Pflege und Betreuung in Wien 2030 Vorausschauend und vorbereitet - Strategiekonzept

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Pflege und Betreuung in Wien 2030
    Vorausschauend und vorbereitet
                       Strategiekonzept


Inhalt
Vorwort                      .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2
1.	Einleitung  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 4
2.	Aktuelle und künftige Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
   Demografische Herausforderungen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 5
   Gesellschaftliche Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
   Herausforderungen des österreichischen Pflegevorsorgesystems  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 11
   Herausforderungen des Wiener Pflegevorsorge­systems  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 14
3.	Vision Pflege und Betreuung in Wien 2030 .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 17
4.	Leitlinien Pflege und Betreuung in Wien 2030 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
   Leitlinie 1 | Gezielte Information, gestützte Entscheidungsfindung und
   vereinfachter Zugang zu den Pflege- und Betreuungsleistungen in Wien  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 20
   Leitlinie 2 | Selbstständige Lebensführung bis ins hohe Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
   Leitlinie 3 | Integrierte Versorgung mit individuellen, flexiblen und
   durchlässigen Pflege- und Betreuungsangeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
   Leitlinie 4 | Inklusive Pflege- und Betreuungsleistungen, die für alle gesellschaftlichen
   Gruppen zugänglich und auf alle unterschiedlichen Formen und Stadien
   von Pflege- und Betreuungsbedarfen vorbereitet sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
   Leitlinie 5 | Frühzeitige Entlastung und zielgerichtete Unter­stützung der
   pflegenden bzw. betreuenden ­Angehörigen, insbesondere von Frauen, sowie ­
   flankierende Maßnahmen für Freiwillige .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 28
   Leitlinie 6 | Partizipation, aktive Teilhabe und Prävention – die Eckpunkte
   einer neuen SeniorInnenpolitik in Wien  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 30
   Leitlinie 7 | Pflege und Betreuung als Produktivfaktor und wichtige Investition
   in die Zukunft unserer Stadt  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 33
   Leitlinie 8 | Ein nachhaltiges Finanzierungssystem sowie ein ­sozial ausgewogenes
   Kostenbeitragssystem tragen zur Finanzier- und Leistbarkeit der Pflege und ­
   Betreuung in Wien auch in Zukunft bei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
   Leitlinie 9 | Evidenzbasierte Planung und wirkungsorientierte Steuerung sichern
   die Versorgung der WienerInnen mit qualitativ hochwertigen Pflege- und
   Betreuungs­angeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
5.	Literatur, Abbildungs- und Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
6.	Anhänge  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 39
   Ergebnisse eines Feedback-Workshops zum Strategiekonzept mit den Wiener
   Sozialeinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
   Evaluierung der Umsetzung des Geriatriekonzepts 2004  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 46

                                                                                                                                                                                                                              1
Pflege und Betreuung in Wien 2030 | Strategiekonzept

                                                      Vorwort

                                                      Sehr geehrte Damen und Herren,

                                                      das Thema Pflege und Betreuung trifft uns alle, obwohl es
                                                      sehr oft verdrängt wird. Früher oder später sind auch wir da-
                                                      von betroffen, entweder weil wir Angehörige mit Pflege- oder
                                                      Betreuungsbedarf haben bzw. betreuen oder weil wir selbst
    Foto: Peter Rigaud

                                                      Unterstützung benötigen. Umso wichtiger ist die Frage, wie
                                                      die Pflege und Betreuung in den nächsten Jahren angesichts
                                                      der demografischen Entwicklungen organisiert und finanziert
                                                      wird. Während die einen ganz bewusst Horrorszenarien ent-
                                                      wickeln, um das Geschäft mit Pflegeversicherungen etc. an-
                         zukurbeln, sind andere wiederum damit beschäftigt, zu kalmieren oder nur stolz auf das
                         Erreichte zu verweisen und die Zukunft auszublenden. Als amtsführende Stadträtin für Ge-
                         sundheit, Soziales und Generationen liegen mir beide Handlungsweisen nicht. Mir ist es des-
                         halb wichtig, anhand von evidenzbasierten Fakten, eine Strategie zu erarbeiten, die dann als
                         Grundlage für die Umsetzung dient.

                         Das Geriatriekonzept 2004 wurde durch die Geriatriekommission erarbeitet und in Folge
                         umgesetzt. Ich bin stolz darauf, dass dieses Konzept fristgerecht 2015 umgesetzt wurde. Die
                         Stadt Wien hat rund 919 Mio. Euro für die Modernisierung der Pflege und Betreuung aufge-
                         wendet. Den Wienerinnen und Wienern steht nunmehr ein qualitativ hochwertiges und vor
                         allem vielfältiges Angebot an Pflege- und Betreuungsleistungen zur Verfügung. Der Fonds So-
                         ziales Wien steuert nicht nur dieses Angebot, sondern sorgt dafür, dass die Wienerinnen und
                         Wiener im Falle eines Pflege- oder Betreuungsbedarfes, die entsprechende Unterstützung
                         erhalten, die sie brauchen. Und die Pflege- und Betreuungsangebote in Wien sind aufgrund
                         der sozialen Staffelung der Kostenbeiträge für alle Wienerinnen und Wiener leistbar – ein
                         Punkt der mir besonders wichtig ist. Die Grundlage für eine ausreichende und wohnortnahe
                         Versorgung bildete wiederum der Bedarfsplan der MA 24.

                         Die Wienerinnen und Wiener können sich auch in Zukunft auf die Stadt Wien verlassen. Das
                         Strategiekonzept Pflege und Betreuung in Wien 2030 stellt nun die Weichen für die nächsten
                         15 Jahre. Damit die Pflege und Betreuung auch in Zukunft gesichert ist.

                         Im Unterschied zum Geriatriekonzept 2004 liegt der Schwerpunkt diesmal nicht im Bau neu-
                         er Einrichtungen, sondern bei der inhaltlichen Weiterentwicklung der Angebote sowohl im
                         mobilen und teilstationären Bereich als auch bei den Wohnangeboten mit integrierten Pflege-
                         und Betreuungsleistungen. Die Angebote in der mobilen Betreuung werden flexibler, für die
                         Angehörigen wurde ein Unterstützungspaket entwickelt und die präventiven und rehabilita-
                         tiven Angebote werden forciert. Zusätzlich übernehmen die Wohnangebote mit integrierten
                         Pflege- und Betreuungsleistungen neue Versorgungsaufgaben, insbesondere im Bereich der
                         Remobilisation und Stabilisation. Die Maßnahmen der Strategie ermöglichen den Ausbau

2
 Vorwort

der Pflege- und Betreuungsleistungen ohne einen weiteren Ausbau von stationären Plätzen.
Die Basisversorgung der Wienerinnen und Wiener ist durch die bestehenden Einrichtungen
gewährleistet. Zusätzlich sollen das altersgerechte Wohnen bzw. alternative Wohnformen
verstärkt gefördert werden.

Als amtsführende Stadträtin sowohl für den Gesundheits- als auch den Sozialbereich, zu
dem auch die Pflege und Betreuung zählt, ist es mir ein ganz großes Anliegen, die Schnitt-
stellen zwischen diesen beiden Systemen zu beseitigen und die Kommunikation und Koope-
rationen auf eine neue Basis zu stellen. Die Wienerinnen und Wiener sollen in Zukunft eine
Leistung aus einem Guss erhalten und sich nicht über Zuständigkeiten den Kopf zerbrechen.
Die Leistungen sollen auch dort erbracht werden, wo sie am effizientesten und besten orga-
nisiert werden können (Best point of service). Dies spielt Mittel für die Weiterentwicklung
und den Ausbau der Pflege und Betreuung in Wien frei.

Die neue Durchlässigkeit erstreckt sich aber nicht nur auf das Gesundheits- und Sozial-
wesen, sondern auch auf die Leistungen in der Pflege und Betreuung selbst. Die bisherige
strikte Trennung zwischen mobiler und stationärer Versorgung sowie die meist linearen Ver-
läufe in der Pflegekette müssen sich hin zu einem durchlässigeren und vor allem reversiblen
System entwickeln. Stationäre Pflege- und Betreuungsleistungen sollen stärker zur tempo-
rären Inanspruchnahme genutzt werden. Ziel ist die gesundheitliche Stabilisierung und die
Wiedererlangung der Selbstständigkeit der Betroffenen und die Rückkehr in die gewohnte
Wohnumgebung. Dies entspricht auch dem Wunsch der Wienerinnen und Wiener, möglichst
selbstständig so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben zu können.

