Der Plan vom grünen Wachstum - UNITI Bundesverband ...
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4—2020 Studie zu Klimabilanzen Warum ein Perspektivwechsel notwendig ist Effiziente Technik In der Pfalz entsteht ein Motor für synthetische Kraftstoffe Der Plan vom grünen Wachstum DIE WIRTSCHAFTSWEISE VERONIKA GRIMM ÜBER DIE CHANCEN VON WASSERSTOFF UND E-FUELS FÜR DIE ENERGIEWENDE
efuel-alliance.eu Eine starke Allianz für eFuels – klimaneutrale flüssige Kraft- und Brennstoffe eFuels Nutzerfreundlich und Umwelt- und komfortabel klimaschonend In sämtlichen Fahrzeugen Werden aus erneuerbaren und Heizungen für flüssige Energien und atmosphärischem Energieträger einsetzbar. CO2 hergestellt. Stärken internationale Schnell und vielseitig Zusammenarbeit einsetzbar Machen das riesige Ersetzen herkömmliche internationale Potenzial flüssige Kraft- und Brennstoffe. erneuerbarer Energien weltweit nutzbar. Foto: by Andrea Boldizsar on Unsplash Werden Sie Mitglied: efuel-alliance.eu
Wasserstoff zum Durchbruch verhelfen, E-Fuels global etablieren Udo Weber, Vorstandsvorsitzender von UNITI Bundesverband mittelständischer Mineralöl- unternehmen e.V. IHRE Wasserstoff und seine Folgeprodukte, nen und große Kostenvorteile zu er- wie wasserstoffbasierte flüssige Energie- schließen. Bei gleichzeitiger Nutzung be- MEINUNG träger, sind in diesem Jahr deutlich in stehender Infrastruktur wird die IST UNS den Mittelpunkt der politischen und Energiewende bezahlbar und gewinnt an WICHTIG! öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Akzeptanz. Diese globale Sichtweise der Zu verdanken ist dies auch der Nationa- Nutzung regenerativer Energie ermög- len Wasserstoffstrategie der Bundesre- licht es zugleich, Entwicklungsperspekti- SCHREIBEN SIE UNS – gierung, die eine erste strategische ven in Regionen der Welt zu schaffen, Ob Kritik, Anregung oder Grundlage für den Aufbau der PtX-Tech- die bisher wenig Potenzial hatten. Themenidee – wir haben ein nologie und für die breite Anwendung Eine Einigung auf eine Strategie offenes Ohr für Sie. E-Mail an grünen Wasserstoffs und darauf basie- kann aber nur der erste Schritt von info@uniti.de renden synthetischen Produkten bietet. vielen sein. Investoren und Produzenten Wasserstoff soll nach dem Wil- benötigen Investitionssicherheit und len der Politik ein Schlüsselrohstoff passende regulatorische Rahmenbedin- für eine erfolgreiche Energiewende wer- gungen, Endabnehmer und Anwender den und als Energieträger der Zukunft eine sichere und alltagstaugliche Nut- einen wichtigen Beitrag zur Erreichung zung. Diese Herausforderungen gilt es der Klimaziele leisten. So stehen in möglichst schnell anzugehen. den kommenden Jahren neben den Mit- Um E-Fuels zu einer Erfolgsge- teln für laufende Förderprogramme schichte zu machen, hat UNITI daher die Titelbild: Giulia Iannicelli/H2.B; Foto: UNITI/Bernhart Link zusätzliche neun Milliarden Euro für eFuel Alliance gegründet. Diese wird ge- Produktionsprojekte im In- und Aus- genüber der Politik die Potenziale und land zur Verfügung. Vorteile der globalen Nutzung von kli- Die innerhalb der UNITI zusam- maneutralen flüssigen synthetischen mengeschlossenen mittelständischen Kraft- und Brennstoffen verdeutlichen Mineralölunternehmen haben sich und in den kommenden Jahren die poli- schon früh für flüssige, aus grünem Was- tischen und regulatorischen Rahmenbe- energie + Mittelstand gibt es serstoff erzeugte synthetische Kraft- und dingungen für die Produktion und den auch in digitaler Form. Auf der Website Brennstoffe ausgesprochen. Denn Einsatz von E-Fuels mitgestalten. www.energieundmittelstand.de finden Sie E-Fuels können aus unserer Sicht einen Über die Allianz und ihre Ziele alle Inhalte unseres Magazins ansprechend aufbereitet für Notebook-, enormen Beitrag zur CO2-Reduzierung und viele weitere spannende Themen Tablet- oder Smartphone-Nutzer. leisten. Regenerative Ressourcen global berichtet diese Ausgabe. Ich wünsche Klicken Sie doch einfach mal rein! zu nutzen, bedeutet, die Umwelt zu scho- Ihnen viel Lesevergnügen! 4—2020 3
inhalt 26 Klare Ansage Die umweltpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Judith Skudelny, ist überzeugt: „Klimaneutraler Individualverkehr ist in Zukunft nur mit E-Fuels möglich.“ 6 Schwerpunkt Das grün-goldene Zeitalter Grüner Wasserstoff hat das Zeug zum Treiber der Energiewende. Damit der Aufbruch 28 Starker Antrieb ins Wasserstoffzeitalter klappt, müssen An der TU Kaiserslautern auch die Potenziale von E-Fuels erkannt wird am Motor der Zukunft und genutzt werden. geforscht: Das Dual-Fuel- Brennverfahren ermöglicht die effiziente Nutzung synthetischer Kraftstoffe. 5 . Hingeguckt Unendliche Kraftquelle Grüner Wasserstoff aus nordafrikanischer Sonne 6 . Schwerpunkt Chancengeber So klappt es mit dem Energiewunder Wasserstoff 9 . Interview Wirtschaftsweise Veronika Grimm Synthetische Kraft- und Brennstoffe sorgen für Wachstum 13 . Zur Sache Die e+M-Zahl Klimawirkung gesamtbilanziell betrachten 14 . Zur Sache LCA-Studien im Vergleich Pkw-Technologien unter der Lupe 18 . Interview BP-Europa-Chef Langhoff „Die Ölindustrie wird grün – und setzt auf E-Fuels“ 20 . Zur Sache Gründung der eFuel Alliance Starkes Bündnis für den Klimaschutz 22 . Interview Mobilitätsexpertin Lenz Verschiedene Technologien: Zusammen sind sie stark 24 . Kompakt E-Fuels in der Formel 1 Neues aus der Welt der Energie Fotos: artegorov3@gmail – stock.adobe.com, privat, TUK/Koziel 25 . Klartext Die Energie-Kolumne Henning Krumrey über Zölle für schmutzige Importe 26 . Interview FDP-Umweltpolitikerin Skudelny „E-Fuels – für den Klimaschutz unverzichtbar“ 28 . Report Blick in die Forschung Sauber und stark durch Dual-Fuel-Brennverfahren 31 . 60 Sekunden über … Herausforderung Energiewende Wie viele Jobs im Handel und Aftermarktet bedroht sind IMPRESSUM HERAUSGEBER UNITI Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen e.V., Jägerstraße 6, 10117 Berlin, Elmar Kühn (V. i. S. d. P.) REDAKTIONSBEIRAT Elmar Kühn, Dirk Arne Kuhrt, Annika Metze, Dominik Hellriegel CHEFREDAKTEUR Florian Flicke REDAKTIONSLEITUNG Gerhard Walter REDAKTION Wolfgang Kempkens, Dirk Arne Kuhrt, Katharina Siemer, Kristina Simons, Sebastian Wolking ART DIREKTION Periodical.de BILD REDAKTION Karin Aneser VERLAG UND REDAKTIONSANSCHRIFT Solutions by HANDELSBLATT MEDIA GROUP GmbH, Toulouser Allee 27, 40211 Düsseldorf, Tel. 0211/54227-700, Fax 0211/54227-722, www.solutions-hmg.com VERLAGSGESCHÄFTS FÜHRUNG Andrea Wasmuth, Jan Leiskau, Dr. Christian Sellmann, ANZEIGENLEITUNG David Weigelt, Tel. 030/755414-540 DRUCK Strube Druck & Medien OHG, 34587 Felsberg LITHO TiMe GmbH ADRESS ÄNDERUNGEN Geschäftsstelle UNITI, Tel. 030/755414-300, Fax 030/755414-366, E-Mail: info@uniti.de ISSN 2195-4445 Der Inhalt der Beiträge gibt nicht in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder. Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Änderungen behalten wir uns vor. 4
