Daten als Wirtschaftsgut - Europäische Datenökonomie oder Rechte an Daten? - Digitale Technologien
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2 Daten als Wirtschaftsgut Impressum Herausgeber Smart-Data-Begleitforschung FZI Forschungszentrum Informatik Außenstelle Berlin Friedrichstr. 60, 10117 Berlin www.smart-data-programm.de Redaktion und Konzeption Fachgruppe Rechtsrahmen der Smart-Data-Begleitfor- schung Schlussredaktion und Gestaltung LoeschHundLiepold Kommunikation GmbH Stand September 2017 Druck WIRmachenDRUCK, Backnang Bildnachweis sdecoret – Fotolia.com (Titel), Nataliya Hora – Fotolia.com (S. 9), xiaoliangge – Fotolia.com (S. 10), 75tiks – Fotolia.com (S. 11), Gorodenkoff – Fotolia.com, (S. 12), nd3000 – Fotolia.com (S. 17), alphaspirit – Fotolia.com (S. 22), Björn Wylezich – Fotolia.com (S. 40), Olivier Le Moal – Fotolia.com (S. 41), by-studio – Fotolia.com (S. 42)
Daten als Wirtschaftsgut 3 Inhalt Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Fünf Forderungen zur europäischen Datenökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Forderung 1: Der Zugang zu anonymen, von Maschinen erzeugten Daten sollte verbessert werden. . . . . . . . . 8 Forderung 2: Entwicklung technischer Lösungen für zuverlässige Identifizierung und Datenaustausch fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Forderung 3: Künftige Lösungen sollten Lock-in-Effekte minimieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Forderung 4: Recht auf Zugang zu Daten im öffentlichen Interesse oder für wissenschaftliche Zwecke . . . . . 12 Forderung 5: Schaffung eines diskriminierungsfreien Rechtsrahmens für Text und Data Mining sowie Webcrawling. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Analyse der aktuellen Diskussion um das „Recht an Daten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 „Datenhoheit und Recht des Datenbankherstellers“ – Recht am Einzeldatum vs. Rechte an Datensammlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Datengewinnung und Schaffung einer europäischen Datenökonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Text und Data Mining im Kontext von Smart Data – eine wirtschaftliche Perspektive. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Daten als Wirtschaftsgut: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Kurzüberblick über den Rechtsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Urheberrechtlich geschützte Werke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Datenbankwerke (§ 4 UrhG). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Datenbankherstellerrecht sui generis111 (§ 87a UrhG). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Presseverlegerleistungsschutzrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Strafbarkeit des Abfangens und Ausspähens von Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Über die Autoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Fußnoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Daten als Wirtschaftsgut 5 Vorwort wir fünf Thesen, die in der Fachgruppe abgestimmt wurden. Wir bedanken uns ganz herzlich bei unseren A utoren Herrn Dr. Alexander Duisberg und Herrn Bunk, die diese Publikation mit fundierten wissenschaftlichen In- halten und wertvollen Erfahrungen unterstützt haben. Im ersten Beitrag wird der aktuelle Meinungsstand der juristischen Diskussion aufbereitet und der bestehen- de Schutzrahmen von Datensammlungen im Urheber- Eine ökonomische Betrachtung von Daten als einem und Wettbewerbsrecht skizziert. Der zweite Beitrag der zentralen Wirtschaftsgüter im Kontext von Big widmet sich der im Kontext von Smart Data relevanten Data, Industrie 4.0 oder des Internets der Dinge stellt Technik des Text und Data Minings und deren Konflikt die Rechtsordnung vor große Herausforderungen, die mit dem Urheberrecht. mit der Einleitung eines Konsultationsprozesses zur Schaffung einer „europäischen Datenökonomie“ durch Im Abspann finden Sie Kurzerläuterungen zu den we- die EU-Kommission nun zunehmend auch in der eu- sentlichen Begrifflichkeiten und Aspekten des Rechts- ropäischen Dimension an Bedeutung gewinnt. Sollten rahmens in Bezug auf „Daten als Wirtschaftsgut“. Informationen grundsätzlich frei verfügbares Gemein- Nicht personenbezogene Daten befinden sich keines- gut sein – zumindest solange nicht das Datenschutz- falls in einem rechtsfreien Raum. Auch abseits des recht, Urheberrechte bzw. der Schutz der Datenbank- im Rahmen des Entstehungsprozesses der kommen- hersteller sui generis, der Schutz als Betriebs- oder den Datenschutz-Grundverordnung viel diskutierten Geschäftsgeheimnis oder Strafrechtsnormen einem Datenschutzrechts finden sich wichtige Rechtsfra- freien Zugang entgegenstehen? Kann die Schaffung gen, die die Nutzung von Daten beeinflussen können. eines über die bereits bestehenden Rechte hinaus- So können Daten als Bestandteil einer schutzfähigen gehenden allgemeinen „Rechts am Datum“ Impulse Datenbank, eines Text- oder Bildwerkes sowie eines für die zukünftige Ausgestaltung der Datenökonomie Presseerzeugnisses nur mit Zustimmung des jeweili- generieren? Oder werden sich vielmehr die typischen gen Urhebers bzw. Herstellers nutzbar sein. Daneben Rechtsfolgen von Ausschließlichkeitsrechten als we- können Daten als Betriebs- und Geschäftsgeheim- nig zielführend erweisen? Wie könnten – aus unserer nis rechtlich geschützt sein. Erwähnung finden sollte Perspektive vorzugswürdig – die Ausgestaltung von ebenfalls die Strafbarkeit des Abfangens und Ausspä- wettbewerblichen Zugangsansprüchen zu Daten und hens von Daten. Plattformen sowie diese ergänzenden vertraglichen Regelungen ein kohärentes gesetzliches Gesamtbild unter Einbeziehung von Datenschutzaspekten bilden? PD Dr. Oliver Raabe und Manuela Wagner In der Fachgruppe Rechtsrahmen wurde diese Thema- Begleitforschung des Technologieprogramms tik intensiv diskutiert. Als Zwischenfazit präsentieren „Smart Data – Innovation aus Daten“
7 Fünf Forderungen zur europäischen Datenökonomie Die Fachgruppe Rechtsrahmen der Begleitforschung des Technologieprogramms „Smart Data – Innovationen aus Daten“ besteht aus Vertretern der 16 Leuchtturmprojekte des Technologieprogramms sowie Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Im Rahmen von regelmäßigen Fachgruppenworkshops disku- tierten die Expertinnen und Experten über die Schaffung einer europäischen Datenökonomie und formulierten fünf zentrale Forderungen.