Angesichts des Rückgangs der Verwandtenpflege und -betreuung, hat der Ausbau der mobi-
len Versorgung oberste Priorität. Dies bedeutet aber nicht nur eine quantitative Steigerung,
sondern auch die Entwicklung neuer, vor allem flexibler Angebote (z.B. Nachtbetreuung). Zu-
sätzlich wird die Stadt Wien ein Angehörigenpaket schnüren, das zur Entlastung der Angehö-
rigen beitragen wird. Gerade in einer Zeit von größerer Mobilität und Flexibilität, erscheint
es mir vor allem aus frauenpolitischer Sicht entscheidend, entsprechende Unterstützungs-
angebote zu entwickeln, die die Versorgung und Betreuung unserer Angehörigen sicherstellt.

Wie bereits das Geriatriekonzept 2004 wird das nun vorliegende neue Strategiekonzept Pfle-
ge und Betreuung in Wien 2030 in den nächsten Jahren Schritt für Schritt umgesetzt, damit
sich die Wienerinnen und Wiener im Falle eines auftretenden Pflege- oder Betreuungsbedar-
fes auch 2030 sicher sein können, dass es das passende Angebot für sie gibt.

Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Sonja Wehsely
Stadträtin für Gesundheit, Soziales und Generationen

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Pflege und Betreuung in Wien 2030 | Strategiekonzept

          1. Einleitung

          Das vorliegende Strategiekonzept Pflege         Die Ergebnisse dieses Prozesses finden Sie
          und Betreuung in Wien 2030 wurde im Rah-        in diesem Bericht. Entlang der Leitlinien
          men eines Projektes und unter Beteiligung       wird die Stadt Wien das Angebot an Pflege-
          von Fonds Soziales Wien (FSW), Kuratorium       und Betreuungsleistungen in den nächsten
          Wiener Pensionisten-Wohnhäuser (KWP),           Jahren weiter entwickeln. Die Erstellung
          Teilunternehmung Pflegewohnhäuser des           der Strategie Pflege und Betreuung in Wien
          Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV),         2030 stellt demnach keinen Endpunkt, son-
          Dachverband Wiener Sozialeinrichtungen          dern den Beginn eines Prozesses dar. Die
          (DV), Büro der Geschäftsgruppe Gesundheit,      Maßnahmen müssen noch konkretisiert
          Soziales und Generationen (GSG) sowie Ma-       werden, in manchen Fällen bedarf es auch
          gistratsabteilung 24 Gesundheits- und So-       einer Abstimmung mit anderen Politikbe-
          zialplanung, Gruppe Berichterstattung und       reichen (z.B. dem Gesundheitswesen) oder
          Sozialplanung (MA 24) erarbeitet. Die Pro-      einer österreichweiten Vorgehensweise.
          jektleitung oblag der MA 24.                    Daher wurde auch bei der Erstellung des
                                                          Strategiepapiers auf die Anschlussfähig-
          Der Prozess gliederte sich in mehrere Phasen:   keit an das aktuelle Regierungsprogramm
                                                          der österreichischen Bundesregierung, die
          1.   Bewertung der Umsetzung des Geriat-        Ergebnisse der Reformarbeitsgruppe Pfle-
               riekonzepts (Ergebnisse im Anhang)         ge sowie auf die Projekte des Wiener Lan-
          2.   Definition der derzeitigen und künftigen   deszielsteuervertrages geachtet. Das Papier
               Herausforderungen in der Pflege und Be-    baut auf dem Geriatriekonzept 2004 auf und
               treuung                                    setzt für die nächsten 15 Jahre neue Akzente
          3.   Erarbeitung der Leitlinien Pflege und      und Schwerpunkte. Im Mittelpunkt steht die
               Betreuung in Wien 2030 (Kernstück)         Durchlässigkeit der Angebote. Eine Bevor-
          4.   Erstellung eines groben Maßnahmen-         rangung der mobilen Versorgung (vor einer
               plans                                      stationären Versorgung) wird nicht mehr
          5.   Feedback-Workshop zum Strategiekon-        explizit gefordert; vielmehr steht die Fra-
               zept mit den Wiener Sozialeinrichtungen    ge nach der geeignetsten Versorgungsform
               (Ergebnisse im Anhang).                    für die jeweilige Situation im Vordergrund.
                                                          Das Prinzip ambulant vor stationär wurde
                                                          abgelöst durch das Prinzip Prävention und
                                                          Rehabilitation vor Langzeitpflege.

4
Aktuelle und künftige Herausforderungen

2. Aktuelle und künftige
   Herausforderungen

Ziel der Strategie ist es, die Pflege- und Be-              niert. Die nachfolgenden Darstellungen – die
treuungsangebote in Wien kontinuierlich                     sich auf die wichtigsten Herausforderun-
weiterzuentwickeln und bestmöglich an die                   gen beschränken – unterscheiden zwischen
sich stets wandelnden Lebensrealitäten der                  exogenen (Demografie, gesellschaftliche
Menschen anzupassen. Daher wurden in ei-                    Entwicklungen) und endogenen Herausfor-
nem ersten Schritt die Umsetzung des Geri-                  derungen (Österreichisches Pflegevorsorge-
atriekonzepts 2004 evaluiert (Ergebnisse im                 system, Wiener Pflegevorsorgesystem). Die
Anhang) und in einem weiteren Schritt die                   Herausforderungen und möglichen Folgen
aktuellen und künftigen Herausforderungen                   werden jeweils in einer Eingangsgrafik dar-
für die Pflege und Betreuung in Wien defi-                  gestellt und im Folgenden kurz beschrieben.

2.1. Demografische Herausforderungen

                                            Demografische Entwicklungen

        Anstieg älterer
                                                                      Anstieg von           Veränderungen
      Personen aufgrund                 gestiegene
                                                                     Einpersonen­            im Verhältnis
       geburtenstarker               Lebenserwartung
                                                                      haushalten              Jung zu Alt
          Jahrgänge

                                                                                               Rückgang ­
        mehr formelle               Anstieg Hoch­altriger            mehr formelle ­­
                                                                                           informelle Pflege,
         Pflege- und                  und ev. höhere                  Pflege- und
                                                                                          Finanzierungs­lücke,
    Betreuungsleistungen              Pflegeintensität           Betreuungs­leistungen
                                                                                           Personal­eng­pässe

Abbildung 1: Demografische Entwicklung
Quelle: MA 24, eigene Darstellung

                                                                                                                 5
Pflege und Betreuung in Wien 2030 | Strategiekonzept

                     Wien wird vor 2030 die zwei-Millionen-                                                                             bilanz zurückzuführen. Die Bevölkerungs-
                     EinwohnerInnenmarke überschritten ha-                                                                              prognose der nächsten zehn Jahre zeigt ei-
                     ben. Der Zuwachs ist sowohl auf steigende                                                                          nen deutlichen Zuwachs in der Altersgruppe
                     Geburtenzahlen (aufgrund der Zuwande-                                                                              der unter 15-Jährigen (+16%) sowie der über
                     rung von Frauen im gebärfähigen Alter) bei                                                                         75-Jährigen (+37%). Wien wird also gleich-
                     gleichzeitig konstanter Sterberate wie auch                                                                        zeitig älter und jünger.1
                     auf eine andauernde positive Wanderungs-

                                                            95
                                                                                                                                               Anstieg der älteren Personen
                                                                                                     A
                                                            90                                                                                 Die Gesamtanzahl der Personen, die das
                                                            85
                                                            80
                                                                                                                B
                                                                                                                          C                    75. Lebensjahr vollendet haben, wird im
                                                            75
                                                                                                                                               Jahr 2030 um 39% höher sein als 2015.
                                                            70
                                                            65                                                                                 Der Anstieg in der Personengruppe der
                                                            60                                                                      D

                                                            55
                                                                                                                                               über 85-Jährigen wird noch stärker
                                                            50                                                                  E
                                                                                                                                               ausfallen. Nach einer vorübergehenden
                                                            45
                                                            40                                                                                 Abnahme dieser Personengruppe wird
                                                            35
                                                            30
                                                                                                                                               die Anzahl der über 85-Jährigen, die den
                                                            25                                              F                                  Hauptteil der gepflegten und betreuten
                                                            20
                                                            15                                                                                 WienerInnen stellen, im künftigen Pla-
                                                            10
                                                             5
                                                                                                                                               nungszeitraum von 2015 bis 2030 um
                                                             0                                                                                 rund 20.000 Personen ansteigen (+47%).
    1,0                        0,5                   0,0         0,0                  0,5                           1,0
                                                                                                                                               Der Anstieg der älteren Personen wird
     A         Geburtenausfall in den 1930er-Jahren               D    Babyboom in den 1960er-Jahren
     B         Babyboom in den 1940er-Jahren                      E    Geburtenrückgang in den 1970er-Jahren                                   in den nächsten Jahren vor allem einen
     C         Geburtenausfall zum Ende des 2. Weltkriegs         F    Geburtenrückgang in den 1990er-Jahren
                                                                                                                                               höheren Bedarf an mobilen Leistungen
    Abbildung 2: Altersstruktur nach Geschlecht, 2014 (Wien)                                                                                   mit sich bringen.
    Quelle: MA 23, bearbeitet durch die MA 24

