Der 6. Kondratieff - Wohlstand in langen Wellen - Analysen & Trends Januar 2010 - Allianz

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Der 6. Kondratieff - Wohlstand in langen Wellen - Analysen & Trends Januar 2010 - Allianz
Analysen & Trends

Der 6. Kondratieff –
Wohlstand in langen Wellen
Januar 2010
Der 6. Kondratieff - Wohlstand in langen Wellen - Analysen & Trends Januar 2010 - Allianz
Inhalt
Der 6. Kondratieff – Wohlstand in langen Wellen            3

Kondratieffzyklen                                          4

Finanzkrise – die Mutter des 6. Kondratieff?               5

Zeitreise in die Zukunft – mit den Trends von morgen       7

Globalisierung und Demografie: Beschleuniger des Wandels   7

Asien – das Gravitationszentrum des 21. Jahrhunderts       9

Industriestaaten: Keimzelle des 6. Kondratieffzyklus?      10

Eco-Trends – Ökologisierung der Wirtschaft                 11

Megatrend kleinste Strukturen                              17

Megatrend ganzheitliche Gesundheit                         20

Fazit                                                      23

Investors Corner                                           25

 
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Analysen & Trends

Der 6. Kondratieff – Wohlstand
in langen Wellen
                        Von der Erfindung der Dampfmaschine bis zum Internet – die
                        ­letzten 200 Jahre Wirtschaftsgeschichte waren geprägt von 5
                         ­langen (Kondratieff-)Zyklen. Anleger fragen sich: Sind die Bereiche
                          Umwelt, Biotechnologie und Gesundheit die ökonomischen
                          Kraftquellen von morgen?

Von der Erfindung der Dampfmaschine im         deren Ende sich zumeist eine Krise größeren   Hören statt Lesen:
18. Jahrhundert, der Eisenbahn und der Elek­   Ausmaßes entlud. Anleger fragen sich: Mar­    Die Studie gibt es auch als
trizität im 19. Jahrhundert bis hin zur Ent­   kiert die Finanzkrise vielleicht die Geburt   3-teiligen Podcast unter:
wicklung des Automobils sowie der Informa­     eines neuen 6. Wohlstandszyklus? Sind viel­   www.allianzgi.de/podcast
tionsgesellschaft im 20. Jahrhundert verlief   leicht die Bereiche Umwelt, Biotechnologie
die Wirtschaft in fünf langen Wellen. Fünf     und Gesundheit die ökonomischen Kraftquel­
große Wirtschaftszyklen, geprägt von Phasen    len von morgen? Können sie uns zurück auf
lang­fristi­gen Wohlstandswachstums, an        einen nachhaltigen Wachstumspfad führen?

                                                                           Fünf große Wirtschaftszyklen,
                                                                           geprägt von Phasen langfris­tig­
                                                                           en Wohlstandswachstums, an
                                                                           deren Ende sich zumeist eine
                                                                           Krise größeren Ausmaßes ent-
                                                                           lud.

                                                                                                                         
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    Summa Oeconomica

    • Die zeitlich nah aufeinander folgenden Krisen, der TMT-Bubble und der jüngsten Finanzkrise, könnten die Mut­
      ter des 6. Kondratieffzyklus markieren. Vier Kennzeichen Kondratieffs, die eine Trendwende zu einem neuen
      Kondratieffzyklus einleiten, scheinen derzeit erfüllt:
      1. Nutzungspotenzial alter Basisinnovation erschöpft (Zyklus von ca. 40 bis 60 Jahren).
      2. Hoher Überschuss an Finanzkapital (versus Sachkapital).
      3. Starke Rezessionsphase (Phase des Umbruchs).
      4. Soziale/institutionelle Veränderungen.

    • Auf der Suche nach der Kraftquelle des neuen 6. Kondratieffzyklus finden sich gleich zwei Impulsgeber:
      1. Zukünftige Megatrends, die zu Nachfrageverschiebungen führen, wie Globalisierung und Demografie.
      2. Trends bzw. Innovationen, die die Angebotsstruktur in der Wirtschaft verändern, wie Umwelttechnologie,
         Bio- und Nanotechnologie oder „ganzheitliche Gesundheit“.

    • Im Übergang vom 5. auf den 6. Kondratieffzyklus werden durch die Megatrends Globalisierung und Demografie
      die Nachfrageimpulse wohl vorwiegend von den Schwellenländern insbesondere Asiens ausgelöst.

    • Der Weg der Industriestaaten hin zu einer Wissensökonomie scheint bereits vorgezeichnet. Es ist daher wahr­
      scheinlich, dass von ihnen auch der 6. Kondratieffzyklus ausgehen wird.

    • Während im aktuellem Kondratieffzyklus das Informationszeitalter zu einer enormen Erhöhung der Arbeits­
      produktivität geführt hat, scheint der Schlüssel für eine zukunftsträchtige Wirtschaft im nächsten langen
      Zyklus die Steigerung der Ressourcen- und Energieproduktivität zu sein. Wachstum wird künftig wohl aus einer
      neuen Mischung von Ökonomie, Ökologie und gesellschaftlichem Engagement generiert. „Eco-Trends“ heißt der
      künftige Strukturwandel der Wirtschaft.

    • Hinsichtlich einer neuen Ressourcen- und Energieproduktivität im 6. Kondratieffzyklus erscheinen auch die
      Perspektiven der Bereiche Nano- und Biotechnologie interessant. Denn durch innovative Materialien und Materi­
      aleigenschaften sowie neue Prozesse können sie in vielen Bereichen für einen ressourcen- und energiescho­
      nenden und damit umweltfreundlicheren Verbrauch sorgen.

    • Nicht nur für den Biotechnologiesektor, sondern auch für andere Wirtschaftsbereiche könnte der Gesundheits-
      sektor ein weiterer bedeutender Wachstumsmotor im 6. Kondratieffzyklus sein. Denn mit dem Paradigmen­
      wechsel, nach dem in der Wahrnehmung Gesundheit zunehmend von einer „Eigenschaft“ zu einer Ressource
      und von einem Kostenfaktor zu einem Wachstumstreiber für Wirtschaft und Beschäftigung wird, sollte die
      Branche weiter an ökonomischer Bedeutung gewinnen

Kondratieffzyklen                                 schwungs werden. Vorausgesetzt, diese so
                                                  genannten Basisinnovationen durchdringen
Bei der Suche nach einer Antwort auf die          nahezu alle Bereiche der Volkswirtschaft und
Frage zur Entstehung langfristiger (Struktur-)    lösen in der gesamten Wirtschaft neue Pro­
Zyklen stößt man auf einen Ökonomen               duktivitätsschübe aus. Seit der industriellen
namens Nikolai Kondratieff. Er beobachtete        Revolution Ende des 18. Jahrhunderts bis
langfristige Wirtschaftsschwankungen in           heute unterscheidet er zwischen fünf
Zyklen von 40 bis 60 Jahren, so genannte          Kondratieffzyklen:
Kondratieffzyklen. Nach seiner Theorie ste­
hen am Anfang eines jeden Zyklus neue tech­       Die genannten Zyklen markieren Zeiten des
nologische Errungenschaften, die zu Trägern       Umbruchs – fünf lange Zyklen, in denen
eines lang anhaltenden Konjunkturauf­             technologische Netze ganze Gesellschaften
                                                  veränderten:


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   Kondratieffzyklen             1. Kondratieff           2. Kondratieff           3. Kondratieff     4. Kondratieff    5. Kondratieff

   Periode (ca.)                 1780 bis 1830            1830 bis 1880            1880 bis 1930      1930 bis 1970     1970 bis heute

   Erfindung                     Dampf­                   Eisenbahn,               Elektrizität,      Automobil,        Informations-,
                                 maschine                 Stahl                    Chemie             Petrochemie       Kommunikati­
                                                                                                                        onstechnik

   Bedarfsfeld                   Bekleidung               Massen­                  Massen­            Individuelle      Information
                                                          transport                produktion         Mobilität         und Kommuni­
                                                                                                                        kation

Quelle: L. A. Nefiodow, „Der Sechste Kondratieff“, 2006; Darstellung: AllianzGI Kapitalmarktanalyse

• Alte Industriezweige wurden durch neue
  verdrängt.
• Unternehmenskulturen und -prozesse
  haben sich gewandelt.
• Neue Berufsfelder sind entstanden.
• Mit ihnen vollzogen sich mehrjährige Pha­
  sen langfristigen Wohlstandswachstums.
• Diese waren verbunden mit zumeist ten­
  denziell steigenden Aktienmärkten.

Im jüngsten langfristigen Zyklus sind es zum
Beispiel der PC und das Internet, die das täg­
liche Leben und Arbeiten zum Teil radikal
verändert haben.

