Der Islam bringt manche Linke in Diskrepanz zu den eigenen Wertprinzipien - Kultur-Zeitschrift
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Religionskritik, Teil 73 Der Islam bringt manche Linke in Diskrepanz zu den eigenen Wertprinzipien und widersprüchlichen Lehren des Christentums angriffen. Diese Linken erreichten, dass das legendenhafte christliche Lehrgebäude vom Sündenfall der ersten Menschen, von der Zeugung durch den Heiligen Geist bei der Jungfrau Maria und der Erlösung der Menschheit dadurch, dass der Sohn Gottes die perverse römische Strafe der Kreuzigung auf sich nahm, aus den Köpfen vieler Europäer verschwunden ist. Adi Untermarzoner Diese biblische, in sich schon widersprüchliche Lehre, wird nur mehr von einer Minderheit der Kirchgänger geglaubt, einer Minderheit, die sich von der Indoktrination in ihrer Es kann hier nicht auf das zugegebenermaßen schlichte Kindheit nicht mehr lösen kann. Die meisten vom säkularen Links-Rechts-Schema eingegangen werden. Mit Links sind Staat finanzierten Theologen an den fünf katholischen und Linke sowie sozialistische Parteien und Grüne gemeint. der einen evangelischen Fakultät in Österreich glauben Linke Grundprinzipien fußen auf denen der Französischen selbst nicht mehr an die fundamentalen biblischen Inhalte. Revolution - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - und auf Vor fünfzig Jahren zeichnete der Jesuit und Kirchenhistori- den Menschenrechten. Diese Werte sind nun durch die Im- ker Hugo Rahner in einer Vorlesung eine Wolke an die Tafel, migration von Millionen Muslimen nach Europa in Frage aus der am unteren Rand zwei Füße herausragten und er- gestellt. Die verschiedenen rechten Parteien treten gegen klärte uns Theologiestudenten, so sollen wir uns die Him- die Problematik mit der fadenscheinigen Begründung auf, melfahrt Jesu n i c h t vorstellen. Der spektakuläre Abflug das christliche Abendland retten zu wollen, während man- wird Kindern aber immer noch im Religionsunterricht als che Linke den Islam sogar als zusätzliches Kulturphänomen, göttliches Wunder gelehrt und zwar so, dass sich manche le- als Bereicherung, verstehen. Durchaus hinterfragenswert benslänglich nicht mehr davon befreien können. Mit gera- erscheint etwa die Haltung der deutschen Bundestagsvor- dezu frappierender Hemmungslosigkeit fordern heutige sitzenden der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, die Flücht- Theologen in ihrem wohldotierten staatlichen Job, man linge als Geschenk betrachtet und fordert, mehr Islam zu möge doch diese Frommen glauben lassen, die in abertau- wagen.1 Dieses Wagnis könnte sie vielleicht mit einem send Bildern dargestellte Himmelfahrt und Auferstehung abendlichen Spaziergang in Kairo, Teheran oder anderen is- Jesu habe sich so zugetragen. Die Herren Theologieprofesso- lamisch dominierten Städten in ihrer üblichen Bekleidung ren glauben nicht daran. Sie wissen natürlich von den schon auf sich nehmen. Linke Parteien orientieren sich sonderba- lange vor dem Christentum existierenden uralten archai- rer Weise oft nicht an den modernen, den Islam kritisieren- schen Himmelfahrtsmythen und retten sich opportunis- den Philosophen, Historikern, Politikwissenschaftlern, tisch, zur Sicherung ihrer Professur, durch abenteuerliche Sprachforschern. theologische Verbalakrobatik. Die Linken als Väter der Demokratisierung Hamed Abdel-Samad: „Integration. Ein Protokoll des Scheiterns“ Die Linken waren es, die die Ideen der Aufklärung forcier- ten, welche bereits im 19. und 20. Jahrhundert mühselig ge- Zum Erstaunen auch einiger meiner religionsfreien gen den Widerstand der Monarchien und der christlichen Freunde wurde am 22. Oktober der