8 Daten als Wirtschaftsgut Forderung 1: Der Zugang zu anonymen, von Maschinen erzeugten Daten sollte verbessert werden Die EU-Kommission startete dieses Jahr den Konsul Eigentümer oder Besitzer des Gerätes hätte da- tationsprozess zu der Frage, wie eine europäische durch das Recht, nicht personenbezogene Daten zu Datenökonomie geschaffen werden kann.1 Zentrales nutzen und anderen deren Nutzung zu gestatten Thema ist die Verbesserung des grenzüberschreiten- oder sie von der Nutzung auszuschließen den Datenaustauschs. Auf Basis der in den Pilotpro- Schaffung von Zugangsrechten gegen Entgelt jekten gewonnenen Erkenntnisse stimmt die Mehrheit der Teilnehmer der Fachgruppe Rechtsrahmen in der Die Mehrheit der Teilnehmer der Fachgruppe Rechts- Smart-Data-Begleitforschung dem von der EU-Kom- rahmen sieht Potenzial in der Förderung technischer mission postulierten Ziel zu, dass eine Verbesserung Lösungen und der Schaffung von Zugangsrechten im des Zugangs zu anonymen Daten sinnvoll ist: öffentlichen Interesse und für Forschungszwecke. Dem „Indem von Maschinen generierte Daten geteilt, Konzept eines Eigentumsrechts an Daten stehen die wiederverwendet und aggregiert werden, können Mitglieder der Fachgruppe eher ablehnend gegen- sie Wertschöpfung begründen, werden zu Innova- über. Es sollte kritisch hinterfragt werden, ob der Da- tionsquellen und ermöglichen unterschiedlichste tenzugang durch eine eigentümerähnliche Rechtsstel- Geschäftsmodelle.“ lung des „Datenproduzenten“ tatsächlich befördert werden kann oder ob diese nicht vielmehr die Gefahr Die EU-Kommission definiert dabei von Maschinen ge- steigender Transaktionskosten und einer Verstärkung nerierte Daten folgendermaßen: von Lock-in-Effekten in sich birgt. Ein (ausschließliches) „Daten werden von Maschinen ohne den unmittel Dateneigentum wäre auch mit Blick auf die Meinungs- baren Eingriff eines Menschen im Rahmen von und Informationsfreiheit problematisch und könnte zu Computerprozessen, Anwendungen oder Diensten ungewollten Informationsmonopolen führen. Zudem oder auch durch Sensoren erzeugt, die Informatio sind diverse Abgrenzungsfragen zu befürchten. Da nen von virtuellen oder realen Geräten oder Ma- Daten in der Regel durch Interaktion von Maschinen schinen oder von einer Software erhalten.” mit Menschen, anderen Maschinen oder ihrer Umwelt entstehen, dürften sich Herausforderungen bei der Zu- Als potenzielle Lösungsmöglichkeiten zur Schaffung ordnung zu einem einzigen „Erzeuger“ ergeben. Per- von Anreizen, Daten zu teilen und damit den Zugang sonenbezug könnte gegeben sein, sobald Daten auch zu anonymen, von Maschinen erzeugten Daten zu ver- Rückschlüsse auf identifizierbare natürliche Personen bessern, schlägt die Kommission folgende Ansätze vor: zulassen, sodass Überschneidungen mit dem Daten- Erstellung von EU-Leitfäden zur Rechtslage in den schutzrecht absehbar sind. Mitgliedstaaten Förderung der Entwicklung technischer Lösungen Die größte Herausforderung dürfte daher darin liegen, für die zuverlässige Identifizierung und den Aus- eine rechtliche Basis für Datenzugang unter nicht dis- tausch von Daten kriminierenden Konditionen zu gewährleisten. Inso- Standardvertragsklauseln für den (rechtssicheren) weit könnten wettbewerbsrechtliche Mechanismen Austausch von Daten erforderlich sein, um Anreize für einen unternehmens- Schaffung eines Rechts auf Zugang zu nicht perso- und grenzüberschreitenden Datenaustausch zu schaf- nenbezogenen Daten im öffentlichen Interesse oder fen. Die Standardisierung und Herstellung von Inter für wissenschaftliche Zwecke operabilität dürften technische Grundvoraussetzungen Schaffung eines Rechts des „Datenerzeugers“: Der für einen funktionierenden Datenaustausch bilden.
Daten als Wirtschaftsgut 9 Einige Smart-Data-Projekte verfolgen das Ziel, offene Die Smart-Data-Begleitforschung engagiert sich in Plattformen für den unternehmensübergreifenden Da- der Förderung eines kulturellen Wandels hin zur tenaustausch zu realisieren. Herausforderungen, die Open-Data-Ökonomie für eine smarte Gesellschaft.2 sich u. a. dabei stellen, sind die Interessen der Unter- Der Begriff „Open Data“ steht für technische und nehmen, ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu rechtliche Offenheit, d. h., Datensätze müssen in ei- schützen und keine personenbezogenen Daten ohne nem maschinenlesbaren und standardisierten Format Legitimationsgrundlage herauszugeben. Die Entwick- vorliegen und frei von rechtlichen Beschränkungen lung intelligenter Filtermechanismen, Anonymisie- nutzbar sein (d. h. allgemein zugänglichen bzw. nicht rungswerkzeuge sowie Konzepte der Datennutzungs- unverhältnismäßig einschränkenden Lizenzbestim- kontrolle könnten Lösungen bieten. mungen unterliegen).
10 Daten als Wirtschaftsgut Forderung 2: Entwicklung technischer Lösungen für zuverlässige Identifizierung und Datenaustausch fördern Da Daten grundsätzlich uneingeschränkt reproduzier- hier Lösungsoptionen. Um Vertrauen in das System zu bar sind, kann eine echte Kontrolle der Verwendung schaffen und Aussagen über die Datenqualität zu ge- bereitgestellter Daten nur mit technischen Lösungen statten, kann es auch notwendig werden, zuverlässige zur Nachvollziehbarkeit, Rückverfolgbarkeit und Iden und möglichst genormte Protokolle für die durchgehen- tifizierung der Datenquellen ermöglicht werden. Sowohl de Identifizierung von Datenquellen festzulegen. Lizenzmodelle als auch Open-Data-Konzepte erfordern zunächst standardisierte, genormte Protokolle, Schnitt- Offene, genormte und gut dokumentierte Program- stellen und Datenformate. Oft sind Daten nicht frei mierschnittstellen (API) können den Aufbau eines von Lizenzbestimmungen oder technischen Einschrän- Ökosystems der Anwendungs- und Algorithmenent- kungen verfügbar. Wenn Daten in unterschiedlicher wicklung fördern und so den Zugang zu Daten, die sich Granularität und verschiedenen Formaten vorliegen in der Hand von Unternehmen oder Behörden befin- oder bereits vorinterpretiert sind, erschwert gerade die den, vermitteln. Um sicherzustellen, dass der Zugang Fragmentierung deutschlandweite Analysen. Die Ent- datenschutzkonform ist, sollte die Entwicklung von wicklung von Datentreuhänder-Konzepten sowie die Anonymisierungswerkzeugen und -prüfverfahren un- Standardisierung maschinenlesbarer, freier Formate, terstützt durch technische Leitfäden parallel gefördert insbesondere bei Daten der öffentlichen Hand, wären werden.
Daten als Wirtschaftsgut 11 Forderung 3: Künftige Lösungen sollten Lock-in-Effekte minimieren Ein Lock-in-Effekt kann vorliegen, wenn die Höhe der schwellen müssen dem Wandel hin zu mehrseitigen, zu erwartenden Wechselkosten einem Anbieterwech- datenbasierten Märkten angepasst werden. sel entgegenstehen. Derartige Wechselbarrieren kön- nen einerseits bewusst zur Kundenbindung eingesetzt Die 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbe- werden, andererseits Markteintrittshemmnisse für schränkungen, die am 9. Juni 2017 in Kraft getreten kleinere neue Mitbewerber schaffen. ist, verfolgt das Ziel, ein modernes Wettbewerbs- recht im Zeitalter der Digitalisierung zu erreichen. Die Bei der Etablierung einer europäischen Datenökono Reform soll vor allem auf Daten basierende Netz- mie sollten die divergierenden Verhandlungspositio werk- und Skaleneffekte adressieren, die zu Markt- nen von marktmächtigen und weniger marktmäch- konzentration führen können, sowie den Zugang zu tigen Unternehmen sowie Privatpersonenberücksich- wettbewerbsrelevanten Daten besser berücksichtigen. tigt werden. Vor allem für kleine und mittelständische Dadurch sollen die Kartellbehörden im Rahmen ihrer Unternehmen, Start-ups und Privatpersonen sollten Missbrauchsaufsicht die Marktstellung eines Unter- Lock-in-Effekte vermieden werden. nehmens besser, da nicht nur auf Basis von Geldflüs- sen, beurteilen können und damit den sich verändern- Sowohl das europäische als auch das deutsche Wett- den internetbasierten Angeboten Rechnung tragen. bewerbsrecht sind derzeit grundsätzlich erst dann einschlägig, wenn der Missbrauch einer marktbeherr- Einen weiteren Diskussionspunkt bildet die Frage, ob es schenden bzw. marktmächtigen Stellung feststellbar ein allgemeines Recht auf Datenportabilität, vergleich- ist. Die hierbei relevanten Fragen der Marktabgren- bar mit Art. 20 der Datenschutz-Grundverordnung zung, der Marktkonzentration und der Missbrauchs- („Recht auf Datenübertragbarkeit“), geben sollte.
