrechte an der Fachhochschule Potsdam. Welche speziellen Rahmenbedingungen Darüber hinaus ist er Sprecher der braucht es innerhalb und außerhalb der National Coalition Deutschland, einem Einrichtungen, die erweiterte Betreuungszeiten Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechts- anbieten? konvention. Die Themen Kinderbetreuung und erweiterte Betreuungszeiten betrachtet er vor Das beginnt bei den räumlichen Voraussetzungen. allem aus einer kinderrechtlichen Perspektive. Nehmen wir mal die Bettzeit am Abend: Da ist Insbesondere das Thema Qualität in Kitas, Krip- deutlich mehr Privatsphäre notwendig als während pen und der Kindertagespflege steht für ihn im eines kurzen Mittagsschlafs. Dass das Kind sein Vordergrund. eigenes Bett, seine Utensilien, die zum Schlafen gehören, wie ein Kuscheltier, oder auch Einschlaf Herr Prof. Dr. Maywald, woran können rituale hat, wird dann noch wichtiger. Hier ist eine wir erkennen, ob es Kindern in erweiterten besondere Feinfühligkeit der pädagogischen oder flexibilisierten Betreuungssettings Fachkräfte erforderlich. „gut geht“? Außerdem sollte die Zusammenarbeit mit den Eltern, Ich würde es auf eine kurze Formel bringen: Kindern die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft, in in Kindertageseinrichtungen und auch in der besonderer Weise gepflegt werden. Dies betrifft Kindertagespflege geht es gut, wenn sie dort bereit sowohl die Planung der Betreuungszeiten als auch sind zu spielen, wenn sie Humor zeigen, wenn sie die Häufigkeit des Kontakts. Der Austausch sollte im lachen. Das ist ein Zeichen dafür, dass sie loslassen Betreuungsverlauf besonders oft stattfinden. können, dass sie entspannt sind und dass sie Freude Entwicklungsgespräche sollten aus meiner Sicht in am Alltag haben. Und wenn Kinder in der Lage sind, erweiterten Betreuungszeiten zumindest zwei oder sich an eine pädagogische Fachkraft zu wenden, um dreimal pro Jahr stattfinden. Gespräche müssen – 19
Wohlergehen von Kindern als Dreh- und Angelpunkt neben den täglichen Tür- und Angel-Gesprächen – „Erweiterte Betreuungszeiten können gut gelingen, auch dann möglich sein, wenn es besondere Anlässe wenn das Personal geschlossen hinter dem Modell gibt. Wenn beispielsweise das Kind einnässt, obwohl steht.“ es zuvor schon trocken war. Prof. Dr. Sabina Schutter ist Professorin Es ist wichtig, dass Eltern, Kinder und Fachkräfte für Pädagogik der Kindheit an der Probleme ansprechen können. Zum Beispiel wenn Technischen Hochschule Rosenheim, sich am Verhalten eines Kindes etwas ändert. Dann Direktorin des Campus Mühlendorf sollte es möglich sein, zeitnah einen Termin zu der Technischen Hochschule vereinbaren. Rosenheim und stellvertretende Sprecherin des Studiengangs Kind- Und ein letzter Punkt, der häufig vergessen wird: Die heitspädagogik. Sie forscht zu institutio- erweiterten Betreuungszeiten haben auch Auswir- nellen, politischen und familiären Bedingungen, kungen auf die gesamte Kindergruppe. Was bedeu- unter denen Kinder heute leben. Seit diesem Jahr tet es eigentlich für Kinder, die eine Kita besuchen, leitet sie eine ethnographische Studie zum wenn manche Kinder erst sehr spät kommen, früh Wohlbefinden von Kindern in flexibilisierter abgeholt werden oder sogar über Nacht bleiben? Kindertagesbetreuung. Wie fühlt sich das für sie an? Ist es irgendwann ganz normal oder bleiben es Ausnahmen, die von den Kindern auch als solche empfunden werden? Kinder wünschen sich meist Kontinuität. Welche Auswirkungen haben die flexiblen Zeiten auf sie? Was bedeutet es emotional für die Gruppe, ruft es vielleicht sogar Neid hervor? „Die oder der darf in der Kita übernachten und ich nicht.“ Auch Verunsi- cherung kann eine Rolle spielen, zum Beispiel, weil sich manche Kinder nur selten begegnen. Damit müssen Fachkräfte umgehen können. Dazu braucht es Transparenz. Die Kinder müssen informiert werden, wie die Betreuungszeiten für alle geregelt sind und warum. 20