ägyptische Sozialwis- Kirchen errungen wurden. Dadurch sind im Westen Demo- senschaftler Hamed Abdel-Samad, Beirat der Bruno Giorda- kratie, Weltoffenheit, Toleranz, Humanismus, Menschen- no Stiftung, in das Vorarlberger Medienhaus eingeladen, rechte, Gleichberechtigung, soziale Gerechtigkeit und Frei- sein Buch „Integration. Ein Protokoll des Scheiterns“ zu prä- heit des Individuums teilweise entstanden. sentieren. (Der Priester und Philosoph Bruno Giordano Jungsozialisten, unter anderen auch der Vorarlberger Mag. wurde von der Inquisition, dem Heiligen Offizium, wegen Emanuel Tomaselli, haben das Buch von Karl Kautsky (1854- Ketzerei zum Tod durch den Scheiterhaufen verurteilt und 1938) „Der Ursprung des Christentums“2 im Jahr 2011 neu am 12. Februar 1600 in Rom auf dem Campo dei Fiori ver- aufgelegt. Diese Arbeit zeigt, wie akribisch und differen- brannt.) Hamed Abdel-Samad, Sohn eines sunnitischen ziert die damaligen Linken die herrschende Religion stu- Imams, war Mitglied der radikal islamistischen Muslimbru- dierten und die absolutistischen, dogmatischen, inhumanen derschaft und hat sich mühsam von dieser Ideologie befreit. 108 Kultur Dez. 2018/Jan. 2019
Er ist Autor vor allem islamkritischer Werke. Wer Hamed wird von vielen Linken als islamophob, fremdenfeindlich, Abdel-Samad aus seinen Büchern und Fernsehauftritten rassistisch, reaktionär und als Unterstützer rechter Parteien kennt, weiß freilich, dass er sich schon klar war über die im diffamiert. Phobie ist ein Begriff aus der Psychiatrie. Islamo- Medienhaus herrschende Ideologie. Er hat nicht einmal öf- phobe sind Menschen, die an irrationalen Ängsten leiden. fentliche Auftritte bei Pegida und AfD gescheut, um seine Der prominente Autor Salman Rushdie sagt: „Ein neues differenziertere Auffassung zur Problematik der Immigra- Wort ist erfunden worden, um den Blinden zu erlauben, tion von Moslems bewusst zu machen. Dass die „VN“ Ha- blind zu bleiben: Islamophobie.“ Mit dem Begriff „rassis- med Abdel-Samad auftreten lassen, ist lobenswert. Die Inte- tisch“ wird man gleich den Neonazis zugeordnet. Wie weit gration der Muslime ist laut Abdel-Samad gescheitert, weil, sind manche der heutigen Linken von einem August Bebel wie auch die AfD behauptet, Demokratie und Islam nicht entfernt, der mit seinem Buch „Die Frau im Sozialismus“ bei vereinbar seien. Allerdings gibt es in dieser Religion nicht uns wesentlich zur teilweise erreichten Gleichwertigkeit nur den politischen Islam, sondern auch positivere Richtun- und Gleichbehandlung der Frauen beigetragen hat. Wie gen. Die eigentliche Ursache für die verschiedenen Richtun- mühselig der Einsatz der damaligen Linken war, die Frauen- gen und Phasen in der Geschichte des Islam ist im Koran zu feindlichkeit des Christentums zu überwinden, wurde be- finden, einem Buch voller Widersprüche. Je nach Lesart und reits in drei KULTUR-Artikeln behandelt. (Artikel 3: Die Exegese entstanden und bestehen verschiedene islamische Frau im AT, Artikel 4: Die Frau im NT, Artikel 5: Kirche ge- Schulen und Richtungen. Islamische Theologen, die Huma- gen die Frauenbewegung. Siehe www.kulturzeitschrift.at/ nismus, Demokratie und Menschrechte vertreten wie Mou- downloads). Manche islamische Immigranten scheinen in hanad Khorchide, sind freilich sehr selten und werden von einer Situation zu verharren, wie sie bei uns teilweise vor den meisten Theologen des Islam und den islamischen Ver- 100 Jahren herrschte. Und nicht wenige islamische Frauen bänden abgelehnt. erscheinen als bemitleidenswerte Opfer ihrer patriarchalen Die Einladung des Islamkritikers Abdel-Samad durch die Religion. Nicht diese Frauen und natürlich auch nicht die führende Zeitung