Der Staat und die Kirchen - Essen, was ihr esst Aus Seelsorge - forum - Pfarrblatt

Die Seite wird erstellt Kai Esser
 
WEITER LESEN
Der Staat und die Kirchen - Essen, was ihr esst Aus Seelsorge - forum - Pfarrblatt
29. DEZEMBER BIS 11. JANUAR

                                                                                  1 2019

Der Staat und die Kirchen
Neujahrsgespräch Regierungsrätin Jacqueline Fehr

Essen, was ihr esst                          Aus Seelsorge

Schwester Jermia Thomas hat ihre Heimat in   Veronika Jehle sucht den Dialog
Taiwan gefunden.                             mit Papst Franziskus.
Der Staat und die Kirchen - Essen, was ihr esst Aus Seelsorge - forum - Pfarrblatt
EDITORIAL

                                                                        Alle Welt spricht heute von
                                                                        Kommunikation; alle wollen
                                                                        sich auf allen möglichen Ka-
                                                                        nälen Gehör verschaffen.
                                                                        Wenn offenbar alle etwas zu
                                                                        sagen oder zu zeigen haben,
Was in den letzten Monaten geschehen ist, hatte                         dann ist ja die Frage berech-
ich schon viel früher befürchtet: Papst 		                              tigt: Gibt es denn noch Men-
Franziskus wurde vom Thron gestossen.                                   schen, die wirklich zuhören,
                                                                        ehrlich, unvoreingenommen
                                                                        und einfühlsam?
Tragisch daran ist, dass wir und die Medien ihn auf diesen
Thron gehypt haben. Viel zu übersteigert waren die Hoffnun-             Ein freiwilliger Mitarbeiter
gen in diesen Papst, von dem erwartet wurde, dass er nun end-           verabschiedete sich vor ein
lich alles für diese Kirche richten würde.                              paar Tagen nach 25 Dienst-
   Plötzlich waren aus Gläubigen, die sich noch bei Papst 		            Jahren von der Dargebotenen
Benedikt XVI. als Kritiker des Papsttums hervortaten, glühende Papst-   Hand. Er sagte mir sinnge-
verehrer geworden.                                                      mäss: «Wenn bei einem Ge-
                                                                        spräch mit einem mir völlig
Ich sehe es so: Wer Franziskus zum Quasi-Heiligen erklärt               unbekannten Menschen in-
und auf ein unantastbares Podest stellt, der hat nicht be-              nerhalb kurzer Zeit das Herz
griffen, was dieser Papst mit dem Papsttum und der Kirche               zur Ruhe kommt, der Ver-
vorhat. Er will sie aus der Sackgasse der Unantastbarkeit               stand sich wieder sammelt
holen, weil Unantastbarkeit jeden Dialog und jede Ent-                  oder die Erschöpfung Trost
wicklung verhindert.                                                    erfährt, dann erlebe ich dies
                                                                        wie ein kleines Wunder. Sol-
Ich schätze Papst Franziskus nach wie vor für viele Dinge, die          che Erfahrungen berühren
er getan und gesagt hat. Und ich bin immer noch überzeugt,              mich. Und sie geben meiner
dass sein Pontifikat unserer Kirchengeschichte eine entschei-           Arbeit bei Tel 143 Bedeutung
dende Wendung geben wird. Aber Papst Franziskus hat bei mir             und Sinn.» Diese Worte ha-
keinen Blankoschein. Ich erwarte von ihm keine Unfehlbarkeit.           ben mich tief beeindruckt.
                                                                        Sie sind eine treffende Be-
Manchmal sagt Franziskus in seiner Spontaneität Dinge, bei              schreibung für das, was Mit-
denen ich denke: Hättest du diese Aussage nicht etwas länger            gefühl im Gegenüber bewir-
in deinem Herzen bewegen können?! Und manchmal sagt er                  ken kann.
auch Dinge, die ich schlicht und einfach für unüberlegt halte.          Wie offen und berührbar be-
Aber das ist gewissermassen der Deal mit Franziskus: Seine              gegne ich meinen Mitmen-
Spontaneität, Direktheit und Emotionalität schlägt in viele             schen im Alltag, zu Hause,
Richtungen aus.                                                         bei der Arbeit oder in der
                                                                        Freizeit? Denn der Grundsatz
                                                                        gilt überall: Der Mensch, dem
                                                                        zugehört wird, gehört dazu.

                                                                        Tony Styger Dargebotene Hand Zürich.
                                                                        Ende 2018 tritt er nach über 17 Jahren
                                                                        als Stellenleiter in den Ruhestand.
    redaktion@forum-pfarrblatt.ch

                                                                                                        forum 1 2019    2
Der Staat und die Kirchen - Essen, was ihr esst Aus Seelsorge - forum - Pfarrblatt
INHALT

                                             4

                                                                                                                                                         Foto: Christoph Wider
GOTT UND DIE WELT

In wohlwollender
Distanz
Seit Jacqueline Fehr als Regie-
rungsrätin auch «Kirchenministe-
rin» ist, hat sich das scheinbare
Anhängsel in der Justizdirektion zu
einem Thema mit Gewicht entwi-
ckelt. Ein Gespräch mit einer
Politikerin, die systemische Über-
legungen liebt, weil sie lieber ver-
steht als wertet.

GLAUBEN HEUTE
                                   25                                                                         FORUM IM FORUM
                                                                                                              Standpunkt
                                                                                                              Seelsorge trägt Sorge zur Sprache
                                                                                                                                                   8

 « Gott nimmt un-
 sere Eigenschaften                                                      GOTT UND DIE WELT        26          AUS DEN PFARREIEN

                                                                                                              GLAUBEN HEUTE
                                                                                                                                            9–24
                                                                                                                                                  25
 und unsere Le-                                                          Essen, was ihr esst                  Kirchenjahr
 bensweise gleich                                                        Schwester Jermia Thoma hat offen-
                                                                                                              Christbaum

                                                                         bar einen starken Magen. Ihr «dia-
 einer zweiten Na-                                                       logisches Leben» mit den Men-        GOTT UND DIE WELT          26–27
 tur an und gleich-                                                      schen in Taiwan nährt sie aber       Ordensfrauen und Abenteuer
                                                                         noch auf andere Art.
 zeitig ‹durchgött-                                                                                           Schwester Jermia Thoma

 licht› er fortan das
                                                 Foto: Christoph Wider

                                                                                                              BOUTIQUE                   28–29
 Menschsein.»                                                                                                 Glaube und Wissenschaft
                                                                                                              Die Heiligen Drei Könige
 Alexandra Dosch Diözesane Fortbildungsbe-

 auftragte, in ihrer Kolumne «Inkarnation»
                                                                                                              AGENDA                             31
                                                                                                              SCHLUSSTAKT                        32
                                                                                                              Wortbilder
                                                                                                              Überraschung

                                                                                                               ONLINE + 

                                                                                                               … kein Häuflein Dreck!
                                                                                                               Astrid Lindgren hat ganze Genera-
                                                                                                               tionen mit ihren Geschichten ge-
                                                                                                               prägt. Eine Dankesrede.
                                                                                                               www.forum-pfarrblatt.ch

                                                                                                                                     forum 1 2019    3
Der Staat und die Kirchen - Essen, was ihr esst Aus Seelsorge - forum - Pfarrblatt
GOTT UND DIE WELT

In wohlwollender Distanz
Seit Jacqueline Fehr als Regierungsrätin auch «Kirchenministerin» ist, hat sich
das scheinbare Anhängsel in der Justizdirektion zu einem Thema mit Gewicht
entwickelt. Ein Gespräch zwischen den Jahren mit einer Politikerin, die syste-
mische Überlegungen liebt, weil sie lieber versteht als wertet.

