Welterbe Olympiapark Stadtratshearing der Landeshauptstadt München am 29. November 2017 - muenchen.de
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Lokalbaukommission | Denkmalschutz Welterbe Olympiapark Stadtratshearing der Landeshauptstadt München am 29. November 2017
Impressum Hearing Welterbe Olympiapark am 29. November 2017 Herausgeber: Landeshauptstadt München, Referat für Stadtplanung und Bauordnung Sitzungsprotokoll: Direktorium-Stadtratsprotokolle, Frau Niedermayer, Herr Strzelczyk, Frau Bauert Dokumentation: Büro Baumeister, München Fotos: LH München, Michael Nagy, Leonie Baumeister, Ewald Glesmann, Benjamin Schmidt (Hearing) Grafik: Studio Rio, München Druck: RT Reprotechnik.de GmbH, München München, Januar 2018
Inhalt Hearing Welterbe Olympiapark am 29. November 2017 Vorwort 4 Statements und Diskussion 25 Christine Strobl, Dritte Bürgermeisterin der Landeshauptstadt München Dr. Andreas Baur, Ministerialrat, Leiter des 25 Referats für Denkmalschutz und Denkmalpflege im Bayerischen Staatsministerium für Bildung Anlass und Zielsetzung 5 und Kultus, Wissenschaft und Kunst Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk, Stadtbaurätin der Landeshauptstadt München Marion Schöne, Geschäftsführerin der Olympiapark 26 München GmbH Exkurs: Richtlinien für die Durchführung 6 Josef Schmid, Zweiter Bürgermeister 27 des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- der Landeshauptstadt München und Naturerbes der Welt Dr. Andreas Baur, Ministerialrat 27 Teilnehmende 7 Gert Pfafferodt, Verein „Aktion Welterbe 28 Olympiapark e. V.“ Begrüßung 8 Christine Strobl, Dritte Bürgermeisterin 29 der Landeshauptstadt München Josef Schmid, Zweiter Bürgermeister 8 der Landeshauptstadt München Jutta Koller, Stadträtin 30 Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk, Stadtbaurätin 10 Prof. Dipl.-Ing. Mathias Pfeil, Generalkonservator 30 der Landeshauptstadt München des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege Dr. Hans-Jochen Vogel, Altoberbürgermeister 12 Prof. Dipl.-Ing. Jörn Walter, ehemaliger Leiter 30 der Landeshauptstadt München der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, Hansestadt Hamburg Gründe für die Aufnahme des Olympiaparks 14 Dr. Hans-Jochen Vogel, Altoberbürgermeister 31 als Weltkulturerbe; Anforderung der UNESCO der Landeshauptstadt München Prof. Dipl.-Ing. Mathias Pfeil, Generalkonservator des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege Josef Schmid, Zweiter Bürgermeister 32 der Landeshauptstadt München Erfahrungen aus der deutschen Welterbe- 18 stadt Hamburg Stellungnahmen 33 Prof. Dipl.-Ing. Jörn Walter, ehemaliger Leiter der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, Hansestadt Hamburg Materialien der Landeshauptstadt 35 zum Olympiapark München Erfahrungen aus der deutschen Welterbe- 20 stadt Berlin Dr. Dagmar Tille, Leiterin der Obersten Denkmal schutzbehörde Berlin Weltkulturerbe Olympiapark 23 aus der Sicht von ICOMOS Prof. Dr. Michael Petzet, Ehrenpräsident des Internationalen Rates für Denkmalpflege (ICOMOS) 3
Vorwort Liebe Bürgerinnen und Bürger, jeden Tag fällt am Morgen mein erster Blick auf den Olympiapark. Für mich ist der Park ein wichtiger Teil meiner Heimatstadt München. Er gehört zur Stadt, wie die Frauenkirche oder der Englische Garten. Was ihn so einzigartig macht, ist unter anderem die integrale Verbindung von Landschaft und Architektur, die „Archi- tekturlandschaft“, die für die Olympischen Spiele 1972 in genialer Art und Weise geschaffen wurde. Es gilt, dieses Erbe als lebendigen Park zu bewahren und weiterzuentwickeln. Für viele Münchnerinnen und Münchner ist der Park ein Ort der Erholung, des Sports und der Veranstaltungen. Die Sportnutzungen, die Frei- zeit- und Erholungsnutzungen entsprechen der Idee seiner Schöpfer, nämlich einen demokratischen Park für alle zu schaffen. Das immaterielle Erbe des Olympia- parks, der auf dem Schuttberg des zu 80 % zerstörten Münchens gebaut wurde, steht auch für die Überwin- dung von Terror und Zerstörung nach dem 2. Weltkrieg und für eine neue, freiheitliche Auffassung von Gesell- schaft und Demokratie. Sollte der Park in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen werden, bin ich überzeugt, dass das alle Beteiligten noch weiter motivieren wird, den Park und seine Bauwerke als kulturelles Erbe zu schützen und sensibel weiterzuentwickeln. Fast 50 Jahre nach seiner Entstehung ist der Olympiapark immer noch lebendig, von zeitloser Modernität und Schönheit, ja: Schönheit! Er ist und bleibt ein einzigartiger Ort, der die Reihe der UNESCO-Weltkulturerbestätten nur bereichern kann. Christine Strobl, Dritte Bürgermeisterin der Landeshauptstadt München 4
Anlass und Zielsetzung Hearing Welterbe Olympiapark am 29. November 2017 Der Münchner Olympiapark von 1972 steht für das nahezu kongeniale Miteinander von Architektur, Land- schaftsarchitektur und Public Design. Er wurde in der Intention realisiert, ein neues demokratisches Deutsch- land zu repräsentieren und bildete die Bühne für die XX. Olympischen Spiele mit dem Leitmotiv „heiteres Fest der Musen und des Sports“. Die Urheber des Olympiaparks, insbesondere Günter Behnisch und Günther Grzimek, stellten in jeder Pla- nungsebene – vom Städtebau bis zur Detailausformung – den menschlichen Maßstab in den Vordergrund. Die gewaltigen Dimensionen der Sportstätten wurden ohne jegliche monumentale Wirkung derart geschickt mit der neu gestalteten Parklandschaft verwoben, dass ein ein- zigartiges bauliches und landschaftliches Ensemble von außergewöhnlicher Raffinesse und gleichzeitig großer Klarheit entstand. Der Kernbereich des Olympiaparks mit seinen Sportstätten ist von allerhöchster architektoni- scher Qualität. Seine Bauwerke sind beispielhafte Doku- mente der europäischen Baukultur des 20. Jahrhunderts. Seit Jahren wird in der Fachwelt und Öffentlichkeit an- geregt, den Olympiapark in die Liste des UNESCO-Welt- kulturerbes aufzunehmen. Allen voran die Initiativen des Vereins „Aktion Welterbe Olympiapark e. V.“ und der her- ausragende Einsatz seines Schirmherrn, Herrn Altober- bürgermeister Dr. Hans-Jochen VogeI. Ebenso zu nennen ist die „Einwohner-Interessengemeinschaft Olympisches Dorf e. V.“, die sich sehr für eine Nominierung zur Auf- nahme in die UNESCO-Welterbeliste einsetzt. Der Olympiapark ist seit 1998 als Denkmalensemble und das Olympiastadion, die Olympiahalle, die Olympia- Schwimmhalle, der Fernsehturm sowie seit 2011 das Ökumenische Kirchenzentrum des Olympischen Dorfes als Einzelbaudenkmäler in die Denkmalliste aufgenom- men. Der Park mit seinen Bauten wird seit seiner Entste- hung intensiv genutzt, für zahlreiche Veranstaltungen und als offener Park für die Münchnerinnen und Münchner und die Besucher der Stadt. Ziel des Stadtratshearings ist die Klärung der Fragen, was bedeutet der Welterbetitel für München und welche Konsequenzen und möglichen Veränderungen entstehen mit dem Welterbetitel für die Weiterentwicklung des Olympiaparks. Die Beiträge der Referenten und der Mei- nungsaustausch sollen den Stadtrat in seinem Entschei- dungsprozess unterstützen. Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk, Stadtbaurätin der Landeshauptstadt München 5
