Daten als Wirtschaftsgut - Europäische Datenökonomie oder Rechte an Daten? - Digitale Technologien

Die Seite wird erstellt Damian May
 
WEITER LESEN
Daten als Wirtschaftsgut - Europäische Datenökonomie oder Rechte an Daten? - Digitale Technologien
Daten als Wirtschaftsgut

Europäische Datenökonomie oder Rechte an Daten?
Daten als Wirtschaftsgut - Europäische Datenökonomie oder Rechte an Daten? - Digitale Technologien
2                                                            Daten als Wirtschaftsgut

    Impressum

    Herausgeber
    Smart-Data-Begleitforschung
    FZI Forschungszentrum Informatik
    Außenstelle Berlin
    Friedrichstr. 60, 10117 Berlin
    www.smart-data-programm.de

    Redaktion und Konzeption
    Fachgruppe Rechtsrahmen der Smart-Data-Begleitfor-
    schung

    Schlussredaktion und Gestaltung
    LoeschHundLiepold Kommunikation GmbH

    Stand
    September 2017

    Druck
    WIRmachenDRUCK, Backnang

    Bildnachweis
    sdecoret – Fotolia.com (Titel), Nataliya Hora –
    Fotolia.com (S. 9), xiaoliangge – Fotolia.com (S. 10),
    75tiks – Fotolia.com (S. 11), Gorodenkoff –
    Fotolia.com, (S. 12), nd3000 – Fotolia.com (S. 17),
    alphaspirit – Fotolia.com (S. 22), Björn Wylezich –
    Fotolia.com (S. 40), Olivier Le Moal – Fotolia.com
    (S. 41), by-studio – Fotolia.com (S. 42)
Daten als Wirtschaftsgut - Europäische Datenökonomie oder Rechte an Daten? - Digitale Technologien
Daten als Wirtschaftsgut                                                                                                                                                                                                                                                      3

Inhalt

Vorwort. .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 5

Fünf Forderungen zur europäischen Datenökonomie .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 7
   Forderung 1: Der Zugang zu anonymen, von Maschinen erzeugten Daten sollte verbessert werden. . . . . . . . . 8
   Forderung 2: Entwicklung technischer Lösungen für zuverlässige Identifizierung und
   Datenaustausch fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
   Forderung 3: Künftige Lösungen sollten Lock-in-Effekte minimieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
   Forderung 4: Recht auf Zugang zu Daten im öffentlichen Interesse oder für wissenschaftliche Zwecke . . . . . 12
   Forderung 5: Schaffung eines diskriminierungsfreien Rechtsrahmens für Text und Data Mining sowie
   Webcrawling. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Analyse der aktuellen Diskussion um das „Recht an Daten“ .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 15
  „Datenhoheit und Recht des Datenbankherstellers“ – Recht am Einzeldatum vs. Rechte
  an Datensammlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
  Datengewinnung und Schaffung einer europäischen Datenökonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
  Text und Data Mining im Kontext von Smart Data – eine wirtschaftliche Perspektive. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Daten als Wirtschaftsgut: .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 37
   Kurzüberblick über den Rechtsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
   Urheberrechtlich geschützte Werke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
   Datenbankwerke (§ 4 UrhG). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
   Datenbankherstellerrecht sui generis111 (§ 87a UrhG). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
   Presseverlegerleistungsschutzrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
   Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
   Strafbarkeit des Abfangens und Ausspähens von Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

Über die Autoren.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 43

Fußnoten .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 47
Daten als Wirtschaftsgut - Europäische Datenökonomie oder Rechte an Daten? - Digitale Technologien
4
Daten als Wirtschaftsgut - Europäische Datenökonomie oder Rechte an Daten? - Digitale Technologien
Daten als Wirtschaftsgut                                                                                             5

Vorwort

                                                          wir fünf Thesen, die in der Fachgruppe abgestimmt
                                                          wurden.

                                                          Wir bedanken uns ganz herzlich bei unseren A  ­ utoren
                                                          Herrn Dr. Alexander Duisberg und Herrn Bunk, die
                                                          ­diese Publikation mit fundierten wissenschaftlichen In-
                                                           halten und wertvollen Erfahrungen unterstützt haben.
                                                           Im ersten Beitrag wird der aktuelle Meinungsstand der
                                                           juristischen Diskussion aufbereitet und der bestehen-
                                                          de Schutzrahmen von Datensammlungen im Urheber-
Eine ökonomische Betrachtung von Daten als einem          und Wettbewerbsrecht skizziert. Der zweite Beitrag
der zentralen Wirtschaftsgüter im Kontext von Big         widmet sich der im Kontext von Smart Data relevanten
Data, Industrie 4.0 oder des Internets der Dinge stellt   Technik des Text und Data Minings und deren Konflikt
die Rechtsordnung vor große Herausforderungen, die        mit dem Urheberrecht.
mit der Einleitung eines Konsultationsprozesses zur
Schaffung einer „europäischen Datenökonomie“ durch        Im Abspann finden Sie Kurzerläuterungen zu den we-
die EU-Kommission nun zunehmend auch in der eu-           sentlichen Begrifflichkeiten und Aspekten des Rechts-
ropäischen Dimension an Bedeutung gewinnt. Sollten        rahmens in Bezug auf „Daten als Wirtschaftsgut“.
Informationen grundsätzlich frei verfügbares Gemein-      Nicht personenbezogene Daten befinden sich keines-
gut sein – zumindest solange nicht das Datenschutz-       falls in einem rechtsfreien Raum. Auch abseits des
recht, Urheberrechte bzw. der Schutz der Datenbank-       im Rahmen des Entstehungsprozesses der kommen-
hersteller sui generis, der Schutz als Betriebs- oder     den Datenschutz-Grundverordnung viel diskutierten
Geschäftsgeheimnis oder Strafrechtsnormen einem           Datenschutzrechts finden sich wichtige Rechtsfra-
freien Zugang entgegenstehen? Kann die Schaffung          gen, die die Nutzung von Daten beeinflussen können.
eines über die bereits bestehenden Rechte hinaus-         So können Daten als Bestandteil einer schutzfähigen
gehenden allgemeinen „Rechts am Datum“ Impulse            Datenbank, eines Text- oder Bildwerkes sowie eines
für die zukünftige Ausgestaltung der Datenökonomie        Presseerzeugnisses nur mit Zustimmung des jeweili-
generieren? Oder werden sich vielmehr die typischen       gen Urhebers bzw. Herstellers nutzbar sein. Daneben
Rechtsfolgen von Ausschließlichkeitsrechten als we-       können Daten als Betriebs- und Geschäftsgeheim-
nig zielführend erweisen? Wie könnten – aus unserer       nis rechtlich geschützt sein. Erwähnung finden sollte
Perspektive vorzugswürdig – die Ausgestaltung von         ebenfalls die Strafbarkeit des Abfangens und Ausspä-
wettbewerblichen Zugangsansprüchen zu Daten und           hens von Daten.
Plattformen sowie diese ergänzenden vertraglichen
Regelungen ein kohärentes gesetzliches Gesamtbild
unter Einbeziehung von Datenschutzaspekten bilden?
                                                          PD Dr. Oliver Raabe und Manuela Wagner
In der Fachgruppe Rechtsrahmen wurde diese Thema-         Begleitforschung des Technologieprogramms
tik intensiv diskutiert. Als Zwischenfazit präsentieren   „Smart Data – Innovation aus Daten“
Daten als Wirtschaftsgut - Europäische Datenökonomie oder Rechte an Daten? - Digitale Technologien
6
Daten als Wirtschaftsgut - Europäische Datenökonomie oder Rechte an Daten? - Digitale Technologien
7

Fünf Forderungen zur
europäischen Datenökonomie
Die Fachgruppe Rechtsrahmen der Begleitforschung des Technologieprogramms „Smart Data – Innovationen aus
Daten“ besteht aus Vertretern der 16 Leuchtturmprojekte des Technologieprogramms sowie Expertinnen und
Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Im Rahmen von regelmäßigen Fachgruppenworkshops disku-
tierten die Expertinnen und Experten über die Schaffung einer europäischen Datenökonomie und formulierten
fünf zentrale Forderungen.
Daten als Wirtschaftsgut - Europäische Datenökonomie oder Rechte an Daten? - Digitale Technologien
8                                                                                             Daten als Wirtschaftsgut

