Wohnen ist ein Menschenrecht - 1 | 2018 - Der Paritätische Gesamtverband
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Inhalt Editorial 3 Foto: Bernd Kleiner Thema Wohnen ist ein Menschenrecht Gutes Wohnen für alle schaffen! 4 Kampagnenauftakt: MENSCH, DU HAST RECHT! 5 Drei Fragen an Dr. Ulrich Schneider zum Thema bezahlbarer Wohnraum 6 Die Wohnungspolitik ist ein wichtiger Baustein der Inklusion8 Praxisleitfaden: Soziale Träger als Mieter und Vermieter9 Eine Wohnung ist mehr als ein Dach über dem Kopf 10 Weiblich, bunt, lebhaft – und ein sicherer Ort für Frauen ohne festen Wohnsitz12 Wo sollen Menschen wohnen, die auf 6 Arbeitslosengeld II angewiesen sind? Drei Fragen an Werena Rosenke zum Thema Wohnungslosigkeit 14 15 Kopf braucht Dach 16 Foto: BRH/Sobotta Diskriminierung bei der Wohnungssuche 17 Vernetzung gegen steigende Mieten: Bündnis für bezahlbaren Wohnraum in Kiel 18 Netzwerk Mieten und Wohnen 19 Wohnen im Alter: Vom Modell zur Normalität 20 Drei Fragen an Wolfgang Lippel zum Thema Energiearmut 21 Sozialpolitik Konzept für eine gerechte und transparente Finanzierung von Kindertageseinrichtungen 22 Drei Fragen an Heinz Hilgers zum Thema Kindergrundsicherung 23 Restriktive Praxis bei Ausbildungsduldung 23 Teilhabe an Arbeit für Alle 24 30 Der Paritätische begleitet die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes mit Internetpräsenz Dokumentation: Demokratie stärken 24 24 Foto: Andy Kaczé Verbandsrundschau „Europa ist sozialpolitisch tief zerrissen“ 25 Paritätische Jahreskampagne 2018: MENSCH, DU HAST RECHT! 26 Mitgliedschaft, die sich lohnt 28 Aus den Landesverbänden 28 In eigener Sache 28 Demokratie und Vielfalt in der Kindertagesbetreuung 29 Menschenrechts-Filmpreis: Paritätischer gehört zum Veranstalterkreis 29 Neues Forum Rettungswesen und Katastrophenschutz 30 Forum Deutscher Sozialpreis verliehen 33 Zusammenhalt stärken – Vielfalt gestalten 33 35 Persönlichkeitsrechte von Kindern im Internet 33 was? – wann? – wo? 34 Hören & Sehen | Impressum 35 2 www.der-paritaetische.de 1 | 2018
Editorial Professor Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbands Liebe Leserinnen und Leser, am 10. Dezember 1948 verabschiedete tages vom 19. bis 20. April 2018 in Der Paritätische und seine Mit die Generalversammlung der Verein- Potsdam stehen. gliedsorganisationen treten dafür ein, ten Nationen die Allgemeine Erklä- Den Auftakt bildet das Recht auf dass jedem Menschen unabhängig von rung der Menschenrechte. Das war Wohnen. Parallel dazu bildet das seiner Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, ein Meilenstein für die Idee, Grund- Recht auf Wohnen auch den Schwer- sexueller Orientierung und Religion rechte für alle Menschen auf dieser punkt der vorliegenden Ausgabe des die gleichen Chancen im Leben und Erde verbindlich festzulegen. Das Paritätischen Verbandsmagazins. damit auch bei der Frage des Wohnens 70-jährige Jubiläum dieser Erklärung Die Umsetzung des Rechts auf Woh- gewährleistet werden. Dazu ist eine nimmt der Paritätische als Anlass, nen setzt voraus, dass hinreichend soziale Wohnungspolitik nötig, die mehr eine Dachkampagne zu dem Thema Wohnraum zur Verfügung zu steht. bezahlbaren und würdigen Wohnraum „Soziale Menschenrechte 2018“ zu Es bedeutet weiter, einen diskriminie- schafft, gleichberechtigte Zugänge ini t iieren und damit als Verfechter rungsfreien und bezahlbaren Zugang zum Wohnraum ermöglicht, bestehen und Hüter von Menschenrechten in zu Wohnraum zu gewährleisten und den Wohnraum sichert und inklusive Deutschland einzutreten. Denn zu- eine menschenwürdige Wohnqualität Gemeinwesen fördert. Das vorliegen- nehmend lassen Einschränkungen im zu garantieren. de Heft zeigt an Beispielen und Akti- soziokulturellen Existenzminimum, Die Praxis zeigt jedoch, dass dieses vitäten von Mitgliedsorganisationen die Begrenzung des Rechtes auf Recht in Deutschland oft nicht oder und Trägern, wie dies in der Praxis selbstbestimmte Teilhabe durch das nicht vollständig umgesetzt wird. angegangen und umgesetzt wird. Bundesteilhabegesetz, die Aushöh- Dies betrifft zum Beispiel Menschen, lung des Rechtes auf Asyl oder der denen aufgrund von Mietschulden die Herzlich, Mangel an Wohnraum die Frage nach Wohnungslosigkeit droht, oder die auf- dem Schutz der Menschenrechte in grund ihres Namens (und der dahin- Ihr allen Bereichen der sozialen Arbeit ter vermuteten Herkunft) bei der laut werden. Wohnungssuche benachteiligt werden. Gemeinsam mit den Paritätischen Es meint auch sehr große Mietpreis- Mitgliedsorganisationen werden wir steigerungen, die die Sicherung des über das ganze Jahr verteilt eine ganze eigenen Wohnraums infrage stellen, Reihe von sichtbaren Aktionen veran- oder das Schicksal Schutz suchender stalten, die auf die Notwendigkeit der Menschen, die unter unwürdigen Verbesserung des Schutzes verschie- Wohnbedingungen in Heimen unter- dener, nach Schwerpunkten ausge- gebracht sind. Aus all diesen Gründen wählter Menschenrechte in Deutsch- gehört die Umsetzung des Rechts auf land hinweisen. Die Kampagne wird Wohnen auf die politische Agenda der auch im Mittelpunkt des Verbands neuen Bundesregierung. 1 | 2018 www.der-paritaetische.de 3
Thema Gutes Wohnen für alle schaffen! Hohe Mieten führen für immer mehr Haushalte mit niedrigen Einkommen zu unhaltbaren Belastungen A rme Haushalte werden in hoch und das Angebot niedrig. Durch- hierzu ein Konzept zur Reformierung Deutschland stärker mit Wohn- schnittlich mussten 2016 in Deutsch- der Mietpreisbremse erarbeitet, um kosten belastet als die mit land 6,54 Euro pro Quadratmeter an den Anstieg von Mieten wirksam zu hohem Einkommen. Nach einer Studie Nettokaltmiete aufgewendet werden. regulieren. der Hans Böckler Stiftung zahlen München zählt dabei nach wie vor zu 40 Prozent aller Haushalte hierzulande den teuersten Großstädten: 11,18 Euro Energiekosten sozial gestalten mehr Miete, als sie es sich eigentlich müssen hier durchschnittlich für ei- Steigende Energiekosten belasten Men leisten könnten. Es ist sozialpolitisch nen Quadratmeter gezahlt werden. Für schen mittleren und geringen Einkom- verwerflich, dass die Mietbelastung Menschen mit geringen und auch mens zudem zusätzlich. Die Energie- eines Haushaltes umso höher ist, je mittleren Einkommen ist das nicht kosten machen einen wesentlichen Teil niedriger das Einkommen ist. Dem- leistbar. Die Folge enormer Miethöhen der Wohnkosten aus und weisen im nach wenden Menschen, die als arm sind die Verkleinerung des Wohn- Verlauf höhere Steigerungen