Exkurs Richtlinien für die Durchführung außergewöhnlichem universellem Güter des Kultur- und Naturerbes wer- des Übereinkommens zum Schutz Wert und daher als des besonderen den in dem am 16. November 1972 des Kultur- und Naturerbes der Welt Schutzes gegen die ihnen immer von der UNESCO verabschiedeten stärker drohenden Gefahren würdig „Übereinkommen zum Schutz des Die „Richtlinien für die Durchführung betrachtet werden. Kultur- und Naturerbes der Welt“ de- des Übereinkommens zum Schutz finiert. Im Sinne dieses Übereinkom- des Kultur- und Naturerbes der Welt“ —— In dem Bemühen, nach Möglichkeit mens gelten gemäß Artikel 1 als (Richtlinien der UNESCO) der Organi- Erfassung, Schutz, Erhaltung und Kulturerbe: sation der Vereinten Nationen für Bil- Präsentation des Welterbes in ange- dung, Wissenschaft und Kultur und des messener Weise zu sichern, haben —— Denkmäler: Werke der Architektur, Zwischenstaatlichen Komitees für den die Mitgliedstaaten der UNESCO Großplastik und Monumental- Schutz des Kultur- und Naturerbes der 1972 das Welterbe-Übereinkommen malerei, Objekte oder Überreste Welt bilden die Grundlage aller Anfor- angenommen. Das Übereinkom- archäologischer Art, Inschriften, derungen und Regularien für beabsich- men sieht die Einrichtung eines Höhlen und Verbindungen solcher tigte und bestehende Welterbestätten. „Komitees für das Erbe der Welt“ Erscheinungsformen, die aus ge- und eines „Fonds für das Erbe schichtlichen, künstlerischen oder Auszüge aus der Endfassung der Welt“ vor. Komitee und Fonds wissenschaftlichen Gründen von vom 02.07.2017 haben 1976 ihre Tätigkeit aufge- außergewöhnlichem universellem nommen. Wert sind; I. A „Ziel der Richtlinien für die Durch- führung des Übereinkommens zum —— Seit der Annahme des Übereinkom- —— Ensembles: Gruppen einzelner Schutz des Kultur- und Naturerbes der mens im Jahre 1972 hat sich die oder miteinander verbundener Ge- Welt (im Folgenden als „Richtlinien“ internationale Staatengemeinschaft bäude, die wegen ihrer Architektur, bezeichnet) ist es, die Durchführung das Konzept der nachhaltigen ihrer Geschlossenheit oder ihrer des Übereinkommens zum Schutz Entwicklung zu eigen gemacht. Stellung in der Landschaft aus ge- des Kultur- und Naturerbes der Welt Der Schutz und die Erhaltung des schichtlichen, künstlerischen oder (im Folgenden als „Welterbe-Überein- Natur- und Kulturerbes sind ein be- wissenschaftlichen Gründen von kommen“ oder „Übereinkommen“ deutender Beitrag zur nachhaltigen außergewöhnlichem universellem bezeichnet) zu erleichtern, indem sie Entwicklung. Wert sind; die Verfahren festlegen für —— Ziel des Übereinkommens sind —— Stätten: Werke von Menschenhand a) die Eintragung von Gütern in die Erfassung, Schutz, Erhaltung und oder gemeinsame Werke von Liste des Erbes der Welt und die Liste Präsentation des Kultur- und Natur- Natur und Mensch sowie Gebiete des gefährdeten Erbes der Welt; erbes von außergewöhnlichem uni- einschließlich archäologischer versellem Wert sowie dessen Wei- Stätten, die aus geschichtlichen, b) den Schutz und die Erhaltung von tergabe an künftige Generationen. ästhetischen, ethnologischen oder Welterbegütern; anthropologischen Gründen von —— Die Kriterien und Bedingungen außergewöhnlichem universellem c) die Gewährung internationaler Unter- für die Eintragung von Gütern in Wert sind. stützung im Rahmen des Fonds für das die Liste des Erbes der Welt sind Erbe der Welt; entwickelt worden, um den außer- gewöhnlichen universellen Wert Außergewöhnlicher universeller d) die Mobilisierung innerstaatlicher von Gütern zu beurteilen und den Wert und internationaler Unterstützung für Vertragsstaaten beim Schutz und das Übereinkommen. der Verwaltung der Welterbegüter Der außergewöhnliche universelle als Orientierung zu dienen. Wert bezeichnet eine kulturelle und / I. B Das Welterbe-Übereinkommen oder natürliche Bedeutung, die so —— Ist ein in die Liste des Erbes der außergewöhnlich ist, dass sie die —— Das Kulturerbe und das Naturerbe Welt eingetragenes Gut von ern- nationalen Grenzen durchdringt und zählen zu den unschätzbaren und sten und spezifischen Gefahren sowohl für gegenwärtige als auch für unersetzlichen Gütern nicht nur bedroht, erwägt das Komitee, es in künftige Generationen der gesamten jedes Volkes, sondern der ganzen die Liste des gefährdeten Erbes der Menschheit von Bedeutung ist. Aus Menschheit. Der Verlust eines Welt aufzunehmen. Ist der außer- diesem Grund ist der dauerhafte dieser höchst kostbaren Güter gewöhnliche universelle Wert des Schutz dieses Erbes von größter Be- durch Verfall oder Untergang stellt Gutes, der seine Eintragung in die deutung für die gesamte internationale eine Schmälerung des Erbes aller Liste des Erbes der Welt begründet Staatengemeinschaft. Das Komitee Völker der Welt dar. Teile dieses hat, zerstört, erwägt das Komitee, bestimmt die Kriterien für die Eintra- Erbes können wegen ihrer außerge- das Gut aus der Liste des Erbes der gung von Gütern in die Liste des wöhnlichen Eigenschaften als von Welt zu streichen. Erbes der Welt. 6
Teilnehmende Hearing Welterbe Olympiapark am 29. November 2017 Das Hearing beginnt als öffentliche Fachleute Sitzung am 29. November 2016 um (in alphabetischer Reihenfolge) 9:30 Uhr und endet um 12:00 Uhr. Neben berufsmäßigen und ehren- Prof. Dipl.-Ing. Fritz Auer, amtlichen Mitgliedern des Münchner Auer Weber Architekten, Stuttgart Stadtrats nehmen als vortragende und München Referenten und Fachleute folgende Persönlichkeiten an dem Hearing teil: Dr. Andreas Baur, Ministerialrat, Leiter des Referats für Denkmalschutz und Denkmalpflege im Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft Vortragende und Kunst (in Reihenfolge der Vorträge) Prof. Dipl.-Ing. Regine Keller, Josef Schmid, Keller Damm Kollegen Landschafts Zweiter Bürgermeister der architekten Stadtplaner, München, Landeshauptstadt München Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur (Moderation) und öffentlichen Raum, TU München Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk, Gert Pfafferodt, Stadtbaurätin der Landeshauptstadt Gründer und Vorsitzender des Vereins München „Aktion Welterbe Olympiapark e. V.“ Dr. Hans-Jochen Vogel, Marion Schöne, Altoberbürgermeister der Geschäftsführerin der Olympiapark Landeshauptstadt München München GmbH Prof. Dipl.-Ing. Mathias Pfeil, Dr. Elisabeth Spieker, Generalkonservator des Bayerischen Behnisch Architekten, Stuttgart Landesamts für Denkmalpflege Prof. Dr. Michael Petzet, Ehrenpräsident des Internationalen Rates für Denkmalpflege (ICOMOS) Prof. Dipl.-Ing. Jörn Walter, ehemaliger Leiter der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, Hansestadt Hamburg Dr. Dagmar Tille, Leiterin der Obersten Denkmal schutzbehörde Berlin Christine Strobl, Dritte Bürgermeisterin der Landeshauptstadt München 7