                     Frau Fehr, Sie haben von sich selbst einmal ge-      Sie sprechen immer wieder von Augenmass. Wes-
                     sagt, sie seien eine strenge Lehrerin gewesen.       halb ist Ihnen dieses so wichtig?
                     Sind Sie auch eine strenge Justizdirektorin?         Für meine Direktion bedeutet Augenmass, dass
                     Jacqueline Fehr: Es war für mich als Lehrerin        wir uns nicht von jeder Provokation aus der Fas-
                     immer wichtig, Verlässlichkeit zu garantieren        sung bringen lassen. Dass wir mit Bedacht re-
                     und dafür auch etwas auszuhalten. Ich wollte ei-     agieren und das breite Instrumentarium, das
                     nen Rahmen bieten, an dem man sich auch rei-         uns zur Verfügung steht, geschickt nutzen.
                     ben kann. Das ist nur möglich, wenn ich meine            Das gilt beispielsweise für das Jugendstraf-
                     eigene Position klar zu erkennen gebe.               recht. Wir dürfen nicht einfach Symbolpolitik
                        Für mich ist das noch heute sehr wichtig. Als     machen, sondern müssen uns immer überlegen,
                     Justizdirektorin vertrete ich den Rechtsstaat        welche Massnahmen dazu führen, dass ein jun-
                     und seine Institutionen. Dieser Rechtsstaat ist in   ger Mensch tatsächlich den Weg in die Gesell-
                     erster Linie zum Schutz der Schwachen da. Des-       schaft findet.
                     halb braucht es verbindliche Regeln, damit sich          Da ich selbst nicht operativ arbeite, also bei-
                     nicht einfach die Macht des Stärkeren durch-         spielsweise keine jugendlichen Straftäter be-
                     setzt. Das nehme ich heute genauso ernst wie         gleite, bedeutet Augenmass in meiner Rolle als
                     damals als Lehrerin.                                 Justizdirektorin vor allem eine Haltung, die ich
                                                                          vorgeben und vorleben muss. Diese prägt die Art
  Die Kirchen haben auch besondere Anliegen                               und Weise, wie wir darüber in unserer Direktion
                                                                          diskutieren, nachdenken, handeln.
und Interessen, aber sie kümmern sich ganz
generell um den Menschen und das Zusammen-                                Augenmass und Bedacht – das klingt in Zeiten
leben in der Gesellschaft. Sie vermitteln Werte                           von Social Media langsam und zurückhaltend.
                                                                          Ich mahne oft zur Geduld, weil ich der Überzeu-
wie Rücksichtnahme, Fürsorge oder Toleranz. Ich                           gung bin, dass Entwicklungen nicht erzwungen
sehe keinen anderen sozialen Akteur, der das in                           werden können. Man kann sie bloss ermögli-
dieser Breite tut.
                                                                          chen oder mit gezielten Systemirritationen aus-
           Plenarversammlung Römisch-katholische Zentralkonferenz,        lösen. Andererseits bin ich selbst oft auch unge-
                                               30. November 2018          duldig, obwohl ich genau weiss, dass Ungeduld
                                                                          in den seltensten Fällen viel bringt. Ich spüre
                                                                          diese Spannung also an mir selbst und kämpfe
                     Die wenigsten würden sich selber als streng 		       damit.
                     beschreiben.                                             Auf den Umgang mit sozialen Medien über-
                     Ich verstehe darunter Verlässlichkeit. Ich will      tragen: Sie machen es noch wichtiger, dass ich
                     einen Rahmen setzen, der Freiräume ermög-            meine Dossiers beherrsche, dass ich die wichti-
                     licht. Räume, in denen man sich verwirklichen        gen politischen Fragestellungen kenne, dass ich
                     kann, gerade weil man sich nicht ständig um          einen Risikoblick für mögliche Entwicklungen
                     den Rahmen zu kümmern braucht.                       habe. Ich muss also viel stärker als früher anti-
                         Strenge, wie ich sie verstehe, bedeutet also     zipieren können, weil ich nur dann schnell re-
                     weder Machtversessenheit noch Machtmiss-             agieren kann.
                     brauch. Gerade als Regierungsmitglied muss ich           Wenn wir rasch wichtige Informationen auf-
                     mir dessen immer bewusst bleiben. Diese Macht        bereiten, den Stand der Dinge erklären und un-
                     ist mir anvertraut und an meine Funktion ge-         ser weiteres Vorgehen skizzieren können, dann
                     bunden. Deshalb bin ich verpflichtet, mein Ver-      gewinnen wir Zeit. Dann sind wir nicht mehr ge-
                     hältnis zur Macht sehr intensiv zu reflektieren      trieben und können das Geschäft in der Hand
                     und mir der Grenzen, die es einzuhalten gilt,        behalten.
                     sehr bewusst zu sein.

                                                                                                            forum 1 2019    4
Der Staat und die Kirchen - Essen, was ihr esst Aus Seelsorge - forum - Pfarrblatt
Sie fordern aber auch Experimentierfelder in der

                                                     Foto: Christoph Wider
Politik. Das tönt dann wieder vorwärtsdrängend.
Mit Experimenten können wir Erfahrungsräu-
me schaffen, die uns dann neue Lösungen er-
möglichen. Das Ausländerstimmrecht wäre für
mich ein solcher Fall. Ich wäre sehr froh, wenn
die kantonale Gesetzgebung es den Gemeinden
ermöglichen würde, dieses einmal auszuprobie-
ren. Dann würden wir mehr erfahren: Aktivie-
ren sich dadurch das Dorf und die Dorfpolitik?
– Führt es zu grundsätzlich anderen Entschei-
den? – Wir könnten all das beobachten und
wichtige Erfahrungen sammeln.

Sie sind als Regierungsrätin auch für die Bezie-
hungen zu den Kirchen verantwortlich. Gerade
dieses Feld bearbeiten Sie sehr intensiv. Das hät-
ten wohl die wenigsten von Ihnen erwartet.
Tatsächlich kam die Orientierung «Staat und
Religion im Kanton Zürich» für viele überra-
schend. Selbst in der Regierung waren sich zu
Beginn nicht alle sicher, ob es eine solche über-
haupt braucht. Deshalb haben wir viel darüber
diskutiert. Was sehr wichtig und wertvoll war.
Irgendwann waren wir uns alle einig, dass es
in unserer Gesellschaft Orientierungspunkte
braucht.

Weshalb?
Wir befinden uns mitten in einem gesellschaft-
lichen Experiment, das es so noch nie gegeben
hat. Noch nie konnte man in seiner Lebensge-                                                                                        Jacqueline Fehr (55)
staltung und Werthaltung so frei unter so vielen                                                                                    wuchs in Elgg und Win-
Möglichkeiten wählen. Diese riesige individuel-                                                                                     terthur in einfachen Ver-
le Freiheit ist aber auch eine Herausforderung.                                                                                     hältnissen auf. Sie hat
Können wir damit umgehen?                                                                                                           von 1998 bis 2015 für die
                                                                                                                                    SP im Nationalrat politi-
    In dieser Situation nehmen die Kirchen nach                              Und hier spielen die Kirchen – neben Vereinen
                                                                                                                                    siert und leitet seit 2015
wie vor eine wichtige Aufgabe wahr, gerade weil                              und Parteien – eine wesentliche Rolle, weil sie        als Regierungsrätin die
sie Orientierungshilfen anbieten, sei es zu ge-                              oft gerade dort präsent sind, wo die rasche und        Direktion der Justiz und
sellschaftlichen Grundwerten oder zu Sinn- und                               erfolgsorientierte Welt nicht mehr so genau            des Inneren des Kantons
Lebensfragen. Wir sind in der Regierung zur                                  hinschaut.                                             Zürich. Jacqueline Fehr
                                                                                                                                    wohnt in Winterthur und
Überzeugung gekommen, dass die Kirchen in                                        Die Kirchen tragen zudem zur Orientie-
                                                                                                                                    ist Mutter von zwei er-
dieser Hinsicht für Menschen mit oder ohne                                   rungsfähigkeit bei, weil sie die transzendentalen      wachsenen Söhnen.
Glauben wichtig sind, selbst wenn man sich von                               Fragen ansprechen, die Sinn- und Lebensfra-
ihnen abgrenzt. Sie bieten einen Raum der Aus-                               gen. Sie schaffen einen Raum, in dem man sich
einandersetzung mit zentralen Fragen der                                     damit auseinandersetzen kann.
Gegenwart.
                                                                             Sie selbst stehen keiner Kirche nah. Problem oder
Auf der Website der Justizdirektion tauchen die                              Vorteil?
Kirchen bei der Auflistung der Arbeitsbereiche                               Ich bin überzeugt, dass es ein Vorteil ist, dass ich
nicht auf. Weshalb ist Ihnen dennoch gerade die-                             zu allen Kirchen in ähnlicher Distanz stehe. Ich
ses Thema so wichtig?                                                        kann dadurch eine Systembetrachtung machen,
Wir müssen vermeiden, dass sich Menschen in                                  die nur beschränkt mit meiner Geschichte und
unserer Gesellschaft abgehängt und an den                                    meiner Identität zu tun hat. Mich fasziniert das
Rand gedrängt fühlen. Es gehört zu den Urbe-                                 Phänomen, ich sehe das Potenzial, aber ich hän-
dürfnissen des Menschen, eine Rolle zu spielen,                              ge da nicht selbst mit drin. Ich kann deshalb aus
jemand zu sein, wahrgenommen zu werden, Zu-                                  persönlicher Überzeugung sagen: Die Kirchen
gang zu Entfaltungsmöglichkeiten zu haben.                                   sind selbst für Nichtgläubige ein wichtiges An-