auf als gelten und damit weniger als 60 Pro- raums sowie der Umzug in andere die reinen Mietkosten. Die sog. zweite zent des mittleren Einkommens zur Quartiere oder Regionen, was die Teil- Miete trägt wesentlich zur Verteue- Verfügung haben, fast 40 Prozent ihres habe- und Lebenschancen des Einzel- rung des Wohnens bei. Diese Situation gesamten Haushaltsnettoeinkommens nen wesentlich beeinflussen kann. wird durch energetische Modernisie- allein für die Mietzahlung auf. Anders Auch soziale Träger sehen sich mit der rungen zusätzlich verschärft und be- hingegen diejenigen, die über mehr als Problemlage steigender Mieten und günstigt weiter die Verdrängung der 140 Prozent des mittleren Einkom- Kündigungen des Wohnraums kon- Menschen aus ihren angestammten mens verfügen. Sie zahlen lediglich frontiert, in deren Folge ihre soziale Quartieren. Zur Sicherung von Wohn- 17 Prozent des Haushaltseinkommens Arbeit gefährdet ist. Zur Dämpfung raum sollten die Mieter/-innen nur in- für die Miete. Durchschnittlich gilt ein des Mietanstiegs in Regionen mit an- soweit an der Modernisierung beteiligt Anteil von einem Drittel der Brutto- gespannten Wohnungsmärkten hat die werden dürfen, wie tatsächlich eine kaltmiete am Haushaltsnettoeinkom- Bundesregierung in 2015 zwar die so- Energieersparnis bei den Nebenkos- men als angemessen, um keine Ein- ten erreicht wird. Mietende dürfen schränkungen in anderen Lebensbe- durch Sanierungsmaßnahmen finan- reichen hinnehmen zu müssen. Selbst Nähere Informationen ziell nicht überlastet werden und ge- dieser Anteil stellt viele Haushalte vor stiegene Kaltmieten sind von den finanzielle Herausforderungen. Gerade zum Schwerpunktthema Leistungsträgern durch anzupassen- für einkommensschwache Haushalte Wohnen gibt es auf de Angemessenheitsgrenzen zu über- haben hohe Mietbelastungen jedoch www.der-paritaetische.de in nehmen. Auswirkungen auf die gesamte Lebens führung. Sie sparen in anderen Lebens der Rubrik Schwerpunkte Lebenswerten Wohnraum bereichen wie Bekleidung und Schuhe, unter dem Stichwort Wohnen: in strukturschwachen Gesundheit oder an Nahrungsmitteln. Regionen gestalten 1,3 Millionen Menschen verfügen nach www.der-paritaetische.de/ Mit einer gegensätzlichen Problemlage der Mietzahlung über ein restliches schwerpunkte/wohnen/. sind ländliche und strukturschwache Einkommen, das sogar unter dem Regionen konfrontiert, die eine man- Niveau des Hartz-IV-Regelsatzes liegt. gelnde Nachfrage nach Wohnraum und genannte „Mietpreisbremse“ beschlos- viele leeren Wohnungen verzeichnen. Bezahlbaren Wohnraum schaffen sen, die den starken Anstieg der Mie- Sie sind geprägt durch die Folgen des Als besonders schwierig erweist sich ten bei der Wiedervermietung von demografischen Wandels, schrumpfen die Lage auf angespannten Wohnungs- Bestandswohnungen eindämmen soll. de Angebote der Daseinsvorsorge, ge- märkten in Metropolregionen, Groß- Zahlreiche Ausnahmeregulierungen ringe Erwerbsmöglichkeiten, Abwan- und Hochschulstädten sowie im Um- stehen dem jedoch entgegen. Die sozi- derung und Leerstand. Eine Prognos- land von Ballungsräumen. Dort ist die ale Mischung in den Städten ist weiter- Studie hat ergeben, dass 17 Prozent Nachfrage nach Wohnraum besonders hin gefährdet. Der Paritätische hat aller regionalen Wohnungsmärkte von 4 www.der-paritaetische.de 1 | 2018
Thema dieser Entwicklung betroffen sind. Sie nungsbau verstärken, Boden sozial verzeichneten zwischen 2011 und 2015 gerecht vergeben eine stagnierende oder rückläufige Nachfrage nach Wohnraum in ländli- Gleichberechtigte Zugänge zu chen Gebieten, in deren Folge der Wohnraum schaffen Wohnungsbestand teilweise sogar ab- gebaut wird. Diese umfassende Not ■ Zugang besonderer Bedarfsgruppen lage in strukturschwachen Gebieten verbessern und barrierefreien Wohn- Jennifer Puls, stellt die gesellschaftliche Teilhabe der raum sicherstellen Referentin für dort lebenden Menschen infrage und fachpolitische verweist einmal mehr auf den politi- Bestehenden Wohnraum sichern Grundsatz schen Handlungsbedarf, gleiche Le- bensverhältnisse in allen Regionen zu ■ Wohnungsverlust verhindern, miet- fragen beim gewährleisten. rechtliche Situation sozialer Träger Paritätischen Zur Gestaltung einer sozialen Woh- verbessern, jährliche und dynami- Gesamt nungspolitik hat der Paritätische um- sche Anpassung des Wohngeldes, verband fassende Vorschläge vorgelegt: Angemessenheit der Kosten der Un- terkunft realitätsgerecht definieren, Energiekosten sozial gestalten Weitere Informationen zu unseren Bezahlbaren und sozial Forderungen sowie aktuelle Kommen- verträglichen Wohnraum schaffen Inklusives Gemeinwesen fördern tare und Blog-Artikel zum Thema fin- den Interessierte im Internet unter: ■ Gemeinnützigen Wohnungsbau wie- ■ Nachbarschaften gestalten und Mo- www.der-paritaetische.de/ der neu einführen, sozialen Woh- schwerpunkte/wohnen/ bilität fördern. Kampagnenauftakt: MENSCH, DU HAST RECHT! Der Paritätische Wohlfahrtsverband und seine Mit glieder treten täglich für die sozialen und individu ellen Menschenrechte ein. Wir wissen durch unsere Arbeit, dass diese Grundrechte vielfach verletzt und missachtet werden. Wir wissen, dass wir um ihre Einhaltung und ihren Ausbau kämpfen müssen. Im 70. Jahr der Allgemeinen Erklärung der Menschen rechte setzen wir genau dort mit unserer Kampagne MENSCH, DU HAST RECHT! an: Als Träger der freien Wohlfahrtspflege machen wir und unsere Mit glieder uns stark für die Einhaltung der Menschen rechte. Geplant sind zahlreiche Veranstaltungen und Jeder Mensch hat das Recht auf Wohnen – unabhängig von Aktivitäten rund um die zentralen Themen Wohnen, Hautfarbe, Geschlecht, sozialer oder ethnischer Herkunft, Alter, Religion oder Weltanschauung, sexueller Identität, Gesundheit, Bildung, Selbstbestimmung, Teilhabe materieller Situation, Behinderung, Beeinträchtigung, Pflegebedürftigkeit oder Krankheit. Nur wer seine Rechte und Schutz. kennt, kann auch für sie kämpfen. Wir stehen an Eurer Seite. Alle Informationen sind auf www.mensch-du-hast- www.mensch-du-hast-recht.de 70 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. recht.de abrufbar. >> Siehe auch Seite 26. 1 | 2018 www.der-paritaetische.de 5