    Forderung 1: Der Zugang zu anonymen, von Maschinen
    erzeugten Daten sollte verbessert werden

    Die EU-Kommission startete dieses Jahr den Konsul­        Eigentümer oder Besitzer des Gerätes hätte da-
    tationsprozess zu der Frage, wie eine europäische         durch das Recht, nicht personenbezogene Daten zu
    Datenökonomie geschaffen werden kann.1 Zentrales          nutzen und anderen deren Nutzung zu gestatten
    Thema ist die Verbesserung des grenzüberschreiten-        oder sie von der Nutzung auszuschließen
    den Datenaustauschs. Auf Basis der in den Pilotpro-       Schaffung von Zugangsrechten gegen Entgelt
    jekten gewonnenen Erkenntnisse stimmt die Mehrheit
    der Teilnehmer der Fachgruppe Rechtsrahmen in der       Die Mehrheit der Teilnehmer der Fachgruppe Rechts-
    Smart-Data-Begleitforschung dem von der EU-Kom-         rahmen sieht Potenzial in der Förderung technischer
    mission postulierten Ziel zu, dass eine Verbesserung    Lösungen und der Schaffung von Zugangsrechten im
    des Zugangs zu anonymen Daten sinnvoll ist:             öffentlichen Interesse und für Forschungszwecke. Dem
       „Indem von Maschinen generierte Daten geteilt,       Konzept eines Eigentumsrechts an Daten stehen die
       wiederverwendet und aggregiert werden, können        Mitglieder der Fachgruppe eher ablehnend gegen-
       sie Wertschöpfung begründen, werden zu Innova-       über. Es sollte kritisch hinterfragt werden, ob der Da-
       tionsquellen und ermöglichen unterschiedlichste      tenzugang durch eine eigentümerähnliche Rechtsstel-
       Geschäftsmodelle.“                                   lung des „Datenproduzenten“ tatsächlich befördert
                                                            werden kann oder ob diese nicht vielmehr die Gefahr
    Die EU-Kommission definiert dabei von Maschinen ge-     steigender Transaktionskosten und einer Verstärkung
    nerierte Daten folgendermaßen:                          von Lock-in-Effekten in sich birgt. Ein (ausschließliches)
      „Daten werden von Maschinen ohne den unmittel­        Dateneigentum wäre auch mit Blick auf die Meinungs-
      baren Eingriff eines Menschen im Rahmen von           und Informationsfreiheit problematisch und könnte zu
      Computerprozessen, Anwendungen oder Diensten          ungewollten Informationsmonopolen führen. Zudem
      oder auch durch Sensoren erzeugt, die Informatio­     sind diverse Abgrenzungsfragen zu befürchten. Da
      nen von virtuellen oder realen Geräten oder Ma-       Daten in der Regel durch Interaktion von Maschinen
      schinen oder von einer Software erhalten.”            mit Menschen, anderen Maschinen oder ihrer Umwelt
                                                            entstehen, dürften sich Herausforderungen bei der Zu-
    Als potenzielle Lösungsmöglichkeiten zur Schaffung      ordnung zu einem einzigen „Erzeuger“ ergeben. Per-
    von Anreizen, Daten zu teilen und damit den Zugang      sonenbezug könnte gegeben sein, sobald Daten auch
    zu anonymen, von Maschinen erzeugten Daten zu ver-      Rückschlüsse auf identifizierbare natürliche Personen
    bessern, schlägt die Kommission folgende Ansätze vor:   zulassen, sodass Überschneidungen mit dem Daten-
       Erstellung von EU-Leitfäden zur Rechtslage in den    schutzrecht absehbar sind.
       Mitgliedstaaten
       Förderung der Entwicklung technischer Lösungen       Die größte Herausforderung dürfte daher darin liegen,
       für die zuverlässige Identifizierung und den Aus-    eine rechtliche Basis für Datenzugang unter nicht dis-
       tausch von Daten                                     kriminierenden Konditionen zu gewährleisten. Inso-
       Standardvertragsklauseln für den (rechtssicheren)    weit könnten wettbewerbsrechtliche Mechanismen
       Austausch von Daten                                  erforderlich sein, um Anreize für einen unternehmens-
       Schaffung eines Rechts auf Zugang zu nicht perso-    und grenzüberschreitenden Datenaustausch zu schaf-
       nenbezogenen Daten im öffentlichen Interesse oder    fen. Die Standardisierung und Herstellung von Inter­
       für wissenschaftliche Zwecke                         operabilität dürften technische Grundvoraussetzungen
       Schaffung eines Rechts des „Datenerzeugers“: Der     für einen funktionierenden Datenaustausch bilden.
Daten als Wirtschaftsgut - Europäische Datenökonomie oder Rechte an Daten? - Digitale Technologien
Daten als Wirtschaftsgut                                                                                           9

Einige Smart-Data-Projekte verfolgen das Ziel, offene      Die Smart-Data-Begleitforschung engagiert sich in
Plattformen für den unternehmensübergreifenden Da-         der Förderung eines kulturellen Wandels hin zur
tenaustausch zu realisieren. Herausforderungen, die        Open-Data-Ökonomie für eine smarte Gesellschaft.2
sich u. a. dabei stellen, sind die Interessen der Unter-   Der Begriff „Open Data“ steht für technische und
nehmen, ihre Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu         rechtliche Offenheit, d. h., Datensätze müssen in ei-
schützen und keine personenbezogenen Daten ohne            nem maschinenlesbaren und standardisierten Format
Legitimationsgrundlage herauszugeben. Die Entwick-         vorliegen und frei von rechtlichen Beschränkungen
lung intelligenter Filtermechanismen, Anonymisie-          nutzbar sein (d. h. allgemein zugänglichen bzw. nicht
rungswerkzeuge sowie Konzepte der Datennutzungs-           unverhältnismäßig einschränkenden Lizenzbestim-
kontrolle könnten Lösungen bieten.                         mungen unterliegen).
Daten als Wirtschaftsgut - Europäische Datenökonomie oder Rechte an Daten? - Digitale Technologien
10                                                                                              Daten als Wirtschaftsgut

     Forderung 2: Entwicklung technischer Lösungen für
     zuverlässige Identifizierung und Datenaustausch fördern

     Da Daten grundsätzlich uneingeschränkt reproduzier-        hier Lösungsoptionen. Um Vertrauen in das System zu
     bar sind, kann eine echte Kontrolle der Verwendung         schaffen und Aussagen über die Datenqualität zu ge-
     bereitgestellter Daten nur mit technischen Lösungen        statten, kann es auch notwendig werden, zuverlässige
     zur Nachvollziehbarkeit, Rückverfolgbarkeit und Iden­      und möglichst genormte Protokolle für die durchgehen-
     tifizierung der Datenquellen ermöglicht werden. Sowohl     de Identifizierung von Datenquellen festzulegen.
     Lizenzmodelle als auch Open-Data-Konzepte erfordern
     zunächst standardisierte, genormte Protokolle, Schnitt-    Offene, genormte und gut dokumentierte Program-
     stellen und Datenformate. Oft sind Daten nicht frei        mierschnittstellen (API) können den Aufbau eines
     von Lizenzbestimmungen oder technischen Einschrän-         Ökosystems der Anwendungs- und Algorithmenent-
     kungen verfügbar. Wenn Daten in unterschied­licher         wicklung fördern und so den Zugang zu Daten, die sich
     Granularität und verschiedenen Formaten vorliegen          in der Hand von Unternehmen oder Behörden befin-
     oder bereits vorinterpretiert sind, erschwert gerade die   den, vermitteln. Um sicherzustellen, dass der Zugang
     Fragmentierung deutschlandweite Analysen. Die Ent-         datenschutzkonform ist, sollte die Entwicklung von
     wicklung von Datentreuhänder-Konzepten sowie die           Anonymisierungswerkzeugen und -prüfverfahren un-
     Standardisierung maschinenlesbarer, freier Formate,        terstützt durch technische Leitfäden parallel gefördert
     insbesondere bei Daten der öffentlichen Hand, wären        werden.
Daten als Wirtschaftsgut                                                                                             11