hingeguckt Unerschöpfliche Energie aus der Wüste DEUTSCHLAND EU W E LT Sonnenenergie ist die größte Energiequelle auf unserem Planeten. So wandeln Solarzellen die Kraft der Sonne in elektrischen Strom um. Oder Spiegel konzentrieren die Strahlen in solarthermischen Kraftwerken, um Dampf bei hohen Temperaturen zu erzeugen. Professor Robert Pitz-Paal, Direktor am Institut für Solarforschung des Deutschen Zent- rums für Luft- und Raumfahrt (DLR), sieht in der Flächennutzung dieser Technologien insbesondere an Wüstenstandorten große Potenziale. Er schätzt, dass sowohl mit PV-Systemen als auch solarthermischen Kraft- werken in Nordafrika auf einer Wüstenfläche von etwa 1.000 Kilometern mal 1.000 Kilometern eine Strommenge erzeugt werden könnte, die bilanziell den heutigen weltweiten Primärenergieverbrauch deckt. Der Primärenergieverbrauch für die EU liegt heute mit etwa 70 Exajoule bei etwas über einem Zehntel des Weltbedarfs und für Deutschland bei circa 2 Prozent, was hier rechnerisch zu einer Wüstenfläche von 150 Kilometern mal 150 Kilometern für die bilanzielle Bedarfsdeckung führt. Keine Frage: Es handelt sich dabei um Anlagen zur EE-Strom- erzeugung in großen Dimensionen. Aus Klimaschutz- und wirtschaftli- chen Gründen wird man aber auch „groß“ denken müssen. Die inter- Foto: NASA nationale Nutzbarmachung dieser enormen Solarpotenziale könnten synthetische Energieträger sehr gut übernehmen. 4—2020 5
schwerpunkt Wasserstoff DAS GRÜN- GOLDENE ZEITALTER A n der Börse wird die Zukunft ge- handelt, heißt es. Geht man nach dem Börsensprichwort, dann gehört die Zukunft Wasserstoff. Die Aktien von Wasserstofffirmen wie Nel, McPhy oder ITM Power haben im Corona-Jahr 2020 Zukunft: Wasserstoff eine regelrechte Börsenrallye hinter sich, stiegen innerhalb weniger Monate um über 100 Prozent und mehr. US-Truck- hersteller Nikola Motors war schon kurz nach dem Börsengang im Juni mit rund Kaufmann, den die Bundesregierung 20 Milliarden US-Dollar wertvoller als zum ersten Innovationsbeauftragten Fiat, ohne je einen US-Dollar Umsatz „Grüner Wasserstoff“ auserkoren hat. erwirtschaftet oder einen einzigen Was- „Wir meinen das ernst.“ Insgesamt serstoff-Lkw verkauft zu haben. Bei In- neun Milliarden Euro stellt die Bundes- vestoren und Unternehmen herrscht regierung für den Markthochlauf bereit. pure H2-Euphorie. Dass die Potenziale Derzeit liegt der nationale Verbrauch von Wasserstoff und von wasserstoff- von Wasserstoff bei 55 bis 60 Terawatt- basierten Produkten enorm sind, darü- stunden pro Jahr. Dabei handelt es sich ber sind sich Erzeuger und Anwender aber größtenteils um grauen Wasser- international einig. Jetzt müssen sie nur stoff, der aus fossilen Brennstoffen er- noch gehoben werden. zeugt wird und enorme CO2-Emissio- In Deutschland fiel der Start- nen freisetzt. Er wird hauptsächlich in schuss ins Wasserstoffzeitalter mit der der Chemieindustrie, bei der Herstel- Fotos: artegorov3@gmail – stock.adobe.com, privat Nationalen Wasserstoffstrategie, die im lung von Ammoniak, Methanol und Juni vorgestellt wurde. Wasserstoff ist konventionellen Kraftstoffen verwen- ein vielfältig einsetzbarer Energieträger, det. Der Wasserstoff der Zukunft soll heißt es im Dokument, der bei der Errei- möglichst schnell klimafreundlich er- chung der Klimaziele 2030 helfen soll. zeugt werden, also mithilfe erneuerba- Schnelle und klima- 38 Einzelmaßnahmen sollen die Strate- rer Energien hergestellt werden und freundliche Erzeugung gie mit Leben füllen, die gesamte Wert- eine noch breitere Anwendung erfah- schöpfungskette abdecken: Erzeugung, ren. Für 2030 rechnet die Bundesregie- Transport, Speicherung und Verwen- rung mit einem grünen Wasserstoff- dung von Wasserstoff. „Die Bundesre- bedarf in Deutschland von insgesamt gierung hat sich mit der Wasserstoffstra- 90 bis 110 Terawattstunden. Andere tegie sehr ehrgeizige Ziele gesetzt“, sagt Prognosen kommen sogar auf 380 der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Terawattstunden. 6
Wasserstoff schwerpunkt T E X T Sebastian Wolking Die Euphorie um Wasserstoff kennt keine Grenzen. Von grünem Wasserstoff, der mit erneuerbaren Energien und modernen Elektrolyseanlagen hergestellt wird, könnten Wirtschaft und Umwelt gleichermaßen profitieren. Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie hat die Bundesregierung zum ersten Mal einen Handlungs- rahmen für die künftige Erzeugung, den Transport, die Nutzung und Weiterverwendung von Wasserstoff und dessen Folgeprodukten vorgegeben. Doch damit der Aufbruch ins Wasserstoffzeitalter Realität wird, darf es nicht bei Ankündigungen bleiben. Wasserstoff als Grundlage für synthetische Kraftstoffe Aber warum beim Wasserstoff aufhö- ren? Ein technischer Verfahrensschritt weiter und es kann ein sofort universell einsetzbarer und logistisch einfach zu transportierender Flüssigkraftstoff für verschiedene Anwendungsbereiche glo- bal verfügbar gemacht werden. Der Wasserstoff ist dafür das Ausgangspro- dukt, der durch den Prozess der Elekt- rolyse aus der Zerlegung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gewonnen wird. Auch die Strategie der Bundesre- gierung greift dies auf, in der Wasser- „Es gibt viele stoff „zukünftig als Basis für syntheti- sche Kraft- und Brennstoffe“ bezeichnet Länder, die großes wird. Stammt der dazu benötigte Strom aus regenerativen Quellen, ist auch der Interesse an der Wasserstoff klimaneutral. Mit einem Erzeugung und weiteren Produktionsschritt, der Syn- these, wird der Wasserstoff mit Kohlen- dem Export dioxid zu einem flüssigen Kraftstoff „veredelt“. Dieser kann ohne zusätzli- von grünem chen technischen Aufwand unter atmo- sphärischen Umgebungsbedingungen Wasserstoff haben.“ gelagert, transportiert und genutzt, Stefan Kaufmann, sprich getankt, werden. Die Bundesre- Innovationsbeauftragter „Grüner Wasserstoff “ der Bundesregierung gierung spricht in der Strategie vom Transport von Wasserstoff in Form von PtX-Folgeprodukten, die „leicht und Universell einsetzbar, sicher über weite Strecken transportiert einfach zu transportieren werden“ können. Ein solcher synthetischer Kraft- stoff kann konventionelle Kraftstoffe schrittweise ersetzen und so den welt- weiten Fahrzeugbestand klimaneutral 4—2020 7