                                                                                                                                           forum 1 2019    5
Der Staat und die Kirchen - Essen, was ihr esst Aus Seelsorge - forum - Pfarrblatt
GOTT UND DIE WELT

                    gebot, nur schon, weil sie den oben genannten             hältnis zu ihrer eigenen Religiosität. Irgendwie
                    Themen Raum geben.                                        gehören sie zum Christentum, aber was das ge-
                                                                              nau bedeutet, ist weitgehend unklar.
                    Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?                    Dadurch entsteht viel Raum für Behauptun-
                    Die Seelsorge. Natürlich habe ich viel Verständ-          gen und Idealisierungen ohne jeden histori-
                    nis für Konfessionslose, wenn sie auch religiös           schen Hintergrund. Dann ist das Christentum
                    neutrale Angebote fordern. Aber gleichzeitig ist          plötzlich das reine Bekenntnis zum ewigen Frie-
                    es offensichtlich, dass ganz viele Menschen, die          den und der Islam das reine Bekenntnis zum
                    nicht einer Kirche angehören, in einem Krisen-            ewigen Kampf. Die mangelhafte religiöse
                    fall dennoch das Angebot der Kirchen suchen.              Grundbildung ist also ein grosses Thema, weil
                        Und in diesen Fällen schätze ich die Offen-           diese Unkenntnis zu vielen Projektionen führt.
                    heit der Kirchen sehr, eine Generosität, die es
                    sonst in unserer Gesellschaft kaum mehr gibt,             Genau hier setzt das Fach «Religion und Kultur»
                    dass sie nämlich ihre Hilfe bedingungslos an-             an.
                    bieten. Das schätze ich gerade als distanzierte           Ja, das ist eine Erfolgsgeschichte. Durch dieses
                    Beobachterin besonders.                                   Fach ist man sich nähergekommen, weil es um
                                                                              grundsätzliche Fragen des Lebens geht. Ich er-
  Der Einfluss von Religion wird überschätzt.                                 fahre etwas von meinem Mitmenschen, das für
                                                                              ihn sinnstiftend ist. Damit entsteht in den Schu-
Menschen sind komplex. – Wir machen es uns                                    len auch ein Raum zum philosophischen Fragen
zu einfach, wenn wir Menschen auf ihre 		                                     und Nachdenken, was sonst eher zu kurz kommt.
Religionszugehörigkeit reduzieren.        		                                  Allerdings steht es um die Fortsetzung dieses
		  «Integration durch Religion?» an der Paulus-Akademie,                     Dialogs an den Gymnasien und den Berufs-
					                                  18. September 2016                     schulen nicht so gut. Dort werden diese Fragen
                                                                              wieder eher an den Rand gedrängt.

                    Nur gerade mal 5,5 Prozent der Menschen in der            Sie sprechen von der katholischen Kirche jeweils
                    Schweiz sind Muslime. Dennoch scheint die Angst           mit grosser Wertschätzung. Der Umgang der ka-
                    vor dem Islam weit verbreitet. Wie erklären Sie           tholischen Kirche mit den Frauen kann ihnen aber
                    sich das?                                                 nicht gefallen.
                    Ich bin überzeugt, dass hier die Distanz zur ei-          Diese Verkrampfung verstehe ich überhaupt
                    genen Religiosität und zur eigenen Religion               nicht. Ich habe das Gefühl, dass sich die katho-
                    eine entscheidende Rolle spielt. Die meisten              lische Kirche hier selbst belügt. Man lässt zwar
                    Menschen haben heute ein sehr diffuses Ver-               Frauen fast alles im kirchlichen Umfeld ma-

                     7 Leitsätze zu Staat und Religion im Kanton Zürich

                     Gesellschaft und Religion                                5. Die Rechts- und Staatsordnung der Schweiz und
                     Im ersten Teil «Gesellschaft und Religion» befassen         des Kantons Zürich ist von der demokratisch-
                     sich 3 Leitsätze mit der Bedeutung und Rolle der Re-        liberalen Kultur geprägt.
                     ligion innerhalb unserer pluralistischen Gesellschaft:
                     1. Religiöse Überzeugungen bilden eine wichtige          Staat und Religionsgemeinschaften
                          Grundlage des gesellschaftlichen 			                Die Leitsätze 6 und 7 befassen sich konkreter mit
                          Zusammenlebens.                                     dem Verhältnis zwischen dem Staat und den Religi-
                     2. Die religiösen Gemeinschaften wahren 		               onsgemeinschaften:
                          den öffentlichen Frieden.                           6. Das System der öffentlich-rechtlichen
                     3. Religiöse Symbole dürfen im öffentlichen 		               Anerkennung hat sich bewährt und soll
                          Raum sichtbar sein, soweit es die staatliche 		         beibehalten werden.
                          Rechtsordnung zulässt.                              7. Zum Umgang mit verfassungsrechtlich nicht
                                                                                  anerkannten Religionsgemeinschaften braucht
                     Recht und Religion                                           es klare Handlungsgrundlagen.
                     Die Leitsätze 4 und 5 stellen das Verhältnis zwischen
                     dem Staat als Inhaber des Gewaltmonopols und Ga-
                     ranten der individuellen Freiheiten und den Religi-      Die vollständige Orientierung des Regierungsrats ist
                     onsgemeinschaften dar:                                   auf der Website der Justizdirektion abrufbar:
                     4. Die staatliche Rechtsordnung stellt den               www.ji.zh.ch/internet/justiz_inneres/de/themen/
                     verbindlichen, für alle Religionsgemeinschaften 		       religionsgemeinschaften.html
                     gleich geltenden Massstab dar.

                                                                                                                   forum 1 2019    6
Der Staat und die Kirchen - Essen, was ihr esst Aus Seelsorge - forum - Pfarrblatt
GOTT
 FORUM
     UND
       IMDIE
          FORUM
             WELT

chen. Und man braucht sie ja auch dringend.          schätze Räume sehr, die über die Gegenwart hi-
Aber die formale Anerkennung, die Weihe, die         nausweisen.
verweigert man ihnen. Ebenso wenig verstehen
kann ich das Verhältnis zur Homosexualität und       Sie haben Transzendenz als einen Bereich ge-
das Festhalten am Pflichtzölibat. Da werden          nannt, in dem Kirchen zur Orientierung beitragen
tief religiöse Menschen gezwungen, ein verlo-        können. Welches sind Ihre eigenen Erfahrungen?
genes Leben zu führen, die eigene Identität          Bereits als junge Frau wurde mir nach einem
aufzuspalten.                                        Sportunfall bewusst, wie wichtig Trost und Be-
                                                     gleitung sein können. Das hat mir damals ein
Sie können also die sechs Frauen verstehen, die      Pfarrer gegeben. Natürlich können das nicht
kürzlich aus der katholischen Kirche ausgetreten     nur religiöse Menschen bieten, aber Seelsorge-
sind?                                                rinnen und Seelsorger tun es eben, das muss
Ich kann gut verstehen, dass sie einfach genug       man auch mal festhalten.
hatten. Aber ich habe auch grossen Respekt für
all jene Frauen, die in der Kirche bleiben und         Beantworten wir ein Kleidergebot mit einem
die Entwicklung zur Öffnung vorantreiben.
    Seit langem schätze ich übrigens die refor-
                                                     Verbot, bewegen wir uns in der Logik jener
mierten wie katholischen Frauenverbände sehr.        Gesellschaften, deren Werte wir ablehnen.
Sie haben im politischen Kontext immer wieder        			                                  Interview in «reformiert», 9. September 2016
konsequente religiös begründete Positionen er-
arbeitet, beispielsweise wenn es um den gesetz-          Auch meine Erkrankung an Brustkrebs hat
lichen Rahmen in Abtreibungsfragen ging oder         mich ganz generell demütiger werden lassen.
um Homosexualität, also immer dann, wenn             Ich bin zurückhaltender geworden mit Anwand-
es das Leben unserer Söhne und Töchter be-           lungen wie «Ich habe das Leben im Griff!» oder
trifft. Da habe ich sie oft sogar als Taktgeberin-   «Ich bestimme selbst!».
nen für unsere gesellschaftliche Entwicklung             Die grosse Zäsur in meinem Leben war aller-
empfunden.                                           dings, als ich Mutter wurde. Da habe ich reali-
                                                     siert, wie verletzlich man sein kann. Wie wenig
Bis Ostern soll der neue Bischof von Chur bekannt    man in den eigenen Händen hat. Wie viel Glück
sein. Was wünschen Sie sich als Regierungsrätin      man braucht. Dass bei aller Anstrengung nie-
von ihm?                                             mand vor harten Schicksalsschlägen gefeit ist.
Dass er die weltliche Struktur der katholischen
Körperschaft als das akzeptiert, was sie ist: das    Feiern Sie Weihnachten?
einzige Gegenüber des Staates. Ich wünsche           Sogar mit Christbaum. Den schmücke ich unge-
mir, dass er der weltlichen Struktur Bedeutung       fähr zwei Wochen vor Weihnachten zusammen
zumisst und sie ernst nimmt. Dass er sie als Ver-    mit meinen Söhnen. Dann essen wir am Weih-
bindungsglied zur Gesellschaft wertschätzt.          nachtsabend gemeinsam. Es gibt Geschenke,
                                                     keine riesigen, mehr so Liebenswürdigkeiten.
Sie haben einmal gesagt, dass Sie sich gerne in      Hin und wieder ist es mir gelungen, jemanden
Kirchen aufhalten. Was fasziniert Sie an diesen      einzuladen, der vielleicht gerade alleine war
Bauten?                                              oder auf der Durchreise. Ich habe aber gemerkt,
Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich in        dass meine Söhne das nicht so toll fanden. Für
der Notre-Dame in Paris sass und mir bewusst         sie gehört dieser Abend ganz stark der Familie.
wurde, welche Geschichte dieser Raum erlebt
hat. Er war Kirche, aber auch schon Spital und                                       Gespräch: Thomas Binotto
Schule, in ihm war es zeitweilig sehr laut, dann
wieder sehr leise, er war Schutzraum für Men-
schen, in ihm ist aber auch Blut geflossen. Das
fasziniert mich: Was diese Steine alles erlebt ha-
ben, wer hier alles mit seinen Hoffnungen, sei-
nen Geschichten und seinen Gedanken ein und
aus ging.
    Die gleiche Faszination kann ich übrigens
auch in einer Moschee erleben. In der Umayya-        Das intensive und vielfältige Gespräch mit Regie-
den-Moschee in Damaskus beispielsweise.              rungsrätin Jacqueline Fehr sprengt in seinem vollen
Wenn man in diese eintritt, wird man von einem       Umfang den Rahmen unseres Magazins. Sie können
unglaublichen Zauber umschlossen. Plötzlich          es aber auf unserer Website nachlesen:
tritt man aus dem Trubel in die Ruhe ein. Ich        www.forum-pfarrblatt.ch