Und bei jedem dieser Strukturzyklen waren
es die Finanzmärkte, die das Ende eines
Zyklus durch übertriebene Spekulationen
und zu sehr aufgeblähte Vermögenspreisbla­
sen herbeiführten. Sie fungierten gleichzeitig
auch als Beschleuniger des Aufschwungs.

Finanzkrise – die Mutter des
6. Kondratieff?
Zu Beginn eines neuen Kondratieffzyklus
brauchen Unternehmer in der Regel reich­
lich Geld, um sich die Dampfmaschine, den
(Liefer-)Wagen oder das IT-System kaufen zu
können. Steigende Zinsen stören nicht, da
die Unternehmer mit ihren produktiveren
Anlagen schließlich auch mehr verdienen.
Doch irgendwann, nach mehreren Jahren
sind die neuen technologischen Netze
erschlossen. Investitionen in das Gleiche
rentieren sich immer weniger. Die Folge: Die
Kreditnachfrage wächst langsamer, und am
Ende tendieren die (Real-)Zinsen gegen Null.
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Das war so bei der Panik 1837, rund um die                             beispielsweise macht die Arbeitsprozesse                               Eine weiterführende
Zeit des Gründerkrachs 1873, der Weltwirt­                             nicht mehr sehr viel produktiver. Der Feld­                            Analyse zum Thema
schaftskrise 1929 und den Ölkrisen 1974                                zug des Internets ist bereits weit vorange­                            „Konjunktur“ ­finden Sie
sowie 1980. Und diese Tendenz war auch in                              schritten.                                                             direkt unter http://www.
den zeitlich nah aufeinander folgenden Kri­                          • Ebenso war die Wirtschaft bis 2007, vor dem                            allianzgi.de/kapitalmarkt-
sen, der TMT-Bubble und der jüngsten                                   Ausbruch der Finanzkrise, von einem Über­                              analyse Rubrik
Finanzkrise, zu beobachten.                                            schuss an Finanzkapital geprägt. Mit der                               PortfolioPraxis/Akademie
                                                                       Expansion der Kredit-(Derivate-)Wirtschaft
Zusammenfassend nennt Kondratieff u. a.                                traf zu viel Geld auf zu wenig Realwirtschaft.
vier Kennzeichen, die eine Trendwende zu                               Mit der Dominanz des Finanz- über das
einem neuen Kondratieffzyklus einleiten:                               Sachkapital (Summe der Betriebsmittel)
                                                                       suchten Anleger auf ihrer Renditejagd
1. Nutzungspotenzial alter Basisinnovation                             nach Anlagealternativen, die sie größten­
   erschöpft (Zyklus von ca. 40 bis 60 Jahren).                        teils in kreditfinanzierten US-Immobilien
2. Hoher Überschuss an Finanzkapital                                   oder in Finanzderivaten fanden.
   (versus Sachkapital).                                             • Die Folge war eine Finanzkrise, die in eine
3. Starke Rezessionsphase (Phase des                                   Weltwirtschaftskrise mündete, wie wir sie
   Umbruchs).                                                          seit 1930 nicht mehr erlebt haben. Der
4. Soziale/institutionelle Veränderungen.                              9. März 2009 war für Anleger ein histori­scher
                                                                       Tag – im negativen Sinne. An diesem Tag
Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass alle                         markierten US-amerikanische Aktien nicht
vier genannten Kriterien, die den Prozess                              nur das Kurstief des S&P 500, sondern gleich­
einer Neuorientierung der Wirtschaft mar­                              zeitig fiel die 10-Jahres-Performance des US-
kieren, auf die aktuelle Finanz- und Wirt­                             Aktienindex mit einer durchschnitt­lichen
schaftskrise zuzutreffen scheinen:                                     Rendite von -8 % p. a. auf das niedrigste
                                                                       Niveau seit 200 Jahren (siehe Schaubild 1).
• Der Produktivitätsschub der Informations­                          • Und schließlich wird derzeit an einer glo­
  technik, die 1941 mit der Erfindung des                              balen ordnungspolitischen Finanzarchitek­
  Computers „Z3“ durch Konrad Zuse ihren                               tur gebastelt, die das Fundament für ein
  Ursprung hatte, scheint langsam auszu­                               nachhaltiges Wirtschafts- und Finanz­
  klingen. Ein noch schnelleres Notebook                               system bilden soll.

Schaubild 1: Kondratieffzyklen – Wohlstand in langen Wellen.
Rollierende 10 Jahresrenditen des S&P 500 seit 1814 bis März 2009 (in %, p. a.)
                                                                                                           4. Kondratieff                5. Kondratieff    6. Kondratieff
                                                                                                            1930-1970                      1970-2010        2010-20XX
                                                                                                             Automobil,                  Informations-    Umweltmarkt?
                                                                                                            Petrochemie                      technik           Nano-/
18%          1. Kondratieff          2. Kondratieff                    3. Kondratieff                                                                     Biotechnologie?
16%           1780-1830               1830-1880                         1880-1930                                                                           Gesundheit?
                Dampf-                 Eisenbahn,                     Elektrontechnik,
14%            maschine,                  Stahl                            Chemie
12%          Textilindustrie

10%
    8%
    6%
    4%
    2%
    0%
    -2 %
                                                                                                                            1. & 2. Ölkrise
    -4 %
                                                      Gründerkrise                                                           1974-1980
    -6%                                                1873-1879
    -8 %            Panik von 1837                                                       Weltwirtschaftskrise
                                                                                                                                                      Finanzkrise
                      1837-1843                                                              1929-1939
-10 %                                                                                                                                                 2007-2009
           1819 1829 1839 1849 1859 1869 1879 1889 1899 1909 1919 1929 1939 1949 1959 1969 1979 1989 1999 2009
               S&P 500 rollierende 10-Jahresrenditen
Keine Prognose für die Wertentwicklung einer Fondsanlage; Quelle: Datastream; Darstellung: Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse


Der 6. Kondratieff - Wohlstand in langen Wellen - Analysen & Trends Januar 2010 - Allianz
Analysen & Trends

Schaubild 2: Globaler Trend: Demografie.
Bevölkerung in Millionen Menschen

6.000

5.000

4.000

3.000

2.000

1.000

   0
                  Afrika               Asien                Europa            Lateinamerika   Nordamerika
           2005            2020           2050
Quelle: UN, Population Division; Darstellung: Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse

Die jüngste Finanzkrise könnte eine Phase                       Potenzial zu einer ökonomischen, politi­           Eine weiterführende
des Umbruchs markieren, wie sie Kondratieff                     schen sowie gesamtgesellschaftlichen Ein­          Analyse zum Thema
charakterisiert hat. Der 6. Kondratieffzyklus                   flussnahme und können gleichzeitig neue            „Demografie“ ­finden Sie
hat vermutlich bereits begonnen, nur die                        Produktivitätsschübe in mehreren Wirt­             direkt unter http://www.
Haupt- und Nebenrollen sind noch nicht ver­                     schaftsbereichen auslösen.                         allianzgi.de/kapitalmarkt-
geben.                                                                                                             analyse Rubrik Analysen &
                                                                                                                   Trends/ Megatrend:
                                                                Globalisierung und Demografie:
Wie geht es also weiter? Welche Trends                                                                             Demografie
könnten den nächsten, den 6. Kondratieff­                       Beschleuniger des Wandels
zyklus prägen? Und was bestimmt unser
Leben im 21. Jahrhundert, wofür das Funda­                      Zwei Aspiranten für eine Hauptrolle im näch­
ment heute gelegt wird?                                         sten langen Wirtschaftszyklus scheinen bereits
                                                                identifiziert zu sein: Globalisierung und demo­
                                                                grafischer Wandel. Durch sie sind vor allem
Zeitreise in die Zukunft – mit                                  globale Nachfrageverschiebungen zu erwar­
den Trends von morgen                                           ten. Ihre Wirkung besteht bereits seit längerer
                                                                Zeit, ihre volle Tragweite dürften sie aber erst
Auf der Suche nach der Kraftquelle des                          in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ent­
neuen 6. Kondratieffzyklus finden sich gleich                   falten.
zwei Impulsgeber:
                                                                Mit dem Wegfall technologischer Schranken
1. Zukünftige Megatrends, die zu Nachfrage­                     durch das Internet hat die Globalisierung
   verschiebungen führen, wie Globalisie­                       eine neue Qualitätsstufe erreicht. Nicht nur
   rung und Demografie.                                         Waren können per Knopfdruck auf jedem
2. Trends bzw. Innovationen, die die Ange­                      Fleck der Erde angeboten werden, vielmehr
   botsstruktur in der Wirtschaft verändern,                    erlaubt das Internet nun auch den Export
   wie Umwelttechnologie, Bio- und Nano­                        von Dienstleistungen. So ist der Welthandel
   technologie oder „ganzheitliche Gesund­                      seit 1987 im Volumen um das 4-Fache gestie­
   heit“.                                                       gen, obwohl sich die globale Wirtschaftslei­
                                                                stung (Bruttoinlandsprodukt) im gleichen
Voraussetzung: Diese so genannten Mega­                         Zeitraum lediglich verdoppelt hat.
trends bzw. Basisinnovationen haben das