schwerpunkt Wasserstoff machen – vom Pkw über Schiffe bis Und im Luftverkehr? Hier kündigt hin zu Flugzeugen. Das wäre die Ener- die Bundesregierung an, eine Mindest- CO2-neutrale Mobilität: giewende im Verkehr, dazu bräuchte es quote für strombasierte Flugkraftstoffe Grüner Wasserstoff und keine Anpassung oder Ersetzung der von mindestens 2 Prozent im Jahr 2030 seine Folgeprodukte Antriebe und auch nicht der seit Jahr- prüfen zu wollen. Nach viel klingt eine wie etwa synthetische zehnten bestehenden Verteil- und Tank- Quote von 2 Prozent nicht. Doch ist diese Kraftstoffe sind für infrastruktur. politisch-strategische Verankerung vor den klimaneutralen Verkehr der Zukunft Auch bis zur Politik ist mittlerwei- allem ein Bekenntnis zu E-Fuels. Immer- unverzichtbar. le die Expertenmeinung durchgedrun- hin handelt es sich beim Luftverkehr um gen, dass eine bezahlbare Energiewende denjenigen Verkehrsbereich, in dem der gerade im Verkehrsbereich nur mit Nut- Aspekt Sicherheit ganz oben steht. Im zung klimaneutraler flüssiger Kraftstoffe Luftverkehr werden folgerichtig die mit zu erreichen ist. Um den Markthochlauf Abstand höchsten Anforderungen an die dieser synthetisch hergestellten Kraft- Kraftstoff-Funktionalität gestellt. E-Fuels stoffe im Verkehrssektor in Deutschland erfüllen sie. Die strombasierten Kraft- in Schwung zu bringen, bedarf es einer stoffe können mit konventionellem Kero- zügigen und ambitionierten Umsetzung sin gemischt werden, eine Flugzeugflotte der EU-Erneuerbaren-Energien-Richtli- muss dafür nicht umgerüstet werden. nie durch die Bundesregierung. Die EU Dies führt zu riesigen Klimaschutzeffek- sieht darin vor, dass auch erneuerbare ten. Flüssige E-Fuels weisen ebenso Kraftstoffe wie E-Fuels einen Beitrag zur wie konventionelle Kraftstoffe höchste Integration erneuerbarer Energien in den Energiedichten auf. Würde die Politik Verkehrsbereichen leisten können. Die dem klimaneutralen Energieträger den Bundesregierung bekennt sich in der Na- Einsatz in alle anderen Verkehrsbe- tionalen Wasserstoffstrategie dazu, die reichen ermöglichen, wäre dies ein Richtlinie möglichst zügig umzusetzen, logischer Schritt. und stellt in Aussicht, den Anteil der er- neuerbaren Energien am Endenergiever- Import von grünem Wasserstoff – brauch des Verkehrssektors im Jahr 2030 nächste Stufe der Energiewende über die EU-Vorgaben von mindestens Für die Erzeugung von Wasserstoff wer- Anteil an erneuerbaren 14 Prozent hinaus zu erhöhen. Welche den Elektrolyseanlagen benötigt, in de- Energien erhöhen Rolle E-Fuels für das verantwortliche nen Wasser mithilfe von elektrischem Bundesumweltministerium dabei spie- Strom in seine Bestandteile Wasserstoff len, ist eine der mit Spannung erwarteten und Sauerstoff zerlegt wird. Zwar sollen Klärungen in diesem Jahr. in den kommenden Jahren laut Strategie viele weitere Elektrolyseanlagen in Deutschland entstehen, mehr als 14 Tera- wattstunden werden sie bis 2030 aber vermutlich nicht produzieren können. Damit ist klar: Solar- und Windkraft zur Erzeugung von Wasserstoff und seinen Folgeprodukten ist keineswegs im Über- Fotos: Bernhard Lang/Getty Images, Jochen Lübke/dpa/picture alliance fluss vorhanden. Der aktuelle und zu- künftige Bedarf an erneuerbaren Energi- Gewaltiges Potenzial: en abseits des Wasserstoffs ist aber ohne- Die deutsche Stahlindustrie hin schon hoch. Stillgelegte Kohle- und muss bis 2050 klimaneutral werden – grüner Wasserstoff Kernkraftwerke müssen ersetzt und die soll Koks und Kohle in den alte Generation der fossilen Energieträger nächsten Jahrzehnten muss durch klimaneutrale ausgetauscht komplett ersetzen. werden. „Wasserstoff spielt in Zukunft eine wichtige Rolle, aber alles steht und fällt mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien“, sagt daher Graham Weale, Honorarprofessor für Energieökonomik an der Ruhr-Universität Bochum, der eine Studie zum Thema vorgelegt hat. „Wir sind in Europa nicht auf dem richtigen Weg. Der Ausbau der erneuerbaren Ener- gien verlangsamt sich.“ 8 Fortsetzung auf Seite 12
Veronika Grimm schwerpunkt INTERVIEW Veronika Grimm ist Mitglied im Sach- verständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, einem Gremium der wirtschaftswissen- schaftlichen Politikberatung. Im Interview spricht die Professorin für Volkswirt- schaftslehre an der Universität Erlangen- Nürnberg über die Potenziale von Wasser- stoff und synthetischen Kraft- und Brenn- stoffen für die Energiewende. I N T E R V I E W Gerhard Walter erst jetzt den klimaneutral erzeugten Wasserstoff in den Blick? Die Klimaneutralität bis 2050 erreichen wir, indem wir erneuerbaren Strom nutzen, um den Mobilitäts- und den Wärmesek- „Wendepunkt in tor sowie die Industrie zu dekarbonisie- ren beziehungsweise zu defossilisieren. In einigen Bereichen kann dies über die direkte Elektrifizierung geschehen, wie der Energiepolitik“ beim Batteriefahrzeug oder der Wärme- pumpe. In anderen Bereichen sind kli- maneutraler Wasserstoff und darauf ba- sierende synthetische Energieträger die einzig sinnvolle Option, etwa in der Schwermobilität und in Teilen der Indus- trie. Aktuell ist die Herstellung von grü- nem Wasserstoff mittels Elektrolyse Frau Grimm, Wasserstoff ist thetische Energieträger eine entscheiden- noch sehr teuer. Es wird aber bei zuneh- als Energieträger für Industrie und de Rolle. In Deutschland wurde außer- mender Produktion eine Kostendegressi- Verkehr deutlich in den Mittelpunkt dem mit dem Klimapaket 2019 die on bei den Anlagen einsetzen und damit der Politik gerückt. Ist diese Neuorien- Bepreisung von CO2 in allen Sektoren als auch der Preis von grünem Wasserstoff tierung ein Wendepunkt in der deut- Leitinstrument der Klimapolitik etab- sinken. Außerdem ist zu erwarten, dass schen Energiepolitik? Durch das liert. Diese Entwicklungen markieren in CO2-Emissionen immer teurer werden Ziel der Klimaneutralität bis 2050, das der Tat einen Wendepunkt in der Klima- und sich dadurch auch die Attraktivität Foto: Giulia Iannicelli/H2.B die EU im Rahmen des Green Deal for- und Energiepolitik, aber auch in der In- klimaneutraler Energieträger im Ver- muliert hat, müssen ganz neue Akzente dustriepolitik. Es kommt jetzt auf die gleich zu deren fossilen Pendants erhöht. in der Energiepolitik gesetzt werden. Umsetzung an. Spätestens jetzt ist klar, dass alle Sekto- ? Welche volkswirtschaftlichen ren konsequent dekarbonisiert werden ? Wasserstoff aus fossiler Herstel- Vorteile lassen sich mit der Nutzung müssen. Dabei spielen klimaneutraler lung kommt bereits seit Jahrzehnten von Wasserstoff verwirklichen? Wasserstoff und darauf basierende syn- zum Einsatz. Wieso nimmt die Politik Stichwort: Wertschöpfungsketten … 4—2020 9