                 200.000
                 180.000
                 160.000
                 140.000
    Personen

                 120.000
                 100.000
                  80.000
                  60.000
                  40.000
                  20.000
                        0
                                     2011    2012    2013         2014    2015     2016       2017       2018        2019           2020    2021   2022   2023   2024   2025   2026   2027   2028   2029   2030

                                                                                 Männer 75+                                   Gesamt 75 +                  Frauen 75+
                                                                                 Männer 85+                                   Gesamt 85+                   Frauen 85+

    Abbildung 3: Bevölkerungsentwicklung 75+ und 85+, 2010–2030 (Wien)
    Quelle: Statistik Austria – Bevölkerung im Jahresdurchschnitt für Österreich und die Bundesländer 1952 bis 2075, berechnet durch die MA 24

6
Aktuelle und künftige Herausforderungen

Gestiegene Lebenserwartung                                                  ausgegangen werden, dass es zu einer Ver-
Der stetige Anstieg der allgemeinen Lebens-                                 schiebung des Beginns der Pflegebedürf-
erwartung ist auch mit einem bemerkens-                                     tigkeit in spätere Lebensjahre kommt. Au-
werten Zuwachs an Lebensjahren in guter                                     ßerdem steigt der Anteil der „Jahre ohne
Gesundheit verbunden. Daher kann davon                                      chronische Krankheiten“ stetig an.

                                         Frauen                                                                  Männer
                   Lebenserwartung in Jahren                        Anteil der             Lebenserwartung in Jahren                     Anteil der
           zusammen                davon Jahre …                   Jahre ohne      zusammen               davon Jahre …                 Jahre ohne
 Jahr
                                                                   chronische                                                           chronische
                                ohne                mit             Krankheit                         ohne               mit             Krankheit
                             chronische         chronischer            (%)                         chronische        chronischer            (%)
                              Krankheit          Krankheit                                          Krankheit         Krankheit
2010            21,0               7,2              13,9                 34           17,7                7,6             10,0                43
2011            21,2               8,3              12,9                 39           17,9                8,0               9,9               45
2012            21,0               8,8              12,2                 42           17,8                8,4               9,4               47
2013            21,2               9,1              12,1                 43           17,9                8,4               9,5               47

Tabelle 1: Fernere Lebenserwartung im Alter von 65 Jahren, 2010–2013 (Österreich)
Quelle: Statistik Austria – Sterbetafeln und EU­SILC, bearbeitet durch die MA 24

Allerdings kommt es in den Jahren der Pfle-                                   in den nächsten Jahren stark zunehmen.
gebedürftigkeit immer häufiger zu einer                                       Bundesweit wird von 165.000 demenz-
Steigerung der Pflegeintensität und zu Mul-                                   kranken Personen im Jahr 2030 ausgegan-
timorbidität – insbesondere durch Demenz.                                     gen.2
Eine demenzielle Erkrankung ist der Auf-
nahmegrund bei fast 50% aller Aufnahmen                                       Verhältnis Jung zu Alt
in stationäre Pflegeeinrichtungen. Durch die                                  Wien wird gleichzeitig älter und jünger.
Veränderungen in der Altersstruktur der Be-                                   Das Verhältnis von Jung zu Alt tendiert in
völkerung und durch die steigende Lebens-                                     den nächsten Jahrzehnten dennoch zu ei-
erwartung wird die Prävalenz der Demenz                                       nem größeren Anteil älterer Menschen.

                                                                  Altersindizes für Wien
Jahr                                     2010              2015           2020          2025             2030           Veränderung 2010–2030
Hochbetagtenquote                        2,4               2,4             2,1           2,4              3,1                      30,7%
Berechnung: Anzahl der 85­jährigen und älteren WienerInnen pro 100 WienerInnen
Jahr                                     2010              2015           2020          2025             2030           Veränderung 2010–2030
Ageing Index                             87,0              88,2           86,7          88,8              94,3                      8,4%
Berechnung: Anzahl der 65­jährigen und älteren WienerInnen pro 100 WienerInnen unter 20 Jahren
Jahr                                     2010              2015           2020          2025             2030           Veränderung 2010–2030
Greying Index                            38,8              33,4           35,8          44,1              44,7                     15,0%
Berechnung: Anzahl der 80­jährigen und älteren WienerInnen pro 100 WienerInnen zwischen 65 und 79 Jahren

Tabelle 2: Altersindizes für Wien
Quelle: Statistik Austria – Bevölkerung im Jahresdurchschnitt für Österreich und die Bundesländer 1952 bis 2075, berechnet durch die MA 24

                                                                                                                                                      7
Pflege und Betreuung in Wien 2030 | Strategiekonzept

              Die Hochbetagtenquote zeigt den Anteil der             Anstieg von Einpersonenhaushalten
              ältesten Personen in Wien auf. Im Jahr 2030            Wien weist bundesweit den höchsten Anteil
              wird der Anteil der Hochbetagten um 30%                an Ein-Personen-Haushalten auf, wobei die
              gegenüber 2010 gestiegen sein. Der Ageing              Anzahl der Ein-Personen-Haushalte in den
              Index misst die Verschiebungen von Jung zu             letzten Jahren stetig gestiegen ist. Außer-
              Alt. 2030 wird sich der Anteil der alten Wie-          dem hat Wien auch den höchsten Anteil an
              nerInnen (65+) zu den jungen WienerInnen               kinderlosen Paaren.3
              (unter 20 Jahre) um 8% gesteigert haben. Der
              Greying Index hingegen beschreibt den Al-              Diese Zahlen spiegeln gesellschaftliche
              terungsprozess in der älteren Bevölkerung.             Entwicklungen wider, die das zukünftige
              Bis zum Jahr 2030 verschieben sich die hö-             Pflege- und Betreuungssystem maßgeblich
              heren Alterskohorten derart, dass 15% mehr             beeinflussen. Kinderlose Paare sind auf die
              über 80-Jährige unter der Bevölkerung ab               Unterstützung der – oftmals gleichaltrigen
              65 Jahren zu finden sind als 2010.                     – PartnerInnen angewiesen und alleinleben-
                                                                     den Personen fehlt häufig jegliche informel-
              Diese Änderungen haben einerseits Aus-                 le Hilfestellung, sodass früher und häufiger
              wirkungen auf das informelle und formelle              (mobile) Pflege- und Betreuungsleistungen
              Pflege- und Betreuungspotenzial, anderer-              in Anspruch genommen werden müssen.
              seits auf die Finanzierung.

              2.2. Gesellschaftliche Herausforderungen

            passendes Angebot?          vielfältigere und individuellere Angebote      Kosten? Erleichterungen?

              neue Zielgruppen              Migration, diversere Gesellschaft          technologischer Fortschritt
        (Menschen mit Behinderun­
                                                                                      (E-Health, Ambient Assisted
        gen, junge Menschen, ältere
                                                                                            Living (AAL) …)
          Drogenabhängige, …)
                                         Gesellschaftliche Entwicklungen
         steigende Individualität,                                                  Rückgang der informellen Pflege:
             selbstbewusste                                                         Frauenerwerbstätigkeit, höheres
       KonsumentInnen, Wunsch zu          Veränderungen der Arbeitslosigkeit/        Pensionsalter von Frauen, neue
        Hause gepflegt zu werden         Veränderungen der Einkommenshöhen              Lebensformen, Mobilität

              vielfältigere und               Auswirkungen auf Kosten-                 stärkere Nachfrage nach
          individuellere Angebote             beiträge, informelle Pflege?                 formeller Pflege

    Abbildung 4: Gesellschaftliche Herausforderungen
    Quelle: MA 24, eigene Darstellung

