Der Brüder-Grimm-Platz Geschichte - Gegenwart - Planung Ein Rundgang über den Platz
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Der Brüder-Grimm-Platz
Geschichte – Gegenwart – Planung
Ein Rundgang über den Platz
Christian Presche
unter Mitarbeit von Maren-Brechmacher-Ihnen
Der Brüder-Grimm-Platz zählt bislang zu den wenigen historischen Orten der Innenstadt, an denen
Kasseler Kultur- und Stadtbaugeschichte noch gut nachvollziehbar ist. Überregionale Bedeutung hat
er gleich in mehrfacher Hinsicht: als Auftakt zur Wilhelmshöher Allee, mit ihrem städtebaulich einzig-
artigen Bezug zum Bergpark; durch das Hessische Landesmuseum, ein Hauptwerk des bedeutenden
Architekten und Städtebauers Theodor Fischer (München); durch die Brüder Grimm, die Arnoldsche
Tapetenmanufaktur und Adolph (von) Menzel; und die Grünflächengestaltung von 1964/65 besitzt in
Qualität und gutem Erhaltungszustand heute Seltenheitswert und ist als Gartendenkmal eingestuft.
Angesichts der aktuellen Planung geht die vorliegende Dokumentation daher mehreren Fragen nach:
Zunächst wird der genannte Bestand betrachtet: Was macht ihn aus, und was bedeutet die Planung
für die städtebaulichen Zusammenhänge, den denkmalgeschützten Bestand und die kulturgeschicht-
liche Bedeutung des Platzes? Dabei wird auch der aktuelle Verbesserungsbedarf untersucht: Welche
aktuellen Schwächen gibt es, wie kann ihnen begegnet werden – wird der aktuelle Entwurf dem
gerecht?
Darauf folgt eine weitere Analyse des Entwurfs: Wie beurteilte ihn das Preisgericht, und wie weit
wird die aktuelle Planung den gestellten Nutzungsanforderungen gerecht? Sind diese Anforderungen
auch im denkmalgeschützten Bestand zu erreichen? Wie weit ist die Entwurfsbegründung stichhaltig,
und was bedeutet das Vegetationskonzept in der praktischen Umsetzung?
Abschließend werden die Rahmenbedingungen und das Wettbewerbsverfahren untersucht. So ist
die Grundlage des Projekts die Aufnahme in das Bundesförderprogramm „Nationale Projekte des
Städtebaus“. Es setzt „Premiumqualität“ in Baukultur und Beteiligungsverfahren voraus. Entsprach die
Öffentlichkeitsbeteiligung den Ankündigungen gegenüber dem Förderprogramm? Welchen Stellenwert
hatte der Denkmalschutz im gesamten Verfahren?
Kassel, im August 2021Inhalt
Zusammenfassung .................................................................................................................................................. 2
Übersicht: zur Planung und zur bisherigen Diskussion ........................................................................................... 3
I. Der denkmalgeschützte Bestand und die Auswirkungen der aktuellen Planung ................................................... 5
A. Übersicht: geltender Denkmalschutz ........................................................................................................... 5
B. Der Platz als Gelenk und Auftakt zur Wilhelmshöher Allee ......................................................................... 6
C. Das Hessische Landesmuseum .................................................................................................................... 7
D. Das Gartendenkmal von 1964/65 .............................................................................................................. 12
E. Aktueller Verbesserungsbedarf ................................................................................................................. 15
F. Kulturgeschichtliche Zusammenhänge ...................................................................................................... 17
II. Zum ausgewählten Entwurf – Anspruch und Umsetzung ............................................................................... 19
A. Zur Beurteilung durch das Preisgericht ..................................................................................................... 19
B. Die Nutzungsziele des Wettbewerbs – Bestand und Planung im Vergleich .............................................. 20
1. Grüner städtischer Platz ....................................................................................................................... 21
2. Erhöhung der Aufenthaltsqualität ....................................................................................................... 22
3. Die doppelte Gelenkfunktion des Platzes ............................................................................................ 25
4. Verkehrskonzept .................................................................................................................................. 28
5. „Adressbildung“ ................................................................................................................................... 29
C. Zur Entwurfsbegründung – Anspruch, Hintergründe und Umsetzung ...................................................... 30
1. Zur Kreisform der Innenflächen ........................................................................................................... 30
2. Zur Frage des Landschafts- und Märchenbezugs ................................................................................. 31
3. Zu Pflanzenauswahl und Lichtkonzept ................................................................................................. 34
III. Zum Wettbewerbsverfahren – Ziele, Denkmalschutz und Öffentlichkeit.......................................................... 36
A. Vorbereitung des Wettbewerbs ................................................................................................................ 36
B. Denkmalrelevante Ziele des Förderprojekts .............................................................................................. 37
C. Das Wettbewerbsverfahren....................................................................................................................... 39
Anhang I: Chronologie des Platzes ........................................................................................................................ 45
Anhang II: erhaltene Zeitstufen – Bestand und Planung ...................................................................................... 48
Anhang III: Historische Quellen zu Kapitel II.C.2 ................................................................................................... 49
Bildnachweis ......................................................................................................................................................... 51
1Zusammenfassung
Kapitel
1. Eine umsichtige, denkmalgerechte Umgestaltung (!) des Platzes ist wünschenswert, I.E
um aktuelle Schwächen zu beheben – durch Verkehrsplanung, Oberflächen- und
Bepflanzungskonzepte, kombiniert mit denkmalpflegerischen Instandsetzungen.
2. Die aktuelle Planung zerstört dagegen geschützte Kulturdenkmale, städtebauliche I.A–F,
und kulturgeschichtliche Zusammenhänge und verschärft bestehende Schwächen Anh. I,
des Platzes. Anh. II
3. Eine völlige Neugestaltung wurde im Baudezernat bereits frühzeitig in einem III.A,
internen Workshop als Ziel formuliert. Denkmalrechtliche Rahmenbedingungen blie- vgl. in
ben von Anfang an unbeachtet; in den öffentlichen Projektbeschreibungen für das II.C
Bundesförderprogramm werden sie nicht erwähnt, der Bestand einseitig dargestellt.
4. Ankündigungen des Baudezernats (gegenüber dem Förderprogramm) für eine um- III.A,
fassende Öffentlichkeitsbeteiligung wurden nicht umgesetzt. Dies war auch unab- III.C
hängig von der später einsetzenden Pandemie. Die im Förderprogramm erwartete
„Premiumqualität“ in Beteiligungsverfahren wurde im gesamten Wettbewerb und
seiner Vorbereitung nicht erfüllt. Zwar wurde zumindest ein Beirat berufen, doch
blieben zentrale Anregungen desselben unberücksichtigt.
5. Während beim Förderprojekt die Gelenkfunktion nach Wilhelmshöhe an erster Stelle II,
steht, wurde im Wettbewerb der Fokus auf die völlige Neugestaltung des Platzes gelegt II.B.3,
– das, was zunächst als Mittel zum Erreichen inhaltlicher Ziele formuliert war, wurde III.B,
nun selbst als oberstes Ziel vermittelt; der Denkmalschutz wurde dagegen in den Unter- III.C
lagen nur unzureichend mitgeteilt. So setzte sich auch nur ein einziger Entwurf mit der
denkmalgeschützten Grünflächengestaltung von 1964/65 auseinander. Die denkmal-
pflegerische Vorprüfung der Beiträge erfolgte in einem vom Baudezernat dominierten
Gremium, das Thema erscheint nicht unter den Kriterien des Preisgerichts.