Begrüßung Josef Schmid, Ein herzliches Grüß Gott an die zahl und die Zeltdach-Konstruktion ist ein- Zweiter Bürgermeister der reichen Stadträtinnen und Stadträte, zigartig in der Dimension, der Transpa- Landeshauptstadt München die großes Interesse haben, heute zu- renz und der Gestaltung. Der Olympia- sätzliche Informationen zu gewinnen. park ist ein hervorragendes Beispiel Meine sehr geehrten Damen und für ein einzigartiges Zusammenspiel Herren! Seit Jahren gibt es Anträge aus der eines architektonischen und landschaft- Öffentlichkeit und der Fachwelt für lichen Ensembles. Ein herzliches Grüß Gott zum heutigen eine Bewerbung zur Aufnahme auf Stadtratshearing „Welterbe Olympia- die Deutsche Vorschlagsliste, die Welche Ziele verfolgen wir mit dem park“. Ich darf Sie von Oberbürger Tentativliste der UNESCO-Welterbe- heutigen Hearing? Es geht darum, meister Reiter sehr herzlich grüßen. Er stätten. alle Informationen zu erhalten und ist leider verhindert. uns über folgende Fragen auszutau- 2016 stellten die Fraktionen ÖDP und schen: Was bedeutet ein Welterbe für Ich begrüße sehr herzlich Christine DIE LINKE. entsprechende Anträge unsere Stadt? Wie können künftige Strobl, die dritte Bürgermeisterin und und die Fraktion FDP-HUT-Piraten eine Entwicklungen und Veränderungen Aufsichtsratsvorsitzende der Olympia Anfrage. 2010 wurde die deutsche im Olympiapark mit Welterbe-Status park München GmbH. Ich freue mich Tentativliste fortgeschrieben. In diesem aussehen? Wir erhoffen uns alle eine ganz besonders den Münchner Ehren Zusammenhang hat das Bayerische Unterstützung des Stadtrats in dem bürger und Altoberbürgermeister Landesamt für Denkmalpflege darauf Prozess der Entscheidungsfindung. Dr. Hans-Jochen Vogel begrüßen zu hingewiesen, zeitgenössische Archi- dürfen. Er ist einer der Initiatoren tektur sei unterrepräsentiert. Nach Als Referent für Arbeit und Wirtschaft dieser Welterbe Olympiapark-Bewe- Fachkreisen gehört der Olympiapark vertrete ich die Position der Olympia- gung und wird nach der Stadtbaurätin als Gesamtwerk mit seinen Bauten zu park München GmbH. Frau Prof. Dr.(I) ein Statement abgeben. Ich begrüße den wichtigsten Dokumenten der euro Merk wird ihre Position darlegen. Ich ebenso die zweite Ehrenbürgerin päischen Baukultur des 20. Jahrhun- glaube, uns ist allen klar, dass wir hier Charlotte Knobloch und folgende Red- derts. Für eine Aufnahme als Welterbe eine architektonische Besonderheit nerinnen und Redner: Generalkonser- müssen ein oder mehrere Kriterien der allerersten Ranges haben. Das muss vator Prof. Matthias Pfeil, Oberbau UNESCO-Richtlinie erfüllt sein. gar nicht diskutiert oder in besonderer direktor a.D. Prof. Jörn Walter, ehema- Weise beleuchtet werden. liger Leiter der Behörde für Stadtent- Aus Sicht des Planungsreferats erfüllt wicklung und Wohnen der Hansestadt der Olympiapark vor allem folgende Hamburg, Dr. Dagmar Tille, Leiterin drei Kriterien: Er ist ein Meisterwerk Die architektonische Aus- der Obersten Denkmalschutzbehörde der menschlichen Schöpferkraft, ein gestaltung der Bauten und die der Welterbe-Stadt Berlin und Prof. Dr. bedeutender Meilenstein in der Ent- Michael Petzet, von ICOMOS. wicklung der Architektur und Technik Integration in die Landschaft sprechen für sich. Der Park ist ohne Zweifel ein großartiges olympisches Erbe von 1972 und hat über das Gestalterische und Architektonische hinaus eine ganz besondere politische Bedeutung. Ich bin sicher, unser Ehrenbürger und Altoberbürgermeister Dr. Vogel wird darauf auch in besonderer Weise ein- gehen. 8
Hearing Welterbe Olympiapark am 29. November 2017 Ich betone: Das Bewusstsein ist bei Ich habe gelesen, bereits der Antrag allen vorhanden, was die Ausrichtung auf das Weltkulturerbe löst Mit- der freien, weltoffenen Spiele damals spracherechte der Organisation aus. bedeutet hat, und wie die Parkgestal- Konkrete Veränderungen und Investi- tung diese demokratischen Spiele tionen im Park stehen an, aber bis zur unterstrichen hat. Dieser Wert steht Aufnahme als Welterbestätte wird es völlig außer Frage und muss nicht noch lange dauern. Bis dahin wäre viel- kontrovers diskutiert werden. Der Park leicht die eine oder andere Maßnahme steht wegen seiner Weiterentwicklung schon abgeschlossen oder zumindest im Fokus und über anstehende Inve- auf den Weg gebracht. Ich bitte die stitionen wird diskutiert. Es gab auch Experten Stellung zu nehmen, ob die Investitionen in der Vergangenheit, Wirkungen schon mit der Antragstel- Josef Schmid, wie die Sanierung der Schwimmhalle lung eintreten oder erst, wenn der Titel Zweiter Bürgermeister der Landes oder die Sanierung des Zeltdaches. An erteilt wurde? hauptstadt München dieser Stelle möchte ich die Experten Seit 2014 ist Josef Schmid Zweiter Bürger- fragen: Kann der Titel Welterbe auch Von anderen Städten interessieren meister der Landeshauptstadt München Fördermittel des Bundes oder des mich ihre Erfahrungen mit dem Pro- sowie Leiter des Referats für Arbeit und Welterbefonds bringen? Das ist auch zess der Antragstellung. Welche Wirtschaft, das auch Betreuungsreferat der eine wichtige Information für die Wei- Personal- und Sachkosten fallen an? Olympiapark München GmbH ist. terentwicklung oder für die Sanierung Wie viel Personal wird gebraucht? Von 2002 bis 2014 war er ehrenamtlicher einzelner Bauwerke. Was ist nötig, um einen Antrag erfolg- Stadtrat der Landeshauptstadt München, reich stellen zu können? Diese Infor von 2007 bis 2014 Vorsitzender der CSU- Der Park ist ein attraktiver Ort für Ver- mationen sind für weitere Entschei- Stadtratsfraktion. anstaltungen aller Art und aufgrund dungen des Stadtrats wichtig. der Enge der inneren Stadt besonders wichtig. Der Park ist einer der wenigen Schränkt der Titel Welterbe politische Orte, an dem die Landeshauptstadt Entscheidungsträger und die Olym- vor allem unter freiem Himmel größe- piapark München GmbH bei der Be- re Veranstaltungen abhalten kann. Der spielung und der Weiterentwicklung Park ist bereits heute weltbekannt. des Parks ein? Für diese wichtigen Fragen brauchen wir eine Antwort. Ein Nacholympisch besuchten den Park