12 Daten als Wirtschaftsgut Forderung 4: Recht auf Zugang zu Daten im öffentlichen Interesse oder für wissenschaftliche Zwecke Forschung im Bereich „Smart Data“ basiert häufig auf nen und anonymen Daten oft fließend ist und sich nicht personenbezogenen Daten aus dem Unterneh- im Laufe der Zeit durch hinzutretendes Zusatzwissen menskontext, zu denen Forscher Zugang benötigen, oder die Verbesserung von Analysemethoden ver- um datenbasiert innovationssteigernde neue Erkennt- ändern kann. Ein (wettbewerbsrechtliches) Zugangs- nisse zu generieren. Ebenso kann die Funktionsfähig- recht sollte daher die widerstreitenden Interessen in keit des öffentlichen Sektors durch die Analyse statisti- Ausgleich bringen und dabei den Fokus auf einen nicht scher Daten verbessert werden. Würde beispielsweise diskriminierenden Zugang sowie Interoperabilität rich- Statistikämtern Zugang zu Geschäftsdaten gewährt, ten. Dies sollte kohärent mit der kommenden Daten- könnte der Aufwand für Wirtschaftsteilnehmer verrin- schutz-Grundverordnung etabliert werden. gert werden, gegebenenfalls bestehenden Berichts- pflichten nachzukommen. Die dadurch ermöglichte Daneben muss das Interesse der Unternehmen, ihre Infrastrukturoptimierung könnte sich wiederum insge- Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu bewahren, samt positiv auf den Wirtschaftsstandort auswirken. berücksichtigt werden. Anonymisierungsmethoden könnten hier z. B. neben dem Schutz personenbezo- Bei der Schaffung eines Zugangsrechts muss selbst gener Daten auch dazu eingesetzt werden, um den verständlich der Problematik Rechnung getragen wer- Unternehmensbezug aus einem Datensatz zu ent den, dass die Abgrenzung zwischen personenbezoge fernen.
Daten als Wirtschaftsgut 13 Forderung 5: Schaffung eines diskriminierungsfreien Rechtsrahmens für Text und Data Mining sowie Webcrawling Im Vorschlag für eine Richtlinie über das Urheberrecht Umstritten ist, ob die reine Informationsextraktion im digitalen Binnenmarkt3 definiert die EU-Kommission durch Text und Data Mining überhaupt eine lizenz- Text und Data Mining als pflichtige Nutzungshandlung darstellen sollte. Die Er- „eine Technik für die automatisierte Auswertung schließung von neuem Wissen auf Grundlage verfüg- von Texten und Daten in digitaler Form, mit deren barer Daten im World Wide Web kann als ein neues Hilfe beispielsweise Erkenntnisse über Muster, Geschäftsmodell der Datenveredelung verstanden Trends und Korrelationen gewonnen werden werden. Hierbei stellt sich die grundsätzliche Frage, ob können“. Urheber bzw. Informationsaggregatoren wie Presse verlage an der Wertschöpfung durch sogenannte Der Begriff „Webcrawling“ steht für die automatisierte Datenveredler beteiligt werden sollten. Auf der einen Auswertung von Onlinequellen des World Wide Web, Seite steht die Vorstellung von Datenwertschöpfungs- wobei in der Regel Text- und Data-Mining-Technolo ketten, die auf lizenzbasierten Geschäftsmodellen ba- gien zum Einsatz kommen. sieren. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass ein exklusiver Schutz den gesellschaftlichen Austausch Aufgrund von Urheberrecht, Datenbankschutz sui ge- und Fortschritt behindern und zur Monopolisierung neris, Lichtbild- und Presseverlegerleistungsschutz- von Informationen führen könnte. Die Frage, ob Infor- recht dürfen Rechteinhaber Webcrawlern das Text mationen als solche daher gemeinfrei bleiben sollten, und Data Mining auf geschützten Daten ausschließen stellt sich somit auch in diesem Zusammenhang, wie oder eine Lizenzgebühr verlangen, soweit das Text/ auch in der Debatte um die Relevanz eines „Daten Data Mining technisch eine (permanente) Zwischen eigentums“. kopie und damit eine Vervielfältigungshandlung oder Veröffentlichung von Originaldaten (z. B. Snippets) Die zentrale Schlüsselfrage ist daher, wie die rechtliche erfordert. Da die Lizenzerteilung grundsätzlich der Dis Regulierung im Bereich „Smart Data“ effektiv Diskri- positionsfreiheit privatautonomer Marktteilnehmer minierungsfreiheit herstellen kann. Diese Problematik unterliegt, besteht unterhalb der wettbewerbs- und würde sich nicht stellen, wenn eine generelle Erlaubnis kartellrechtlichen Missbrauchstatbestände kein Kon- für Text und Data Mining (eine sogenannte Schranke) trahierungszwang. Große Marktteilnehmer (wie die ausschließlich zur Informationsextraktion erfolgende Suchmaschine „Google“) erhalten insofern oft bessere Vervielfältigungen zustimmungsfrei ermöglichen wür- Konditionen (unter Umständen Gratislizenzen), da z. B. de. Alternativ müssten wettbewerbsrechtliche Mecha- Verlage auf die Indexierung angewiesen sind, wodurch nismen etabliert werden, um die Gewährung des Zu- weniger marktmächtige Anbieter diskriminiert werden. gangs zu Informationen unter diskriminierungsfreien Daneben besteht die Gefahr, dass Verlage Exklusivver- Konditionen festzuschreiben. träge einfordern (bzw. die Garantie, dass mit bestimm- ten Konkurrenten keine vergleichbaren Lizenzverein- barungen getroffen werden) und damit zum Nachteil der Webcrawler Konkurrenzverhältnisse auf Sekundär- märkte verlagern.
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15 Analyse der aktuellen Diskussion um das „Recht an Daten“ Entscheidend für die Schaffung einer europäischen Datenökonomie ist der Zugang zu und die Nutzbarkeit von nicht-personenbezogenen Daten. Die aktuelle juristische Debatte dreht sich diesbezüglich um die Schaffung ei- nes „Dateneigentums“ mit dem Ziel, die Verkehrsfähigkeit von Daten zu erhöhen. Zu bedenken sind jedoch, dass ein Dateneigentum eine eindeutige Zuordnung eines Datums zu einem Eigentümer bzw. einer Eigentümerin sowie eine klare Abgrenzung zwischen Daten mit und ohne Personenbezug impliziert. Die Schaffung eines Aus- schließlichkeitsrechts könnte somit einige Abgrenzungsschwierigkeiten und unbedachte Rechtsfolgen mit sich bringen. Der folgende Beitrag befasst sich mit der juristischen Herleitung eines solchen Rechts am Einzeldatum und den damit einhergehenden Konsequenzen. Daneben setzt er dieses Konzept in Bezug zu bereits bestehenden Rech- ten an Datensammlungen, nämlich dem Recht des Datenbankherstellers. Das Ergebnis dieser Betrachtung zeigt, dass durch die Schaffung eines Rechts am Einzeldatum keine sachgerechte Lösung zu erwarten ist.