schwerpunkt Veronika Grimm nötig. Und es ist wichtig, einen verlässli- chen Handlungsrahmen für die Wirt- schaft zu schaffen. Das geht eigentlich nur über marktorientierte Mechanismen, nicht über kleinteilige Förderinstrumente. Um klimaneutralen Wasserstoff ? Bis 2030 sollen hierzulande Produk- in großem Umfang verfügbar zu machen, tions- beziehungsweise Elektrolyse- ist der Aufbau von komplexen Wert- Kapazitäten von vorerst fünf Gigawatt, schöpfungsketten einer zukünftigen Was- bis 2040 von zehn Gigawatt aufgebaut serstoffwirtschaft nötig. Das ist ein Pro- werden. Reicht das aus, um den Pfad der zess, der sich über viele Jahre hinziehen Wasserstofftechnologie erfolgreich zu „Auf Dauer wird wird. Das reicht von der reinen Wasser- beschreiten? Auf Dauer wird stofferzeugung über den Transport – also Deutschland seinen Wasserstoffbedarf Deutschland die Logistik – bis hin zur vielfältigen Nut- zung in den Sektoren Mobilität, Wärme nicht aus heimischer Produktion decken. Aktuell importiert die Bundesrepublik seinen Wasserstoff- und Industrie, aber auch zur Langzeit- speicherung von Strom. ungefähr 72 Prozent ihres Primärenergie- bedarf nicht aus heimischer ? Kann die Wasserstoffwirtschaft neue Arbeitsplatzpotenziale heben? Produktion Ja, das zeichnet sich ganz klar ab. Die deutsche Industrie ist exzellent auf- decken.“ gestellt, um Schlüsselkomponenten für eine zukünftige Wasserstoffwirtschaft zu produzieren. Viele traditionelle Stärken der deutschen Industrie sind hier gefragt – etwa im Maschinenbau oder in der chemi- schen Industrie, bei der Produktion von Kraftfahrzeugen und in der Zulieferindus- trie. Das sichert bestehende Arbeitsplätze; wir müssen aber frühzeitig Sorge tragen, auch Fachkräfte auszubilden, die neue relevante Qualifikationen erwerben. Hier Veronika Grimm ist es wichtig, ein effektives Zusammen- ist seit 2008 Inhaberin des Lehr- stuhls für Volkswirtschaftslehre an spiel von Forschungseinrichtungen und der Friedrich-Alexander-Universität Industrie zu befördern, damit die notwen- Erlangen-Nürnberg. Seit 2020 dige Expertise zu Zukunftsthemen auch ist sie Mitglied des Sachverständi- schnell aufgebaut werden kann. genrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. ? Die Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien wird nun massiv gefördert. Reichen die bisheri- gen Maßnahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie aus? Die Wasserstoffstrategien auf Bundes-, Län- der- und EU-Ebene gehen alle weit über die Förderung der Herstellung von grü- nem Wasserstoff hinaus. Es geht um den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft ent- lang der gesamten Wertschöpfungskette. Dafür muss in großem Umfang privat- wirtschaftliches Kapital aktiviert werden. Damit dies geschieht, ist ein gutes Zusam- menspiel der Strategien auf EU- und Bun- desebene sowie auf Ebene der Länder 10
Veronika Grimm schwerpunkt „Wir müssen die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen bedarfs. Aufgrund von geografischen und anpassen, sodass klimatischen Gegebenheiten ist damit zu rechnen, dass Deutschland auch in einer klimaneutrale Technologien zukünftigen klimafreundlichen Welt auf Energieimporte angewiesen bleibt. Das und Produkte relativ zu heißt, es müssen jetzt internationale Ko- ihren fossilen Alternativen operationen aufgebaut werden, um die Grundlage zu schaffen, zunehmend auch attraktiver werden.“ erneuerbare Energieträger, also Wasser- stoff und darauf basierende synthetische Kraftstoffe, zu importieren. Auch dies ist ein Schwerpunkt der vorliegenden Was- serstoffstrategien. Für den Aufbau von Technologiekompetenz, der sich aus dem Bau und Betrieb der Elektrolyseanlagen und der entsprechenden Logistik ergibt, ist es wichtig, dass Elektrolyseanlagen auch hierzulande gebaut und betrieben Produktionsvolumen doch massiv ge- Produkte relativ zu ihren fossilen Alter- werden – allerdings nicht in dem Umfang, steigert werden? Auf lange Sicht nativen attraktiver werden. Hier gibt es um den heimischen Energiebedarf kom- stimmt das. Es gibt weltweit viele Regio- noch viel zu tun. Das Leitinstrument der plett zu decken. nen, in denen die Gestehungskosten er- Klimapolitik muss ein sektorenübergrei- neuerbarer Energien niedrig sind und wo fender, einheitlicher und EU-weiter CO2- ? Welche Anwendungsmöglichkeiten keine Konkurrenz mit der nationalen Preis sein. Dazu sollte idealerweise der sehen Sie für den Wasserstoff, in wel- Energieversorgung besteht, in Afrika, Is- europäische Emissionshandel ausgeweitet cher Form macht sein Einsatz am meis- land, Kanada, Patagonien zum Beispiel. und gestärkt werden. Da dies Zeit braucht ten Sinn und in welchen Sektoren? Günstig erzeugter grüner Wasserstoff macht es aber Sinn, dass wir in Deutsch- Es gibt verschiedene Einsatzberei- oder synthetische Kraftstoffe können land schneller vorangehen und möglichst che, in denen Wasserstoff und syntheti- dann zukünftig kostengünstig auf dem einheitliche CO2-Preise in allen Sektoren sche Energieträger nach heutigem Kennt- Seeweg nach Europa transportiert wer- einführen. Gleichzeitig sollten die Ener- nisstand die einzig sinnvolle Option sind. den. In welcher Form Wasserstoff genau giepreise von den zahlreichen verzerren- Dazu gehören der Luftverkehr, die Schiff- transportiert wird, das ist noch offen. Es den Abgaben und Umlagen befreit wer- fahrt, schwere Nutzfahrzeuge und einige gibt viele Möglichkeiten, tiefgekühlt, ge- den – Stromsteuer, EEG-Umlage und Bereiche in der Industrie. In der Industrie bunden als synthetischer Kraftstoff oder weiteres. Die entfallenden Einnahmen wird grüner Wasserstoff als Rohstoff an flüssige Wasserstoffträger gekoppelt – könnten durch die Einnahmen aus der fossile Produkte ersetzen. In der indivi- die Optionen haben alle Vor- und Nach- CO2-Bepreisung refinanziert werden. Ne- duellen Mobilität wird es – sofern es die teile. Umso schneller Partnerschaften ge- ben einer solchen Energiepreisreform entsprechende Wasserstoff-Tankstellen- schlossen werden und Erfahrungen mit muss zeitnah der Aufbau von Infrastruk- infrastruktur erst einmal gibt – ein Ne- Erzeugung, Transport und Logistik ge- turen für die Wasserstoffwirtschaft ange- beneinander von Batterie- und Brenn- macht werden können, desto klarer wird stoßen und im Bedarfsfall gezielt geför- stoffzellenfahrzeugen geben. Hier das Bild. dert werden. Darüber hinaus ist der werden die einzelnen Kunden letzten En- Ausbau von Forschungsinfrastrukturen des entscheiden, welchen Antrieb sie be- ? Welche Lösungen sollten die Bun- wichtig, auch mit dem Fokus, einen vorzugen. Außerdem sind synthetische desregierung und die EU anstreben, schnelleren Transfer von der Forschung Kraftstoffe als Beimischung zu konventi- damit die Wasserstoffherstellung und hin zur Anwendung zu ermöglichen. Und Foto: Giulia Iannicelli/H2.B onellen Kraftstoffen eine Option. die Produktion wasserstoffbasierter letztlich wäre es wichtig, dass klimaneut- Folgeprodukte betriebswirtschaftlich rale Produkte auch als solche identifizier- ? Wenn Wasserstoff und syntheti- wettbewerbsfähig werden können? bar sind, durch eine geeignete Zertifizie- sche Kraftstoffe im sonnenreichen Wir müssen die energiewirtschaft- rung. Das ist für grüne Investitionen von Nordafrika oder im windreichen Pata- lichen Rahmenbedingungen anpassen, entscheidender Bedeutung – und gibt In- gonien hergestellt werden, kann das sodass klimaneutrale Technologien und vestoren Sicherheit. 4—2020 11