8
Aktuelle und künftige Herausforderungen

Steigende Individualität                      miert, die neue Technologien und ein sozia-
Die zunehmende Pluralität in der Gesell-      les Umfeld miteinander verbinden, mit dem
schaft bedingt eine individuellere und fle-   Ziel, die Lebensqualität für Menschen in al-
xiblere Angebotsstruktur der Dienstleis-      len Lebensabschnitten, vor allem im Alter,
tungen der Stadt Wien. Der Wunsch der         zu erhöhen. Sie sollen (lt. Arbeitsprogramm
BürgerInnen, auch im Pflege- und Betreu-      der österreichischen Bundesregierung) dazu
ungsfall möglichst lange zuhause sein zu      beitragen, die Selbstständigkeit älterer
können, setzt eine adäquate Wohnsituation     Menschen in gewohnter Wohnumgebung
voraus. Wohnungen müssen barrierefrei         länger zu erhalten.5
zugänglich und nutzbar sein, sodass kleine
Beeinträchtigungen nicht dazu führen, eine    Derzeit gibt es noch keine Strukturen, die
ansonsten eigenständige Lebensführung         den Einsatz von AAL-Produkten flächende-
aufzugeben. Auch die Grundrissplanung         ckend fördern. Die Skepsis bei den Betroffe-
und Größe der Wohnung spielen eine Rolle,     nen, den DienstleisterInnen und Fördergebe-
wenn anstelle einer stationären Unterbrin-    rInnen ist groß. Neben Akzeptanzproblemen
gung eine 24-Stunden-Betreuung eingesetzt     (Umgang mit neuen Technologien etc.), gibt
werden soll. Der Wunsch nach alternativen     es auch ethische (Überwachung etc.) und
Wohnformen im Alter – also nach indivi-       ungeklärte finanzielle Fragen (Wartungs-
duellen Wohnformen mit Betreuungs- und        kosten etc.). Es ist aber davon auszugehen,
Pflegeangeboten – wird auch hier eine stär-   dass die zunehmende Technologisierung der
kere Nachfrage erzeugen.                      Haushalte die Akzeptanz und technische
                                              Machbarkeit in den nächsten Jahren erhö-
Neue Zielgruppen                              hen wird.
Der medizinische Fortschritt führt dazu,
dass sich die Lebenserwartung von Men-        Steigende Anzahl älterer MigrantInnen
schen mit Behinderung an jene der Ge-         Bis 2030 wird sich die Anzahl der WienerIn-
samtbevölkerung angleicht. Das bedeutet       nen über 60 Jahre, die nicht in Österreich
allerdings, dass im höheren Lebensalter       geboren wurden, stark erhöhen. WienerIn-
zusätzlich zur Behinderung altersbedingte     nen, die in Serbien, Montenegro oder dem
Beeinträchtigungen entstehen und zusätzli-    Kosovo geboren wurden, stellen mit 23.851
cher Pflege- und Betreuungsbedarf gegeben     Personen die größte Personengruppe mit
ist. Die Pflege und Betreuung von morgen      nicht-österreichischem Geburtsland. Die-
sieht sich daher sowohl einer steigenden      se Bevölkerungsgruppe wird bis 2030 um
Nachfrage von (jüngeren) Menschen mit         54% bzw. mehr als 12.900 Personen anwach-
schwerster Behinderung als auch von älte-     sen. Andere Bevölkerungsgruppen der über
ren Menschen mit Behinderung gegenüber.       60-Jährigen werden sich – je nach Geburts-
                                              land – mehr als verdreifachen (Türkei, Slo-
Technologischer Fortschritt                   wakei, Bosnien und Herzegowina), mehr als
Noch haben sich Ambient Assisted Living-      vervierfachen (Rumänien, Russische Föde-
Produkte (AAL) im Pflege- und Betreuungs-     ration) oder im Fall von Personen aus Bul-
bereich nicht durchgesetzt. Unter dem         garien sogar versechsfachen. Das bedeutet
Begriff der AAL werden laut dem Positions-    aus den genannten Bevölkerungsgruppen
papier der AAL Vision Österreich4 Konzepte,   eine Zunahme von mehr als 58.400 Perso-
Produkte und Dienstleistungen subsum-         nen, während die in Österreich geborenen

                                                                                                9
Pflege und Betreuung in Wien 2030 | Strategiekonzept

                                WienerInnen im gleichen Zeitraum um mehr                                   ausgeprägten sozialen Umfeld sowie an der
                                als 27.000 Personen steigen werden.6                                       vorhandenen Sprachbarriere.7 Bei der stati-
                                                                                                           onären Versorgung zeigt sich ein ähnliches
                                Allerdings unterscheiden sich die einzelnen                                Bild. Alle Bevölkerungsgruppen – mit Aus-
                                Bevölkerungsgruppen in der Inanspruch-                                     nahme der Personen aus der Slowakei – sind
                                nahme sowohl von mobilen wie auch sta-                                     deutlich seltener stationär versorgt: 33% der
                                tionären Pflege- und Betreuungsleistungen                                  in Österreich geborenen WienerInnen, zwi-
                                deutlich. Während rund 26% der in Öster-                                   schen 4% und 15% der nicht in Österreich
                                reich geborenen Personen über 85 Jahre                                     geborenen WienerInnen.8 Gründe für die-
                                eine mobile Pflege- oder Betreuungsleistung                                se Unterschiede können in der Religion, in
                                erhalten, sind es – mit Ausnahme der Per-                                  der Kultur, in der Familiensituation oder im
                                sonen aus der Slowakei – nur zwischen 0%                                   Gesundheitszustand der Betroffenen liegen,
                                und 13% der oben genannten Bevölkerungs-                                   aber auch durch Sprachbarrieren und Infor-
                                gruppen. Das liegt zu einem großen Teil am                                 mationsdefizite bedingt sein.

                                 Abbildung 5:
                                 KundInnen 85+ der                    ambulante Pflege                                                                                                      station
                                 ambulanten Pflege           30,0%        26,00%                                                                                                   60,0%
                                                                                                                                 24,20%
                                 nach Geburtsland            25,0%                                                                                                                 50,0%
                                 (2011)                      20,0%                                                                                                                 40,0%        33,3
                                                             15,0%                                     12,80%                                                                      30,0%
                                                             10,0%                                                                            7,20%                                20,0%
                                                                                                                                                           3,20%           4,50%
                                                              5,0%                        2,90%                                                                                    10,0%
                                                                                                                   0,00%
                                                              0,0%                                                                                                                  0,0%
                                                                                           .
                                                                                         , ..

                                                                                                       na

                                                                                                                   ei

                                                                                                                                     i

                                                                                                                                              n

                                                                                                                                                           n

                                                                                                                                                                           n
                                                                                                                                 ke
                                                                          ich

                                                                                                                                                                                                ich
                                                                                                                                          nie

                                                                                                                                                         tio

                                                                                                                                                                       rie
                                                                                                                  rk
                                                                                      ro

                                                                                                     wi

                                                                                                                               wa
                                                                      re

                                                                                                                                                                                            re
                                                                                                                                                         ra
                                                                                                                  Tü
                                                                                     eg

                                                                                                                                                                      lga
                                                                                                                                          mä
                                                                                                  go
                                                                     ter

                                                                                                                                                                                           ter
                                                                                                                                                      de
                                                                                                                           Slo
                                                                                  ten

                                                                                                                                                                  Bu
                                                                                                 ze

                                                                                                                                         Ru

                                                                                                                                                    Fö
                                                                     Ös

                                                                                                                                                                                           Ös
                                                                                on

                                                                                                er

                                                                                                                                                   he
                                                                                            dH
                                                                               ,M

                                                                                                                                               isc
                                                                                          un
                                                                           ien

                                                                                                                                                                                                 ie
                                                                                                                                              ss
                                                                                      ien
                                                                          rb

                                                                                                                                                                                                rb
                                                                                                                                          Ru
                                                                      Se

                                                                                                                                                                                            Se
                                                                                     sn
                                                                                    Bo

                                 Abbildung 6:                         stationäre Pflege
                                 KundInnen 85+ der           60,0%
           24,20%                                                                                                                49,50%
                                 stationären Pflege          50,0%
                                 nach Geburtsland            40,0%         33,30%
                                 (2011)                      30,0%
                        7,20%                                20,0%                                       15,40%
                                               4,50%                                                                                          10,20%          8,80%
                                    3,20%                                                 6,90%                        5,40%                                               4,50%
                                                             10,0%
 0,00%
                                                              0,0%
                                                                                           ...