                                                                                                                                              
Der 6. Kondratieff - Wohlstand in langen Wellen - Analysen & Trends Januar 2010 - Allianz
Analysen & Trends

Schaubild 3: Asien meldet sich in der Weltwirtschaft zurück.
Weltanteile Asiens 2009 und 1995 im Vergleich (in %)

Marktkapitalisierung in USD*

                       BIP in USD

     BIP (kaufkraftbereinigt)

         Energieverbrauch**

             Devisenreserven

                     Bevölkerung

                                    0%              10%            20%          30%         40%         50%         60%
                                         2009            1995

* ohne Japan; ** Jahr 2008
Quelle: MSCI, IWF,UN, BP, Darstellung: Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse

Während sich die Erde immer stärker vernetzt,                            vorwiegend in den Schwel­len­ländern, wird die
ist jedoch demografisch betrachtet eine zuneh­                           Bevölkerung weiter wachsen und vergleichs­
mende Zweiteilung der Welt erkennbar (vgl.                               weise jung bleiben.
Schaubild 2). Zwar wird die Weltbevölkerung
bis 2050 um rund 40 % auf über 9 Mrd. Men­                               Aus diesen beiden Megatrends dürften sich in
schen anwachsen. Doch in der einen Hälfte                                Zukunft zwei weitere langfristige Entwicklun­
der Welt, in den Industriestaaten wie Europa                             gen ableiten: die Verlagerung des Gravi­tations­
und Japan, wird die Bevölkerung schrumpfen                               zentrums nach Asien sowie der Weg der Indus­
und immer älter. Und in der anderen Hälfte,                              triestaaten hin zu einer Wissens­ökonomie.

Schaubild 4: Schwellenländer verfügen noch über IT-Produktivitätsreserven
Besitzer/Nutzer pro 100 Einwohner

         USA

 Deutschland

        Japan

     Brasilien

    Russland

       Indien

       China

                 0              20                  40             60           80          100         120         140
                      PC                 Internet               Handys           PKW

Quelle: International Telecommunication Union, 2009; UN Statistical Yearbook, 2008;
Darstellung: Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse


Der 6. Kondratieff - Wohlstand in langen Wellen - Analysen & Trends Januar 2010 - Allianz
Analysen & Trends

  Schaubild 5: Aufholprozess der Schwellenländer scheint ungebrochen.
  BIP pro Kopf (kaufkraftadjustiert, in USD) vs. BIP-Wachstum (Durchschnitt 1999–2009; in % p. a.)

                                     50.000
                                                             USA                                Industrieländer
                                     45.000
BIP pro Kopf (kaufkraftadjustiert)

                                     40.000                Schweiz
                                                          G7                        Singapur
                                     35.000    Deutschland UK
                                                          Eu-15
                                     30.000      Japan
                                                                                  Südkorea
                                     25.000

                                     20.000                                                                                Schwellenländer
                                                                                            Russland
                                     15.000                 Mexiko
                                                                                        ehem. GUS-Staaten
                                     10.000                            Südamerika
                                                                Welt                      Mittlerer Osten und Nordafrika       China
                                      5.000                                  Thailand                  Asien ex. Japan
                                                                                                       Indien
                                          0
                                              0%           2%                4%                 6%                8%              10%        12%
                                                                       BIP-Wachstum (10-Jahresmittel p.a.)

  Quelle: Datastream; Darstellung: Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse

  Asien – das Gravitationszen-                                                                 Mit zunehmendem Wohlstandswachstum –
                                                                                               die Weltbank schätzt in einer Studie, dass bis
  trum des 21. Jahrhunderts                                                                    2030 China und Indien rund 44 % der globa­
                                                                                               len Mittelschicht stellen werden – dürfte sich
  Im Zuge der voranschreitenden Globalisie­
                                                                                               diese Schere langsam schließen. Die Welt­
  rung und des weltweiten Bevölkerungswachs­
                                                                                               bank geht davon aus, dass die Länder mit
  tums scheint sich das Gravitationszentrum
                                                                                               niedrigem Einkommen in den nächsten Jahr­
  des 21. Jahrhunderts zunehmend nach Asien
                                                                                               zehnten doppelt so schnell wachsen wie die
  zu verlagern. Asien stellt mit fast 4 Mrd. Men­
                                                                                               Länder mit hohem Einkommen.
  schen nicht nur rund 60 % der Weltbevölke­
  rung, sondern verfügt auch über knapp 40%
  aller Devisenreserven und erwirtschaftet
  mittlerweile rund 34 % der globalen kauf­
  kraftadjustierten Wertschöpfung (siehe
  Schaubild 3). Nach Schätzungen der Asian
  Development Bank wird der Anteil Asiens an
  der Weltwirtschaftsleistung 2050 etwa 50 %
  ausmachen und China wird diesbezüglich
  vermutlich die USA und Europa überholt
  haben. Die Schwellenländer scheinen – noch
  mitten im 5. Kondratieffzyklus – sich die Pro­
  duktivitätsreserven der Informationstechnik
  zu erschließen. Ein Indiz dafür: In Indien
  oder China besitzen lediglich 3 bzw. 5 von
  100 Einwohnern einen PC und nur 7 bzw. 22
  einen Internetzugang. In westlichen Län­
  dern, wie den USA oder Deutschland, liegt
  die Penetrationsrate von PCs bei 80 bzw. 69
  bezogen auf 100 Einwohner und bei 71 bzw.
  76 für Internetzugänge (siehe Schaubild 4).

                                                                                                                                                                   
Analysen & Trends

Schaubild 6: Industrieländer noch mit „Pionier-                     Die Folge: Der Rohstoffbedarf der Schwellen­
vorsprung“. Global Innovation Index (2009).                         länder steigt nicht nur durch die quantitativ
                                                                    steigende Weltbevölkerung, es kommt auch
   Singapur
                                                                    zu einem „qualitativen“ Wachstum. Das
   Südkorea
    Schweiz
                                                                    heißt, mit höherem Wohlstand wird der Kon­
       Island                                                       sum rohstoffintensiver. Gleichzeitig bleibt
       Irland                                                       das Angebot begrenzt, so dass Rohstoffe zu
 Hong Kong
                                                                    einer immer knapperen Ressource werden!
    Finnland
         USA
       Japan
  Schweden
                                                                    Industriestaaten: Keimzelle
  Dänemark                                                          des 6. Kondratieffzyklus?
Niederlande
 Luxemburg
     Kanada
                                                                    Während sich das Wohlstandswachstum in
           UK                                                       den Schwellenländern noch nicht in der
        Israel                                                      Breite erschlossen hat, scheinen die Industrie­
  Österreich
                                                                    länder hingegen auf der Lernkurve des Infor­
  Norwegen
Deutschland                                                         mationszeitalters deutlich weiter vorange­
  Frankreich                                                        schritten zu sein. Wie zuvor erwähnt, sind
                                                                    hier die Penetration und die Nutzung von PC
             0            0,5   1,0         1,5    2,0       2,5    und Internet bereits groß, so dass das Nut­
                                                                    zungspotenzial der Basisinnovation weitest­
Quelle: Boston Consulting Group, Global Innovation
Report 2009;                                                        gehend erschöpft zu sein scheint. Ein Indiz:
Darstellung: Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse           Mit höherem Pro-Kopf-Einkommen sind die
                                                                    Produktivitätsgewinne und Wachstumsraten
                                                                    in den etablierten Staaten deutlich niedriger
     Eine weiterführende Analyse zum                                als in den Schwellenländern. So ist die Arbeits­
     Thema „Asien im Aufbruch – Gravitati­                          produktivität – gemessen an der Wirtschafts­
     onszentrum des 21. Jahrhunderts“ fin­                          leistung pro Arbeitskraft – in den Schwellen­
     den Sie direkt unter http://www.alli­                          ländern wie China oder Indien seit 1990 um
     anzgi.de/kapitalmarktanalyse Rubrik                            das 4- bzw- 2-Fache gestiegen. Spiegelbildlich
     Analysen & Trends / Globalisierung 3.0                         wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der
                                                                    Gruppe der aufstrebenden Staaten in den
                                                                    letzten 10 Jahren (1999 bis 2009) im Schnitt
                                                                    über 5 % p. a., während die Wirtschafts­leistung

Schaubild 7: Industriestaaten: Forschung wird groß geschrieben.
Ausgaben für Forschung und ­Entwicklung in % des BIP