weiterer Aspekt ist die Schutzzone über 210 Millionen registrierte Besu- um den Park. Auch hier bitte ich um cherinnen und Besucher, nicht erfasst Aufklärung: Was bedeutet Schutzzone? sind die 2,5 bis 2,8 Millionen Men- Wie weit ist der Umgriff einer solchen schen, die den Park jährlich besuchen. Schutzzone? Gehören auch Nachbarn Im letzten Jahr wurde der Park allein an wie das Olympische Dorf dazu? Welche 176 Tagen auf den Außenanlagen be- Auswirkungen hätte der Titel für die spielt und bereits jetzt gibt es ein Leit- Entwicklung des Olympischen Dorfes? bild für den Park und seine langfristige Erhaltung. Mich interessieren die Fra- Es gibt ein Schreiben des BMW-Vor- gen: Was bringt eine Ernennung zum standsvorsitzenden Krüger. Er wünscht Welterbe zusätzlich? Welcher Mehr- dem heutigen Hearing einen guten wert könnte entstehen? Was bedeutet Verlauf und bringt zum Ausdruck, auch der Begriff der Selbstverpflichtung? der Nachbar BMW fühle sich zugehö- rig. Der Park grenzt, getrennt durch eine Straße, an die Autoproduktion eines wichtigen Münchner Unterneh- mens an. Das Schreiben zeigt, dass Interesse besteht und man sich auch dort viele Gedanken macht. Ich bin sehr gespannt, welche Erkenntnisse die Vorträge und die Diskussion brin- gen werden. 9
Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk, Gleichzeitig ist die Stadt gewachsen, Stadtbaurätin der Landeshauptstadt das wissen besonders die Mitglieder München des Planungsausschusses. Die Stadt haben wir um den Park weitergebaut. Sehr geehrter Herr Bürgermeister, Das hat eine Bedeutung, weil die Wei- sehr geehrter Herr Dr. Vogel, terentwicklung des Parks als Sportstät- meine sehr verehrten Damen te und als demokratischer Park – wie und Herren! Günther Grzimek es benannt hat – als „Gebrauchspark“ oder als „Gebrauchs- Ich werde als Untere Denkmalschutz- landschaft“ erhalten ist. Er ist kein behörde eine Stellungnahme für den Museum, sondern offen für alle, ein Denkmalschutz im Olympiapark abge- lebendiges Erbe. Im Jargon des Welt- Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk, ben. Wir haben im Zusammenhang mit erbes heißt es „Living Heritage“. Stadtbaurätin der Landeshauptstadt der Bewerbung für die Olympischen München Winterspiele einen Management-Plan Die Weiterentwicklung und Sportnut- Prof. Dr.(I) Elisabeth Merk leitet das Referat aufgestellt, der viele Dinge des Welter- zung müssen unbedingt im Plan des für Stadtplanung und Bauordnung der Lan- bestatuts heute schon berücksichtigt. Olympiaparks erhalten bleiben. Darüber deshauptstadt München in zweiter Amts- hinaus steht der Park für ein immateri- zeit seit 2007. Sie ist Honorarprofessorin Ich möchte mich auf vier Bemerkun- elles Erbe der Olympischen Idee. an der Hochschule für Technik in Stuttgart und Mitglied in zahlreichen Gremien, unter gen beschränken: Das baukulturelle Er- anderem im Internationalen Rat für Denk- be und die einzigartige Landschaftsar- malpflege (ICOMOS) sowie im Kuratorium chitektur werden zu Recht als Gesamt- Die ursprüngliche Idee von Olym- Nationale Stadtentwicklungspolitik. kunstwerk gesehen. Wir bemühen uns pia, die sich in München auf eine heute schon, den Park wie ein Welt- kulturerbe zu behandeln. Die Stadt hat ganz besondere Art und Weise mit sehr viel Geld ermöglicht, dass der manifestiert hat, spielt bei der Park 45 Jahre nach den Olympischen weltweiten Bedeutung des Parks Spielen noch so gut in Schuss ist. eine große Rolle. Es ist nicht die Architektur allein, so sehr ich als Aus Sicht der Stadtentwicklung Architektin von dieser Architektur war der Park damals ein großer begeistert bin. Es ist ein En- Motor. Vieles, was wir heute semble, das nach Zerstörung und in der Stadtstruktur haben, ba- Terror auf dem Schuttberg ent- siert auf diesem Entwicklungs- standen ist und für den Aufbruch schub und auf der ideellen Kraft, der Gesellschaft, für Frieden und die dieser Park ausstrahlt. Heute Freiheit steht. ist der Olympiapark ensemble- geschützt, die Bauten sind Diese übergeordnete Botschaft hat Einzeldenkmäler. Dieser Status der Park. Ich gehe mit allen kritischen verändert sich nicht mit dem Stimmen einher, die sagen, Weltkultur- Weltkulturerbe. erbe sei kein Labeling für Tourismus. So ist es auch nicht gedacht. München braucht kein Labeling für Tourismus. Es geht aus meiner Sicht um die übergeordnete Idee. Als Stadtbaurätin finde ich es gut, wenn wir einen Prüf- auftrag für die Entwicklung eines An- trags zum Weltkulturerbe bekommen. Ich stehe auch dazu, dass der Park auf keinen Fall ein Museum, eine Käse- glocke sein darf. Ich gebe aber auch zu, dass die denkmalschutzrechtlichen Anforderungen immer wieder schwie- rig sind. Bisher haben wir aber immer gute Lösungen gefunden, und werden sie auch künftig finden. 10
Hearing Welterbe Olympiapark am 29. November 2017 11
Dr. Hans-Jochen Vogel, Es wird niemanden überraschen, dass Die Speicherstadt in Hamburg und die Altoberbürgermeister der Landes- ich von Anfang an die Initiative, dem Hufeisensiedlung in Berlin sind der hauptstadt München Stadion und dem Olympiapark den beste Beweis dafür: Es sind keine Mu- Titel Weltkulturerbe zu verleihen, un- seen, in denen nichts mehr geändert Sehr geehrter Herr Vorsitzender, terstützt habe. Ich freue mich über die werden darf – viel mehr gibt es dort sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, vielen positiven Äußerungen, auch Änderungen, die der Eigenart Rech- sehr verehrte Anwesende! über die positive Äußerung von BMW. nung tragen. Asphaltierungen des Sta- dions würden in München künftig nicht Aus alters- und aus gesundheitlichen Es ist überzeugend dargestellt worden, mehr möglich sein. Möglich wären Gründen kann ich an Veranstaltungen dass der Park und das Stadion die Vor- aber andere sinnvolle Entwicklungen, dieser Art nur noch in Ausnahmefällen aussetzung für den Titel Weltkulturer- die der Eigenart Rechnung tragen. teilnehmen. Heute ist für mich ein sol- be erfüllen. Das Stadion mit dem Zelt- cher Ausnahmefall. dach ist ein architektonisches Kunst- Ich beschränke mich auf drei persön- werk von Weltrang. Der Titel darf aber liche Aspekte zur geschichtlichen nicht zu einer musealen Konservierung Bedeutung des Parks und des Stadi- Die Bewerbung für die Olym- des Parks und des Stadions führen. ons: Das war eine Antwort auf den pischen Spiele 1972, die Vorar- Er darf einer behutsamen Weiterent- Missbrauch der Olympischen Idee wicklung, die deren Eigenart bewahrt, von 1936. Es war ein Zeichen für ein beiten, die Bauten, die Spiele in keiner Weise entgegenstehen. anderes, ein besseres München, für und der Anschlag vom 05. Sep- tember 1972 – der in diesem Zusammenhang immer erwähnt werden muss – haben eine be- sondere Rolle in meinem Leben gespielt. An vielen Dingen war ich aufgrund meines Amtes per- sönlich beteiligt. Ich möchte heute drei Namen in Er- innerung rufen, denn ich werde mich öffentlich nicht mehr häufig zu den Olympischen Spielen äußern können. Mit dieser Erinnerung verbinde ich auch einen großen Dank an Willy Daume: Ohne ihn wären der Anstoß für die Spiele und der Erfolg der Be- werbung nicht zustande gekommen. Weiterhin an Alfons Goppel: Der Bay- erische Ministerpräsident hat innerhalb weniger Tage – für die Bewerbung hatten wir nur 60 Tage Zeit – das Ja des Freistaat Bayerns erklärt und die Bewerbung unterstützt. Und nicht zuletzt an Ludwig Erhard: Der damalige Bundeskanzler hat ge- gen den Widerstand seiner Berater, insbesondere von Herrn Westrick, bei der entscheidenden Besprechung Ja gesagt. Die Beteiligung des Bundes war damals auch wegen der Ost-West- Situation und der Situation in der DDR eine mutige Entscheidung. 12