Thema Drei Fragen an Dr. Ulrich Schneider zum Thema bezahlbarer Wohnraum Dr. Ulrich Schneider, der Haupt rem will der Verband verstärkt geschäftsführer des Paritätischen darüber diskutieren, wie heute Gesamtverbandes, erklärt im eine soziale und bedarfsgerechte Interview, was der Paritätische Wohnungspolitik für Menschen 2018 zur Wohnungsfrage an in besonderen Lebenslagen aus Aktivitäten plant. Unter ande sehen kann. Herr Schneider, warum bringt sich der schaftung werben. Wir wollen aber Paritätische jetzt stärker in die Diskussion nicht nur über die Probleme auf dem um bezahlbaren Wohnraum ein? Wohnungsmarkt diskutieren, sondern auch aktiv werden. Der Paritätische Dr. Ulrich Schneider: Beim Paritäti- will ein breites Bündnis aufstellen, das schen Gesamtverband war die Woh- für die Wiedereinführung einer neuen „Der Paritätische will ein nungssituation immer ein Thema, Wohngemeinnützigkeit werben und schwerpunktmäßig bisher bei Woh- das Thema in die Politik bringen soll. breites Bündnis aufstellen, nungs- und Obdachlosigkeit. Durch das für die Wiederein den zunehmenden Mangel von bezahl- Was muss man sich unter einer neuen führung einer neuen baren und passenden Wohnungen Wohngemeinnützigkeit vorstellen? Wohngemeinnützigkeit nicht nur in den Städten, sondern auch Bis 1990 hatten wir in Deutschland ein auf dem Land hat sich das Problem in großes gemeinnütziges Segment im werben und das Thema in den letzten Jahr deutlich verschärft. Wohnungsbau. Offiziell wurde die Ge- die Politik bringen soll.“ Seitdem hören wir immer wieder, vor meinnützigkeit vor dem Skandal um welche Probleme dies auch unsere die „Neue Heimat“ abgeschafft, einem Mitgliedsorganisationen stellt. gemeinnützigen Wohnungsunterneh- pro Jahr, und eine sozial gerechte Einrichtungen für Menschen mit Be- men, bei dem Vorstandsmitglieder in Bodenvergabe, wenn günstig gebaut hinderung, Alte oder Kinder finden die Kasse gegriffen hatten. In Wahr- werden soll. kaum noch einen Ort zum Wohnen. heit glaubte man aber wohl, dass die Die Fragen stellte Philipp Meinert Hinzu kommt das spezielle Problem, Privatwirtschaft die Wohnraumversor- dass viele durch Gewerbemietverträge gung besser machen könne. Ein neo eine viel unsicherere Situation haben. liberaler Irrglaube von vielen. Dr. Ulrich Schneider ist seit 1999 Mietverträge sind zeitlich begrenzt, Ein gemeinnütziger Wohnungsmarkt Hauptgeschäftsführer des Paritäti und häufig herrscht Willkür bei Miet- zeichnet sich dadurch aus, dass die Un- schen Gesamtverbandes. Mit dem The forderungen, wenn Verträge nach eini- ternehmen nur eine bestimmte Rendite ma Armut und den Folgen hat er sich auch als Autor mehrerer Bücher inten gen Jahren neu verhandelt werden erwirtschaften dürfen und alles darüber siv beschäftigt. müssen. hinaus reinvestieren müssen. Im Gegen- 1993: Solidarpakt gegen die Schwa zug sind diese Wohnungen steuerbe- chen – Der Rückzug des Staates aus Was plant der Paritätische dazu? freit. Außerdem müssen sie günstig ver- der Sozialpolitik 2018 wird das Thema bezahlbarer und mietet werden, es gibt Verkaufsbeschrän- 1994 (zusammen mit Hanesch u. a.): würdiger Wohnraum ein Schwerpunkt kungen, und die Wohnungen sind dau- Armut in Deutschland. Der Armuts sein. Wir werden verstärkt diskutieren, erhaft belegungsgebunden. Dieses Mo- bericht des DGB und des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes wie heute eine soziale und bedarfsge- dell hat jahrzehntelang dazu beigetra- 2010: Armes Deutschland. Neue Per rechte Wohnungspolitik für Menschen gen, dass es eine ausreichende Zahl an spektiven für einen anderen Wohlstand. in besonderen Lebenslagen aussehen bezahlbaren Wohnungen gab. Seine 2014: Mehr Mensch! Gegen die Öko kann. Bund, Länder und Kommunen Abschaffung hat einen großen Anteil nomisierung des Sozialen müssen wieder ihre jeweilige Verant- an der heutigen Wohnungsmarktkrise. 2015: Kampf um die Armut – von ech wortung und Steuerungsmöglichkeit Die neue Wohngemeinnützigkeit ist ten Nöten und neoliberalen Mythen im Wohnungsbereich stärker wahr- aber nur ein Baustein. Wir brauchen 2017: Kein Wohlstand für alle!? Wie sich Deutschland selber zerlegt und nehmen. Wir werden deutlich für auch wieder erheblich mehr Sozial- was wir dagegen tun können. Wohnungsbau und Wohnungsbewirt- wohnungen, mindestens 80.000 neue 6 www.der-paritaetische.de 1 | 2018
Fachkraft gefunden! Das Inklusionsbarometer Arbeit untersucht die Situation für Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Mehr erfahren Sie unter www.aktion-mensch.de/inklusionsbarometer. In Kooperation mit: Mehr unter www.aktion-mensch.de/inklusionsbarometer
Thema Die Wohnungspolitik ist ein wichtiger Baustein der Inklusion Soziale Träger und Betroffene fordern von Politik und Wohnungswirtschaft gezielte Schritte zur Schaffung von Wohnraum für Menschen mit Beeinträchtigungen M enschen mit Beeinträchtigun- wohl das Projekt des Paritätischen Ge- die regionale, Landes- und Bundesebene gen haben es auf dem ange- samtverbands mit dem Titel „Inklusion zu entwickeln, um zu einer Verbesse- spannten Wohnungsmarkt psychisch kranker Menschen bewegen“ rung der prekären Situation beizutragen. besonders schwer. Umso wichtiger (dazu auch ein Bericht auf den Seiten Sabine Bösing, Referentin für das Pro- sind die Angebote an Wohnraum, die 10 und 11 dieser Ausgabe) als auch das jekt „Inklusion psychisch kranker soziale Träger für sie vorhalten, häufig Wohnungspolitische Positionspapier Menschen bewegen“, stellte mit Patrick verbunden mit individuellen Betreu des Paritätischen. Bieler vom Institut für Europäische ungsleistungen. Doch auch für die Ethnologie, der das Projekt wissen- freien Träger wird es immer schwieri- Handlungsempfehlungen schaftlich begleitet, und mit Ina Siegel ger, ihren Bestand an Wohnungen zu Im Rahmen des Paritätischen Projekts vom Behinderten-Werk Main-Kinzig halten oder gar zu erweitern, zumal sie zur Inklusion psychisch kranker Men- e. V. sowie Doreen Mützel und Manuela häufig aufgrund von Gewerbemiet schen wurden zwei Erhebungen zur Merz als Nutzerinnen wichtige Pro verträgen weniger rechtlichen Schutz Wohnraumerhaltung und -akquise für jektergebnisse vor. Der Main-Kinzig- genießen. Diese doppelte Problemlage Menschen mit psychischen Beeinträch- Kreis in Hessen ist eine von vier Pro- und die Suche nach Lösungswegen tigungen durchgeführt. Das Ziel war es jektregionen – neben Berlin, Münster standen im Mittelpunkt einer gemein- einerseits, Barrieren zu erkennen, die und Zittau. samen Fachtagung des Paritätischen für Menschen mit seelischen Erkran- In drei wichtigen Handlungsfeldern Gesamtverbands mit dem Landesver- kungen die Wohnraumversorgung er- wurde die dringende Notwendigkeit band Hessen in Frankfurt. Vorgestellt schweren, und andererseits Maßnah- festgestellt, konkrete Maßnahmen zu wurden im Rahmen der Tagung so- men und Handlungsempfehlungen für entwickeln: Präsentation erster Ergebnisse des Projekts „Inklusion psychisch kranker Menschen bewegen“ (von links) Manuela Merz, Doreen Mützel, Patrick Bieler, Ina Siegel und Sabine Bösing. Foto: Ulrike Bauer 8 www.der-paritaetische.de 1 | 2018