3,5 %

3,0 %

2,5 %

2,0 %

1,5 %

1,0 %

0,5 %

  0%
                 Indien         Brasilien         Russland         China     Deutschland      USA          Japan
                                (2006)

Quelle: UNESCO 2008; Darstellung: Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse

10
Analysen & Trends

   der Industriestaaten vergleichsweise gering                                 Denn mit der Dynamik der Globalisierung
   um ca. 2 % p. a. zunahm (siehe Schaubild 5).                                sowie dem demografischen Wandel dürfte
                                                                               der Wettbewerbsdruck eher zu- als abneh­
   Zwar ist der Anteil der Exporte der aufstreben­                             men. Für die etablierten Industrienationen
   den Nationen im Bereich der Hochtechnolo­                                   scheint es nur einen Ausweg zu geben: den
   gie in den letzten Jahren deutlich gewachsen,                               Wissensanteil in der Wertschöpfung weiter
   dennoch verfügen die Industriestaaten in vie­                               auszubauen.
   len Bereichen immer noch über einen be­deu­
   tenden Pioniervorsprung. Zwei Beispiele:                                    Im Übergang vom 5. auf den 6. Kondratieffzy­
                                                                               klus werden durch die Megatrends
   • Beim Global Innovation Index – einem Indi­                                ­Globalisierung und Demografie die Nachfra­
     kator der Boston Consulting Group, der die                                 geimpulse wohl vorwiegend von den Schwel­
     Innovationsstärke von Staaten misst – sind                                 lenländern insbesondere Asiens ausgelöst.
     in den TOP 20 nur Industriestaaten vertre­                                 Der Weg der Industriestaaten hin zu einer
     ten. (siehe Schaubild 6).                                                  Wissensökonomie scheint bereits vorge­
   • Die Industriestaaten messen dem Bereich                                    zeichnet. Investoren stellen sich die Frage:
     Forschung und Entwicklung noch immer                                       Welche Basisinnovationen und welche Bran­
     eine größere Bedeutung bei. So betragen                                    chen könnten Impulse auf der Angebotsseite
     beispielsweise in Deutschland, Japan und                                   auslösen und damit weitere Hauptrollen im
     den USA die Ausgaben dafür in Relation zur                                 6. Kondratieffzyklus spielen?
     Wirtschaftsleistung (BIP) über 2,5 %, wäh­
     rend in den Schwellenländern wie Brasi­
                                                                               Eco-Trends – Ökologisierung
     lien, Russland, Indien oder China (BRIC-
     Staaten) maximal 1,5 % des BIP in For­                                    der Wirtschaft
     schung und Entwicklung investiert werden
     (siehe Schaubild 7).                                                      Während im aktuellen Kondratieffzyklus das
                                                                               Informationszeitalter zu einer enormen
   Es ist daher wahrscheinlich, dass von ihnen                                 Erhöhung der Arbeitsproduktivität geführt
   auch der 6. Kondratieffzyklus ausgehen wird.                                hat, scheint der Schlüssel für eine zukunfts­

                                                                                                                       +6,0�C
   Schaubild 8: Klimawandel: (Größte) Herausforderung für die Zukunft.
   Temperaturabweichung vom Durchschnitt (1961–1990)                                                                   +5,5�C

                                                                                                                       +5,0�C
                                                                                                                                Vorrausichtlicher Temperaturanstieg (°C)

                                                                                                                       +4,5�C

                                                                                                                       +4,0�C

                                                                                                                       +3,5�C

                                                                                                                       +3,0�C

                                                                                                                       +2,5�C

                                                                                                                       +2,0�C
Temperaturveränderung

                                                                                                                       +1,5�C

                        +1,0�C                                                                                         +1,0�C

                        +0,5�C                                                                                         +0,5�C

                        +0,0�C                                                                                         +0,0�C

                        -0,5�C                                                                                         -0,5�C

                        -1,0�C                                                                                         -1,0�C
                          Jahr 1000             1200           1400            1600         1800         2000   2100
                                      Durchschnitt 1961-1990       nördliche Halbkugel        Global

   Quelle: IPCC/WG1, Climate Change 2001/2007; Darstellung: Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse

                                                                                                                                                                                          11
Analysen & Trends

Schaubild 9: Ökologie und Ökonomie wachsen zusammen.
Geschätzte Kosten für Klimaschutz und Schäden durch Klimawandel (weltweit, in Mrd. USD)

Kosten für Klimaschutz                                         Schäden durch Klimawandel
                                                        4000
                                                        3500
                                                        3000
                                                        2500
                                                        2000
                                                        1500
                                                        1000
                                                         500
                                                           0
         Beginn                    Beginn                                Bei Beginn des            Bei Beginn des
          2005                      2025                                 Klimaschutzes             Klimaschutzes
                                                                              2005                      2025
           USA       Europa        Asien       Japan       China      Südamerika          Afrika    Rest der Welt

Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW); Darstellung Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse

                                                               • Allein die Jahre 2001 bis 2007 zählten               Klimawandel: (größte)
     Eine Kurz-Analyse zum Thema                                 jeweils zu den 10 wärmsten Jahren seit               Herausforderung für die
     „Öko-Trends“ finden Sie direkt unter                        Beginn der Wetteraufzeichnungen 1880                 Zukunft
     http://www.allianzgi.de/kapitalmarkt­                       (siehe Schaubild 8).
     analyse Rubrik Analysen & Trends/                         • Der Anstieg des Meeresspiegels zwischen
     Knappe Ressourcen                                           1870 und 2004 beträgt 19,5 cm.
                                                               • Einer Untersuchung des Global Carbon
                                                                 Projects aus dem Jahr 2008 zufolge ist in
trächtige Wirtschaft im nächsten langen                          den Jahren 2000 bis 2007 der CO2-Ausstoß
Zyklus die Steigerung der Ressourcen- und                        viermal schneller gestiegen als noch im
Energieproduktivität zu sein. Denn unter den                     Jahrzehnt davor.
veränderten Voraussetzungen von Globali­                       • Extreme Wetterereignisse, wie Hurrikane
sierung, demografischer Entwicklung, Klima­                      oder Überschwemmungen, haben in den
wandel, knappen Ressourcen sowie einem                           letzten Jahren überproportional
stärkeren Umwelt- und Verantwortungsbe­                          zugenommen.
wusstsein der Konsumenten wird Wachstum
künftig wohl aus einer neuen Mischung von                      Ohne Klimaschutz würden nach den Annah­
Ökonomie, Ökologie und gesellschaftlichem                      men von „RECIPE“ (Report on Energy and
Engagement generiert. „Eco-Trends“ heißt                       Climate Policy in Europe), einer gemein­
der künftige Strukturwandel der Wirtschaft.                    samen Studie der Umweltstiftung WWF und
                                                               des Allianz-Konzerns, die CO2-Emissionen bis
Heißer Anwärter auf eine Hauptrolle im                         2050 auf 2.500 Gigatonnen anwachsen. Das ist
6. Kondratieffzyklus ist daher der Umwelt­                     gleichbedeutend mit einem globalen Tempe­
markt!                                                         raturanstieg auf bis zu sieben Grad gegenüber
                                                               vorindustriellem Niveau. Der „Stern-Report“,
Klima – eine knappe Ressource                                  der die globalen volkswirtschaftlichen Kosten
                                                               des Klimawandels untersucht, kam zu dem
So dreht sich die Diskussion um den Klima­                     Ergebnis, dass der Klima-wandel ohne weitere
wandel längst nicht mehr, wie noch vor ein                     Klimaschutzmaßnahmen die Weltwirtschafts­
paar Jahren, um die Frage, ob es ihn über­                     leistung bis 2050 etwa um 5 % bis 20 % belasten
haupt gibt und wer die Verursacher sind.                       wird. Selbst wenn Klimaschutzmaßnahmen
Vielmehr sind die Fakten bereits bekannt:                      ab 2025 getroffen würden, dürften nach
                                                               Schätzungen des Deutschen Instituts für

12
Analysen & Trends

Wirtschaftsforschung (DIW) die weltweiten        ein. Ihr Ziel ist auch, dass die Unternehmen
Schäden des Klimawandels bis 2050 auf rund       Klimaschutzstrategien entwickeln und ihre
3,8 Billionen US-Dollar (USD) anwachsen.         Emissionen senken.
Würden Investitionen in den Klimaschutz
bereits heute in Höhe von knapp 500 Mrd.         Seien es die Einführung von CO2-Emissions­
USD entschieden, könnten die volkswirt­          rechten, die steigenden Rohstoffpreise oder
schaftlichen Kosten der globalen Erderwär­       der Klimawandel als Unternehmensrisiko,
mung immerhin auf 1,3 Billionen USD redu­        alle Faktoren tragen dazu bei, dass der Ver­
ziert werden (vgl. Schaubild 9).                 brauch von Umwelt einen Preis bekommt.
                                                 Umwelt wird zunehmend zum Kosten- und
Zwischenfazit: Unsere Umwelt entwickelt          Risikofaktor. Es wird notwendig, in der globa­
sich zunehmend zu einer knappen Ressour­         len Wertschöpfung die Ressourcen- und
ce! Sie erhält einen „Preis“, d. h. Umweltver­   Energieproduktivität zu steigern bzw. nach­
brauch wird zum Kosten- und Knappheits­          haltiger zu wirtschaften. Hieraus ergeben
faktor. Und mit Blick u. a. auf den Handel mit   sich gleichzeitig auch Wachstumschancen.
CO2-Emissionsrechten werden Umweltkos­
ten zunehmend internalisiert. Kostenverur­       Umweltschutz, Ressourcenschonung und
sacher werden somit verstärkt zur Kasse          „Corporate Social Responsibility“ kennzeich­
gebeten.                                         nen bereits heute in vielen Bereichen – ins­
                                                 besondere in den Industrieländern – das glo­
Umwelt bekommt einen Preis                       bale Wirtschaftssystem.