                                                                                                                     forum 1 2019    7
Der Staat und die Kirchen - Essen, was ihr esst Aus Seelsorge - forum - Pfarrblatt
Bereits am Abend seiner Wahl hat Papst
                                                                                                         Franziskus klar signalisiert, dass er ein
                                                                                                         nahbarer Papst sein will. Zu dieser Nahbar-
                                                                                                         keit gehört, dass man ihn vertrauensvoll
                                                                                                         auch mit kritischen Gedanken ansprechen
                                                                                                         darf.

                                                                                                         einmal einer Ehebrecherin gegenüber-
                                                                                                         stand. Eine ähnlich schuldbeladene Si-

                                                                                        Foto: Keystone
                                                                                                         tuation also. Jesus begnügte sich damit,
                                                                                                         die Frau anzusehen und ihr zu sagen:
                                                                                                         «Geh und tu das nicht noch einmal.»
                                                                                                         Hätte er ihr ins Gesicht gesagt: «Ehe-
Standpunkt                                                                                               bruch ist schlimmer als Steuerbetrug»
                                                                                                         – hätte er sie dann ebenso tief im Her-

Seelsorge trägt Sorge                                                                                    zen erreicht? Er hätte sie schlichtweg
                                                                                                         verletzt und damit innere Wunden, die

zur Sprache                                                                                              seit langem da sind, neu aufgerissen
                                                                                                         oder vertieft.

                                                                                                         Ich finde, in der Nachfolge von Jesus
Unsere neue Mit-Redaktorin Veronika         schrocken über das, was Sie gesagt ha-                       müssten wir füreinander einstehen.
Jehle hat Papst Franziskus in einem sehr    ben und über die Wirkung Ihrer Worte.                        Verletzt wurden wir alle schon genug,
persönlichen «Wort zum Sonntag» auf         Ich distanziere mich klar von Ihren                          andere verletzt haben wir ebenfalls
seine Äusserungen zu Abtreibung und Ho-     Aussagen, sowohl zur Homosexualität                          alle. Wenn es schon praktisch und mit
mosexualität angesprochen. Dabei stellt     als auch zur Abtreibung.                                     Taten so schwierig ist, wirklich solida-
sie ihm und uns allen die Frage, mit wel-                                                                risch zu sein, dann lassen Sie es uns
cher Sprache wir die Menschen erreichen     Zur Abtreibung möchte ich Ihnen,                             doch zumindest bei den Worten versu-
wollen:                                     Papst Franziskus, heute gerne etwas                          chen, bei der Behutsamkeit und Diffe-
                                            sagen. Ich kenne Frauen, die abgetrie-                       renziertheit unserer Sprache. Unsere
Lieber Papst Franziskus                     ben haben, und ich nehme an, dass Sie                        Sprache schafft Wirklichkeit. Und da
                                            ebenfalls Menschen kennen, die sich                          wir in der Kirche nun einmal viel kom-
Ich gehe nicht davon aus, dass Sie die-     zu diesem Schritt genötigt sahen.                            munizieren und sprechen, ist die Spra-
se Sendung heute Abend sehen wer-           Könnten Sie diesen Ihre Aussage ins                          che unser erstes Werkzeug. Wir können
den. Dennoch möchte ich Sie gerne an-       Gesicht sagen, wenn                                          dieses Werkzeug verwenden, um zu
sprechen und so mit den Zuschauerin-                                                                     heilen und zu verbinden.
nen und Zuschauern teilen, was ich          Sie einer dieser Frauen unmittelbar ge-
Ihnen sagen möchte.                         genüberstehen würden?                                        Lieber Papst Franziskus, Sie bitten ja
                                            Letztendlich treffen Sie mit Ihren Wor-                      oft darum, dass wir füreinander beten.
Ich habe in letzter Zeit einige Men-        ten in erster Linie jene, die bereits ab-                    Das tue ich gern und freue mich auch,
schen erlebt, die schockiert oder be-       getrieben haben. Meiner Erfahrung                            wenn Sie es für uns hier tun. Lassen Sie
schämt waren über Ihre jüngsten Aus-        nach tragen jene Frauen, die abgetrie-                       uns aber auch füreinander sprechen
sagen. Zum einen haben Sie Homose-          ben haben, sowieso und naturgemäss                           und füreinander handeln.
xualität     als     Modeerscheinung        schwer an dieser Tatsache – ob sie nun
bezeichnet. Zum anderen sagten Sie,         darüber sprechen oder nicht. Ich höre                        Ich wünsche Ihnen einen schönen
Abtreibung sei wie ein Auftragsmord.        von einzelnen, die sich immer und im-                        Sonntag.
In der Schweiz zum Beispiel sind sechs      mer wieder neu, Zeit ihres Lebens, die-                                                     Veronika Jehle
Frauen aus der katholischen Kirche          ser Entscheidung stellen müssen. Die
ausgetreten, die sich jeweils über Jahr-    damit leben lernen müssen, dass ihr
zehnte in Politik, Gesellschaft und Kir-    Kind nicht lebt. Die, wenn sie Schuld
che verdient gemacht haben. Die Frau-       empfinden, damit ringen, mit Gott viel-                      Dieses «Wort zum Sonntag» wurde am
en sagen, dass Ihre päpstliche Aussage      leicht und mit einem Weg, sich selbst zu                     8. Dezember 2018 ausgestrahlt.
zur Abtreibung das Fass zum Überlau-        vergeben und Vergebung geschenkt zu                          www.srf.ch/sendungen/wort-zum-sonntag/
fen gebracht habe. Ich selbst bin er-       bekommen.Ich denke an Jesus, der ja                          lieber-papst-franziskus

                                                                                                                                   forum 1 2019    8
Der Staat und die Kirchen - Essen, was ihr esst Aus Seelsorge - forum - Pfarrblatt
GLAUBEN HEUTE
                                 GLAUBEN HEUTE

                               Stolpersteine ➜ Inkarnation                                                                                          Kirchenjahr

                                                                                                                                                    Christbaum
Illustration: Nadja Hoffmann

                                                                                                                                                    1527 wird erstmals in einer Akte der
                                                                                                                                                    Herrscher von Mainz ein Weihnachts-
                                                                                                                                                    baum, bei uns Christbaum, erwähnt.
                                                                                                                                                    Als allgemein üblicher Brauch hat sich
                                                                                                                                                    der Christbaum anscheinend zunächst
                                                                                                                                                    im Elsass verbreitet.