Wohlergehen von Kindern als Dreh- und Angelpunkt Wie definieren Sie das „Wohlbefinden“ von Befunde deuten an, dass sich ihre Äußerungen und Kindern in erweiterten Betreuungszeiten? Handlungen auf die Kinder übertragen können: Zum Beispiel eine positive Einstellung gegenüber Unter welchen Bedingungen sich Kinder wohlfühlen, erweiterten Betreuungszeiten. Für das Wohlbefinden wird in der Sozialforschung oft durch Erwachsene entscheidend ist, wie pädagogische Fachkräfte auf definiert. Aber es geht ja um die Kinder. Dagegen die Bedürfnisse der Kinder eingehen. Es ist wichtig, gehen wir in der Kindheitsforschung davon aus, dass sowohl in den frühen Morgen- als auch in den dass Kinder ganz individuelle Vorstellungen ihres späten Abendstunden pädagogisches Personal vor Wohlbefindens äußern und diese in der Forschung Ort ist, das die Kinder über die Betreuung hinaus sichtbar gemacht werden können. Diese Perspektive individuell fördert und entsprechende Angebote ermöglicht es, vielleicht unbekannte Aspekte des bereitstellt. Wohlbefindens zu identifizieren. Aus einer reinen Erwachsenensicht wären diese Aspekte möglicher- Was bedeutet das für Kitas und Träger von weise gar nicht besonders aufgefallen. Wir möchten Einrichtungen der Kindertagesbetreuung? mit unserem Projekt herausfinden, was das Wohlbe- Worauf sollte geachtet werden? finden von Kindern in erweiterten Betreuungszeiten beeinflusst. Wie geht es Kindern, wenn sie beispiels- Die Personalverteilung sollte so gestaltet sein, dass weise ganz früh morgens in die Kita kommen? Was ausreichend Fachkräfte da sind. Und zwar über den machen sie zu diesen Zeiten? Was brauchen sie? Was ganzen Tag. Ähnlich dem rhythmisierten Ganztag in tun Kinder selbst für ihr Wohlbefinden und wie Schulen sollte ein Wechselspiel von freien Zeiten und verhalten sie sich in der Kindertagesbetreuung? Bildungsangeboten stattfinden. Kinder, die längere Zeiten in der Einrichtung sind, zeigen sehr deutlich, Welche Aspekte haben Sie identifiziert, die was sie gerade brauchen. Wenn dann aber niemand das Wohlergehen von Kindern in erweiterten da ist, der auf diese Bedürfnisse eingeht, kann das Betreuungszeiten sicherstellen können? Modell schnell kippen. Die Träger und das Führungs- personal sollten eine klare Haltung und Kommuni- Unser Forschungsprojekt steht noch ganz am kation zu den erweiterten Betreuungszeiten ent Anfang. Die Einrichtungen, die wir bisher besucht wickeln und diese auch beharrlich vertreten. Erwei haben, sind sehr unterschiedlich. Aufgefallen ist uns terte Betreuungszeiten funktionieren gut, wenn bei unseren Beobachtungen vor allem die Haltung, das Personal geschlossen hinter dem Modell steht mit der die Fachkräfte in den Einrichtungen den und sowohl den Kindern als auch den Eltern ein erweiterten Betreuungszeiten begegnen. Die ersten positives Gefühl vermittelt. 21
4 Was bedeutet das für die pädagogische Praxis? Erweiterte Betreuungszeiten erfordern einen besonderen Blick für die Bedürfnisse der Kinder. Von den Eltern und den pädagogischen Fachkräf- ten in Kitas, Horten oder der Kindertagespflege. Die „KitaPlus“-Vorhaben zeigen, wie es gelingen kann, dass das Wohlergehen der Kinder im Fokus steht. 22
Was bedeutet das für die pädagogische Praxis? Projektlandkarte „KitaPlus“: www.kitaplus.fruehe-chancen.de/programm/ standortkarte 23
