DER BEITRAG DER UN-DEKADE 2005 - 2014 ZU VERBREITUNG UND VERANKERUNG DER BILDUNG FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG - HORST RODE, GERD MICHELSEN

 
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Der Beitrag der UN-Dekade
              2005 – 2014 zu Verbreitung
              und Verankerung der
              Bildung für nachhaltige
              Entwicklung

              Horst Rode, Gerd Michelsen

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DER BEITRAG DER UN-DEKADE 2005 - 2014 ZU VERBREITUNG UND VERANKERUNG DER BILDUNG FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG - HORST RODE, GERD MICHELSEN
Herausgeber

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53129 Bonn
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tungsstelle Biosphärenreservat Rhön;
S. 59 istockphoto.com/spekulator;
S. 62 Markus Schieder/Fotolia.com

Gestaltung: MediaCompany GmbH

Druck: VAS Verlag

Auflage: 1.000

ISBN: 978-3-940785-37-4

Bonn, 2012

Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier
DER BEITRAG DER UN-DEKADE 2005 - 2014 ZU VERBREITUNG UND VERANKERUNG DER BILDUNG FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG - HORST RODE, GERD MICHELSEN
Inhalt

Inhaltsverzeichnis

      1              Hintergrund der Studie. .................................................................................................................................................... 5

      2              Datenlage und Datenquellen........................................................................................................................................... 8

      3              Entwicklung der UN-Dekade.................................................................................................................................... 10
   3.1               Konzeptionelle Entwicklungen............................................................................................................................... 10
3.1.1                Ebene der UN: International Implementation Scheme (IIS). .............................................. 11
3.1.2                Nationale Ebene: Nationaler Aktionsplan (NAP)............................................................................. 13
3.1.3                Ebene der Bundesländer: Aktionspläne der Länder....................................................................... 17
3.1.4                Lokale Ebene: Die Projekte......................................................................................................................................... 21
   3.2               Zahl der Projekte und Verteilung nach Region und Trägerschaft................................. 24
3.2.1                Regionale Verteilung........................................................................................................................................................... 26
3.2.2                Struktur der Projektträger............................................................................................................................................... 29
   3.3               Die UN-Dekade als Diffusionsprozess für BNE – Zwischenbilanz........................... 30

      4              Ergebnisse der quantitativen Studie. ................................................................................................................. 31
   4.1               Vorüberlegungen zur Datenauswertung....................................................................................................... 31
   4.2               Voraussetzungen und Reichweite........................................................................................................................ 32
   4.3               Verbreitung von BNE: Ziele der Projekte und Verbreitungsansätze. ....................... 45
   4.4               Hindernisse für die Projektumsetzung und die Verbreitung von BNE................... 53

      5              Die UN-Dekade als Diffusionszentrum für BNE.............................................................................. 55

                     Literatur. .............................................................................................................................................................................................. 60

Anhang 1: Fragebogen für laufende Projekte........................................................................................................................ 63

Anhang 2: Fragebogen für abgeschlossene Projekte. ................................................................................................... 72

                                                                                                                                                                                                                                    3
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UN-Dekade Bildung für Nachhaltige Entwicklung

Der Beitrag der UN-Dekade 2005 – 2014 zu
Verbreitung und Verankerung der Bildung
für nachhaltige Entwicklung
DER BEITRAG DER UN-DEKADE 2005 - 2014 ZU VERBREITUNG UND VERANKERUNG DER BILDUNG FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG - HORST RODE, GERD MICHELSEN
UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung

1 Hintergrund der Studie

Im Jahre 2002 haben die Vereinten            Diese Vorhaben werden zum Teil über die
Nationen (UN) die Weltdekade „Bildung        Auszeichnungsperiode von zwei Jahren
für nachhaltige Entwicklung“ (2005 –         hinaus fortgesetzt. 25 Projekte befinden
2014) ausgerufen. Die Umsetzung dieser       sich bereits in der vierten Auszeichnungs-
Dekade ist nach den schulischen Program-     periode. Darüber hinaus gibt es in jedem
men der Bund-Länder-Kommission für           Jahr eine große Zahl neuer Aktivitäten,
Bildungsplanung und Forschungsförde-         die vor ihrer Auszeichnung stehen bzw.
rung (BLK) „21“ und „Transfer 21“ die        sich um eine Auszeichnung bewerben.
eine weitere nationale Aktivität zur Eta-    Die Zahl der Bewerbungen erreicht aktuell
blierung, Verbreitung und Stabilisierung     die Zahl von 2500 (Stand: Februar 2012).
der Bildung für nachhaltige Entwicklung      Diese Entwicklungen belegen, dass die
(BNE) in Deutschland. Im Vergleich zu        Bildungsaktivitäten im Rahmen der UN-
den BLK-Programmen geht die Deka-            Dekade in Deutschland expandieren und
de jedoch über den schulischen Bereich       lassen damit erwarten, dass die Dekade
deutlich hinaus und bezieht alle Bildungs-   einen Beitrag zur Verbreitung und Ver-
segmente bis hin zur informellen Bildung     stetigung von BNE leistet. Diese Prozesse
ein. Vor diesem Hintergrund benennt          sind aber noch nicht systematisch erfasst
der „Nationale Aktionsplan“ (NAP) die        und bedürfen einer möglichst präzisen
vier zentralen Ziele der UN-Dekade:          Beschreibung, um künftige Bemühungen
                                             um Verbreitung gezielter und wirkungs-
n  Weiterentwicklung und Bündelung der     voller unterstützen und so einen Beitrag
   Aktivitäten sowie Transfer guter Praxis   zur weiteren Verstetigung von BNE leisten
   in die Breite,                            zu können.
n  Vernetzung der Akteure der BNE,
                                             Die UN-Dekade ist mit ihren unterschied-
n  Verbesserung der öffentlichen           lichen Gremien, Maßnahmen, Arbeits-
  Wahrnehmung der BNE,                       gruppen und pro Jahr mit rund 300 parallel
                                             laufenden ausgezeichneten Einzelprojek-
n  Verstärkung internationaler
                                             ten eine stabil laufende Initiative, die vom
  Kooperationen.
                                             Elementarbereich über allgemeine und be-
                                             rufliche Bildung, Hochschulen, Erwachse-
Innerhalb der UN-Dekade werden Projek-       nenbildung bis hin zur informellen Bildung
te und Kommunen für ihr herausragendes       alle Bildungsbereiche erreicht und umfasst.
Engagement im Bereich BNE ausgezeich-
net. Die Zahl der ausgezeichneten Projekte   Untersuchungsfelder und
ist seit Beginn der Dekade auf nunmehr       Fragestellungen
über 1400 angestiegen. Diese Projekte
stellen einen Bezug zu den strategischen     Dieser hohe Grad an Komplexität und
Zielen des NAP her, weisen einen Bil-        Vielschichtigkeit macht eine Fokussie-
dungsanspruch im Sinne von BNE aus,          rung der Begleitforschung sinnvoll. Die
beschreiben ihre Reichweite und benennen     Verbreitungsstrategien und -bedingungen
zu erwartende Ergebnisse bzw. Produkte.      in der UN-Dekade werden vor diesem