Forderung 3: Künftige Lösungen sollten Lock-in-Effekte
minimieren

Ein Lock-in-Effekt kann vorliegen, wenn die Höhe der      schwellen müssen dem Wandel hin zu mehrseitigen,
zu erwartenden Wechselkosten einem Anbieterwech-          datenbasierten Märkten angepasst werden.
sel entgegenstehen. Derartige Wechselbarrieren kön-
nen einerseits bewusst zur Kundenbindung eingesetzt       Die 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbe-
werden, andererseits Markteintrittshemmnisse für          schränkungen, die am 9. Juni 2017 in Kraft getreten
kleinere neue Mitbewerber schaffen.                       ist, verfolgt das Ziel, ein modernes Wettbewerbs-
                                                          recht im Zeitalter der Digitalisierung zu erreichen. Die
Bei der Etablierung einer europäischen Datenökono­        Reform soll vor allem auf Daten basierende Netz-
mie sollten die divergierenden Verhandlungspositio­       werk- und Skaleneffekte adressieren, die zu Markt-
nen von marktmächtigen und weniger marktmäch­-            konzentration führen können, sowie den Zugang zu
­tigen Unternehmen sowie Privatpersonenberücksich-        wettbewerbsrelevanten Daten besser berücksichtigen.
 tigt werden. Vor allem für kleine und mittelständische   Dadurch sollen die Kartellbehörden im Rahmen ihrer
 Unternehmen, Start-ups und Privatpersonen sollten        Missbrauchsaufsicht die Marktstellung eines Unter-
 Lock-in-Effekte vermieden werden.                        nehmens besser, da nicht nur auf Basis von Geldflüs-
                                                          sen, beurteilen können und damit den sich verändern-
Sowohl das europäische als auch das deutsche Wett-        den internetbasierten Angeboten Rechnung tragen.
bewerbsrecht sind derzeit grundsätzlich erst dann
einschlägig, wenn der Missbrauch einer marktbeherr-       Einen weiteren Diskussionspunkt bildet die Frage, ob es
schenden bzw. marktmächtigen Stellung feststellbar        ein allgemeines Recht auf Datenportabilität, vergleich-
ist. Die hierbei relevanten Fragen der Marktabgren-       bar mit Art. 20 der Datenschutz-Grundverordnung
zung, der Marktkonzentration und der Missbrauchs-         („Recht auf Datenübertragbarkeit“), geben sollte.
12                                                                                               Daten als Wirtschaftsgut

     Forderung 4: Recht auf Zugang zu Daten im öffentlichen
     Interesse oder für wissenschaftliche Zwecke

     Forschung im Bereich „Smart Data“ basiert häufig auf        nen und anonymen Daten oft fließend ist und sich
     nicht personenbezogenen Daten aus dem Unterneh-             im Laufe der Zeit durch hinzutretendes Zusatzwissen
     menskontext, zu denen Forscher Zugang benötigen,            oder die Verbesserung von Analysemethoden ver-
     um datenbasiert innovationssteigernde neue Erkennt-         ändern kann. Ein (wettbewerbsrechtliches) Zugangs-
     nisse zu generieren. Ebenso kann die Funktionsfähig-        recht sollte daher die widerstreitenden Interessen in
     keit des öffentlichen Sektors durch die Analyse statisti-   Ausgleich bringen und dabei den Fokus auf einen nicht
     scher Daten verbessert werden. Würde beispielsweise         diskriminierenden Zugang sowie Interoperabilität rich-
     Statistikämtern Zugang zu Geschäftsdaten gewährt,           ten. Dies sollte kohärent mit der kommenden Daten-
     könnte der Aufwand für Wirtschaftsteilnehmer verrin-        schutz-Grundverordnung etabliert werden.
     gert werden, gegebenenfalls bestehenden Berichts-
     pflichten nachzukommen. Die dadurch ermöglichte             Daneben muss das Interesse der Unternehmen, ihre
     Infrastrukturoptimierung könnte sich wiederum insge-        Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu bewahren,
     samt positiv auf den Wirtschaftsstandort auswirken.         berücksichtigt werden. Anonymisierungsmethoden
                                                                 könnten hier z. B. neben dem Schutz personenbezo-
     Bei der Schaffung eines Zugangsrechts muss selbst­          gener Daten auch dazu eingesetzt werden, um den
     verständlich der Problematik Rechnung getragen wer-         Unternehmens­bezug aus einem Datensatz zu ent­
     den, dass die Abgrenzung zwischen personenbezoge­           fernen.
Daten als Wirtschaftsgut                                                                                               13

Forderung 5: Schaffung eines diskriminierungsfreien
Rechtsrahmens für Text und Data Mining sowie
Webcrawling

Im Vorschlag für eine Richtlinie über das Urheberrecht     Umstritten ist, ob die reine Informationsextraktion
im digitalen Binnenmarkt3 definiert die EU-Kommission      durch Text und Data Mining überhaupt eine lizenz-
Text und Data Mining als                                   pflichtige Nutzungshandlung darstellen sollte. Die Er-
  „eine Technik für die automatisierte Auswertung          schließung von neuem Wissen auf Grundlage verfüg-
  von Texten und Daten in digitaler Form, mit deren        barer Daten im World Wide Web kann als ein neues
  Hilfe beispielsweise Erkenntnisse über Muster,           Geschäftsmodell der Datenveredelung verstanden
  Trends und Korrelationen gewonnen werden                 werden. Hierbei stellt sich die grundsätzliche Frage, ob
  können“.                                                 Urheber bzw. Informationsaggregatoren wie Presse­
                                                           verlage an der Wertschöpfung durch sogenannte
Der Begriff „Webcrawling“ steht für die automatisierte     Datenveredler beteiligt werden sollten. Auf der einen
Auswertung von Onlinequellen des World Wide Web,           Seite steht die Vorstellung von Datenwertschöpfungs-
wobei in der Regel Text- und Data-Mining-Technolo­         ketten, die auf lizenzbasierten Geschäftsmodellen ba-
gien zum Einsatz kommen.                                   sieren. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass
                                                           ein exklusiver Schutz den gesellschaftlichen Austausch
Aufgrund von Urheberrecht, Datenbankschutz sui ge-         und Fortschritt behindern und zur Monopolisierung
neris, Lichtbild- und Presseverlegerleistungsschutz-       von Informationen führen könnte. Die Frage, ob Infor-
recht dürfen Rechteinhaber Webcrawlern das Text            mationen als solche daher gemeinfrei bleiben sollten,
und Data Mining auf geschützten Daten ausschließen         stellt sich somit auch in diesem Zusammenhang, wie
oder eine Lizenzgebühr verlangen, soweit das Text/         auch in der Debatte um die Relevanz eines „Daten­
Data Mining technisch eine (permanente) Zwischen­          eigentums“.
kopie und damit eine Vervielfältigungshandlung oder
Veröffentlichung von Originaldaten (z. B. Snippets)        Die zentrale Schlüsselfrage ist daher, wie die rechtliche
erfordert. Da die Lizenzerteilung grundsätzlich der Dis­   Regulierung im Bereich „Smart Data“ effektiv Diskri-
positionsfreiheit privatautonomer Marktteilnehmer          minierungsfreiheit herstellen kann. Diese Problematik
unterliegt, besteht unterhalb der wettbewerbs- und         würde sich nicht stellen, wenn eine generelle Erlaubnis
kartellrechtlichen Missbrauchstatbestände kein Kon-        für Text und Data Mining (eine sogenannte Schranke)
trahierungszwang. Große Marktteilnehmer (wie die           ausschließlich zur Informationsextraktion erfolgende
Suchmaschine „Google“) erhalten insofern oft bessere       Vervielfältigungen zustimmungsfrei ermöglichen wür-
Konditionen (unter Umständen Gratislizenzen), da z. B.     de. Alternativ müssten wettbewerbsrechtliche Mecha-
Verlage auf die Indexierung angewiesen sind, wodurch       nismen etabliert werden, um die Gewährung des Zu-
weniger marktmächtige Anbieter diskriminiert werden.       gangs zu Informationen unter diskriminierungsfreien
Daneben besteht die Gefahr, dass Verlage Exklusivver-      Konditionen festzuschreiben.
träge einfordern (bzw. die Garantie, dass mit bestimm-
ten Konkurrenten keine vergleichbaren Lizenzverein-
barungen getroffen werden) und damit zum Nachteil
der Webcrawler Konkurrenzverhältnisse auf Sekundär-
märkte verlagern.
14
15

Analyse der aktuellen Diskussion
um das „Recht an Daten“
Entscheidend für die Schaffung einer europäischen Datenökonomie ist der Zugang zu und die Nutzbarkeit von
nicht-personenbezogenen Daten. Die aktuelle juristische Debatte dreht sich diesbezüglich um die Schaffung ei-
nes „Dateneigentums“ mit dem Ziel, die Verkehrsfähigkeit von Daten zu erhöhen. Zu bedenken sind jedoch, dass
ein Dateneigentum eine eindeutige Zuordnung eines Datums zu einem Eigentümer bzw. einer Eigentümerin
sowie eine klare Abgrenzung zwischen Daten mit und ohne Personenbezug impliziert. Die Schaffung eines Aus-
schließlichkeitsrechts könnte somit einige Abgrenzungsschwierigkeiten und unbedachte Rechtsfolgen mit sich
bringen.