Da die Folgen des Klimawandels immer             Konsum findet, vor allem in den Industrie­
mehr zum Unternehmensrisiko werden kön­          staaten, unter völlig veränderten Prämissen
nen, haben sich mittlerweile rund 6.000          von ethisch-ökologischen Kriterien und Nach­
große Unternehmen und 475 institutionelle        haltigkeit statt. So sind die Verkäufe von US-
Investoren mit einem Gesamtanlagevermö­          Hybridautos im Zeitraum 2004 bis 2008 um
gen von rund 55 Billionen USD im „Carbon         rund das 4-Fache gestiegen, über 80 % der
Disclosure Project“ (CDP) zusammenge­            Briten recyceln Papier und verwerten Glas
schlossen. Sie setzen sich nicht nur für ein­    wieder. In Schwellenländern wie China gab es
heitliche Standards bei der Messung von          im Jahr 2006 ca. 51.000 Proteste gegen
Emissionen und die Berücksichtigung von          Umweltverschmutzung. Zudem scheint auch
Klimaschutzaspekten bei der Aktienanalyse        in anderen Wirtschaftsbereichen das „Konsu­

                                                                                                                 13
Analysen & Trends

Schaubild 10: Nachhaltiger Energiekonsum mit regenerativen Energien. Erwartete Entwicklung der
Stromproduktion herkömmlicher und regenerativer Energien bis 2050. (in Twh pro Jahr)

35.000

30.000

25.000                                                                                                30%
                                                x3

20.000

15.000

10.000

 5.000

     0
                              1985                            2025                        2050
                Herkömmliche Energieträger           Erneuerbare Energien

Quelle: World Energy Council; Darstellung: Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse

mieren mit gutem Gewissen“ zunehmend                            dieses Jahrhunderts von derzeit ca. 7 % auf
zum Wachstumsmotor zu werden. Der Markt                         rund 30 % anwachsen (siehe Schaubild 10).
mit Bio-Lebensmitteln boomt ebenso wie                          Entsprechend schätzt das World Energy
„grüne“ Geldanlagen und der Handel mit Fair-                    Council den Markt für erneuerbare Energien
Trade-Produkten.                                                für das Jahr 2010 auf 635 Mrd. USD. Bis 2020
                                                                soll er auf 1,9 Billionen USD wachsen.
Vor dem Hintergrund der beschriebenen
Faktoren scheinen die Wurzeln des 6.                            Auch die Hightech-Industrie dürfte spürbar
Kondratieffzyklus unlängst gelegt. Es ver­                      vom grünen Wandel der Märkte profitieren,
wundert daher kaum, dass Trendforschern                         weil die Nachfrage nach erneuerbaren Ener­
vor allem denjenigen Branchen großes                            gien, modernen Umwelttechnologien, nach­
Potenzial zutrauen, die für nachhaltige Ent­                    haltiger Wasserwirtschaft, Recycling und
wicklungen von Mensch und Gesundheit                            effizienteren Antriebstechniken steigt. Die
entscheidend sind.                                              Verzahnung des 5. Kondratieff- mit dem 6.
                                                                Kondratieffzyklus, d. h. die Verbindung des
„Green-Tech“ – ein Wachstumsmarkt                               Bereichs der Informationstechnologie mit
                                                                dem der „grünen Märkte“, dürfte weiter zu-
Neue Energieformen haben immer mehr an                          neh­men. So werden z. B. dem Bereich „Smart
Einfluss gewonnen. Vor allem der Anteil                         Grid“, dem „Internet der Energie“, große
erneuerbarer, CO2-neutraler Energiequellen                      Wachstumsperspektiven zugesprochen.
am weltweiten Energiemarkt dürfte weiter                        Durch die dezentrale Erzeugung vor allem
zunehmen. Denn mit steigender Weltbevöl­                        von regenerativen Energien bei einer wach­
kerung – um 40 % bis 2050 – steigt auch der                     senden Zahl von privaten Haushalten und
globale Energiebedarf. Dabei bleiben gleich­                    Unternehmen wird eine effiziente Steuerung
zeitig herkömmliche Energieressourcen, wie                      des Energiesystems immer bedeuten­der.
z. B. Öl und Gas, begrenzt. Das World Energy                    Strommessung und -verwaltung über das
Council schätzt, dass sich bis zum Jahr 2025                    Internet, genauso wie virtuelle Kraftwerke,
die globale Stromproduktion verdoppelt und                      die im „Energie-Web“ die Balance zwischen
zum Jahr 2050 bereits verdreifacht haben                        Erzeugung und Verbrauch herstellen, dürf­
wird. Der weltweite Anteil regenerativer                        ten die Zukunftsmusik im Energiemarkt
Energiequellen wird voraussichtlich bis Mitte                   spielen.

14
Analysen & Trends

Die „Green-Tech“-Märkte werden die klas­                    logien für die deutsche Wirtschaft größere
sischen Industriezweige wohl deutlich hinter                Bedeutung haben werden als die Automobil­
sich lassen. Analysen des DIW, des Fraunho­                 industrie. Der Umsatzanteil der Umwelttech­
fer ISI und der Strategieberatung Roland                    nologien an der gesamten deutschen Wirt­
Berger im Auftrag des Bundesumweltmini­                     schaftsleistung wird sich bis 2030 auf 16 %
steriums zeigen zum Beispiel für Deutsch­                   vervierfachen und dann voraussichtlich bei
land, dass ab dem Jahr 2020 Umwelttechno­                   1 Billion Euro liegen (siehe Schaubild 11).

  Smart Grid

  „Smart Grid“ bedeutet zu Deutsch „Intelligentes Stromnetz“. Dahinter verbergen sich Stromnetze, die neben dem
  herkömmlichen Stromtransport auch bidirektionale Stromeinspeisungen und (Strom-)Datenkommunikation
  erlauben. Denn durch die dezentrale Erzeugung vor allem von regenerativen Energien bei einer wachsenden Zahl
  von privaten Haushalten und Unternehmen wird eine gezielte Steuerung des Energiesystems immer bedeutender.
  So werden auch immer mehr Konsumenten mit dem Einsatz von Solar-, Windkraft- oder Geothermieanlagen
  selbst zu Stromproduzenten. Ziel dieser neuen Technologie am zukünftigen Energiemarkt ist es, die Stromerzeu­
  gung und -distribution sowie den Verbrauch möglichst effizient zu gestalten. Smart Grid besteht daher auch aus
  drei Kernbausteinen:
  1. Smart Metering: ist ein intelligenter Stromzähler, der die Messung von Verbrauch und Erzeugung durch Daten­
     fernübertragung über das Internet erlaubt. Er stellt somit die Grundvoraussetzung des Smart Grid dar. Gleich­
     zeitig erlauben intelligente Zähler, variable Stromentgelte in Abhängigkeit von der Gesamtnachfrage und Netz­
     auslastung zu erheben.
  2. Grid Intelligence: nennt sich die Stromnetzinfrastruktur und die zugehörige Steuerungstechnik. Dieses virtu­
     elle Kraftwerk ermöglicht im „Energie-Web“ eine effiziente Balance zwischen Erzeugung und Verbrauch.
  3. Utility IT: bezeichnet intelligente Datenmanagementsysteme, welche die Abrechnung und Speicherung von
     Kundendaten und Parametern der Stromleitungsnetze automatisch steuern.