                                                                                                         na
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               i

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                                                                                                                                     i

                                                                                                                                               n

                                                                                                                                                              n

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           ke

                                                                                                                      e

                                                                                                                                 ke
                                                                          ich

                                                                                            ,
                     nie

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                                                                                                                                              nie

                                                                                                                                                           tio

                                                                                                                                                                        rie
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                                                                                                                   rk
                                                                                         ro

                                                                                                      wi
                                  ati
          wa

                                                                                                                                wa

                                 Quelle:
                                                                          re

                                                                                                                                                         ra
Tü

                                                                                                                  Tü
                                            lga

                                                                                     eg

                                                                                                                                                                      lga
                    mä

                                                                                                                                          mä
                                                                                                     go
                                er

                                                                      ter

                                                                                                                                                        de
         Slo

                                                                                                                               Slo
                                                                                    ten
                                          Bu

                                                                                                                                                                      Bu
                                d

                                                                                                    ze
                   Ru

                                                                                                                                         Ru
                             Fö

                                                                                                                                                      Fö
                                                                     Ös

                                 Sirlinger, Kröß:
                                                                                 on

                                                                                                 er
                          he

                                                                                                                                                    he
                                                                                            dH
                                                                                ,M
                         isc

                                                                                                                                                isc

                                 Spezialbericht
                                                                                           un
                                                                            ien
                        ss

                                                                                                                                               ss
                                                                                         ien
                                                                          rb
                     Ru

                                                                                                                                              Ru
                                                                          Se

                                 Migrationshintergrund der
                                                                                     sn
                                                                                     Bo

                                 Kundinnen und Kunden
                                 des Fonds Soziales Wien,                                            Anteil der Personen in Wien
                                 Wien 2013                                                           Anteil der Personen mit dem jeweiligen Geburtsland

           10
Aktuelle und künftige Herausforderungen

Veränderungen der Arbeitslosigkeit und Ein-              Rückgang des informellen       Pflege-   und
kommen                                                   Betreuungs­potenzials
Wieweit sich Veränderungen der Arbeitslo-                Die informelle Pflegearbeit erfolgt zu einem
sigkeit auf das informelle Pflege- und Be-               großen Teil von Frauen. Gleichzeitig stei-
treuungspotenzial auswirken, ist ungeklärt.              gen die Frauenerwerbsquote und das Frau-
Dass eine prekäre Lebenssituation durch-                 enpensionsantrittsalter. Dadurch wird der
aus negative Auswirkungen auf den Ge-                    Anteil der informellen Pflege- und Betreu-
sundheitszustand und die Lebenserwartung                 ungsarbeit sinken. Zusätzlich erschwert die
hat, ist nachgewiesen. Zusätzlich ist länger-            gestiegene Mobilität in unserer Gesellschaft
fristig mit sinkenden Pensionseinkommen                  und die zeitliche Flexibilität am Arbeits-
(Pensionsreform 2000, keine durchgängigen                markt die Pflege und Betreuung von Ange-
Erwerbsbiografien mehr etc.) und damit ge-               hörigen.
ringeren Eigenmitteln der Betroffenen (was
höhere Förderungen bedeutet) zu rechnen.

2.3. Herausforderungen des österreichischen Pflegevor-
sorgesystems

                                        Pflegevorsorgesystem in Österreich

                                                                  Schnittstellen
                                       Ausstieg aus                                         Reform des
          Pflegefonds­                                          Gesundheitswesen
                                      der Sozialhilfe­                                 ­Gesundheitswesens
          finanzierung                                         (Sozialversicherung)
                                       finanzierung                                       (Zielsteuerung)
                                                                 – Sozialbereich

       Zukunft (Finanz­
                                                                                       Entlastung des Akut­
         ausgleichs-                Finanzierungsform?         Gesundheitsreform
                                                                                        bereiches à Mehr­
       Verhandlungen),                 Mehrkosten?                als Chance?
                                                                                       kosten in der Pflege
      Vereinheitlichung?

Abbildung 7: Pflegevorsorgesystem in Österreich
Quelle: MA 24, eigene Darstellung

                                                                                                              11
Pflege und Betreuung in Wien 2030 | Strategiekonzept

              Die Herausforderungen des österreichi-                 Entwicklungen der letzten Jahre deuten je-
              schen Systems der Pflegevorsorge setzen an             denfalls auf eine Ausweitung der Sachleis-
              drei Punkten an:                                       tungen hin, während die Ausgaben für das
                                                                     Pflegegeld nicht im selben Ausmaß gestie-
              99
               große Zahl an Schnittstellen (Zuständig-              gen sind.
                    keiten),
              99    Sozialhilfefinanzierung und                      Ausstieg aus der Sozialhilfefinanzierung
              99    Uneinheitlichkeit von Angeboten, Finan-          Der Ausstieg aus der Sozialhilfefinanzierung
                    zierung, Versorgung etc.                         wird bereits seit langem diskutiert. Anders
                                                                     als im beitragsfinanzierten Gesundheitssys-
              Unterschiedliche Anschauungen gibt es                  tem werden die Kosten der Pflege und Be-
              auch über die Frage des Verhältnisses bzw.             treuung auch zu einem erheblichen Anteil
              der Wirkungen von Geld- und Sachleistun-               von den Betroffenen getragen. 2013 betrug
              gen. Während die BefürworterInnen von                  der Kostendeckungsgrad (aus Beiträgen und
              Geldleistungen vor allem die Autonomie und             Ersätzen) in Wien im stationären Bereich
              die Wahlmöglichkeit der NutzerInnen sowie              36% und bei den mobilen Diensten 27%. We-
              die Regulationsfähigkeit des Marktes in den            sentlich höher ist der Kostendeckungsgrad
              Vordergrund stellen, sehen die anderen die             mit 61% bei den alternativen Wohnformen
              Treff- und Versorgungssicherheit sowie die             (u.a. KWP). Über alle Pflege- und Betreu-
              Leistbarkeit vor allem durch Sachleistungen            ungsleistungen betrug der Anteil der Kos-
              gewährleistet. Auch diese Fragen spielen bei           ten, der von den Betroffenen aus Einkom-
              der künftigen Finanzierungsform der Pfle-              men (Pension und Pflegegeld) und Vermögen
              ge und Betreuung eine wichtige Rolle. Die              finanziert wurde, 38%.

     Leistungen 2013 lt. Pflegedienstleistungsstatistik   Bruttoausgaben     Beiträge, Ersätze   Kostendeckungsgrad
     Mobile Dienste                                         217.357.286         58.746.433             27%
     Stationäre Dienste                                     732.160.336        261.410.457             36%
     Teilstationäre Dienste                                  17.013.890          2.078.115             12%
     Kurzzeitpflege                                          10.204.713          4.106.040             40%
     Alternative Wohnformen                                 199.972.359        122.621.990             61%
     Gesamt                                               1.176.708.584        448.963.035             38%
     alle Beträge in Euro

     Abbildung 8: Kostendeckungsgrad Pflege- und Betreuungsleistungen, 2013 (Wien)
     Quelle: FSW, 2013

              Die Anzahl der ungeförderten Plätze in Pfle-           nächst ihr Einkommen und Vermögen ver-
              geheimen ist gering. Demzufolge muss ein               werten und ist schließlich auf Leistungen
              Großteil der Personen, die stationäre Pfle-            der Sozialhilfe angewiesen. Der angestreb-
              ge und Betreuung in Anspruch nehmen, zu-               te Ausstieg aus der Sozialhilfefinanzierung

12
Aktuelle und künftige Herausforderungen

würde vor allem die Abschaffung der fast      Finanzierbarkeit des öffentlichen Gesund-
100%igen Vermögens- und Einkommensver-        heitswesens durch einen vereinbarten und
wertung bedeuten.                             nachhaltigen Ausgabendämpfungspfad si-
                                              chergestellt wird.
Pflegefonds                                   Kern der vorliegenden bundesgesetzlichen
Der Pflegefonds stellt den Ländern in den     Regelungen ist die Einrichtung eines part-
Jahren 2011 bis 2016 jährlich einen Zweck-    nerschaftlichen Zielsteuerungssystems auf
zuschuss zur Verfügung. Auf Wien entfiel im   Basis von privatrechtlichen Zielsteuerungs-
Jahr 2013 ein Zuschuss in Höhe von rund       verträgen auf Bundes- und Landesebene,
40,9 Mio. Euro und im Jahr 2014 von 48,1      das eine bessere Abstimmung zwischen dem
Mio. Euro. Für 2015 werden rund 56,9 Mio.     Krankenanstaltenbereich und dem nieder-
Euro aus dem Pflegefonds erstattet.           gelassenen Versorgungsbereich garantieren
                                              wird, sowie die Verpflichtung des Bundes
Der Zweckzuschuss wird für die Sicherung      und der gesetzlichen Krankenversicherung,
sowie für den Aus- und Aufbau der Be-         an diesem Zielsteuerungssystem mitzuwir-
treuungs- und Pflegedienstleistungen der      ken.
Länder im Bereich der Langzeitpflege zum
laufenden Betrieb sowie für begleitende       Im Wiener Landeszielsteuerungsvertrag
qualitätssichernde Maßnahmen und für in-      sind einige Projekte definiert, die an der
novative Projekte gewährt. Daneben verfolgt   Schnittstelle zwischen dem Gesundheitswe-
der Pflegefonds insbesondere das Ziel, eine   sen und dem Sozialbereich liegen.
österreichweite Harmonisierung im Bereich
der Dienstleistungen der Langzeitpflege zu    Diese sind vielfältig und ergeben sich vor
erreichen.                                    allem aus den unterschiedlichen Finanzie-
                                              rungslogiken und Fördertöpfen (Zuständig-
Sowohl die Zukunft des Pflegefonds als auch   keiten). Diese Strukturen stehen derzeit ei-
die im Pflegefondsgesetz avisierte Harmo-     ner integrierten Versorgung entgegen.
nisierung der Dienstleistungen haben Aus-     Die derzeitige Gesundheitsreform setzt hier
wirkungen auf die Pflege- und Betreuung in    an und versucht die unterschiedlichen Sys-
Wien.                                         tempartnerInnen und somit auch das ge-
                                              samte System besser abzustimmen, damit
Reform des Gesundheitswesens                  die Pflege und Betreuung auch in Zukunft
Im Interesse der in Österreich lebenden       leistbar bleibt. Die Auswirkungen haben
Menschen sind Bund, Länder und Sozial-        aufgrund des Subsidiaritätsprinzips in der
versicherung übereingekommen, ein part-       Sozialhilfe nicht nur die Länder und Ge-
nerschaftliches Zielsteuerungssystem zur      meinden zu tragen, sondern auch die Be-
Steuerung von Struktur, Organisation und      troffenen. Umso dringender erscheint die
Finanzierung der österreichischen Gesund-     Klärung der künftigen Finanzierung der
heitsversorgung einzurichten.                 Pflege und Betreuung. Weiters bedarf es kla-
                                              rer Regeln über den Kostentransfer aus dem
Mit der partnerschaftlichen Zielsteuerung-    Gesundheitssystem (Einsparungen) in das
Gesundheit soll erreicht werden, dass die     Pflegesystem (Mehrkosten).