Was bedeutet das für die pädagogische Praxis? Das sagen Expertinnen und Experten Bedürfnisse und individuellen Besonderheiten der Kinder eingehen können und wollen. Wie geht es „Die drei wesentlichen Faktoren sind Flexibilität, dem einzelnen Kind in den verschiedenen Phasen Kindorientierung und Beziehung.“ seines Tages in der Kita? Ist es müde? Braucht es eine Ruhephase oder eine Aktivität? Wichtig ist Katrin Macha ist stellvertretende Direktorin zudem, dass die Kinder mit all denen, die sie im Institut für den Situationsansatz. betreuen, eine Beziehung aufbauen. Zum Teil haben Sie forscht rund um das Thema die Einrichtungen im Bundesprogramm zum „Qualität in Kitas“. Seit Programmstart Beispiel sehr ausgefeilte Eingewöhnungskonzepte hat sie gemeinsam mit der Univation – entwickelt, um zu sichern, dass Kinder alle Fach- Institut für Evaluation Dr. Beywl & kräfte, die sie zu den verschiedenen Zeiten betreuen, Associates GmbH das Bundespro- kennen lernen können. In den Modelleinrichtungen gramm „KitaPlus“ begleitend evaluiert. haben wir dies bei der Evaluation des Bundespro- gramms erleben können und mit Fachkräften, Eltern, Frau Macha, wie müssen bedarfsgerechte Trägern und auch Kindern gesprochen. Sie beschrei- Betreuungszeiten in der Praxis und aus ben, wie wichtig die erweiterten Zeiten sind und der Perspektive der Kinder gestaltet sein? machen eindringlich darauf aufmerksam, dass sich Wie fühlen sich die Kinder dabei wohl? viele Situationen im Alltag von Familien, aber auch Kitas, dadurch entspannen. Die meisten Kinder, mit Die drei wesentlichen Faktoren sind Flexibilität, denen wir gesprochen haben, fanden diese besonde- Kindorientierung und Beziehung. Bedarfsgerecht ren Zeiten am Abend oder frühen Morgen ziemlich bedeutet nicht, dass die Kinder zwölf oder 14 toll und konnten differenziert beschreiben, was sie Stunden in der Einrichtung sind, sondern flexibel zu daran mochten. den Zeiten, wenn die Eltern arbeiten. Wenn die Kinder erst später am Vormittag gegen elf oder auch Was unternehmen die geförderten Kitas, um 13 Uhr in die Kita gehen können, wenn die Horte und Tagespflegepersonen, um Eltern anfangen zu arbeiten, dann haben Familien das Wohlbefinden der Kinder sicherzustellen? ja den Vormittag zusammen. Das ist dann richtige Qualitätszeit für Kinder und Eltern. Aber auch im Alle Einrichtungen, die wir im Bundesprogramm Miteinander mit den Kindern zeigt sich die Flexibili- „KitaPlus“ begleiten, haben sich im Vorfeld sehr viele tät in der Kindorientierung und ist da höchst Gedanken darüber gemacht, wie sie die erweiterten bedeutsam. Fachkräfte müssen flexibel auf die Zeiten mit den Kindern gestalten. Die Fachkräfte 24
Was bedeutet das für die pädagogische Praxis? nehmen die Kinder immer wieder genau in den den hat. Ebenso trägt eine offene Haltung gegenüber Blick, gehen auf die individuellen Bedürfnisse ein den Familien und den Bedürfnissen der Eltern dazu und hören den Kindern zu. Oft entscheiden Fach- bei, dass die Erweiterung der Öffnungszeiten gelingt. kräfte und Kinder gemeinsam, was sie gerne machen möchten. Ob abends zusammen ein Buch Eine weitere Herausforderung ist, dass Fachkräfte gelesen wird oder die Kinder lieber noch eine Runde und Eltern immer wieder damit konfrontiert werden, mit dem Bobbycar drehen. Wichtig sind zudem dass Menschen aus ihrem Umfeld Zweifel haben, ob entsprechend gestaltete Räume. Die Kinder müssen es den Kindern gut geht, wenn sie bspw. am Abend in sich jederzeit zurückziehen können, wenn sie das der Kita sind. Das zeigt, es ist durchaus noch nicht Bedürfnis nach Ruhe haben. Aber sie müssen auch etabliert oder anerkannt, dass Kinder wirklich die Möglichkeit haben, aktiv zu sein, wenn sie lieber bedarfsgerecht in der Kita sein können. Damit spielen möchten, während andere Kinder