  Man spricht beim Smart Grid auch vom „Internet der Energien“ oder dem „Energie-Web“. Anwendungsbeispiele
  für die Zukunft gibt es bereits einige:
  • Wenn in der Wüste Nordafrikas oder in den Windparks auf hoher See Strom erzeugt wird, bedarf es intelligenter
    Stromverteilernetze, die den teilweise unregelmäßig produzierten Strom direkt an die Verbrauchsquelle weiter­
    leiten.
  • Wenn in der Nacht der Verbrauch naturgemäß zurückgeht und der Strom in der Regel günstiger ist, aber der
    Wind stark über die Nordsee fegt, können verschiedenste Speicher bis hin zu Batterien für Elektroautos und
    -züge gefüllt werden oder tausende Waschmaschinen anspringen.
  • Wenn im Sommer hunderttausende Fotovoltaikanlagen Strom produzieren und ihn quer durch das Land
    gleichzeitig ins Netz einspeisen, sorgen intelligente Regler dafür, dass Kraftwerke zum Teil abgestellt bzw. ihre
    Leistungen reduziert werden können.

  Folglich erscheint das Marktpotenzial dieser neuen Technologie sehr vielversprechend. So schätzt die Europä­
  ische Energieplattform Smart Grids, dass bis 2030 für den flächendeckenden Einsatz intelligenter Stromnetze 390
  Mrd. Euro in Europa investiert werden müssen. Allein 300 Mrd. Euro flössen davon in die Erneuerung und Erweite­
  rung der elektrischen Stromversorgungsinfrastruktur, 90 Mrd. in die Stromübertragung. Auch Cisco Systems,
  einer der größten Netzwerkanbieter weltweit, rechnet mit einem eigenen Umsatz im Bereich Smart Grid von 20
  Mrd. USD pro Jahr ab 2013. Das Unternehmen geht davon aus, dass das Energie-Web 100-mal so groß werden wird
  wie das Internet.

  Energieeffiziente und damit Ressourcen sparende Smart Grids stellen somit eine bedeutende Technologie im Pro­
  zess einer zunehmenden Ökologisierung der Wirtschaft dar.

  Quelle: Smart Grids European Technology Platform, Siemens AG, Wikipedia.

                                                                                                                         15
Analysen & Trends

Schaubild 11: Grüne Energien: wachsender Milliarden-Markt.
Umsatzwachstum und Anteil am Umsatz aller Wirtschaftsbereiche in Deutschland

Umsatzprognose Deutschland (Milliarden Euro)                              Anteil am Umsatz aller Wirtschaftsbereiche

1.000                                                   1.000
                                                                                2005                       4% Umwelt-
 900                                                                                                       technologie
 800
 700
 600                                              570

 500
                                                                                2030                       16 % Umwelt-
 400
                                                                                                           technologie
                     280                    290
 300
 200         170           150
 100
      0
                   2005                           2030

     Maschienenbau         Fahrzeugbau       Umwelttechnologien

Quelle: BMU, 2006, Zukunftsinstitut; Darstellung: Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse

Industriepolitik wird grün                                                zung der Wirtschaft von über 2 Billionen USD
                                                                          einen deutlichen Grünanstrich bekommen.
In der Politik sind erneuerbare Energien eben­                            Der Anteil für Umweltschutzmaßnahmen an
falls angekommen und dürften dem Bereich                                  den Konjunkturpaketen reicht bis zu 81 %
der Umwelttechnologie zusätzlichen Rücken­                                (Süd­korea). Auch die USA planen mit dem
wind geben. Die Europäische Union hat sich                                Regierungswechsel ein umfangreiches
zum Ziel gesetzt, dass bis 2020 erneuerbare                               Umwelt­programm: Immerhin 12 % des Kon­
Energien 20 % des Energieaufkommens aus­                                  junkturpakets sollen in nachhaltige klima­
machen sollen. China will bis 2020 mindes­                                schonende Projekte fließen, was einem Inves­
tens 15 % seines Energiebedarfs durch erneu­                              titionsvolumen von ca. 120 Mrd. USD
erbare Energien decken. Außerdem haben                                    entspricht (vgl. Schaubild 12).
die weltweiten Fiskalmaßnahmen zur Stüt­

Schaubild 12: „Grüne“ Fiskalpakete.
Anteile an Fiskalmaßnahmen zum Umweltschutz

                                                                                                                                     Gesamte Fiskal-
                                                                                                                                     maßnahme
                                                                                                                                     „Grüne“
                                                                                                                                     Maßnahmen
 Italien     Japan           UK         Kanada    Australien        USA       Deutsch-   Frank-    China         EU       S. Korea
                                                                                land     reich

                                                                                                                  586,1                    972,0
     26,7   30,4      31,8       33,7    38,1     38,8          103,5         104,8        485,9                  Mrd.                     Mrd.
     Mrd.   Mrd.      Mrd.       Mrd.    Mrd.     Mrd.          Mrd.          Mrd.         Mrd.

   9%      7%          8%    21%     81%           59%            1%          13%            3%                    38%                      12%
Australien UK        Kanada Frank- S. Korea         EU          Italien    Deutschland     Japan                  China                     USA
                            reich
Quelle: Financial Times, RCM, Allianz Global Investors.

16
Analysen & Trends

Kasten: Farbenlehre der Biotechnologie

                                                            Rote Biotechnologie:      Medizin/Pharmazeutik
   Als Biotechnologie wird die Umset­
                                                           Grüne Biotechnologie:      Landwirtschaft, Pflanzenbiotechnologie
   zung von Erkenntnissen aus der Biolo­
   gie und der Biochemie in technische                     Weiße Biotechnologie:      Biotech-Produkte/Industrieprozesse
   oder technisch nutzbare Elemente
                                                           Blaue Biotechnologie:      Produkte aus dem Meer
   verstanden. Da Biotechnologie ein
   sehr weit gefasster Begriff ist, wird                   Graue Biotechnologie:      Abfallwirtschaft
   nach Anwendungsgebieten unter­
                                                       Braune Biotechnologie:         Technische -/Umwelt-Biotechnologie
   schieden
                                                           Gelbe Biotechnologie:      Herstellung von Lebensmitteln und Grundstoffen

Quelle: DIB Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie

Vorausschauende Investoren sollten überle­                     von Hefe bereits seit gut 5.000 Jahren bekannt.
gen – durchaus im Sinne des Umwelt­                            Die Biotechnologie ist zwar oft nicht direkt zu
schutzes – wie sie von diesen langfristigen,                   sehen, steckt aber in diversen Produkten. Medi­
ökologischen wie ökonomischen „Eco-                            zin (z. B. Impfstoffe), Industrie (z. B. abbaubare
Trends“ profitieren können.                                    Kunststoffe), Landwirtschaft (z. B. biologische
                                                               Pflanzenschutzmittel), Lebensmittelindustrie
                                                               (z. B. Käse) und Umwelttechnik (z. B. Abwasser­
Megatrend kleinste Strukturen
                                                               reinigung) sind nur einige nennenswerte Bei­
                                                               spiele (Farbenlehre der Biotechnologie siehe
Hinsichtlich einer neuen Ressourcen- und
                                                               Kasten).
Energieproduktivität im 6. Kondratieffzyklus
erscheinen auch die Perspektiven der
                                                               Immerhin betragen die weltweiten Umsätze
Bereiche Nano- und Biotechnologie interes­
                                                               nanooptimierter Produkte bereits 147 Mrd.
sant. Beide könnten eine weitere Hauptrolle
                                                               USD (2007). Und nach Marktprognosen von
im neuen Strukturzyklus spielen. Denn
                                                               Lux Research soll das Weltmarktvolumen auf
durch innovative Materialien und Materialei­
                                                               ca. 3 Billionen USD in 2015 steigen, was einer
genschaften sowie neue Prozesse können sie
                                                               jährlichen Wachstumsrate von 46 % ent­
in vielen Bereichen für einen ressourcen-
                                                               spräche. Größtes Potenzial wird dem Bereich
und energieschonenden und damit umwelt­
                                                               der Materialien und Produktionstechnik
freundlicheren Verbrauch sorgen.
                                                               (Anstieg von 97 Mrd. USD in 2007 auf 1.700
                                                               Mrd. USD in 2015) eingeräumt (siehe
Sowohl die Nano- als auch die Biotechnologie
                                                               Schaubild 13).
leisten derzeit zwar faktisch noch einen gerin­
gen Beitrag zur Wirtschaftsleistung, aber sie
                                                               In der Biotechnologie beläuft sich das Umsatz­
sind in Bezug auf den Fortschritt bereits aus
                                                               volumen weltweit börsennotierter Biotechno­
ihren Kinderschuhen herausgewachsen. Als
                                                               logie-Unternehmen bereits auf knapp 90 Mrd.
Querschnittstechnologien zu Anderen, wie
                                                               USD, was 17 % des Pharmasektors entspricht
z. B. der Umwelt-, der Elektro- und der Medizin­
                                                               (Quelle: Ernst & Young). Erstaunlich: Auch in
technik, werden sie vermutlich weiter an
                                                               der Finanzkrise konnten die Umsätze 2008
Bedeu­tung gewinnen. Anwendungsgebiete im
                                                               gegen den allgemeinen Trend um 12 % gestei­
Alltag gibt es bereits mehrere: In der Nano­
                                                               gert werden. Mit zunehmender Umstellung
technologie sind es z. B. schmutzabweisende
                                                               industrieller Prozesse auf biotechnologische
Textilien und Lacke, Miniatur-Wirkstoffdepots
                                                               Verfahren wird allein für die industrielle
für chronische Erkrankungen oder aufrollbare
                                                               (weiße) Biotechnologie mit einem Anstieg
Flachdisplays (OLED). Auch Biotechnologie ist
                                                               von heute 50 Mrd. Euro auf rund 300 Mrd.
aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken,
                                                               Euro in zehn Jahren gerechnet.
schließlich ist sie durch den Gärungsprozess
bei der Brot- oder Bierherstellung mit Hilfe