im katholischen Ländle ist leicht durch- Immigranten, die bei uns oft die groben, gering dotierten schaubar, vielleicht bangt man ja um das nur mehr formal Arbeiten leisten, sollen hier angegriffen werden. existierende christliche Vorarlberg und fürchtet, mit den In den vergangenen hundert Jahren haben die Linken weitaus religiöseren Moslems weniger Geschäft zu machen. durch ihre Religionskritik erreicht, dass die Ideologie der Hamed Abdel-Samad vertritt wie die Bruno Giordano Stif- christlichen Religionen bei vielen Europäern nur mehr folk- tung den Säkularismus, die Verweltlichung, den Verzicht loristische Relevanz besitzt. Wenigstens das sollten sie nun auf Religion, die Trennung von Religion und Staat und lehnt bei den Muslimen auch zu erreichen versuchen. Eine drin- somit das Christentum ebenso ab wie den Islam. Ob der gende Aufgabe aller Parteien ist es, die vom Ausland finan- Freund Abdel-Samads, der Philosoph und Religionskritiker zierten Moscheevereine und Verbände massiv zu kontrollie- Schmidt-Salomon, vom Magazin „Der Spiegel“ als Chef- ren. Allen Muslimen muss eindringlich vermittelt werden, Atheist verunglimpft, auch von den „VN“ eingeladen wird, dass einige zentrale Werte des Islam mit den Werten unserer seine Bücher „Manifest des evolutionären Humanismus“, Gesellschaft nicht kompatibel sind. (Siehe KULTUR-Artikel „Jenseits von Gut und Böse“ oder „Keine Macht den Doofen“ 52 und 54.) Diese Aufgabe darf nicht den Rechten, der ÖVP, vorzustellen, darf bezweifelt werden. Hingegen konnte die- FPÖ und AfD überlassen werden. Die Ideologie der Rechten ser Philosoph auf Initiative von Dr. Franz-Josef Köb bei der als Vertreter des Christentums unterscheidet sich in zentra- Vortragsreihe „Wissen fürs Leben“ in der Arbeiterkammer len Wertprinzipien nicht von jenen der anderen monotheis- seine Werke präsentieren. tischen Religionen und damit auch nicht von jenen des Is- lam. Durch die erreichte Säkularisierung und Demokratisie- Vorwurf der Islamophobie rung sind ÖVP und FPÖ in ihren autokratischen Tendenzen Im Gegensatz zu dem oben geschilderten Ringen der Lin- eingeschränkt. Wenn diese Parteien den Islam attackieren, ken im 19. und 20. Jahrhundert gegen das alles dominieren- ist es der Versuch, den Teufel mit dem Beelzebub auszutrei- de, autoritäre, demokratiefeindliche Christentum, wird von ben. Michael Schmidt-Salomon hat das detailliert beschrie- vielen heutigen Linken der Islam nicht angegriffen. Wer ge- ben.3 gen diese politische, irrationale, inhumane, antisemitische, Flut an islamkritischer Literatur fortschritts- und frauenfeindliche Religion argumentiert, 110 Kultur Dez. 2018/Jan. 2019
In den vergangenen fünf Jahren ist nun derart viel islam- ler Strache? Dieser hinterlässt hinsichtlich biblischer Frau- kritische Literatur erschienen, dass sie in diesem Rahmen enfeindlichkeit einen ahnungslosen Eindruck. Bei christli- nur beschränkt behandelt werden kann. Soziologen, Philo- chen Burschenschaften dürften Bibelstunden eher nicht sophen, Pädagogen, Journalisten und vor allem aus dem Is- vorgekommen sein. Obwohl in der Bibel das Kopftuch an lam stammende Autoren haben ausführlich und differen- mehreren Stellen gefordert wird und in den Gottesdiensten ziert den Islam analysiert. So erschienen auch heuer einige bis ins 20. Jahrhundert getragen werden musste, erreichten Bücher, in denen die Gefährlichkeit dieser Religion für den es Sozialisten wie August Bebel, Frauen von der Sexualisie- Westen und generell für die Menschheit aufgezeigt wird. rung und Abwertung zu befreien.4 Bebel wurde von der Kir- Das 495 Seiten starke Buch von Thilo Sarrazin „Feindliche che wegen seines Buches als gottloser Kommunist be- Übernahme“ führte sofort die Bestsellerlisten an. Nach der schimpft. Lektüre des Buches braucht man fast gleich viel Zeit, um die Im „Standard“ schrieb der Journalist und verkappte Theo- Rezensionen zu lesen. Natürlich kommen die üblichen An- loge Bert Rebhandl eine umfangreiche Rezension. Sarrazin griffe vor, wie man solle das Buch verbrennen, oder wie die übergehe scharfsinnige Religionswissenschaftler wie An- „Süddeutsche“ lamentiert: „Deutschland braucht das Buch so nemarie Schimmel oder Thomas Bauer. In Wirklichkeit sind nötig wie einen Ebola-Ausbruch.“ Selbst Bundeskanzlerin beide in ihren Arbeiten gegenüber dieser politischen, alle Merkel beurteilt das Buch als destruktiv. Auch die angebli- Ungläubigen hassenden Religion, absolut unkritisch. Ein chen Qualitätszeitungen lieferten ausführliche Analysen. stichhaltiges Argument gegen Sarrazins umfangreiche An- Was in diesen teilweise geschwafelt wird, ist abenteuerlich griffe sucht man bei Rebhandl vergeblich. Am Ende seiner und würde problemlos ein umfangreiches Buch füllen. Hier Rezension demaskiert er sich schließlich und erklärt, dass nur ein Beispiel: Die Islamwissenschaftlerin der Freiburger Sarrazins Gegner gar nicht der Islam sei, sondern, dass sich Uni wirft in der Wochenzeitung „Die Zeit“ Sarrazin vor, das Sarrazin vor allem gegen jene Ausprägung offener Gesell- Christentum sei nicht seine Stärke, denn das von ihm er- schaften wendet, die den Islam – wie jede Weltreligion eine wähnte Gebot der Nächstenliebe stamme nicht aus dem NT, Mischung aus Glaubenswahrheiten und kulturellen Bedin- sondern aus dem AT, Lev. 19,18. Ihre mangelnde Bibelkennt- gungen – nicht ausschließen wollen. nis dürfte jene Sarrazins aber bei weitem übertreffen. Im NT Dieses Thema ist nicht in einem Artikel unterzubringen. kommt das Gebot der Nächstenliebe nämlich verbaliter we- Wesentliche Fakten der Unvereinbarkeit linker Prinzipien nigstens 10-mal vor. „Die Zeit“ ist laut Wikipedia ein linksli- mit den Werten, nicht nur des Islam, sondern auch mit de- berales Blatt. Die Rezension der Islamwissenschaftlerin nen der zwei anderen monotheistischen Religionen sollen scheint für eine teilweise linke Zeitung typisch zu sein. Lin- in weiteren Artikeln behandelt werden. � ke Denker aber sehen das viel kritischer. Daniel Cohn-Ben- dit erklärte, falls man Sarrazin aus der Sozialistischen Par- Namentlich gezeichnete Artikel müssen nicht der Meinung der gesam- tei ausschließen wolle, werde er als sein Verteidiger auftre- ten Redaktion entsprechen. ten. 1 Vgl. Samuel Schirmbeck, Gefährliche Toleranz, Orell Füssli Verlag Leicht durchschaubar sind die Angriffe von kirchlicher 2018, S. 145- 148 Seite, denn Sarrazin lehnt nicht nur den Islam ab, sondern 2 Karl Kautsky, Der Ursprung des Christentums, Neuauflage 2011 Religionen insgesamt. Die christlichen Kirchen fürchten 3 Vgl. Michael Schmidt-Salomon, Die Grenzen der Toleranz, Piper Ver- verständlicherweise, dass Beschränkungen des Islam auch lag 2016, S. 60-66 sie betreffen könnten, was auch rechtens wäre. Sarrazin for- 4 August Bebel, Die Frau und der Sozialismus, Manifestverlag , 2018 dert konsequenterweise die strikte Trennung von Staat und Religion, Abschaffung von Religionsunterricht sowie Ein- führung des Fachs Ethik in allen Schulstufen. Warum überlassen viele linke Parteien den Widerstand gegen die Verbannung mancher islamischer Frauen aus der Öffentlichkeit und deren Verhüllung durch sackartige Ge- wänder und Kopftücher dem angeblichen Retter des christ- lichen Abendlandes, Verehrer des reaktionären Bischofs Krenn und mit dem Kruzifix herumfuchtelnden Vizekanz- 112 Kultur Dez. 2018/Jan. 2019
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