                                                                                                13
Pflege und Betreuung in Wien 2030 | Strategiekonzept

               2.4. Herausforderungen des Wiener Pflegevorsorge­
               systems

          Verhältnis „ambulant vor        Überforderung Zugang/Übergang              Infodefizite u. Komplexität
           stationär“ blieb gleich                                                   bei Auswahl u. Steuerung

                                           bürokratischer Zugang zur Pflege ­­
               Konzentration des                    und Betreuung                       starke Differenzierung
         ­Geriatriekonzepts 2004 auf                                                        des Angebotes
           die stationäre Versorgung

                                          Wiener Pflegevorsorgesystem

                                                                                            unklare Zielgruppen,
          zwischen Überregulierung                                                     A­ ngebote und Bedarfslagen:
               und fehlenden              Lücken im Angebot (z.B. Nachtbe­
                                                                                   P­ ensionistenklubs, Tageszentren,
              Rechtsgrundlagen             treuung), geringe Flexibilität der
                                                                                          ­medikalisierte Pflege …
                                           ­Angebote, viele geteilte Dienste

               hohe Kosten und                                                         Auslastungsprobleme, ­
                 Unsicherheit            „Alternative“: stationäre Versorgung         hohe Kosten, Potenziale?

     Abbildung 9: Wiener Pflegevorsorgesystem
     Quelle: MA 24, eigene Darstellung

               Konzentration des Geriatriekonzepts 2004 auf         das Verhältnis zwischen mobil betreuten
               die stationäre Versorgung                            und stationär versorgten Personen in den
               Der Wunsch der WienerInnen ist es, so lange          letzten Jahren kaum verändert. Auch die
               wie möglich zu Hause leben zu können. Dem            Schwerpunkte der Pflege- und Betreuungs-
               wurde im Geriatriekonzept 2004 durch das             politik in Wien waren notwendigerweise
               Leitprinzip „ambulant vor stationär“ ent-            auf die Neuausrichtung des stationären
               sprochen. Auch im Pflegefondsgesetz findet           Angebots ausgerichtet, das mobile Angebot
               sich dieses Prinzip wieder.                          stand deshalb weniger im Fokus der Weiter-
                                                                    entwicklung.
               Es ist davon auszugehen, dass im Rahmen
               des Case Managements des FSW die mobile              Zugang zu Pflege und Betreuungsleistungen
               Unterstützung Vorrang hat vor einer stati-           Die Sozialhilfelogik macht eine genaue Prü-
               onären Unterbringung. Allerdings hat sich            fung der Anspruchsvoraussetzungen erfor-

14
Aktuelle und künftige Herausforderungen

derlich (z.B. Prüfung, ob Vermögensbesitz     der Tageszentren und Pensionistenklubs
vorhanden ist oder der genauen Einkom-        nicht endgültig geklärt. Dementsprechend
menshöhen). Dementsprechend nimmt die         sind auch die Angebote nur ungenau de-
Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen im       finiert. Diese Entwicklung darf aber nicht
Assessment einen – manchmal zu – gewich-      ausschließlich negativ gesehen werden, da
tigen Stellenwert ein.                        Bedarfe sehr oft nur schwer zu ermitteln
                                              sind und eine Weiterentwicklung nur durch
Vor allem in Krisensituationen (plötzlicher   Trial and Error möglich ist. Allerdings er-
Eintritt eines Pflege- oder Betreuungsbe-     scheint es notwendig, neue Instrumente zur
darfes, Verschlechterung des Gesundheits-     Erfassung des Bedarfs zu entwickeln bzw.
zustandes, Rückkehr nach Krankenhausauf-      einzusetzen und bei einigen Angeboten Prä-
enthalten etc.) entsprechen die verfügbaren   zisierungen vorzunehmen.
Standardprodukte des FSW nicht immer der
tatsächlichen individuellen Bedarfslage.      Angebot weiter erschließen
Durch den prognostizierten Rückgang des       Wie bereits in der Reformarbeitsgruppe Pfle-
familiären Betreuungspotenzials werden        ge festgestellt, ist die 24-Stunden-Betreuung
daher individualisiertere Unterstützungen     trotz des ständigen Anstiegs kein breiten-
umso wichtiger, um Spitalsaufenthalte oder    wirksames Instrument zur Versorgung von
Heimeinweisungen zu verhindern bzw. An-       Menschen mit Pflege- und Betreuungsbe-
gehörige zu entlasten.                        darf. Vor allem die hohen Kosten sowie die
                                              räumlichen Voraussetzungen, aber auch die
Starke Differenzierung des Angebots           permanente Anwesenheit der Betreuungs-
Die Ausdifferenzierung der Angebote hat       personen stehen einer Inanspruchnahme oft
zwar mehr Vielfalt in die Pflege- und Be-     entgegen. Die 24-Stunden-Betreuung kann
treuungslandschaft gebracht, aber auch die    daher nur als Ergänzung zum bestehenden
Komplexität der Steuerung und Auswahl         Betreuungssystem gesehen werden, aber
erhöht. So ist die Auswahl der geeignetsten   nicht als deren Ersatz. Ungeklärt ist, ob eine
Betreuungsform nicht nur für die Betroffe-    24-Stunden-Betreuung nicht auch deshalb
nen und ihre Angehörigen, sondern auch für    eingesetzt wird, da das Betreuungsangebot
die Case ManagerInnen des FSW mitunter        der Länder unflexibel (z.B. keine Nachtdiens-
diffizil.                                     te) bzw. das durchschnittlich zur Verfügung
                                              stehende Stundenangebot unzureichend ist.
In den letzten Jahren wurde auch das In-      Obwohl die Versorgung in Wien mit mobilen
formationsangebot über die Pflege- und Be-    Diensten gut ausgebaut ist, weist auch Wien
treuungsleistungen in Wien verstärkt. Es      eine Lücke zwischen 24-Stunden-Betreuung
trägt aber der neuen Vielfalt und dem Prin-   und den mobilen Diensten auf. Zudem wer-
zip der Wahlfreiheit nur bedingt Rechnung.    den auch die vielen geteilten Dienste sowie
                                              der Wechsel von Betreuungspersonal kriti-
Klarere Definition der Zielgruppen            siert.
Die Differenzierung und Entwicklung der
Leistungsangebote erfolgte nicht immer        Neue gesetzliche Grundlagen erforderlich
entsprechend dem Bedarf, sondern manch-       Im stationären Bereich sorgt das umfas-
mal aufgrund eines allgemeinen Trends. So     sende Wiener Wohn- und Pflegeheimgesetz
sind vor allem die Rollen und Zielsetzungen   für die entsprechenden Standards, die auch