                                                                                                                                       17
Analysen & Trends

Schaubild 13: Nanotechnologie: Kleine Strukturen ganz groß.
Weltmarktvolumen nanooptimierter Produkte (in Mrd. USD)

3.500

3.000

2.500

2.000

1.500

1.000

 500

     0
         2007         2008           2009        2010       2011          2012             2013        2014         2015

                Materialien Produktionstechnik               Elektronik                      Gesundheit

Quelle: LUX Research; Darstellung: Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse

Gleichzeitig ziehen die Bereiche Biotechno­                     Während großkapitalisierte Unternehmen
logie und Pharma im Vergleich mit anderen                       im Nanotechnologie-Bereich (noch) kaum
Branchen die meisten Investitionen in For­                      zu finden sind, kann sich für Anleger, die auf
schung und Entwicklung auf sich. Nach einer                     den Megatrend der kleinsten Strukturen set­
Erhebung der Europäischen Kommission                            zen wollen, ein Engagement im Biotechnolo­
(R&D Scoreboard) liegt der Biopharma-Sek­                       giesektor empfehlen. Denn diese Unterneh­
tor mit Investitionen in Forschung und Ent­                     men scheinen langsam den Kinderschuhen
wicklung von weltweit 71 Mrd. Euro in 2007                      zu entwachsen. Indiz: Während 2004 ledig­
noch vor den Sparten Technologie-Hard­                          lich 20 % der börsennotierten Biotech-Unter­
ware/-Ausrüstung.                                               nehmen Gewinne erwirtschafteten, waren es
                                                                in 2007 bereits 30 %. In den USA erreichte der

Schaubild 14: Weiße Biotechnologie – eine Wachstumsbranche.
Weltweiter Umsatz mit Produkten der weißen Biotechnologie (Mrd. EUR)

40

35

30

25

20

15

10

 5

 0
          Biotreib-    Pflanzliche     Pharma-       Bulk-     Lebens-            Fette           Enzyme      Sonstige
           stoffe       Rohstoffe      Wirkstoffe Chemikalien,   und             und Öle
                                                   Polymere Futtermittel
          2005: 77 Mrd. EUR Umsatz durch industrielle Biotechnologie in der chem. Industrie (7% des Gesamtumsatzes)
          2010: 125 Mrd. EUR Umsatz durch industrielle Biotechnologie in der chem. Industrie (10 % des Gesamtumsatzes)

Quelle: Dr. Garthoff, „Weiße Biotechnologie, 2008; Darstellung: Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse

18
Analysen & Trends

Schaubild 15: Biotechnologie – Unternehmen werden Erwachsen.
Weltweiter Anteil profitabler Biotechnologieunternehmen (in %)

70%

60%

50%

40%

30%

20%

10%

 0%
           2004          2005       2006         2007         2008E       2009E        2010E     2011E   2012E

Quelle: Barclays Research; Darstellung: Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse

Gesamtsektor 2008 zum ersten Mal die                            die Megatransaktionen aus den Vorjahren ist
Gewinnzone. Nach Schätzungen von Bar­                           dies ein neuer Rekord. In Europa kletterte der
clays Research dürfte der Anteil weltweit pro­                  Gesamtwert der M&A-Transaktionen auf 5
fitabler Biotech-Konzerne bis ins Jahr 2012                     Mrd. USD.
auf gute 60 % anwachsen (siehe Schaubild
15). Kein Wunder, dass sich auch die eta­                       Die gestiegene Profitabilität und Nachfrage
blierten Pharmaunternehmen zusehends für                        spiegelte sich auch in den Aktien wider. So
den Biotechnologiesektor interessieren. Laut                    erwiesen sich Biotechnologieaktien in der
einer Studie von Ernst & Young übertraf in                      jüngsten Vergangenheit als erstaunlich
den USA 2008 der Gesamtwert an Fusionen                         ­krisenresistent. Während die weltweiten
und Übernahmen (M&A) im Biotech-Sektor                           Aktien im Zuge der Finanzkrise im Jahr 2008
die Marke von 28,5 Mrd. USD. Bereinigt um                        um ca. 40 % eingebrochen sind, konnte der

Schaubild 16: Biotechnologie – Krisenresistent während der Finanzkrise.
Performance MSCI Welt versus MSCI Biotechnologie im Jahr 2008 (01.01.2008 = 100)

130

120

110

100

 90

 80

 70

 60

 50
          JAN      FEB     MAR       APR      MAI       JUN      JUL      AUG      SEP     OKT     NOV   DEZ
          Biotechnologie (Preisindex)           MSCI Welt (Preisindex)

Quelle: Datastream; Darstellung: Allianz Global Investors

                                                                                                                                19
Analysen & Trends

Branchenindex MSCI Biotechnologie sogar
ein Kursplus von rund 10 % verzeichnen
(siehe Schaubild 16).

Der Bereich der kleinsten Strukturen, mit den
Sektoren Nano- und Biotechnologie, kann
derzeit zwar noch nicht die Funktion einer
Lokomotive für die Weltwirtschaft ausüben.
Aber mit Blick auf die hohen Forschungs- und
Entwicklungsausgaben in diesem Bereich,
die großen Wachstumsmöglichkeiten und
die breite gesellschaftliche Durchdringung
als Querschnittstechnologie haben beide
Technologiefelder das Potenzial, sich zum
Megatrend und damit zum Träger des 6.
Kondratieffs zu entwickeln.
                                                                        Bereits in 2005 beliefen sich die Gesundheits­
                                                                        ausgaben der OECD-Staaten auf zwischen 5 %
Megatrend ganzheitliche                                                 und 10 % des BIP. Nach Schätzungen der
Gesundheit                                                              OECD dürften die Ausgaben bis 2050 über­
                                                                        proportional zum BIP-Wachstum steigen
Nicht nur für den Biotechnologiesektor, son­                            und in einigen Ländern bis zu 15 % der Wirt­
dern auch für andere Wirtschaftsbereiche                                schaftsleistung ausmachen (siehe Schaubild
könnte der Gesundheitssektor ein weiterer                               17). Allein der Umsatz börsennotierter Phar­
bedeutender Wachstumsmotor im 6.                                        maunternehmen umfasste in 2008 ein Volu­
Kondratieffzyklus sein.                                                 men von rund 770 Mrd. USD (Quelle: IMS
                                                                        Health). Rund um den Begriff „ganzheitliche
Denn mit dem Paradigmenwechsel, nach                                    Gesundheit“ – im Sinne einer körperlichen,
dem in der Wahrnehmung Gesundheit                                       seelischen, ökologischen und sozialen
zunehmend von einer „Eigenschaft“ zu einer                              Gesundheit – dürften neue expandierende
Ressource und von einem Kostenfaktor zu                                 Märkte und Produktwelten entstehen.
einem Wachstumstreiber für Wirtschaft und
Beschäftigung wird, sollte die Branche weiter
an ökonomischer Bedeutung gewinnen.