sich müssen die Kita-Teams und die Eltern umgehen. ausruhen. Welche Gelingensfaktoren, aber auch Herausforderungen haben Sie beobachtet? Der wichtigste Gelingensfaktor ist meiner Meinung nach: für die erweiterten Zeiten braucht es gut ausgebildete Fachkräfte. Hat ein Kind ein Problem zu bewältigen, ist es traurig oder hat es sich wehgetan? Dann müssen die Pädagoginnen und Pädagogen, die da sind, das Kind in dieser Situation gut unterstützen können. Es ist wichtig, Übergänge zu schaffen, die verschiedene Kinder in ein gemeinsames Spiel begleiten und Fragen oder Sorgen von Eltern im Abholgespräch beantworten. Außerdem lief es in den Modellprojekten im Bundesprogramm dort gut, wo die erweiterten Zeiten gut in die bestehende Konzep- tion der Kita integriert werden konnten und eine gemeinsame konzeptionelle (Weiter-)Entwicklung mit allen Pädagoginnen und Pädagogen stattgefun- 25
Was bedeutet das für die pädagogische Praxis? Bedürfnisse und Interessen In den erweiterten Zeiten ist es besonders der Kinder berücksichtigen wichtig oder schön, wenn Kinder einen flexiblen Raum haben, in dem man mehr Im Bundesprogramm „KitaPlus“ erproben Kitas, auf ihre Bedürfnisse eingehen kann. Horte und Tagespflegepersonen, wie sich er Mutter, Abschlussbericht der weiterte Betreuungszeiten ideal umsetzen lassen. programmbegleitenden Evaluation Dabei nehmen sie das Wohlergehen der Kinder besonders in den Blick und testen, was es dafür braucht. Wie Kinder, Eltern und Fachkräfte die Impuls aus der Praxis: erweiterten Betreuungszeiten erleben, zeigen die Ergebnisse der programmbegleitenden Evaluation. Die Pädagoginnen und Pädagogen im Bundes programm „KitaPlus“ beobachteten, dass die Kinder Die Bedürfnisse und Interessen der Kinder sind einen Wunsch nach Betreuungskontinuität haben. für die pädagogischen Fachkräfte von zentraler Die Einrichtungen haben darauf reagiert und ihre Bedeutung und werden bei der Gestaltung Dienstplangestaltungen geändert. Pädagoginnen bedarfsgerechter Betreuungszeiten besonders und Pädagogen arbeiten nun über einen längeren berücksichtigt. Zeitraum in der „KitaPlus“-Erweiterung, beispiels weise für eine gesamte Woche (Abschlussbericht Alle Fallstudienstandorte haben sich sehr der programmbegleitenden Evaluation). viele Gedanken darüber gemacht, wie die erweiterten Zeiten mit den Kindern zu gestalten sind. Aber auch wiederkehrende Projekte, Rituale sowie Katrin Macha im Interview eine verlässliche Tagesstruktur sind von zentraler Bedeutung und bieten den Kindern Sicherheit. Die am Bundesprogramm „KitaPlus“ teilnehmen- Um die Interessen und Anliegen der Eltern, der den Einrichtungen zeigen gelungene Wege, um Kinder und der pädagogischen Fachkräfte bei der den Kindern sowohl im Kita-Alltag als auch in Gestaltung bedarfsgerechter Öffnungszeiten zu ihren Beziehungen Orientierung und Stabilität zu berücksichtigen, hat sich die enge Zusammenarbeit bieten. Dabei spielen Flexibilität und partizipati- mit den Eltern bewährt. Sie schafft Vertrauen und ve Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. Die gemeinsame Ziele in der Erziehungspartnerschaft. Kinder sollen die Räumlichkeiten frei, neugierig und unbeschwert erkunden können. 26