Hearing Welterbe Olympiapark am 29. November 2017 ein anderes, ein besseres Bayern und Zwischen dem Stadion und der Münch- für ein anderes, ein besseres, ein frei- ner Bürgerschaft besteht ein beson- heitlicheres, ein offeneres, ein fried- ders emotionales Verhältnis. Das kam licheres Deutschland. Im Nachhinein zum Ausdruck, als ein zerstörerischer betrachtet war es auch ein Schritt auf Umbau des Stadions drohte. Dieser dem Weg zur Deutschen Einheit. Be- Plan scheiterte bereits in der Stadtrats- deutsam ist in diesem Zusammenhang sitzung, weil die Architekten ihn für auch die Erinnerung an den Anschlag undurchführbar erklärt hatten. Der Plan und an die Gefahren, die uns heute in löste sofort die Vorbereitung für ein neuer Art besonders bedrohen. Bürgerbegehren aus, an dem ich auch beteiligt war. Dieses wurde überholt Es war ein Objekt, das aus einer durch das Bürgerbegehren, das sich Dr. Hans-Jochen Vogel, Münchner Initiative selbst hervorge- für Fröttmaning als Fußballstadion Altoberbürgermeister der Landeshaupt- gangen ist. Und zwar erstmals seit entschied. Damit war die Zerstörung stadt München dem Alten Rathaus, wenn ich die des Olympiageländes endgültig beisei- Hans-Jochen Vogel prägte als Oberbürger- Geschichte richtig im Blick habe. Alle tegelegt. meister von 1960 bis 1972 München sowie anderen Bauten verdankt München im Anschluss die sozialliberale Koalition als im Wesentlichen den Wittelsbachern, Die Bemühungen um den Titel wären Bau- und Justizminister (1972 bis 1981). vor allem aber Ludwig I. auch ein Zeichen der Dankbarkeit In seine Zeit als Münchner Stadtoberhaupt fiel der Zuschlag für die Olympischen für diejenigen, die den Park und das Sommerspiele 1972. Später war er Regie Stadion geschaffen haben: Ich nenne render Bürgermeister von West-Berlin, Günter Behnisch, Fritz Auer und die SPD-Kanzlerkandidat und Parteivorsitzender, anderen Mitarbeiter des Büros. Ich den Fraktionsvorsitz übernahm er 1983 von nenne Frei Otto, ohne den das Zelt- Herbert Wehner. dach nicht zustande gekommen wäre. Sonst hätte nach der Entscheidung der Jury eine andere Dachlösung ak- zeptiert werden müssen. Ich nenne Egon Eiermann, den Vorsitzenden der Jury. Es gab 104 Bewerbungen für das Stadion. Der Vorschlag von Behnisch und Auer wäre fast aussortiert worden. Eiermann gewann aber immer mehr Befürworter, sodass der erste Preis gegen eine Stimme und bei einer Ent- haltung diesem Objekt zuteilwurde. Ich nenne auch Günther Grzimek für die landschaftliche Gestaltung und Otl Aicher für das äußere Erscheinungsbild. Dankbarkeit verdient auch Carl Mertz, der als Hauptgeschäftsführer der Olympiabau-Gesellschaft der eigent- liche Baumeister war. Er sorgte dafür, dass alle Bauten und die Geländege- staltung rechtzeitig fertig wurden. Das ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr, dabei denke ich an Projekte außerhalb Münchens. Das Olympiage- lände war sogar vorzeitig fertig. Ich bin heute noch erfreut darüber, dass ich diese öffentlichen Bauten an meinem vorletzten Arbeitstag, am 29. Juni 1972, der Öffentlichkeit übergeben durfte. Vielen Dank. Der Olympiapark 1972 13
Gründe für die Aufnahme des Olympiaparks als Weltkulturerbe; Anforderung der UNESCO Prof. Dipl.-Ing. Mathias Pfeil, spricht dem Dreifachen der Cheops- Der Olympiapark wurde als Denkmal Generalkonservator des Pyramide. Das wissen die wenigsten. ensemble 1998 eingetragen. Es gibt Bayerischen Landesamts für In diesen Schutt eine Olympiade mit auch einige Einzeldenkmäler. Durch Denkmalpflege einer ganz anderen Idee zu bauen, ist einen Welterbestatus wird es rechtlich außergewöhnlich. Weltweit gibt es nicht schlimmer. Auch jetzt ist es nicht Die Eintragung als Weltkulturerbe hat das nicht noch einmal. schlimm, dieser Schutz des Parks ist keine größeren rechtlichen Auswir gut beherrschbar. Der Olympiapark ist kungen als der bestehende Denkmal- Damals sollte das Wettbewerbsmo- ein lebendiges Denkmalensemble, in status Ensemble und Einzeldenkmal. dell, Herr Dr. Vogel hat darauf hinge- dem Veränderungen möglich sind. Der wiesen, gar nicht prämiert werden. Geschichtswert begründet die Denk- Ich möchte nun – wie Altoberbürger- Die Zeltdachkonstruktion bestand im malwürdigkeit des Olympiaparks, die meister Dr. Vogel – das Besondere Modell noch aus aufgespannten Da- einzelnen Denkmäler sind als herausra- des Olympiaparks darstellen: Es ist die menstrümpfen, keiner wusste, wie es gende Architektur schutzwürdig. Dabei geschichtliche, die städtebauliche und konstruktiv zu bewältigen war. Damals ist der Denkmalwert der Einzelgebäu- die baukünstlerische Bedeutung. Zum hat man unheimlich viel Mut gezeigt, de weniger bedeutend, wichtiger ist UNESCO-Verfahren darf ich mich aus heute wäre eine solche Vorgehens- dessen Gesamtheit. eigener Erfahrung äußern, ich hatte weise unvorstellbar. Das zeigte sich 2012 für das Markgräfliche Opernhaus auch im Planungsprozess, der genial Die Realisierung dieser Planungsauf- den Antrag auf das Weltkulturerbe mit vorbereitet war und entsprechend gut gaben zeugt von dem geschichtlichen betreut. gelaufen ist. Die leichte Konstruktion Wert: Es wurde bewusst in den Trüm- der Zeltdächer und die Materialwahl merschutt hinein gebaut, man wollte sollten genau das Frische, Neue und eine neue Gesellschaft darstellen und Der Olympiapark ist etwas den Kontrast zu der Olympiade von so einen Kontrapunkt zu dem gerade Besonderes, weil er eine der 1936 darstellen. Diese geschichtliche überwundenen Zweiten Weltkrieg Aussage ist wirklich sehr relevant. schaffen. Hier wird aufgezeigt, wohin größten Denkmallandschaften Es sollte ein Symbol für Frieden und man gesellschaftlich wollte. Mit die- in Bayern und eine idealtypische Demokratie sein. Die Entscheidung sem neuen Leitmotiv sind auch einige Kombination