                                                                                                                                                    Und richtig populär wird der Brauch
                                                                                                                                                    im 18. Jahrhundert, selbst Johann
                                                                                                                                                    Wolfgang von Goethe berichtet da-
                                                                                                                                                    von, und auch Friedrich Schiller
                                                                                                                                                    scheint den Brauch geschätzt zu ha-

                                  Inkarnation
                                                                                                                                                    ben. Er war aber bis weit ins 19. Jahr-
                                                                                                                                                    hundert hinein ein kostspieliger
                                                                                                                                                    Brauch, so dass sich nur reiche
                                                                                                                                                    Menschen einen Christbaum leisten
                                                                                                                                                    konnten.
                               Eins mit seiner Schöpfung                                                                                                Der Christbaum knüpfte an die
                                                                                                                                                    alte Symbolik des Baumes als Zei-
                               «Sie ist eine eingefleischte Optimis-           Im Gegensatz zu den Beispielen von                                   chen des Lebens an. Der Christ-
                               tin.» – «Er ist ein eingefleischter AKW-    der Optimistin und dem AKW-Gegner
                               Gegner.» – Hinter unserer Alltags-          findet bei der Inkarnation Gottes etwas
                               sprache versteckt sich weihnachtliche       Wechselseitiges statt. Ein Gebet in der
                               Theologie.                                  weihnachtlichen Eucharistiefeier for-
                                                                           muliert dies: «Denn einen wunderba-
                               Wenn wir Personen mit «eingefleischt»       ren Tausch hast du vollzogen: Dein gött-
                               beschreiben, drücken wir damit aus,         liches Wort wurde ein sterblicher
                               dass sie eine bestimmte Eigenschaft         Mensch, und wir sterbliche Menschen
                                                                                                                            Foto: Christoph Wider

                               oder Lebensweise durch und durch ver-       empfangen in Christus dein göttliches
                               körpern. Man könnte sie auch als unver-     Leben.» Gott nimmt unsere Eigen-
                               besserliche Optimistin bezeichnen oder      schaften und unsere Lebensweise
                               ihn als unbekehrbaren AKW-Gegner.           gleich einer zweiten Natur an und
                                   Auch Gewohnheiten können einge-         gleichzeitig «durchgöttlicht» er fortan
                               fleischt sein, wenn sie nicht mehr zu       das Menschsein.                                                          baum, verziert mit Äpfeln, Nüssen
                               ändern sind und gleichsam zur zweiten           Und nicht nur das Menschsein. Ein-                                   und allerlei Gebäck, wurde zum ei-
                               Natur werden. Ob Eigenschaft, Lebens-       fleischung bedeutet zunächst ja ein-                                     gentlichen «Paradiesbaum», womit
                               weise oder Gewohnheit – was einge-          fach, dass eine Verbindung mit der Ma-                                   natürlich die Vorstellung verknüpft
                               fleischt ist, verbindet sich untrennbar     terie stattfindet. Mit der Materie an sich,                              war, dass Jesus es war und sein wer-
                               mit uns.                                    nicht nur mit der menschlichen. Gott                                     de, der die Menschheit zurück ins
                                   So ist es auch mit Gott. An Weih-       geht in die Schöpfung als Ganzes ein. In                                 Paradies führen werde.
                               nachten feiern wir die In-karn-ation,       Jesus erscheint der Mensch, durch den                                        Die Bäume zudem mit Kerzen zu
                               die Ein-fleisch-ung Gottes. In Jesus        Gott verkörpert wird, der Mensch, der                                    schmücken, liegt angesichts der im-
                               Christus verbindet er sich untrennbar       unüberbietbar Gottes Ebenbild ist.                                       mer wiederkehrenden Lichtsymbo-
                               mit uns Menschen. Das Zweite Vatika-            Mit ihm bricht nicht nur das Reich                                   lik in den Evangelien nahe: Jesus sei
                               nische Konzil drückt es so aus: «Der        Gottes an, sondern auch die Herrschaft                                   «das Licht der Welt», steht da.
                               Sohn Gottes hat sich in seiner Mensch-      des ursprünglichen Menschen. Das be-                                         Das Weihnachtslied «O Tannen-
                               werdung gewissermassen mit jedem            trifft die ganze Schöpfung. Denn Gott                                    baum» ist bis heute die bekannteste
                               Menschen vereinigt.» Mit jedem Men-         ist ein eingefleischter Liebhaber nicht                                  Ode an den Christbaum geblieben
                               schen! Mit mir, was unglaublich und         nur des Menschen, sondern aller seiner                                   und weist darauf hin, dass dieser
                               kaum zu fassen ist. Aber ebenso mit je-     Geschöpfe.                                                               Brauch zunächst vor allem im
                               dem anderen Menschen. Auch mit dem-                                                                                  deutschsprachigen Raum beliebt
                               jenigen, der mir Mühe macht, an dem                                                                                  war.
                               ich leide, den ich geringschätze, was ge-                                 Alexandra Dosch                                                                bit
                               nauso kaum zu fassen ist.                                Diözesane Fortbildungsbeauftragte

                                                                                                                                                                         forum 1 2019    25
Der Staat und die Kirchen - Essen, was ihr esst Aus Seelsorge - forum - Pfarrblatt
GOTT
IM ZÜRIPIET
     UND DIEDIHEI
             WELT

                                                                                                                                d e n s l e ute
                                                                                                                             or
                                                                                                                             &aBenteuer

                                                                                                               Schwester Jermia Thoma
                                                                                                               1944: Geburt in Bütschwil (SG)
                                                                                                               1968: Profess im Kloster Ingenbohl (SZ)
                                                                                                               1968 – 1973: Lehrerin in Rechthalten
                                                                                                               und Düdingen (FR)
                                                                                                               1973 – 1975: Aufbau der Katechetischen
                                                                                                               Arbeitsstelle Bern
                                                                                                               1975 – 1977: Vorbereitung für
                                                                                                               Missionseinsatz
                                                                                                               1977: Ausreise nach Taiwan
                                                                                                               1977 – 1979: Studium der chinesischen
                                                                                                               Sprache in Taipeh
                                                                                                               1981 – 1996: Pfarreileiterin in
                                                                                                               Chihshang-Taitung
                                                                                                               Seit 1996: Pfarreileiterin in Chulu-Taitung

                                                                                                               Serie «Ordensleute und Abenteuer»
                                                                                                               Früher wie heute gibt es Menschen, die
                                                                                                               mit einem Auftrag in unbekannte Länder
                                                                                                               gehen. Sie lassen Vertrautes zurück, be-
                                                                                                               gegnen Fremdem und kehren verändert
                                                                                                               zurück. Diese drei Schritte sind auch
                                                                                      Foto: Christoph Wider

                                                                                                               die Struktur von Mythen und Heldinnen-
                                           Schwester Jermia Thoma hat in                                       legenden. In dieser Serie porträtieren
                                           Taiwan ihr Heimat gefunden.                                         wir Frauen mit Abenteuergeist, die für
                                                                                                               einen Orden mit einer Mission unterwegs
                                                                                                               sind.

Essen, was ihr esst
                                                                                                              möchte essen, was ihr esst», habe sie
                                                                                                              den Menschen gesagt.
                                                                                                                 Seither hat Schwester Jermia
Schwester Jermia Thoma hat offenbar einen starken                                                             Schlangenfleisch gegessen und fliegen-
                                                                                                              de Hunde, Affenfleisch und Wild-
Magen. Ihr «dialogisches Leben» mit den Menschen                                                              schwein. Nur Feldmäuse, die hoffte sie
in Taiwan nährt sie aber noch auf andere Art.                                                                 nie essen zu müssen. Bis ihr dann doch
                                                                                                              jemand etwas davon anbot. Ein gegrill-
Schwester Jermia macht sich auf den Weg    die Sprache der Bunun, eines Urein-                                tes Hinterbein. «Es war unglaublich,
in die Berge. Es muss um 1981 gewesen      wohnerstamms in den Bergen, be-                                    klein und fein wie Schinken», sagt sie
sein, in diesen ersten Jahren ihres Le-    herrscht sie ein wenig. «Den Fisch ha-                             und lacht herzlich.
bens in Taiwan. Mit den Menschen in        ben wir extra für dich gekauft», erhält
einem Dorf in den Bergen wird sie zu       sie zur Antwort. Sie darauf: «Das möch-                            41 ihrer 74 Jahre lebt Jermia Thoma nun
Abend essen. Es gibt Fisch. «Aber die-     te ich nie wieder so haben.»                                       bereits in Taiwan. «Dialogisch leben»,
sen Fisch», so fragt sie ihre Gastgeber,       Von da an habe es sich wie ein Lauf-                           nennt sie ihre Art, sich auf die Men-
«den könnt ihr nicht gefischt haben?»      feuer verbreitet, von Dorf zu Dorf: Da                             schen, ihre Kultur und Mentalität ein-
    Chinesisch sprechen kann Schwes-       sei eine Schwester, die so leben möchte,                           zulassen. «Dazu gehört, dass ich mich
ter Jermia schon ziemlich gut und auch     wie die Einheimischen leben. «Ich                                  selbst zurücknehme. Ich höre zuerst zu,

