Exkursion Kassel - Münster - 16. Juni 2017 - Institut für Kulturmanagement

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Exkursion Kassel - Münster - 16. Juni 2017 - Institut für Kulturmanagement
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Exkursion Kassel - Münster
12. - 16. Juni 2017
Exkursion Kassel - Münster - 16. Juni 2017 - Institut für Kulturmanagement
2

    JohannaKleinAnnaGohlaHenrikeNebel
    IsabelGimberJohannaGrohmannSarah
    SchuhbauerNicoleGörnerLauraThomas
    L u i s a B a n h a r d t R o m i n a K u n z Ya n n i k
    ScheurerJuttaDrygallLenaFornolKatharina
    W ü r g a u L i n d a Ro b e n s A r n e D r a h e i m
    PiaLohmannEvaWeissmüllerFionaEbser
    MarkwardWittmannCarolinKnotzProf
    DrThomasKnubbenDrChristianeDätsch
    JulianeFlittnerFranziskaViehbacher
Exkursion Kassel - Münster - 16. Juni 2017 - Institut für Kulturmanagement
Programm

4                            Vorwort

Montag, 12. Juni
                                           Mittwoch, 14. Juni
          Spaziergänge auf der

                                                                                               l
                                                                                            sse
     documenta - Eine Erfahrung
6                                                     In einem Märchenland
                                           20                vor unserer Zeit
          Zu Besuch bei der HNA
                                                     Gespräch mit Susanne Völker,

                                                                                         Ka
     Gespräch mit Dr. Mark-Christian von
                                            Geschäftsführerin der Grimmwelt Kassel
         Busse, Feuilleton-Redakteur der
9         Hessischen Niedersächsischen
                            Allgemeinen       Auf den Spuren von Herkules
                                                - Welterbemanagement im
Dienstag, 13. Juni                         24      Bergpark Wilhelmshöhe
                                                 Gespräch mit dem Direktor Prof. Dr.
                                                                      Bernd Küster
     Ein Blick hinter die Kulissen
             des Kunstspektakels 28                Ein Streifzug durch den
     Gespräch mit Annette Kulenkampff,          Bergpark Wilhelmshöhe
12   Geschäftsführerin der documenta 14                mit Ekkehard Jürgens            Donnerstag, 15. Juni
                                                                                                                                    3
                 „Ich bin doch kein
                        Erklärbär!“                                                                    Vom Aasee bis zum
15        Gespräch mit Henriette Gallus,                                               32                  Prinzipalmarkt
          Leiterin der Kommunikation der                                                             Eine klassische Stadtführung
                           documenta 14                                                                            durch Münster

                 Die Ausstellungs-                                                                        Begegnungen mit
                    koordination:                                                      36
                                                                                                         Skulptur Projekten
                Das Herzstück der                                                                 Eine Fahrradtour durch Münster
17                    documenta
     Gespräch mit Kirsten Wandschneider                                                42                       Match Point!
                       und Tilmann Hatje                                                         Gespräch mit Michael Letmathe,
                                                                                                 Dramaturg des Theater Münster

                                                                                       Freitag, 16. Juni
                                                                                       46                    „Zu 92 % ein
                                                                                                          Kunstmuseum ...“
                                                                                              Gespräch mit Dr. Hermann Arnhold,
                                                                                            Leiter des LWL-Museums für Kunst und
                                                                                                                  Kultur Münsterl
               r
        ste

                                                                                       49                       Ein Künstler
                                                                                                            der ersten Liga?
                                                                                                     Gespräch mit „Totalkünstler“
ün

                                                                                                                   Timm Ulrichs
M

                                                                                       51                          Impressum
Exkursion Kassel - Münster - 16. Juni 2017 - Institut für Kulturmanagement
Vorwort

    I n diesem Sommersemester verschlug es die 23 angehenden Kulturmanager des Jahrgangs
      2016/2017 gleich an zwei Orte: die diesjährigen Kulturhotspots Kassel und Münster, die ver-
    schiedener nicht sein könnten.

    Kassel, einst Fachwerkeldorado, das im Zweiten Weltkrieg nahezu völlig zerstört und beim Wie-
    deraufbau zu einer, unter damaligen Gesichtspunkten, modernen Autostadt umfunktioniert wurde.
    Und Münster, das westfälische Studentenstädtchen, das in ähnlicher Weise verwüstet, jedoch nach
    dem Krieg nach historischem Vorbild wiedererrichtet wurde.

    Erstes Ziel der Wochenexkursion war die Weltkunstausstellung documenta 14, deren Name als
    Synonym der nordhessischen Kunstmetropole gilt. Auf dem Programm standen nicht nur zahlreiche
    Gespräche mit den Machern der weltweit bedeutendsten Ausstellung zur Gegenwartskunst, son-
    dern auch die Besichtigung der Weltkulturerbestätte Bergpark Wilhelmshöhe, der 2015 eröffneten
    Grimmwelt sowie ein Besuch bei der Kulturredaktion der dort ansässigen Tageszeitung Hessische
    Niedersächsische Allgemeine (HNA).

4   Zweites Ziel waren die Münsteraner Skulptur Projekte 2017, eine weltweit renommierte Großaus-
    stellung im öffentlichen Raum, die nur alle zehn Jahre stattfindet und Münster über einen Zeitraum
    von 100 Tagen in ein Museum unter freiem Himmel verwandelt. Zu Fuß und auf dem Rad erkun-
    deten die Kulturmanagent-Studierenden die vielfältigen Skulpturen, lernten das Theater Münster
    sowie abschließend das LWL-Museum für Kunst und Kultur kennen, wo sie auf ein echtes Original
    der deutschen Kunstszene trafen.

    Nun viel Vergnügen beim Schmökern und Schwelgen in den Erinnerungen an eine unvergessliche
    Exkursionswoche!

    Eure Redaktion
                                                                                       Dezember 2017
Exkursion Kassel - Münster - 16. Juni 2017 - Institut für Kulturmanagement
Deckblatt Montag

                                  5

                   Montag, 12. Juni
Exkursion Kassel - Münster - 16. Juni 2017 - Institut für Kulturmanagement
Spaziergänge auf der documenta
    - Eine Erfahrung

    N
            ach erfolgreichem Zimmer-      aus verschiedensten Mitgliedern,      von Stamatis Schizakis und Tina
            bezug waren unsere ersten      die mit unterschiedlichsten Voraus-   Pandi insgesamt 180 Kunstwerke
            Programmpunkte in Kassel       setzungen und Herangehenswei-         von 82 Künstlern aus, die in Kas-
    zwei Spaziergänge der documenta        sen die Spaziergänge begleiteten.     sel präsentiert wurden. Die Aus-
    am Vormittag. Diese Spaziergän-        So wurde der erste Spaziergang im     stellung behandelte Themen wie
    ge waren Teil des Vermittlungspro-     Fridericianum von Diane Rothang       Grenzüberschreitung,      Diaspora,
6
    gramms der documenta 14. Unter         geleitet, die Musikwissenschaft       kulturellen Austausch, Mythologie
    dem Titel „Eine Erfahrung“ boten       und Geschichte studiert hatte und     sowie persönliche und kollektive Er-
    etwa 200 sogenannte „Choristen“        als Verlagslektorin arbeitete. Dort   innerungen. Es war das erste Mal,
    an, mit Gruppen Teile der Ausstel-     war die Ausstellung „ANTIDO-          dass die Sammlung des EMST au-
    lung zu besuchen. Dabei handelte       RON. Die Sammlung des EMST“           ßerhalb von Griechenland gezeigt
    es sich nicht um klassische Führun-    zu sehen. Ausgestellt wurden Ex-      wurde. Im Gegenzug war das EMST
    gen, bei denen die Guides mit Ex-      ponate aus der Sammlung des           einer der Hauptausstellungsorte
    pertenwissen als Vermittler der Wer-   Nationalen Museums für Zeitge-        der documenta 14 in Athen. Das
    ke dienen, sondern mehr um das         nössische Kunst (EMST) in Athen.      Museum konnte 2014 in den Ge-
    gemeinsame Erschließen und Er-         Die Kuratorin des EMST Katerina       bäudekomplex einer ehemaligen
    fahren der Kunst. Der Chor bestand     Koskina wählte mit Unterstützung      Brauerei einziehen. Zuvor wurde
                                                                                 die seit 2000 aufgebaute Samm-
                                                                                 lung griechischer und internationa-
                                                                                 ler Künstlerinnen und Künstler von
                                                                                 den 1960er Jahren bis in die Ge-
                                                                                 genwart an verschiedenen Orten
                                                                                 immer nur temporär gezeigt. Aus
                                                                                 finanziellen Gründen fand erst im
                                                                                 Oktober 2017 eine Teileröffnung
                                                                                 des Museums statt, ursprünglich ge-
                                                                                 plant war diese für das Jahr 2004.