16 Daten als Wirtschaftsgut „Datenhoheit und Recht des Datenbankherstellers“ – Recht am Einzeldatum vs. Rechte an Datensammlungen Dr. Alexander Duisberg, Bird & Bird LLP* I. Zielsetzung und Kontext scher Natur und kann nicht durch eine rein juristische Betrachtung abschließend geklärt werden. Vorrangig Mit diesem Arbeitspapier sollen die rechtlichen Vor gilt es dabei, die Weichen in Richtung einer möglichst aussetzungen und Parameter zur transaktionalen offenen, innovationsorientierten Rechtskultur zu stel- Handhabe von Daten als Wirtschaftsgut de lege lata len und zu fragen, ob mögliche Ausschließlichkeits- und de lege ferenda beschrieben werden. Die Thema- rechte an Daten hier innovationshindernd wirken wür- tik spielt sich auf zwei Betrachtungsebenen ab: Die den.4 So, wie in der Welt der Softwareentwicklung und eine betrifft die Frage einer rechtlichen Zuordnung -anwendungen der Open-Source-Ansatz eine entschei- und Verfügungsbefugnis in Bezug auf das Einzelda- dende Rolle für die Innovationskraft, die Skalierung tum, die andere betrifft Verfügungsbefugnisse über, und das Wachstum ganzer Ökosysteme spielt (siehe Zugang zu und den Umgang mit Datensammlungen. etwa den Siegeszug der App-Ökonomie), kann man Hierzu wird in einem ersten Schritt der Stand der Dis- sich – zumindest theoretisch – ebenso gut vorstellen, kussion um die Frage der „Datenhoheit“ als solcher dass ein „open“- bzw. „shared“-Ansatz den maßgeb- (der häufig anzutreffende Begriff „Dateneigentum“ soll lichen Schlüssel zum Erfolg bestimmter Modelle in als juristisch irreführend bewusst vermieden werden) der sich aufbauenden Datenökonomie darstellt. Nicht dargestellt (unter II.). Im Anschluss folgen Überlegun- zuletzt die Begründungserwägungen zur Reform der gen zum Recht des Datenbankherstellers („RBD“) als Public Sector Directive („PSI-Richtlinie“) unterstreichen derzeit maßgebliches Rechtsinstitut im Zentrum der genau diesen Punkt.5 Betrachtung (unter III.). 1.2 Wettbewerbs- und kartellrechtliche Gesichts- II. Datenhoheit – Diskussionsstand punkte Die damit verbundenen Fragen hinsichtlich techni 1. Vorüberlegungen: „open“ und „shared“ vs. prop- scher Standards, offener Plattformen, geregelter, nicht rietäre Datendomänen diskriminierender Zugänge und Interoperabilität6 berühren in Teilen Fragen des Wettbewerbs- und des Die Diskussion um „Dateneigentum“ oder anderweiti- Kartellrechts de lege lata und de lege ferenda (dazu ge proprietäre „Rechte an Daten“ beflügelt die Fanta- separate Betrachtungen der AG Recht). Sie sind zu- sie der Juristen. Dazu ist festzustellen, dass unsere gleich Ausdruck und Reflex der faktischen Realität, Rechtsordnung – wie auch derzeit praktisch alle an- dass es eine Vielzahl von Datendomänen gibt, die ein- deren Jurisdiktionen – kein sachenrechtlich oder in zelne Unternehmen oder Gruppen von Unternehmen anderer Form als absolutes, mit Ausschließlichkeitsbe- – bis hin zu Datenmonopolen und -oligopolen – inne- fugnissen definiertes „Eigentum“ an Daten- oder Da- haben und kontrollieren. Die rechtlichen Antworten tensätzen als solchen anerkennt (§§ 903 S. 1, 90 BGB). hierauf sind bislang unvollkommen, aber im vorliegen Entsprechend bilden sämtliche Stellungnahmen ge- den Rahmen nicht im Einzelnen zu diskutieren. Sie genwärtig eine Diskussion de lege ferenda darüber, ob werden in Zukunft erheblich an Bedeutung gewinnen. es ein zivilrechtliches „Dateneigentum“ geben sollte. 1.3 Lineare Wertschöpfungskette vs. digitales Eco- 1.1 Sozio-ökonomische Gesichtspunkte System Eine solche Frage ist – weit über die Frage hinaus, ob Zugleich gibt es Aussagen dahingehend, dass die und wie sich ein solches absolutes Datenrecht begrün- „Herrschaft über die Daten“ und der „Kampf um die den ließe – in ganz erheblichem Maße sozio-ökonomi- Datenhoheit“ einen, wenn nicht sogar den entschei-
Daten als Wirtschaftsgut 17 denden Faktor für die Entwicklung und Begründung zu begründen, und zum anderen die in den Metadaten von Wertschöpfungsketten in der digitalisierten Wirt- liegenden eigenen Betriebs- und Geschäftsgeheim schaft darstellen. Diese Wertschöpfung ist nicht mehr nisse vor Zugriffen Dritter zu schützen. Aus alledem überwiegend linear ausgestaltet, sondern entwickelt könnte man einen – immerhin in der Industrie arti- sich in der Digitalisierung zu einer – zuweilen wirt- kulierten – Bedarf an (i) angemessenen Schutzme- schaftlich schwer realisierbaren – Wertschöpfung in chanismen für „proprietäre“ Datenbeständen und (ii) Eco-Systemen, in denen sich der Einzelne nach dem Rechtsklarheit hinsichtlich der Mittel zur Gestaltung Grad seiner Vernetzung definiert – und ebenso durch von Wertschöpfungsketten ableiten.8 andere Teilnehmer danach bewertet wird. 1.4 Schutzgut „Information“ Wer „die Daten hat“, bestimmt auch die Spielregeln, Hier wird zunächst der begriffliche und materielle nach denen sich die übrigen Nutzer und Verwerter Unterschied zwischen „Daten“ und „Information“ re- von Daten zu richten haben. Das Streben nach „Da- levant. Der einfache Datenpunkt hat keine informa- tenhoheit“ ist hier am ehesten als Wettbewerb um tionelle Aussagekraft (Beispiel: „Sensordatum 19“). Metadaten7 zu verstehen. Deren Sammlung, Zugriff Der Informationsgehalt eines Datenpunkts wird erst und Auswertung ermöglicht zum einen den zeitlichen durch die ihm zugeordneten Bestimmungsmerkma- Vorsprung bzw. den Erstzugriff auf Informationen, um le (Metadaten) und den Kontext bestimmt, in dem eigene Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle dieser Datensatz im Verhältnis zu anderen Datensät-