schwerpunkt Wasserstoff keit von Öl und Gas reduzieren und ganz dent ist“, glaubt Kaufmann. Im Sommer neue Geschäftsmodelle entwickeln. Tat- sagte die Trump-Regierung bereits 64 sächlich will Russland bis 2024 eine Was- Millionen US-Dollar für den Aufbau ei- serstoffproduktion aufbauen. Der Staats- ner grünen Wasserstoffwirtschaft zu. konzern Gazprom könnte demnach dem Dafür spricht auch, dass Wasser- Darum richtet sich die deutsche Erdgas, das über die Pipeline Nord stoff aus Ökostrom schon 2023 in der Wasserstoffstrategie nicht nur nach in- Stream 2 nach Europa gelangt, Wasser- Herstellung genauso günstig sein könnte nen, sondern vor allem nach außen. Der stoff von bis zu 20 Prozent beimischen. wie Wasserstoff aus Erdgas. Davon profi- Plan ist es, in sonnenreichen Regionen Die EU selbst will 145 Milliarden Euro in tieren dann auch die Folgeprodukte. Ei- der Erde grünen Wasserstoff produzieren die Entwicklung der Zukunftstechnolo- nerseits sinken die Kosten für Windkraft und von dort nach Mitteleuropa exportie- gie investieren, Ex-Mitglied Großbritan- immer weiter und auch Elektrolyseanla- ren zu lassen. Die Bundesregierung lotet nien stellte im Rahmen der Corona-Hilfe gen werden immer günstiger gebaut wer- dafür gerade Partnerschaften aus. Bis auch Fördergelder für Wasserstoff bereit. den können. Zu diesem Schluss kommt Ende 2020 werden mit über 30 Ländern Zudem spielen Länder wie die H2-Pionie- eine Analyse der US-Bank Morgan Stan- im Norden, Westen und Süden Afrikas re Norwegen und Japan, Rohstoffgigant ley. „Wasserstoff ist langfristig absolut Gespräche zur Umsetzbarkeit geführt. Australien oder Hidden Champion Chile notwendig“, meint Energieökonom „Es gibt viele Länder, die großes Interesse eine gewichtige Rolle. Und dann wären Graham Weale. Man müsse halt nur einen an der Erzeugung und dem Export von da noch die Vereinigten Staaten, in denen ersten Schritt machen, in Vorleistung ge- grünem Wasserstoff haben“, sagt Stefan im nächsten Jahr entweder der bisherige hen und investieren – so wie damals bei Kaufmann. Mit Marokko konkretisieren oder ein neuer Präsident ins Weiße Haus den erneuerbaren Energien auch. Der sich bereits die weiteren Gespräche. Im einziehen wird. „Grüne Investments wer- erste Schritt hin zu einer Wasserstoff-Zu- Wüstenstaat soll eine industrielle Power- den in den Vereinigten Staaten weiter zu- kunft ist damit klar. Aber er darf nicht der to-X-Anlage gebaut werden. „Sie ist so- nehmen, unabhängig davon, wer Präsi- einzige Schritt bleiben. wohl für Marokko als auch für Deutsch- land ein Meilenstein und hebt die Ener- giewende auf die nächste Stufe“, sagt eine G R Ü N E W A S S E R S T O F F -Z U K U N F T Sprecherin der KfW Entwicklungsbank, die das Projekt finanziert. „Darüber hin- aus will sich die Bundesregierung auch Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie legt die Bundesregierung die im Bereich der Aus- und Weiterbildung entscheidende Grundlage für eine breite Anwendung von Wasserstoff engagieren“, betont Kaufmann. Die Rede und von auf Wasserstoff basierenden Folgeprodukten, wie flüssigen ist etwa von Kompetenzzentren an Uni- synthetischen Kraft- und Brennstoffen: versitätsstandorten in Afrika, in denen schulische und akademische Ausbildung 1. Energiewende mit Wasserstoff: Wasserstofftechnologien und darauf auf- verzahnt und Expertise in den Partner- bauende alternative Energieträger sind integraler Bestandteil der Energie- ländern aufgebaut werden könnten. wende. Derzeit eingesetzte fossile Einsatzstoffe und Energieträger sollen Der globale Wettlauf hat ohnehin perspektivisch durch auf erneuerbarem Strom basierende Alternativen, längst begonnen. „Wasserstoff ist ein Me- wie zum Beispiel durch PtX-Verfahren, ersetzt werden. gatrend, nicht nur in Europa“, meint Kaufmann. Wasserstoff in Reinform, 2. Sektorkopplung mit Wasserstoff: Gerade in Bereichen, in denen Strom Wasserstoff als Grundlage von syntheti- aus erneuerbaren Energien nicht direkt eingesetzt werden kann, schaffen schen Energieträgern. Grüner Wasser- grüner Wasserstoff und seine Folgeprodukte neue Möglichkeiten. stoff wird in den kommenden Jahren deutlich an Bedeutung nicht nur für die 3. Verkehr und Wasserstoff: Mobilitätsanwendungen beinhalten ein großes Wirtschaft gewinnen. Auch hohe klima- Potenzial zur Nutzung von Wasserstoff. Die wasserstoff- und PtX-basierte politische Erwartungen sind damit ver- Mobilität ist gerade für solche Anwendungen eine Alternative, bei denen knüpft, schließlich haben sich die EU der direkte Einsatz von Elektrizität nicht sinnvoll oder technisch nicht und ihre Mitgliedstaaten zu einer CO2- machbar ist. neutralen Lebens- und Wirtschaftsweise im Jahr 2050 bekannt. Die Stiftung Wis- 4. Wärmemarkt und Wasserstoff: Wasserstoff und seine Folgeprodukte kön- senschaft und Politik (SWP) in Berlin nen langfristig auf verschiedene Weise einen Beitrag zur Defossilisierung geht davon aus, dass Wasserstoff die des Wärmemarkts leisten. Handelsbeziehungen in Zukunft prägen und geopolitische Dimensionen anneh- 5. E-Fuels als PtX-Produkt: Der Transport von Wasserstoff kann in Form von men wird. China werde demnach in PtX-Folgeprodukten leicht und sicher über weite Strecken erfolgen. puncto Wasserstoff der größte Konkur- rent des Westens, Länder wie die Verei- 6. Importe von Wasserstoff: Pilotvorhaben in Partnerländern sollen aufzei- nigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabi- gen, ob und wie grüner Wasserstoff und dessen Folgeprodukte dort nach- en und Russland könnten ihre Abhängig- haltig und wettbewerbsfähig produziert und vermarktet werden können. 12
Die e+M-Zahl zur sache 157 G R A M M C O2 / K M beträgt heute die klimabilanzielle CO2-Emission eines E-Autos in der Kompaktklasse*. Bei gleichem Parameterset kommt ein Verbrennungsmotor mit beispielsweise konven- tionellem Dieselkraftstoff auf 172 Gramm CO2/km. In diesem Beispiel wird nach etwas über der Hälfte der Gesamtfahrleistung der E-Kompakt-Pkw gegenüber dem Verbrenner in dieser Klasse vorteilhaft. Stammt die im E-Fahrzeug eingesetzte Batterie aus Asien, bleibt mit einem Emissionswert von 178 Gramm CO2/km der E-Kompakt-Pkw gegenüber seinem Pendant mit Dieselantrieb klimabilanziell über die gesamte Nutzungsdauer im Nachteil. Der „Kipppunkt“ für die Emission liegt hier mit 237.000 zu fahrenden Kilometern außerhalb der zugrunde gelegten Gesamtfahrleistung. In der Zukunft können beide Antriebstechnologien gleichermaßen klimafreundlicher werden – auch in den höheren Leistungsklassen –, entweder mit E-Fuels aus Regionen mit hohen EE-Erträgen oder mit der Direktnutzung von in Deutschland erzeugtem EE-Strom. Icon: flaticon.com/Freepik * Berechnungsparameter siehe Seite 16/17 in dieser Ausgabe 4—2020 13