                                                                                            5
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    Hintergrund unter zwei zentralen Aspek-       politischer oder gesellschaftlicher Inno-
    ten betrachtet:                               vationen beschreiben, analysieren und
                                                  deren weiteren Verlauf prognostizieren
    n Dynamik des Feldes. BNE entwickelt         können. Für diesen Zweig der Forschung
      im Zusammenhang mit der UN-Dekade           wird der Begriff der Diffusionsforschung
      und darüber hinaus eine erhebliche Dy-      (Rogers, 1995; Warford, 2002) geprägt.
      namik – aktuell nicht zuletzt auch durch    Für den Bildungsbereich ist diese Dis-
      die Diskussion um den Klimaschutz           kussion erheblich jünger. In Deutschland
      und die verstärkte Nutzung erneuerbarer     beginnt die Debatte um Implementation
      Energien nach den Ausstiegsbeschlüssen      und Dissemination im Anschluss an die
      zur Atomenergie. Diese politisch-gesell-    großen, mehrere Bundesländer umfassen-
      schaftliche Dynamik leistet vermutlich      den BLK-Modellversuche der 90er Jah-
      einen Beitrag für die weitere Ausbreitung   re und ihrer Fortsetzungen, die teilweise
      und Verankerung von BNE und dürfte          erst vor wenigen Jahren abgeschlossen
      damit die Verbreitungsbemühungen im         wurden. Erste intensivere Forschungsar-
      Rahmen der Dekade verstärken.               beiten, für die sich der Arbeitsbegriff der
                                                  „Transferforschung“ durchgesetzt hat, lie-
    n Verbreitungsstrategien auf der Ebene       gen zu Modellversuchen in der beruflichen
      der Einzelprojekte als Kern der empi-       Bildung vor. Die Nutzung, Sicherung und
      rischen Untersuchung. Hier ist zu un-       möglichst flächendeckende, zeitlich über-
      tersuchen, inwieweit die Zielsetzung        dauernde Verbreitung der gewonnenen
      „Verbreitung“ überhaupt Eingang in          Erkenntnisse über Prozesse und Inhalte
      Projektplanung und -durchführung            aus diesen Modellversuchen wurde zuletzt
      gefunden hat. Bei fortgeschrittenen         bereits in der wissenschaftlichen Beglei-
      Projekten ist zu analysieren, ob es ver-    tung berücksichtigt. Zusätzlich gibt es
      breitungsfähige oder verbreitungs-          Forschungsprojekte, die sich mit der Ver-
      werte Ergebnisse gibt. Hier ist auch        breitung von Innovationen nach Abschluss
      Fragen nach der Art der Aufbereitung        der Modellversuche befassen (Nickolaus
      der Ergebnisse und der genutzten Ver-       et al., 2010). Auch wenn im Folgenden
      breitungswege nachzugehen. Darü-            einige Überlegungen zur Erforschung der
      ber hinaus ist der Blick auch darauf zu     Verbreitungsbedingungen für Innovati-
      richten, ob bestimmte Zielgruppen oder      onen diskutiert werden, so muss man be-
      Teile der Öffentlichkeit gezielt ange-      achten, dass dieses Forschungsfeld immer
      sprochen werden. Vor diesem Hinter-         noch neu und wenig erschlossen ist und
      grund werden zum Erhebungszeitpunkt         sich in erster Linie auf formale Bildungs-
      laufende Projekte und zum Erhebungs-        prozesse im schulischen Bereich richtet.
      zeitpunkt bereits abgeschlossene Projek-    Informelle Lerngelegenheiten hingegen
      te untersucht.                              wurden bislang kaum betrachtet. Diese
                                                  Ansätze lassen sich daher nur begrenzt
    Theoretische Grundlagen                       auf eine komplexe Initiative wie die UN-
                                                  Dekade anwenden.
    Seit den 20er und 30er Jahren des ver-
    gangenen Jahrhunderts werden Ansätze          Aus den verschiedenen Überlegungen zu
    entwickelt, die die Verbreitung hauptsäch-    Transfer und Diffusion wurde ein Analy-
    lich technischer, in geringerem Maße auch     serahmen für die Aktivitäten im Rahmen

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UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung

der UN-Dekade entwickelt. Dabei war zu         u. ä. orientieren, nur begrenzt anwendbar.
beachten, dass der größte Teil der Akti-       Diffusion oder Transfer können deswe-
vitäten eher im non-formellen Bereich          gen nur fragmentarisch sichtbar werden.
der Bildung angesiedelt ist und somit die      Allerdings können sowohl Transfer- als
für das allgemeine und berufliche Schul-       auch Diffusionsmodelle die Analyse der
wesen formulierten Konzepte und damit          Dekade-Aktivitäten strukturieren helfen.
verbundene Operationalisierungen ver-          Darüber hinaus bilden sie eine Grundlage
mutlich nicht vollständig angemessen           für Operationalisierungen, die für einen
sind. Auf der anderen Seite sollte man         empirischen Zugang besonders zu den
die Dekade, für die sich in verschiedenen      Projekten notwendig sind.
Bundesländern beispielsweise Unterstüt-
zungssysteme und übergreifende Koope-          Vor diesem Hintergrund wurde ein Ana-
rationsstrukturen entwickeln und festigen      lyserahmen entwickelt, der die Voraus-
auch nicht als ein reines Diffusionsprojekt    setzungen (Motivationen und Anlässe
begreifen. Die UN-Dekade unterscheidet         für die Beteiligung an der UN-Dekade,
sich aber auch von Modellversuchen, die        Erwartungen zum Nutzen der Teilnah-
einen für alle Beteiligten verbindlichen       me), die Reichweite (Nutzung von Kom-
konzeptionellen Rahmen und in der Re-          munikationswegen, lokale und regionale
gel eine für alle Beteiligten ebenfalls ver-   Ausrichtung der Projekte, Sicherung von
bindliche und klar definierte Zielsetzung      Ergebnissen), die Einschätzung ver-
innerhalb eines ebenfalls eng umschrie-        breitungswerter Inhalte und Umset-
benen Kontextes haben. Bei einem breit         zungshürden in den Blick nimmt. Die
angelegten Vorhaben wie der UN-Dekade          Operationalisierung wurde in Teilen in
ist der Modellcharakter weniger deutlich       Anlehnung an Überlegungen von Nicko-
– es geht nicht um die Entwicklung ei-         laus et al. (2006) vorgenommen, da die
nes dann verbreitet anwendbaren Imple-         Ausbreitung von Innovationen dort sehr
mentations- oder Anwendungsmodells,            konkret beschrieben und analysiert wird,
sondern um eine Vielfalt an (Bildungs-)        auch wenn dies an Hand der eher stärker
Zugängen zur nachhaltigen Entwicklung          formalisierten Modellversuche im Schul-
in unterschiedlichen Kontexten und in          bereich geschieht.
allen Bildungssegmenten. Die Mischung
aus Elementen formellen Transfers im           Ein weiterer wichtiger Bestandteil des
Rahmen beispielsweise von interminis-          Analyserahmens ist die Frage, welche
teriellen Arbeitsgruppen in verschiede-        Ansätze zur Verbreitung von BNE in den
nen Bundesländern und den von diesen           Maßnahmen und besonders den Projekten
Arbeitsgruppen koordinierten Maßnah-           mitgedacht werden und wie Schnittstel-
men und von Elementen der Diffusion            len für eine mögliche Rezeption gestaltet
in den einzelnen Projekten begrenzt die        werden. Die Frage, ob eine Verbreitung
Anwendbarkeit. Auch dort, wo keine             angestrebt oder unterstützt wird, stellt
formellen Strukturen aufgebaut oder            sich im Grunde nicht: Erste Überlegun-
schwach ausgeprägt sind, sind sowohl           gen zum Transfer bzw. zur Verbreitung
Transfermodelle, die sich auf Modell-          von BNE sind eine Voraussetzung für
versuche beziehen lassen, als auch Dif-        die Anerkennung als offizielles Dekade-
fusionsmodelle, die sich an Prozessen bei      Projekt und müssen bereits bei der
der Etablierung von Produktinnovationen        Bewerbung formuliert sein.

                                                                                            7
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UN-Dekade Bildung für Nachhaltige Entwicklung

    2 Datenlage und Datenquellen

    Quantitative Befragung                         zur Steigerung der Zahl ausgefüllter Fra-
                                                   gebogen musste der ursprüng­lich auf vier
    Die quantitativen Befragungen der laufen-      Wochen veranschlagte Erhebungszeitraum
    den und abgeschlossenen Dekade-Projekte        erheblich ver­län­gert werden. Die letzten
    wur­den auf der Grund­­lage der Datenban-      aus­wertbaren Frage­bogen erreichten Lüne-
    ken der Berliner Arbeitsstelle beim Vor-       burg nach bis zu sechs Er­innerungen erst
    sitzenden des UNESCO-National­komi­tees        im Jahr  2009.
    als Voll­erhebungen unter den Projekten
    konzipiert. Zu Be­ginn der Befragung           Insgesamt ergaben sich trotz der erforder-
    im Herbst 2008 waren in der Projekt-           lichen häufigen Erinnerungen sehr zufrie­
    datenbank insgesamt 696 aus­gezeich­nete       den­stel­len­de Rücklaufquoten von 60%
    Projekte ent­halten, die bei 497 verschiede­   bei den laufenden und 43% bei den abge­
    nen Projektträgern liefen. In Ein­zelfällen    schlos­senen Pro­jek­ten (vgl. Tab. 1).  Bei
    wurden bis zu sie­ben teils sehr unter­        der Bewertung des Rücklaufs zeigt sich,
    schiedliche Projekte pro Projektträger         dass die Aus­sagefähig­keit der Daten durch
    durchgeführt. 367 der gelisteten Projekte      die Teil­nahme von Trägern mit mindestens
    waren im Erhe­bungszeitraum als lau­           zwei Projek­ten etwas einge­schränkt wird.
    fende und 229 als abge­schlossene Projek-      In 11 Fäl­len wurde von der gleichen Per-
    te einzu­stufen. Die Daten bei­der Gruppen     son je ein Frage­bogen zu lau­fenden und
    von Projek­ten wur­den mit spe­zifischen       abgeschlossenen Projek­ten ausgefüllt. In
    Fragebogen im Online-Verfahren erho­ben.       diesen Fällen wurde nur der Frage­bogen
    Wegen der not­wendigen Rücklauf­pfle­ge        für laufende Projekte in die Aus­wer­tung