                                                                                 Eines der Werke, die bei der Füh-
                                                                                 rung durch das Fridericianum be-
                                                                                 sprochen wurden, war Andreas Lo-
                                                                                 lis‘ „Shelter“. Auf den ersten Blick
                                                                                 sah man nur einen Haufen Verpa-
Exkursion Kassel - Münster - 16. Juni 2017 - Institut für Kulturmanagement
ckungsmaterial. Die Choristin wies         der Bü-
uns aber darauf hin, dass es sich          cher“ oder
keineswegs um Pappe und Styropor           „Expiration
handelte, sondern um Marmor aus            Movement“ von
Carrara. Der albanische Künstler           Daniel Knorr, das
spielt mit dem Kontrast von Marmor,        mit seiner konstanten
der für Denkmäler verwendet wird,          Rauchfahne für viele be-
und billigem Verpackungsmaterial,          sorgte Anrufe bei der Kas-
mit dem er eine Notunterkunft ge-          seler Feuerwehr gesorgt hatte.
baut hat, wie es der Name „Shelter“        In der documenta-Halle selbst
nahelegt. Ganz oben im Zwehren-            begegneten uns unter anderem
turm fanden wir einen Raum vol-            Masken von Beau Dick, Zeich-
ler Scherben vor. Der griechische          nungen von Miriam Cahn und
Künstler Costas Varotsos lies Glas-        Textilien von Aboubakar Fofana.
platten mit den unterschiedlichsten
Flaggen bedrucken und verteilte            Es war der erste Spaziergang für
sie im ganzen Raum. Ursprünglich           unseren Choristen. Seine Ideen
war geplant, dass die Besucher
durch den Raum laufen und die                                                                 Offe nhei t
Glasplatten so zerstören. Da die                                                              der Besu-
Glasplatten beim Besucheransturm                                                              cher. Auch
der documenta 14 aber zu schnell                                                              die Pluralität
zermahlen gewesen wären, durften                                                              der Choristen
wir den Raum schon nicht mehr be-                                                             und deren ver-
treten. Genau das ist aber das Ziel                                                           schiedene Ansätze
des Künstlers gewesen: Die Flaggen                                                            während der Spa-
sollten sich mit der Zeit auflösen.                                                           ziergänge machen            7
Den anderen Spaziergang leitete                                                               zwar jeden Besuch
ein junger Politikwissenschaftler, der                                                        einzigartig, aber auch
auch selbst als Lichtkünstler aktiv ist.                                                      im Vorfeld schwer ein-
Er zeigte sich vom Vermittlungskon-        und Erklärungen konnten ganz im         zuschätzen und nicht vergleichbar.
zept der documenta ähnlich irritiert       Sinne des documenta-Vermittlungs-       Diese Verschiedenheit erfuhren wir
wie viele Besucher: „Ich habe mich         ansatzes durch unsere Vorrecher-        auch selbst, denn die Gruppe des
eigentlich nur als Chorist beworben,       chen dialogisch ergänzt werden.         ersten Spaziergangs zeigte sich
weil ich dachte, man würde da sin-         Der Ansatz, ohne erklärende Be-         deutlich zufriedener mit der Ver-
gen“, scherzte er. Ums Singen ka-          schreibungen und im Austausch mit-      mittlungsleistung ihrer „Erfahrung“.
men wir alle herum. Auch darum,            einander die Ausstellung zu erfassen,
als Chor „die Linienführung in der         ohne vorgefertigte Aussagen, ist si-    von Isabel Gimber und
Architektur zum Anlass zu nehmen,          cher lobenswert. Andererseits fordert   Yannik Scheurer
auf die Bewegung des Körpers, auf          dieses Konzept eine hohe Eigenleis-
das Gehen selbst, auf Rhythmus und         tung sowie Dialogbereitschaft und
Stimme einzugehen“, wie es auf der
Webseite der documenta zu diesem
Spaziergang zu lesen ist. Stattdessen      Daniel Knorrs
waren die öffentlich zugänglichen
Werke auf dem Friedrichsplatz und          „Expiration
dem Vorplatz der documenta-Halle           Movement“ ließ
Thema sowie die Ausstellung inner-         viele Kasseler
halb der Halle. Wir diskutierten und
assoziierten zum Schriftzug „being         Bürger die 112
safe is scary“, der den eigentlichen       wählen.
Schriftzug am Giebel des Frideri-
cianums ersetzte, den „Parthenon
Exkursion Kassel - Münster - 16. Juni 2017 - Institut für Kulturmanagement
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Exkursion Kassel - Münster - 16. Juni 2017 - Institut für Kulturmanagement
Zu Besuch bei der HNA
                                                     Gespräch mit Dr. Mark-Christian von Busse
                                                                       Feuilleton-Redakteur der
                                                     Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen
                                                                                                                           9

A
       m ersten Abend der Exkursi-      als Printmedium. Größter Konkurrent      So sollen brandneue Nachrichten
       on, führte uns unser Weg zum     vor Ort ist der Hessische Rundfunk.      sofort nach Bekanntwerden bei “Kas-
       Sitz der Hessischen Nieder-      Seit dem Jahr 2002 gehört die HNA        sel Live” erscheinen. Diese werden
sächsischen Allgemeinen (HNA). Im       der Ippen-Verlagsgruppe an, die un-      von HNA-Redakteuren und Repor-
Foyer des Verlagshauses wurden wir      ter anderem den Münchner Merkur          tern immer zeitnah - auch von unter-
von Herrn Dr. Mark-Christian von        besitzt. Alleinstellungsmerkmal der      wegs aus - eingestellt. Es ist der Ver-
Busse, Redakteur der Kulturredak-       Zeitung ist ihr Lokalteil, der, anders   such, das bunte und umfangreiche
tion, in Empfang genommen. Von          als gewohnt, auf der ersten Seite der    Leben der Stadt in jedem Moment
Busse arbeitet seit fast 20 Jahren      Zeitung erscheint und dem damit          abzubilden und somit dem Leser ei-
als Redakteur bei der HNA und hat       gleichzeitig weitaus mehr Platz als      nen noch besseren und aktuelleren
uns gerne und ausgiebig von seiner      gewöhnlich eingeräumt wird. Diese        Service bieten zu können. Daraus
Arbeit im Verlagshaus berichtet. Vor-   Begebenheit lässt die HNA einzig-        resultiert die mögliche Problematik,
nehmlich haben wir mit ihm über         artig und konkurrenzlos gegenüber        dass es keine scharfe Trennung zwi-
die Arbeit der Kulturredaktion wäh-     anderen Lokalzeitungen erscheinen        schen Privatem und Beruflichem für
rend der documenta gesprochen.          und macht die Stärke der HNA aus.        die Redakteure und Reporter gibt.