6. Der aktuell ausgewählte, besonders spektakuläre Entwurf wurde vom Preisgericht II.B
zwar „in seiner symbolischen Dimension“ gewürdigt, in zentralen Punkten aber stark III.C
kritisiert. Dagegen lautete die einzig relevante Kritik des Preisgerichts am anderen
1. Preis, dass „dem Entwurf die gewünschte Prägnanz und Strahlkraft einer starken
Geste fehlt“. Insgesamt kritisierte das Preisgericht sogar einstimmig, dass keiner der
Entwürfe in eine Vorentwurfsphase (!) überführt werden könne; die weitere Bearbei-
tung bedürfe eines intensiven und direkten Dialogs. – Diese gesamte Kritik findet aber
bisher noch immer keine Berücksichtigung; eine vorgenommene Überarbeitung vgl.
dieses Entwurfs lässt nur andere, in erster Linie verkehrstechnische Punkte erkennen. Abb. 3
7. Es ergibt sich keine Rechtfertigung, den denkmalgeschützten Bestand zu zerstören: II.B
Das Grundproblem der Verkehrsdominanz ist davon unabhängig lösbar; und die
weiteren funktionalen Ziele von Förderung und Wettbewerb erfüllt er entweder
bereits, oder sie sind problemlos zu realisieren (mit den in Punkt 1 genannten Mitteln).
Demgegenüber stellt die aktuelle Planung sogar eine Verschlechterung dar, wenn
man die Potenziale des Bestands vergleicht. – Der bloße Wunsch nach völliger, ein- II.A,
heitlicher Neugestaltung und einer großen Geste kann kein „überwiegendes III.A–C
öffentliches Interesse“ im Sinne des § 18(3),3 HDschG sein.
8. Die historische und literarische Entwurfs-Herleitung der ausgewählten Planung erweist II.C.1–2
sich als wenig tragfähig. Dies betrifft den anachronistischen Rückgriff auf eine erste,
vorstädtische Platzanlage von 1775/76 (heute durch mehrere prägende, denkmalge-
schützte Zeitschichten überlagert), ebenso das vermittelte Bild eines „Märchenwalds“.
9. Die geplante Vegetation ist nur mit technischem Aufwand dauerhaft lebensfähig zu II.C.3
halten. Die vorgesehene Pflanzhöhe der Kiefern von 10 m ist riskant, das
Anwachsen der Bäume am neuen Standort nicht ohne weiteres zu gewährleisten.
2Übersicht: zur Planung und zur bisherigen Diskussion
Abb. 1: Stadtplan 1916 (nachträglich koloriert).
Der Wilhelmshöher Platz heißt seit 1961
Brüder-Grimm-Platz. An ihn grenzt im Süden
direkt der Fürstengarten an, in dem Landes-
museum und Murhardsche Bibliothek stehen.
Abb. 2: Der „Märchenwald“ (Graphik: club L94).
Abb. 3: Lageplan,
Überarbeitung des
Wettbewerbsbeitrags
(Graphik: club L94),
Stand: April 2021.
Inmitten großer
Pflasterflächen sind
Kiefernbestände
vorgesehen – nicht
zu betreten und mit
bodendeckender
Unterpflanzung.
Auch der südlich
anschließende Teil
des Fürstengartens
ist neu beplant.
Der Vergleich mit dem Wettbewerbsbeitrag (https://wb-brueder-grimm-platz.de/pages/teilnehmer-2.-
phase/1preis.php) lässt folgende Änderungen erkennen:
MHK-Parkplatz am Beginn der Weinbergstraße; Verkehrsführung vor Obere Königsstr. 2–4 (nun auf den
Gleisen?); Fußgängerüberwege in der Friedrichsstraße; im Rasengleis in Höhe der Weinbergstraße eine
Abbiegemöglichkeit (grüner Asphalt); die Mauern hinter der Torwache bleiben nun erhalten (nicht aber
die übrige Vorplatzbegrenzung des Landesmuseums); die Schillereiche ist inzwischen gefällt, und vor
Königsstr. 2 ist ein Baum hinzugefügt. – Im Wettbewerbsbeitrag waren zudem als Baumarten Kiefern und
Lärchen vorgesehen, auf die Lärchen wird inzwischen offenbar verzichtet.
3Bisher veröffentlichte Stellungnahmen zur aktuellen Planung:
- Arbeitskreis für Denkmalschutz und Stadtgestalt Kassel (9.5.2021):
http://www.presche-chr.de/christian/AKDS_Brueder-Grimm-Platz_Wettbewerb_Stellungnahme_2021.pdf
- Verein Bürger für das Welterbe e. V. (17./22.5.2021):
https://ep.etmedien.de/webreader-v3/index.html#/929000/6-7
- Arbeitskreis Historische Gärten in der DGGL (12.6.2021):
https://www.dggl.org/fileadmin/media/ak/historische-gaerten/pdf/stellungnahme_dggl_ak_hist_12_06_2021.pdf
- BUND Kassel (16.6.2021):
https://kassel.bund.net/service/presse/detail/news/brueder-grimm-platz-bund-fordert-mehr-aufenthaltsqualitaet-
weniger-verkehr/
- Präsident des Landesamts für Denkmalpflege Hessen, Prof. Dr. Markus Harzenetter / Dr. Katrin Bek (1.7.2021 bzw.
8.7.2021):
https://lfd.hessen.de/presse/bau-kunst-aktuell/man-darf-nur-dann-etwas-neues-machen-wenn-man-etwas-
besser-machen-kann
- Arbeitskreis für Denkmalschutz und Stadtgestalt Kassel (22.7.2021):
http://www.presche-chr.de/christian/AkDS_Brueder-Grimm-Platz_Wettbewerb_Stellungnahme_II_2021.pdf.
Interviews etc. zur aktuellen Planung:
- Stadtbaurat Christof Nolda (11.5.2021), Zusammenfassung:
https://www.hna.de/kassel/aerger-um-den-maerchenwald-90530582.html
- CDU-Fraktion Kassel (29./30.5.2021):
https://www.hna.de/kassel/streit-um-maerchenwald-90779946.html
- Frank Flor, verantwortlicher Planer (3.6.2021):
https://www.hna.de/kassel/die-menschen-werden-begeistert-sein-90787076.html
- Vertreter des Gestaltbeirats der Stadt Kassel, Prof. Stefan Rettich und Matthias Foitzik (15.6.2021):
https://www.hna.de/kassel/das-wird-kein-disney-maerchenwald-90803167.html
- Präsident des Landesamts für Denkmalpflege Hessen, Prof. Dr. Markus Harzenetter (7.7.2021):
https://www.hna.de/kassel/ein-kompromiss-wird-schwierig-90846426.html
- Stadtbaurat Christof Nolda / Frank Flor (14.7.2021):
https://mittendrin-kassel.de/sprechzeit-frank-flor-und-christof-nolda-zum-brueder-grimm-platz/
- Frank Flor (August 2021):
https://www.stadtzeit-kassel.de/pdf/StadtZeit-105.pdf (S. 52f.).
Magazine/überregionale Medien:
- https://www.sueddeutsche.de/kultur/brueder-grimm-kassel-baeume-1.5304362 (27.5.2021)
- https://www.stadtzeit-kassel.de/pdf/StadtZeit-104.pdf (S. 25; Juni 2021)
- https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/stadt-wildnis-mit-kitsch-gegen-den-klimawandel-17373577.html
(5.6.2021)
- https://www.hessenschau.de/gesellschaft/kitsch-oder-kultur-aerger-ueber-maerchenwald-mit-spruehnebel-
mitten-in-kassel,brueder-grimm-platz-kassel-100.html (13.6.2021).