Der folgende Beitrag befasst sich mit der juristischen Herleitung eines solchen Rechts am Einzeldatum und den
damit einhergehenden Konsequenzen. Daneben setzt er dieses Konzept in Bezug zu bereits bestehenden Rech-
ten an Datensammlungen, nämlich dem Recht des Datenbankherstellers. Das Ergebnis dieser Betrachtung zeigt,
dass durch die Schaffung eines Rechts am Einzeldatum keine sachgerechte Lösung zu erwarten ist.
16                                                                                              Daten als Wirtschaftsgut

     „Datenhoheit und Recht des Datenbankherstellers“ –
     Recht am Einzeldatum vs. Rechte an Datensammlungen
     Dr. Alexander Duisberg, Bird & Bird LLP*

     I. Zielsetzung und Kontext                                scher Natur und kann nicht durch eine rein juristische
                                                               Betrachtung abschließend geklärt werden. Vorrangig
     Mit diesem Arbeitspapier sollen die rechtlichen Vor­      gilt es dabei, die Weichen in Richtung einer möglichst
     aussetzungen und Parameter zur transaktionalen            offenen, innovationsorientierten Rechtskultur zu stel-
     Handhabe von Daten als Wirtschaftsgut de lege lata        len und zu fragen, ob mögliche Ausschließlichkeits-
     und de lege ferenda beschrieben werden. Die Thema-        rechte an Daten hier innovationshindernd wirken wür-
     tik spielt sich auf zwei Betrachtungsebenen ab: Die       den.4 So, wie in der Welt der Softwareentwicklung und
     eine betrifft die Frage einer rechtlichen Zuordnung       -anwendungen der Open-Source-Ansatz eine entschei-
     und Verfügungsbefugnis in Bezug auf das Einzelda-         dende Rolle für die Innovationskraft, die Skalierung
     tum, die andere betrifft Verfügungsbefugnisse über,       und das Wachstum ganzer Ökosysteme spielt (siehe
     Zugang zu und den Umgang mit Datensammlungen.             etwa den Siegeszug der App-Ökonomie), kann man
     Hierzu wird in einem ersten Schritt der Stand der Dis-    sich – zumindest theoretisch – ebenso gut vorstellen,
     kussion um die Frage der „Datenhoheit“ als solcher        dass ein „open“- bzw. „shared“-Ansatz den maßgeb-
     (der häufig anzutreffende Begriff „Dateneigentum“ soll    lichen Schlüssel zum Erfolg bestimmter Modelle in
     als juristisch irreführend bewusst vermieden werden)      der sich aufbauenden Datenökonomie darstellt. Nicht
     dargestellt (unter II.). Im Anschluss folgen Überlegun-   zuletzt die Begründungserwägungen zur Reform der
     gen zum Recht des Datenbankherstellers („RBD“) als        Public Sector Directive („PSI-Richtlinie“) unterstreichen
     derzeit maßgebliches Rechtsinstitut im Zentrum der        genau diesen Punkt.5
     Betrachtung (unter III.).
                                                               1.2 Wettbewerbs- und kartellrechtliche Gesichts-
     II. Datenhoheit – Diskussionsstand                        punkte
                                                               Die damit verbundenen Fragen hinsichtlich techni­
     1. Vorüberlegungen: „open“ und „shared“ vs. prop-         scher Standards, offener Plattformen, geregelter, nicht
     rietäre Datendomänen                                      diskriminierender Zugänge und Interoperabilität6 ­
                                                               berühren in Teilen Fragen des Wettbewerbs- und des
     Die Diskussion um „Dateneigentum“ oder anderweiti-        Kartellrechts de lege lata und de lege ferenda (dazu
     ge proprietäre „Rechte an Daten“ beflügelt die Fanta-     separate Betrachtungen der AG Recht). Sie sind zu-
     sie der Juristen. Dazu ist festzustellen, dass unsere     gleich Ausdruck und Reflex der faktischen Realität,
     Rechtsordnung – wie auch derzeit praktisch alle an-       dass es eine Vielzahl von Datendomänen gibt, die ein-
     deren Jurisdiktionen – kein sachenrechtlich oder in       zelne Unternehmen oder Gruppen von Unternehmen
     anderer Form als absolutes, mit Ausschließlichkeitsbe-    – bis hin zu Datenmonopolen und -oligopolen – inne-
     fugnissen definiertes „Eigentum“ an Daten- oder Da-       haben und kontrollieren. Die rechtlichen Antworten
     tensätzen als solchen anerkennt (§§ 903 S. 1, 90 BGB).    hierauf sind bislang unvollkommen, aber im vorliegen­
     Entsprechend bilden sämtliche Stellungnahmen ge-          den Rahmen nicht im Einzelnen zu diskutieren. Sie
     genwärtig eine Diskussion de lege ferenda darüber, ob     werden in Zukunft erheblich an Bedeutung gewinnen.
     es ein zivilrechtliches „Dateneigentum“ geben sollte.
                                                               1.3 Lineare Wertschöpfungskette vs. digitales Eco-­
     1.1 Sozio-ökonomische Gesichtspunkte                      System
     Eine solche Frage ist – weit über die Frage hinaus, ob    Zugleich gibt es Aussagen dahingehend, dass die
     und wie sich ein solches absolutes Datenrecht begrün-     „Herrschaft über die Daten“ und der „Kampf um die
     den ließe – in ganz erheblichem Maße sozio-ökonomi-       Datenhoheit“ einen, wenn nicht sogar den entschei-
Daten als Wirtschaftsgut                                                                                        17

denden Faktor für die Entwicklung und Begründung        zu begründen, und zum anderen die in den Metadaten
von Wertschöpfungsketten in der digitalisierten Wirt-   liegenden eigenen Betriebs- und Geschäftsgeheim­
schaft darstellen. Diese Wertschöpfung ist nicht mehr   nisse vor Zugriffen Dritter zu schützen. Aus alledem
überwiegend linear ausgestaltet, sondern entwickelt     könnte man einen – immerhin in der Industrie arti-
sich in der Digitalisierung zu einer – zuweilen wirt-   kulierten – Bedarf an (i) angemessenen Schutzme-
schaftlich schwer realisierbaren – Wertschöpfung in     chanismen für „proprietäre“ Datenbeständen und (ii)
Eco-Systemen, in denen sich der Einzelne nach dem       Rechtsklarheit hinsichtlich der Mittel zur Gestaltung
Grad seiner Vernetzung definiert – und ebenso durch     von Wertschöpfungsketten ableiten.8
andere Teilnehmer danach bewertet wird.
                                                        1.4 Schutzgut „Information“
Wer „die Daten hat“, bestimmt auch die Spielregeln,     Hier wird zunächst der begriffliche und materielle
nach denen sich die übrigen Nutzer und Verwerter        Unterschied zwischen „Daten“ und „Information“ re-
von Daten zu richten haben. Das Streben nach „Da-       levant. Der einfache Datenpunkt hat keine informa-
tenhoheit“ ist hier am ehesten als Wettbewerb um        tionelle Aussagekraft (Beispiel: „Sensordatum 19“).
Meta­daten7 zu verstehen. Deren Sammlung, Zugriff       Der Informationsgehalt eines Datenpunkts wird erst
und Auswertung ermöglicht zum einen den zeitlichen      durch die ihm zugeordneten Bestimmungsmerkma-
Vorsprung bzw. den Erstzugriff auf Informationen, um    le (Meta­daten) und den Kontext bestimmt, in dem
eigene Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle        dieser Datensatz im Verhältnis zu anderen Datensät-
18                                                                                              Daten als Wirtschaftsgut