aus Architektur für diesen Entwurf war ein Wagnis, innovative Gedanken umgesetzt wor- und Landschaft ist. man wusste noch nicht einmal, wie er den. Das gibt es heute fast gar nicht umgesetzt werden konnte. Damals mehr. Wo werden heute wirklich neue hat man sich noch etwas getraut. Es Gedanken, neue Ideen realisiert? Es ist zeigt, wie außerordentlich wichtig das ganz klar das architektonische Konzept Die Demokratie wurde damals be- für die Gesellschaft war. und die bautechnische Leistung. wusst in einer Weise dargestellt, wie sie sein könnte. Der idealistische An- satz von 1972 war der einer neuen Gesellschaft. Der Zweite Weltkrieg war noch nicht lange vorbei. Die Idee der Olympischen Sommerspiele und die Bewerbung Münchens waren ge- prägt von der Idee, die letzten Olympi- schen Spiele in Deutschland von 1936 in Berlin zu überwinden. Altoberbür- germeister Dr. Vogel hat es so schön dargestellt: Die Bewerbung galt einer Olympiade im Grünen und der kurzen Wege unter dem Motiv ungezwun gener junger Menschen. Diese Idee hat das alles geprägt. Der Bauplatz war der alte Flughafen Oberwiesen- feld, was dabei von einer enormen geschichtlichen Bedeutung ist. Auf diesem Bauplatz lag auch der Schutt- berg, in den das Olympiaareal hinein modelliert wurde. Er steht als größte Enddeponie des Trümmerschutts der Landeshauptstadt München aus dem Zweiten Weltkrieg symbolhaft Briefmarkenserie anlässlich der Olympischen Spiele für diese Zeit, sein Rauminhalt ent- München 1972 14
Hearing Welterbe Olympiapark am 29. November 2017 Die Zeltdachkonstruktion von Frei Otto ist genial, denn er hat hier etwas komplett Neues geschaffen. Der Landschaftspark auf den Trümmern des Zweiten Weltkriegs ist zudem eine ge- schichtliche Ikone. Auch das Wohnkonzept des Olympischen Dorfes stellt mit seiner vertikalen Trennung von PKW- und Fußgän- gerverkehr etwas völlig Neues dar, sein visuelles Erscheinungs- bild mit inneren Wegeführungen von Hans Hollein ist zudem bis heute beispiellos. Begleitend zum Gestaltungskonzept der Architekten Behnisch und Auer griff das Landschaftskonzept von Günther Grzimek die Geschichtsidee mit auf und überführte sie in ein dif- fiziles Gleichgewicht von gestalteter Landschaft zu einer Architekturland- schaft. Auch das ist einzigartig. Die Leitidee von der „Besitzergreifung des Rasens“ war ebenfalls völlig neu und sollte demokratisch sein, ohne Schil- der „Spielen verboten“. Beim Zeltdach sollten mit einem alles überspannenden, leichten Element die Dinge gleichsam zusammenge- führt werden, es sollte als „Dach des Lichtes“ den dennoch riesengroßen Bauten ihre Monumentalität nehmen. Diese Idee ist einzigartig, schaffen Sie erst einmal, derartig große Bauten so leicht zu gestalten, dass Sie sich als Neuartig war die Leitidee von der „Besitzergreifung des Rasens“ Mensch nicht bedroht fühlen! Das ist eine riesige Leistung. Die Gebäude wurden in die künstliche Landschaft hinein modelliert, verwendet wurden leichte und transparente Baustoffe. Erst im Wege der Umsetzung wurde Vorbild, der Pavillon bei der Weltaus- Der Übergang von innen nach außen der durch den Damenstrumpf visua- stellung in Montreal, war viel kleiner wurde mit Kleinstein gestaltet, man lisierte Gedanke durch die statischen und ist nicht vergleichbar. Hier kamen wird hinein- und wieder hinaus geführt Berechnungen von Fritz Leonhard und architektonische Formensprachen im und empfindet keine Barrieren. Wolfhard Andrä realisiert. Ich erinnere Sinne einer Ingenieursästhetik in ein- mich, mit elf Jahren war ich im Olym- maliger Weise zusammen. Dieses „Dach ohne Schatten“ wur- piastadion und hatte das Gefühl, in de durch eine Stahlseilkonstruktion einer Landschaft zu sein. Otl Aicher hat es darüber hinaus ge- vorgespannt, die experimentelle Form- schafft, neben dem Wegekonzept findung war im Siegerentwurf kon- Es entstand ein Leichtbau mit einer mit den Röhren von Hans Hollein ein struktiv noch nicht gelöst. Das hat bautechnischen Pionierleistung, die es bis heute einzigartiges Design mit dann Frei Otto erst später vollbracht. zuvor noch nicht gegeben hatte. Das Piktogrammen von außerordentlicher 15
Reduziertheit zu kreieren. Bis heute So ist ein leichter Park der Muße und kennen wir diese Piktogramme für ver- der Kunst, des Sports und der Spiele schiedene Sportarten. Er formulierte entstanden, mit einer leichten und lo die Gestaltungsrichtlinien dieser Olym- ckeren Erscheinung und kurzen Wegen, piade von der Uniform der Polizei bis die in die Landschaft hinein modelliert hin zur Eintrittskarte, wodurch diese sind. Diese künstlich modellierte Land- Olympischen Spiele ein einzigartiges, schaft ist auch was den Geschichtswert einheitliches neues Erscheinungsbild betrifft grandios. Mountainbike-Fahrer, bekamen. Die spielerischen und deko- die heute oben auf diesen Bergen fah- rativen Elemente fanden sich in Weg- ren, wissen oft nicht, worauf sie sich ei- weisern, Logos, Beschriftungen und gentlich bewegen, es sind die Trümmer Piktogrammen wieder. Diese reduzier- des Zweiten Weltkriegs, den man hier Prof. Dipl.-Ing. Mathias Pfeil, te Beschreibung der Sportarten ist bis überwunden hat. Generalkonservator des heute nicht zu toppen. Bayerischen Landesamts für Aber es geht weiter: Das Denkmalen- Denkmalpflege Genauso besonders ist das Olym- semble kann modernisiert und genutzt Prof. Dipl.-Ing. Mathias Pfeil ist seit März pische Dorf mit den 5.000 Apparte- werden, sofern die wichtigsten denk- 2014 Generalkonservator des Bayerischen ments. Die Wohnanlage von Robert malfachlichen Aspekte berücksichtigt Landesamts für Denkmalpflege. Von 2001 Wischer, Werner Wirsing, Günther werden. Mit dem Erinnerungsort bis 2006 war er Referatsleiter in der Bay- erischen Staatskanzlei, ab 2006 Leiter der Eckert und Erwin Heinle lebt von der „Attentat“ der Architekten Brückner & Bayerischen Schlösserverwaltung. Verbindung größerer Wohnblöcke mit Brückner ist das sehr gut gelungen. kleineren Einheiten. Ich kenne keine Dieser Erinnerungsort stellt auch ge- Betonbauten, in denen ein Leben so danklich eine wunderbare Ergänzung zu klar, deutlich und harmonisch möglich den ursprünglichen Entwurfsideen des ist. Das macht die Verbindung ver- Parks dar. schiedener Elemente aus. Es ist die geglückte Umsetzung städtebaulicher Die Qualität des Olympiaparks offenbart Forderungen und Wohnvorstellungen sich auch in seiner gelungenen Nach- der 60er Jahre. Besseres kenne ich nutzung. Das Olympische Dorf erlebte nicht, es hat funktioniert. Auto- und nach dem Ende der Spiele einen Run Fußverkehr wurden konsequent ver- auf die Eigentumswohnungen. Der tikal voneinander getrennt. Auch hier Olympiapark hat als lebendiger Ort auch kenne ich nichts Vergleichbares. So einige