Thema ■ Die Versorgung mit adäquatem und verankerte Wunsch- und Wahlrecht gung wichtig ist, sich zum Thema bezahlbarem Wohnraum muss gesi- erheblich aus. Wohnen stärker zu vernetzen. Sie chert werden. wünschen sich zudem mehr individu- ■ Es fehlt an Bauland, das freien Trägern elle aber auch wohnungspolitische ■ Strukturelle Barrieren beim Zugang ermöglicht, geeignete Wohnraum Förderung, eine verstärkte Öffentlich- von Menschen mit Beeinträchtigung angebote für Menschen mit Beein- keitsarbeit zum Thema Wohnen für zum Wohnungsmarkt müssen abge- trächtigung zu schaffen. Hier sind Menschen mit Beeinträchtigungen so- baut werden. vor allem die Kommunen gefordert. wie auch, dass ihre Positionen in die politische Diskussion auf Bundes- wie ■ Die Inklusion von Menschen mit ■ Wenn soziale Träger Wohnraum und Landesebene eingebracht werden. psychischen Erkankungen muss Betreuung anbieten, sind diese anei- Optionen für eine bessere Wohnraum- durch Sozialraumorientierung und nander gekoppelt, damit fallen sie versorgung wurden bei einer Podiums- den Ausbau der Infrastruktur unter- unter das Wohn- und Betreuungs- diskussion mit Akteurinnen und stützt werden. vertragsgesetz (WBVG). Die als A kteuren der Landespolitik und der Schutz gedachte Koppelung ist aber Wohnungswirtschaft in Hessen, des Diese Forderungen decken sich auch auch Risiko für Leistungsberechtigte Hessischen Landesverbands Psychia mit dem wohnungspolitischen Posi und Leistungsträger, etwa wenn die trieerfahrener e. V. und des Landes tionspapier des Paritätischen Gesamt- Betreuung seitens des Leistungs verbands Hessen der Angehörigen psy- verbands, das Grundsatzreferentin berechtigten gekündigt wird oder chisch Kranker e. V. sowie des Behin- Jennifer Puls vorstellte. ohne geeigneten Wohnraum keine dertenwerks Main-Kinzig e. V. gesucht. In Gesprächskreisen tauschten die Betreuung zur Verfügung steht. Ka- Einen Bericht über die Diskussion Teilnehmerinnen und Teilnehmer der rina Schulze vom Paritätischen Ge- finden Interessierte auf der Homepage Tagung Erfahrungen in Hinblick auf samtverband präsentierte zu dieser des Paritätischen Gesamtverbands im die Wohnungsversorgung aus. Dabei Thematik den Teilnehmenden den Landesteil Hessen des Verbandsmaga wurde unter anderem deutlich: frisch gedruckten Praxisleitfaden zins. Dieser ist in der Rubrik Publika- zur Rolle von Sozialen Trägern als tionen unter Verbandsmagazin „Der ■ Von freier Wohnraumwahl kann für Vermieter und Mieter (siehe Kasten). Paritätische“ als PDF eingestellt. Menschen mit Behinderung nicht die Rede sein; denn die Angemessen- Stärkere Vernetzung gewünscht Weitere Informationen zum Projekt heitsgrenzen bei den Kosten der Deutlich wurde, dass es den Teilneh- und zur Tagung: www.der-paritaetische.de/ Unterkunft höhlen das gesetzlich merinnen und Teilnehmern der Ta- schwerpunkte/wohnen/UB Praxisleitfaden: Soziale Träger in den Rollen als Mieter und Vermieter D ie Arbeit sozialer Träger erfor- tungen scheitern an zu hohen Preisen. dert oft, auch Wohnraum für Auf diese unterschiedlichen Aspekte Klientinnen und Klienten zur geht ein Praxisleitfaden des Paritäti- Verfügung zu stellen, weil diese häu- schen Gesamtverbands ausführlich ein. fig alleine keine Chance auf dem Unter der Überschrift „Soziale Träger Wohnungsmarkt haben. Als Mieter in den Rollen als Mieter und Vermieter“ und Vermieter sind soziale Träger da- vermittelt er rechtliche Grundlagen bei- mit Partner in zwei unterschiedli- spielsweise zum Mietrecht für Wohn- chen Verträgen mit jeweils verschie- und Gewerberäume sowie zu Kündi- denen Vertragspartnern und unter- gungsfragen, zeigt Pflichten von Mie- schiedlichen Rechten und Pflichten. tern und Vermietern und auch Hand- Die An- und Vermietung von Wohn- lungsoptionen bei der Akquirierung raum gestaltet sich zudem seit eini- von Wohnraum auf. ger Zeit zunehmend schwierig. Denn Den Praxisleitfaden finden Interessierte Trägern wird immer öfter langjährig zum Herunterladen im Internet auf angemieteter Wohnraum quasi „pro- www.der-paritaetische.de in der Rubrik blemlos“ gekündigt oder Neuanmie- Publikationen. 1 | 2018 www.der-paritaetische.de 9
Eine Wohnung ist mehr als ein Im November 2014 Dach über startete das auf fünf Jahre anberaumte Projekt mit dem Titel dem Kopf „Inklusion psychisch kranker Menschen im Bereich Wohnen bewegen“. Ziel ist es, die Wohnraumversorgung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen zu verbessern. Gefördert wird das Projekt durch die D er Paritätische Gesamtverband Zunächst wurde hause.“ ist im Rahmen des Modell die Wohnraumsitua Aktion Mensch Stiftung. Beson projekts „Inklusion psychisch tion von Menschen ders das kranker Menschen im Bereich Woh- mit psychischen Beein- Gefühl von nen bewegen“ gemeinsam mit seinen trächtigungen aus der Per „Zuhausesein“, das Landesverbänden und den Modellregio spektive der Betroffenen, der Sozialen wird im Gespräch deut- nen Berlin, Main-Kinzig-Kreis, Münster Träger und der Wohnungswirtschaft lich, ist entscheidend, um sich weiter zu und Zittau auf der S uche nach Möglich- genauer untersucht. Dazu wurden stabilisieren. Was macht das Zuhause keiten, bezahlbaren und barrierefreien 134 Nutzerinnen und Nutzer befragt, aus? Anna Müller beschreibt es so: „Ich Wohnraum für Menschen mit psychi- mit welchen Barrieren sie konfrontiert fühle mich in meiner Nachbarschaft schen Beeinträchtigungen sicher zu sind und was sie sich im Bezug auf die sicher und geborgen, da sind nette stellen. Ziel ist es, innovative Ansätze Versorgung mit Wohnraum wünschen. Menschen, die nichts von mir wollen, der Wohnraumerhaltung und -gewin- Die Träger der psychiatrischen Versor- aber einfach da sind.“ Auf die Frage, nung zu entwickeln, in der Praxis gung verdeutlichten, welche Herausfor- was sie sich weiter wünscht, antwortet zu erproben und im Versorgungssystem derungen der abgegraste Wohnungs- sie: „Ich hätte gerne einen eigenen nachhaltig zu sichern. Im Vorder- markt für ihre Arbeit mit sich bringt. Mietvertrag und die Sicherheit, dass grund steht dabei die aktive Teilhabe Und mit der Wohnungswirtschaft wur- ich dort wohnen bleiben kann.