     zen steht bzw. betrachtet werden kann. Vor diesem        1.5 Geltung von Sonderrechten
     Hintergrund kann man überlegen, ob der angespro-         Selbstverständlich gilt dabei für sämtliche diskutierten
     chene Schutz- und Regelungsbedarf im Kern eher die       Ansätze, dass Sonderrechte an Daten, wie sie sich auf-
     Daten als solche oder eher das Potenzial der in ihnen    grund ihrer inhaltlichen Beschaffenheit gegebenen-
     verkörperten bzw. aus ihrer Auswertung beziehba-         falls ergeben (Beispiel: Urheber- und Leistungsschutz-
     ren Informationen bezwecken sollte. Letzteres mag        rechte an Musikdateien), hiervon unberührt bleiben.
     eine Indikation dafür sein, dass rechtlicher Schutz      Kommt man zur Annahme proprietärer Rechte an
     auf der „passenden Ebene“ – weniger auf der Ebene        „Daten als solchen“, sollen damit die bestehenden
     des Einzeldatums oder des einzelnen Datensatzes als      Sonderrechte an dem Inhalt der Daten selbstverständ-
     vielmehr auf der Ebene der Kontextualität von Daten      lich nicht außer Kraft gesetzt werden. Am deutlichsten
     – angesiedelt werden sollte. Mit anderen Worten, es      wird dies, wenn man sich im Folgenden mithin „reine
     steht die Frage im Raum, weswegen auf den Schutz         Rohdaten“ vorstellt, wie sie etwa von Sensoren im in-
     von Einzeldaten (sozusagen den „nackten Rohdaten“)       dustriellen Umfeld erhoben werden (Beispiel: Maschi-
     abgestellt werden sollte, wenn die Schutzqualität sich   nenmessdaten).9
     möglicherweise erst aus der Kontextualität (insbe-
     sondere Metadaten und/oder der Verbindung mit an-        Im Gegenteil sollten jene Sonderrechte und die vorlie-
     deren Datensätzen) und der sich daraus ableitenden       gende Fragestellung gänzlich unabhängig voneinander
     Inhaltsebene ableitet.7                                  behandelt werden. Wie das Beispiel des Urheberrechts
                                                              zeigt, lassen sich die hinter den Sonderrechten stecken-
     Daraus könnte schließen, dass ein nicht die Proprietät   den Zielsetzungen nicht – jedenfalls nicht ohne Weite-
     von Einzeldaten definierender bzw. auf Proprie­tät be-   res – auf die Frage der „Datenhoheit“ übertragen. Nach
     wusst verzichtender Ansatz, der einen generellen frei-   der klassischen Lehre des „Copyright“ setzt das Urhe-
     en – dabei nicht notwendigerweise auch zur offenen       berrecht an dem Schutz vor nicht auto­risierter Verviel-
     Teilhabe oder dem „sharing“ verpflichtenden – Ansatz     fältigung an. Da der Urheber/Autor typischerweise nicht
     einschließt, durchaus vereinbar ist mit Schutzmecha-     über das Kapital und die unter­nehmerischen Mittel ver-
     nismen, die (erst) auf der Kontextebene bzw. der po-     fügt, sein Werk selbst zu verlegen und zu vervielfältigen,
     tenziellen Informationsebene – mithin einschließlich     will ihm das Urheberrecht eine wirtschaftliche Teilhabe
     der die Einzeldaten qualitativ beschreibenden Meta-      an seinem Werk sichern. Wertschöpfungsketten bauen
     daten – ansetzen.                                        sich hier linear auf (Autor–Verleger–Buchhändler; Kom-
                                                              ponist–Musikverlag–Plattenfirma–Sender/Konzertver-
     Als Folge böten Regelungsansätze, die nicht (zwangs-     anstalter etc.). Demgegenüber sind im Zeitalter der Di-
     läufig) schon auf der Datenebene ansetzen, höhere        gitalisierung die direkten Kosten für Vervielfältigungen
     Flexibilität, um (auch) durch „shared“- oder „open“-­    sowie den Vertrieb von Daten und digitalen Inhalten
     Ansätze die Vorteile von Innovation, Skalierung und      auf Grenz­wertkosten von praktisch null reduziert.10 Das
     multilateraler Wertschöpfung zu heben. Die in Kapitel    dem Urheberrecht zugrundeliegende Leitbild ist daher
     II kurz zusammengefassten Ansichten befassen sich        nur begrenzt – oder gar nicht – geeignet, (nicht-lineare)
     im Kern nicht mit diesen Überlegungen. Entsprechend      Wertschöpfungsketten im Zeitalter der Digitalisierung
     sind die nachfolgenden Ausführungen – ohne diesen        zu begründen, abzubilden oder zu schützen.
     Querbezug – lediglich immanent zusammengefasst
     und kurz bewertet.                                       1.6 Datenschutzrechtliche Gesichtspunkte
                                                              Aus datenschutzrechtlicher Sicht tritt ein weiteres Pro-
Daten als Wirtschaftsgut                                                                                                19

blem hinzu, soweit Einzeldaten zugleich inhaltlich die    Begründet wird die Schaffung eines (übertragbaren)
Qualität personenbezogener Daten haben oder diese         Ausschließlichkeitsrechts vorrangig vor dem Hinter-
im Sinne der Big-Data-Wirkmechanismen erlangen            grund, eine klare Zuordnung des Datennutzens zu er-
können. Nach § 35 Abs. 2 S. 2 BDSG besteht der jeder-     möglichen und Ersatzansprüche (z. B. Schadensersatz
zeitige, grundrechtlich im allgemeinen Persönlichkeits-   oder Eingriffskondiktion) eindeutig zuweisen zu kön-
recht und im Recht auf informationelle Selbstbestim-      nen. Obgleich abweichende vertragliche Regelungen
mung verankerte Löschungsanspruch des Betroffenen.        vorgenommen werden können, diene das Eigentums-
Es stellt sich die Frage nach dem Wert eines – an sich    recht zumindest als Ausgangspunkt für vertragliche
durch Art. 14 GG im Grundrechtschutz verankerten –        Regelungen und als grundsätzliche Entscheidung bei
Eigentumsrechtes an Einzeldaten, wenn dieses jeder-       einem Fehlen vertraglicher Regelungen.13
zeit und durch gewillkürte einseitige Erklärung eines
beliebigen Dritten entzogen und zunichte gemacht          Dieser aus praktischen Gründen nachvollziehbare An-
werden kann.                                              satz wirft allerdings die Frage auf, ob die für eine Analo-
                                                          gie erforderliche planwidrige Regelungslücke und ver-
2. Proprietärer Ansatz                                    gleichbare Interessenlage gegeben sind. Die Verfasser
                                                          des BGB konnten zweifellos nicht einmal ahnen, dass
Teile der Literatur plädieren für die Schaffung eines     über 100 Jahre später die Existenz digitalisierter Daten
Eigentums- bzw. eigentumsartigen Ausschließlichkeits-     rechtlich diskutiert werden würde. Gleichwohl dürfte
rechts an Daten, verfolgen dabei aber unterschiedliche    angesichts inzwischen zahlreicher anderer Spezialvor-
dogmatische Ansätze und Begründungen. Als Gründe          schriften für Daten eine Planwidrigkeit zu verneinen
für ein solches Recht werden insbesondere zusätzliche     sein.14 Auch die Interessenlage scheint hier eine andere
Anreize für Unternehmen genannt, Daten zu erheben,        zu sein, denn während das Eigentumsrecht ein aus-
zu speichern und zu teilen und so einen eigenen Da-       schließliches Zuweisungsrecht ist, betont das Bundes-
tenmarkt zu entwickeln.11 Ohne eine klare rechtliche      verfassungsgericht, dass der Einzelne gerade kein Recht
Zuweisung sei ein solcher Markt wenig attraktiv, weil     im Sinne einer absoluten, uneingeschränkten Herrschaft
Daten ihren Wert verlören, sobald sie einem Dritten       über „seine“ Daten habe, sondern er vielmehr eine sich
bekannt seien.                                            innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf
                                                          Kommunikation angewiesene Persönlichkeit sei.15
2.1 Eigentumsrecht in Analogie zum Sacheigentum
2.1.1 „Datenerzeuger“                                     2.1.2 § 950 BGB
Einige Autoren, insbesondere Zech, wollen ein Eigen-      Auch Ensthaler befürwortet eine Übernahme von Rege-
tumsrecht an den Daten unmittelbar aus den Re-            lungen des Sacheigentums. Ein Eigentumsrecht im Sin-
gelungen zum Sacheigentum (§§ 903 S. 1, 90 BGB)           ne einer allumfassenden Berechtigung gemäß § 903 S.
herleiten.12 Ein solches Eigentumsrecht knüpfe an die     1 BGB bestehe allerdings nicht.16 Vielmehr lasse sich die
Erzeugung von Daten durch Aufnahme bzw. Codierung         Eigentumsfrage über § 950 BGB lösen: Der Bearbeiter
an und solle daher dem Datenerzeuger als originär         von Informationen als „Rohmaterialien“ erwerbe das
Berechtigtem zustehen. Wer Datenerzeuger ist, be-         Eigentum, soweit nicht der Wert der Bearbeitung gerin-
stimme sich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten,        ger als der des Stoffes ist. Parallel zum Leistungsschutz-
sodass etwa in Auftragsverhältnissen der Auftraggeber     recht wird dem Bearbeiter somit kein bloßer schul-
als Daten­erzeuger gelte.                                 drechtlicher Ausgleichsanspruch gegen den Eigentümer
                                                          eingeräumt, sondern er wird selbst Eigentümer. Dies
20                                                                                              Daten als Wirtschaftsgut