18 Daten als Wirtschaftsgut zen steht bzw. betrachtet werden kann. Vor diesem 1.5 Geltung von Sonderrechten Hintergrund kann man überlegen, ob der angespro- Selbstverständlich gilt dabei für sämtliche diskutierten chene Schutz- und Regelungsbedarf im Kern eher die Ansätze, dass Sonderrechte an Daten, wie sie sich auf- Daten als solche oder eher das Potenzial der in ihnen grund ihrer inhaltlichen Beschaffenheit gegebenen- verkörperten bzw. aus ihrer Auswertung beziehba- falls ergeben (Beispiel: Urheber- und Leistungsschutz- ren Informationen bezwecken sollte. Letzteres mag rechte an Musikdateien), hiervon unberührt bleiben. eine Indikation dafür sein, dass rechtlicher Schutz Kommt man zur Annahme proprietärer Rechte an auf der „passenden Ebene“ – weniger auf der Ebene „Daten als solchen“, sollen damit die bestehenden des Einzeldatums oder des einzelnen Datensatzes als Sonderrechte an dem Inhalt der Daten selbstverständ- vielmehr auf der Ebene der Kontextualität von Daten lich nicht außer Kraft gesetzt werden. Am deutlichsten – angesiedelt werden sollte. Mit anderen Worten, es wird dies, wenn man sich im Folgenden mithin „reine steht die Frage im Raum, weswegen auf den Schutz Rohdaten“ vorstellt, wie sie etwa von Sensoren im in- von Einzeldaten (sozusagen den „nackten Rohdaten“) dustriellen Umfeld erhoben werden (Beispiel: Maschi- abgestellt werden sollte, wenn die Schutzqualität sich nenmessdaten).9 möglicherweise erst aus der Kontextualität (insbe- sondere Metadaten und/oder der Verbindung mit an- Im Gegenteil sollten jene Sonderrechte und die vorlie- deren Datensätzen) und der sich daraus ableitenden gende Fragestellung gänzlich unabhängig voneinander Inhaltsebene ableitet.7 behandelt werden. Wie das Beispiel des Urheberrechts zeigt, lassen sich die hinter den Sonderrechten stecken- Daraus könnte schließen, dass ein nicht die Proprietät den Zielsetzungen nicht – jedenfalls nicht ohne Weite- von Einzeldaten definierender bzw. auf Proprietät be- res – auf die Frage der „Datenhoheit“ übertragen. Nach wusst verzichtender Ansatz, der einen generellen frei- der klassischen Lehre des „Copyright“ setzt das Urhe- en – dabei nicht notwendigerweise auch zur offenen berrecht an dem Schutz vor nicht autorisierter Verviel- Teilhabe oder dem „sharing“ verpflichtenden – Ansatz fältigung an. Da der Urheber/Autor typischerweise nicht einschließt, durchaus vereinbar ist mit Schutzmecha- über das Kapital und die unternehmerischen Mittel ver- nismen, die (erst) auf der Kontextebene bzw. der po- fügt, sein Werk selbst zu verlegen und zu vervielfältigen, tenziellen Informationsebene – mithin einschließlich will ihm das Urheberrecht eine wirtschaftliche Teilhabe der die Einzeldaten qualitativ beschreibenden Meta- an seinem Werk sichern. Wertschöpfungsketten bauen daten – ansetzen. sich hier linear auf (Autor–Verleger–Buchhändler; Kom- ponist–Musikverlag–Plattenfirma–Sender/Konzertver- Als Folge böten Regelungsansätze, die nicht (zwangs- anstalter etc.). Demgegenüber sind im Zeitalter der Di- läufig) schon auf der Datenebene ansetzen, höhere gitalisierung die direkten Kosten für Vervielfältigungen Flexibilität, um (auch) durch „shared“- oder „open“- sowie den Vertrieb von Daten und digitalen Inhalten Ansätze die Vorteile von Innovation, Skalierung und auf Grenzwertkosten von praktisch null reduziert.10 Das multilateraler Wertschöpfung zu heben. Die in Kapitel dem Urheberrecht zugrundeliegende Leitbild ist daher II kurz zusammengefassten Ansichten befassen sich nur begrenzt – oder gar nicht – geeignet, (nicht-lineare) im Kern nicht mit diesen Überlegungen. Entsprechend Wertschöpfungsketten im Zeitalter der Digitalisierung sind die nachfolgenden Ausführungen – ohne diesen zu begründen, abzubilden oder zu schützen. Querbezug – lediglich immanent zusammengefasst und kurz bewertet. 1.6 Datenschutzrechtliche Gesichtspunkte Aus datenschutzrechtlicher Sicht tritt ein weiteres Pro-
Daten als Wirtschaftsgut 19 blem hinzu, soweit Einzeldaten zugleich inhaltlich die Begründet wird die Schaffung eines (übertragbaren) Qualität personenbezogener Daten haben oder diese Ausschließlichkeitsrechts vorrangig vor dem Hinter- im Sinne der Big-Data-Wirkmechanismen erlangen grund, eine klare Zuordnung des Datennutzens zu er- können. Nach § 35 Abs. 2 S. 2 BDSG besteht der jeder- möglichen und Ersatzansprüche (z. B. Schadensersatz zeitige, grundrechtlich im allgemeinen Persönlichkeits- oder Eingriffskondiktion) eindeutig zuweisen zu kön- recht und im Recht auf informationelle Selbstbestim- nen. Obgleich abweichende vertragliche Regelungen mung verankerte Löschungsanspruch des Betroffenen. vorgenommen werden können, diene das Eigentums- Es stellt sich die Frage nach dem Wert eines – an sich recht zumindest als Ausgangspunkt für vertragliche durch Art. 14 GG im Grundrechtschutz verankerten – Regelungen und als grundsätzliche Entscheidung bei Eigentumsrechtes an Einzeldaten, wenn dieses jeder- einem Fehlen vertraglicher Regelungen.13 zeit und durch gewillkürte einseitige Erklärung eines beliebigen Dritten entzogen und zunichte gemacht Dieser aus praktischen Gründen nachvollziehbare An- werden kann. satz wirft allerdings die Frage auf, ob die für eine Analo- gie erforderliche planwidrige Regelungslücke und ver- 2. Proprietärer Ansatz gleichbare Interessenlage gegeben sind. Die Verfasser des BGB konnten zweifellos nicht einmal ahnen, dass Teile der Literatur plädieren für die Schaffung eines über 100 Jahre später die Existenz digitalisierter Daten Eigentums- bzw. eigentumsartigen Ausschließlichkeits- rechtlich diskutiert werden würde. Gleichwohl dürfte rechts an Daten, verfolgen dabei aber unterschiedliche angesichts inzwischen zahlreicher anderer Spezialvor- dogmatische Ansätze und Begründungen. Als Gründe schriften für Daten eine Planwidrigkeit zu verneinen für ein solches Recht werden insbesondere zusätzliche sein.14 Auch die Interessenlage scheint hier eine andere Anreize für Unternehmen genannt, Daten