“ psychisch kranker Menschen als de überlegt, welche Lösungswege ge- Expertinnen und Experten in eigener meinsam gegangen werden könnten. Harter Wettbewerb Sache. Das Projekt zeichnet sich So wie Anna Müller bestätigten ein durch eine partizipative Beteiligungs- Nutzerinnen und Nutzer berichten Großteil der 134 Nutzerinnen und und Begegnungskultur aus. Damit Anna Müller ist 36 Jahre und lebt in Nutzer in den vier Modellregionen die Vernetzung innerhalb und außer- Berlin alleine in einer Wohnung, die den Wunsch nach einem selbstbe- halb des Verbandes gelingt, sie durch einen Träger der Eingliede stimmten Zuhause. Angesichts der gibt es auf Bundesebene rungshilfe erhalten hat. Sie er- angespannten Wohnungsmärkte oft einen Projektbeirat, zählt, wie sich durch den ein unerfüllbarer Wunsch. Es sei auf Landesebene eigenen Wohnraum ihr schwer, gegen die „normalen Bürger“ Gremien der Lan- Leben verändert hat: im Wettbewerb um Wohnungen desverbände und „Ich habe zuvor in ei- ankämpfen zu müssen, meinte einer in den Modellre ner betreuten WG mit der Teilnehmer aus Münster, der na- gionen Projekt- anderen Menschen mit mentlich nicht genannt werden teams. psychischen Erkran- möchte. „Wir sind ja mehrfach ange- kungen gelebt, das war schmiert, wir haben ja nicht nur un- zwar eine Zeit lang sere psychische Beeinträchtigung, Manuela wichtig, da ich nicht allei- sondern sind auch arbeitslos und Merz: „Viele Vermieter ne sein konnte und andere vielleicht noch sonst krank, alt oder haben leider immer zum Austausch brauchte, aber Ausländer. Na wunderbar, wer will noch Vorurteile gegen- es wurde irgendwann auch unange- denn was mit uns z u tun haben? Wir über Menschen mit nehm. Jetzt kann ich selbst entschei- sollen auf Bäume klettern, nur sind psychischen den, wann ich was mache. Ich kann keine Äste da, irgendwann fällst du Erkrankungen.“ weiter gesunden und fühle mich zu- runter.“ 10 www.der-paritaetische.de 1 | 2018
Thema Gerade die Abhängigkeit von Sozial- Vorteile für Vermieter, darüber soll- schäftsführer von WIB – Weißenseer leistungen erleben viele der Befragten te mehr aufgeklärt werden. Integrationsbetriebe Verbund. als ein großes Stigma. Nicht wenige ■ Psychische Erkrankungen wecken Steffen Lienemann vom Unionhilfs- schildern problematische Situationen Ängste, hier braucht es Aufklärung werk Berlin erklärte, was es im Alltag beim Jobcenter und beklagen, dass feh- und Information. eines Trägers bedeutet, Wohnraum zu lende finanzielle Mittel häufig zu Wohn- ■ Niedrigere Zugangsmöglichkeiten für unterhalten: „Werbung machen (zum raum führen, der große Mängel auf- Wohnungen: Wohnberechtigungs- Beispiel Mappen und Flyer anfertigen), weist, sich oft in Randlagen und einem scheine beispielsweise müssen in- Kontakte zur Wohnungswirtschaft belastenden Wohnumfeld befindet. Alles nerhalb von Tagen ausgestellt wer- pflegen, den Bestand erhalten, trotz Faktoren, die eine psychische Beein- den, nicht nach Monaten. stark veränderter Marktbedingungen trächtigung eher verstärken können. ■ Es braucht mehr Informationen, wel- Das Zusammenleben mit Menschen che Rechte Mieterinnen und Mieter ohne psychische Beeinträchtigung haben. Menschen mit psychischen wünschen sich viele Befragte. Sie sehen Erkrankungen sollten kostenfrei Mit es als Bereicherung. Umgekehrt ist die glieder im Mieterbund sein können. Unkenntnis in der Gesellschaft über ■ Anforderungen seitens des Sozial- die vielfältigen Krankheitsbilder groß amtes/Jobcenters (beispielsweise im und führt oft zu Problemen. Eine jun- Bezug auf Heiz- oder Stromkosten) ge Frau berichtete, in ihrem Bekann- sollten angemessen/verhältnismäßig tenkreis herrsche Unverständnis, dass zur Situation des Betroffenen sein sie nicht arbeiten gehe. „Dies führt (Stichwort: Ein Umzug wegen 1 6 Euro immer wieder dazu, dass ich mich pro Monat ist nicht zumutbar). Doreen Mützel: minderwertig fühle.“ Das Gefühl von Zu- „Der Bezug von „Minderwertigkeit“ werde auch durch Betreuung ohne Wohnung, wächse an Transferleistungen und Betreuungsleistungen die Anforderungen der Wohnungs wie soll das gehen? Wohnraum ge- bieten Vorteile für wirtschaft verstärkt. So stellen Bewer Die am Projekt beteiligten Träger der nerieren, Reno- Vermieter – darüber bungsverfahren und die Vorgabe, Miet- gemeindepsychiatrischen Versorgung vierungen durch- sollte mehr aufgeklärt schuldenbefreiung und Kostenüber äußerten große Besorgnis über die führen, Anmie- werden.“ nahme nachweisen zu können, Barrie- Entwicklungen am Wohnungsmarkt. tung/Vermietung, ren dar, die in bestimmten Lebens Neuer Wohnraum könne kaum akqui- Wohnungsübergabe, situationen nicht zu meistern sind. riert werden, und angemieteter Wohn- Betriebskostenabrechnung und vieles Dabei verfügen Menschen mit einer raum werde immer öfter gekündigt, mehr.“ Bei der Gestalt ung der Entgelte psychischen Beeinträch tigung durch- beklagten 19 Geschäftsführende und für die Träger werde dies alles jedoch aus über persönliche Ressourcen und Mitarbeitende der Träger. „Bis 2010 nicht berücksichtigt. werden durch ihre Krankheit und deren waren wir gern gesehen. Heute gibt Das Projekt zeigt schon jetzt: Es muss Auswirkungen aus ihrer Sicht meist we- man uns zu verstehen, dass die Träger das erste Ziel bleiben, ein für alle Men- niger eingeschränkt als durch man- eine Belastung und Bremse für die schen bezahlbares und angemessenes gelnde finan zielle Möglichkeiten und Wohnungsunternehmen darstellen, um Zuhause mit einem eigenen Mietvertrag die Engpässe auf dem Wohnungsmarkt. höhere Mietpreise erzielen zu können“, zur Verfügung zu stellen. Dafür braucht Bei einer Befragung in der Modellregion sagte beispielsweise Steffen Liene- es die Kooperation mit der Wohnungs Gelnhausen in Hessen stellten die Teil- mann, der beim Unionhilfswerk Ber- wirtschaft. Wolfgang Medger von der nehmerinnen und Teilnehmer, darun- lin stellvertretender Leiter des Bereichs Berliner Wohnungsbaugesellschaft ter auch Manuela Merz und Doreen Gebäudetechnik/Instandhaltung ist. degewo machte deutlich: „Wir vermit- Mützel (siehe Fotos) folgende Forde- Die sozialen Träger haben erheblichen teln mehr als nur eine Wohnung, wir rungen auf, um die Wohnraumversor- Mehraufwand, um die Wohnraumver- vermitteln ein Zuhause.“ Das lässt da gung von Menschen mit psychischen sorgung ihrer Klientinnen und Klien- rauf hoffen, dass die Kooperation sozia- Beeinträchtigungen zu verbessern: ten zu sichern, ist sie doch auch eine ler Träger mit der Wohnungswirtschaft wichtige Voraussetzung, damit der ausgebaut werden kann und weitere in- ■S owohl Behörden als auch Betroffe- eigentliche Betreuungsauftrag erfolg- novative Modelle entstehen, die die ne sollten kooperativ sein. Gegensei- reich umgesetzt werden kann: „Unsere Wohnraumversorgung für alle Beteilig- tiges Verständnis ist wichtig. Aufgabe ist es, die Selbstständigkeit der ten verbessern. ■ Betroffene sollten die Möglichkeit Menschen zu erhalten oder weiterzu- Sabine Bösing, Referentin für das Projekt erhalten, sich auf Vorstellungsge- entwickeln, zu einer Heilung der Er- „Inklusion psychisch kranker Menschen spräche mit Vermietern gezielter krankung beizutragen und Barrieren bewegen“, Tel.: 030/24636453 vorbereiten zu können. im Umfeld abzubauen und damit ge- E-Mail: inklusion@paritaet.org ■ Der Bezug von Transferleistungen meinsam Lösungen im Alltag zu fin- www.der-paritaetische.de/schwerpunkte/ und Betreuungsleistungen bieten den“, betonte Andreas Schimmer, Ge- wohnen/ 1 | 2018 www.der-paritaetische.de 11