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einbezogen, so dass 87 Fragebogen für            Die empirischen Teilstudien wurden
ab­geschlossene Projekte verbleiben. Die         durch die Nutzung verschiedener Da-
Rücklaufquotne sind sowohl für die lau-          ten und Doku­mente der Dekade ergänzt.
fenden als auch die abgeschlossenen Pro-         Dazu gehören unabhängig von der Aus-
jekte durchweg zufrie­den­stellend. 193          zeichnung aufbereitete Angaben aus
laufenden Projek­ten konnten darüber hi-         der Projektdatenbank zu allen Projekten
naus Angaben aus den vorliegenden Be­            der UN-Dekade, die Antragsunter­la­gen
werbungsunterlagen zur Aus­zeichnung als         eines großen Teils der Projekte, Unter-
Dekade-Projekt zugeordnet werden.                lagen zum NAP und Unterlagen zu den
                                                 Aktions­plänen und Aktivitäten in den
Dokumente und Datenbanken                        Bun­des­ländern. Ein Teil der Angaben
                                                 in den An­tragsun­ter­lagen wurde codiert
Eine die Fragebogen ergänzende Daten-            und in die Datensätze der laufenden und
quelle sind die Bewerbungsunterlagen             abgeschlos­senen Projekte integriert.
für die Auszeich­nung als Dekade-Projekt,
von denen ein großer Teil (2005-2009)            Die in der Projektdatenbank enthaltenen
einer Analyse zugänglich ist. Zusätzlich         Informationen wurden nach Projektträ-
konnte auf die gebündelten Veröffent-            gern mit mehre­ren Projekten, Projektträ-
lichungen von Kurz­d ar­s tellungen der          gertyp mit dem Fokus auf die Beteiligung
Projekte zurückgegriffen werden, die             von Schulen, Fortsetzungs­an­träge sowie
erstmals im Zuge der Auszeichnungs­              die Entwicklung der Gesamtzahl der Pro-
veranstaltung in Erfurt (26.09.2008)             jekte analysiert. Dabei werden Projekte
heraus­gegeben wurden.                           bis zur Aus­zeichnungsveranstaltung im
                                                 Frühjahr 2010 berücksichtigt.

                                                       Laufende        Abgeschlossene
                                                        Projekte          Projekte
 Projekte in der Datenbank                            367 (100%)        229 (100%) *
 Fragebogenaufrufe                                    301 (82%)          146 (64%)
 Ausgefüllte Fragebogen                                221 (60%)          98 (43%)
 Zugeordnete Anträge auf Auszeichnung
                                                          193
 als offizielles Dekade-Projekt **
 Projektträger mit mindestens 2 Projekten                  43                 16

 Dopplungen zwischen laufenden und
                                                                              11
 abgeschlossenen Projekten

 *   5 Fragebogen wurden in Papierform versandt
 ** 28 Projekten, von denen ein Fragebogen vorlag, konnte kein Antrag zugeordnet
     werden, da die Projektbezeichnung im Fragebogen nicht der im Antrag
     entsprach und die Projektnummer nicht angegeben wurde.
Tab. 1: Grunddaten der quantitativen Studien zu den Dekade-Projekten

                                                                                             9
DER BEITRAG DER UN-DEKADE 2005 - 2014 ZU VERBREITUNG UND VERANKERUNG DER BILDUNG FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG - HORST RODE, GERD MICHELSEN
UN-Dekade Bildung für Nachhaltige Entwicklung

     3 Entwicklung der UN-Dekade

     3.1	Konzeptionelle Entwicklungen

     Die konzeptionellen Entwicklungen in          nen der UN-Dekade angeschlossen;
     der UN-Dekade verlaufen auf unter-            Aktivitäten finden in allen Ländern
     schiedlichen Ebenen mit unterschiedli-        statt. In einigen Ländern werden die
     chen Merkmalen und unterschiedlichen          Aktionspläne regelmäßig fortgeschrie-
     Geschwindigkeiten und Intensitäten:           ben. Konzeption und Aufbau lehnen
                                                   sich deutlich an den NAP an. Es wer-
     n E
        bene der UN. Seit 2005 gibt es das        den Maßnahmen definiert und Stütz-
       „International Implementation Scheme        systeme aufgebaut. Allerdings werden
       for the United Nations Decade of Edu-       nur selten der Zielerreichungsgrad der
       cation for Sustainable Development“         Maßnahmen und die Qualität der Akti-
       (IIS), das Hinweise für mögliche Ko-        vitäten untersucht.
       operationen, potenzielle Akteure und
       Vorgehensweisen auf lokaler, nationa-     n L
                                                    okale Aktivitäten. Hierzu zählen vor
       ler und internationaler Ebene enthält.      allem die Projekte, die in den quantita-
       Darüber hinaus werden Leitlinien und        tiven und qualitativen Studien detail-
       Vorschläge für eine Verbreitung und         lierter untersucht worden sind. Hinzu
       Verankerung von BNE unterbreitet.           kommen die ausgezeichneten Kommu-
       Das IIS muss auf die vielen nationalen      nen und Landkreise.
       und vor allem kulturellen Unterschiede
       und die damit verbundenen Schwer-         Die UN fügen zwischen der nationalen
       punktsetzungen und Ziele Rücksicht        und internationalen Ebene noch eine
       nehmen. Es bleibt daher auf einer         „regionale“ Ebene ein, die sich auf die
       allgemeinen Ebene und lässt große         UN-Regionen bezieht, die jeweils größere
       Gestaltungsspielräume.                    geographische Räume mit mehreren Staa-
                                                 ten umfassen. Auf der anderen Seite gibt
     n N
        ationale Ebene. Ziele und Leitlinien    es keine Entsprechung für die regionalen
       sind auf der nationalen Ebene in          Besonderheiten und Abgrenzungen inner-
       Deutschland im Nationalen Aktions-        halb föderalistischer Staaten wie Deutsch-
       plan (NAP) formuliert. Der erste NAP      land.
       wurde 2005 vorgelegt und 2009 und
       2011 fortgeschrieben (u. a. Aktualisie-   Die verschiedenen Dokumente der Deka-
       rung der Maßnahmen, 2011 Strategie        de werden analog den Anforderungen
       für die zweite Dekadehälfte). Für jede    einer Konzeptevaluation (Rossi et al.
       Maßnahme werden spezifische Ziele         1999) betrachtet. Im Mittelpunkt steht die
       und Indikatoren der Zielerreichung        Frage, ob die beschriebenen Ziele, Ziel-
       festgelegt.                               erreichungskriterien und Konzepte geeig-
                                                 net sind, einen Beitrag zur weiteren
     n B
        undesländer. Elf der 16 Bundeslän-      Verbreitung, Verankerung und Populari-
       der haben sich mit eigenen Aktionsplä-    sierung von BNE zu leisten.