Die wichtigsten Fakten                  Online-Angebot - “Kassel Live”           Die Arbeit der Kulturredaktion
über die HNA                            An die Zeitung anknüpfend, verfügt       während der documenta
Die Hessische Niedersächsische All-     die HNA über ein breites Angebot         Die Kulturredaktion besteht aus
gemeine ist eine Regionalzeitung, die   an Online-Programmen, wie bei-           insgesamt fünf Festangestellten so-
in einer Auflage von 130.000 Stück      spielsweise die Servicefunktion “Kas-    wie zwei Volontären und einigen
von Montag bis Samstag erscheint.       sel Live“. Diese wird von der Bevöl-     freien Mitarbeitern. Der Mehrauf-
Dabei bedient die HNA neben der         kerung sehr gut angenommen. Der          wand im “documenta-Jahr”, wird
Stadt Kassel auch das umliegende        tägliche HNA-Liveticker möchte sei-      mit Hilfe einer weiteren Kollegin
Land und verfügt im Bereich Nord-       ne Leser schnell und übersichtlich mit   bewältigt. Die HNA verfügt als Re-
hessen über eine Monopolstellung        relevanten Nachrichten versorgen.        gionalzeitung in Kassel über das
Exkursion Kassel - Münster - 16. Juni 2017 - Institut für Kulturmanagement
Privileg, die documenta an 100 Ta-      und Leser, das Übersetzungsarbeit       Von Busses Worten zufolge kenne
     gen Ausstellungsdauer permanent         leisten soll, um die Kunstwerke den     die Kulturredaktion die documen-
     begleiten und in das Geschehen          Menschen näher zu bringen. Sie          ta am Ende in und auswendig.
     vor Ort eintauchen zu können. Die       veröffentlicht daher keine klassi-
     Kulturredaktion der HNA kann da-        schen Kunstkritiken, sondern be-        Die Zusammenarbeit mit der Pres-
     durch sehr intensiv über die Welt-      trachtet aus verschiedenen Blick-       seabteilung der documenta 14
     kunstausstellung berichten, was         punkten verschiedene Aspekte der        verläuft nicht immer spannungs-
     anderen Zeitungen verwehrt bleibt.      Kunst und hinterfragt und beleuch-      frei. Das läge, so von Busse, in der
     Ein erstes Bild über die documenta      tet sie. Dadurch soll die Kunst dem     Natur der Sache. Aber auch darin,
     14 haben sich die Kulturredakteu-       Leser verständlich gemacht werden.      dass unterschiedliche Interessen auf-
     re bei der Eröffnungspressekonfe-       Grundsätzlich soll Kassel ein kunst-    einanderprallten: Die HNA wolle
     renz am 7. Juni 2017 verschaffen        freundliches bzw. kunstaffines Pub-     möglichst viel über die Schau, und
                                             likum sein. So sind beispielsweise      das auch im Voraus, erfahren. Die
                                             bei der documenta 13 etwa 10.000        Presseabteilung der documenta gab
                                             Dauerkarten in der Region Kassel        Informationen allerdings vorzugs-
                                             verkauft worden. Dennoch gibt es        weise nicht auf Anfrage, sondern
                                             auch viele Bewohner, welche mit         zu selbst bestimmten Zeitpunkten
                                             der Kunstausstellung nicht viel an-     heraus. Unser Gespräch mit Frau
                                             fangen können. Deshalb besteht,         Gallus, Pressesprecherin der docu-
                                             laut von Busse, die Aufgabe der         menta 14, hat diese Aussage bestä-
                                             Zeitung darin, diesen Spagat zwi-       tigt. Von Busse ist davon überzeugt,
                                             schen beiden Positionen abzubilden:     dass die documenta auf die HNA
                                             Man will jeden Leser ansprechen.        angewiesen sei, um Publikum zu
                                             Für von Busse ist die Schau ein High-   generieren. Daher ist eine erfolg-
                                             light, auch wenn 100 Tage Ausstel-      reiche Zusammenarbeit zwischen
                                                                                     HNA und der Presseabteilung der
10   können. Die vielzähligen Orte der          Am Ende kennt die                    documenta unbedingt erforderlich.
     Ausstellung teilen die HNA Redak-          Kulturredaktion die
     teure unter sich auf, sodass Informa-                                            Zwei Stunden intensives Gespräch
     tionen über das breite Angebot an          documenta in und                      mit Herrn von Busse haben uns in-
     Kunst gewährleistet werden können.         auswendig.                            teressante Einblicke in die Arbeit
     Zu Beginn der Ausstellung hat                                                    der Kulturredaktion vor und wäh-
     die Zeitung eine 20-seitige Bei-        lung sehr viel Arbeit bereithalten. Alle rend der documenta gegeben.
     lage veröffentlicht, die die Schau      fünf Jahre dominiert die documenta
     und ihre künstlerischen Beiträge        Kassel und verwandelt die Stadt. Ku- von Juliane Flittner und Anna Gohla
     in den Fokus rückt. Weiterhin wird      ratoren und Galeristen reisen aus
                                             aller Welt an, um das Spektakel zu
                                             erleben. Die Schau prägt das Stadt-
       Generell versteht sich                bild zunehmend und ist nach all den
       die Readaktion als                    Jahren zu einer Tradition geworden.
       Sprachrohr zwischen                   Von Busse ist außerdem mit zwei
                                             weiteren Kolle-
       Kunst und Leser.                      gen nach Athen
                                             gereist, um auch
     jeden Tag eine neue Seite über          von dort aus über
     die documenta erscheinen. Unter         die     documen-
     der Rubrik „Lieblingskunstwerke”        ta zu berichten.
     stellt nach und nach jeder Mit-         Wie er selbst sag-
     arbeiter der Kulturredaktion sei-       te, war es eine
     nen persönlichen Favoriten vor.         mühsame, aber
                                             lohnenswerte Ar-
     Generell versteht sich die Redakti-     beit und hat das
     on als Sprachrohr zwischen Kunst        Bild der Schau
                                             vervollständigt.
11

Dienstag, 13. Juni
Ein Blick hinter die Kulissen des Kunstspektakels
Gespräch mit Annette Kulenkampff
Geschäftsführerin der documenta 14

12

     A
            m zweiten Tag der Exkursion   der Bundeskunsthalle in Bonn gelei-      wie das Budget, das Personal und
            nach Kassel und Münster hat-  tet hatte, wurde sie 1997 Geschäfts-     die Versicherungen, verantwort-
            ten wir die Ehre, mit Annette führerin der Verlagsgemeinschaft         lich war. So gewann zum Beispiel
     Kulenkampff über ihr spannendes      Hatje Cantz Verlag in Ostfildern. Dort   auch das Thema Sicherheit bei der
     Arbeitsfeld im Rahmen der Realisie-  entstehen jährlich etwa 200 Neuer-       documenta 14 aufgrund der ak-
     rung der documenta 14 zu sprechen.   scheinungen, seit 1992 unter an-         tuellen politischen Geschehnisse
                                          derem die Kataloge der documen-          erstmalig an Relevanz: Es wurde
     Zur Person                           ta. 2014 wechselte sie schließlich       ein detailliertes Sicherheitskonzept
     Annette Kulenkampff ist seit dem vom Verlag zur documenta selbst.             entwickelt und Frau Kulenkampff
     1. Juli 2014 die Geschäftsfüh-
     rerin der documenta und Mu- Klare Rollenverteilung                              „Künstlerische Frei-
     seum      Fridericianum    gGmbH. Die Rolle von Frau Kulenkampff                heit endet da, wo das
     Sie wurde 1957 in Hannover ge- als Geschäftsführerin ist klar ab-
     boren und studierte Kunstgeschich- zugrenzen von jener der künstleri-           Budget zu Ende ist.“
     te, Germanistik und Archäologie in schen Leitung, die Adam Szymczyk           betonte, dass diese enorme Verant-
     Frankfurt am Main. Nachdem sie übernahm. Dieser beschäftigte sich             wortung bei ihr selbst liege.
     neun Jahre lang Teilhaberin der Ga- mit der Konzeption und der Künst-         Beide Bereiche - künstlerische und
     lerie Gering-Kulenkampff in Frank- lerauswahl, also der Ausstellung an        organisatorische Leitung - verfolgten
     furt am Main gewesen war und sechs sich, während Frau Kulenkampff             jedoch stets das oberste Prinzip, die
     Jahre lang die Publikationsabteilung für alle organisatorischen Fragen        künstlerische Freiheit zu ermöglichen.
Diese Trennung zwischen künst-          Kulenkampff selbst ge-
lerischer Leitung und Geschäfts-        wann das Motto „Lear-
führung musste immer wieder in          ning from Athens” der
einzelnen Situationen neu ausge-        diesjährigen documenta
handelt werden und erforderte viel      insofern an Relevanz,
Vertrauen – „künstlerische Freiheit     als dass sie lernte, dass
endet da, wo das Budget zu Ende         auch eine etwas weniger
ist“, so Kulenkampff. Sie selbst hat-   strukturierte Zusammen-
te während der Vorbereitung der         arbeit mit externen Part-
documenta wenig direkten Kon-           nern wie jene mit den
takt zu den Künstlern, stattdessen      Organisatoren in Athen
zu Adam Szymczyk, den Kuratoren         letztlich zum Ziel führt.
und den kuratorischen Assistenten,
die den konkreten Ablauf planten.       Kunst als Hoffnungs-
                                        träger
Learning from Athens?                   Während ihrer Arbeit
Die diesjährige Premiere mit Athen      machten sich insbeson-
als zweitem Ausstellungsort be-         dere das extreme Elend
schrieb Frau Kulenkampff als ein        und die Hoffnungslo-
„Abenteuer“. Das zentrale Prob-         sigkeit in Griechenland
lem dabei war natürlich die frem-       bemerkbar, doch Frau
de Sprache und Schrift, aber auch       Kulenkampff        stellte
die kulturellen Unterschiede zwi-       klar, dass Kunst auch in
schen den Griechen einerseits sowie     schwierigen Zeiten Hoffnung geben       Künstler gezeigt werden, was aller-
den Deutschen andererseits. Das         kann. Das Ermöglichen von Kunst,        dings nicht dem Konzept der Ausstel-
Team arbeitete drei Jahre lang an       selbst unter widrigen Umständen,        lungsreihe entspricht. Trotzdem sei
der Umsetzung dieser Premiere. In       und das fertige Ergebnis – zu sehen,    die documenta in Athen angekom-        13
Athen musste überhaupt erst eine        wie die Künstler und das Publikum       men, sie „funktioniert in dem Maße,
Infrastruktur aufgebaut und Büros       über die Kunst sprechen – definierte    in dem man das erwarten kann“
gesucht werden, doch letztendlich       Frau Kulenkampff schließlich als das    und sei immerhin in der Kunstszene
hat es funktioniert – viele Ideen und   Beste an ihrer Arbeit. Nach eigener     anerkannt. Gleichzeitig ermöglichte
Konzepte auf inhaltlicher Ebene ent-    Aussage hat die Geschäftsführerin       die diesjährige documenta die Stär-
standen dabei in Athen selbst. Für      dementsprechend die Entschei-           kung bereits bestehender Kunstins-
                                                   dung, von der Verlags-       titutionen in Athen. So vollzog sich
                                                   branche zur documenta        im Rahmen der Großausstellung
                                                   zu wechseln, nie bereut.     die Eröffnung des EMST, welches
                                                                                als einer der wichtigsten Schauplät-
                                                  Anlaufschwierigkeiten         ze des Kunstspektakels eine ent-
                                                  und Chancen der do-
                                                  cumenta 14
                                                  Kulenkampff folgend kön-         Der gesamte Etat
                                                  ne die documenta einen           musste zu 50 Pro-
                                                  extremen Aufschwung in           zent selbst erwirt-
                                                  der griechischen Kunst-
                                                  szene bewirken. Bis die          schaftet werden.
                                                  Ausstellung in Kassel wirk-
                                                  lich „geliebt“ wurde, hat     sprechende Beachtung innerhalb
                                                  es seine Zeit gedauert,       der Kunstszene erfahren konnte.
                                                  und diesen Vorlauf gab es
                                                  in Athen natürlich nicht.     Finanzielle Hürden
                                                  Die Erwartungshaltung         Auf finanzieller Ebene ist die do-
                                                  war hier anfangs, dass        cumenta dazu angehalten, einen
                                                  vorrangig      griechische    fünfjährigen Wirtschaftsplan einzu-
halten, im Rahmen dessen aufgrund        rend in Athen ledig-
     der Rechtsform der gGmbH keine           lich die Anzahl der
     Gewinne generiert werden dürfen.         Besuche der einzelnen
     Kulenkampff bezeichnet diese Auf-        Kunststätten      dokumen-
     lage als unrealistisch, da bei den       tiert werden könnte. Bei der
     bereits abgeschlossenen Großaus-         Evaluation der diesjährigen
     stellungen bislang immer Über-           documenta wurde mit der Kas-
     schüsse erzielt worden seien. Bei der    seler Universität, die beispielswei-
14   diesjährigen documenta standen           se Besucherbefragungen in Athen
     der Geschäftsführerin dementspre-        durchführte, zusammengearbeitet.
     chend drei Millionen Euro aus dem
     Überschuss der documenta 13 zur          Von Anlaufschwierigkeiten in Athen
     Verfügung. Der gesamte Etat, be-         über Fragen der Evaluation einer
     stehend aus zusätzlichen 34 Milli-       Großausstellung - die Themen-
     onen Euro, musste zu 50 Prozent          spektren, mit denen sich die Ge-
     selbst erwirtschaftet werden. Der        schäftsführung der documenta
     Fehlbedarf wiederum wird durch           auseinandersetzen muss, sind viel-
     die Stadt Kassel, das Land Hessen        gestaltig. Für uns als angehende
     sowie die Kulturstiftung des Bundes      KulturmanagerInnen verlangt eine
     beigesteuert. Kulenkampff selbst         solche Position somit sicherlich den
     empfindet die Herausforderung,           Mut, sich immer wieder auch mit
     die Hälfte des Etats durch Eigen-        bislang unbekannten Herausfor-
     einnahmen abzudecken, als Zu-            derungen auseinanderzusetzen.
     mutung. In Athen hingegen dürften,
     der Geschäftsführerin zufolge, keine     von
     Einnahmen generiert werden. Dem-         Lena Fornal und Luisa Ban-
     entsprechend fließen die Eintrittsgel-   hardt
     der direkt in die Nutzung des EMST
     ein, ohne Gewinne zu erzeugen.