Weiblich, bunt, lebhaft – und ein sicherer Ort für Frauen ohne festen Wohnsitz Der TafF hat ihnen Mut zu einem neuen Lebensabschnitt gemacht: Claudia Rastetter (links), Sandra Lorenz (Mitte) und Silvia Fisovic. Abseits großer Straßen, in einem ruhigen Hinterhof in Karlsruhe, finden ausschließ lich Frauen ohne festen Wohnsitz einen Ort des Rückzugs, der Stärkung und der Gemeinschaft. Der „TafF“, der Tagestreff für Frauen des Vereins Sozialpädagogi sche Alternativen e. V., heißt sie alle willkommen, ohne Vorbehalt und Forderung. E ines Tages war die Räumungs Verzweiflung und vom Wunsch, von der Vor allem Frauen, die auf der Straße klage da. Silvia Fisovic kann bis Brücke zu springen: „Nur der Gedanke leben, rät Silvia Fisovic: „Nehmt Hilfe heute nicht nachvollziehen wieso. an die Enkel hat mich davon abgehal- an!“ Die Leiterin des Tagestreffs, Lissi Zwei gescheiterte Ehen, weil die Män- ten.“ Ihre Kinder wollte Silvia Fisovic Hohnleiner, weiß nur zu gut, dass dies ner gewalttätig waren, Depressionen, mit ihrer Situation nicht belasten: „Die den betroffenen Frauen schwerfällt, und dann das. Wohin nun? Silvia Fisovic haben genug mit sich selbst zu tun, au- auch aus Furcht vor Forderungen: landet beim TafF und kommt über den ßerdem bin ich da allein reingeraten.“ „Was erwarten die von mir?“ Deswe- Treff in eine Wohngemeinschaft des gen ist TafF als niederschwelliges An- Trägervereins Sozialpädagogische Alter „Nehmt Hilfe an!“ gebot konzipiert. Wer kein festes Dach nativen, kurz: Sozpädal. „Ich könnte Über TAfF und Sozpädal hat ihr Leben über dem Kopf hat, findet dort ohne nicht auf der Straße leben“, sagt sie. mittlerweile eine Perspektive bekom- jegliche Vorbedingung einen Ort zum Offen erzählt Silvia Fisovic von ihrer men: „Ich bin froh, dass ich hier bin.“ Verschnaufen und Versorgen: Wärme, 12 www.der-paritaetische.de 1 | 2018
Thema Essen, neue Kleidung, eine Dusche Unterstützung von TafF und Sozpädal und Gespräche mit anderen Frauen, eine neue Richtung geben. Für woh denen man das eigene Leben nicht zu nungslose Menschen in Karlsruhe hat erklären braucht. Manche nutzen TafF der Verein derzeit rund 200 Wohnun- auch als Postadresse. gen angemietet. Ein Teil der Räumlich- keiten ist ausschließlich für Frauen Eine Alternative zu vorgesehen. Mit diesem Angebot hat männerdominierten Orten der Verein Pionierarbeit geleistet, weit Es ist 10 Uhr: TafF eröffnet sein Früh- über die Stadtgrenzen hinaus. „Wir Controlling für stücksbüffet. Platten und Teller sind möchten andere Träger er mutigen, abwechslungsreich bestückt. Bevor sie ebenfalls solche Möglichkeiten zu schaf- soziale Einrichtungen hier zugreifen, stöbern die meisten Be- fen. Denn der Bedarf ist da“, sagt Lissi sucherinnen noch rasch in einem Korb Hohnleiner. Nach Angaben der Bun Zukunftsweisende Unternehmenspla- mit Körperpflegeartikeln, die ebenso desarbeitsgemeinschaft Wohnungslo wie die Speisen gespendet sind. Nach senhilfe ist der Anteil der Frauen an nung und Steuerung erfordern den Ein- kurzer Zeit herrscht Kaffeehaus- den Wohnungslosen auf deutlich mehr satz professioneller Software, die Sie atmosphäre, an den Tischen wird als 25 Prozent gestiegen. permanent unterstützt und von zeitauf- munter geplaudert. „Bei uns ist es wändigen Routinearbeiten entlastet. weiblich, bunt und lebhaft“, sagt Lissi Frauenpension und Hohnleiner. Das sei der Unterschied Beschäftigungsprojekt Mit Xview haben wir eine leistungsfä- zu vielen anderen Einrichtungen für Die Chance, die TafF und Sozpädal ihr hige und intuitiv bedienbare Business wohnungs lose Menschen. Die TAfF- boten, nutzte auch Sandra Lorenz für Intelligence Software speziell für den Leiterin beschreibt sie als „männer- einen Neustart. Nach ihrer Flucht aus Einsatz in sozialen Einrichtungen dominiert“, weshalb sich Frauen dort der ehelichen Gewalt fand sie zunächst nicht so wohl fühlten. Aus dieser Er- einen Platz in der Frauenpension des entwickelt. fahrung heraus gründete Sozpädal vor Vereins, nun lebt sie mit ihren Kindern 17 Jahren einen offenen Treff aus- wieder in einer eigenen Wohnung. Xview bietet eine optimale Basis für schließlich für Frauen. Sandra Lorenz geht weiterhin täglich Planung, Simulation, Steuerung und in den Frauentreff – zur Arbeit. Denn Analyse Ihrer Unternehmensdaten. Die Gemeinschaft unter einem Dach TafF umfasst auch ein Beschäftigungs- Erstellung von Unternehmensplanun- Von „ihrer“ Klientel, so schätzt die projekt, um die Teilnehmerinnen zu gen, Forecasts, Kennzahlen, grafischen TafF-Leiterin, leben rund zehn Prozent qualifizieren. Derzeit legen 20 bis 30 Analysen, Ampelanalysen, Dashboards auf der Straße. Wer dazu gehört, lässt Frauen im täglichen Betrieb mit Hand oder einem automatisierten Berichts- sich keinesfalls auf den ersten Blick an. Sie managen zum Beispiel die erkennen. „Viele der Frauen achten auf Kaffeetheke, arbeiten in der Kleider- wesen sind schnell und intuitiv möglich. ihr Äußeres“, erklärt Lissi Hohnleiner. kammer und halten den Sanitärbe- Unter den täglich bis zu 80 Besuche- reich in Schuss. Sandra Lorenz ist noch rinnen sind „Couch Hopperinnen“, die im Außendienst eingesetzt, Wäsche sich bei Bekannten durchschlagen, waschen in der Familienpension. Die ebenso wie Frauen aus Notunterkünften gelernte Fleischerei-Fachverkäuferin und ältere Frauen aus der Nachbar- möchte sich über TafF fitmachen für schaft, allein und mit schmaler Rente. ihre Rückkehr in den ersten Arbeits- Gemeinschaft unter einem Dach, das markt, „gern wieder in den Verkauf“. schätzen alle Frauen. Und dass „wir sie Bis Sohn und Tochter im Kita-Alter professionell in Ruhe lassen“, so die waren, hatte Sandra Lorenz die beiden ... das rechnet sich für Sie! Leiterin. Manche Frauen ohne feste Kinder zur Arbeit mitnehmen können: Wohnung betrachten die Sozialarbeite- „Das hat gut funktioniert.