                                                                                                                                        forum 1 2019    26
GOTT UND DIE WELT

schaue hin und achte, wie die Men-           Jermia dazu: «Ich finde es schön, wenn               Glauben bis zu einer möglichen Tauf-
schen denken», sagt sie.                     das Christliche weitergeht, wenn auch                feier. Selbstverständlich lebt Jermia
     Deshalb verwendet sie das Wort          anders.»                                             Thoma aber weiterhin mit vielen zu-
«Mission» nicht mehr gerne. «Ich muss                                                             sammen, die keine Christen sind oder
nicht meinen, ich als alte Katholikin        Dass das «Christliche an sich» weiter-               werden wollen.
müsse denen etwas bringen.» Taiwan           geht, ist der Ingenbohler Schwester in der
ist ein Land mit einer grossen religiösen    Pfarreiarbeit ein Anliegen. Seit über 20             Jermia Thoma ist nur vorübergehend
Vielfalt. Neben einer Mehrheit an Bud-       Jahren leitet sie die Gemeinde in Chu-               auf Heimaturlaub in Ingenbohl. Die vi-
dhisten leben Taoisten neben Mormo-          lu, im Süd-Osten Taiwans. Davor war                  tale Frau ist «dort drüben» zu Hause
nen, Muslimen und Gläubigen der              sie 15 Jahre Leiterin der Pfarrei in                 angekommen, wie sie sagt. «Ich habe
Volksreligion. Nur etwa ein Prozent der      Chihshang.                                           eine grosse Familie», sagt sie ruhig und
Bevölkerung sind Christinnen und                 Sonntagsgottesdienste mit Kommu-                 strahlt. In der Zwischenzeit wüssten
Christen, diese sind aufgeteilt in über      nionspendung und Predigt, Kranken-                   viele, dass sie am liebsten Wildschwein-
60 protestantische Kirchen und die ka-       besuche, Bibelabende, ein wöchentli-                 fleisch esse. «Wenn sie es haben, dann
tholische Kirche.                            ches Taizé-Gebet, die Ausbildung von                 kochen sie es für mich.»
     Die Toleranz der Regierung ermög-       Katechetinnen, all das gehört zu ihren                                            Veronika Jehle

liche ein friedliches Zusammenleben,         Aufgaben.
auch die Arbeit von Menschen wie                 «Natürlich bin ich sehr in Grenzen
Schwester Jermia werde wahrgenom-            gehalten, weil ich eine Frau bin», sagt
men und geschätzt. «Wir haben freie          sie, atmet schwer aus und lacht vielsa-               Drei Fragen an Sr. Jermia
Hand. Taiwan ist nicht China», sagt          gend. Als sie weitererzählt, kehrt die
Jermia.                                      Begeisterung zurück. Dass Menschen                    Aufbruch: Wer waren Sie damals, als
     Auch in Taiwan sind es Kindergär-       sich zum Christentum bekehren, hat sie                Sie aufgebrochen sind?
ten und Spitäler, die christliche Wurzeln    manche Male erlebt. «Ich habe gese-                   Schon bei meiner Erstkommunion
haben. Jüngst würden vermehrt Ein-           hen, wie Leute, die nicht christlich sind,            sagte die Handarbeits-Schwester: Es
richtungen für betagte Menschen ge-          oft in Angst leben», sagt sie nachdenk-               könnte sein, dass Gott euch ruft. Nach
baut, da die traditionellen Strukturen       lich, «viele haben für jedes Anliegen ei-             der Erstkommunion hat sie uns noch-
der Grossfamilie nicht mehr überall          nen speziellen Gott. Der eine Gott                    mals gefragt: Ja, wer möchte ins Klos-
funktionierten.                              könnte sie strafen, wenn sie das nicht                ter? Drei Mädchen haben aufge-
     Jermia Thoma ist überzeugt, dass        tun, ein anderer Gott, wenn sie jenes                 streckt, ich war eine davon. Meine
das christliche Menschenbild andere          nicht tun.»                                           Grossmutter glaubte nicht daran,
inspiriere. In ihrer Diözese habe eine           Da erscheine die christliche Bot-                 dass ich tatsächlich Ordensfrau wer-
buddhistische Nonne ein Spital samt          schaft oftmals als Befreiung. Den Men-                de, obwohl meine Familie katholisch
Universität aufgebaut. «Das habe ich al-     schen von diesem befreienden Gott zu                  ist.
les bei euch katholischen Priestern und      erzählen, darin sieht Schwester Jermia
Schwestern abgeschaut», habe diese           ihren Auftrag. Zwei bis drei Jahre gehe               Initiation: Wer ist aus Ihnen geworden,
Nonne zu Schwester Jermia gesagt.            die Einführung in den christlichen                    durch die Zeit in der Mission?
                                                                                                   Ich wählte mir als Ordensnamen Jer-
                                                                                                   mia. Diesen Propheten habe ich ger-
                                                                                                   ne, weil er sehr mutig war. In der
                                                                                                   Mission darf ich das ausführen, was
                                                                                                   ich eigentlich immer wollte: Ich leite
                                                                                                   eine Pfarrei. Ich bin also Seelsorge-
                                                                                                   rin und Pfarreileiterin geworden.

                                                                                                   Rückkehr: Wer sind Sie heute, mit Ih-
                                                                                                   ren Erfahrungen im Gepäck?
                                                                                                   Mit der Bibel gesprochen: Ich habe
                                                                                                   dort, wo ich in Taiwan lebe, viele Müt-
                                                                                                   ter und viele Kinder. Das ist meine Fa-
                                                                                                   milie. Vorläufig geht es mir gesund-
                                                                                                   heitlich recht gut und solange ich
                                                                                                   bleiben kann, bleibe ich. Die Leute ha-
                                                                                                   ben schon gesagt, dass sie mir Arbeit
                                                                                                   abnehmen, damit ich hier bleiben
                                                                                      Foto: zvg

                                                                                                   kann.
«Ich finde es schön, wenn das
Christliche weitergeht, wenn auch anders.»

                                                                                                                         forum 1 2019    27
BOUTIQUE

Podestplätze

Buch ➜ Vegetarier und Veganer sind im         Ausstellung ➜ So individuell Schlaf ist,                              Buch ➜ Das Lukas-Evangelium be-
Trend, Tierversuche und die Massen-           so ist er doch für alle gleichermassen                                ginnt mit der Erzählung über Zacharias
tierhaltung werden heiss diskutiert, die      existentiell und für die Erholung von                                 und Elisabeth, die an Sara und Abra-
Theologie aber schweigt dazu. Rainer          Körper und Geist notwendig. Er ist ab-                                ham aus dem Alten Testament erinnert.
Hagencord will das ändern. Sachkundig         hängig von einem erfüllten Wachsein                                   Das zeigt: Lukas hat die Hoffnungen
erläutert er die Stellung der Tiere im Ver-   und nur mit Hingabe und Absichtslosig-                                und Verheissungen des Judentums vor
lauf der Jahrhunderte und erschliesst         keit erreichbar. Die Ausstellung betont                               Augen, die jüdischen heiligen Schriften
den Reichtum der biblischen Aussagen          die Bedeutung der Selbstverständlich-                                 sind Boden und Leitfaden für dieses
zu unseren Mitgeschöpfen. Er denkt            keit des Schlafs, zeigt aktuelle Diskussi-                            Evangelium. Diese Zusammenhänge
über Bewusstsein, Gefühle und Empfin-         onen der Wissenschaft, thematisiert die                               werden dank der Interpretationen ei-
dungen von Tieren nach. Hagencord ist         Mythen sowie die immer noch beste-                                    nes exegetisch kompetenten Teams
überzeugt: Ein falsches Bild von den          henden Rätsel rund um den Schlaf und                                  freigelegt. Das Buch ermöglicht so ein
Tieren führt auch zu einer falschen           ermöglicht eine sinnliche-poetische                                   vertieftes Verständnis des Judentums
Auffassung von Gott.                     ps   Auseinandersetzung.                     pd                            und des interreligiösen Dialogs.     pd

«Gott und die Tiere.                          «Schlaf gut»                                                          «Damit sich die Schrift erfüllt ...»
Ein Perspektivenwechsel»                      Vögele Kulturzentrum, Pfäffikon SZ. Bis                               Schweizerisches Katholisches Bibel-
Rainer Hagencord. Topos 2018. 191 Seiten.     24.3., Mi, Fr, So: 11.00–17.00. Do: 11.00–                            werk (Hrsg.), Paulus 2018, 384 Seiten,
Fr. 24.50. ISBN 978-3-8367-0047-4.            20.00. Fr. 14.–. www.voegelekultur.ch                                 ISBN 978-3-7228-0916-8, Fr. 41.50.