Was bedeutet das für die pädagogische Praxis? Praxisinterview „Bei den Kindern wird es nicht als schlimm, sondern als etwas Besonderes erlebt.“ Ludger Althoff leitet die Kita Villa Regine. Diese wurde gegründet, um Eltern eine Betreuung außer- halb der regulären Betreuungs zeiten zu ermöglichen. Um möglichst nahe am Geschehen zu sein, hat er sein Büro in der Kita. Als Leitung übernimmt Ludger Althoff vor allem die pädagogische Begleitung, die Konzept- sowie Öffentlichkeitsarbeit. Was ist das Besondere an dem Konzept der Kita „Villa Regine“? Wir bieten Betreuung rund um die Uhr an. Das heißt aber nicht, dass die Kinder länger als in anderen Einrichtungen betreut werden. Wir betreuen Kinder, deren Eltern einen Betreuungsbedarf zu besonderen Zeiten haben. In der Regel melden sie diesen einen Monat im Voraus an. Sollten sich die Arbeitszeiten kurzfristig ändern, können wir darauf aber auch flexibel reagieren. Jede Fachkraft hat eine zweite Per- son als Back-up, sodass sich die Eltern keine Sorgen um Ausfälle in der Kinderbetreuung machen müssen. So können sie ihren Alltag sorgen- und stressfreier gestalten. 27
Was bedeutet das für die pädagogische Praxis? Alle Kinder, die über zwei Jahre alt sind und die ent- gut. Sie überlegt dann zum Beispiel gemeinsam mit sprechenden Fähigkeiten besitzen, dürfen sich inner- den Kindern, wie sie die Zeit schön gestalten kön- halb der Einrichtung frei bewegen. Die Kinder und nen. Wenn mal nur noch ein Kind über den späten Fachkräfte treffen nach und nach in der Einrichtung Nachmittag hinaus bleibt, fährt die Erzieherin oder ein. Kinder, die bis in die Abendstunden oder über der Erzieher abends mit dem Kind in das Elternhaus Nacht betreut werden, kommen erst nach der ge- und bringt es dort ins Bett. Das Kind bleibt in seinem meinsamen Familienzeit in die Einrichtung. Am Vor- gewohnten Umfeld und für die Eltern ist es ein tolles und Nachmittag kommen die Kinder dann in Grup- Gefühl und erleichternd zu wissen, dass das Kind pen unterschiedlichen Alters zusammen, in denen im eigenen Bett schlafen kann, während sie arbei- mindestens zwei Kinder gleich alt sind. Sie können ten. Gleiches gilt auch in den frühen Morgenstunden: entscheiden, ob sie an den verschiedenen Projekten, Wenn nur ein einzelnes Kind die Betreuung benötigt, wie zum Beispiel einem Zauberworkshop, teilneh- fährt die Erzieherin bzw. der Erzieher in das Eltern- men oder lieber draußen spielen möchten. Unser Ziel haus und später gemeinsam mit dem Kind in die Kita. ist es, alle Angebote der Kinderbetreuung in unse- Das Kind behält den gewohnten Schlafrhythmus so- rem Haus zu vernetzen. Da in den Ferienzeiten viele wie die Morgenrituale zu Hause bei. Generell betreu- Einrichtungen geschlossen haben, nehmen wir dann en wir die Kinder in der Kita Villa Regine sehr indivi- auch Grundschulkinder auf. Die Kinder lernen von- duell und gehen auf die einzelnen Bedürfnisse ein. einander und unterstützen sich gegenseitig. Dass es den Kindern bei uns gut geht, erkenne ich vor Welche Bedeutung nimmt das Wohlergehen allem an den Reaktionen der Kinder, die nur in den der Kinder in ihrem Konzept ein? üblichen Zeiten betreut werden. Sie wünschen sich länger zu bleiben, um auch so tolle Sachen machen Trotz des offenen Konzepts haben die Kinder Bezugs- zu können, wie wir sie in erweiterten Betreuungs- personen, die sie besonders gut kennen und denen zeiten anbieten. Bei den Kindern wird es nicht als sie sich anvertrauen. Die Kolleginnen und Kollegen, schlimm, sondern als etwas Besonderes erlebt, so die am späten Nachmittag und in den Abendstun- viel Aufmerksamkeit in einer kleinen Gruppe zu be- den die Kinderbetreuung übernehmen, schließen kommen. Die Kinder stehen nicht weinend an der nahtlos an die Frühbetreuung an. Dadurch nehmen Tür und warten auf die Eltern, sondern freuen sich die Kinder den Personalwechsel kaum wahr. Gegen darauf, hier Zeit zu verbringen. Auch die Rückmel- 15.30 Uhr beginnt die pädagogische Fachkraft, die dungen der Eltern sind sehr positiv. Sie beobachten in den Abend- und Nachtstunden arbeitet. Die Kin- außerhalb der Einrichtung eine tolle Entwicklung der, die in diesen Zeiten betreut werden, kennen sie ihrer Kinder. 28