Zum Wettbewerb:
Offizielle Präsentation des Wettbewerbs und der Entwürfe:
- https://wb-brueder-grimm-platz.de/
- https://www.kassel.de/bruedergrimmplatz (mit einer Überarbeitung des Entwurfs).
Förderprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“:
- https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/zip/nps/2018/foerderprojekte-
2018/steckbriefe/kassel.html
- https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/zip/nps/nps-node.html (allgemein, darin auch zum
hohen Qualitätsanspruch „Premiumqualität“)
- https://www.bmi.bund.de/DE/themen/bauen-wohnen/bauen/bundesbauten/bauherr-bund/bauherr-bund-
node.html (zu den baupolitischen Zielen des Bundes)
- https://www.hna.de/kassel/kassel-erhaelt-6-5-millionen-euro-fuer-neuen-brueder-grimm-platz-12129995.html
(HNA vom 6.4.2019).
Ausschreibung für die Teilnahme am Wettbewerb:
- https://www.competitionline.com/de/ausschreibungen/362133.
Materialien (Zuwendungsantrag und Begründung, Broschüre):
- https://wwwsvc1.stadt-kassel.de/sdnet4/vorgang/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZYkuFP9WV-LImdURiXljEuI.
4I. Der denkmalgeschützte Bestand und die Auswirkungen der aktuellen Planung
A. Übersicht: geltender Denkmalschutz
Abb. 4: Lageplan,
Maßstab 1:2500,
Stand 2005
(Denkmaltopographie
Stadt Kassel II, S. 389).
rot: Einzeldenkmale
hellrot: Gesamtanlage
grün: geschützte
Grünfläche
Für die Einzeldenkmale
am Platz ist dabei auch
der Umgebungsschutz
gemäß § 18(2) HDschG
zu beachten – umso
mehr, da sie alle auch
aus städtebaulichen
Gründen geschützt sind
(ebd., S. 174f., S. 234,
S. 350).
Denkmalgeschützte Freiflächen und Außenanlagen: Vgl.:
1. die Freiflächen östlich des Landesmuseums (Teil der denkmalgeschützten Kapitel I.C.c
Gesamtanlage „Fürstengarten“, vgl. ebd., S. 396);
2. die Begrenzungs- und Stützmauern des Museumsvorplatzes, zudem Kapitel I.C.b
3. das Basalt- und Mosaikpflaster von Vorplatz und Allee (vgl. ebd., S. 108–111) – Kapitel I.C.b
Zubehör zum Landesmuseum, eingefügt in das Randstraßensystem des Platzes.
Kulturdenkmale, die in der Graphik von 2005 noch nicht farbig markiert sind: 1
4. Vor Beginn des Wettbewerbs ist die Platzgestaltung von 1964/65 als Kapitel I.D
Kulturdenkmal eingestuft worden, aus gartendenkmalpflegerischen Gründen.
Dies alles würde durch die Planung zerstört.
5. Vor Beginn des Wettbewerbs ist die Platzanlage insgesamt als Kulturdenkmal z. T. Kapitel I.B;
eingestuft worden, aus städtebaulichen und historischen Gründen. vgl. Anhang I–II.
1
Nach hess. Denkmalrecht ist der Denkmalwert für den Schutz entscheidend – nicht die Aufnahme in eine Denkmal-
liste (Denkmaltopographie), die nur deklaratorisch, nicht konstitutiv ist (§ 11(1) HDschG); es bedarf also keines Ver-
waltungsakts. Der Denkmalwert eines Objekts (gemäß § 2 HDschG) muss offenkundig bzw. durch Prüfung ermittelt
und dem Eigentümer bekannt bzw. mitgeteilt sein. Dies war hier (anlassbezogen) bei Wettbewerbsbeginn gewähr-
leistet, und die Bewertung war den Wettbewerbsunterlagen beigefügt. In der Auslobung waren die oben aufgezähl-
ten Positionen 1, 4, 5 genannt, 2 in der kleinen Karte nicht erkennbar, 3 fehlte (Auslobung, S. 36, vgl. S. 53).
5B. Der Platz als Gelenk und Auftakt zur Wilhelmshöher Allee
Der Platz ist nicht nur Abschluss der Oberen Königsstraße, sondern auch wirkungsvoller Auftakt zur
5 km langen Wilhelmshöher Allee, die in der Parkachse mit Schloss, Kaskaden und Herkules gipfelt.
Durch den geplanten Kiefern-„Wald“ aber verlöre der Platz seine Weite, und es würde der klassische
Blick auf die beiden Torgebäude verstellt werden; die wichtige Gelenk- und Auftaktfunktion für die
Allee (als Gegenpol, Gegensatz zum Habichtswald; vgl. Kapitel II.C.2) ginge verloren.
Stadtplatz und beide Torgebäude wurden 1805, kurz nach der offiziellen Vollendung von Landschaftspark
und Schloss, vom Parkgestalter und Schlossarchitekten Heinrich Christoph Jussow konzipiert – was den
engen Zusammenhang unterstreicht. Die städtebauliche Funktion des Platzes als Gelenk und Auftakt
zur Allee ist bisher auch von allen Generationen respektiert und sogar kongenial weiterentwickelt worden.
Abb. 5: Das Wilhelmshöher
Tor um 1840 (Friedrich
Appel, Steindruck).
Ein geplanter Torbau war
durch die napoleonische
Besatzung nicht zur Ausfüh-
rung gekommen und dann
aufgegeben worden.
Vor dem Tor gingen Gärten,
vorstädtische Bebauung,
Felder und Wiesen in den
Landschaftspark über.
Abb. 6: Blick auf das
Wilhelmshöher Tor, im
Hintergrund Schloss,
Kaskaden und Herkules.
Der Landschaftspark
wiederum geht in den
Habichtswald über; Stadt
und Wald stehen sich an
beiden Enden der Achse
als Gegenpole gegenüber.
Abb. 7: Die Planung mit
dem Blickwinkel (rot) aus
Abb. 6 – die Bäume neben
der verengten Straße ver-
stellen den Blick auf die
Torgebäude (Graphik: club
L94, Ausschnitt / Eintra-
gung: Christian Presche).
Die Fläche kann aus ihrer
Mitte heraus nicht mehr
als Stadtplatz wahrge-
nommen werden.
6C. Das Hessische Landesmuseum
Das Hessische Landesmuseum (1910–13) ist ein Hauptwerk Theodor Fischers. Er war seinerzeit einer
der bedeutendsten deutschen Architekten und Städtebauer – ein Wegbereiter der Moderne, der Archi-
tektur und Städtebau als Einheit auffasste. Dies schlägt sich beispielhaft in mehreren Aspekten nieder,
die jedoch alle von der Planung betroffen sind; das Gesamtkonzept Fischers würde zerstört.
a) Das Museum ist mit seinem Turm der Blickpunkt der Königsstraße, zugleich deutet es schon aus
der Ferne die schräg abgehende Achse der Wilhelmshöher Allee an – wie ein großes Scharnier. Eine
10–12 m hohe Baumreihe milderte die Schrägstellung ab, wurde aber gut sichtbar von Dach, Giebeln
und Turm überragt. Dieser Blick wäre zukünftig nur durch regelmäßige baumpflegerische Schnittmaß-
nahmen zu erreichen, denn Waldkiefern können bis zu 50 m hoch werden. Der Turm ist ca. 37 m hoch.
Auch eine Sichtschneise zum Turm wäre dann wenig hilfreich, wenn er keine Höhendominante mehr wäre.