zur sache LCA-Studienvergleich „Politischer Perspektivwechsel geboten“ T E X T Katharina Siemer und Dirk Arne Kuhrt Im Jahr 2019 erschienen unabhängig voneinander gleich mehrere Studien, die die CO2-Bilanz von Pkw-Antrieben im Straßenverkehr unter die Lupe nahmen. Wie nicht anders zu erwarten, fielen die Bilanz-Ergebnisse und die daraus abgeleiteten Technologiepräferenzen zum Teil differenziert aus. Ein guter Grund für die Wissenschaftler von Frontier Economics, acht Studien namhafter Institutionen näher zu betrachten und eine Einordnung vorzunehmen. Trotz unterschiedlicher Ergebnisse kann aber eines festgehalten werden: Bei der Pkw-Klimabilanzierung wenden viele Fachexperten die LCA-Methode an, nicht die Tank-to-Wheel-Sicht. Die Frage nach der Tragfähigkeit von Bilanzierungsansätzen könnte damit beantwortet sein. D I E LC A- M E T H O D E N M I T B R E I T E R E M U N T E R S U C H U N G S S P E K T R U M FÜHREN ZU TECHNOLOGIENEUTRALEN BEWERTUNGEN*. „Die fehlende gesamtheitliche Grafik: Frontier Economics, Foto: Frontier Economics Perspektive ist kontraproduktiv für das Erreichen des Klimaschutzes.“ Dr. Jens Perner, Leiter der Studie bei Frontier Economics * VERGLEICH VON STUDIEN ZUR CO2-GESAMTBILANZ FÜR ANTRIEBSTECHNOLOGIEN IM I N D I V I D U A LV E R K E H R , F R O N T I E R E C O N O M I C S , M A I 2 0 2 0 14
LCA-Studienvergleich zur sache VERGLEICH DER CO2-GESAMTBILANZ L E B E N S Z Y K L U S A N A LY S E „Über alle Studien C R A D L E - T O - G AT E Die Studien-Vergleichs- untersuchung steht unter www.uniti.de hinweg gibt es keine zum Download bereit. Technologie, die übergreifend allein vorteilhaft ist.“ Fahrzeugherstellung Theresa Steinfort, Co-Autorin W E L L- T O - TA N K L ange Zeit glaubten Politiker, dass allein der Einsatz von Elektrofahrzeugen die Verkehrswende möglich macht. C R A D L E -TO - G R AV E Doch erstens ist das mengenmäßig mehr als fraglich. Und zwei- tens: Solange E-Autos mit Strom aus fossilen Quellen laufen, ist Kraftstoffherstellung für das Klima nichts, aber auch gar nichts gewonnen. Dann ver- schieben sich Emissionen einfach vom Auspuff zum Kraftwerk. Nach Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in TA N K- T O - W H E E L Kiel würde die vollständige Umstellung auf Elektro-Pkw allein in Deutschland den Strombedarf um fast 20 Prozent erhöhen. „Der erhöhte Strombedarf erfordert die zusätzliche Nutzung fossiler Energieträger“, sagt IfW-Forscher Ulrich Schmidt. Es Icons made by Smashicons and Freepik from flaticon.com; Foto: Frontier Economics, Quelle: Frontier Economics sei klimaschonender, mit erneuerbaren Energien den Anteil FOKUS DERZEITIGER fossiler Energieträger – insbesondere von Kohle – im Strommix GESETZGEBUNG zu reduzieren und gleichzeitig den Strombedarfsanstieg mög- lichst in Grenzen zu halten. Nutzung LCA-Betrachtungen – umgesetzt in acht Studien END-OF-LIFE Doch nicht nur beim verbrauchten Strom, auch bei der Herstel- lung von Elektrofahrzeugen entstehen klimaschädliche Emissi- onen. Speziell die Produktion der Batteriezellen benötigt viel Energie und verursacht erhebliche CO2-Emissionen, vor allem in den heutigen Hauptherkunftsländern China, Japan und Ko- rea. Es ist also zu kurz gedacht, die CO2-Emissionen allein an- hand der Nutzungsphase direkt am Fahrzeug zu bemessen und allein daraus Technologiebewertungen abzuleiten. Vielmehr fal- End-of-Life/Recycling len bei den unterschiedlichen Antrieben Emissionen zu ganz V unterschiedlichen Zeitpunkten, in verschiedenen Sektoren und auch in unterschiedlichen Ländern an. Um herauszufinden, wel- che Klimaschutzwirkung welche Antriebsart tatsächlich im Ver- kehrssektor ausübt, muss der gesamte Lebenszyklus in den Spätestens seit 2019: Wissenschaft und Fachöffentlichkeit wenden vermehrt Blick genommen werden. Das wird durch neuere Studien und den LCA-Ansatz für Klimabilanzen an. ! Analysen von acht namhaften Institutionen bestätigt, die alle- samt auf den LCA-Ansatz (Lebenszyklusanalyse) setzen. Von Studie zu Studie unterscheiden sich mitunter die Ergebnis- In aktuell geltenden Regularien ist nicht der LCA-Ansatz, sondern noch eine einge- se für die Klimabilanzen der untersuchten Technologien zum schränkte Tank-to-Wheel-Sicht verbreitet. Teil erheblich. Für die Wissenschaftler vom europäischen Bera- tungsunternehmen Frontier Economics war das Grund genug, Quelle: Frontier Economics alle diese Studien einer näheren Betrachtung zu unterziehen 4—2020 15
zur sache LCA-Studienvergleich und den Versuch einer systematischen Teil auch das Recycling einbeziehen. Das gen Einflussparameter auf die CO2-Klima- Einordnung vorzunehmen*, nachdem zeigt, dass für die Fachexperten die bilanz von Pkw-Antrieben, die sich aus Frontier Economics Ende 2019 auch Klimabilanzierung am Auspuff allein kei- den zahlreichen Anwendungsfällen in der selbst umfassende Berechnungsmodelle ne tragfähige Diskussionsgrundlage mehr Praxis ergeben. Einige berücksichtigen zu diesem Thema entwickelt und in einer ist. Dies ist ein Indiz dafür, dass heutige ein breiteres Untersuchungsfeld, andere eigenen Studie veröffentlicht hatte**. legislative Regularien überdacht werden „konzentrieren ihre Analyse auf Einzel- müssen. Im Zusammenhang damit wäre fälle, beispielsweise auf eine bestimmte Drei wesentliche Erkenntnisse zum Beispiel die heutige Festsetzung der herausgegriffene Fahrzeugklasse, und Erstens: Auffällig ist, so die Autoren europäischen Flottengrenzwerte mit ihrer schlussfolgern aus diesem engeren Unter- Jens Perner und Theresa Steinfort, dass „0 Gramm CO2-Emission pro gefahrenen suchungsspektrum heraus, dass eine be- alle Studien die wesentlichen Lebenszyk- Kilometer“-Sicht für das E-Auto aus der stimmte Technologie generell vorteilhaft lusabschnitte Fahrzeugherstellung Perspektive der Autoren von Frontier ist“, sagt Theresa Steinfort. So sei in der (Cradle-to-Gate), Energiebereitstellung überarbeitungsbedürftig. ifo-Studie mit Blick auf ein Oberklasse- (Well-to-Tank) und Fahrzeugnutzung Zweitens: Die Studien betrachten in un- fahrzeug der Verbrennungsmotor im Vor- (Tank-to-Wheel) berücksichtigen, zum terschiedlicher Ausprägung die vielfälti- teil, bei einer Agora-Studie das E-Fahr- * * AU S D E R LC A- ST U D I E VO N F R O N T I E R E C O N O M I C S , N OV E M B E R 2 0 1 9 : FA L L B E I S P I E L E F Ü R D I E G E S A M T K L I M A- B I L A N Z V O N P K W M I T B AT T E R I E E L E K T R I S C H E M ( B E V ) U N D V E R B R E N N U N G S M O T O R I S C H E M A N T R I E B ( I C E V ) P K W - K O M PA K T K L A S S E PKW-MITTELKLASSE 2020 –2030 (Fahrleistung: 20.000 km/Jahr) (Fahrleistung: 30.000 km/Jahr) Quelle: Frontier Economics, Die CO2-Gesamtbilanz für Antriebstechnologien im Individualverkehr heute und in Zukunft, 2019 22 18 130 2 14 20 145 2 Emissionen Verbrenner (ICEV) in g CO2 pro km = 172 = 181 38 114 6 34 129 6 Emissionen Batteriefahrzeug (BEV) in g CO2 pro km = 157 = 169 BATTERIEHER ST E L LU NG E U 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 Break-even-Punkt (nach gefahrenen km) 114.000 198.000 2020 –2030 22 18 130 2 14 20 146 2 Emissionen Verbrenner (ICEV) in g CO2 pro km = 172 = 181 58 114 6 58 129 6 Emissionen Batteriefahrzeug (BEV) in g CO2 pro km = 178 = 193 BATTERIEHER ST E L LU NG CH I NA 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 50 100 150 200 250 Break-even-Punkt (nach gefahrenen km) 2 3 7. 