     Das Publikum der documenta
     Im Hinblick auf die Messung der
     Publikumsresonanz erläuterte Ku-
     lenkampff, dass in Kassel die Mög-
     lichkeit gegeben sei, die genauen
     Besucherzahlen zu erfassen, wäh-
„Ich bin doch kein Erklärbär!“
                                                           Gespräch mit Henriette Gallus
                                           Leiterin der Kommunikation der documenta 14

                                                  tung der Kommunikation.       nicht weiter ausgebaut worden sei.
                                                  Vor ihrer Anstellung bei
                                                  der documenta arbei-          In Gallus‘ Arbeit hat der Schutz der
                                                  tete Gallus als Lektorin.     Künstler oberste Priorität. So machte
                                                                                sie es sich unter anderem zur Auf-
                                                  Zu Beginn des Ge-             gabe, die Frustrationen der Künstler
                                                  sprächs betonte sie, dass     abzubauen, die bis dato schlech-
                                                  sie keine Kommunika-          te Erfahrungen mit der Presse ge-
                                                  tions- oder Marketing-        macht hatten. Um von den Medien
                                                  expertin im klassischen       so dargestellt zu werden, wie von
                                                  Sinne sei – ihre Arbeit       den Künstlern beabsichtigt, bot sie
                                                  sei stark inhaltlich ge-      ihnen eine intensive Begleitung an.
                                                  prägt. So erklärte sie        Gallus bewertet ihre Arbeit dann
                                                  auch, dass die Kommu-         als positiv, wenn die Künstler zu-
                                                  nikationsabteilung der        frieden seien, die Berichte nicht nur
                                                  documenta 14 keinen           auf Nationalität oder Geschlecht
                                                  Masterplan bereithalte.       abzielten und wenn sie über eine         15
                                                  Besonders tagesaktuelle       europäische Perspektive hinausgin-
                                                  Reaktionen seien wich-        gen. So sah Gallus beispielswei-
                                                  tig, da aufgrund aktueller    se einen Bericht in der Tagesschau
                                                  politischer Veränderun-       über Künstler aus Nigeria und Mali
                                                  gen, von denen auch           als einen bedeutenden Teilerfolg an.
                                                  teilweise die Künstler
                                                  betroffen seien, keine        Gallus weigerte sich, der Presse im
                                                  kontinuierliche Kommu-        Vorhinein eine Liste aller documen-
                                                  nikationsstrategie     ver-   ta-Künstler auszuhändigen – dies

D
        as Gespräch mit Henriette                 folgt werden könne. Die       steht paradigmatisch für ihre Arbeit.
        Gallus schloss sich direkt     Planung sei von einem kriselnden         In unserem Gespräch zeichnete sie
        an das mit Annette Kulen-      Europa begleitet worden, sodass          ein Bild von sich, das dem einer Be-
kampff an. Nachdem Gallus auf          oftmals vorher Festgelegtes revidiert    schützerin der Künstler gleichkam,
der documenta 13 die Position der      werden musste. Auch aus diesem           welche die gängigen Praktiken der
Pressesprecherin innegehabt hatte,     Grund könne die documenta 14             (Kunst-)Berichterstattung in Frage
übernahm sie in diesem Jahr die Lei-   keine einheitliche visuelle Kom-         stellte. Hierbei war es ihr wichtig,
                                       munikation vorweisen. Als Beispiel       die Fahne für jene hochzuhalten,
                                       nannte Gallus die graphische Ge-         die nicht die „luxuriöse“ Position in-
    Einen Masterplan                   staltung der Website: Die Linie auf      nehätten, sich gegen die Presse und
      hielt die Kommuni-               der Startseite hatte ursprünglich den    die Medien wehren zu können. Die-
                                       Weg von Kassel nach Athen sym-           sen Standpunkt vertrat sie mit großer
        kationsabteilung               bolisieren sollen. Eine Woche nach       Überzeugung und zitierte passgenau
           nicht bereit.               deren Veröffentlichung nahmen            Che Guevara: „400 Prozent for-
                                       die Flüchtlingszahlen dramatisch         dern, um 50 Prozent umzusetzen“.
                                       zu, und der Linienverlauf wurde          Nicht nur die Journalisten, sondern
                                       mit der Balkanroute in Verbindung        auch die Leser sollten sich intensiv
                                       gebracht, weshalb das Design             mit den Inhalten auseinandersetzen.
Die „listenbasierte“ Kommunikation        fachliches Niveau verfüge, wel-
     stelle für sie nur eine schnelle, ober-   ches man nicht unterschätzen solle.
     flächliche Befriedigung dar – einen       Dennoch räumte sie ein, ihr sei be-
     schnellen Kommunikationskapita-           wusst, dass die Besucherorientie-
     lismus, dem sie sich entgegenstelle.      rung im Hinblick auf vermittelnde
     Gallus sagte, es sei ihr wichtig, nicht   Momente teilweise zu kurz käme.
     nur als Dienstleisterin der Presse und    So waren beispielsweise die Werk-
     der Medien zu arbeiten, sie wolle         beschriftungen in den Ausstellungs-
     solch eine „Copy-and-paste-Repro-         räumen stark reduziert und gaben
     duzierbarkeit“ nicht unterstützen.        keinerlei Hintergrundinformationen
     Ausschließlich der Inhalt diktiere        preis. Dies sei, so Gallus, unter an-
     auf der documenta 14, was wann            derem einem Zeitmangel geschul-
     kommuniziert würde. Informationen         det. Vermitteln müssten ihrer Mei-
     würden erst dann herausgegeben,           nung nach ohnehin vielmehr die
     wenn ihrer und Adam Szymszyks             Kunstmagazine, da die Kapazitäten
     Meinung nach der richtige Zeit-           der Kommunikationsabteilung hier-
     punkt gekommen sei. Diese Art von         für nicht ausreichten. Aufgabe ihrer
     Kommunikationsarbeit stieß jedoch         Presseabteilung sei es, vor allem in
     von Seiten der Presse eher auf Un-        Problemfällen, schnell und kompe-
     verständnis, was Gallus in ihrem          tent zu kommunizieren, die Situation
     Arbeitsansatz wiederum bestätigte:        zu beruhigen und Lösungen anzubie-
     Gegen die schlechte Presse weh-           ten. Alles was darüber hinaus gehe,
                                               zähle nicht zu ihrem Aufgabenspek-
                                               trum: sie sei ja kein „Erklärbär“.
      Gallus meint, die
      Besucher der docu-                  Gallus hatte klare Ziele vor Augen:
16
      menta verfügten über                den Schutz der Künstler und ein Hin-
                                          terfragen der Zusammenarbeit von
      ein nicht zu unterschät-            Presseabteilungen und den Medi-
      zendes fachliches und               en. Hierbei rückte die Vermittlungs-
      intellektuelles Niveau.             arbeit jedoch in den Hintergrund.
                                          Henriette Gallus‘ Ansätze wurden
                                          nicht nur in den Medien, sondern
     re sie sich und sie sei zu „bockig“,
                                          auch im Anschluss an das Gespräch
     um auf solche näher einzugehen.
                                          unter den Kulturmanagement-
     Der Inhalt diktiere und würde nicht
                                          Studierenden kontrovers diskutiert.
     zusätzlich für den Besucher „her-
     untergebrochen“. Schließlich war
                                          von Eva Weissmüller
     Gallus übrzeugt, dass der Besucher
     über ein hohes intellektuelles und
Die Ausstellungskoordination:
                                         Das Herzstück der documenta
                                                            Gespräch mit Kirsten Wandschneider
                                                                             und Tilmann Hatje