Abb. 8 und 9: Königsstraße und Landesmuseum
sowie Blick durch die Allee (Zeichnungen von
Theodor Fischer, um 1912/13).
b) Dauerhaft vernichtet würde sogar die Hinführung zur Hauptfassade – der Auftakt einer durchdachten
Raumfolge, die im Hauptsaal des Museums gipfelt: Solange Jussows Torwache die Symmetrie stört,
fokussiert eine Allee den Blick auf den Turm. Dann gibt ein breiter, rechteckiger Vorplatz erstmals
den Blick auf die ganze Fassade frei, von Mauern dezent gesäumt. Durch die dunkle Turmhalle betritt
man das breite, helle Vestibül, dann durch einen niedrigen, dunklen Durchgang den ehem. Antikensaal.
Abb. 10: Ansichtskarte, um
1913/14.
Das dunkle Basaltpflaster
kontrastiert mit den hellen
Fassaden, und auch die
übrigen Materialien von
Umgebung und Museums-
bau sind fein aufeinander
abgestimmt: Der Travertin
der Fassaden wird für die
Vorplatzmauern übernom-
men, der Granit der Bord-
steine für die Freitreppe.
7Abb. 11: Der Farbkontrast aus dunklem Pflaster und
hellem Stein (Granit, Travertin) bzw. Putz kehrt im
Mosaikpflaster zwischen den Alleebäumen wieder
(s/w-Bild).
Abb. 12: Lageplan 1913 (Graphik: Astrid
Schlegel).
Allee und Vorplatz sind in das Rand-
straßensystem des Platzes eingefügt. Nach
Nordosten wirkt der Vorplatz mit seinen
Mauern wie eine Aussichtsplattform am
höchsten Punkt des Platzes.
Übernommene Bestandsbäume hinter dem
Torgebäude wurden in das übergeordnete
Rechteck (9:4) des Vorplatzes integriert.
Dies unterstreicht, wie wichtig dieses
Rechteck für Fischer war; zur Bedeutung
von Proportionen vgl.
http://mediatum.ub.tum.de?id=1235052.
Die Pflasterungen sind ebenso denkmalgeschützt wie die Begrenzungsmauern des Vorplatzes (vgl. zu
Abb. 4). Dennoch soll dies alles einer einzigen hellen Pflasterfläche bis zum „Wald“-Kreis weichen, was
die Alleebäume und den ganzen Museumsbau ins „Schwimmen“ bringt.
Zugleich wird die Westhälfte des Vorplatzes durch eine neue Mauer samt Café-Terrasse unterteilt; der
Blick aus der Allee auf die Fassade wird auf einer Seite eingeschränkt, auf der anderen Seite geöffnet.
Der gesamte Vorplatz geht in seiner gut proportionierten (9:4), symmetrischen Klarheit verloren; die
Blicke, die von Turmhalle und Vorplatz über den gesamten Platz reichen, werden verstellt.
Abb. 13: Die Planung (club L94).
Abb. 14: Die östliche Vorplatzmauer.
8Abb. 15: Blick über den Vorplatz nach Westen mit den Begrenzungsmauern Theodor Fischers; rechts
hinten der ehem. Baumstandort mit altem Geländeniveau vor 1910 (Abb. 12).
Abb. 16: Die Treppe zur Humboldtstraße, 2015/16 erst saniert. Zwischenzeitlich hatte Fischer auf
dieser Seite eine mittige Freitreppe vorgesehen, sie dann aber durch die jetzige Lösung ersetzt.
Abb. 17: Die Planung (club L94), vgl. Abb. 13; nicht nur die nordöstliche Begrenzungsmauer (vgl. Abb.
14f.) soll abgebrochen werden, sondern auch ein Teil dieser Stützmauer samt der Treppe – zugun-
sten einer breiten, 2–3 m hohen Freitreppe zur ansteigenden Humboldtstraße; gegenüber dem
Museum, oberhalb der neuen Stützmauer (aus altem Material), erkennt man im Nordwestteil die
geplante Caféterrasse samt weiterer neuer Freitreppe.
c) Auch an der Seite zur Weinbergstraße wird Theodor Fischers Gesamtkonzept nun zerstört: Nach
einer Forderung des Preisgerichts behielt Fischer hier den vorhandenen Baumbestand des Fürsten-
gartens bei und bezog das Museum in die bestehende Parkstruktur ein (vgl. Abb. 12). Auch dieser
Bereich steht unter Denkmalschutz: als Teil der Gesamtanlage „Fürstengarten“, einschließlich des
dreieckigen Straßenverlaufs vor der Bibliothek (vgl. Abb. 4).
Stattdessen sind hier nun ein großer Parkplatz und ein „Sieben-Raben-Spielplatz“ geplant (ein aus-
baufähiger Spielplatz liegt bereits rund 100 m entfernt im Fürstengarten); im Widerspruch zur be-
wegten Geländeform ist eine banale, rechtwinklige Geometrie vorgesehen (vgl. Abb. 20 und 21).
9Abb. 18: Im Vordergrund der alte Haupteingang des Fürstengartens. Der markante Hörsaaltrakt des
Landesmuseums dient an der höchsten Stelle des Geländes als Blickpunkt; Personaleingang,
Treppenturm und Tordurchfahrt sind auf einen alten Parkweg bezogen (vgl. auch Abb. 22).
Hier wäre ein gartendenkmalpflegerisches Konzept wichtig, vgl. den ursprünglichen
Bepflanzungszustand um 1913: http://mediatum.ub.tum.de?id=1262897; die beiden Wege
nach links und zur Durchfahrt hatten als Parkwege wassergebundene Decken.
Abb. 19: Luftbild 1937/38. Die Ostseite des Museums scheint im Park zu stehen. Bäume verklammern
die Platzsegmente, lassen aber doch den Blick auf die Architektur der Längsseiten frei.
Der Baumbestand des Platzes geht in den Fürstengarten über – in diesen Bestand hatte Fischer
1910–13 das Museum eingefügt. Die Grünflächen des Platzes waren um 1928 umgestaltet worden,
mit niedrigen Hecken, die die Segmente außenseitig zusammenbanden.
10Abb. 20 und 21: Die Planung
(club L94). Die Einbindung des
Museums in die topographisch
bewegte Parklandschaft geht
verloren.
Der Rasenhang vor dem Hör-
saaltrakt weicht einer weite-
ren, 1,4 m hohen Freitreppe –
ein Motiv, das dem Haupt-
eingang vorbehalten war, wird
nun inflationär verwendet.
Abb. 22: Alter Parkweg des
Fürstengartens, mit Durchfahrt
und Personaleingang;
vgl. Lageplan um 1904/05:
http://mediatum.ub.
tum.de?id=965765.
Abb. 23: Blick auf Bibliothek
und Hörsaaltrakt, nach 1928.
Die Dreiecksfläche war 1905 als
Vorfläche der Bibliothek ange-
legt worden, zwischen Wein-
bergstraße (vorne) und altem
Haupteingang (rechts vorne)
des Fürstengartens. Der gesam-
te städtebauliche Zusammen-
hang ginge durch die Planung
verloren.
11D. Das Gartendenkmal von 1964/65
Die heutige Gestaltung der mittigen Grünanlagen wurde 1964/65 vom Kasseler Stadtgartendirektor
Albrecht von Eichel-Streiber entworfen und realisiert (angeregt durch die Werke von Prof. Herta
Hammerbacher, TU Berlin, die maßgeblich für die Bundesgartenschau 1955 mitverantwortlich war).