10
UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung

3.1.1 Ebene der UN: International          der Gedanke an Vernetzungen und Bünd-
      Implementation Scheme (IIS)           nissen deutlich im Mittelpunkt: „With
                                            such an enormous and diverse group of
Im IIS von 2005 werden Vorschläge und       potential partners, there is a need to focus
Leitlinien für eine Ausdehnung und Ver-     on networks and alliances“ (UN 2005,
ankerung von BNE unterbreitet. Das IIS      S. 6). Den Akteuren jeder Ebene werden
formuliert keine Transfer- oder Diffusi-    spezifische Aufgaben zugeordnet, auf lo-
onsstrategie, gibt jedoch Hinweise für      kaler Ebene (subnational level) etwa „in-
mögliche Kooperationen, potenzielle Ak-     tegrate ESD into regular learning
teure und Vorgehensweisen auf lokaler,      activities and programmes“ (ebenda), auf
nationaler und internationaler Ebene. Ak-   nationaler Ebene für die Bildungsadmi-
tionspläne der Bundesländer, z. B. Ham-     nistration beispielsweise „provide a natio-
burg, beziehen sich ausdrücklich auf das    nal policy framework for ESD“ oder
IIS.                                        „budget and mobilize resources“, für
                                            NGOs und gesellschaftliche Netzwerke
Das IIS geht von einem „Partnership/        „facilitate exchange and information sha-
Alliance“-Ansatz aus, der Akteure aus       ring among their members about ESD
der öffentlichen Verwaltung und Politik     practices and experiences“ (ebenda, S. 7).
(„Government“), aus der Zivilgesellschaft   Der lokalen Ebene werden konkrete
und von NGOs sowie Private (Einzelper-      Handlungen und die Entwicklung konkre-
sonen, Firmen) zusammenführen soll.         ter Handlungsoptionen, der nationalen
Dieser Ansatz wird auf die lokale, natio-   Ebene die Erstellung eines Rahmens und
nale und internationale Ebene und die       unterstützende Funktionen, wie die
dort tätigen Akteure bezogen. Dabei steht   Setzung politischer Prioritäten und die

                                                                                           11
UN-Dekade Bildung für Nachhaltige Entwicklung

     Vorhaltung von Informationen für die Ak-      ten, die sich zu einem guten Teil im
     teure, zugewiesen. Die Kooperation zwi-       Ansatz der Gestaltungskompetenz wie-
     schen den Ebenen bewegt sich sehr stark       derfinden. Besonderes Augenmerk er-
     im informellen und wenig verbindlichen        halten Lehrerbildung und -fortbildung.
     Bereich. Vorschläge für den Aufbau von
     Stützsystemen und die Ebenen enger ver-     n R
                                                    esearch, development and innovati-
     knüpfenden Kooperationsformen finden          on umfasst einerseits die begleitende
     sich kaum. Im Vordergrund stehen umfas-       Forschung und Entwicklung auf al-
     sende Möglichkeiten gesellschaftlicher        len Ebenen und die Entwicklung von
     Gruppen, im Gesamtprozess zu partizipie-      Lernumgebungen und -settings, die
     ren (ebenda, S. 9).                           BNE fördern. Dazu gehört auch die
                                                   (pädagogische) Methodenentwicklung.
     Die sieben Strategien „for moving for-
     ward“ beschreiben im Anschluss, welche      n U
                                                    se of information and communica-
     Vorgehensweisen BNE international in          tion technologies beschreibt die wich-
     den stark divergierenden nationalen Kon-      tige Rolle, die diese Technologien aus
     texten fördern können:                        Sicht der UN für die Entwicklung und
                                                   Durchführung eines großen interna-
     n V
        ision-building and advocacy bezeich-      tionalen Projekts haben. Besonders
       net die Entwicklung von Vorstellungen       die Funktion als Lernplattform wird
       zu einer nachhaltigen Gemeinschaft,         hervorgehoben. Einschränkende Be-
       verbunden mit der Einbeziehung aller        dingung ist der noch nicht überall
       potenziellen Akteure und Anspruchs-         gegebene Zugang zu diesen Technolo-
       gruppen in die Kommunikation und            gien.
       Entwicklung zur Verbreitung der Nach-
       haltigkeitsidee.                          n M
                                                    onitoring and evaluation wird als
                                                   wichtiger Baustein für die Bewertung
     n C
        onsultation and ownership bezieht         der Wirkungen und der durch die De-
       sich auf partizipative Ansätze zur Ver-     kade angestoßenen Entwicklungen ge-
       breitung der Nachhaltigkeitsidee unter      sehen. Von besonderer Bedeutung ist
       Einbeziehung der verschiedenen An-          die Aussage, dass die Aktivitäten in
       spruchsgruppen. Die öffentliche Ver-        laufende und bestehende Prozesse inte-
       waltung wird als Rahmengeberin und          griert werden sollen und daher von
       Initiatorin für partizipative Prozesse      Anfang an evaluativ zu beobachten
       gesehen.                                    sind.

     n P
        artnership and networks umfasst die     Im Mittelpunkt des IIS stehen Vernetzun-
       Kooperation und Vernetzung zwischen       gen und die partizipative Einbindung ei-
       verschiedenen Akteuren im Rahmen          ner breiten Palette unterschiedlicher
       von BNE. Besonders betont wird die        Akteure. Das eher programmatische IIS
       Notwendigkeit eines regelmäßigen ge-      macht keine expliziten Aussagen über
       genseitigen Konsultationsprozesses.       Mechanismen, die die weitere Verbrei-
                                                 tung und Implementation von BNE unter-
     n C
        apacity building and training bein-     stützen. Dies erscheint nachvollziehbar,
       haltet die Entwicklung von Fähigkei-      wenn man bedenkt, dass es abhängig von

12
UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung

kulturellen, ökonomischen, ökologischen
und sozialen Hintergründen in den Mit-
gliedsstaaten der UN unterschiedliche
Verständnisse und Schwerpunkte von
BNE gibt (Rieckmann, 2010).

3.1.2  Nationale Ebene:
         Nationaler Aktionsplan (NAP)

Grundlage für die nationalen Aktivitäten
in Deutschland ist der Nationale Aktions-
plan (NAP), der 2005 erstmals aufgestellt
und 2008/09 und 2011 fortgeschrieben
wurde. Der erste NAP setzt vier zentra-
le Ziele für die UN-Dekade, von denen
gleich das erste Ziel eng mit der Weiter-
verbreitung von BNE verbunden ist (NAP
2005, S. 10ff.):

1. „Weiterentwicklung und Bündelung
    der Aktivitäten sowie Transfer guter
    Praxis in die Breite“. Unter dieser         dem Gesichtspunkt der Verbreitung
    Überschrift werden mehrere Zielbe-          und Stabilisierung von BNE hervor-
    reiche für unterschiedliche Bildungs-       zuheben.
    bereiche formuliert: frühkindliche
    Bildung, allgemeinbildende Schule        3. „Verbesserung der öffentlichen Wahr-
    unter Berücksichtigung der Ergebnis-        nehmung der Bildung für nachhaltige
    se und Produkte des BLK-Programms           Entwicklung“. Durch eine verstärk-
    „21“ und des Nachfolgers „Trans-            te Information der Bürgerinnen und
    fer-21“ sowie unter Verbindung mit          Bürger soll Einfluss auf Bildungsan-
    außerschulischen Lernangeboten,             gebote ausgeübt werden. Darüber hi-
    Hochschulen und Weiterbildung.              naus wird eine verstärkte Präsenz der
                                                Nachhaltigkeitsthematik in den Medi-
2. „Vernetzung der Akteure der Bildung          en angestrebt.
    für nachhaltige Entwicklung“. Dieses
    Ziel bildet deutlich eine Zielsetzung    4. „Verstärkung internationaler Koope-
    des IIS ab. Besonders das Teilziel in-       ration“. Unter der Perspektive einer
    tensiverer lokaler Vernetzung (public-       Verbreitung von BNE erscheint der
    private-partnerships) und der Aufbau         Austausch von Beispielen guter Praxis
    von Stützsystemen durch „zentrale            in einem europäischen Rahmen beach-
    fachliche Servicestellen und geschulte       tenswert. Ergebnisse aus Deutschland
    Multiplikatoren, auch im Bereich der         sollen europäisch sichtbar werden und
    beruflichen Bildung, der Hochschu-           Ergebnisse und Produkte aus anderen
    len, der außerschulischen Bildung und        Ländern sollen BNE in Deutschland
    des informellen Lernens“, sind unter         anreichern.