D
        as Gespräch mit den Lei-         ment an und wird gerne als „black       mit die Chance, ihre künstlerischen      17
        tern der Ausstellungskoordi-     box“ oder „Flaschenhals“ der do-        Ideen vorzustellen und einen der
        nation, Tilmann Hatje und        cumenta beschrieben, da hier alle       begehrten Ausstellerplätze auf der
Kirsten Wandschneider, fand zu           Fäden zusammenlaufen. Die Koor-         documenta zu erhalten. Während
Beginn in den Arbeitsräumen der          dination fungiert als Herzstück der     ihres Aufenthalts in Kassel werden
Abteilung Projektmanagement der          Kunstmesse und ist kurz vor Aus-        diese von der Assistenz der Kurato-
documenta 14 statt, einer zu Büro-       stellungseröffnung auf alle helfen-     ren und der Abteilung Ausstellungs-
räumen umgebauten und umgestal-          den Hände angewiesen. In dieser         management betreut und begleitet.
teten kleinen Sporthalle mit Bühne.      Zeit stehen die Telefone nicht mehr     Sind die Künstler für die documenta
Die Ausstellungskoordination ist         still, und die Ausstellungskoordina-    zugelassen, ist es ihnen in diesem
organisatorisch unter dem Kurator        tion befindet sich in der wichtigsten   Jahr freigestellt, selbst auszuwählen,
angesiedelt und kümmert sich vor         Phase ihrer Arbeit. So ist eine der     in welcher der beiden documen-
allem um die Künstler und deren          wesentlichen Aufgaben im Projekt-       ta-Städte sie ausstellen möchten.
Wünsche. Da, von der Verwaltung          management zu Beginn der Pla-
im Fridericianum Kassel abgese-          nung die Ausschreibung und das          Eine weitere Aufgabe der Ausstel-
hen, jede verwaltende und orga-                                                  lungskoordination beinhaltet die
nisierende Einheit der documenta          Die berufliche Zukunft                 Kostenkontrolle, das Budgeting und
alle fünf Jahre neu erstellt wird, ist    der beiden Projektma-                  die „bad cop“-Rolle des Entschei-
nicht nur die Ausstellungskoordina-                                              dens über die Höhe der finanziel-
tion von einem sehr schnelllebigen
                                          nager nach der docu-                   len Unterstützung einzelner Künstler
Personaleinsatz geprägt. Mitarbeiter      menta steht noch in                    und Werke. Diese Aufgabe lässt sich
kommen und Mitarbeiter gehen,             den Sternen.                           nicht vermeiden. Oft bekommen die
welche berufliche Zukunft nach der                                               Koordinatoren daher die Betitelung
documenta auf die Projektmanager    Einholen von Künstlerangeboten.              des „Nein-Sagers“ zu hören, doch
wartet, steht noch in den Sternen.  Am Anfang müssen hierzu 150                  auch einer weltweit bekannten Aus-
                                    Künstler aus aller Welt eingeladen           stellung wie der documenta steht nur
Die Ausstellungskoordination glie- werden. Diese vom Kuratorenteam               ein begrenztes Budget zur Verfügung.
dert sich an das Exhibition depart- ausgewählten Künstler haben so-
Die Künstler der documenta werden
     ausschließlich mit Geldern aus dem
     „pool-funding“ unterstützt; es erfolgt
     keinerlei Hilfe durch private Gelder.
     Dies kann sich häufig als schwierig
     herausstellen, da Herr Tilman Hat-
     je und Frau Kirsten Wandschneider
     oftmals erst sehr spät erfahren, wie
     der Künstler sein Werk gerne um-
     setzen möchte, und welche Res-
     sourcen dafür benötigt werden.

     Während des Gesprächs lässt sich         rem Aufgabenbereich vorgestellt.
     immer wieder feststellen, dass Zeit
     ein wichtiger Faktor ist. Die Künst-     Die Arbeitsatmosphäre wirkt ge-
     ler versorgen ihre Auftraggeber oft-     schäftig und locker zugleich, die
     mals viel zu spät mit Informationen,     jungen Mitarbeiter duzen sich. Ähn-
     wodurch eine direkte Budgetrech-         lich locker und gleichzeitig wenig
     nung kaum möglich ist. Nach Herrn        strukturiert verläuft auch das Ge-
     Hatje handelt es sich hier in jedem      spräch mit den beiden Projektmana-
     einzelnen Fall um einen Entwick-         gern, weshalb es den angehenden
     lungsprozess, während erste Kalku-       Kulturmanagern zeitweise schwer-
     lationen anfangs oft noch aus dem        fällt, einen umfassenden Über-
     Bauch heraus geschätzt werden.           blick über die Struktur der Ausstel-
     Herrn Hatjes weitere Aufgaben um-        lungskoordination zu bekommen.
     fassen die Umsetzung sämtlicher
18   Medieninstallationen der Spielstät-      von Johanna Grohmann

      Die Ausstellungskoor-
      dination entscheidet,
      welcher Künstler wie-
      viel finanzielle Unter-
      stützung erhält.
     ten in Kassel und Athen, die Budget-
     kontrolle, die technische Umsetzung
     und eine dauernde Rücksprache
     mit allen einbezogenen Künstlern,
     Assistenten, Mitarbeitern und dem
     Kurator. Die Zusammenarbeit und
     der Austausch von Datenmateri-
     al verläuft weitgehend über Drop-
     box und Filemaker, während auch
     persönliche Besuche stattfinden
     und so ein direkter Draht zu den
     Künstlern geschaffen werden kann.

     Im Laufe des Gesprächs hu-
     schen immer wieder Mitarbeiter
     durch das Bild, werden von Herrn
     Hatje und Frau Wandschnei-
     der kurz aufgehalten und in ih-
19

Mittwoch, 14. Juni
In einem Märchenland
vor unserer Zeit
Gespräch mit Susanne Völker,
Geschäftsführerin der Grimmwelt Kassel