zu erheben, zu sein, denn während das Eigentumsrecht ein aus- zu speichern und zu teilen und so einen eigenen Da- schließliches Zuweisungsrecht ist, betont das Bundes- tenmarkt zu entwickeln.11 Ohne eine klare rechtliche verfassungsgericht, dass der Einzelne gerade kein Recht Zuweisung sei ein solcher Markt wenig attraktiv, weil im Sinne einer absoluten, uneingeschränkten Herrschaft Daten ihren Wert verlören, sobald sie einem Dritten über „seine“ Daten habe, sondern er vielmehr eine sich bekannt seien. innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit sei.15 2.1 Eigentumsrecht in Analogie zum Sacheigentum 2.1.1 „Datenerzeuger“ 2.1.2 § 950 BGB Einige Autoren, insbesondere Zech, wollen ein Eigen- Auch Ensthaler befürwortet eine Übernahme von Rege- tumsrecht an den Daten unmittelbar aus den Re- lungen des Sacheigentums. Ein Eigentumsrecht im Sin- gelungen zum Sacheigentum (§§ 903 S. 1, 90 BGB) ne einer allumfassenden Berechtigung gemäß § 903 S. herleiten.12 Ein solches Eigentumsrecht knüpfe an die 1 BGB bestehe allerdings nicht.16 Vielmehr lasse sich die Erzeugung von Daten durch Aufnahme bzw. Codierung Eigentumsfrage über § 950 BGB lösen: Der Bearbeiter an und solle daher dem Datenerzeuger als originär von Informationen als „Rohmaterialien“ erwerbe das Berechtigtem zustehen. Wer Datenerzeuger ist, be- Eigentum, soweit nicht der Wert der Bearbeitung gerin- stimme sich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, ger als der des Stoffes ist. Parallel zum Leistungsschutz- sodass etwa in Auftragsverhältnissen der Auftraggeber recht wird dem Bearbeiter somit kein bloßer schul- als Datenerzeuger gelte. drechtlicher Ausgleichsanspruch gegen den Eigentümer eingeräumt, sondern er wird selbst Eigentümer. Dies
20 Daten als Wirtschaftsgut sei sachgerecht, weil die Rohdaten üblicherweise erst Boesche/Rataj19 sehen eine Lösung jenseits der vertragli- durch die vorbereitende Bearbeitung wertvoll werden. chen Regelung vor, um in solchen Fällen das Dateneigen- Als Bearbeiter soll das Unternehmen gelten, das die tum zuzuordnen. Dies erfolgt in zwei Stufen: Zunächst technischen Vorrichtungen zur Erfassung und Übermitt- sollen die Daten nach ihrer Art und ihrem Nutzungszweck lung der Daten am jeweiligen Gerät anbringt.17 unterschieden werden. Handelt es sich um reine Daten über den Zustand des Endgerätes, sind die Daten eher 2.2 Eigentumsrecht in Analogie zum Strafrechtsschutz dem Hersteller zuzuordnen. Handelt es sich jedoch um Hoeren hat in einem vielbeachteten Aufsatz den Ver- Daten zum Nutzungsverhalten, so sind diese eher dem such unternommen, zumindest de lege ferenda ein Dritten (beispielsweise dem Dienstleister) zuzuordnen. Eigentumsrecht entsprechend den Wertungen der Dann soll ermittelt werden, wo der Schwerpunkt des §§ 303a, b StGB zu begründen.18 Er vertritt dabei die Skripturaktes liegt und wer die Verantwortung für die Ansicht, dass die Schutzregelung der §§ 303a, b StGB maßgebliche Handlung im Sinne des Skripturaktes hat. an dem Besitz von Aufzeichnungsgeräten und -verfah- ren ansetzt. Entsprechend soll sich aus dem „Skriptur 2.3 Nutzungen einer Sache (§ 100 BGB) akt“ ein Eigentumsrecht ableiten, das ausschließlich Im Unterschied zu den vorgenannten Ansichten halten dem „Skribenten“ zusteht. Verkürzt gesagt: Wer Daten Heun/Assion Einzeldaten zwar für rechtlich nicht aufzeichnet, darf sie behalten und andere von der eigentumsfähig. Sie wollen aber den durch die fakti- Nutzung ausschließen bzw. die Nutzung von seiner Zu- sche Verfügbarkeit der Einzeldaten bestehenden Ver- stimmung abhängig machen. mögensvorteil als „proprietär“ zuweisen, indem sie die Daten als Nutzungen des Datenträgers anerkennen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Anders als beim „Skripturakt“ stellen sie nicht auf den Schutzziele des Strafrechts tatsächlich mit denen eigentlichen Akt der Erstellung oder Erhebung der Da- eines zivilrechtlichen Eigentumsbegriffs, der ins Zen- ten, sondern auf die Sachherrschaft bzw. das Eigentum trum proprietärer Nutzung und der Begründung ent- an dem Datenträger ab, auf dem sich die Einzeldaten sprechender Wertschöpfung gesetzt werden können. befinden.20 Daraus soll sich dann – entsprechend dem Heymann sieht hier zudem – nicht ganz zu Unrecht Grundgedanken des § 100 BGB – das ausschließliche – das Risiko eines hermeneutischen Zirkelschlusses. Recht an den „Nutzungen“, nämlich den auf dem Auch in praktischer Hinsicht scheint der Ansatz des Datenträger verkörperten Daten, ableiten. Allerdings Skripturakts eher Fragen aufzuwerfen, als Antworten betonen Heun/Assion in diesem Zusammenhang, dass zu bieten: Nimmt man die in vielen Anwendungen es hierbei keine einheitliche, sondern stets nur einzel- vollständige Virtualisierung von Datenkontrolle und fallbezogene Antworten auf die Frage geben könne, Datenaufzeichnung – einschließlich entsprechender wem die Daten letztlich „gehörten“.21 Vervielfältigungen durch Dienstleister und Subun- ternehmer –, wäre zunächst jede autochthone Auf- Dieser Ansatz ist interessant und lässt doch zugleich zeichnung ein „Skripturakt“, der proprietäre Rechte an die Anfänge des Softwarerechts zurückdenken, als begründet – die dann möglicherweise erst im Wege das Recht an der Software ebenfalls in enger Bezie- vertraglicher Vereinbarungen zugunsten des ei- hung zu dem Eigentumsrecht an dem die Software gentlichen „Erst-Skribenten“ bzw. Anwenders einer verkörpernden Datenträger gesehen wurde – bis hin Cloud-Lösung wieder an diesen übertragen bzw. abge- zur Begründung der Sacheigenschaft von Software für treten werden müssten –, obwohl es sich um diesel- die Zwecke des AGB-Rechts und der Regeln des allge- ben bzw. inhaltlich voll-identische Datensätze handelt. meinen und besonderen Schuldrechts.