0 0 0 (außerhalb der Nutzungsdauer) 394.000 (außerhalb der Nutzungsdauer) 2040 –2050 12 36 1 8 40 1 Emissionen Verbrenner (ICEV) in g CO2 pro km = 49 = 49 18 29 2 16 33 2 Emissionen Batteriefahrzeug (BEV) in g CO2 pro km = 49 = 51 BATTERIEHER ST E L LU NG E U 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 10 20 30 40 50 60 Break-even-Punkt (nach gefahrenen km) 195.000 359.000 (außerhalb der Nutzungsdauer) S T R O M M I X : R E F E R E N Z S Z E N A R I O , D Y N A M I S C H E R E E - A U S B A U / K R A F T S T O F F M I X : H E U T E KO N V E N T I O N E L L E R D I E S E L K R A F T S T O F F ; I M N U T Z U N G S Z E I T R A U M 2 0 4 0 – 2 0 5 0 M I T D U R C H S C H N I T T L I C H 7 5 % E - F U E L- B E I M E N G U N G Z U M KO N V E N T I O N E L L E N K R A F T S T O F F ; B R E A K- E V E N - P U N K T B E Z E I C H N E T D I E A B S O LV I E R T E K M - F A H R L E I S T U N G , A B D E R D A S B E V G E G E N Ü B E R D E M I C E V K L I M A B I L A N Z I E L L V O R T E I L H A F T I S T. 16
LCA-Studienvergleich zur sache zeug mit starker Fokussierung auf die hen gebe es also nicht „die eine“ Techno- Kraftstoff-/Kraftstoffmixentwicklungen, Kompaktklasse. logie, die alle anderen ins Abseits stelle, Fahrzeuggrößen/-klassen, Batteriekapazi- Drittens: Bei den Studien mit einem brei- betonen die Autoren von Frontier. „Be- täten, Nutzungsprofile, Betriebszeiträume teren LCA-Untersuchungsspektrum zeigt merkenswert für uns sind die ähnlichen (innerhalb des Zeitraums von 2020 bis sich insgesamt ein ähnliches Ergebnisfeld Ergebnisbandbreiten bei den umfassend 2050) oder Gesamtfahrleistungen. der CO2-Bilanzierung, vor allem bezogen angelegten Studien.“ Das Ergebnis: Hinsichtlich der Klimabi- auf batterieelektrische (BEV) und ver- lanz ist weder das batteriebetriebene brennungsmotorische Antriebe (ICEV). Votum für Technologievielfalt Fahrzeug (BEV) noch das mit Verbren- Im Gegensatz zu den eng angelegten Be- In ihrer eigenen Studie zu Lebenszyklus- nungsmotor (ICEV) dominant. ICEV trachtungen lässt sich aus den Studien analysen Ende 2019** wählen Perner und punkten zum Beispiel bei größeren Fahr- mit breiterem Untersuchungsspektrum Steinfort ein umfassenderes Untersu- zeugen/Leistungsklassen und höheren tendenziell die Vorteilhaftigkeit der Tech- chungsspektrum mit Berücksichtigung Reichweiten, da E-Autos dann mitunter nologieoffenheit bei Pkw-Antriebsarten relevanter Einflussparameter, wie zum auf größere Batteriekapazitäten angewie- erkennen, auch unter dem Aspekt der Kli- Beispiel Strom- und Energiemixszenarien sen sind, die sich wiederum auf die Emis- maschutzbemühungen. Insgesamt gese- in Herstellungs- und Betriebsländern, sionsmengen bei deren Herstellung aus- wirken. Das Bild kehrt sich tendenziell um in Richtung kleinerer Pkw (hier: Kompaktklasse) mit vielen Einsätzen auf Fahrzeug Herstellung Erzeugung Antriebsenergie kürzeren Fahrstrecken. Und was die Zu- kunft betrifft: Unter der Annahme eines Fahrzeug Nutzung Fahrzeug Recycling Summe Emissionen in g CO 2/km weltweit dynamischen EE-Stromausbaus reduzieren sich konsequenterweise auch die CO2-Emissionen für die E-Autos. Dies PKW-SUV-/OBERKLASSE ist aber auch – mit zunehmendem Einsatz (Fahrleistung: 30.000 km/Jahr) von E-Fuels, also aus erneuerbaren Ener- gien hergestellten synthetischen Kraft- stoffen – für den Verbrennungsmotor zu erwarten. Ein weiterer Ergebnisparame- 22 21 155 2 ter: die Zahl der zurückgelegten Kilome- = 200 ter, ab der das BEV hinsichtlich der CO2- 7 50 182 Gesamtklimabilanz gegenüber dem ICEV = 240 vorteilhaft wird (= Break-even-Punkt). In 50 100 150 200 250 300 einigen Fällen liegt dieser Punkt außer- halb der zugrunde gelegten Gesamtfahr- kein Break-even-Punkt leistung. Einen eindeutigen Technologie- vorteil gibt es somit auch hierbei nicht. Politischer Perspektivwechsel nötig 22 21 155 2 Die gezeigten Untersuchungen unter- = 200 mauern, dass – auch unter Klimaschutz- 84 182 7 gesichtspunkten – eine technologieoffene = 273 politische Strategie, hier mit Bezug auf Pkw-Antriebe, im Vergleich zu Technolo- 50 100 150 200 250 300 giefokussierungen die eigentlich zielfüh- rende Option ist. Die Frontier-Autoren kein Break-even-Punkt kommen zu dem Schluss, dass „eine feh- lende gesamtheitliche Perspektive und die heute oft praktizierte alleinige Fokus- sierung auf das E-Auto eher kontrapro- 1 13 41 duktiv für das Erreichen des Klimaschut- = 55 zes ist. Klima- und verkehrspolitisch 23 46 3 muss ein zielkonformer Technologiemix = 72 ermöglicht und unterstützt werden“. Emissionsfrei ist heute keine Technologie 10 20 30 40 50 60 70 80 und „grün“ werden zukünftig mehrere, kein Break-even-Punkt auch der Verbrenner. Kein Wunder, dass die Autoren von Frontier der Politik na- helegen, technologiebezogene legislative Regularien zu überdenken. 4—2020 17
interview Wolfgang Langhoff Herr Langhoff, welche Rolle CO2-ärmere Zukunft. Grüner Wasser- nimmt Wasserstoff bei BP heute schon stoff ist heute noch deutlich teurer als ein? großindustriell genutzter Wasserstoff aus Wasserstoff, H2, ist schon heute fossilem Erdgas. Erst durch die Hochska- ein entscheidender Betriebsstoff in unse- lierung der Elektrolyseur-Produktion ren Raffinerien, um unsere Produkte her- können hier die Kosten sinken. Das stellen zu können. Für uns ist grüner schafft Chancen, Investitionskosten für Wasserstoff ein wichtiger Schritt in eine künftige Elektrolyseure massiv zu sen- ken. Jetzt müssen die richtigen Rahmen- bedingungen geschaffen werden, damit in die ersten großtechnischen Elektrolysen investiert werden kann. Dazu bieten sich Raffinerien an. ? Welche Vorteile bieten sie denn? I N T E R V I E W Gerhard Walter Raffinerien sind unter den größten H2-Nutzern Deutschlands und in ihren Damit grüner Wasserstoff großtechnisch Produkten Benzin sowie Diesel kann der bisher fossile Wasserstoff gegen grünen hergestellt werden kann, auch als Basis für synthetische H2 ausgewechselt werden. Das könnte auf Kraftstoffe, braucht es einen fairen