Veränderungen erfahren und war wird ein funktionierender Planungspro- die wichtigste Großbaustelle der noch zess organisiert. Alt-OB und Ehrenbür- jungen Bundesrepublik Deutschland. Es ger Dr. Vogel hat bereits gesagt, hier war der Aufbruch in eine neue Zeit! Es habe es sehr schnell funktioniert. war sicherlich der letzte bauliche Höhe- punkt vor der Wirtschaftskrise. Diese Für diesen Planungsprozess wurde Bedeutung des Olympiaparks und sei- von Heinle, Wischer und Partner ein ner gestalterischen Qualitäten wird heu- mehrstufiges Optimierungsverfahren te auch international so gesehen. Sehr entwickelt, dessen Systematisierung aktuell wird der Park mit seinen Bauten von Entscheidungen zeitgenössischen international als herausragend präsen- Bestrebungen nach „objektiven Pla- tiert, zum Beispiel bei der Ausstellung nungsmethoden“ und geteilter Verant- in der Riwaq Gallery in Doha. Ich wollte wortung entsprach. Es hat geklappt. mit meinem Vortrag beleuchten, der Olympiapark ist der Aufbruch in eine neue Zeit. Er wurde realisiert, gezeigt, gelebt und funktioniert immer noch. Ich bedanke mich. 16
Hearing Welterbe Olympiapark am 29. November 2017 17
Erfahrungen aus der deutschen Welterbestadt Hamburg Prof. Dipl.-Ing. Jörn Walter, Das Wichtigste und Bedeutend- Drittens gibt es mit dem Eintrag eine ehem. Leiter der Behörde für ste ist der Antrag. Dabei muss Berichtspflicht. Jährlich muss berich- Stadtentwicklung und Wohnen, tet werden, was getan wurde und Hansestadt Hamburg klar sein, man geht eine Selbst- wie der Zustand des entsprechenden verpflichtung gegenüber der Denkmals ist. In Deutschland ist das Verehrter Herr Bürgermeister, UNESCO ein, dieses Erbe sorg- allerdings etwas kompliziert, was mit verehrter Herr Dr. Vogel, sehr verehrte fältig zu verwalten, zu sichern der Länderzuständigkeit für die Kultur Stadträtinnen und Stadträte! zu tun hat. Es ist ein mehrstufiger und auch bei Neubaumaßnah- Verfahrensweg, weil es über die Kul- Wenn Sie erlauben, gestatte ich mir ei- men zu gewährleisten, dass es tusministerkonferenz und das Außen ne kleine Vorbemerkung. Ich bin Nicht- im Kerngehalt nicht maßgeblich ministerium an die UNESCO geht. münchner und komme aus Hamburg. Diese Berichtspflicht gibt es und sie verändert wird. Diese Erklärung, Als Bürger dieses Landes sage ich, das ist eine wichtige Grundlage. Olympiastadion ist etwas Besonderes. die beim Eintrag in das Welterbe Es erfüllt nicht nur die Münchner oder erfolgt, ist das eigentlich ent- Viertens: Es gibt auch eine präventive Bayern, sondern jeden Bürger dieses scheidende Referenzdokument Berichtspflicht. Wenn man weiß, es Landes mit großem Stolz. Es gibt kein stehen Veränderungen über Neubau- anderes Bauwerk in diesem Land, das für alles Weitere, was in der maßnahmen oder innerhalb des Welt- das Thema eines neuen, offenen und Fortentwicklung des Olympia kulturerbes an, ist man verpflichtet, demokratischen Deutschland so sehr geländes oder in Hamburg bei frühzeitig die UNESCO zu unterrichten. auf den Punkt gebracht hat wie das der Speicherstadt oder des Auch dafür gibt es einen mehrstufigen Olympiagelände. Verfahrensweg. Förmlich ist das nicht Kontorhausviertels von Bedeu- ganz unkompliziert, frühzeitige Abstim- Wird es Welterbe, also zum außer- tung ist. Es ist der Maßstab. mungen in verschiedenen Gremien gewöhnlichen universellen Erbe der wie dem ICOMOS-National-Committee Menschheit erklärt, verbindet sich für müssen genutzt werden. die Verantwortlichen damit die Sorge, Deswegen ist es wichtig, diese Erklä- dass man einen Dritten dabei hat, der rung eines „lebenden Denkmals“ im In Hamburg haben wir gerade drei ak- mitredet. Das ist so. Wenn man einen Antrag auch gegenüber der Prüfungs- tuelle Beispiele, deren Ausgang noch Antrag stellt, muss man sich darauf ein- kommission deutlich zu formulieren. Es nicht ganz entschieden ist. Wir bemü- lassen. Man kann dies auch mit einer muss klar sein, wir haben es mit einem hen uns darum, es mit der UNESCO Offenheit tun, wie das dem Gelände Erbe zu tun, das den Freizeit-, Veran- und ICOMOS auf einen guten Weg zu entspricht. In Hamburg haben wir mit staltungs- und Erholungscharakter lang- bringen. Bei uns geht es um die vier der Unterschutzstellung der Speicher- fristig wahren muss. Es werden künftig City-Hof-Hochhäuser am Bahnhof. stadt und des Kontorhausviertels ein aber gerade deshalb auch Umbaumaß- Dabei stellt sich die Frage: Dürfen sie Erbe, das sich in Nutzung befindet. Das nahmen im Inneren des Kernbereichs abgerissen und was darf neu ge- Kontorhausviertel ist in Privatbesitz, es und auch für die Wohnbauten benötigt. baut werden? Wir haben dazu einen sind große Gebäude, die erhalten und Das Erbe liegt zudem auch mitten Wettbewerb durchgeführt und alle umgenutzt werden müssen. Besonders in der Stadt, wo rundherum weitere im gesamten Wettbewerbsverfahren gilt dies für die Speicherstadt, für die Veränderungen erfolgen werden. In miteinbezogen. wir keine originäre Speichernutzung Hamburg liegt es zwischen Hafen-City mehr haben. Wir werden auch künftig und der Innenstadt, wo natürlich auch Jetzt sind wir bei der Weiterentwick- vor der Herausforderung stehen, die weitere Veränderungen nötig sein wer- lung und der Herstellung des Bau- Speicherstadt in ihrer Nutzung ständig den. Das ist der erste wichtige Punkt, rechts. Dabei wägen wir auch alle ändern zu müssen. auf den es zu achten gilt. Belange des Weltkulturerbes ab. Daneben steht der Sprinkenhof, der Die entscheidende Frage ist: Wie wird Das Zweite ist der Managementplan: Teil des Kernensembles ist. das in ein Verfahren eingebracht? Sie wissen, es wird ein Handlungs- konzept erarbeitet und der UNESCO vorgelegt. In München gibt es dafür gute Grundlagen. Der Management- plan ist die Erklärung über das, was kommen wird und was an Veränderun- gen zu erwarten ist. Das muss offen kommuniziert und mit allen Beteiligten abgestimmt werden. Dieser Plan ist im Vorfeld wichtig und gibt allen Betei- ligten Hinweise für die Zukunft. 18