                                                                                         13
UN-Dekade Bildung für Nachhaltige Entwicklung

     Zur Erreichung dieser vier übergrei-        hinaus wird ein weiterer Ausbau des In-
     fenden Ziele werden in den NAP ver-         ternetportals der Dekade zur Dokumen-
     schiedene Maßnahmen aufgenommen,            tation und Bereitstellung von Beispielen
     die sich zu einem beachtlichen Teil auf     guter Praxis in Aussicht gestellt. Nahezu
     bereits zu Beginn der Dekade laufende       unverändert bleiben die übrigen Teilzie-
     Aktivitäten beziehen und damit Ansatz-      le, die nach vor wie alle Bildungsberei-
     punkte für eine Verstetigung bieten. Die    che betreffen.  Zu beachten ist, dass die
     Maßnahmen umfassen sowohl Aktivitä-         Fortschreibung des NAP den Stand vom
     ten auf Bundes-, Länder- und regionaler     Juli 2008 wiedergibt, so dass Aktions-
     Ebene unter fallweiser Einbeziehung         pläne einzelner Bundesländer (z. B. Bay-
     auch nicht-öffentlicher Partner. Jedem      ern), die erst später aufgestellt wurden,
     der vier Ziele sind entsprechende Maß-      dort noch nicht berücksichtigt sind.
     nahmen zugeordnet. Überprüfungs- und
     Erfolgskriterien sind jeweils maßnah-       Auch das zweite zentrale Ziel (Vernet-
     menspezifisch formuliert. 27 der insge-     zung) bleibt unverändert. Die Teilziele
     samt 61 Maßnahmen betreffen Ziel eins,      bleiben ebenfalls unverändert. Das dritte
     16 Ziel zwei und je 9 die Ziele drei und    Ziel (Verbesserung der Wahrnehmung
     vier. Einige Maßnahmenträger (z. B.         von BNE in der Öffentlichkeit) wird
     VENRO, BANU) sind an mehr als einer         um ein neues Teilziel ergänzt, das die
     Maßnahme beteiligt. Von Bedeutung ist       Sichtbarmachung von BNE im Rahmen
     in diesem Zusammenhang, dass der NAP        lokaler Initiativen durch die Auszeich-
     nicht als statisch, sondern als dynamisch   nung von Projekten und Kommunen
     angesehen wird, wie die beiden inzwi-       hervorhebt. Das vierte zentrale Ziel (In-
     schen erfolgten Fortschreibungen und        ternationale Kooperation) bleibt mitsamt
     Ergänzungen belegen.  Es ist insbeson-      seiner Teilziele unverändert. Insgesamt
     dere vorgesehen, den Maßnahmenkata-         geschieht bei den Zielen und Teilzielen
     log ständiger Beobachtung und Revision      der Dekade ein sehr sparsamer Fort-
     zu unterziehen. Die Maßnahmen können        schreibungsprozess, bei dem offenbar
     einen Beitrag zur Diffusion von BNE         konzeptioneller Stabilität der Vorzug
     leisten, indem sie ein breites Spektrum     gegenüber einer größeren Veränderungs-
     von Zielgruppen ansprechen und diese        geschwindigkeit gegeben wird. Auch
     in die BNE-gerichteten Aktivitäten ein-     dies unterstreicht den Diffusionscharak-
     binden, stützende (Netzwerk-)Strukturen     ter der UN-Dekade in Deutschland.
     aufbauen und am Leben erhalten.
                                                 Dafür spricht auch, dass die Dekade wei-
     NAP-Fortschreibung 2008/09                  terhin dezentral umgesetzt werden soll.
                                                 Weiter heißt es: „Lokale Aktivitäten,
     Die Fortschreibung des NAP ab 2009          Kommunen und Projekte können weiter-
     hält an den vier zentralen Zielen fest.     hin als Offizielle Dekadeprojekte/Kom-
     Unter Ziel 1 (Transfer guter Praxis in      munen bzw. Städte der Weltdekade in
     die Breite) wird den Entwicklungen seit     die UN-Dekade aufgenommen werden.
     2005 Rechnung getragen: Als Teilziel        Auf diese Weise soll der vielfältigen Bil-
     kommt die Aufstellung von Landesak-         dungslandschaft Deutschlands Rechnung
     tionsplänen und deren Fortschreibung        getragen und das lokale Engagement
     in allen Bundesländern hinzu. Darüber       unterstützt werden“ (NAP 2009, S. 16).

14
UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung

Im Unterschied zum NAP von 2005 ent-          vier von   nur noch 5 Maßnahmen ver-
hält die Ausgabe 2009 Kriterien für die       folgt wird. Der NAP 2008/09 weist 66
Aufnahme von Aktivitäten in den Maß-          Maßnahmen aus, der NAP von 2005 61
nahmenkatalog (NAP 2009, S. 18), die          Maßnahmen. Bis 2010 erhöhte sich die
auch Verbreitungs- und Verstetigungs-         Zahl der Maßnahmen auf 72.
aspekte benennen: So muss mindestens
eines der vier zentralen Ziele adressiert     Unverändert bleiben die Organe der De-
werden, die Dimensionen der BNE müs-          kade als Stützsysteme. Dazu gehören das
sen berücksichtigt werden und es sind         Nationalkomitee, die Jury für die Aus-
Methoden und Mechanismen zu entwi-            zeichnung der Projekte, die beiden Ko-
ckeln, die zeigen, wie sich BNE in ver-       ordinierungsstellen in Berlin und Bonn
schiedenen Bildungsbereichen verankern        sowie der Runde Tisch mit wechselnden
lässt. Wichtig ist auch das Kriterium der     Zusammensetzungen und die verschiede-
Reichweite: Es sollen auch Menschen           nen Arbeitskreise auf nationaler Ebene.
außerhalb der Maßnahme erreicht wer-          Einige Länder übernehmen diese Struktu-
den – national wie international.  Betont     ren analog in ihre eigenen Aktionspläne.
wird an dieser Stelle der Modellcharakter,
der eine Umsetzung der Ergebnisse „auch       Die Verbindung zwischen Bundes- und
in anderen Bildungskontexten“ ermögli-        Länderebene erfolgt vornehmlich über
chen soll. Mit diesen Anforderungen geht      den bundesweiten Runden Tisch, an
eine „Ergebnisorientierung“ einher, die       dem alle Länder vertreten sind. Im Nati-
ebenfalls die Übertragbarkeit in andere       onalkomitee sind die Länder durch zwei
Kontexte fordert. Ein letztes Kriterium ist   KMK-Vertreter repräsentiert. Viele Ver-
die formale Korrektheit der Anträge im        bindungen zwischen den Ebenen Bund,
Sinne der UN-Dekade. Diese Anforde-           Land und lokales Projekt verlaufen eher
rungen zur Anerkennung als Dekade-            indirekt, beispielsweise über Verbände
Maßnahme nehmen auch Transfer- bzw.           wie ANU oder VENRO und andere In-
Diffusionsaspekte in den Blick.               teressenvertretungen. Die Einbeziehung
                                              von Medien und Kommunikationsunter-
Die Struktur der Maßnahmen ähnelt der         nehmen auf der Bundesebene definiert die
aus dem Jahre 2005. Entfallen sind ab-        Schnittstelle zu einer breiten Öffentlich-
geschlossene Maßnahmen wie etwa das           keit und kann Verbreitung bzw. Diffusion
BLK-Programm „Transfer-21“. Hinzu-            fördern.
gekommen sind Maßnahmen auf Lände-
rebene, da acht Länder zwischen 2005          NAP-Fortschreibung 2011
und 2009 eigene Aktionspläne aufgestellt
haben, die auch im NAP ihren Nieder-          Die vier grundlegenden Ziele des NAP
schlag fanden. Besonders zum ersten           werden auch in der Forschreibung 2011
zentralen Ziel ist eine Ausweitung der        unverändert beibehalten. Ein neues Ele-
Maßnahmen zu beobachten, dessen Errei-        ment ist die „Strategie für die zweite De-
chung nunmehr 33 Maßnahmen dienen.            kade-Hälfte“. Die Dekade soll verstärkt
15 Maßnahmen nehmen sich dem Ziel             die Leistungsfähigkeit von BNE zeigen:
der Vernetzung an, während Ziel drei          „Für Akteure außerhalb der BNE muss
(Verbesserung der öffentlichen Wahr-          deutlich werden, warum sie sich für BNE
nehmung) von 13 Maßnahmen und Ziel            öffnen sollten“ (NAP 2011, S. 71). Ein