     sei sachgerecht, weil die Rohdaten üblicherweise erst     Boesche/Rataj19 sehen eine Lösung jenseits der vertragli-
     durch die vorbereitende Bearbeitung wertvoll werden.      chen Regelung vor, um in solchen Fällen das Dateneigen-
     Als Bearbeiter soll das Unternehmen gelten, das die       tum zuzuordnen. Dies erfolgt in zwei Stufen: Zunächst
     technischen Vorrichtungen zur Erfassung und Übermitt-     sollen die Daten nach ihrer Art und ihrem Nutzungszweck
     lung der Daten am jeweiligen Gerät anbringt.17            unterschieden werden. Handelt es sich um reine Daten
                                                               über den Zustand des Endgerätes, sind die Daten eher
     2.2 Eigentumsrecht in Analogie zum Strafrechtsschutz      dem Hersteller zuzuordnen. Handelt es sich jedoch um
     Hoeren hat in einem vielbeachteten Aufsatz den Ver-       Daten zum Nutzungsverhalten, so sind diese eher dem
     such unternommen, zumindest de lege ferenda ein           Dritten (beispielsweise dem Dienstleister) zuzuordnen.
     Eigentumsrecht entsprechend den Wertungen der             Dann soll ermittelt werden, wo der Schwerpunkt des
     §§ 303a, b StGB zu begründen.18 Er vertritt dabei die     Skripturaktes liegt und wer die Verantwortung für die
     Ansicht, dass die Schutzregelung der §§ 303a, b StGB      maßgebliche Handlung im Sinne des Skripturaktes hat.
     an dem Besitz von Aufzeichnungsgeräten und -verfah-
     ren ansetzt. Entsprechend soll sich aus dem „Skriptur­    2.3 Nutzungen einer Sache (§ 100 BGB)
     akt“ ein Eigentumsrecht ableiten, das ausschließlich      Im Unterschied zu den vorgenannten Ansichten halten
     dem „Skribenten“ zusteht. Verkürzt gesagt: Wer Daten      Heun/Assion Einzeldaten zwar für rechtlich nicht
     aufzeichnet, darf sie behalten und andere von der         eigen­tumsfähig. Sie wollen aber den durch die fakti-
     Nutzung ausschließen bzw. die Nutzung von seiner Zu-      sche Verfügbarkeit der Einzeldaten bestehenden Ver-
     stimmung abhängig machen.                                 mögensvorteil als „proprietär“ zuweisen, indem sie die
                                                               Daten als Nutzungen des Datenträgers anerkennen.
     In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die      Anders als beim „Skripturakt“ stellen sie nicht auf den
     Schutzziele des Strafrechts tatsächlich mit denen         eigentlichen Akt der Erstellung oder Erhebung der Da-
     eines zivilrechtlichen Eigentumsbegriffs, der ins Zen-    ten, sondern auf die Sachherrschaft bzw. das Eigentum
     trum proprie­tärer Nutzung und der Begründung ent-        an dem Datenträger ab, auf dem sich die Einzeldaten
     sprechender Wertschöpfung gesetzt werden können.          befinden.20 Daraus soll sich dann – entsprechend dem
     Heymann sieht hier zudem – nicht ganz zu Unrecht          Grundgedanken des § 100 BGB – das ausschließliche
     – das Risiko eines hermeneutischen Zirkelschlusses.       Recht an den „Nutzungen“, nämlich den auf dem
     Auch in praktischer Hinsicht scheint der Ansatz des       Datenträger verkörperten Daten, ableiten. Allerdings
     Skripturakts eher Fragen aufzuwerfen, als Antworten       betonen Heun/Assion in diesem Zusammenhang, dass
     zu bieten: Nimmt man die in vielen Anwendungen            es hierbei keine einheitliche, sondern stets nur einzel-
     vollständige Virtualisierung von Datenkontrolle und       fallbezogene Antworten auf die Frage geben könne,
     Datenaufzeichnung – einschließlich entsprechender         wem die Daten letztlich „gehörten“.21
     Vervielfältigungen durch Dienstleister und Subun-
     ternehmer –, wäre zunächst jede autoch­thone Auf-         Dieser Ansatz ist interessant und lässt doch zugleich
     zeichnung ein „Skripturakt“, der proprietäre Rechte       an die Anfänge des Softwarerechts zurückdenken, als
     begründet – die dann möglicherweise erst im Wege          das Recht an der Software ebenfalls in enger Bezie-
     vertraglicher Vereinbarungen zugunsten des ei-            hung zu dem Eigentumsrecht an dem die Software
     gentlichen „Erst-Skribenten“ bzw. Anwenders einer         verkörpernden Datenträger gesehen wurde – bis hin
     Cloud-Lösung wieder an diesen übertragen bzw. abge-       zur Begründung der Sacheigenschaft von Software für
     treten werden müssten –, obwohl es sich um diesel-        die Zwecke des AGB-Rechts und der Regeln des allge-
     ben bzw. inhaltlich voll-identische Datensätze handelt.   meinen und besonderen Schuldrechts.
Daten als Wirtschaftsgut                                                                                             21