Hearing Welterbe Olympiapark am 29. November 2017 Es gibt andere Veränderungen, die vergleichbar sind mit denen im Olym- piapark. In der Speicherstadt haben wir beispielsweise das Miniatur- Wunderland. Das kennt nicht jeder, es ist aber mittlerweile Europas größte Modelleisenbahn-Anlage. Das größte Hamburger Erfolgsprojekt mit mehr als einer Millionen Besuchern im Jahr. Diese Eisenbahn dehnt sich aus, sie wächst weiter von Kontinent zu Konti- nent. In den unmittelbar benachbarten Prof. Dipl.-Ing. Jörn Walter, Speichern haben wir aber keinen Platz ehem. Leiter der Behörde für mehr. Wir müssen über ein Fleet eine Stadtentwicklung und Wohnen, kleine Brücke in den nächsten Speicher Hansestadt Hamburg bauen, um freie Böden für die Erwei- Prof. Jörn Walter war bis 2017 als Ober- terung nach Amerika zu haben. Man baudirektor Leiter der Behörde für Stadt- wird gewissermaßen über den Ozean entwicklung und Wohnen der Hansestadt fahren, aber es muss für die Eisenbahn Hamburg. In seiner Amtszeit war er maß- geblich an der Eintragung der Speicherstadt eine Brücke gebaut werden, damit in die Welterbeliste beteiligt. Von 1991 sie hinüber fahren kann und auch den bis 1999 war er Leiter des Stadtplanungs- Menschen den Zugang erlaubt. amtes in Dresden. Seit 2014 hat er eine Honorarprofessur an der Hafen-City Univer- Ein drittes Projekt ist unsere Maschi sität Hamburg inne. nenzentralstation, die im Zweiten Weltkrieg zerstört worden ist und die wieder aufgebaut werden soll. Ich möchte andeuten, auch andere Welt- erbestädte – wir sind es erst seit dem Jahr 2015 – standen und stehen vor vielen Veränderungen. Das positivste Beispiel sind für mich die großen Altstädte, die über sehr lange Erfahrungen in einem sehr emp- findlichen Raum verfügen. Sie sind in Deutschland oder an anderen Stellen unter Schutz gestellt. In Graz steht die gesamte Altstadt unter Schutz. Es hat aber große Veränderungen im Rahmen der Kulturhauptstadtbewer- bung gegeben. Vielleicht kennen Sie das neue Museum von James Cook: Dieses fügt sich auf den ersten Blick nicht unbedingt ein. Aber es macht doch Mut, dass Vertrauen in die UNESCO und in deren Vertreter, die mitdenken, berechtigt sein kann. Auch die Grazer haben damals im Kern ihrer Bewerbung, in diesem berühmten Referenzdokument, deutlich gemacht, dass das Leben in der Altstadt erhal- ten werden soll, sie bei all ihrem his torischen Wert aber auch weiterent wickelt werden muss, um sie erhalten zu können. 19
Erfahrungen aus der deutschen Welterbestadt Berlin Dr. Dagmar Tille, Die Schlösser und Parks in Die Museumsinsel Leiterin der Obersten Denkmal- Potsdam und Berlin schutzbehörde Berlin Die Museumsinsel ist nicht aufgrund Die Schlösser und Parks in Potsdam ihrer Einzelarchitekturen eingetragen, Meine sehr verehrten Damen und und Berlin teilen wir uns mit dem sondern als einzigartiges Ensemble, Herren, sehr geehrter Herr Schmid, Land Brandenburg. Sie stellen in ihrer bestehend aus fünf tempelartigen sehr geehrter Herr Dr. Vogel! Gesamtheit eine äußerst reiche und Museumsbauten. Wichtig bei der ungewöhnliche Kulturlandschaft dar. Museumsinsel ist natürlich die Archi Über ein Areal, das als Welterbe der Auf über 2000 Hektar verbinden sie tektur, aber vor allem die erstmals UNESCO vorgeschlagen werden soll, weitläufige Parklandschaften, maje- öffentlich zugängige Kunstsammlung. frühzeitig eine öffentliche Debatte, stätische Alleen und 150 Bauwerke Mit der Museumsinsel steht die bür- wie die heutige, zu führen, um alle aus dem 18. bis 20. Jahrhundert. Ein- gerliche Forderung nach Teilhabe ma Beteiligten bereits im Vorfeld einer geschlossen sind Teile des Potsdamer nifest im Stadtraum. 1841 verfügte Nominierung mitzunehmen, ist sehr Stadtgebietes, also ein „lebendiges der preußische König, die ganze Spree- begrüßenswert. Macht man es nicht, Welterbe“ und ein Kulturgut von au- insel hinter dem alten Museum zu weil man der Annahme ist, dass Einig ßergewöhnlicher Qualität. einer „Freistätte für Kunst und Wis- keit über die Absicht besteht, kann senschaft“ auszugestalten. Dem eine Nominierung schnell scheitern. Diese Welterbestätte wurde 1989 als 1830 von Schinkel erbauten alten Mu- Der öffentliche Dialog ist ein erster Residenzlandschaft der preußischen seum folgten weitere vier Museen, Schritt im Nominierungsprozess. Und Schlösser und Gärten in Potsdam in denen heute weit über 6.000 Wun- von daher bin ich auch der Einladung durch die ehemalige DDR vorge- derwerke der Kunst anzutreffen sind. zur heutigen Veranstaltung sehr gern schlagen. Seit 1990 stehen sie auf gefolgt. der Welterbeliste, ergänzt um die Die besonderen Werte, die zur Eintra- Bau- und Garten-Denkmale im benach- gung der Stätte führten, sind die Ent- Ich würde zuerst über das Berliner barten ehemaligen West-Berlin. Die wicklung des öffentlichen Museums Welterbe an sich sprechen, anschlie- historischen Stadtquartiere, royalen sowie eine Würdigung von 200 Jahren ßend über Herausforderungen und Residenzen und wunderschönen Park- Entwicklung modernen Museums Optionen von Welterbestätten und und Wasserlandschaften haben die designs, die die Museumsinsel re- dann über Potenziale und Nominie- UNESCO zur Eintragung veranlasst. präsentiert. Außerdem repräsentiert rungsaussichten. Die Bauwerke und Anlagen wurden sie die Verbindung von Architektur dank der Pläne von Peter Joseph und Ausstattungsgegenständen, bei- Auch Berlin hat Interesse an weiteren Lenné zu einer Gesamtkomposition de sind Eintragungstatbestand. Im Nominierungen. Aber es geht uns verflochten. Und auch Ideelles kommt Hinblick auf die stadträumlichen Qua- nicht um die Menge. Für uns ist es bei der Begründung zum Tragen: mon- litäten der Anordnung dieser fünf Mu- wichtig, über das Welterbe bei Einhei- archistische Staatsideen und bürgerli- seen ist auch der besondere urbane mischen wie Besuchenden Aufmerk- che Emanzipationsbestrebung auf der Raum in der historischen Mitte Berlins samkeit und Wertschätzung für das einen Seite, auf der anderen Seite die ein Eintragungstatbestand. kulturelle Erbe zu erreichen. Authen- Welterbestätte als Ort der Unterzeich- tizität, besonderer Wert und Einmalig- nung des Vier-Mächte-Abkommens im Die Eintragung orientiert sich an einem keit begeistern die Leute. Und Stolz Schloss Cecilienhof 1945. Masterplan für den Wiederaufbau der auf die Welterbestätten löst zugleich Museumsinsel, der im Ergebnis eines Bereitschaft aus, sich für deren Schutz Wettbewerbs entstand. Deshalb ist und Erhaltung einzusetzen. Mit dem das gerade im Bau befindliche neue Gefühl der Ehre nimmt man auch die Eingangsgebäude der James-Simon- Verpflichtung gegenüber diesem Welt- Galerie wie auch weitere Ergänzungen erbe anders wahr. des Pergamonmuseums bereits in die Nominierung impliziert. Die hochkom- Im Folgenden möchte ich die drei plizierten Wiederaufbau- und Sanie- Welterbestätten Berlins kurz vorstel- rungsprojekte laufen aller Voraussicht len, indem ich darauf eingehe, mit nach bis 2035. Dieser gesamte Kom- welchen Werten und Begründungen plex der Baumaßnahmen, einschließ- sie eingetragen sind. Denn bereits mit lich der Erweiterung, sind denkmal- einer präzisen Beschreibung dessen, technisch höchst ambitioniert und im was außergewöhnlich und universell – Moment Europas größtes kulturelles also schützenswert – ist, stellt man Investitionsprojekt überhaupt. die Weichen für die Entwicklung nach einer erhofften Eintragung. 20
Sie können auch lesen