Dieses Gartendenkmal würde (wie die Außenanlagen am Landesmuseum) vollständig zerstört werden.
Die Anlage ist ein wichtiges, selten gewordenes Beispiel der Nachkriegsmoderne – mit qualitätvoller,
gut erhaltener Materialität und hoher Aufenthaltsqualität – und steht deshalb auch unter Denkmal-
schutz.2 Zeittypischer Anlass für die Gestaltung war die Verbreiterung der Wilhelmshöher Allee 1962/63.
Abb. 24 und 25: Stufen und
Platten aus Wesersandstein,
dazu passend Waschbeton-
platten mit rot-weiß-buntem
Weserkies (damals noch
handwerklich gefertigt), mit
Frühlingsbepflanzung 2007 /
2017; die roten Sandstein-
anteile der Waschbeton-
platten korrespondieren mit
den Sandsteinplatten, die
grauen Anteile mit dem
Mosaikpflaster der Zwickel.
Beispielhaft – und selten geworden – sind Gestaltung und Materialien der Wege, Treppenstufen und
niedrigen Stützmauern, durchdacht geplant und in hoher Qualität ausgeführt.
2
Vgl. zuletzt auch https://www.hna.de/kassel/ein-kompromiss-wird-schwierig-90846426.html (Interview mit
dem Präsidenten des Landesamts für Denkmalpflege, Herrn Prof. Dr. Markus Harzenetter).
12Mitten in der Stadt, in direkter Nähe zu den Läden und Büros der Innenstadt, wurde damals bewusst
ein Bereich mit besonderer Aufenthaltsqualität geschaffen: zwischen bunten Blumen, mit Blicken in
die Königsstraße, durch die Weinbergstraße zur Söhre und durch die Wilhelmshöher Allee bis zum
Habichtswald. Die Gelenkfunktion des Platzes zwischen Innenstadt, Wilhelmshöhe und Weinberg
könnte funktional kaum besser zum Ausdruck kommen.
Abb. 26: Segment vor dem Landesmuseum – Sitzbänke mit Blick zur Oberen Königsstraße. Ebenfalls
der Nachkriegsmoderne entstammen auch die beiden Kopfbauten zur Königsstraße, die ein neues
städtebauliches Gestaltungskonzept repräsentieren.3
Abb. 27: Detail der Neugestaltung von 1964/65, im Segment vor dem Landesmuseum: Treppenstufen
und Plattenreihen aus rotem Wesersandstein, Waschbetonplatten mit farblich passendem rot-weiß-
bunten Weserkies sowie (ebenfalls zeitgemäße) Sitzbänke.
3
Zum denkmalgeschützten Hotel Hessenland, das dieses Konzept erstmals einführte, vgl. in:
http://www.presche-chr.de/christian/Friedrichsstrasse%2025_Text_a_klein.pdf, S. 15–18.
13Abb. 28: Die wechselnden bunten Bepflanzungen gehören seitdem zum Erscheinungsbild; ihre
Tradition auf dem Platz begann schon 1948 (hier: Sommerbepflanzung 2008).
Abb. 29: Blick auf das nördliche Platzsegment, mit unterer Stützmauer (rechts) und Treppe, jeweils
aus Wesersandstein, 1965. Auch hier erkennt man die Aufenthaltsqualität, die damals auf den
inneren Flächen geschaffen wurde – unter Ausgleich des starken Höhengefälles durch Stufen.
Deutlich wird aber auch das heutige Problem der stark gewachsenen, erst nachträglich gepflanzten
hohen Sträucher, die den Blick auf die Randbebauung einschränken, vor allem auf die Erdgeschosse.
– Vor dem Landesmuseum kehren sich so die Verhältnisse des Fischerschen Konzepts sogar um (ehe-
mals freier Durchblick auf die Sockelzone, Obergeschosse durch die Baumkronen verdeckt), zumal
dort nun die Bäume fehlen.
So ging 1980 auch der Charakter des rechteckigen Museumsvorplatzes als Aussichtsplattform4 über
Platz und Königsstraße verloren.
4
Vgl. z. B. http://www.stadtarchiv.stadt-kassel.de/, Signatur 0.501.350 (Photographie: Carl Eberth).
14E. Aktueller Verbesserungsbedarf
Abb. 30: Deutlich wird das
Grundproblem, das 1964/65
Anlass für die Neugestaltung
der Platzsegmente war: Die
Dominanz der Verkehrs-
flächen, namentlich nach
Verbreiterung der Wilhelms-
höher Allee, die als breite
Schneise den Platz teilt.
Abb. 31: Blick vom ehem.
Gerichtsgebäude zur ehem.
Arnoldschen Tapetenfabrik.
Stützmauer und Sträucher
schirmen heute die Grün-
fläche von den Parkplätzen
ab, die hohen Sträucher
zerschneiden damit aber
auch die Blickbeziehungen
über den Platz (vgl. Abb. 29).
Außerdem rings um das Landesmuseum:
- Die kleine Allee zum Vorplatz ist in ihrer Symmetrie gestört (auf der Ostseite).
- Vor dem Landesmuseum fehlt die 10–12 m hohe Baumreihe, die die Schrägstellung des Museums
abmilderte und sie doch erkennbar ließ; stattdessen verdecken heute Sträucher den Blick auf die
Erdgeschosszone – und den Blick vom Museumsvorplatz über den Platz.
- Östlich des Landesmuseums ist das parkartige Bepflanzungskonzept stark gestört.
- Östlich des Landesmuseums sind die angrenzenden Wege- und Straßenflächen in ihrem Charakter
verfälscht (dunkler Asphalt und Pflaster statt wassergebundener Decken der beiden Parkwege; die
Asphaltfläche unterbricht auch das durchgehende Pflaster der Platzrandstraße).
Die entscheidenden Mängel sind also durch Verkehrsplanung, Oberflächen- und Bepflanzungs-
konzepte lösbar:
- Randbereiche: Abbau der Parkplätze; statt hoher Gehölze eine niedrigere Bepflanzung, die an bei-
den Längsseiten die Wege der inneren Grünflächen außenseitig begleitet und die Bänke hinterfängt;
der Museumsvorplatz bekommt wieder seinen freien Blick über den Platz.
- Fließender Verkehr: idealerweise Verengung der Hauptverkehrsverbindung auf je eine Fahrbahn.
- Baumpflanzungen: Aufgreifen des 1913 bestehenden Konzepts für Platzfläche und Eingangsbereich
des Fürstengartens (östlich des Landesmuseums; dort auch ergänzende Gehölze).
- Allee und Vorplatz des Landesmuseums: für Autos gesperrt, die Allee erhält ihre Symmetrie zurück;
der Museumsparkplatz kann zweckmäßig in der Randstraße zwischen Weinbergstraße und Vorplatz
liegen, auf der Nordseite, unter Bäumen, mit niedriger Bepflanzung zur Innenfläche.
Die Aufnahme in das Bundesförderprogramm erschien somit als große Chance, diese Schwächen im
Rahmen eines Gesamtkonzepts zu beheben.
15Vergleicht man jedoch die zentralen städtebaulichen Schwächen des aktuellen Zustands und den
ausgewählten Entwurf, so wird die bestehende Problematik sogar in allen Punkten noch verstärkt:
Aktuelle städtebauliche Schwächen Auswirkungen der Planung darauf
Schneisenwirkung der breiten Hauptverkehrs- Wird zwar im Lageplan durch die Verengung gemil-
verbindung dert, tritt nun aber dreidimensional viel stärker in
Erscheinung, als Schneise durch den „Wald“.