Was bedeutet das für die pädagogische Praxis? Die Konzepte der „KitaPlus“-Modellstandorte Impuls aus der Praxis: Bei der Konzeptionierung der bedarfsgerechten Einige Bundesländer haben Vorgaben für die Betreuungszeiten haben sich bei den teilnehmen- minimalen und maximalen Betreuungszeiten den Einrichtungen im Bundesprogramm „Kita- definiert. Die im Bundesprogramm geförderten Plus“ verschiedene Kriterien herauskristallisiert, Einrichtungen haben sich wiederum auf eine die bei der Gestaltung bedarfsgerechter Öffnungs- Obergrenze von neun bis zehn Stunden täglich oder zeiten Orientierung bieten: 45 bis 50 Stunden wöchentlich festgelegt. Dabei sollen Kinder, die auch am Wochenende betreut Betreuungszeiten bedarfsgerecht anpassen werden, einen mindestens zweitätigen „Freizeitaus Ziel des Bundesprogramms „KitaPlus“ ist es nicht, gleich“ an anderen Wochentagen haben. Andere die Betreuungszeiten von Kindern zu verlängern, Einrichtungen sehen dagegen vor, dass zwischen sondern bedarfsgerecht anzupassen. Im Vorder- den Kita-Besuchen mindestens zwölf Stunden grund steht, flexibel auf die Bedürfnisse der Eltern liegen müssen oder sie definieren ein Mindestmaß und Kinder eingehen zu können. an Ferienzeiten. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, sich von den Arbeitgeberinnen und Arbeitge Ich hatte es auch schon das ein oder andere bern die Arbeitszeiten der Eltern schriftlich bestäti Mal, dass sich meine Schicht geändert hat, von gen zu lassen und die Betreuungszeiten der Kinder Freitag zu Montag, und ich dann herkommen darauf zu beschränken (Zweites Arbeitspapier der musste und gesagt habe, dass ich für Montag programmbegleitenden Evaluation). nacht eine Betreuung brauche. Das ging schnell, zwei Stunden später war es erledigt. Ich fand das richtig klasse. Mutter, Abschlussbericht der programmbegleitenden Evaluation 29
Was bedeutet das für die pädagogische Praxis? Bildungsprozesse gestalten Die erweiterten Betreuungszeiten eignen sich aber auch, um bestehende Förderschwerpunkte zu ver- Die entwickelten Konzepte für die erweiterten tiefen. So finden bei einigen erprobten Vorhaben Öffnungszeiten in dem Bundesprogramm zusätzliche Angebote in den Bereichen Mathema- „KitaPlus“ knüpfen meist an die bestehenden Be tik, Musik, Technik, Naturwissenschaft oder Be- treuungs- und Einrichtungskonzepte sowie die wegung statt. Hier sollte jedoch stets die Balance Bildungspläne der jeweiligen Bundesländer an. zwischen aktivem Angebot und Entspannung ge- Um die zusätzlichen Betreuungszeiten optimal wahrt werden. Schließlich eignet sich die ruhige zu nutzen und an das Bestehende anzuknüpfen, Atmosphäre in den Randzeiten auch besonders für werden pädagogische Inhalte auf die alltäglichen individuelle Zuwendung und die Förderung der Bildungsprozesse und -themen der Einrichtung Kinder. abgestimmt. Besonderer Wert wird häufig auf das alltagsintegrierte Lernen gelegt. Das Abendessen Es ist wichtig, dass sowohl in den frühen bietet zum Beispiel viele Gelegenheiten für Lern Morgen- als auch in den späten Abendstunden, erfahrungen: durch die gemeinsame Entschei pädagogisches Personal vor Ort ist, das dung für ein Gericht, das Einkaufen der Zutaten, Kinder über die Betreuung hinaus individuell das Wiegen und Zubereiten der Speisen sowie das fördert und entsprechende Angebote bereit Ein- und Abdecken der Tische. Bei diesen Tätig stellt. keiten werden ganz praktisch und alltagsintegriert Prof. Dr. Sabina Schutter im Interview die Selbstständigkeit, die Gesundheit, das Experi mentieren und das soziale Miteinander gefördert. Impuls aus der Praxis: Die erweiterten Öffnungszeiten sind die Krönung. Wir haben Zeit, mit