In Serie

Der Mensch
                                                                                                                    16. Januar: Hunger
                                                                                            Foto: Christoph Wider

                                                                                                                    Weltweit hungern mehr als 800 Millionen

ist, was er isst
                                                                                                                    Menschen. Alle zehn Sekunden stirbt
                                                                                                                    ein Kind. Dabei gehört das Recht auf Nah-
                                                                                                                    rung zu den Menschenrechten und es gäbe
Ernährung ist weit mehr als eine biologi-                                                                           genug Nahrung für alle.
sche Notwendigkeit. Slow Food, Fair
                                                                                                                    23. Januar: Religion geht durch den Magen
Trade, vegetarisch, vegan – wofür wir
                                                                                                                    Alle Kulturen und Religionen kennen Speise-
uns als Konsumentinnen und Konsu-                                                                                   gebote oder Tabus. Warum kommen Men-
menten auch immer entscheiden, wir                                                                                  schen ohne solche Regeln und Einschrän-
kaufen nicht bloss ein, um unseren                                                                                  kungen offenbar nicht aus. Welche
Hunger zu stillen. Längst ist Ernährung       Pfarreisaal Maria Krönung,
                                                                                                                    Religionen kennen welche Speisegebote und
                                              Carl Spitteler-Str. 44, Zürich.
identitätsstiftend geworden. Darum gilt                                                                             wie werden diese erklärt?
                                              Jeweils Mi, 19.30–21.00 Uhr. Eintritt frei,
der bekannte Ausspruch des Philoso-
                                              Kollekte. Keine Anmeldung.                                            30. Januar: Foodporn als Religion
phen Ludwig Feuerbach auf seine Wei-                                                                                Rund ums Essen werden Feste zelebriert
se immer noch: «Der Mensch ist, was er        9. Januar: Die Zukunft der Landwirtschaft                             (Street Food Festival, Food Zürich). In den
isst.»                                        Welche Rolle spielt die Landwirtschaft in                             Tempeln der Kochkünste und den Gottes-
    Welche Regeln und Bedürfnisse be-         unserer Nahrungskette? Wie könnte eine in-                            diensten der Kochshows wird verschiedenen
stimmen unser Essverhalten? Wie weit          novative, ethisch verantwortungsvolle, aber                           Ernährungsglauben gehuldigt (vegetarisch,
prägen religiöse Vorstellungen unsere         ökonomisch nachhaltige Landwirtschaft                                 vegan, lactosefrei). Ist Foodporn zur Ersatz-
Esskultur? 		                          bl     aussehen?                                                             religion geworden?

                                                                                                                                              forum 1 2019    28
«Magoi»
                                                      Naturwissenschaftler kommen in der Bi-
                                                      bel kaum vor. Eine Ausnahme bilden die
                                                      Heiligen Drei Könige, Sterndeuter aus
                                                      dem Osten. Im griechischen Original
                                                      des Matthäus-Evangeliums steht «ma-                                                                                        Lesetipp
                                                      goi», was mit unserem Wort Magier un-                                                                                      «Der Stern von Bethlehem
                                                      zureichend übersetzt ist. Die «Magoi»                                                                                      in astronomischer Sicht.
                                                      oder Magier bildeten den Priester-                                                                                         Legende oder Tatsache?»
                                                                                                                                                                                 Konradin Ferrari
                                                      Stamm der Meder in Mesopotamien           Foto: Keystone                                                                   d’Occhieppo, Brunnen-Ver-
                                                      und gehörten zur Zeitenwende wohl                                                                                          lag 2003. ISBN 3-7655-
                                                      dem zoroastrischen Glauben an. Ihre                                                                                        9803-8.
                                                      Wirkungsorte, die Turmbauten meso-
                                                      potamischer Städte wie Babylon und                         rechnen lassen. Auf den Tontafeln fin-      ungebildeten Priesterkollegen und de-
                                                      Ekbatana, waren religiöse Tempel, po-                      den sich auch mit astronomischen Da-        ren König Herodes in Jerusalem wenig
                                                      litische Archive, aber auch astronomi-                     ten verbundene Omen zu politischen          anfangen konnten – und dass Matthäus
                                                      sche Observatorien. Als Priesterastro-                     und wirtschaftlichen Gegebenheiten.         die umfassend gebildeten «Magoi» als
                                                      nomen konnten die «Magoi» auf jahr-                        Es ist durchaus plausibel, dass die «Ma-    Gegenmodell zur jüdischen und römi-
                                                      hundertealte Keilschrift-Tontafeln mit                     goi aus dem Osten» aufgrund von Ster-       schen Elite darstellen will.
                                                      Sternenbeobachtungen zugreifen. So                         nenkonstellation und Omen-Spruch
                                                      verstanden sie die Planetenzirkulation                     zur Erkenntnis kamen, es sei ein neuer
                                                                                                                                                             Tobias Grimbacher, Naturwissenschaftler und
                                                      und den Saroszyklus, mit dem sich Son-                     König der Juden geboren. Gut möglich        Autor, porträtiert in loser Folge Menschen, die beides
                                                      nen- und Mondfinsternisse vorausbe-                        auch, dass sie mit ihren astronomisch       zugleich waren: Naturforscher und Theologen.

                                                      Filmtipp ➜ «Three Faces»                                                                                     Auf Sendung

                                                                                                                                                                   Wie Kirche Zukunft hat.
                                                                                                                                                                   Round-Table-Gespräch mit dem Ra-
                                                                                                                                                                   diopredigt-Team: Silvia Huber und
                                                                                                                                                                   Matthias Wenk (röm.-kath.), Brigit-
Foto: Filmcoopi Zürich/Jafar Panahi Film Production

                                                                                                                                                                   te Becker und Matthias Jäggi (ref.),
                                                                                                                                                                   Susanne Cappus (christkath.).
                                                                                                                                                                       Di, 1. Januar, 8.30, SRF 2 Kultur

                                                                                                                                                                   Das Jahr des Papstes
                                                                                                                                                                   Am 13. März 2019 jährt sich die
                                                                                                                                                                   Wahl von Jorge Mario Bergolio zum
                                                                                                                                                                   Papst zum sechsten Mal. Kritische
                                                                                                                                                                   Töne werden lauter.
                                                                                                                                                                       Di, 1. Januar, 11.30 BR

                                                      Die bekannte iranische Schauspielerin                      Jafar Panahis Roadmovie orientiert                Die neue Seidenstrasse
                                                      Behnaz Jafari zeigt Regisseur Jafar                        sich an realen Ereignissen und wirft              Mit dem grössten Investitionspro-
                                                      Panahi eine erschütternde Videobot-                        nicht nur einen kritischen Blick auf die          gramm der Geschichte dehnt China
                                                      schaft, die sie erhalten hat: Die Teen-                    iranische Gesellschaft, sondern bildet            seinen Einfluss weltweit aus.
                                                      agerin Marziyeh lebt mit ihrer Familie                     ein Stück iranischer Kinogeschichte                   Mi/Do, 2./3. Januar, 22.15, ZDF
                                                      in einem abgeschiedenen Dorf im                            ab.           Thomas Schüpbach medientipp
                                                      Nordwesten Irans. Sie darf nicht in                                                                         Sternstunde Religion. Was sagen
                                                      Teheran Schauspiel studieren, son-                                                                           uns die Sterne wirklich?
                                                      dern soll zwangsverheiratet werden.                        «Three Faces»                                     Astrologie behauptet sich durch
                                                      Marzieyeh sieht in ihrer Verzweiflung                      Iran 2018. Regie: Jafar Panahi. Beset-            alle Zeiten und Kulturen – obwohl
                                                      keinen Ausweg mehr. Schauspielerin                         zung: Behnaz Jafari, Jafar Panahi, Mar-           sie umstritten ist.
                                                      und Regisseur machen sich gemein-                          ziyeh Rezaei. Verleih: Filmcoopi Zürich               So, 6. Januar, 10.00, SRF 1
                                                      sam auf den Weg in Marziyehs Dorf.                         AG, www.filmcoopi.ch

                                                                                                                                                                                            forum 1 2019    29
INSERATE

    Kurzgymnasium

    Musisches Profil
    Profil Philosophie/Pädagogik/Psychologie
neu Profil Naturwissenschaften + (Magna)

                                                                                            «Hier fühle ich mich wohl und
                                                                                        kann konzentriert lernen.»

          Mit Kopf
          und Herz
            zur                                                Schulbesuchstage & Informationsveranstaltungen
           Matura                                              Freitag, 11. Januar und Samstag, 12. Januar 2019

Infoabend                                                      Primarstufe                        Sekundarstufe
8. Januar 2019, 19.15 Uhr                                      Schulhaus Kreuzbühl                Schulhaus Kreuzbühl
                                                               Schulhaus Wiedikon                 Schulhaus Sumatra
Gymnasium Unterstrass                                                                             Schulhaus Wiedikon
                                                               Lang- und Kurzgymnasium
beim Schaffhauserplatz in Zürich
                                                               Schulhaus Sumatra
www.unterstrass.edu

                                                               Von der 4. Primar bis zur Matura              www.fksz.ch

                                                                    Manchmal ist der längere Weg
                            Mitten
                                                                    der kürzere. P. Martin Werlen
       So lernen wir.         in
                            Zürich                                  Kursangebote zum Weiterkommen: www.plusbildung.ch

            sere
    Jetzt un
            nde
    Infoabe
             n!
     besuche
              84 84
     043 268
              sz.ch
      www.fe

                                                                                                         Besorgt?
Für mehr Freude im Leben:                                     Nächste Inserateschlüsse:
                                                              ➜ 27. Dezember (Nr. 2)                    Verzweifelt?
 Lebensqualität spenden                                       ➜ 15. Januar (Nr. 3)
                                                              ➜ 29. Januar (Nr. 4)
                                                              forum@c-media.ch