                                                                                           15
UN-Dekade Bildung für Nachhaltige Entwicklung

     besonderer Fokus wird noch einmal auf         Nach diesen Kriterien sind aktuell 33
     die formelle Bildung und dort den Schul-      Maßnahmen ausgewählt, die allerdings
     bereich gelegt. Hierauf richtet sich eine     nicht im NAP geführt werden.
     Reihe von Empfehlungen, die Bildungs-
     träger von der frühkindlichen Bildung über    Ein zweiter zentraler Schwerpunkt der
     die Schule bis hin zur beruflichen Aus-       Strategie für die zweite Dekade-Hälfte ist
     und Weiterbildung in den Blick nehmen.        die „Steigerung der öffentlichen Sichtbar-
     Dabei wird – besonders für den berufli-       keit von BNE“ (NAP 2011, S.73f.). Dies
     chen Bereich – noch einmal auf die Leis-      soll durch eine Verstärkung der Aktivitä-
     tungspotenziale von BNE hingewiesen:          ten in Richtung neue Medien, aber auch
     BNE-geschulte Mitarbeiter seien aufgrund      die Einpassung von Dekade-Inhalten in
     ihres Reflexionsvermögens motivierter,        existierende Sende- und Publikationsfor-
     ein Unternehmens-Engagement macht             mate klassischer Medien unter Einbindung
     sich durch die Einsparung von Ressourcen      von Journalisten erreicht werden. Auch die
     rasch bezahlt.                                Einbeziehung neuer fachlicher Zielgrup-
                                                   pen und Bündelung von Kommunikations-
     Der NAP 2011 enthält keine Maßnah-            strategien im Hinblick auf die Erreichung
     men. Die laufenden Maßnahmen werden           einer breiteren Öffentlichkeit wird als
     einer Revision unterzogen, die Kriterien      konkrete Aktivität für die nahe Zukunft
     denen der Einzelprojekte angepasst. Alle      genannt.
     Maßnahmen sind aufgefordert, sich einer
     erneuten Bewerbung und damit Prüfung          Hinzu kommen eine Intensivierung der
     zu unterziehen. Dabei werden drei Anfor-      internationalen Aspekte und Verankerung
     derungen für Maßnahmen festgelegt, die        von BNE sowie eine engere Kooperati-
     über die bisherigen Anforderungen hinaus-     on mit der Privatwirtschaft. Dazu gehört
     gehen (NAP 2011, S. 66):                      die Empfehlung, Wirtschaft und Konsum
                                                   in den Aktivitäten der BNE deutlicher
     1. D
         ie Aktivitäten haben einen „politisch-   hervortreten zu lassen und die Manage-
        strategischen“ Anspruch,                   ment-Ebene für BNE zu sensibilisieren.
                                                   Schließlich gelten weitere Empfehlungen
     2. D
         ie Reichweite muss „mindestens           einer Intensivierung der Zusammenarbeit
        überregional“ sein,                        mit Kommunen, beispielsweise über das
                                                   Konzept „Lernende Regionen“, wobei
         ie Aktivitäten „prägen die Bildungs-
     3. D                                          BNE durchaus als „Standortfaktor für die
        landschaft nachweislich auf Dauer, das     Kommunen“ hervorgehoben werden soll.
        heißt, sie sind deutlich über das Ende     Als Beleg können die Entwicklungen in
        der Dekade 2014 hinaus wirksam.“           den bisherigen Kommunen der Dekade
                                                   dienen (NAP 2011, S. 75f.).

16
UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung

3.1.3 E
       bene der Bundesländer:                  Schwerpunkte sichtbar. So werden etwa
      Aktionspläne der Länder1                  in Mecklenburg-Vorpommern oder auch
                                                Rheinland-Pfalz bedingt durch entspre-
Elf Bundesländer haben analog zum               chende Vorarbeiten und Vorerfahrungen
NAP eigene Aktionspläne mit spezifi-            deutliche Schwerpunkte in ökologienahen
schen Zielsetzungen und Maßnahmen               Bereichen, wie etwa der Waldpädagogik,
aufgestellt: Baden-Württemberg, Bayern,         gelegt, während in Hamburg und Thürin-
Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-              gen eine sehr breite und alle Bildungsbe-
Vorpommern, Nordrhein-Westfalen,                reiche umfassende thematische Palette
Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-An-          bearbeitet wird.
halt, Schleswig-Holstein und Thüringen.
Diese Aktionspläne werden in einigen            Die folgende Synopse der Länder-Akti-
Ländern in unterschiedlichen Abstän-            onspläne umfasst sechs Kriterien: die re-
den fortgeschrieben (z. B. Hamburg und          gelmäßige Fortschreibung, die Zahl und
Thüringen jährlich, Sachsen-Anhalt al-          Struktur der Maßnahmen in den Ländern
le drei Jahre, vgl. Tabelle 2). Alle Akti-      verbunden mit den Kriterien für die Auf-
onspläne enthalten Überlegungen und             nahme in die Maßnahmenkataloge, die
Mechanismen, die unterschiedliche Bil-          Kompatibilität zum NAP, die Ausprägung
dungsbereiche und Aktivitäten, teilweise        von Stützsystemen für BNE und die The-
explizit im Sinne lebenslangen Lernens,         matisierung von Transfer und Diffusion
in die UN-Dekade einbinden. Dabei               von BNE.
kommen auch Aktivitäten zum Zuge,
die bereits vor der UN-Dekade begon-            Regelmäßige Fortschreibung
nen haben. Durch die Fortschreibung
werden auch aktuelle Entwicklungen              In den meisten Ländern mit eigenem Ak-
(z. B. Diskurs zum Klimaschutz) abgebil-        tionsplan ist eine Fortschreibung vorgese-
det und damit Teil der Dekade-Aktivitä-         hen oder wird bereits vollzogen. So gibt
ten. Länder ohne Aktionsplan entfalten          es beispielsweise im Saarland, in Baden-
ebenfalls koordinierte Aktivitäten: so bet-     Württemberg und Sachsen-Anhalt bisher
tet beispielsweise Hessen die Dekade in         eine Fortschreibung, während Thüringen
die „Nachhaltigkeitsstrategie für Hessen“       einen jährlichen Rhythmus erreicht. Die
ein; Bremen hat ein BNE-Netz eingerich-         letzten Aktualisierungen haben in diesen
tet und Niedersachsen nutzt vorhandene          Ländern zum Zeitraum 2009/2010 stattge-
Strukturen wie die Regionalen Umwelt-           funden. Die übrigen Länder haben ihre
zentren und verändert seine Lehrpläne           Pläne zwischen 2007 und 2009 aufge-
und auch die zweite Phase der Lehrkräfte-       stellt, so dass es noch nicht zu Fortschrei-
Ausbildung deutlich in Richtung BNE.            bungen und Revisionen gekommen ist.
                                                Die zeitlichen Abstände zwischen den
In den vorliegenden Aktionsplänen               Fortschreibungen sind dementsprechend
der Länder werden durchaus differente           sehr unterschiedlich. Gelegentlich wird
                                                die Fortschreibung der Aktionspläne an
                                                andere Aktivitäten im Bereich nachhalti-
                                                ger Entwicklung gekoppelt, beispielswei-
1 D
   ie Aktionspläne der Länder werden mit den
  notwendigen Angaben im Literaturverzeich-
                                                se in Rheinland-Pfalz, wo ein Anschluss
  nis aufgeführt.                               an die Entwicklung der Landesagenda

                                                                                               17
UN-Dekade Bildung für Nachhaltige Entwicklung

                                            Jahr des Erscheinens bzw. der Fortschreibung

      Land                       2005/06    2006/07     2007/08    2008/09      2009/10    2010/11
      Baden-Württemberg
      Bayern
      Berlin
      Brandenburg
      Bremen
      Hamburg
      Hessen
      Mecklenburg-Vorpommern
      Niedersachsen
      Nordrhein-Westfalen
      Reinland-Pfalz
      Saarland
      Sachsen
      Sachsen-Anhalt
      Schleswig-Holstein
      Thüringen