Abschirmung der Randbereiche, gestörte Blick- Wird durch die Baumstämme des „Waldes“ und
beziehungen über den Platz und auf die Bebauung seine unzugänglichen Grünflächen verstärkt.
Allee vor dem Landesmuseum: gestörte Symmetrie Die Symmetrie der Allee wird ganz aufgehoben,
zudem der rechteckige Museumsvorplatz zerstört.
Übergang in den Fürstengarten: gestörte Bepflanzung Die Bepflanzung von Platz und Fürstengarten wird
nicht wieder verbunden, sondern noch stärker
getrennt: durch unterschiedlichen Charakter
(„Wald“, Nutzflächen wie Park- und Spielplatz) und
den großen gepflasterten Randbereich des Platzes.
Gravierend ist dabei folgender Umstand: Während der Platz bislang in allen Gestaltungsphasen immer
von innen nach außen gesehen und gedacht wurde (was dem Gelenkcharakter entspricht), würde diese
Wahrnehmung bei einer Ausfüllung der Innenfläche als „Wald“ unmöglich.
Abb. 32: Die geplante Zonierung des
Platzes (Graphik: club L94).
Die inneren „Wald“-Segmente
werden ausdrücklich als Abschir-
mung der Randzonen vorgestellt.
Zugleich wird die Hochstämmigkeit
der Kiefern aber wiederholt als
Argument genannt, dass die
Architektur der Randbebauung auch
künftig über den Platz hinweg
wahrnehmbar sei.5 – Baumstämme
also, die in Fußgängerhöhe den
Schall filtern, optisch aber nichts
verdecken?
5
Vgl. HNA vom 11.5.2021, Interview mit dem Stadtbaurat: „Wie gesagt. Die Kiefer ist sehr hochstämmig, man
kann darunter ohne Probleme hindurchsehen.“ Vgl. ebenso den Planer, Frank Flor, in: https://mittendrin-
kassel.de/sprechzeit-frank-flor-und-christof-nolda-zum-brueder-grimm-platz/; https://www.stadtzeit-
kassel.de/pdf/StadtZeit-105.pdf, S. 52f., hier S. 53.
16F. Kulturgeschichtliche Zusammenhänge
Auch kulturgeschichtlich ist dieser Ort von hoher Bedeutung. Die entscheidenden Blickbeziehungen
quer über den Platz würden jedoch durch den „Wald“ zerschnitten (vgl. auch zu Abb. 32), und gerade
auch die Namensgeber des Platzes, die Brüder Grimm, wären betroffen:
Im nördlichen Torgebäude wohnten 1814–22 die Brüder Grimm und ihre Schwester Lotte, mit Blicken
über den Platz und bis zum Meißner, dem Frau-Holle-Berg.
Bei den befreundeten Tapetenfabrikanten Arnold (Brüder-Grimm-Platz 4) hatte Ludwig Emil Grimm
damals sein Malzimmer; später waren bei ihnen Schinkel, Christian Daniel Rauch und Adolph Menzel
zu Gast, der 1847 dort den Kasseler Karton fertigte und auch den Blick auf Wilhelmshöher Tor, Allee
und Park festhielt. Dieser Blick wäre so künftig nicht mehr möglich, das Gebäude vom übrigen Platz
abgeschnitten. Die markante Pilastergliederung verlöre zudem hinter den Baumstämmen ihre städte-
bauliche Wirkung als Gegenüber der Allee und als Zitat der seitlichen Wilhelmshöher Schlossflügel.
Abb. 33: Blick vom Malzimmer Ludwig
Emil Grimms in der Arnoldschen
Tapetenfabrik zum Wilhelmshöher Tor;
auf dem Altan des nördlichen Gebäudes
Jacob und Wilhelm, am südöstlichen
Fenster Lotte auf ihrem Lieblingsplatz,
vgl. Abb. 35.
Abb. 34: Die ehem. Arnoldsche Tapeten-
fabrik um 1910. Erbaut als Palais hoher
Würdenträger im Königreich Westphalen.
17Die Landesbibliothek, an der Jacob und Wilhelm arbeiteten, ist heute mit der Murhardschen Bibliothek
zusammengelegt; und Jacob Grimm war 1815 daran beteiligt, geraubte Kasseler Kunstschätze aus Paris
zurückzuholen – einige davon befinden sich heute im Landesmuseum. Das künftige Tapetenmuseum
wird mit der Arnoldschen Tapetenfabrik korrespondieren. – Museen und Bibliothek, in deren Aus- und
Neubau das Land Hessen seit einigen Jahren große Summen investiert, verlören ihre stadtbildprägende
Wirkung – versteckt hinter den Stämmen der Kiefern bzw. abgeschirmt hinter einem Parkplatz.
In Sichtweite der Grimms wohnte auch die befreundete Künstlerfamilie Ruhl, im Haus Obere Königs-
straße 1. Und die Häuser Wilhelmshöher Platz 5 (an der Stelle des Landesmuseums) und Obere
Königsstraße 4 (erhalten) sind mit dem königlich-westphälischen Hofbankier Carl Jordis-Brentano
verbunden, als Treffpunkte bedeutender deutscher Romantiker: Clemens und Bettina Brentano,
Achim von Arnim, Friedrich Carl von Savigny und die Brüder Grimm.
Abb. 35: Die Stube der Lotte, Aquarell von
Ludwig Emil Grimm, 1821.
Von hier aus können in einer künftig
museal genutzten Grimmschen Wohnung
(im Kontext des Tapetenmuseums) zahl-
reiche Ortsbezüge an authentischer Stelle
anschaulich gezeigt werden. Auch dieser
Überblick über den Platz würde durch den
„Märchenwald“ zunichte gemacht. Die
Wohnung wäre dann zwar als Erinnerungs-
ort wiedergewonnen, verlöre aber ihren
Umgebungskontext.
Das Arnoldsche Gebäude ist auch des Weiteren noch kulturgeschichtlich interessant:
Bei Arnolds war Spohr wiederholt zur Kammermusik eingeladen, und zu den Kasseler Gästen zählen
der Chemiker Robert Wilhelm Bunsen, der Bildhauer Werner Henschel und der Architekt Daniel
Engelhardt (Vorbild des Architekten in Goethes ‚Wahlverwandtschaften‘) – der 1814 bereits in der
Etage unter den Grimms im nördlichen Torgebäude wohnte.
Und im 1. OG des Arnoldschen Hauses wohnten ab 1855 der frühere Oberhofmarschall Wilhelm
Otto von der Malsburg und seine Frau Caroline; auch bei ihnen musizierte Spohr, weitere häufige
Gäste waren die Kasseler Maler Ludwig Emil Grimm, August von der Embde, Ludwig Sigismund Ruhl
und Carl Glinzer.
An keinem anderen Ort in Kassel ist heute noch eine derartige kulturgeschichtliche Dichte anschau-
lich nachvollziehbar. Diese Anschaulichkeit ginge jedoch durch den zentralen Kiefernbestand verloren.
18II. Zum ausgewählten Entwurf – Anspruch und Umsetzung
A. Zur Beurteilung durch das Preisgericht
Zwar hat das Preisgericht „die symbolische Dimension“ des Entwurfs gewürdigt, doch enthält die
Beurteilung auch erhebliche fundamentale Kritik am Entwurf:6
- "Das Motiv des Waldes in diesem Beitrag wird vom Preisgericht in seiner symbolischen Dimension
gewürdigt."