Technologie- breiter Basis die Emissionen der aktuel- wettbewerb – davon ist Wolfgang Langhoff, Vorsitzender len Fahrzeugflotte senken. Dafür müssen jedoch regulatorische Hürden überwun- des Vorstands der BP Europa SE, überzeugt. den werden. Dazu zählt die schnelle nati- Im Interview erklärt er, warum sein Unternehmen auf onale Umsetzung der RED II – die den grünen H2 im Kraftstoff auf die THG-Re- synthetische Kraftstoffe setzt. duktionsquote anrechenbar macht und die Befreiung des in Power-to-X-Anlagen eingesetzten erneuerbaren Stroms von der EEG-Umlage vorsieht. Künftig wer- „WIR SIND den auch synthetische Kraftstoffe zum Einsatz kommen, in Bereichen, wo Batte- rien wie im Schwerlast- sowie im Flug- verkehr keine Lösung sind. E-Fuels er- möglichen eine fast klimaneutrale Mobi- BEREIT“ lität, ohne dass wir Fahrzeugflotten und Infrastruktur umrüsten müssten. ? Was plant BP konkret bis 2030 und 2050 und was ist notwendig? Im Februar 2020 hat BP erklärt, bis 2050 oder früher klimaneutral zu wer- den. Im August 2020 haben wir dann die neue Unternehmensstrategie detaillierter der Öffentlichkeit vorgestellt. Das bedeu- tet unter anderem, dass sich der Mix der Foto: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow von uns hergestellten und vertriebenen Produkte weiterentwickeln muss: mehr CO2-arme Produkte, mehr alternative Ge- schäftsbereiche. Das bedeutet auch, dass wir bis 2030 massiv in CO2-armen Was- serstoff investieren wollen. Langfristig 18
Wolfgang Langhoff interview Wolfgang Langhoff ist seit dem Jahr 2013 Mitglied des Vorstands und seit Januar 2017 Vorsitzender des Vorstands der BP Europa SE. In dieser Funktion ist er ebenso für die Bereiche Portfoliostrategie und „E-Fuels europäische Transformationsaktivitäten zuständig. Wolfgang Langhoff ist in verschiedenen Verbänden und Organisationen ermöglichen tätig. Neben seiner Rolle als Vorstandsvorsitzender des Mineral- ölwirtschaftsverbands ist er seit 2011 Vorsitzender des Beirats des Mineralölbevorratungsverbands. eine fast klimaneutrale sehen wir großes Potenzial insbesondere giewirtschaftsgesetzes klarmachen, dass Mobilität, ohne in klimaneutralem grünen Wasserstoff. sie die Entstehung einer großtechnischen Aber eine ergänzende Nutzung von Transportinfrastruktur für reinen Was- dass wir blauem Wasserstoff würde den Markt- hochlauf einer deutschen und europäi- serstoff nicht nur fordert, sondern auch konkret ermöglicht. Fahrzeugflotten schen Wasserstoffwirtschaft aus unserer Sicht erleichtern. ? Mit welchen Kosten rechnen Sie da- und Infrastruktur bei und wie sieht die Kostenentwick- umrüsten ? In welchen Projekten zur Herstel- lung aus? lung von synthetischen Kraftstoffen Grüner Wasserstoff ist heute groß- müssten.“ ist BP aktiv? technisch etwa dreimal teurer als her- Wir sind bei dem Thema sehr gut kömmlich erzeugter H2. Aber es besteht aufgestellt und engagieren uns proaktiv die Chance, diese Wirtschaftlichkeitslü- für den Markthochlauf von grünem H2 – cke deutlich zu reduzieren, wenn die Bedarf nicht gedeckt werden. Aber das ist beispielsweise als Mitglied der Power to Bundesregierung die Anreize aus der nur eine Seite der Medaille: Wichtig aus X Allianz oder bei Hydrogen Europe. RED II konstruktiv umsetzt. Und wenn unserer Sicht ist es, als Exportnation die Darüber hinaus setzen wir uns ein für dann eine Förderung potenzielle Nachtei- technologischen Fähigkeiten zu behalten. synthetische Kraftstoffe im Luftfahrtbe- le von „First Movern“ ausgleicht, dann Wenn wir in Deutschland einen Anteil reich und dort unter anderem bei Aireg, werden positive Investitionsentscheidun- am globalen Zukunftsmarkt Wasserstoff einer Initiative für die Erforschung, Pro- gen ausgelöst. Es braucht also einen fai- haben wollen, brauchen wir hier die Mög- duktion und den Einsatz von nachhalti- ren Technologiewettbewerb, damit grü- lichkeit, diese Technologie großtechnisch gem Kerosin in Deutschland. Zudem ar- ner Wasserstoff großtechnisch hergestellt zu testen und Erfahrungen aufzubauen. beiten wir an Konzepten, wie beispiels- werden kann – auch als Basis für synthe- Genau die gleiche Logik gilt auch für die weise in unserer Raffinerie Lingen, wo tische Kraftstoffe. Und mit wachsenden Prozesse zur Herstellung synthetischer synthetisches Kerosin großtechnisch Mengen sinken die Kosten zusätzlich. Kraftstoffe. Und, ganz nebenbei gesagt, hergestellt werden könnte. hilft der Wasserstoff uns, das Speicher- ? Unter welchen Bedingungen kann problem von Energie einer Lösung ? Wann können synthetische Kraft- eine Raffinerie von heute auf die Pro- näherzubringen. stoffe aus ersten Großanlagen von BP duktion von flüssigen Synthetischen kommen? transformiert werden? ? Nimmt sich das Unternehmen mit Für den großtechnischen Einsatz Der Einsatz von grünem Wasser- der Entscheidung, künftig verstärkt von grünem H2 brauchen wir aus unse- stoff ist in der Kraftstoffproduktion prob- auf Wasserstoff und dessen Folgepro- rer Sicht zwingend richtige politische lemlos möglich und könnte mit der aktu- dukte zu setzen, nicht die Grundlage Rahmenbedingungen. Beispielsweise hat ellen Fahrzeugflotte unmittelbar zu einer der bisherigen Geschäftsaktivitäten? die Bundesregierung in der Nationalen CO2-ärmeren Mobilität beitragen. Das Wir wollen uns in den nächsten Wasserstoffstrategie eine Quote für syn- hat unser Pilotprojekt in Lingen 2018 be- zehn Jahren von einem internationalen thetisches Kerosin von jährlich 200.000 reits bewiesen, bei dem wir weltweit erst- Ölunternehmen, das sich auf die Förde- Tonnen im Jahr 2030 angesprochen – malig grünen Wasserstoff in der Kraft- rung von fossilen Rohstoffen konzent- das wäre ein großer erster Schritt. Hilf- stoffproduktion einsetzten. riert, zu einem integrierten Energieunter- reich wäre auch ein Anreizprogramm für nehmen entwickeln, das sich auf die „First Mover“, das einen Teil der Investi- ? Benötigen wir für Europa und da- Bereitstellung von CO2-armen Kunden- tionen und Betriebskosten von Elektro- mit Deutschland aus Ihrer Sicht Men- lösungen konzentriert. Dieser Wandel ist lyseanlagen abdeckt, da die wie bei jeder genimporte für E-Fuels? Wenn ja, wo- absolut gewollt. Dennoch bleiben Öl- neuen Technologie zu erwartenden her sollen diese bezogen werden? und Gasaktivitäten weiter wichtig. Die Lernkurveneffekte große Investitions- Es ist klar, dass Deutschland er- Erhöhung des Anteils an Low-Carbon- kostennachteile für die Erstanlagen be- gänzend zu eigener Herstellung syntheti- Produkten und auch verstärktes Engage- deuten. Und die Politik müsste auch sche Kraftstoffe auch importieren muss. ment bei Wasserstoff passen ideal zur durch die zeitnahe Anpassung des Ener- Anders kann der enorme prognostizierte Strategie. 4—2020 19
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