20

     E
            s war einmal ein warmer sonni- den Märchen. Die Ausstellung ver-      sprache und fünf Dialekten erzäh-
            ger Tag in einer Stadt irgendwo eint damit das Bild der Grimms als    len lassen und vieles mehr. Auch
            in der Mitte Deutschlands… „Märchenonkels“ mit ihrem politi-          persönliche Gegenstände aus dem
                                            schen Engagement. Trotzdem kann       Leben der Gebrüder Grimm kön-
     Nach dem Frühstück machte sich in der Kasseler Grimmwelt nur ein             nen begutachtet werden. Die Aus-
     eine Gruppe abenteuerlustiger Stu- kleiner Teil des Grimm’schen Nach-        stellung bietet viel Interessantes und
     dierender mit zwei ebenso abenteu- lasses ausgestellt werden. Für For-       allerlei Kurioses, das in der Kürze
     erlustigen Begleitern auf den Weg scher ist deshalb die Grimmwelt            der Zeit leider nicht alles eingehend
     durch den Stadtdschungel. Nach oftmals die erste Anlaufstelle. Von           wahrgenommen werden konnte,
     einem kurzen Spaziergang erreich- dort werden sie je nach Forschungs-        denn ein weiterer Termin rief bereits.
     ten sie die Kasseler Grimmwelt. Dort gegenstand und -schwerpunkt von
     tauchten sie im Untergeschoss des den Mitarbeitern weitervermittelt.         Die Verabredung mit Susanne
     Hauses in die Welt der Gebrüder                                              Völker, der Geschäftsführerin der
     Grimm ein. Gleich zu Beginn der                                              Grimmwelt, führte auf die Dachter-
     Ausstellung fand man sich inmit-         Die Ausstellung bietet              rasse des Gebäudes. Bei strahlen-
     ten des Grimm’schen Wörterbuchs          viel Interessantes und              dem Sonnenschein konnte man weit
     wieder. Das Wörterbuch war der           allerlei Kurioses.                  in das Umland schauen, bevor wir
     Schwerpunkt Jacob Grimms, der                                                uns dem interessanten Gespräch
     sich selbst eher als Wissenschaftler Der zweite Teil der Ausstellung steht   in lockerer Atmosphäre widmeten.
     und Forscher sah und dessen Lei- ganz im Zeichen der Märchen. Man            Frau Völker bestätigte den Eindruck,
     denschaft der Ordnung sowie der kann selbst durch den Märchenwald            dass man in der Ausstellung viel Zeit
     Grammatik der deutschen Sprache irren, sich ganz der Umsetzung in            verbringen konnte. Nach eigenen
     galt. Wilhelm Grimm dagegen wid- Filmen hingeben, sich Rumpelstilz-          Erhebungen ist die Verweildauer in
     mete sich mehr seiner Leidenschaft, chen in 22 Sprachen, Gebärden-           der Grimmwelt überdurchschnitt-
so hat auch noch die Umgebung,          für die Grimmwelt schwieriger zu er-
                                        durch Verschönerungsmaßnahmen,          reichen ist. Aber auch die wechseln-
                                        von dem Großprojekt profitiert. Die     den Sonderausstellungen und eine
                                        Bauzeit war auf zwei Jahre angesetzt    so spannend konzipierte Daueraus-
                                        und wieder geschieht etwas Sonder-      stellung, dass sich ein mehrfacher
                                        bares, nach genau zwei Jahren und       Besuch lohnt, schaffen es, Besu-
                                        einem Tag Bauzeit wird die Grimm-       cher zu generieren und zu binden.
                                        welt am 04.09.2015 eröffnet.
                                                                                Ganz im Sinne der Gebrüder
                                                                                Grimm, den Erfindern des guten En-
                                         Nach eigenen Er-                       des, denn ein Märchen hat ein gu-
                                         hebungen ist die                       tes und gerechtes Ende, allerdings
                                         Verweildauer in der                    erst seit den Grimms. Sie führten
                                                                                auch die Kinder als Protagonisten
                                         Grimmwelt über-                        ein, die heldenhaft allen möglichen
                                         durchschnittlich hoch.                 Gefahren entgehen. Die Zeiten ha-
                                                                                ben sich etwas geändert, die klas-
lich hoch. Die Dauerausstellung                                                 sischen Bedrohungen sind mittler-
ist für Alt und Jung konzipiert, vie-   Da fragt man sich doch, ob nicht ein    weile weder der böse Wolf noch die
le Familien verbringen eine span-       wenig Magie im Spiel war… sicher        Stiefmutter, doch die Besucher der
nende Zeit hier und tauschen sich       kann man sich dessen nicht sein,        Grimmwelt genießen es nach wie
über ihre Lieblingsmärchen aus.         doch es trug sich noch eine weite-      vor, sich in die geheimnisvolle Welt
Die Grimmwelt stellt das Werk der       re Zauberhaftigkeit zu. Für das erste   der Märchenfiguren zu verlieren…
Gebrüder in den Vordergrund. Die        Jahr wurde mit einer Mindestanzahl
Besucher sollen nicht mit Informati-    von 80.000 Besuchern gerechnet,          … und wenn sie nicht geschlossen
onen erschlagen werden, sondern         dieses Ziel wurde bereits ein halbes    ist, so kann man die Grimmwelt
es werden Anreize geschaffen, sich      Jahr nach der Eröffnung erreicht und    Kassel noch heute besuchen.            21
mit den verschiedenen Inhalten zu       bis zum Ende des Planjahres hatten
befassen. Aus diesem Grund soll-        mehr als 160.000 Menschen die           von Jutta Drygall und
te auch die Bezeichnung Museum          Ausstellung besucht. Nicht ganz so      Katharina Würgau
für diesen Ausstellungsort nicht ver-   erfolgreich wie das erste Jahr, aber
wendet werden. Stattdessen hat die      doch sehr zufriedenstellend gestal-
Stadt einen Namenswettbewerb            ten sich die Besucherzahlen bis zum
ausgeschrieben - der ursprüngliche      heutigen Tage. Von großem Vorteil
Arbeitstitel „Grimmwelt“ hatte die      ist, dass die Grimmwelt auch ein do-
Kassler Bürger so begeistert, dass      cumenta-Standort ist, so wird eine
der häufigste Vorschlag „Grimm-         Gruppe als Besucher gewonnen, die
welt Kassel“ übernommen wurde.

Und wie es sich für ein Gebäude
aus der Märchenwelt gehört, trugen
sich bei dem Bau der Grimmwelt
einige fantastische, fast schon un-
glaubliche Geschehnisse zu. Das
Gesamtprojekt wurde mit zwanzig
Millionen Euro Budget großzügig
veranschlagt. Für den Bau des Ge-
bäudes wurden ziemlich genau zwölf
Millionen Euro benötigt und für die
Planung und Umsetzung der Ausstel-
lung sechs Millionen Euro. Das Bud-
get wurde tatsächlich um circa zwei
Millionen Euro unterschritten und
22
23
N
                                                             och heute ist die nordhes-
                                                             sische Stadt Kassel geprägt
                                                             von den Hinterlassenschaf-
                                                    ten der früheren Kurfürsten. Neben
                                                    den Errungenschaften aus ihrer
                                                    Sammelleidenschaft, welche sich in
                                                    den verschiedenen Museen der Stadt
                                                    bewundern lassen, taten sich die
                                                    Fürsten vor allem auch als Bauher-
                                                    ren und Landschaftsplaner, unter an-
                                                    derem für das Schloss und den Park
                                                    Wilhelmshöhe, hervor. Dass diese
                                                    auch heute noch durch Bewohner
                                                    und Besucher aus der ganzen Welt
                                                    bewundert werden können, ist ei-
                                                    nem, im Jahr 2005 durch das Hes-
                                                    sische Ministerium für Wissenschaft
                                                    und Kunst erdachten, „museologi-
                                                    schen Masterplan“ zu verdanken.
                                                    Ausschlaggebend für diesen Plan
                                                    war das Vorhaben, die zu diesem
                                                    Zeitpunkt noch bestehenden Kriegs-
                                                    schäden an den historischen Hin-
                                                    terlassenschaften zu beseitigen und
                                                    die Museumslandschaft Kassels neu
                                                    zu ordnen. Die darin enthaltenen
24                                                  Maßnahmen umfassen einen ganz-
                                                    heitlichen Plan, nach dem die Bau-
                                                    denkmäler unter architektonischen,
                                                    denkmalpflegerischen und techni-
                                                    schen Gesichtspunkten mit ihren
                                                    museologischen Sammlungen sowie
                                                    den sie umgebenden Parkanlagen
                                                    zu einer Einheit zusammengeführt
                                                    werden sollen. Im Zuge dessen wur-
                                                    den der Bergpark und das Schloss
                                                    Wilhelmshöhe unter dem thema-
                                                    tischen Schwerpunkt „Fürstlicher
                                                    Kosmos“ als Ensemble konstruiert.
                                                    Für das ab 2005 auf 10 Jahre ange-
                                                    legte Projekt stellte die Landesregie-
                                                    rung 200 Millionen Euro bereit. Ein
                                                    Jahr darauf folgte dann die Zusam-
                                                    menführung der Staatlichen Museen