                                                                                                 15
Pflege und Betreuung in Wien 2030 | Strategiekonzept

           regelmäßig kontrolliert werden. Die in die-    Verjüngung in Wien, sodass mehr potentiel-
           sem Gesetz festgelegten Standards betref-      le MitarbeiterInnen in der Pflege zur Verfü-
           fen etwa die Personalausstattung, baulich-     gung stehen könnten. Allerdings findet die
           technische Vorgaben, die Betriebsführung,      Verjüngung in einem geringeren Ausmaß als
           die Wahrung der Rechte der BewohnerInnen       die Alterung statt. Laut ExpertInnen ist es
           und die Pflichten der HeimträgerInnen.         notwendig, den Pflegeberuf deutlich attrak-
           Eine weitere landesgesetzliche Grundlage       tiver zu gestalten, um ausreichend Personal
           bietet das Wiener Sozialhilfegesetz (WSHG).    aufbauen zu können. Dazu zählt neben einer
           Mit Einführung der Bedarfsorientierten         entsprechenden Entlohnung auch die Ver-
           Mindestsicherung (2010) dient das Wiener       besserung der Arbeitsbedingungen.
           Sozialhilfegesetz ausschließlich als gesetz-
           liche Grundlage für die Pflege und Betreu-     Informelle Pflege
           ung sowie die Wohnungslosenhilfe. Das          Der Anteil der informellen Pflege ist im in-
           WSHG ist wiederum die Grundlage für die        ternationalen Vergleich hoch, aber auch der
           Förderrichtlinien des FSW.                     Unterstützungsgrad pflegender Angehöriger
           Angesichts der rasanten Veränderung und        durch die öffentliche Hand weist ein hohes
           Bedeutung der Pflege und Betreuung ist die     Niveau auf. Der Anteil der informell pflegen-
           Schaffung einer neuen gesetzlichen Grund-      den Personen – die zu einem großen Teil aus
           lage in Wien erforderlich.                     Frauen zwischen 40 und 59 Jahren besteht
                                                          – wird sich in Zukunft verringern.
           Personal
           2013 haben in Wien 5.482 Personen in den       In Wien jedoch wird der Rückgang der infor-
           mobilen Diensten, 11.419 im stationären        mellen Pflege nicht so deutlich ausfallen wie
           Bereich, 285 in teilstationären Diensten,      in anderen Bundesländern, da in Wien die
           236 im Bereich Kurzzeitpflege, 2.195 in al-    oben genannten gesellschaftlichen Faktoren
           ternativen Wohnformen und 118 im Case-         bereits in stärkerem Ausmaß eingetreten
           und Care-Management gearbeitet.9 In den        sind. Außerdem erleichtern die steigende
           nächsten Jahren wird es eine demografisch      Mobilität der Bevölkerung und die ständig
           bedingte steigende Nachfrage im Pflegebe-      verbesserte Infrastruktur die Durchführung
           reich geben, gleichzeitig gibt es auch eine    der informellen Pflege in Wien.

16
Vision Pflege und Betreuung in Wien 2030

3. Vision
   Pflege und Betreuung
   in Wien 2030

»»     Wien 2030: Die Anzahl der WienerIn-
nen über 85 Jahre ist in den letzten 15 Jah-
ren um etwa die Hälfte gestiegen . Derzeit
leben rund 61 .800 über 85-Jährige in Wien .
                                                versicherung abgestimmte Rehabilitations-
                                                bzw. Remobilisationsstrategie erreicht.
                                                Auch der Mangel an Pflegekräften wurde
                                                durch aktive Rekrutierungs- und Ausbil-
Das sind um fast 20 .000 mehr als noch 2015 .   dungsmaßnahmen sowie verbesserte Rah-
Zurückzuführen ist dies auf die steigende       menbedingungen für das Personal beseitigt.
Lebenserwartung – diese ist in den letzten
15 Jahren bei Frauen um 2,81 Jahre und          Was vor ein paar Jahren noch unvorstell-
bei Männern um 3,42 Jahre gestiegen – so-       bar war, ist das Zusammenwachsen des Ge-
wie auf die geburtenstarken Jahrgänge der       sundheitsbereiches mit dem Sozialsektor.
Weltkriegsjahre . Im gleichen Zeitraum ist      Eine integrierte Versorgung und entspre-
der Anteil der Erwerbspersonen in Wien an       chende Finanzierungsausgleiche kommen
der Gesamtbevölkerung von 49,4% auf 47,7%       nicht nur den Betroffenen zugute (z.B. durch
gesunken . Doch entgegen so mancher Kri-        gemeinsame Anlaufstellen und abgestimm-
senszenarien ist der Pflegenotstand in Wien     te Unterstützungen), sondern führen zu
ausgeblieben . Die Stadt Wien hat sich die-     Einsparungspotenzialen, die für die Weiter-
sen Herausforderungen gestellt und              entwicklung der Leistungen genutzt werden
rechtzeitig Vorsorge getroffen .                können. In Zusammenarbeit mit dem Bund
                                                und unter Federführung der Stadt Wien ist
Die Zahl der WienerInnen mit Pflege- und        ein neues Finanzierungsmodell für die Pfle-
Betreuungsbedarf ist 2030 langsamer ange-       ge und Betreuung entstanden. Dieses Modell
stiegen als die demografische Entwicklung       beseitigt die Degradierung von Menschen
es erwarten ließ. Dieser Rückgang wurde         mit Pflege- und Betreuungsbedarf zu Sozi-
durch umfassende präventive Maßnahmen           alhilfebezieherInnen und sorgt dafür, dass
und eine konsequente und mit der Sozial-        die Pflege und Betreuung auch in Zukunft

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Pflege und Betreuung in Wien 2030 | Strategiekonzept

           für alle leistbar bleibt. Das neue Kostenbei-   Unterstützung eingeräumt. Dieser umfasst
           tragsmodell des Fonds Soziales Wien (FSW)       nicht nur die Pflege und Betreuung, sondern
           wurde transparenter und nachvollziehbarer       auch die Beratung und Schulung sowie Un-
           gestaltet. Es ermöglicht eine flexiblere Nut-   terstützung.
           zung von Angeboten und setzt Anreize für
           rehabilitative Maßnahmen.                       Seit 2015 werden in Wien keine zusätzli-
                                                           chen Plätze in Wohnformen mit integrier-
           Das Angebot an Unterstützungen ist in den       ten Pflege- und Betreuungsleistungen mehr
           letzten 15 Jahren vielfältiger und vor allem    geschaffen. Die bestehenden Häuser haben
           flexibler geworden. Die überwiegende Mehr-      ihre Angebote auf die aktuellen Bedürfnis-
           heit der WienerInnen mit Unterstützungs-        se angepasst und neue Versorgungsaufga-
           bedarf lebt zu Hause. Ermöglicht wird dies      ben wie zum Beispiel die Bereitstellung von
           durch die Unterstützung bei der Adaptie-        Pflege und Betreuung im Einzugsgebiet der
           rung von Wohnraum, den Einsatz von neu-         Einrichtung übernommen. In manchen Fäl-
           en technischen Unterstützungssystemen,          len kooperieren sie mit mobilen Pflege- und
           neue Wohnformen (seniorInnengerechtes           Betreuungsdiensten. Das Angebot richtet
           Wohnen, Wohngemeinschaften), ein engma-         sich verstärkt an Personen mit Pflege- und
           schigeres Netz an mobilen Diensten, die im      Betreuungsbedarf, die nur vorübergehend
           Bedarfsfall zu allen Tages- und Nachtzeiten     einer intensiveren Pflege und Betreuung be-
           zur Verfügung stehen (z.B. Nachtrufbereit-      dürfen. Die Pflegewohnhäuser des Wiener
           schaftsdienste), sowie durch den Ausbau         Krankenanstaltenverbundes (KAV) mit ih-
           der Tagesbetreuung. Ziel ist, die Versorgung    rem hohen medizinischen Know-how bieten
           entsprechend den individuellen Bedarfs-         Personen mit Pflege- und Betreuungsbedarf
           lagen, auszugestalten, Überversorgung zu        eine kurzfristige Unterbringung bei Insta-
           verhindern und die Selbstständigkeit und        bilität des Allgemein- bzw. Gesundheitszu-
           Unabhängigkeit der Betroffenen möglichst        standes an. Viele Wohnformen mit integrier-
           lange zu erhalten.                              ten Pflege- und Betreuungsleistungen haben
                                                           sich auch zu offenen Begegnungsstätten für
           Auch das neue Angehörigenpaket hat sich         die gesamte Bevölkerung weiterentwickelt.
           bewährt und trägt zur psychischen und
           physischen Entlastung der Angehörigen bei.      Zusätzliche Rehabilitations- bzw. Remobili-
           Es gibt den Angehörigen Sicherheit, dass        sationsmaßnahmen, die durch eine gemein-
           ihre Angehörigen gut versorgt sind, und er-     same Stelle von Sozialversicherung und
           möglicht insbesondere Frauen, ihren Beruf       Stadt Wien koordiniert werden, sorgen da-
           weiter ausüben zu können. Der Wegfall von       für, dass die Selbstständigkeit und alltags-
           Doppelbelastungen und zahlreicher Belas-        praktischen Fähigkeiten der Betroffenen
           tungs- und Konfliktsituationen hat zu einer     möglichst lange erhalten bleiben. Nebenef-
           neuen Qualität in den Beziehungen geführt.      fekt ist die Reduzierung der Aufnahmen in
           Der FSW mit seinen anerkannten Partne-          Akutkrankenanstalten. Das Kuratorium Wie-
           rInnenorganisationen bietet sehr flexible       ner Pensionistenwohnhäuser (KWP) weitete
           Modelle der Unterstützung im Falle eines        sein Angebot für Menschen mit Pflege- und
           Ausfalls von Pflege- und Betreuungsperso-       Betreuungsbedarf aus. Dazu wurden die be-
           nen an. Den pflegenden bzw. betreuenden         stehenden Häuser entsprechend adaptiert.
           Angehörigen wurde ein Rechtsanspruch auf