- "Dieses Baumrund wird jedoch durch die weiterhin vorhandenen Verkehrsanlagen zerschnitten
und segmentiert. Infrage steht, ob diese einzelnen Segmente noch als Einheit erfahrbar sein
werden, zumal sie nach den Vorstellungen der Verfasser nicht zugänglich und nur von außen
sichtbar sein sollen."
- "Problematisch erscheint auch der Vorschlag, hochstämmiger Nadelbäume, die aus der Fernsicht
die Raumkanten und Fassaden des Platzes eher verdecken als städtebaulich akzentuieren."
- "Die Transformation der Entwurfsidee in städtebauliche Wirklichkeit bleibt jedoch fraglich: lässt
sich das Bild von Natur auf diese Weise in die Stadt projizieren?"
- "Die dafür vorgeschlagene Vegetation kann jedoch nicht überzeugen."
- "Eine sofortige und sichtbare Veränderung hin zu einer klaren Platzgestaltung und mit einer
spürbaren Verbesserung der Aufenthaltsqualität der Flächen rund um das neue Rondell könnte in
kurzer Zeit hergestellt werden." – Mit anderen Worten: Beides ist verbesserungsbedürftig.
Als wesentliche Stärke bleibt nur übrig:
- "dass der Entwurf 'Ruhe' in die schwer bespielbare Mitte bringt und der eigentlichen Platznutzung
an den Rändern neuen Raum eröffnet."
Üblicherweise wären im Verhandlungsverfahren alle prämierten Entwürfe noch einmal zu überarbeiten
gewesen, gemäß der Kritik des Preisgerichts – um dann aus diesen Überarbeitungen auszuwählen; in
diesem Wettbewerb ging das Preisgericht in seinem Urteil sogar soweit, dass keiner der Entwürfe un-
mittelbar in eine Vorentwurfsphase (!) überführt werden könne (vgl. hier in Kapitel III.C).
Doch im vorliegenden Fall unterblieb diese Revision. Die kritisierten Punkte blieben unverändert,
mit Ausnahme, dass auf die ebenfalls vorgesehenen Lärchen verzichtet wurde; zudem erfolgten
einzelne andere Änderungen, etwa zur Verkehrsplanung (vgl. Abb. 3). Auf dieser Grundlage wurde
nun das Büro beauftragt. Auch nachfolgend blieb die Kritik bisher unberücksichtigt – im Gegenteil:
Die Auszeichnung mit einem 1. Preis wurde inzwischen wiederholt als Argument genutzt, um
entsprechende Kritik Kasseler Bürger als fachlich inkompetent zu diskreditieren.
Interessant ist dabei, dass die Beurteilung des anderen 1. Preises als einzig relevante Kritik anführt:7
„Die genannte Zurückhaltung der Arbeit wird gleichwohl vom Preisgericht kontrovers diskutiert, da
dem Entwurf die gewünschte Prägnanz und Strahlkraft einer starken Geste fehlt.“
Beim „Märchenwald“-Entwurf hätte die umfassende Kritik an seiner Praxistauglichkeit sogar zu
einer derart durchgreifenden Revision führen müssen, dass die gewürdigte Grundidee nur schwerlich
haltbar wäre. – Sind die beiden 1. Preise somit einmal als funktionaler Preis und einmal als künstle-
rischer Preis aufzufassen? Und eine „starke Geste“ erscheint also als gewünschtes Ziel des Wett-
bewerbs …? Dazu passt das Lob, das der Stadtbaurat jüngst dem Entwurf aussprach: eine „große[…]
Geste“, ein „mutiges Entwurfskonzept“, das sich „als weiterer charakteristischer Meilenstein in die
Entwicklung der Platzhistorie einreihen“ werde.8
6
https://wb-brueder-grimm-platz.de/pages/teilnehmer-2.-phase/1preis.php.
7
https://wb-brueder-grimm-platz.de/pages/teilnehmer-2.-phase/1preisb.php.
8
Pressemitteilung der Stadt Kassel: Stellungnahme zu Äußerungen des Präsidenten des Landesamts für Denk-
malpflege Hessen vom 1. Juli 2021 zur Neugestaltung des Brüder-Grimm-Platzes / Michael Schwab (5.7.2021);
19B. Die Nutzungsziele des Wettbewerbs – Bestand und Planung im Vergleich
Welche Nutzungsziele waren im Wettbewerb offiziell formuliert? Wird der nun ausgewählte Entwurf
ihnen gerecht? Sind sie auch im Bestand zu realisieren?
Dabei zeigt sich bereits in der Ausschreibung zur Wettbewerbsteilnahme eine Schwerpunktverschie-
bung: Während im Förderprojekt konsequent die Gelenkfunktion des Platzes zwischen Innenstadt
und Wilhelmshöher Allee / Wilhelmshöhe als Ziel benannt wird,9 ist sie in der Ausschreibung auf eine
kurze historische Feststellung reduziert (vgl. im Folgenden, B.3).10 Was zuvor als Mittel dafür benannt
wurde, erscheint nun als oberstes Ziel: die Neugestaltung zu einem grünen städtischen Platz. Nach-
rangig ist in der Auslobung zumindest ergänzt, dass er der Gelenkfunktion gerecht werden solle.11
Der Denkmalschutz spielte bereits im Vorfeld keine Rolle, wie wir anhand einiger Gestaltungsforde-
rungen noch ausführlicher sehen werden. Im Folgenden seien zunächst aber allein die Ansprüche für
die Platznutzung untersucht, denn sie sind auch für das Förderprojekt von zentraler Bedeutung.
zur „großen Geste“ vgl. HNA vom 28.6.2021 (https://www.hna.de/kassel/gutwetter-fuer-den-grimm-platz-
90827878.html).
9
Vgl. Kapitel III.B; https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/zip/nps/2018/foerderprojekte-
2018/steckbriefe/kassel.html: „Als städtebaulich herausragender Abschnitt der Verbindung des herrschaftlichen
Bergparks Wilhelmshöhe mit dem bürgerlichen Zentrum der Innenstadt soll der Brüder-Grimm-Platz wieder erlebbar
gemacht werden. [Anm. d. Verf.: hier wurden Residenzstadt und Sommerresidenz miteinander verbunden.] Neben
der besseren Gestaltung der verkehrlichen Funktion und der Verknüpfung gesamtstädtischer Grünräume soll
mit einer verbesserten Aufenthaltsqualität auch die Scharnierfunktion des Platzes wieder hergestellt werden.
Der Brüder-Grimm-Platz ist Teil einer Folge barocker Platzanlagen entlang der Königsstraße, die die Innenstadt
Kassels in ihrer städtebaulichen Grundstruktur bis heute prägen. [Anm. d. Verf.: die Platzfolge ist bereits nach-
barock.] Bereits historisch war er ein grüner Schmuckplatz am Gelenk zur Auffahrt zum Berkpark Wilhelmshöhe.
Letztmalig wurde er in den 1960er Jahren umgestaltet. Mittlerweile hat sich südlich des Platzes eine Reihe von
Kulturbauten etabliert, zu denen der Platz ebenfalls eine Scharnierfunktion übernehmen müsste. [Anm. d. Verf.: Die
Bibliothek wurde 1905 eröffnet, die Grüngestaltung übernahm schon damals Scharnierfunktion in diese Richtung.]