Daten als Wirtschaftsgut 21 Folgt man der Logik der Virtualisierung und sieht, wie jedoch losgelöst von den §§ 903 ff. BGB. Die Existenz sich die Rechtspraxis beim Softwarerecht von der Exis- eines solchen Rechts wird unterschiedlich hergeleitet: tenz eines Datenträgers zur Begründung eigenständi- Einige knüpfen an das Persönlichkeitsrecht als Ausfor- ger Rechte an der Software gelöst hat (natürlich auch mung des informationellen Selbstbestimmungsrechts infolge der Umsetzung der EU-Richtlinie 2009/24/EG an, andere leiten das Eigentumsrecht implizit aus den zum urheberrechtlichen Schutz von Computerpro- umfassenden datenschutzrechtlichen Rechten und grammen), so sollte man sich diesen „Umweg über die Befugnissen des Betroffenen ab.25 In beiden Fällen Hardware“ zur Begründung etwaiger Rechte an Daten erhalte der Betroffene eine absolute Rechtsposition sparen. Die Allmacht der Virtualisierung und verteilter gegenüber jedem Dritten, wie sie für das Eigentums- Rechenprozesse (Cloud & Co.) rückt den „Hardware- recht typisch sei. Bezug“ eher in das 20. als in das 21. Jahrhundert. 2.6 Gesetzesinitiative zum „Datengesetz“ Gleichwohl ist der Gedanke, dass Daten als Nutzungen Einen im Grundsatz proprietären Ansatz für den spezi- einer Sache einen eigenständigen Rechtsschutz genie- fischen Bereich der Fahrzeugdaten verfolgt womöglich ßen sollen – der nicht dieselbe Rechtsqualität wie ein auch das Bundesministerium für Verkehr und digitale absolutes Vollrecht an Daten als solchen erreicht –, Infrastruktur (BMVI). Ein im März 2017 vorgestelltes immerhin ein interessanter und weiter zu bedenken- Strategiepapier des BMVI26 stellt zwar fest, dass Daten der Ansatz. im Rechtssinn keine Sachen und dadurch nicht eigen- tumsfähig seien27 Daten sollen aber im Ergebnis mit 2.4 Früchte einer Sache (§ 99 BGB) Sachen gleichgestellt und dadurch eindeutig natür Ähnlich zu Heun/Assion vertritt Grosskopf22 die An- lichen oder juristischen Personen als „Eigentum“ zu sicht, dass Daten die Früchte der sie herstellenden ordenbar sein.28 Die betreffenden Verfügungsrechte Sache seien und sie mithin dem Eigentümer der Sache sollen künftig demjenigen zugewiesen werden, „auf gehören (§ 953 BGB). Damit folge das Recht an den den die Erstellung der Daten zurückgeht.“29 Früchten dem Eigentum an der Sache, aus der die Früchte entstehen. Praktische Bedeutung erlangt das Strategiepapier ins- besondere im Bereich der Mobilität, namentlich für Diesem Ansatz wird entgegengehalten, dass Früchte Fahrzeugdaten. Ein modernes Serienfahrzeug produ- nur körperliche Gegenstände sein können und Daten ziert schon heute Daten von bis zu 25 Gigabyte pro daher als Früchte ausscheiden.23 Andere Autoren sehen Stunde, etwa zum Wetter sowie zu Routen, Staus und die Daten nicht als Erzeugnis der Sache, die die Daten Risikosituationen.30 Diese Daten sollen grundsätzlich generiert, sondern als Erzeugnis der Sache oder Person, dem Halter „gehören“, der das Fahrzeug erworben hat. auf die sich die Daten beziehen.24 Die Daten gehörten Ohne (widerrufliche) Einwilligung des Betroffenen in die daher nicht notwendigerweise dem Eigentümer der Sa- Verwendung seiner personenbezogenen Daten darf laut che. Selbst wenn man die Daten als Früchte der date- BMVI eine Verarbeitung und Vernetzung der Daten aus- nerzeugenden Sache ansähe, folgt daraus nicht zugleich schließlich anonymisiert und pseudonymisiert erfolgen. die Sacheigenschaft von bzw. ein Recht an Daten. 3. Open-Data-Ansatz 2.5 Eigentumsrecht des Betroffenen Weitere Autoren befürworten ein Eigentums- oder Überwiegend wird die Eigentumsfähigkeit von Einzel jedenfalls eigentumsähnliches Recht des Betroffenen, daten abgelehnt und ein dem Freihaltebedürfnis ent-
22 Daten als Wirtschaftsgut sprechender Ansatz verfolgt. Vertreter dieser Auffas- von Daten gerecht zu werden (sei es etwa aus persön- sung sehen derzeit keine regulatorische Notwendigkeit lichkeitsrechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen), für ein solches Recht, vielmehr seien die gegenwärti- werden Rechte an Daten in unterschiedlichen Inten gen Instrumentarien sowohl aus rechtlicher 31 als auch sitätsstufen anerkannt. aus ökonomischer Sicht32 ausreichend. Insbesondere könne im Wege vertraglicher Vereinbarung ein hinrei- 3.1 Schutz der in Daten repräsentierten Information chender Schutz gewährleistet werden. Auch seien die Hoppen lehnt ein Eigentumsrecht an Daten schon aus wirtschaftlichen Auswirkungen eines Eigentumsrechts dem Grund ab, dass dessen Sicherung aufgrund der am Einzeldatum unsicher: Eine generalisierte Datenzu- fehlenden Verkörperung von Daten technisch prinzip weisung ohne Zugangs- und Teilhaberecht wirke inno- bedingt nicht umsetzbar sei.38 Im Kern gehe es dem vationshemmend, weil insbesondere Big-Data-Anwen- „Eigentümer“ von Daten ohnehin nicht um den Schutz dungen von großen Datenmengen abhingen.33 Diese der Daten als solcher, sondern um den Schutz der Auffassung folgt im Ergebnis der Einschätzung des abstrakt durch die Daten repräsentierten Informatio- Bundesverfassungsgerichts: Es betrachtet Informatio- nen bzw. des durch diese Informationen repräsentier- nen, auch soweit sie personenbezogen sind, seit dem ten Wissens.39 Daten können demnach frei zugänglich Volkszählungsurteil aus dem Jahr 1983 als ein „ein Ab- übertragen und kopiert werden, sofern ihr Inhalt nicht bild sozialer Realität […], das nicht ausschließlich dem erkennbar, also verschlüsselt ist. Hoppen schlägt vor, Betroffenen allein zugeordnet werden kann.“34 dass eine gesetzliche Regelung auf unverschlüsselte Datenbestände bzw. auf den Schutz der Eigentums- Das zentrale Argument für ein Ausschließlichkeits- rechte an Informationen und Wissen abstellen sollte.40 rechts, wonach ohne ihn die Datenverarbeitung und Entwicklung eines Datenmarkts unattraktiv sei,35 kann 3.2 Schutz mittels Schutzzielen wegen anderer Geheimhaltungsmöglichkeiten seitens Einen im Ergebnis vergleichbaren Ansatz verfolgt der Unternehmen nicht verfangen.36 Ein Ausschließ- Heymann. Er vertritt die Auffassung, dass ein eigen- lichkeitsrecht ist vielmehr überflüssig, wo das Nut- tumsrechtlicher Schutzgehalt an Einzeldaten ausdrück- zungsrecht (wie bei Daten) nicht-rival ist.37 lich weder wünschenswert ist noch die Zuordnungs- und Kontrollfragen überhaupt lösen könne.41 Dagegen Um dabei dem Interesse an einem wirksamen Schutz stellt er überzeugend heraus, dass es kein Eigentums