18
Vision Pflege und Betreuung in Wien 2030

Die größere Vielfalt der Angebote und die        Das Wiener Pflege- und Betreuungssystem
Mündigkeit der KundInnen erfordern eine          2030 versteht sich als inklusives Angebot,
spezifischere Information der (potenziellen)     das sich an alle gesellschaftlichen Gruppen
KundInnen. Analog zu bestehenden Such-           wendet. Dementsprechend gibt es zwar eine
maschinen (z.B. Hotelsuchmaschinen) ist die      Vielzahl von unterschiedlichen Angeboten,
Auswahl durch ein interaktives Pflege- und       aber keine ausdrücklichen Schwerpunkt-
Betreuungsportal deutlich einfacher gewor-       setzungen, die zu einer Ausgrenzung der
den. Das Beratungszentrum des FSW unter-         Betroffenen führen. Alle Pflege- und Betreu-
stützt bei der Entscheidungsfindung und          ungsdienste sind auf die Herausforderun-
koordiniert als zentrale Steuerungs- und         gen vorbereitet (z.B. Anstieg der an Demenz
Datenschnittstelle den gesamten Pflege- und      erkrankten Personen) und verschließen sich

                                                 »»
Betreuungsprozess. Das SeniorInnenservice        keinen Tabus.
Wien (der frühere Kontaktbesuchsdienst)
wird als wichtige Informationsquelle für
vor allem potenziell Betroffene etabliert. Die          Wien 2030: Aus pflege- und betreu-
MitarbeiterInnen dieser neuen Einrichtung        ungsbedürftigen Personen werden Men-
suchen proaktiv den Kontakt zur älteren          schen, die in bestimmten Situationen ihres
Bevölkerung (z.B. Organisation von Veran-        Lebens unterschiedliche Unterstützungs-
staltungen, aufsuchende Beratung und Kon-        bedarfe haben . Die Pflege- und Betreuungs-
taktaufnahmen mit MultiplikatorInnen). Sie       leistungen der Stadt decken diese Bedarfe
sind in den neuen SeniorInnentreffs ange-        auf sehr individuelle Weise ab und schaf-
siedelt und konzentrieren sich vor allem auf     fen so die Voraussetzung für ein Leben in
präventive Aufgaben (Vorbereitung auf das        Selbstbestimmtheit und mit hoher
Alter). Die SeniorInnentreffs initiieren und     Lebensqualität bis zuletzt .
koordinieren Beteiligungsprozesse, die die
Gestaltung des unmittelbaren Lebensraums
der Betroffenen zum Ziel haben.

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Pflege und Betreuung in Wien 2030 | Strategiekonzept

           4. Leitlinien
              Pflege und Betreuung
              in Wien 2030

     LEITLINIE 1 | Gezielte Information, gestützte Entscheidungs-
                   findung und vereinfachter Zugang zu den Pflege-
                   und Betreuungsleistungen in Wien
           Die größere Angebotsvielfalt auf der einen   tieftes Assessment und ein automationsun-
           Seite sowie pluralere und individuellere     terstütztes Monitoring sowie den Einsatz
           Lebensentwürfe auf der anderen Seite be-     neuer Technologien in der Pflege und Be-
           dingen transparentere Informationen, eine    treuung wird die Steuerung der Versorgung
           Vereinfachung des Zugangs und eine ver-      optimiert.
           besserte Abstimmung bei der Auswahl der
           Leistungen. Das Beratungszentrum Pflege      Ein plötzlich eintretender Pflege- oder Be-
           und Betreuung des FSW ist bereits zentrale   treuungsbedarf bedeutet sowohl für die
           Anlaufstelle für Menschen mit Pflege- und    Betroffenen (z.B. Verlust von Autonomie) als
           Betreuungsbedarf und deren Angehörige        auch für die Angehörigen (z.B. Hilf- und Rat-
           und soll sich in Zukunft zu einer Informa-   losigkeit) einen massiven Einschnitt. Viele
           tions- und Datendrehscheibe für das ge-      fühlen sich in diesen nicht alltäglichen Si-
           samte Pflege- und Betreuungsnetzwerk wei-    tuationen überfordert und alleine gelassen,
           terentwickeln. Die Stadt Wien wird daher     und die zunehmende Mobilität und Flexi-
           das Informations- und Beratungsangebot       bilität am Arbeitsmarkt schränkt die kurz-
           sowie das Case Management weiterentwi-       fristige Verfügbarkeit von Angehörigen oft
           ckeln. Dadurch sollen auch neue Bedarfs-     stark ein. Mit einem neuen Angebot sollen
           lagen schneller erkannt und entsprechende    die WienerInnen sowie deren Angehörige
           Angebote entwickelt werden. Durch ein ver-   bei Eintritt eines Pflege- und Betreuungsbe-

20
Leitlinie 1

                                               B
darfes ganz individuell und unbürokratisch          ei Entstehung neuer Bedarfslagen, ins-
unterstützt und entlastet werden. Zudem             besondere von Zielgruppen mit primär
soll der generelle Zugang zu den Pflege- und        medizinischen Indikationen, für die
Betreuungsleistungen vereinfacht werden.       das bestehende Angebot der Stadt (z.B. KAV
                                               und Haus der Barmherzigkeit) sehr oft un-
Handlungsoptionen:                             zureichend ist, werden in Kooperation mit
                                               anderen TrägerInnen (z.B. der Krankenver-

I
  nformation: Die Wahl der Pflege- und Be-     sicherung) passende Lösungen (Versorgung,
  treuungsangebote für die Betroffenen         Finanzierung) erarbeitet. Diese können ent-
  bzw. deren Angehörige wird durch ein         weder nur den Einzelfall betreffen oder ge-
einfaches, transparentes und nach stan-        nereller Natur sein. Ausgangspunkt sind
dardisierten Qualitäts- und Auswahlkrite-      die Meldungen des Case Managements des
rien ausgestaltetes Informationsangebot        FSW über die nur unzureichend gedeckten
erleichtert. Dies schafft auch einen guten     Bedarfe.
Überblick für alle in diesem Bereich tätigen

                                               B
Personen und erleichtert die Kooperation.            ei Eintritt eines Pflege- und Betreu-
Eine generelle Informationsoffensive zum             ungsbedarfes, der sehr oft mit einer
Thema Pflege und Betreuung soll nicht nur            Überforderung der Angehörigen ver-
das Wissen der Bevölkerung über die zahl-      bunden ist, bietet die Stadt ein geeignetes
reichen Angebote der Stadt verbessern, son-    Unterstützungs- und Entlastungsangebot
dern auch die Auseinandersetzung mit dem       für die Betroffenen und deren Angehörige an
Alter und den Vorsorgemöglichkeiten för-       und beschleunigt die Antragsbearbeitung.
dern.
                                               Maßnahmen:

C
      ase Management des FSW: Ein ver-
      tieftes Assessment verbessert die be-    cc Erstellung eines interaktiven Informati-
      darfsgerechte Zuweisung der Personen        onsportals Pflege und Betreuung in Wien
mit Pflege- und Betreuungsbedarf in ein sich   cc Umsetzung der Informationsoffensive
ständig weiterentwickelndes und vor allem         Pflege und Betreuung für Multiplikato-
vielfältiges Angebot und liefert zusätzliche      rInnen
Informationen für die Planung und Steue-       cc Weiterentwicklung des Case Manage-
rung. Ein erweitertes Monitoring sorgt für        ments (Assessment)
eine bedarfsgerechte und vorausschauende       cc Weiterentwicklung des Case Manage-
Anpassung des Unterstützungsangebots.             ments (Monitoring)
Für den Betreuungsprozess notwendige In-       cc Schaffung des Angebots Pflegeüber-
formationen werden aus dem Case Manage-           gangsbegleitung und Krisenunterstüt-
ment des FSW an die TrägerInnenorganisa-          zung
tionen weitergegeben. Gleiches gilt auch für   cc Erarbeitung eines Konzepts für eine un-
wichtige Informationen aus dem Pflege- und        bürokratischere Bearbeitung von Anträ-
Betreuungsprozess, die zwecks besserer Ab-        gen auf Pflege- und Betreuung
stimmung dem Pflege- und Betreuungsnetz-
werk und dem FSW zur Verfügung gestellt
werden. Ziel ist eine lückenlose Informati-
onskette.

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