Auf den Spuren von Herkules -
Welterbemanagement im Bergpark Wilhelmshöhe
 Gespräch mit dem Direktor Prof. Dr. Bernd Küster
Kassel mit den historischen Garten-     23. Juni 2013 vom Welter-
anlagen, welche bis dahin unter der     bekomitee der UNESCO als
Verwaltung der Schlösser und Gär-       Weltkulturerbe       anerkannt.
ten Hessen in Bad Homburg stand.        Der Anmeldeprozess zum
Die neugegründete Dachorganisati-       Weltkulturerbe, der bereits
on, die „Museumslandschaft Hessen       2006 begann, wurde, so
Kassel“ (mhk) ermöglicht eine direk-    Küster, von einem breit zu-
te Verwaltung vor Ort, im Schloss       sammengestellten         Team,
Wilhelmshöhe, und übernimmt den         hauptsächlich aus den Berei-
organisatorischen Ablauf sämtlicher     chen Marketing, Presse und
Aktivitäten der Museumslandschaft.      Öffentlichkeitsarbeit begleitet.
                                        Erstaunlich ist dabei, dass für
 Für das auf zehn                       den Antrag und das Marketing
                                        keine zusätzlichen Mittel zur
 Jahre angelegte Pro-                   Verfügung standen, sondern
 jekt stellte die Landes-               diese vielmehr aus dem Bud-
 regierung 200 Millio-                  get des ‚mhk‘ akquiriert wur-
                                        den. Küster bezifferte in unse-
 nen Euro bereit.                       rem Gespräch die Kosten auf
Im Gespräch mit dem Direktor der        ungefähr 100.000 Euro. Auch
                                        das Personal begleitete den Prozess     durch das Welterbekomitee gehör-
Museumslandschaft Hessen Kas-
                                        aus dem laufenden Betrieb heraus.       te. Dieses schrieb dann einen Be-
sel, Prof. Dr. Bernd Küster, ging es
                                        Der opulente Antrag wurde schon         richt, der neben Bildmaterial und
vor allem um den Anmeldepro-
                                        während der Bewerbung als sehr          dem schon erwähnten dreiminüti-
zess des Bergparks Wilhelmshöhe
                                        professionell wahrgenommen, da          gen Nominierungsfilm in die end-
zum Weltkulturerbe, die folgende
                                        er unter anderem einen Manage-          gültige Entscheidungsrunde einging.
Nominierung 2013 sowie um die                                                                                           25
Folgen und Herausforderungen in         mentplan enthielt. Neben diesem
                                        trug vor allem ein Nominierungsfilm,    In dem vorgelegten Film des Berg-
der Funktion als Weltkulturerbe.
                                        der uns während des Gesprächs mit       parks wird das Ensemble der baro-
                                        den Verantwortlichen des Bergparks      cken Wasserspiele sowie die über
Das Ensemble des Kulturbezirks
                                        auch vorgeführt wurde, maßgeblich       Jahrhunderte hinweg funktionie-
Bergpark Wilhelmshöhe gehört zu
                                        zum Erfolg bei. Bei der Antragsstel-    rende Ingenieurstechnik, die nötig
den Highlights Kassels. Dieses Ge-
                                        lung standen das Wasser und somit       ist, um dieses Schauspiel in Gang
samtkunstwerk, bestehend aus ba-
                                        die Wassertechnik des Bergparks         zu bringen, anschaulich dargestellt.
rockem Schloss mit Gartenanlage,
                                        als Themengebiete im Vordergrund.       Zudem wird auch die 8,30 Meter
entstand im ausgehenden 17. Jahr-
                                        Hierbei wurde vor allem die histo-      hohe Herkulesfigur, die 1713-1717
hundert unter Landgraf Karl (1654-
                                        rische Komponente der Einzigartig-      als eine der ersten kupfernen Mo-
1730). Nach italienischem Vorbild
                                        keit der technischen Innovationen       numentalstatuen weltweit geschaf-
ließ er eine barocke Gartenanlage
                                        des Fürsten hervorgehoben. Dieser       fen wurde, präsentiert. Sie steht auf
mit Wasserkunst errichten und ver-
                                        entwarf zu seinen Lebzeiten, entge-     einem Grottenbau, welcher den
anlasste den Bau des Wahrzeichens
                                        gen jedweden politischen und stan-      Ausgangspunkt für die 12 Kilome-
der Stadt, den Herkules. Im späten
                                        desgemäßen Vorschriften, mit dem        ter langen Wasserläufe, zahlrei-
18. Jahrhundert wurde die Garten-
                                        Herkules, den Wasserspielen und         che Wasserfälle und Teiche bildet,
anlage nach englischem Vorbild un-
                                        der barocken Sichtachse auf die         welche schließlich in einer rund 50
ter Kurfürst Wilhelm I. (1743-1821)
                                        Stadt etwas Unvergleichbares, was       Meter hohen Fontäne oberhalb
zu einem großen Landschaftspark
                                        als Vorbild für die Gestalter in ganz   des Schlosses Wilhelmshöhe mün-
mit Philosophenweg, einem chine-
                                        Europa gelten sollte. Nachdem das       den. Dieses Gebäude entstand im
sischen Pavillon und Wasserfällen
                                        Konzept für die Anmeldung zum           Jahr 1786 und beherbergt heute
erweitert. Außerdem entstanden zu
                                        Weltkulturerbe durch das ‚mhk‘          die Gemäldegalerie „Alte Meister“.
dieser Zeit das Schloss Wilhelms-
                                        bei der UNESCO vorgelegt wurde,         Vom Herkules ausgehend eröffnen
höhe im klassizistischen Stil und die
                                        folgte ein Entscheidungsprozess,        die Wasserspiele eine Zentrala-
abseits gelegene Löwenburg im Stil
                                        zu dem, nach positiver Bewertung        chse, die über die Wilhelmshö-
der Romantik. Das heute 560 Hek-
                                        des Konzeptes, eine Begutachtung        herallee bis zur Innenstadt Kassel
tar umfassende Gelände wurde am
als Sichtachse angelegt wurde.          weisung wichtiger Sehenswürdig-
     Auf die Frage, ob die Nominie-          keiten ein Geländeplan vom Berg-
     rung zum Weltkulturerbe seinen          park entworfen. Im Bergpark selbst
     Arbeitsalltag maßgeblich verän-         wurde die Beschilderung ausgebaut
     dert habe, antwortete Herr Prof.        sowie das Personal im Bereich Be-
     Dr. Küster mit dem Fazit, dass es       sucherservice und Parkaufsicht auf-
     durch die Kontrollmechanismen           gestockt. Diese Maßnahme war vor
     zum einen anstrengender gewor-          allem notwendig, da die Besucher
     den sei, es zum anderen aufgrund        die zahlreichen Vorabinformatio-
     leichterer Reputation aber auch         nen über das Internet oder über
     angenehmer wurde. Neben mehr            Broschüren nicht in ausreichendem
     Besuchern und mehr Geld sehe er         Maße nutzten und so zum Beispiel
     den wesentlichen Gewinn aus der         ratlos oder enttäuscht seien, wenn
     Nominierung vor allem darin, dass       sie das nur zu bestimmten Zeiten an-
     das Ensemble mit der Ernennung          gebotene Spektakel der Wasserspie-
     dauerhaft unter Schutz gestellt sei     le verpassten. Um ein offenes Ohr        Kooperation, um für das Welterbe
     und keine „Basiskämpfe“ mehr ge-        für diese Anliegen anzubieten, wur-      eine einheitliche Kommunikation
     führt werden müssten. Den Bergpark      de extra ein Beschwerdemanage-           und Angebotspalette zu gewähr-
     bezeichnet Küster als „einen der        ment für den Bergpark eingerichtet.      leisten. So wird beispielsweise ein
     schönsten Arbeitsplätze der Welt.“                                               Bergparkticket für Hotels angebo-
                                             In Hinblick auf Inklusionsangebote       ten, welches den Eintritt ins Museum
     Cornelia Ziegler, die für das Mar-      für Menschen mit Gehbehinderun-          Schloss Wilhelmshöhe und in den
     keting der ‚mhk‘ zuständig ist, hob     gen existiert nun ein Shuttleservice     Herkules mit einem Nahverkehrs-
     vor allem die starke Befürwortung       im Bergpark, außerdem wurde das          angebot und der Übernachtung
     der Bewerbung in der Region her-        Schloss Wilhelmshöhe mit dem Zer-        als ein Paket verknüpft. In Hinblick
     vor und nannte als Ziel, dass diese     tifikat von „Reisen für Alle“ als bar-   auf die gemeinsame, einheitliche
26   Begeisterung aufrecht gehalten wer-     rierefreie Institution ausgezeichnet.    Kommunikation gibt es von der
     den solle. Erfreut zeigte sie sich in   Gemeinsam mit dem Fraunhofer-            UNESCO sogar explizite Vorgaben,
     unserem Gespräch über die hohen         Institut und der Universität Kassel      zum Beispiel darf das Welterbe-
     Besucherzahlen nach der Ernen-          entstand darüber hinaus die Idee         Label nicht im Titel des Bergparks
     nung zum Weltkulturerbe, die sich       für ein Elektromobil, welches Geh-       verwendet werden. Auch im Bereich
     zu Beginn verdreifacht haben. Sie       und Geistigbehinderten das Erlebnis      von Sonderveranstaltungen und
     wies aber auch auf neue Herausfor-      Bergpark näherbringen kann, aller-       Führungen arbeiten die beiden In-
     derungen, Nachbesserungen und           dings bedarf es nun noch einer Fir-      stitutionen zusammen, um den na-
     Maßnahmen hin, die mit diesen Ent-      ma, die dieses Fahrzeug produziert.      tionalen und internationalen Markt
     wicklungen getätigt werden muss-                                                 qualitätsvoll bedienen zu können.
     ten. So wurde seitdem beispielsweise    Auch zwischen der Tourismus GmbH
     zur besseren Orientierung und Aus-      Kassel und dem ‚mhk‘ besteht eine        Für die Politik gilt der Bergpark als
                                                                                                  Imageträger für Stadt
                                                                                                  und Land und als solide
                                                                                                  wirtschaftliche Einnah-
                                                                                                  mequelle. Er steigert
                                                                                                  die Besucherzahlen der
                                                                                                  Stadt und somit auch
                                                                                                  ihre Einnahmen. Dar-
                                                                                                 über hinaus erhält die
                                                                                                 Stadt Förderungen vom
                                                                                                 Bund im Zuge der Städ-
                                                                                                 teförderung für Welt-
                                                                                                 erbestätten. Diese wird
                                                                                                 vom gemeinsamen Trä-
                                                                                                 ger des Parks, der Stadt
                                                                                                 Kassel und dem Land
Hessen, als willkommen und not-
wendig angesehen, denn die Gewin-
ne, die ein Weltkulturerbe einspielt,
müssen gleichermaßen in den ge-
steigerten Aufwand, den Erhalt und
die Nachhaltigkeit dieses besonde-
ren Kulturgutes eingespeist werden.