“ Ihr Nach- rinnen fast als Freundinnen, denen sie wuchs betrachte den Treff schon als sich mitteilen. „Aber wenn man ihnen ihr zweites Zuhause und die Spielecke dann einen Rat geben will, zucken sie dort als sein Zimmer. Der TafF ist we- zurück“, so Lissi Hohnleiner. Es gen der alleinerziehenden Mütter auf braucht Feingefühl und personelle Kinder eingerichtet, am Wochenende Kontinuität, damit die Frauen über die sind bis zu 15 Mädchen und Jungen da. Gesprächsnähe hinaus ihre Scheu und Sandra Lorenz empfindet den Treff Vereinbaren Sie Ihren Verschlossenheit aufgeben. Bedrängt „wie eine Familie“. Das Team der Ein- Präsentationstermin! wird niemand. Wer sich öffnet und richtung habe sie stets durch „alle Hö- info@controlling-and-more.com Hilfe sucht, kann seinem Leben mit hen und Tiefen“ begleitet. Dieses >> 1 | 2018 www.der-paritaetische.de 13 Controlling & more Software GmbH www.controlling-and-more.com
Thema Füreinander-Da-Sein schätzt auch Sil- sie müssen erst ihre Ressourcen (wie- TafF bis zur Rente. Claudia Rastetter via Fisovic. Sie ist ebenfalls im TafF der)entdecken und behutsam neue engagiert sich mittlerweile auch außer- beschäftigt und froh, dass es bei „bei Routinen aufbauen. „Wenn’s mal halb dieser schützenden Gemeinschaft: der Arbeit keinen Druck gibt. Das hilft schiefläuft“, so die Leiterin, „dürfen Sie kümmert sich als ehrenamtliche mir“. Manchmal kann sie wegen ihrer die Frauen es jederzeit nochmal pro- Bereichsleiterin der Diakonie um Zu- Depression einfach nicht arbeiten, bieren.“ bereitung und Ausgabe von Vesperbro- weiß aber, dass sie jederzeit zurück- Diesen Grundsatz begrüßt Claudia ten in einer Kirchengemeinde. kehren kann. Rastetter als „Vertrauen, dass man et- was leisten kann“. Sie hat sich nach Text und Foto: Bernd Kleiner Nicht einfach den Schalter umlegen bitterer Zeit wieder hochgerappelt, Das ist Prinzip. „Woanders würden die kam aus einer Notunterkunft ins be- Frauen in so einem Fall gleich rausflie- treute Wohnen bei Sozpädal und wech- TafF – Tagestreff für Frauen gen“, erklärt Lissi Hohnleiner. Der selte später wieder in eine eigene Bleibe. Lissi Hohnerlein TafF nimmt sie wieder auf. Denn die Die gelernte Altenpflegerin kann Tel.: 0721/16089880 E-Mail: taff@sozpaedal.de Frauen können nicht einfach einen krankheitsbedingt ihren Beruf nicht www.sozpaedal.de Schalter umlegen und durchstarten, mehr ausüben und bleibt daher bei Wo sollen Menschen wohnen, die auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind? I nzwischen ist es auch in Ballungs- Haushalte sind es, welche die Folgen diese eher den Zuschlag für eine Woh- gebieten selbst für Durchschnitts- der Mietenexplosion zuerst spüren. nung. Wer Arbeitslosengeld II be- verdienerinnen und -verdiener schwer Für die Bezieherinnen und Bezieher kommt, muss sich bei der Wohnungs- geworden, eine bezahlbare Wohnung von Arbeitslosengeld II, auch Hartz IV suche ganz hinten anstellen. zentral in der Stadt zu finden. Zu er- genannt, stellt sich nicht einmal mehr wartender Nachwuchs beispielsweise die Frage, wo sie wohnen wollen. Zwar Immer mehr bezahlbarer und der damit einhergehende Bedarf haben sie Anspruch auf Übernahme Wohnraum fällt weg nach einer größeren Wohnung stellt ihrer Mietkosten, aber in einem eng Bleibt die Frage, wo bezahlbare Woh- auch die vor Probleme, die von der Krise gesteckten Rahmen. Nicht mehr als nungen herkommen sollen. Sicherlich des Wohnungsmarktes bisher noch gar durchschnittlich 50 Quadratmeter darf nicht von der Bauwirtschaft, die seit nichts mitbekommen haben. Der Um- eine alleinlebende Person bewohnen – Jahren auf „Betongold“ und damit auf zug von einer Drei- in eine Vierzim- und was pro Quadratmeter bezahlt wird, hochpreisige Eigentumswohnungen merwohnung? Selbst für die mit mitt- legt die jeweilige Kommune fest, die setzt. In der sehenswerten Dokumen- leren Einkommen zunehmend ein Pro- nicht gerade Geld übrig hat und ebenso tation „Die Stadt als Beute“ fragt ein blem, zumindest wenn sie nicht mit unter steigenden Mieten und der Profit- Vertreter der Immobilienwirtschaft dem Stadtrand vorlieb nehmen wollen. gier der Immobilienkonzerne leidet. verräterisch: „Muss denn ein Hartz- Kurzum: Die Wohnungsnot ist in der IV-Empfänger am Potsdamer Platz Mitte der Gesellschaft angekommen. Oft geht ein Teil des Regelsatzes wohnen?“ In der Verwertungslogik für die Miete drauf der Bauindustrie ist kein Platz für 50 Quadratmeter für eine Darüber ärgert sich auch Werner Hes- Ä rmere. Gleichzeitig fällt durch aus- alleinlebende Person se, Geschäftsführer des Paritätischen laufende Belegungsbindung immer Dieses Phänomen ist relativ neu. Gar Gesamtverbandes. „Es darf nicht sein, mehr bezahlbarer Wohnraum weg. nicht neu und deswegen viel weniger dass die Jobcenter ihr knappes Geld Zehntausende Sozialwohnungen ver- in den Medien präsent ist, dass dieje- den Vermieterhaien in den Rachen schwinden pro Jahr trotz leichtem nigen, die wenig oder gar nichts verdie- werfen“, meint Hesse. Oft sind Miete- Neubauanstieg. Aber auch wenn es nen, erst recht keine Chance auf eine rinnen und Mieter dann sogar gezwun- teuer wird, ist hier vornehmlich der Wohnung haben. Ihnen bleibt gar gen, einen Teil ihres Regelsatzes selbst Staat gefragt. Bund, Länder und Kom- nichts anderes übrig als der Stadtrand in die Miete zu stecken. munen müssen ihre Anstrengungen oder im schlimmsten Fall die Obdach- Hinzu kommt das Stigma „Hartz IV“ verstärken und wieder für bezahlbare losigkeit. Es ist fast so, als hätten sich bei der Wohnungssuche. Da besonders Wohnungen sorgen. viele ein bisschen daran gewöhnt. kleinere Wohnungen für Singles oder Doch gerade die armutsgefährdeten Studenten gesucht sind, bekommen Philipp Meinert 14 www.der-paritaetische.de 1 | 2018