den Kindern Im „Zweckverband Katholische Tageseinrichtungen zu kochen. Und mit ihnen das Abendbrot für Kinder im Bistum Essen“ informieren sich die zu gestalten, in Ruhe Abendbrot zu essen. pädagogischen Fachkräfte daher bei den Eltern über Oder sie können mit uns einkaufen gehen. die gewohnten Rituale der Kinder und setzen diese Pädagogin, Abschlussbericht der Abläufe dann auch in der Kita um. Es werden zum programmbegleitenden Evaluation Beispiel Geschichten vorgelesen oder bestimmte Lieder gesungen (Abschlussbericht der programm begleitenden Evaluation). 30
Was bedeutet das für die pädagogische Praxis? Bindungen aufbauen und Vertrauen schaffen Zusammenarbeit zwischen Familien und pädagogischen Fachkräften stärken Um den Kindern ausreichend Raum und Zeit für individuelle Interessen und Bedürfnisse zu Zuverlässige und vertrauensvolle Erziehungs geben, ist Flexibilität im Betreuungsalltag wichtig. partnerschaften sind besonders wichtig, wenn Gleichzeitig haben auch vertraute und verläss Kinder in erweiterten Zeiten betreut werden. Die liche Rahmenbedingungen großen Einfluss auf „KitaPlus“-Vorhaben halten in ihren Konzepten das Wohlbefinden der Kinder. Dazu kann bei ausdrücklich die Zusammenarbeit mit den Eltern spielsweise eine feste Gruppenstruktur zählen, die fest. Die Erziehungspartnerschaft leben sie durch eine gute Orientierung bei Lernprozessen bietet. regelmäßig vereinbarte Elterngespräche, aber auch durch informelle Tür- und Angel-Unterhal- Auch Rituale können eine familienähnliche tungen. Der Austausch legt den Grundstein dafür, Atmosphäre schaffen und vor allem bei der Abend- dass die Familien und pädagogischen Fachkräf- betreuung oder in der Nacht das Gefühl von Ge te sich eng miteinander über die Bedürfnisse, die borgenheit fördern. Wichtig ist, dass den Kindern Entwicklung und insbesondere das Wohlergehen auch in den erweiterten Öffnungszeiten eine feste der Kinder abstimmen. Konkret können Familien Bezugsperson zur Seite steht. und die Einrichtungen den Austausch nutzen, sich über Gewohnheiten und Vorlieben der Kinder zu Wenn ich komme, dann umarmen mich die informieren. Dieses Wissen können die pädago- Kinder und freuen sich, dass ich nun da bin. gischen Fachkräfte nutzen, um beispielsweise die Pädagogin, Abschlussbericht der Abendstunden entsprechend zu gestalten. Umge- programmbegleitenden Evaluation kehrt ist es für Eltern wichtig zu erfahren, wie es den Kindern in den erweiterten Betreuungszeiten Um es bindungstheoretisch zu formulieren: geht und wie sie diese erleben. Eine bewährte Er- Kindern sollte ein ausgeglichenes Verhältnis ziehungspartnerschaft ermöglicht auch, umge- zwischen ihren Erkundungsbedürfnissen und hend zu reagieren, wenn es besondere Anlässe gibt. ihren Bindungs- und Schutzbedürfnissen er- möglicht werden. Sie sollten also frohgemut in Es kommt vor allem drauf an, dass wir mit die Welt hinausgehen, spielen und erkunden den Eltern in gutem Kontakt sind. können, bei Bedarf müssen aber Erwachsene Kita-Leitung, Drittes Arbeitspapier der für das Kind da sein. programmbegleitenden Evaluation Prof. Dr. Jörg Maywald im Interview 31
Was bedeutet das für die pädagogische Praxis? Kinder aktiv einbeziehen Das Wohlbefinden durch Raumgestaltung fördern Mit der UN-Kinderrechtskonvention wurde das Bei der Gestaltung der erweiterten Öffnungszeiten Partizipationsrecht der Kinder festgeschrieben. spielt die räumliche Umgebung eine wichtige Das Recht fordert, dass Kindern der Zugang zu Rolle, auch sie hat Einfluss auf das Wohlbefinden Informationen gewährt wird und ihre Meinung der Kinder. Die Gestaltung der Räumlichkeiten Berücksichtigung findet. Dies gilt für die bisher sollte das Freispiel