     Tabelle 2: Übersicht über die Länderaktionspläne im Rahmen der UN-Dekade

     stattfindet. Insgesamt lässt sich feststel-      nahme in den NAP gefunden haben. Der
     len, dass die Länder bemüht sind, BNE            Katalog wird nach Bildungsbereichen
     auf diesem Wege zu stabilisieren und eine        differenziert. Mecklenburg-Vorpommern
     weitere Implementierung zu fördern –             listet 82 Maßnahmen auf, die teilwei-
     wenn auch in unterschiedlichen Ausprä-           se nach Regionen (Schwerin, Rostock,
     gungen (vgl. Tabelle 2).                         Stralsund-Greifwald, Neubrandenburg)
                                                      gegliedert sind. Wie auch in Hamburg
     Länderspezifische Maßnahmen                      mit seinen 116 den einzelnen Bildungs-
                                                      bereichen zugeordneten Maßnahmen
     Im Zuge der Aufstellung ihrer Aktions-           gibt es in Mecklenburg-Vorpommern
     pläne haben einige Länder eigene Maß-            mehr Maßnahmen als Projekte. Ähn-
     nahmenkataloge zusammengestellt, aber            lich sind die Verhältnisse in Thüringen
     nicht in jedem Fall beibehalten oder wei-        mit 101 Maßnahmen, die Sachgebieten
     terentwickelt, wie die   nachfolgenden           (u. a. Klimaschutz und Energie, Gesund-
     Beispielen zeigen. So verzeichnet Bayern         heit und Entwicklung, Arbeit, Fami-
     43 Maßnahmen21, von denen fünf Auf-              lie und Soziales) zugeordnet sind, und
                                                      Schleswig-Holstein mit einer Zuordnung
                                                      nach Bildungsbereichen und inhaltlichen
                                                      Kategorien mit Nachhaltigkeitsaffinität
     2 D
        ie Anzahl der Maßnahmen wurde an Hand
       der jeweils jüngsten Fortschreibungen der
                                                      (z. B. Verbraucherbildung). In Thüringen
       Aktionspläne ermittelt.                        werden allerdings seit der Fortschreibung

18
UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung

des Aktionsplans 2006 keine Maßnahmen        Kompatibilität zum NAP
mehr genannt, sondern nur noch die im
Land angesiedelten Projekte aufgeführt.      Fast alle Länderaktionspläne weisen in
Sachsen-Anhalt ordnet seine 29 Maßnah-       ihren Zielsetzungen und den für eine Un-
men den Bildungsbereichen vom Kinder-        terstützung der UN-Dekade notwendigen
garten bis zur Erwachsenenbildung zu.        Strukturen und Gremien ein hohes Maß
Wichtigstes Strukturierungsmerkmal der       an Kompatibilität zum NAP auf (z. B.
Kataloge sind die unterschiedlichen Bil-     Einrichtung Runder Tische). Gelegentlich
dungsbereiche und weniger die im NAP         werden zusätzlich noch länderspezifische
formulierten Kernziele der Dekade.           Zielsetzungen formuliert. So kommen als
                                             Ziele in Thüringen noch die Eröffnung
Nur wenige Länder formulieren explizit       von Handlungsmöglichkeiten für Bürge-
Qualitätskriterien für Maßnahmen bzw.        rinnen und Bürger, die Schlüsselrolle von
im Land zu fördernde Projekte. So wa-        Bildung und Erziehung hinzu. Bayern
ren in Thüringen am Beginn der Dekade        nennt explizit Innovation und Transfer
das Vorhandensein einer „Zeitleiste“ und     als ein weiteres Ziel neben den vier Zie-
überprüfbare Kriterien zur Zielerreichung    len des NAP.  Mecklenburg-Vorpommern
wichtig. Sachsen-Anhalt ergänzt die-         ordnet seinen Aktionsplan in das Kon-
se Kriterien um maßnahmenspezifische         zept lebenslangen Lernens ein und rich-
Überprüfungskriterien, die ähnlich wie in    tet die Zielsetzungen entsprechend aus.
Schleswig-Holstein von der Anzahl ein-       Der Aktionsplan für Schleswig-Holstein
bezogener Akteure über die erfolgreiche      greift als einziger die Ziele des NAP nicht
Durchführung von Veranstaltungen bis         explizit auf und vermittelt nur wenige
zur Produktion von Materialen o. ä. rei-     Bezüge.
chen. Für zu fördernde Projekte im Land
stellt das Saarland einen vergleichsweise    Ausprägung von Stützsystemen
umfangreichen Katalog von Qualitätskri-      für BNE
terien zusammen, die sich einerseits an
den NAP anlehnen, andererseits darüber       Als Stützsysteme werden überwiegend
hinaus gehen. Bemerkenswert sind die         bereits existierende Strukturen ge-
Kriterien praktischer Nutzen, Übertrag-      nutzt. Beispiele sind die in verschiede-
barkeit und öffentliche Wahrnehmung,         nen Ländern laufenden Kampagnen zur
die Transferaspekte in den Blick nehmen.     Verankerung der BNE in der täglichen
                                             Schulpraxis (Internationale Agendaschu-
Die Überprüfung der Zielerreichung wird      len, Zukunftsschulen), Initiativen zur Ein-
in allen genannten Ländern maßnahmen-        beziehung des außerschulischen Bereichs
spezifisch formuliert. Dies erschwert eine   (z. B. außerschulische BNE-Partner in
Bewertung von Fortschritten im Sinne der     Schleswig-Holstein, Netzwerke unter Be-
vier Ziele des NAP und lässt kaum eine       teiligung staatlicher Stellen und NGOs,
vergleichende Betrachtung von Struktu-       wie beispielsweise im Saarland oder unter
ren und deren Tragfähigkeit innerhalb der    Einbeziehung von Kirchen, Gewerkschaf-
Maßnahmen zu. Darüber hinaus ist die         ten und Einrichtungen der Erwachsenen-
Diagnose problematischer Verläufe bei        bildung wie in Bayern).   Hamburg und
stark differierenden Zielsetzungen und       Thüringen sind Beispiele für den Aufbau
Prozessgestaltungen kaum möglich.            neuer oder den grundlegenden Umbau be-

                                                                                           19
UN-Dekade Bildung für Nachhaltige Entwicklung

     stehender Strukturen. So gibt es in Ham-     ren soll ein Prozess initiiert werden, an
     burg die behördenübergreifende Initiative    dessen Ende die Bildung für nachhaltige
     „Hamburg lernt Nachhaltigkeit (HLN)“         Entwicklung in allen Bildungsbereichen
     oder die Vereinigung staatlicher Einrich-    implementiert und zum selbstverständ-
     tungen und NGOs in den „Nachhaltig-          lichen Bildungsbestandteil geworden ist
     keitszentren“ Thüringens. Kennzeichnend      (Aktionsplan Baden-Württemberg 2005,
     für vorhandene und neu gebildete Stütz-      S. 2).“ In Bayern wird ein Handlungs-
     systeme ist die Einbeziehung eines mög-      feld „Innovation und Transfer“ definiert.
     lichst breiten Spektrums von Akteuren.       Hamburg nennt die Qualifizierung von
                                                  Multiplikatoren und die Verankerung von
     In einzelnen Ländern (z. B. Bayern,          BNE in Richtlinien, während sich Meck-
     Baden-Württemberg, Thüringen) wird           lenburg-Vorpommern auf die Vermitt-
     die Dekade unter Nutzung öffentlicher        lung von Gestaltungskompetenz als Ziel
     Mittel auch personell unterstützt. Gelder    konzentriert. Das Saarland benennt 2009
     fließen auch in Kampagnen, wie etwa          Arbeitsfelder und Zielgruppen und ver-
     für Agenda- oder Zukunftsschulen (z. B.      weist auf die 87 in das BLK-Programm
     Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Schles-      „Transfer-21“ involvierten Schulen des
     wig-Holstein, Mecklenburg-Vorpom-            Landes. Schleswig-Holstein sieht in einer
     mern). Insgesamt zeigt sich das Bemühen      stärkeren Fort- und Weiterbildung von
     um die Stützung einer breiten Veran-         Lehrkräften sowie in der Verankerung
     kerung von BNE in den verschiedenen          von BNE in die Curricula verschiedener
     Bildungsbereichen und innerhalb der          Bildungsbereiche wichtige Ziele zur Un-
     Gesellschaft. Allerdings bleibt oft un-      terstützung von BNE.
     klar, wer welchen Beitrag in welcher
     Verantwortung leistet. Diese Unschärfen      Länder mit annährend jährlicher Fort-
     erschweren eine Form von Evaluation,         schreibung der Aktionspläne tendieren
     die auf der Grundlage definierter Zielset-   auch zu einer stärkeren Thematisierung
     zungen den Zielerreichungsgrad misst,        der Diffusion und Stabilisierung von
     die förderlichen Prozesse und problema-      BNE. Allerdings treten bei den Bemü-
     tischen Verläufe beschreibt und daraus       hungen auch immer wieder die unter-
     Empfehlungen für den weiteren Verlauf        schiedlichen BNE-Verständnisse in den
     herleitet.                                   Ländern zutage: Es gibt Ansätze die sehr
                                                  deutlich im Umweltbereich verwurzelt
     Verbreitung und Stabilisierung               sind und dabei BNE und Umweltbildung
     von BNE                                      parallel oder nahezu synonym verwen-
                                                  den (z. B. Mecklenburg-Vorpommern).
     Implementierung, Verankerung und Ver-        Auf der anderen Seite gibt es Versuche,
     breitung (Diffusion) von BNE werden in       eine möglichst große thematische Breite
     der Mehrzahl der Länder-Aktionspläne         mit vermuteter oder erwarteter BNE-Re-
     thematisiert. Ins Auge fällt, dass dies      levanz herzustellen (z. B. Bayern), ohne
     überwiegend auf der Ziel- aber kaum auf      dass jedoch eine immer nachvollziehbare
     der Prozessebene geschieht. Typisch ist      Strukturierung erfolgt. Meilensteine für
     eine Formulierung aus dem Aktionsplan        eine Ausdehnung der BNE in die Breite
     für Baden-Württemberg: „In Zusam-            oder Gedanken zur Relation zwischen
     menarbeit mit nichtstaatlichen Akteu-        dem Einsatz zeitlicher, finanzieller und