Thema Drei Fragen an Werena Rosenke zum Thema Wohnungslosigkeit Die BAG Wohnungslosenhilfe Deutschland ohne Wohnung – seit Foto: BAG-W (BAG W) hat jüngst bei ihrer 2014 ist dies ein Anstieg um rund Jahrestagung in Berlin die aktuelle 150 Prozent. Werena Rosenke, Schätzung zur Zahl der wohnungs Geschäftsführerin der Bundes- losen Menschen in Deutschland arbeitsgemeinschaft Wohnungslo vorgelegt: 2016 waren demnach senhilfe, rechnet damit, dass die etwa 860.000 Menschen in Zahlen sich noch verschlechtern. Frau Rosenke, wie sieht Ihre Prognose im Regelfall weiterhin in den Gemein- zur Entwicklung der Wohnungslosen schaftsunterkünften geduldet wird, zahlen aus? stellt also etwa die Hälfte aller Wohnungslosen in Deutschland. Aber Werena Rosenke: Wir erwarten von 2017 auch ohne die Wohnungslosigkeit von „Wir fordern einen auf 2018 einen weiteren Zuwachs um Flüchtlingen müssen wir leider davon Wohnungsgipfel und circa 350.000 Menschen. Insgesamt ausgehen, dass der Anstieg der Woh- wird die Zahl dann auf etwa 1,2 Milli- nungslosenzahlen zwischen 2015 und einen Nationalen onen Wohnungslose steigen. Das wäre 2016 unseren früheren Prognosen ent- A ktionsplan gegen eine weitere Steigerung um etwa sprochen hat. Die Zuwanderung hat 40 Prozent. Diese Zahl ist alarmierend. die Gesamtsituation zwar dramatisch Wohnungsnot.“ Leider sind unsere regelmäßigen verschärft, aber sie ist keinesfalls allei- Schätzungen immer noch nicht durch nige Ursache der neuen Wohnungs- offizielle staatliche Erhebungen bestä- not. Das ist vielmehr die seit Jahrzehn- zur Versorgung von Menschen in ei- tigt, obwohl wir seit Jahren eine ten verfehlte Wohnungspolitik in ner Wohnungsnotfallsituation akqui- Wohnungsnotfallstatistik von der Deutschland in Verbindung mit der riert werden. Außerdem sollte bei der Bundesregierung fordern. Nordrhein- unzureichenden Armutsbekämpfung. Übernahme von Mietschulden zur Westfalen zeigt, dass so etwas machbar Vermeidung von Räumungsklagen ist. Außerdem fordern wir einen Woh- Es muss also dringend mehr bezahlbarer auch im Sozialgesetzbuch II die Mög- nungsgipfel und einen Nationalen Wohnraum geschaffen werden ... lichkeit vorgesehen werden, Leistun- A ktionsplan gegen Wohnungsnot. gen als Beihilfe zu gewähren. Und Wohnen ist ein Menschenrecht. Es ist Auf jeden Fall. Aber nicht nur das. außerdem sollte die Kürzung der Kos- ein Skandal, dass so viele Menschen Das ist zwar eine wichtige Voraus ten von U nterkunft und Heizung im auf der Straße oder in unwürdigen setzung für die Bekämpfung von Rahmen der Sanktionierung bei Notunterkünften leben oder sich bei Wohnungs losigkeit, aber nicht aus Unter-25-Jährigen endlich gestrichen Freunden durchschlagen müssen. Seit reichend. Bund, Länder und Kommu- werden. Denn diese ist absolut kontra- 1990 sind in Deutschland immerhin nen müssen massive Anstrengungen produktiv. UB mindestens 300 Menschen ohne zur Bekämpfung der Wohnungs Obdach erfroren. losigkeit unternehmen. Unter ande- rem sagen wir: Der Bund muss wie- Werena Rosenke ist seit Januar als Seit 2016 schließt die BAG W in ihre der mehr f ür den sozialen Wohnungs- Nachfolgerin von Thomas Specht Schätzung die Zahl der wohnungslosen bau tun, kommunale Wohnungsbau- Geschäftsführerin der Bundesarbeits anerkannten Flüchtlinge ein ... gesellschaften müssen gestärkt und gemeinschaft Wohnungslosenhilfe. eine funktionierende Mietpreisbremse Seit 2003 war sie bereits stellver 2016 betrug die Zahl der wohnungslo geschaffen werden. Die Kommunen tretende Geschäftsführerin. sen Menschen ohne Berücksichtigung müssen aber auch gezielte Maßnah- Bundesarbeitsgemeinschaft der wohnungslosen Flüchtlinge gut men ergreifen, um bereits woh Wohnungslosenhilfe 420.000. Wir schätzen die Zahl der nungslose Haushalte wieder mit Woh- Tel.: 030/2844537-11 wohnungslosen anerkannten Flücht- nungen zu versorgen. Und es müssen E-Mail: werenarosenke@bagw.de linge auf circa 440.000 Menschen. Diese gezielt bei privaten Vermietern und www.bagw.de zusätzliche Gruppe Wohnungsloser, die der Wohnungswirtschaft Wohnungen 1 | 2018 www.der-paritaetische.de 15
Thema Foto: Studierendenwerk Stuttgart Kopf braucht Christoph Düpper Dach Kampagne der Studierendenwerke für bezahlbaren Wohnraum F ür immer mehr der rund 250 Euro im Monat und deckt in vielen Studienplätze seit dem Jahr 2008 um 2,8 Millionen Studierenden in Städten nicht einmal die Kosten eines 42 Prozent gestiegen ist, wurden bei Deutschland wird es zunehmend kleinen Zimmers in einer Wohngemein- den Studentenwerken seitdem gerade schwierig, bezahlbaren Wohnraum zu schaft. einmal fünf Prozent mehr Wohnheim- finden. Besonders in den Hochschul- plätze mit staatlicher För derung ge- städten stellt die angespannte Lage auf Frage der Bildungsgerechtigkeit schaffen. Diese Schere darf nicht noch dem Wohnungsmarkt für Studentinnen „Sozialverträgliche, bezahlbare Mie- weiter auseinanderklaffen“, mahnt und Studenten ein großes Problem dar. ten, die sich am BAföG orientieren, Achim Meyer auf der Heyde. Die Wahl Viele müssen daher zwischen dem oft können die Studentenwerke bei Neu- des Studienorts dürfe nicht vom Geld- weit entfernten Wohnort und der Uni bau und Sanierung nur realisieren, beutel abhängen. Bezahlbarer Wohn- pendeln oder wohnen notgedrungen wenn sie von der Politik mit Zuschüssen raum sei auch eine Frage der Bildungs- noch bei den Eltern. Mit einer Kam unterstützt werden“, erläutert Achim gerechtigkeit sowie eine Chance für die pagne unter dem Titel „Kopf braucht Meyer auf der Heyde, Generalsekretär Zukunft: Studierende verjüngten heute Dach“ m achen die 58 im Deutschen des Deutschen Studentenwerks. Zwei die Städte und arbeiteten morgen als Studentenwerk organisierten Studen- Milliarden Euro würden für den Bau hoch qualifizierte Fachkräfte.UB ten- und Studierendenwerke nun auf von 25.000 zusätzlichen Wohnheim- dieses Problem aufmerksam. Sie plätzen benötigt, 1,3 Milliarden Euro Deutsches Studentenwerk appellieren an die Politik auf Bundes-, für die Sanierung bestehender Wohn- 10178 Berlin Länder- und kommunaler Ebene, den heime. Von Bund und Ländern brau- Tel: 030/297727-10 Neubau und die Sanierung der Wohn- che man dafür zusätzlich 1,45 Milliar- E-Mail: dsw@studentenwerke.de Zur Kampagne: heime für Studierende besser zu unter- den Euro an Zuschüssen. „Während www.mein-studentenwohnheim.de stützen. Schon länger fordern die Stu die Zahl der staatlich geförderten dentenwerke einen gemeinsamen Bund- Länder-Hochschulsozialpakt für Neubau und Sanierung von Wohnheimen. Das Theodor-Heuss- Heim – ein Wohnheim Fast 200.000 Studierende des Studierenden leben in Wohnheimen werks Stuttgart Derzeit leben rund 192.000 Studierende Foto: in den rund 1.700 Wohnheimen der Studierendenwerk Studenten- und Studierendenwerke. Mit Stuttgart/die arge lola einer durchschnittlichen Warmmiete von 241 Euro im Monat ist das Wohn- heim des Studentenwerks die für Stu dierende preisgünstigste Wohnform außerhalb des Elternhauses. Die Wohn- pauschale beim BAföG liegt aktuell bei 16 www.der-paritaetische.de 1 | 2018
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