Schaubild 17: Gesund altern: Ausgaben im Gesundheitssektor steigen.
Ausgaben für Gesundheit (in % des Bruttoinlandsproduktes)
  Norwegen                                                                           9,9 %                                  15,0%
       Irland                                           6,7 %                                                            14,5%
Deutschland                                                                   8,8%                                      14,3%
       Japan                                             6,9 %                                                 13,4%
  Frankreich                                                           8,1%                                    13,4 %
       Italien                                      6,6 %                                                     13,2%
  Schweden                                                               8,6%                             12,9%
          UK                                               7,2%                                          12,7%
         USA                                               7,2%                                       12,4%
     Schweitz                                                   7,4%                                  12,3%
     Spanien                                 5,6%                                                    12,1%
       Türkei                                    6,0%                                            11,7%
  Österreich                             5,1 %                                               10,9%

                 2005            2050

Quelle: OECD, 2006; Darstellung: Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse

20
Analysen & Trends

Schaubild 18: Gesundheitsmarkt profitiert von der „doppelten Alterung“.
Anteil der Bevölkerung über 65 Jahren nach Regionen (2005 und 2050e)
30%
                 27%

25%
                                    22%
                                                      20 %
20%                                                                       19 %
                                                                                              17%
           16%
15%
                              13%
                                                                    10%
10%
                                                                                                         7%
                                                 6%                                    6%
 5%                                                                                                 3%

 0%
            Europa          Nordamerika         Lateinamerika       Ozeanien                Asien    Afrika

           2005              2050 (geschätzt)
Quelle: UN Population Devision; Darstellung: Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse

Im Wesentlichen sind es folgende Treiber,                            Prozentsatz der über 65-Jährigen die
die dem Gesundheitssektor neue Wachs­                                Ausgaben im Gesundheitswesen steigen
tumsimpulse liefern sollten:                                         lassen. So wird der Anteil der Bevölke­
                                                                     rung ab 65 Jahren beispielsweise in Euro­
1. Der globale demografische Wandel dürfte                           pa voraussichtlich von rund 16 % in 2005
   zu einer veränderten und höheren Nachfra­                         auf über 27 % in 2050 wachsen (siehe
   ge nach Gesundheitsleistungen führen.                             Schaubild 18). Der Begriff vom „alten
                                                                     Kontinent“ gewinnt somit eine ganz
  • Zum einen wird die Weltbevölkerung in                            neue Bedeutung. Aber auch auf den
    den nächsten 50 Jahren voraussichtlich                           anderen Kontinenten ist der Alterungs­
    um gut 2,5 Mrd. Menschen wachsen. Eine                           prozess nicht zu stoppen. In Asien wird
    Steigerung um knapp 40 %. Der Bedarf an                          z. B. mit einem Anstieg des Rentneran­
    Gesundheitsvorsorge steigt aber nicht                            teils von derzeit ca. 6 % auf gut 17 % in
    nur durch die quantitativ steigende Welt-                        2050 gerechnet. Die Folge: Der Bedarf an
    bevölkerung, es kommt auch zu einem                              Arzneimitteln und medizinischen Ein­
    „qualitativen“ Wachstum: Die Weltbank                            griffen dürfte steigen. Denn mit höhe­rem
    geht davon aus, dass die Länder mit                              Alter werden die chronischen und aku­
    niedrigem Einkommen in den nächsten                              ten Leiden größer, so dass die Gesund­
    Jahrzehnten doppelt so schnell wachsen                           heitsausgaben überproporti­onal wach­
    wie die Länder mit hohem Einkommen.                              sen: Ein 45- bis 64-jähriger Deutscher
    Mit höherem Wohlstand nimmt der Kon­                             verbraucht im Schnitt gut 3.000 Euro an
    sum von qualitativ höherwertigen                                 Gesundheitsdienstleistungen im Jahr,
    Gesundheitsleistungen zu. So betrug der                          ein 65- bis 84-jähriger knapp 6.000 Euro
    Pro-Kopf-Verbrauch an Gesundheitslei­                            und bei einem über 85-jährigen sind es
    stungen in den USA 2008 rund 1.500 USD                           sogar knapp 12.000 Euro (siehe
    pro Jahr, während er in China oder                               Schaubild 19).
    Indien nur bei rund 200 USD lag.
                                                                2. Der medizintechnische Fortschritt ermög­
  • Gleichzeitig dürften die längere Lebens-                       licht höhere Heilungschancen und längere
    erwartung der Bevölkerung in den Indus­                        Lebenszeiten – auch mit chronischen
    trienationen – jedes Jahr steigt sie um                        Erkrankungen. Durch die engere Verzah­
    rund drei Monate – sowie der wachsende                         nung mit anderen noch jungen Technolo­

                                                                                                                                21
Analysen & Trends

Schaubild 19: Länger leben – mit chronischen Krankheiten.
Krankheitskosten je Altersklasse in Deutschland (in EUR p. a.)

16.000

14.000

12.000

10.000

 8.000

 6.000

 4.000

 2.000

       0
              unter 15        15-29          30-44          45-64          65-84              85+      Gesamt
                                                                                                    Altersgruppe
              Frauen                              Männer

Quelle: Gesundheitsberichterstattung des Bundes, „Gesundheit und Krankheit im Alter“, 2009;
Darstellung: Allianz Global Investors Kapitalmarktanalyse

     giebereichen wie der Bio- und Nanotechno­                4. Im Gesundheitssektor findet eine zuneh-
     logie ergeben sich in der Diagnose und der                  mende Ökonomisierung statt. Zum einen ist
     Therapie neue Wachstumsmärkte. So ist es                    eine Entwicklung erkennbar, bei der sich
     z. B. bereits möglich, mit Nanorobo­tern                    Leistungserbringer im Gesundheitswesen
     Medikamente gezielt im Blutkreislauf zu                     zunehmend an Modellen aus der Privat­
     platzieren. Oder es lassen sich durch                       wirtschaft orientieren. Nicht nur ökono­
     Enzyme in der Biotechnologie gezielt Impf­                  mische Prinzipien, wie das der Effizienz,
     stoffe oder Antibiotika herstellen. Auch                    werden die medizinische Wertschöpfungs­
     eine verbesserte Diagnostik durch den                       kette stärker prägen, sondern ebenso wer­
     Datenaustausch von Körperfunktionsdaten                     den sich auch Kostenverursacher zuneh­
     über das Internet ist ein noch junger Markt.                mend an den Kosten für Gesundheit
                                                                 betei­ligen. Beispiele finden sich bereits
3. Vor allem in den alternden Wohlstandsge­                      einige, z. B. höhere Versicherungsprämien
   sellschaften der Industrieländer ist ein                      für Raucher oder Schadensersatzzah­
   Wertewandel hin zu mehr eigenverantwort­                      lungen der Tabakindustrie. Gleichzeitig fin­
   licher Gesundheitsvorsorge und aktiver                        det eine zunehmende Liberalisierung im
   Körperfitness zu beobachten. Auf dem                          Sektor statt. Und schließlich werden Pati­
   Gesundheitsmarkt rückt neben der Hei­                         enten auch immer mehr zu Konsumenten,
   lung von Krankheiten zunehmend die                            deren Bedürfnisse im Vordergrund stehen.
   Erhaltung von Gesundheit in den Fokus. Die                    So entwickelte sich Gesundheit bereits in
   Folge ist ein sich noch stärker ausdifferen­                  der Nahrungsmittelindustrie oder in der
   zierender Gesundheitsmarkt, der sich vom                      Sportartikelbranche zunehmend zu einem
   regulierten Angebots- zum Nachfrage­                          bedeutenden Vermarktungsthema.
   markt entwickelt. Dabei können neue
   Dienstleistungen und Produkte rund um
   die Themen gesunde Nahrungsmittel (Bio­
   kost, „Functional Food“), „Personal Health“,
   Gesundheitsberatung und -prävention
   sowie Wellness entstehen.

22
Analysen & Trends

Fazit                                          Auch wenn die Haupt- und Nebenrollen im
                                               6. Kondratieffzyklus noch nicht klar vergeben
Bereits heute ist absehbar, dass vorhandene    sind, scheinen die Wurzeln bereits gelegt.
Technologien und Materialien an ihre tech­     Die zeitlich nah aufeinander folgenden Kri­
nologischen Grenzen stoßen werden. Ob          sen der „TMT-Bubble“ und der jüngsten
Megatrends auf der Nachfrageseite, wie Glo­    Finanzkrise markieren vielleicht schon den
balisierung und Demografie, oder Megat­        Beginn des 6. Kondratieffzyklus. Ein Zyklus,
rends auf der Angebotsseite, wie Umwelt­       in dem der Wohlstand vermutlich in langen
technologie, die Bereiche kleinster            Wellen weiter rollt.
Strukturen oder ganzheitliche Gesundheit:
Alle haben nicht nur das Potenzial, langfri­   Voraussichtlich wird die Zeit des Umbruchs
stig Produktivitätsschübe für die Weltwirt­    nach der Finanzkrise noch eine Weile andau­
schaft auszulösen, sondern verfügen gleich­    ern. Für langfristig orientierte Anleger kann
zeitig über das Leistungsvermögen einer        es sich jedoch empfehlen, die jüngste Krise
gesamtgesellschaftlichen Einflussnahme.        als Chance zu nutzen, um frühzeitig auf der
Innovative Produkte und Dienstleistungen       sechsten Welle des Kondratieffs mitzureiten.
dürften sich eine neue Nachfrage erschlie­
ßen, die vermutlich zunächst aus den Indus­                                              dn
trieländern wachsen wird.

                                                                                                              23
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