Diesem gewachsenen Anspruch mit seiner Funktion als Doppelgelenk wird der Platz in seiner heutigen Ausgestaltung
weder funktional noch gestalterisch gerecht. Dies soll mithilfe der Förderung durch einen Planungsprozess entlang
des Leitbildes eines ‚grünen und multifunktionalen Stadtplatzes‘ geändert werden. Das Projekt knüpft an die
erfolgreich abgeschlossenen Fördermaßnahmen ‚Bergpark Wilhelmshöhe‘ sowie ‚Wilhelmshöher Allee‘ an.“
10
Vgl. https://www.competitionline.com/de/ausschreibungen/362133: „Aufgabe des Wettbewerbs ist die
Neugestaltung des Brüder-Grimm-Platzes zu einem grünen städtischen Platz, der hohe Aufenthaltsqualität mit
den vielfältigen verkehrlichen Anforderungen in Einklang bringt. Der Brüder-Grimm-Platz bildet das historische
Bindeglied zwischen der Wilhelmshöher Allee, die einen Teil der Pufferzone des UNESCO-Weltkulturerbes
Bergpark Wilhelmshöhe bildet und der Königsstraße als zentraler Einkaufsstraße. Er stellt außerdem einen
wichtigen Trittstein innerhalb der bestehenden und weiter auszubauenden Kasseler Museumslandschaft dar.
Der Platz ist gesäumt von Baudenkmalen wie dem Hessischen Landesmuseum, der Murhardschen Bibliothek, der
Torwache (dem historischen Wohnhaus der Gebrüder Grimm) und künftig dem Deutschen Tapetenmuseum. Hierzu
ist die Verknüpfung des Platzes mit den angrenzenden Straßenräumen und öffentlichen Freianlagen ebenso zu
beachten wie seine Einbindung in das übergeordnete städtische Verkehrswegenetz. Als Auftakt zur Wilhelmshöher
Allee ist er eine vielbefahrene innerstädtische Verkehrsfläche, die auch von einer Straßenbahntrasse gequert wird.“
11
Auslobung, S. 7, „Gegenstand des Wettbewerbs“: „Aufgabe des Wettbewerbs ist eine Neugestaltung des
Brüder-Grimm-Platzes zu einem grünen städtischen Platz, der höchste gestalterische Ansprüche und Aufent-
haltsqualitäten mit den vielfältigen verkehrlichen Anforderungen in Einklang zu bringen vermag.“ Gegenüber der
Ausschreibung sind somit noch „höchste gestalterische Ansprüche“ ergänzt. Auf S. 49 ist die Gelenkfunktion er-
gänzt: „Ziel des Wettbewerbs ist die Neugestaltung des Brüder-Grimm-Platzes zu einem grünen städtischen Platz,
der hohe Aufenthaltsqualität mit den vielfältigen verkehrlichen Anforderungen in Einklang bringt und seiner Lage
am Gelenkpunkt zweier barocker Stadtachsen und dem Zugang zu den Kultur- und Museumsbauten gerecht wird.“
201. Grüner städtischer Platz
Als Leitbild wird der „grüne städtische Platz“ gefordert,12 und ausdrücklich heißt es in der Auslobung:
„Der aktuelle Versiegelungsgrad muss deutlich verringert werden“.13
Abb. 36: Die Grünflächen im Bestand (gelb) und in der Planung sind etwa gleich groß. 14
Was durch Straßenverengung gewonnen wird, geht durch die Kreisform wieder verloren;
allein für die Entwurfsidee der Kreisform wird auch der historische Vorplatz des Landesmuseums mit
seinen denkmalgeschützten Begrenzungsmauern zerstört, ohne dass dadurch ein funktionaler
Nutzen entsteht. – Das optionale Rasengleis wäre auch im Bestand möglich.
Im Bestand sind dagegen (durch eine vergleichbare Verengung der Durchgangsstraße) größere Grün-
flächen zu gewinnen als im aktuellen Entwurf.
12
Projektbeschreibung (wie Anm. 9); Ausschreibung zur Wettbewerbsteilnahme (wie Anm. 10); Auslobung,
S. 49 (wie Anm. 11). In der Auslobung auch unter „Städtebau und Stadtraum“: „Das stadträumliche Leitbild ist
der grüne städtische Platz.“ Und unter „Gestaltung“ (S. 50): „Der Brüder-Grimm-Platz soll, wie bereits beschrie-
ben, generell den Charakter eines grünen, städtischen Platzes erhalten.“
13
Auslobung, S. 54: „Der aktuelle Versiegelungsgrad muss deutlich verringert werden, indem im Wettbewerbs-
gebiet unversiegelte und gering versiegelte Bereiche vorgesehen werden.“ Nicht ganz so eindeutig S. 53: „Im
Rahmen der Freiraumkonzeption ist die Stärkung der Grünfunktion eine wichtige Zielsetzung. Bei der Planung
ist darauf zu achten, dass die Flächen im Vergleich zur aktuellen Situation mindestens einen gleich hohen oder
einen höheren Grünflächenanteil aufweisen.“
14
Vgl. so auch die Entwurfsbeschreibung (Abschnitt „Technische Machbarkeit“, zu den Pflegekosten).
212. Erhöhung der Aufenthaltsqualität
Dieser Punkt wird als weitere wichtige Zielsetzung genannt. Gefordert wird in der Auslobung eine
funktionale Zonierung in ruhigere Bereiche zum Sitzen und offene Bereiche für Gruppen, als eigen-
ständige Flächen, aber ohne den Platz in räumlich abgegrenzte Teilflächen aufzulösen.15
Abb. 37 und 38: Denkmalgeschützte Aufenthaltsqualität von 1964/65 (vgl. Kapitel I.D). Sitzmöglichkeiten
auf allen drei Segmenten, die ganz bewusst den Blick über Blumenpflanzungen und Rasenflächen in die
Ferne ermöglichen – davon zweimal auf umliegende, bewaldete Höhenzüge des Kasseler Beckens. Der
aktuelle Entwurf ersetzt diese Flächen durch den künstlichen „Wald“, der nicht betreten werden soll.
Abb. 39: Denkmalgeschützter Vorplatz des Landesmuseums – am höchsten Punkt des Platzes,
ehemals wie eine Aussichtplattform angelegt (vgl. Kapitel I.C.b); Probleme sind allein die
Parkplatznutzung und die großen Sträucher, die den Blick auf den übrigen Platz nehmen.
Mauern und Hecken gehen dagegen noch auf die Bauzeit des Museums zurück.
Nach Sperrung für den Autoverkehr (mit Abbau der Parkplätze) bieten innere Grünflächen, Museums-
vorplatz und bestehende Randzonen bereits verschiedene potenzielle Funktionsbereiche. Eine Zer-
störung der bestehenden, denkmalgeschützten Grünflächengestaltung ist dafür nicht erforderlich.
Die räumliche Verknüpfung dieser Flächen ist durch Bepflanzungskonzepte lösbar.
15
Projektbeschreibung (wie Anm. 9); Ausschreibung zur Wettbewerbsteilnahme (wie Anm. 10); Auslobung, S. 50
(„Gestaltung“): „Eine weitere wichtige Zielsetzung ist die Erhöhung der Aufenthaltsqualität. Bei der Planung ist darauf
zu achten, dass eine multifunktionale Nutzung von Menschen verschiedener Alters- und Nutzergruppen möglich ist.
Ziel der Planung ist es, durch eine funktionale ‚Zonierung‘ der Platzfläche qualitativ unterschiedliche Aufent-
haltsbereiche auszuformulieren – also Bereiche mit ‚ruhigerem‘ Charakter zum Verweilen und Sitzen und ‚offene‘
Bereiche als Treffpunkte für größere Gruppen. Hierbei gilt es zu beachten, dass der Platz als eigenständige Fläche
wahrnehmbar und erlebbar wird und es zu keiner räumlichen Abgrenzung der Teilbereiche voneinander kommt.“
22Sie können auch lesen