Daten als Wirtschaftsgut 23 recht an Daten geben darf. Vielmehr solle ein an den §§ 87a ff. UrhG geschützt würden, gelte für das Schutzzielen orientiertes Konzept der ordnungsgemä- Zuweisungsrecht an Daten weiterhin das Prinzip, nach ßen Datenverarbeitung angestrebt werden, um u. a. dem derjenige ein Ausschließlichkeitsrecht über etwas die Vertraulichkeit, Integrität, „Intervenierbarkeit“ und erlangt, der wesentlich in die Beschaffung etc. des Be- Portabilität von Daten zu sichern.42 Im Ergebnis lehnt troffenen investiert.52 Specht/Rohmer wollen dabei er angesichts der Diversität der betroffenen Daten zwischen personenbezogenen und nicht personenbezo- eine generalisierende Lösung ab.43 genen Daten unterscheiden, sie räumen aber ein, dass die Trennung im Einzelfall nur schwer möglich ist.53 3.3 Schutz durch Flexibilität der Privatautonomie Eine generalisierende „statisch“ zuordnende Lösung 3.5 Erweiterung des Eigentumsbegriffs lehnt Sahl ebenfalls ab.44 Er empfiehlt stattdessen den In eine ähnliche Richtung äußern sich Schwartmann/ Abschluss individueller Datennutzungsverträge. Diese Hentsch, die das UrhG ebenfalls als Vorbild für ein enthielten zwar durchaus Schwächen, insbesondere in neues Datenverwertungsrecht bewerten.54 Dafür wol- der Drittabwehr,45 seien aber aufgrund ihrer höheren len sie Daten zunächst kategorisieren, damit abgestufte Flexibilität geeigneter, um der „dynamischen Entwick- Schutzkonzepte angewandt werden können. Zudem lung“ der digitalen Märkte und Geschäftsmodelle so- schlagen sie vor, dass der Gesetzgeber den Eigentums- wie den Anforderungen des Einzelfalls gerecht zu wer- begriff des Art. 14 Abs. 1 GG auch auf „Unkörperli- den.46 Sofern einige grundlegende Aspekte für jeden ches“ erstreckt.55 Datennutzungsvertrag eingehalten würden, sei eine allgemeine gesetzliche Regelung dadurch verzichtbar.47 3.6 Datenschutzrechtlicher Löschungsanspruch vs. Hier stelle sich vor allem die Frage, zu wessen Gunsten Eigentumsrecht überhaupt entschieden werden sollte, im Sinne einer Wie einleitend erläutert,56 tritt ein datenschutzrecht- „One size fits all“-Lösung.48 Eine gesetzliche Lösung liches Problem hinzu, das gegen die Annahme eines würde zwangsläufig einen Beteiligten bevorzugen, was Eigentumsrechts an Einzeldaten sprechen dürfte bzw. der Vielzahl unterschiedlicher Fall- und Interessenkon- kaum mit besagten Konstruktionen in Übereinstim- stellationen kaum gerecht würde.49 mung zu bringen ist: Soweit Einzeldaten zugleich in- haltlich die Qualität personenbezogener Daten haben Den Nutzen einer solchen Lösung stellt Ensthaler in oder ihnen diese z. B. in Kombination mit anderen Da- Frage: Bei einer vertraglichen Regelung sei noch nicht tensätzen und der daraus erzeugten Personenbezieh- die Frage beantwortet, wem die Daten ursprünglich barkeit anwächst, besteht der jederzeitige, grundrecht- zugeordnet sind, wem sie also gehören.50 Es werde nur lich im allgemeinen Persönlichkeitsrecht und im Recht derjenige überhaupt eine Gegenleistung erbringen, auf informationelle Selbstbestimmung verankerte Lö- der etwas erhält, was ihm vorher nicht gehörte. Die schungsanspruch des Betroffenen. Was wäre das aber Frage der Zuordnung sei daher losgelöst von vertrag für ein – an sich durch Art. 14 GG im Grundrechtschutz lichen Gestaltungsmöglichkeiten zu beantworten. verankertes – Eigentumsrecht an Einzeldaten, wenn es mit einem dauerhaften Konflikt mit der jederzeitigen, 3.4 Übertragbares Ausschließlichkeitsrecht des wirt- privat-autonom bzw. in Art. 2 Abs. 1 G G (Recht auf in- schaftlich verantwortlichen Datenerzeugers formationelle Selbstbestimmung) gründenden Auflö- Specht/Rohmer befürworten ein am Investitions- sung durch Ausübung des datenschutzrechtlichen Lö- schutz der § 87a ff. UrhG orientiertes Ausschließlich- schungsanspruchs behaftet wäre. Ein Wesensmerkmal keitsrecht.51 Obwohl einzelne Daten gerade nicht von des Eigentums – seine zeitlich unbefristete Geltung –
24 Daten als Wirtschaftsgut wäre damit im Grunde schon von Beginn an mit einer beschaffung, aber vergleichsweise wenig in die Sys- „schwebenden Entziehbarkeit“ durch beliebige Dritte tematik der Datenbank als solche investiert,61 kann behaftet und im Kern entwertet.57 aufgrund des subsidiären Verhältnisses des Wettbe- werbsrechts zum RDB in diesem Fall der wettbewerbs- III. Rechte an Datensammlungen – rechtliche Leistungsschutz greifen.62 Recht des Datenbankherstellers 1.2 Reichweite des Schutzes Da sich nach hiesiger Auffassung mit den Mitteln des Die gesetzliche Definition unterstreicht, dass dem Zivilrechts kein Eigentumsschutz für einzelne Daten- Datenbankbegriff ein äußerst weites Verständnis zu- sätze herleiten lassen kann und soll, liegt der Schlüs- grunde liegt. Der Rechtsschutz hängt – anders als vor sel für die Gestaltung von Datentransaktionen in den Einführung der DatenbankRL 96/9/EG, die die §§ 87a Rechten des Datenbankherstellers. Daher werden in ff. UrhG umsetzten – weder von einer festgelegten der nachfolgenden Betrachtung die einzelnen Tatbe- (z. B. elektronischen) Form ab,63 noch bedarf er ei- standskomponenten dieses Rechts näher beleuchtet ner bestimmten Anzahl von Daten oder Elementen.64 und auf etwaigen Ergänzungsbedarf hingewiesen. Damit ist nicht allein die „schöpferische“ Datenbank geschützt, bei der die Auswahl oder Anordnung des 1. Voraussetzungen der §§ 87a ff. UrhG Stoffs innerhalb der Datenbank eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers darstellen,65 sondern viel- 1.1 Begriffsbestimmungen mehr besteht ein Datenbankschutzrecht sui generis, § 87a Abs. 1 UrhG beschreibt die Datenbank als eine das wesentliche Investitionen in die Beschaffung, Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhän- Überprüfung oder Darstellung des Datenbankinhalts gigen Elementen, die systematisch oder methodisch schützt. Das RDB beschreibt also im Kern die Schutz- angeordnet sowie einzeln mit Hilfe elektronischer Mit- fähigkeit der Investition in eine Ordnungsstruktur zur tel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren elektronischen Auslese von Datensätzen, nicht aber Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach die Schutzfähigkeit der einzelnen Daten als solche.66 Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert. Die Schutzfähigkeit dieser Ordnungsstruktur zielt ent- Dabei gelten (wirtschaftliche) Aufwendungen zur Be- sprechend auf die Kontextualität von Datensätzen, schaffung der Daten (beispielsweise Installation, dagegen nicht notwendigerweise auf den Inhalt des Entwicklung oder Betrieb von Sensortechnik) nach Einzeldatums ab. Dass es hier Berührungen, Verdich- ständiger Rechtsprechung jedoch nicht als Investitio tungen und eine Nähebeziehung zum Inhalt von Ein- nen im Sinne des § 87a Abs. 1 UrhG.58 Lediglich direkte zeldaten bzw. einer parametrisierbaren Gesamtheit Investitionen in die Datenbank werden erfasst.59 Her- von Einzeldaten gibt oder geben kann, liegt in der steller einer Datenbank ist derjenige, der die Investi- Natur der Sache. Als Konsequenz beschränkt sich der tion im genannten Sinne vorgenommen hat. Er muss Schutzbereich der §§ 87a ff. UrhG auf Investitionen in daher nicht unmittelbar selbst an der Herstellung der vorhandene Daten und deren Sammlung bzw. Ein- Datenbank beteiligt sein, entscheidend ist vielmehr, ordnung.67 Der Schutz klammert daher solche Inves- wer das wirtschaftliche Risiko trägt, das mit dem Auf- titionen aus, die eingesetzt werden, um die Daten zu bau und Erhalt einer Datenbank zusammenhängt.60 erzeugen, aus denen der Inhalt einer Datenbank be- Sofern sich die Tätigkeiten des Datenbankherstellers steht. Erst noch zu generierende Daten sind von den nicht unter den Investitionsbegriff einordnen lassen, Vorschriften nicht umfasst. obgleich der Datenbankhersteller viel in die Daten-
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