Folgt man der Logik der Virtualisierung und sieht, wie    jedoch losgelöst von den §§ 903 ff. BGB. Die Existenz
sich die Rechtspraxis beim Softwarerecht von der Exis-    eines solchen Rechts wird unterschiedlich hergeleitet:
tenz eines Datenträgers zur Begründung eigenständi-       Einige knüpfen an das Persönlichkeitsrecht als Ausfor-
ger Rechte an der Software gelöst hat (natürlich auch     mung des informationellen Selbstbestimmungsrechts
infolge der Umsetzung der EU-Richtlinie 2009/24/EG        an, andere leiten das Eigentumsrecht implizit aus den
zum urheberrechtlichen Schutz von Computerpro-            umfassenden datenschutzrechtlichen Rechten und
grammen), so sollte man sich diesen „Umweg über die       Befugnissen des Betroffenen ab.25 In beiden Fällen
Hardware“ zur Begründung etwaiger Rechte an Daten         erhalte der Betroffene eine absolute Rechtsposition
sparen. Die Allmacht der Virtualisierung und verteilter   gegenüber jedem Dritten, wie sie für das Eigentums-
Rechenprozesse (Cloud & Co.) rückt den „Hardware-­        recht typisch sei.
Bezug“ eher in das 20. als in das 21. Jahrhundert.
                                                          2.6 Gesetzesinitiative zum „Datengesetz“
Gleichwohl ist der Gedanke, dass Daten als Nutzungen      Einen im Grundsatz proprietären Ansatz für den spezi-
einer Sache einen eigenständigen Rechtsschutz genie-      fischen Bereich der Fahrzeugdaten verfolgt womöglich
ßen sollen – der nicht dieselbe Rechtsqualität wie ein    auch das Bundesministerium für Verkehr und digitale
absolutes Vollrecht an Daten als solchen erreicht –,      Infrastruktur (BMVI). Ein im März 2017 vorgestelltes
immerhin ein interessanter und weiter zu bedenken-        Strategiepapier des BMVI26 stellt zwar fest, dass Daten
der Ansatz.                                               im Rechtssinn keine Sachen und dadurch nicht eigen-
                                                          tumsfähig seien27 Daten sollen aber im Ergebnis mit
2.4 Früchte einer Sache (§ 99 BGB)                        Sachen gleichgestellt und dadurch eindeutig natür­
Ähnlich zu Heun/Assion vertritt Grosskopf22 die An-       lichen oder juristischen Personen als „Eigentum“ zu­
sicht, dass Daten die Früchte der sie herstellenden       ordenbar sein.28 Die betreffenden Verfügungsrechte
Sache seien und sie mithin dem Eigentümer der Sache       sollen künftig demjenigen zugewiesen werden, „auf
gehören (§ 953 BGB). Damit folge das Recht an den         den die Erstellung der Daten zurückgeht.“29
Früchten dem Eigentum an der Sache, aus der die
Früchte entstehen.                                        Praktische Bedeutung erlangt das Strategiepapier ins-
                                                          besondere im Bereich der Mobilität, namentlich für
Diesem Ansatz wird entgegengehalten, dass Früchte         Fahrzeugdaten. Ein modernes Serienfahrzeug produ-
nur körperliche Gegenstände sein können und Daten         ziert schon heute Daten von bis zu 25 Gigabyte pro
daher als Früchte ausscheiden.23 Andere Autoren sehen     Stunde, etwa zum Wetter sowie zu Routen, Staus und
die Daten nicht als Erzeugnis der Sache, die die Daten    Risikosituationen.30 Diese Daten sollen grundsätzlich
generiert, sondern als Erzeugnis der Sache oder Person,   dem Halter „gehören“, der das Fahrzeug erworben hat.
auf die sich die Daten beziehen.24 Die Daten gehörten     Ohne (widerrufliche) Einwilligung des Betroffenen in die
daher nicht notwendigerweise dem Eigentümer der Sa-       Verwendung seiner personenbezogenen Daten darf laut
che. Selbst wenn man die Daten als Früchte der date-      BMVI eine Verarbeitung und Vernetzung der Daten aus-
nerzeugenden Sache ansähe, folgt daraus nicht zugleich    schließlich anonymisiert und pseudonymisiert erfolgen.
die Sacheigenschaft von bzw. ein Recht an Daten.
                                                          3. Open-Data-Ansatz
2.5 Eigentumsrecht des Betroffenen
Weitere Autoren befürworten ein Eigentums- oder           Überwiegend wird die Eigentumsfähigkeit von Einzel­
jedenfalls eigentumsähnliches Recht des Betroffenen,      daten abgelehnt und ein dem Freihaltebedürfnis ent-
22                                                                                              Daten als Wirtschaftsgut

     sprechender Ansatz verfolgt. Vertreter dieser Auffas-      von Daten gerecht zu werden (sei es etwa aus persön-
     sung sehen derzeit keine regulatorische Notwendigkeit      lichkeitsrechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen),
     für ein solches Recht, vielmehr seien die gegenwärti-      werden Rechte an Daten in unterschiedlichen Inten­
     gen Instrumentarien sowohl aus rechtlicher 31 als auch     sitätsstufen anerkannt.
     aus ökonomischer Sicht32 ausreichend. Insbesondere
     könne im Wege vertraglicher Vereinbarung ein hinrei-       3.1 Schutz der in Daten repräsentierten Information
     chender Schutz gewährleistet werden. Auch seien die        Hoppen lehnt ein Eigentumsrecht an Daten schon aus
     wirtschaftlichen Auswirkungen eines Eigentumsrechts        dem Grund ab, dass dessen Sicherung aufgrund der
     am Einzeldatum unsicher: Eine generalisierte Datenzu-      fehlenden Verkörperung von Daten technisch prinzip­
     weisung ohne Zugangs- und Teilhaberecht wirke inno-        bedingt nicht umsetzbar sei.38 Im Kern gehe es dem
     vationshemmend, weil insbesondere Big-Data-Anwen-          „Eigentümer“ von Daten ohnehin nicht um den Schutz
     dungen von großen Datenmengen abhingen.33 Diese            der Daten als solcher, sondern um den Schutz der
     Auffassung folgt im Ergebnis der Einschätzung des          abstrakt durch die Daten repräsentierten Informatio-
     Bundesverfassungsgerichts: Es betrachtet Informatio-       nen bzw. des durch diese Informationen repräsentier-
     nen, auch soweit sie personenbezogen sind, seit dem        ten Wissens.39 Daten können demnach frei zugänglich
     Volkszählungsurteil aus dem Jahr 1983 als ein „ein Ab-     übertragen und kopiert werden, sofern ihr Inhalt nicht
     bild sozialer Realität […], das nicht ausschließlich dem   erkennbar, also verschlüsselt ist. Hoppen schlägt vor,
     Betroffenen allein zugeordnet werden kann.“34              dass eine gesetzliche Regelung auf unverschlüsselte
                                                                Datenbestände bzw. auf den Schutz der Eigentums-
     Das zentrale Argument für ein Ausschließlichkeits-         rechte an Informationen und Wissen abstellen sollte.40
     rechts, wonach ohne ihn die Datenverarbeitung und
     Entwicklung eines Datenmarkts unattraktiv sei,35 kann      3.2 Schutz mittels Schutzzielen
     wegen anderer Geheimhaltungsmöglichkeiten seitens          Einen im Ergebnis vergleichbaren Ansatz verfolgt
     der Unternehmen nicht verfangen.36 Ein Ausschließ-         Heymann. Er vertritt die Auffassung, dass ein eigen-
     lichkeitsrecht ist vielmehr überflüssig, wo das Nut-       tumsrechtlicher Schutzgehalt an Einzeldaten ausdrück-
     zungsrecht (wie bei Daten) nicht-rival ist.37              lich weder wünschenswert ist noch die Zuordnungs-
                                                                und Kontrollfragen überhaupt lösen könne.41 Dagegen
     Um dabei dem Interesse an einem wirksamen Schutz           stellt er überzeugend heraus, dass es kein Eigentums­
Daten als Wirtschaftsgut                                                                                                23