20
UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung

     personeller Ressourcen und angestrebten                            vier zentralen Ziele der UN-Dekade er-
     Zielen finden sich in keinem der länder-                           reicht werden sollen.
     spezifischen Aktionspläne.
                                                                        Die überwiegende Zahl der Auszeich-
     Die Aktionspläne der Länder lassen sich                            nungsanträge enthält konkrete Vorstel-
     insgesamt als Referenzrahmen des Mög-                              lungen zu einer Weiterverbreitung von
     lichen interpretieren. Es gelingt, viele                           BNE. Bei 21,5% der Anträge sind aller-
     Akteure unter dem Dach der Dekade zu-                              dings die konzeptionellen Vorstellungen
     sammenzuführen und damit eine große                                nicht auf konkrete geplante Aktivitäten
     Zahl und Bandbreite BNE-gerichteter                                bezogen, sondern eher als allgemeine
     Aktivitäten anzustoßen. Man muss aller-                            Zielsetzung formuliert. Favoriten bei den
     dings in Rechnung stellen, dass nicht alle                         Ansätzen zur Verbreitung von BNE sind
     Länder Aktionspläne aufgestellt haben                              der Aufbau von Kooperationsstrukturen
     und dass nicht überall eine regelmäßige                            und Vernetzungen (26,2%) sowie die
     Fortschreibung stattfindet. Für die Bewer-                         Bereitstellung von Materialien und Infor-
     tung von Maßnahmen liefert der jüngste                             mationen auf unterschiedlichen medialen
     NAP Kriterien, die vielleicht auch in die                          Wegen (Broschüren, oft Internetpräsenz).
     Länderaktionspläne Eingang finden könn-                            Mit großem Abstand folgen die Gewin-
     ten.                                                               nung und Schulung von Multiplikatoren
                                                                        (15%) und die Implementation der eige-
     3.1.4 Lokale Ebene: Die Projekte                                   nen Ergebnisse in anderen Einrichtungen
                                                                        und Kontexten, z. B. die Übertragung
     Die Verbreitung von BNE wird in den                                von Schule zu Schule oder auf verwandte
     Antragsunterlagen angesprochen und ist                             Strukturen in einem anderen Bundesland
     eine Voraussetzung für die Auszeichnung                            (13,1%). Ein durch Institutionen gestütz-
     als offizielles Dekade-Projekt. Diese Fra-                         ter Transfer wird bei knapp 4%, die ge-
     ge bildet die Vorgehensweise innerhalb                             zielte Ansprache neuer Zielgruppen bei
     der Dekade-Projekte ab, mit denen die                              knapp 5%, genannt (vgl. Abb. 1).

%
30

20

10

 0
                                                              Implementation
        strukturen und

                                             Schulung von

                                                                               Institutionen

                                                                                                      neue
                           Informationen

                                            Multiplikatoren

                                                                                                             Transferkonzept
                                                                   in andere
            Netzwerke

                             Material und
        Kooperations-

                                                                                 gestützter

                                                                                               Zielgruppen
                                                                   Kontexte

                                                                                                             nicht erkennbar
                                                                                   Transfer

     Abb. 1: Inhaltliche Schwerpunkte der Transferansätze in den Bewerbungsunterlagen (N = 965)

                                                                                                                               21
UN-Dekade Bildung für Nachhaltige Entwicklung

     Die nähere Analyse der Bewerbungsun-           BNE bei Projektträger und Projekt-
     terlagen macht deutlich, dass die Form         beteiligten fokussiert ist.
     der Abfrage von Verbreitungsansätzen
     nicht unproblematisch ist. So gibt es Hin-   n  einige Bewerber den Gedanken der
     weise darauf, dass                             „best practice“ stark in den Vorder-
                                                    grund stellen, jedoch hinsichtlich der
     n  m anche Bewerber nicht zwischen            Umsetzungschancen nicht ganz sicher
       Nachhaltiger Entwicklung und BNE             sind: „Neben der praktischen Umset-
       differenzieren. So heißt es etwa in ei-      zung steht jedoch die Aufklärung ganz
       nem der Anträge: „Das Thema Nach-            wesentlich im Vordergrund. Sollte sich
       haltigkeit wird in den Freizeitbereich       der Modellcharakter dieses Projektes
       der Menschen getragen. Im Rahmen             durch Übertragung auf andere Schu-
       von Wanderungen oder Radtouren               len erfüllen, wäre das ‚Good Practice’
       schaffen die Natur-Trails Gelegen-           Prinzip weitgehend erfüllt.“
       heiten zur informellen Weiterbildung
       über Natur- und Umweltschutz.“ Ana-        Insgesamt versuchen die Antragsteller,
       loge Formulierungen finden sich in         die Frage nach dem Transfer konstruktiv
       mehreren Anträgen.                         zu beantworten. Dabei zeigt sich jedoch,
                                                  dass der bei den Bewerbungen gebrauch-
     n  m anche Bewerber den Begriff des        te Transferbegriff den Bewerbern für die
       Transfers nicht im Sinne einer Ver-        Auszeichnung nicht immer klar ist. Dar-
       breitung und Stabilisierung von BNE        über hinaus muss man auch berücksich-
       sehen, sondern eher im Sinne der An-       tigen, dass nicht alle Antragsteller mit
       wendung von Gelerntem (das ist der         solchen Verfahren vertraut sind und sich
       „klassische“ Transferbegriff). Mitunter    beim Formulieren der Anträge schwertun.
       werden auch beide Aspekte vermischt.       Aus diesem Grunde wird auf Zusatzinfor-
       So heißt es in einem Antrag: „Der          mationen zurückgegriffen, die über die
       eindeutige Schwerpunkt liegt in der        Internet-Auftritte, Durchsicht von Veran-
       Verbesserung der öffentlichen Wahr-        staltungsprogrammen oder Telefonate mit
       nehmung von Bildung für nachhaltige        den Antragstellern gewonnen werden.
       Entwicklung. Diese findet nicht nur in-
       stitutionalisiert und räumlich gebunden    Die Frage nach dem Transfer ist nur eine
       statt, sondern kann auch mit dem Frei-     aus einem ganzen Katalog von Fragen,
       zeitverhalten und Erholung in der frei-    die bei der Bewerbung für eine Aus-
       en Landschaft verbunden werden. Der        zeichnung zu beantworten sind. Trans-
       Lernprozess verläuft eher unbewusst.“      feraspekte sind auch in Fragen nach der
                                                  Verankerung, der Übertragbarkeit von
       In einem anderen Fall heißt es stich-      Produkten und Ergebnissen, Partizipa-
       wortartig: „Erweiterung der Aktivitä-      tionsmöglichkeiten für die vom Projekt
       ten des Vereins […] und Erschließung       berührten Gruppen, der Benennung von
       neuer Geldquellen durch Sponsoring“.       Zielgruppen und Formen der Öffentlich-
       Hier lässt sich eher ein Transfer-         keitsarbeit enthalten. Damit werden die
       verständnis erkennen, dass auf eine        Ziele des NAP abgebildet und die An-
       Verankerung und Stabilisierung von         tragsteller auf diese Ziele hin orientiert
                                                  und verpflichtet.

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