der Kinder unterstützen und üblichen, wie auch für die erweiterten Betreu- zum Spielen anregen. Idealerweise werden die ungszeiten. Die Konzeptionen, der am Bundespro- Kinder in diesen Prozess einbezogen. Auf diese gramm „KitaPlus“ teilnehmenden Einrichtungen, Weise gewinnen sie Vertrauen in die räumliche zeigen hier verschiedene Ansätze und Beteili- Umgebung. Platz für ausreichend Bewegung ist gungsstrategien, beispielsweise Kinderkonferenzen, ebenso wichtig wie Bereiche zum Entspannen. um die Kinder in die Gestaltung der Öffnungszei- Eine ansprechende und gemütliche Umgebung ten einzubeziehen. mit Rückzugsmöglichkeiten erhöht das Gefühl von Geborgenheit und Behaglichkeit. Individuell Rhythmisierte / Zirkulierende Angebote, bei eingerichtete Schlafplätze schätzen die Kinder denen vielleicht alle Kinder beteiligt sind, besonders. bestimmte Überschneidungszeiten, die den Austausch unter den Kindern ermöglichen, oder eine Kinderversammlung – das sind meiner Meinung nach Aspekte guter Qualität. Es geht darum, die Bedürfnisse der Kinder gruppe insgesamt nicht aus dem Blick zu verlieren. Prof. Dr. Jörg Maywald im Interview 32
Was bedeutet das für die pädagogische Praxis? Impuls aus der Praxis: Familienporträt Neu angeschaffte Ausstattungen wie Matratzen Ein Beispiel: Berufstätige, die tagsüber arbeiten, landschaften oder Snoezelen-Elemente laden die müssen oder wollen auch mal vor oder nach der Kinder ein, sich zurückzuziehen und auszuruhen Arbeit zum Zahnarzt gehen. Deshalb bieten viele oder fordern sie zum Entdecken auf und regen ihre Praxen Sprechstunden vor oder nach üblichen Fantasie im Spiel an (Abschlussbericht der pro Arbeitszeiten an. Sabine Kuhlmann ist Zahnarzt- grammbegleitenden Evaluation). helferin und alleinerziehende Mutter von drei Kindern. Um die Familie und ihren Beruf mitein- Bring- und Abholsituationen und ander vereinbaren zu können, stand Frau Kuhl- Übergänge im Tagesverlauf mann fast täglich vor Herausforderungen. Sie musste für ihre Arbeitszeiten am frühen Abend Für die Gestaltung der Bring- und Abholzeiten hat oder am Wochenende eine Betreuung für ihre sich in den am Bundesprogramm „KitaPlus“ jüngste Tochter organisieren. Dafür griff sie regel geförderten Vorhaben eine Flexibilisierung mäßig auf die Unterstützung von Freunden oder bewährt: Die Zeiten für das Abholen und Bringen Bekannten zurück. Diese holten Frau Kuhlmanns der Kinder sollte an den individuellen Bedarfen Tochter abwechselnd von der Kita ab und über- der Eltern und Kinder ausgerichtet sein. Dadurch nahmen die Betreuung, bis die Mutter gegen 20 lernen Kinder, sich beim Ankommen in das Uhr von der Arbeit kam. Am Wochenende, wenn aktuelle Geschehen in der Gruppe zu integrieren in der Praxis Notdienst ist, wurde die Betreuung beziehungsweise sich hieraus zu verabschieden. manchmal ganztägig durch das private Umfeld Für einen Teil der Modellvorhaben haben sich abgedeckt. Dadurch musste sich ihre Tochter jedoch auch feste Zeitenregelungen als vorteilhaft Emily häufig auf ganz unterschiedliche Umgebun- erwiesen, da so Bildungsprozesse, Rituale und gen, Gewohnheiten und Rituale einstellen. Angebote gemeinsam begonnen und wieder beendet werden können. Angebote können also langfristig besser geplant werden. Besonders wichtig ist jedoch, bei den Übergängen Kontinui- tät zu bewahren – beispielsweise bei einem Weitere Informationen: Wechsel von der Vormittagsgruppe in die Nach- Broschüre „Gute Betreuung ist keine Frage mittagsgruppe. Die Kinder sollten vertraute der Uhrzeit“ Bezugspersonen und -räume vorfinden. Diese erleichtern ihnen den Übergang und spenden Sicherheit und Vertrauen. 33
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