recht an Daten geben darf. Vielmehr solle ein an            den §§ 87a ff. UrhG geschützt würden, gelte für das
Schutz­zielen orientiertes Konzept der ordnungsgemä-        Zuweisungsrecht an Daten weiterhin das Prinzip, nach
ßen Datenverarbeitung angestrebt werden, um u. a.           dem derjenige ein Ausschließlichkeitsrecht über etwas
die Vertraulichkeit, Integrität, „Intervenierbarkeit“ und   erlangt, der wesentlich in die Beschaffung etc. des Be-
Portabilität von Daten zu sichern.42 Im Ergebnis lehnt      troffenen investiert.52 Specht/Rohmer wollen dabei
er angesichts der Diversität der betroffenen Daten          zwischen personenbezogenen und nicht personenbezo-
eine generalisierende Lösung ab.43                          genen Daten unterscheiden, sie räumen aber ein, dass
                                                            die Trennung im Einzelfall nur schwer möglich ist.53
3.3 Schutz durch Flexibilität der Privatautonomie
Eine generalisierende „statisch“ zuordnende Lösung          3.5 Erweiterung des Eigentumsbegriffs
lehnt Sahl ebenfalls ab.44 Er empfiehlt stattdessen den     In eine ähnliche Richtung äußern sich Schwartmann/
Abschluss individueller Datennutzungsverträge. Diese        Hentsch, die das UrhG ebenfalls als Vorbild für ein
enthielten zwar durchaus Schwächen, insbesondere in         neues Datenverwertungsrecht bewerten.54 Dafür wol-
der Drittabwehr,45 seien aber aufgrund ihrer höheren        len sie Daten zunächst kategorisieren, damit abgestufte
Flexibilität geeigneter, um der „dynamischen Entwick-       Schutzkonzepte angewandt werden können. Zudem
lung“ der digitalen Märkte und Geschäftsmodelle so-         schlagen sie vor, dass der Gesetzgeber den Eigentums-
wie den Anforderungen des Einzelfalls gerecht zu wer-       begriff des Art. 14 Abs. 1 GG auch auf „Unkörperli-
den.46 Sofern einige grundlegende Aspekte für jeden         ches“ erstreckt.55
Datennutzungsvertrag eingehalten würden, sei eine
allgemeine gesetzliche Regelung dadurch verzichtbar.47      3.6 Datenschutzrechtlicher Löschungsanspruch vs.
Hier stelle sich vor allem die Frage, zu wessen Gunsten     Eigentumsrecht
überhaupt entschieden werden sollte, im Sinne einer         Wie einleitend erläutert,56 tritt ein datenschutzrecht-
„One size fits all“-Lösung.48 Eine gesetzliche Lösung       liches Problem hinzu, das gegen die Annahme eines
würde zwangsläufig einen Beteiligten bevorzugen, was        Eigentumsrechts an Einzeldaten sprechen dürfte bzw.
der Vielzahl unterschiedlicher Fall- und Interessenkon-     kaum mit besagten Konstruktionen in Übereinstim-
stellationen kaum gerecht würde.49                          mung zu bringen ist: Soweit Einzeldaten zugleich in-
                                                            haltlich die Qualität personenbezogener Daten haben
Den Nutzen einer solchen Lösung stellt Ensthaler in         oder ihnen diese z. B. in Kombination mit anderen Da-
Frage: Bei einer vertraglichen Regelung sei noch nicht      tensätzen und der daraus erzeugten Personenbezieh-
die Frage beantwortet, wem die Daten ursprünglich           barkeit anwächst, besteht der jederzeitige, grundrecht-
zugeordnet sind, wem sie also gehören.50 Es werde nur       lich im allgemeinen Persönlichkeitsrecht und im Recht
derjenige überhaupt eine Gegenleistung erbringen,           auf informationelle Selbstbestimmung verankerte Lö-
der etwas erhält, was ihm vorher nicht gehörte. Die         schungsanspruch des Betroffenen. Was wäre das aber
Frage der Zuordnung sei daher losgelöst von vertrag­        für ein – an sich durch Art. 14 GG im Grundrechtschutz
lichen Gestaltungsmöglichkeiten zu beantworten.             verankertes – Eigentumsrecht an Einzel­daten, wenn es
                                                            mit einem dauerhaften Konflikt mit der jederzeitigen,
3.4 Übertragbares Ausschließlichkeitsrecht des wirt-        privat-autonom bzw. in Art. 2 Abs. 1 G ­ G (Recht auf in-
schaftlich verantwortlichen Datenerzeugers                  formationelle Selbstbestimmung) gründenden Auflö-
Specht/Rohmer befürworten ein am Investitions-              sung durch Ausübung des datenschutzrechtlichen Lö-
schutz der § 87a ff. UrhG orientiertes Ausschließlich-      schungsanspruchs behaftet wäre. Ein Wesensmerkmal
keitsrecht.51 Obwohl einzelne Daten gerade nicht von        des Eigentums – seine zeitlich unbefristete Geltung –
24                                                                                             Daten als Wirtschaftsgut

     wäre damit im Grunde schon von Beginn an mit einer        beschaffung, aber vergleichsweise wenig in die Sys-
     „schwebenden Ent­ziehbarkeit“ durch beliebige Dritte      tematik der Datenbank als solche investiert,61 kann
     behaftet und im Kern entwertet.57                         aufgrund des subsidiären Verhältnisses des Wettbe-
                                                               werbsrechts zum RDB in diesem Fall der wettbewerbs-
     III. Rechte an Datensammlungen –                          rechtliche Leistungsschutz greifen.62
     Recht des Datenbankherstellers
                                                               1.2 Reichweite des Schutzes
     Da sich nach hiesiger Auffassung mit den Mitteln des      Die gesetzliche Definition unterstreicht, dass dem
     Zivilrechts kein Eigentumsschutz für einzelne Daten-      Datenbankbegriff ein äußerst weites Verständnis zu-
     sätze herleiten lassen kann und soll, liegt der Schlüs-   grunde liegt. Der Rechtsschutz hängt – anders als vor
     sel für die Gestaltung von Datentransaktionen in den      Einführung der DatenbankRL 96/9/EG, die die §§ 87a
     Rechten des Datenbankherstellers. Daher werden in         ff. UrhG umsetzten – weder von einer festgelegten
     der nachfolgenden Betrachtung die einzelnen Tatbe-        (z. B. elektronischen) Form ab,63 noch bedarf er ei-
     standskomponenten dieses Rechts näher beleuchtet          ner be­stimmten Anzahl von Daten oder Elementen.64
     und auf etwaigen Ergänzungsbedarf hingewiesen.            Damit ist nicht allein die „schöpferische“ Datenbank
                                                               geschützt, bei der die Auswahl oder Anordnung des
     1. Voraussetzungen der §§ 87a ff. UrhG                    Stoffs innerhalb der Datenbank eine eigene geistige
                                                               Schöpfung ihres Urhebers darstellen,65 sondern viel-
     1.1 Begriffsbestimmungen                                  mehr besteht ein Datenbankschutzrecht sui generis,
     § 87a Abs. 1 UrhG beschreibt die Datenbank als eine       das wesentliche Investitionen in die Beschaffung,
     Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhän-          Überprüfung oder Darstellung des Datenbankinhalts
     gigen Elementen, die systematisch oder metho­disch        schützt. Das RDB beschreibt also im Kern die Schutz-
     angeordnet sowie einzeln mit Hilfe elektronischer Mit-    fähigkeit der Investition in eine Ordnungsstruktur zur
     tel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren       elektronischen Auslese von Datensätzen, nicht aber
     Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach       die Schutzfähigkeit der einzelnen Daten als solche.66
     Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert.        Die Schutzfähigkeit dieser Ordnungsstruktur zielt ent-
     Dabei gelten (wirtschaftliche) Aufwendungen zur Be-       sprechend auf die Kontextualität von Datensätzen,
     schaffung der Daten (beispielsweise Installation,         dagegen nicht notwendigerweise auf den Inhalt des
     Entwicklung oder Betrieb von Sensortechnik) nach          Einzeldatums ab. Dass es hier Berührungen, Verdich-
     ständiger Rechtsprechung jedoch nicht als Investitio­     tungen und eine Nähebeziehung zum Inhalt von Ein-
     nen im Sinne des § 87a Abs. 1 UrhG.58 Lediglich direkte   zeldaten bzw. einer parametrisierbaren Gesamtheit
     Investitionen in die Datenbank werden erfasst.59 Her-     von Einzeldaten gibt oder geben kann, liegt in der
     steller einer Datenbank ist derjenige, der die Investi-   Natur der Sache. Als Konsequenz beschränkt sich der
     tion im genannten Sinne vorgenommen hat. Er muss          Schutzbereich der §§ 87a ff. UrhG auf Investitionen in
     daher nicht unmittelbar selbst an der Herstellung der     vorhandene Daten und deren Sammlung bzw. Ein-
     Datenbank beteiligt sein, entscheidend ist vielmehr,      ordnung.67 Der Schutz klammert daher solche Inves-
     wer das wirtschaftliche Risiko trägt, das mit dem Auf-    titionen aus, die eingesetzt werden, um die Daten zu
     bau und Erhalt einer Datenbank zusammenhängt.60           erzeugen, aus denen der Inhalt einer Datenbank be-
     Sofern sich die Tätigkeiten des Datenbankherstellers      steht. Erst noch zu generierende Daten sind von den
     nicht unter den Investitionsbegriff einordnen lassen,     Vorschriften nicht umfasst.
     obgleich der Datenbankhersteller viel in die Daten-
Sie können auch lesen