Für die Politik gilt der
Bergpark als Image-
träger für Stadt und
Land und als solide
wirtschaftliche
Einnahmequelle.
Sowohl Herr Prof. Dr. Küster als
auch Frau Ziegler sind laut eige-
nen Aussagen froh darüber, diesen
Welterbeprozess begleitet zu haben
und noch weiter begleiten zu dür-
fen, da er zwar großes Engagement
abforderte aber ebenso von vie-
len neuen, spannenden Erfahrun-
gen, Herausforderungen und Be-
gegnungen begleitet gewesen sei.        27

von Nicole Görner
und Sarah Schuhbauer
Ein Streifzug durch den Bergpark Wilhelmshöhe
     mit Ekkehard Jürgens

28

     B
             ei strahlendem Sonnenschein     Einfluss der englischen Gartenkunst   tius (auch Grabmal des Homer
             tönen die Hörner der zwei       im 18. Jahrhundert entstanden. Ein    genannt), die der weißen Cestius-
             mythologischen Figuren des      mit einem Gitter versehener Gang      Pyramide in Rom nachempfunden
     „Faun“ und des „Zentaur“ durch          im Fels, dem wohl kaum ein Spa-       ist. Vorbei an der Eremitage des
     den Bergpark Wilhelmshöhe. Vom          ziergänger auch nur einen Blick       Sokrates, die wie ein Kulissenhäus-
     Schloss Wilhelmshöhe aus ist vom        schenkt, ist heute einsturzgefähr-    chen das Ende einer Baumschnei-
     Rest der Wasserspiele, die sich durch   det, früher hat den Besucher je-      se bildet, tosen die Wassermassen
     den Park schlängeln, noch nichts zu     doch am Ende der Sybillen-Grotte      unter der Teufelsbrücke hindurch in
     erkennen. Anders als die regulären                                            den Höllenteich. Einem Alpenpano-
     Führungen durch den Park stehen          Ekkehard Jürgens                     rama nachempfunden, bricht sich
     bei unserer Führung mit Ekkehard         führt uns über teilwei-              das wilde Wasser ungezähmt seinen
     Jürgens, ehemaligem Lehrenden am                                              Weg über die Felsen bevor es sich
     Institut für Kulturmanagement, nicht     se versteckte schmale                weiter durch den Park schlängelt
     die Stationen der Wasserkünste aus       Pfade zu einzelnen                   und wieder zwischen den Bäumen
     den verschiedenen Gartenbauepo-          eher unscheinbaren                   verschwindet. Von der Teufelsbrücke
     chen im Fokus. Ekkehard Jürgens                                               aus sind es nur ein paar Schritte bis
     führt uns über teilweise versteckte      Objekten die abseits                 zur Plutogrotte, die den Eingang zur
     schmale Pfade zu einzelnen eher un-      der ausgetretenen                    Unterwelt darstellt. Die Grotte liegt
     scheinbaren Objekten, die abseits        Wege liegen.                         auf der Mittelachse des Parks, die
     der ausgetretenen Wege liegen.                                                den oberen barocken Teil mit dem
                                             ein Standbild der Sybille erwartet.   Herkules an seiner Spitze über das
     Im Tal der Philosophen machen wir       Auf einer kleinen Lichtung, die nur   Schloss Wilhelmshöhe und die Wil-
     Halt an einigen der Szene-Bauten,       hangaufwärts über einen kleinen       helmshöher Allee mit der Innenstadt
     die unter der Herrschaft des Land-      Trampelpfad zu erreichen ist, be-     verbindet. Gerade rechtzeitig dort
     grafen Friedrich II. und unter dem      findet sich die Pyramide des Ces-     angekommen, können wir noch
den Abschluss der Wasserspiele im
vor dem Schloss gelegenen Fontä-
nenteich beobachten. In einer 50
Meter hohen Fontäne schießt das
Wasser in Form eines Isländischen
Geysirs in die Höhe und greift so
das Naturthema der englischen
Gartengestaltung wieder auf. Bei
einem Blick den Berg hinauf zeigen
sich die barocken Wasserspiele mit
dem Herkules, die unter dem itali-
enischen und französischen Einfluss
der Gartengestaltung entstanden
sind und entgegengesetzt zu den
Bestrebungen der englischen Land-
schaftsgestaltung die Beherrschung
der Naturgewalt des Wassers durch
den Menschen betonen. Unsere
nächste Station auf dem Streifzug
durch den unteren Abschnitt des
Bergparks ist das Aquädukt, das
genau diese Naturgewalt thema-
tisiert, indem das Wasser von der
zerstörten Wasserleitung in die Tiefe
stürzt. Leider sind die Wasserspiele
schon zu Ende, sodass wir nur noch
ein leichtes Tröpfeln beobachten        29
können. Dafür treffen wir auf einen
anderen Liebhaber Kassels und der
Wasserspiele – den Waschbären.
Zurück am Schloss und fast schon auf
dem Sprung in den Zug nach Müns-
ter machen wir noch einen kleinen
Abstecher vorbei an den Staffage-
Bauten des chinesischen Dorfs „Mu-
lang“ hinunter zum Lac, dem See
unterhalb des Schlosses, in den das
Wasser der Wasserspiele mündet.

von Henrike Nebel
30
Donnerstag, 15. Juni

                       31
Vom Aasee bis zum Prinzipalmarkt
     Eine klassische Stadtführung durch Münster

     S  tation A:
        Jugendherberge am Aasee
     Der erste Tag in Münster beginnt
     sonnig vor unserer zweiten Ju-
     gendherberge für diese Woche.
     Wir werden von unserem heutigen
     Stadt- und Skulpturenausstellungs-
     Führer Klaus Woestmann begrüßt
     und erhalten erste Informationen zu
     den Hintergründen des künstlich an-
     gelegten Aasees. Dieser wurde nach
     einer langen Planungsphase, seit
     1888, 1934 fertiggestellt. Er dient
     vor allem als Überschwemmungs-
     schutz und über ihn wird die Stadt
     belüftet und temperiert.

     Außerdem ist Münster als Fahrrad-
32   stadt berühmt und berüchtigt. Fast
     40 % aller Fahrten finden hier mit
     dem Fahrrad statt, was auch die ca.
     500.000 Fahrräder in der Stadt er-
     klärt. Damit diese alle Platz finden,
     gibt es am Bahnhof ein Fahrrad-
     parkhaus mit 3.500 Parkplätzen und
     wenn der neue Bahnhof eröffnet
     wird, kommen noch einmal 2.500
     dazu. Wobei die Parkplatzzahlen,
     die uns unser Stadtführer gibt, wohl
     doch nicht wirklich die Masse an
     Fahrrädern beherbergen können.

     Bevor es losgeht, bekommen wir          Poolballs“ sind drei riesige Billard-    Stadtführer, dass die Stadt generell
     noch die Eckdaten der Skulpturen-       Kugeln, die Claes Oldenburg 1977         für die Ausstellung aufgeräumt und
     ausstellung: Seit 1977 findet sie       für die ersten Skulptur Projekte in      hergerichtet wurde.
     alle zehn Jahre statt, jeder Künstler   Münster geschaffen hat. Der 1929
     darf sich seinen Platz aussuchen        in Stockholm geborene Künstler fer-      Station C: „Entente Florale“ zu
     und nach drei Monaten werden in         tigte die Kugeln mit einem Durch-        „Münster bekennt Farbe“
     der Regel alle Kunstwerke wieder        messer von dreieinhalb Metern aus        Einen kurzen Zwischenstopp ma-
     abgebaut, außer die Stadt kauft ein     Beton. Ursprünglich war sogar ein        chen wir an der Promenade von
     Kunstwerk an.                           ganzes Billardspiel rund um den          Münster. Nachdem die Stadtmauern
                                             Aasee angedacht. Dieses Kunst-           1764 abgetragen wurden, befindet
     Station B: „Giant Poolballs“            werk wurde extra für die diesjährige     sich dort heute die sogenannte Fahr-
     Und schon sind wir an einem ers-        Skulpturenausstellung     restauriert,   radautobahn. Die Grünflächenun-
     ten Überbleibsel der Skulpturenaus-     denn normal seien diese Kugeln im-       terhaltung rund um die Promenade
     stellung angekommen. Die „Giant         mer beschmiert. Auch meint unser         ist Teil der Kampagne „Münster be-
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