                                                                                                     Die Dargebotene Hand
                                                                                                             Zürich
                                                                                                   Ein Gespräch hilft weiter!
                                     Stiftung BRUNEGG
                                 Brunegg 3 | Hombrechtikon
                                                                                                      Telefon - Mail - Chat
                                  www.stiftung-brunegg.ch                                              Wählen Sie Tel 143
                               Post-Spendenkonto: 87-2430-9                                            oder www.143.ch
                            IBAN CH18 0070 0113 9004 4943 9    www.telebibel.ch
29. DEZEMBER BIS 11. JANUAR

Konzert                                           Sterbebegleitung                                  Gottesdienste
                                                  Diese Ausbildung zur Begleitung von
                                                                                                    Im slawisch-byzantinischen Ritus
                                                  schwerkranken und sterbenden Men-
                                                                                                    Mo, 7.1., 19.00: Dreikönigskirche Zürich
                                                  schen führt Angehörige, Freiwillige und
                                                  am Thema Interessierte zum besseren               Open-Hearts-Gottesdienst
                                                  Verständnis für Menschen in der letz-             Fr, 11.1., 19.30, Bruder Klaus, Zürich.
                                                  ten Lebensphase.                                  Anschl. Anbetung, Gespräch, Beichte
                                                  Je Mo, 25.2. – 1.4., 9.00–12.00/13.00–16.00,      open-hearts@bluewin.ch
                                                  Beckenhofstr. 16, Zürich. Fr. 850.–,
                                                  Anmelden bis 10.2.: 044 366 68 74                 Hochschulgottesdienst
                                                  www.caritas-zuerich.ch/diakoniekurse              Je So, 20.00, Liebfrauenkirche, Zürich
                                                                                                    www.aki-zh.ch

Neujahrskonzert                                   Religionen
Orgel, Cembalo und Alphorn 		                                                                       Seelsorge-Gespräche
verzaubern mit virtuosem Spiel.                   Frauen im Judentum
                                                                                                    Bahnhofkirche
                                                  Klassische jüdische Quellen über Frau-
Di, 1.1., 17.30, Katholische Kirche Adliswil.                                                       Mo – Fr, 7.00 –19.00, Sa/So, 10.00 –18.00
Eintritt frei, Kollekte.                          en, Interpretationen und Schriften heu-
www.kath-adliswil.ch                              tiger jüdischer Frauen.                           Predigerkirche
                                                  Di, 8.1., 17.30–19.00, Zürcher Institut für In-   Mo – Fr, 14.00 –18.00
                                                  terreligiösen Dialog, Pfingstweidstrasse 16,
Spiritualität                                     Zürich. Fr. 35.–
                                                                                                    Sihlcity-Kirche
                                                  www.ziid.ch
                                                                                                    Di–Fr, 10.00 –18.00
Markus zuhören                                                                                      jenseits im Viadukt
Das ganze Markus-Evangelium, gele-                Was ist Menschenwürde?                            Di –Fr, 11.00 –18.00, Sa, 14.00 –18.00
sen von Schauspielenden des Zwingli-              Die ersten beiden Artikel in der Erklä-
films. Musik und Imbiss.                          rung der Menschenrechte werden aus                Raum+Stille Glattzentrum
                                                  jüdischer, christlicher und islamischer           Mo – Sa, 12.15–16.00, Mi + Fr, 12.15–18.00
Di, 1.1., ab 16.00 bis 21.00, St.-Anna-Kappel-
le, St. Annagasse 11, Zürich.                     Perspektive beleuchtet und diskutiert.
www.stiftunge-eg.ch                               Di, 15.1., 18.30–20.30, ZIID, 		                  Gebete
                                                  Pfingstweidstrasse 16, Zürich. Fr. 35.–
Bischof und Grossmünsterpfarrer                   www.ziid.ch                                       Bahnhofkirche
Bischof Felix Gmür und Grossmünster-                                                                Mo – Fr, 7.00, 7.30, 8.00, 8.30: Wegworte
pfarrer Christoph Sigrist im Gespräch:                                                              Mo–Fr, 18.45. Sa/So, 15.45: Abendgebet
Wer gibt Halt in unsicheren Zeiten? Die
Religion? Die Kirchen? Oder haben                                                                   Eucharistische Anbetung Liebfrauen
diese mit sich selbst genug zu tun?                                                                 Mo – Fr, 9.00 – 17.20, Krypta,
Di, 8.1., 18.30, Museumsstr. 2, Zürich. Fr 25.-                                                     Di, 19.00–21.00, Kirche
www.nationalmuseum.ch/d/zuerich
                                                                                                    Mittagsgebet im Flughafen
                                                                                                    Mi, 12.00, Check-in 2, Andachtsraum
Kurse
                                                                                                    Klangtag Kirche Enge
Neues Menschenbild?                                                                                 Mi, 9.00 –9.30 Einklang; 12.15 –12.35
Konsequenzen neurowissenschaftli-                                                                   Haltestille; 18.30 –19.00 Ausklang
cher Forschung für das religiöse Men-                                                               Haltestille Bahnhofstrasse
schenbild: Theologie und Naturwissen-
                                                   Für starke Frauen und eine                       Do, 12.15 –12.35, Augustinerkirche
schaften im Dialog über die Komplexi-
                                                   gerechte Welt
tät des Menschseins.
                                                   Impulsveranstaltung zur Jubiläums-
Do, 10.1., 19.30–21.00, Pfingstweidstr. 16,                                                         Vernetzt
                                                   kampagne 2019 von Fastenopfer und
Zürich. Fr. 35.–
                                                   Brot für alle. Seit 50 Jahren engagie-           Jugendkirche
www.ziid.ch
                                                   ren sich die Hilfswerke für eine Welt,           www.jenseitsimviadukt.ch
Im Alter das Richtige tun                          in der alle genug zum Leben haben.               Spitalseelsorge
Patientenverfügung und Vorsorgeauf-                Referat von Simone Curau, Frauen-                www.zh.kath.ch/spitalseelsorge
trag: Wer wichtige Fragen rechtzeitig              porträts, Ateliers, Theater, Austausch.
                                                                                                    Anderssprachige Gottesdienste
angeht, schafft Klarheit.                          Sa, 12.1., 8.45 – 12.15, C66, Hirschengra-       www.zh.kath.ch/migrantenseelsorge
Do, 10.1., 13.30–17.00, Beckenhofstr. 16, Zü-      ben 66, Zürich. Anmelden bis 7.1.:
rich. Fr. 60.– (inkl. Vorsorgemappe), Anmel-       044 258 92 13
den bis 5.1.: 044 366 68 74                        www.sehen-und-handeln.ch/impulsver-
www.caritas-zuerich.ch/diakoniekurse               anstaltungen                                     http://zh.kath.ch/service/bildungsangebote

                                                                                                                            forum
                                                                                                                             forum22 2017    31
                                                                                                                                   1 2019   
SCHLUSSTAKT: WORTBILDER
PFARRBLAT T DER KATHOLISCHEN KIRCHE

                                                                                                                                                       Foto: alamy
IM KANTON ZÜRICH

Gültig für die Sonntage vom 30. Dez. und 6. Jan.

Herausgeberin
Stiftung forum – Pfarrblatt der katholischen
Kirche im Kanton Zürich
Redaktionsadresse
Hirschengraben 72, 8001 Zürich
044 266 12 72, redaktion@forum-pfarrblatt.ch,
www.forum-pfarrblatt.ch
Sekretariat: Mo/Di/Do 8.30 –11.30 Uhr,
Di/Do 13.30–16.30 Uhr
Stiftungsratspräsident: Pfr. Andreas Rellstab
Geschäftsführung: Anita Koch
Redaktionssekretariat: Rita Grob
Chefredaktion: Thomas Binotto (bit)
Redaktion: Pia Stadler (ps), Beatrix Ledergerber (bl)
Fotografie: Christoph Wider

                                                          Überraschung
Grafik: Simone Juon

Abo-Service und Adressmutationen
Stadt Zürich: 043 322 18 18, info@i-kg.ch
Zürich-Land: Direkt beim Pfarramt Ihres
Wohnortes (Adresse auf Pfarreiseiten ersichtlich)
Stadt Winterthur: 052 224 03 80,
mitgliederverwaltung@kath-winterthur.ch
                                                         Weshalb bereiten uns Überraschungsge-        Es lohnt sich, diese Beweglichkeit zu
Bezahlte Abos: 044 266 12 72,
redaktion@forum-pfarrblatt.ch                            schenke oft gar nicht jene Freude, die von   trainieren, indem wir uns auf Überra-
Abopreise: Jahresabo Inland Fr. 38.–, Ausland Fr. 77.–
                                                         uns erwartet wird? – Vielleicht, weil wir    schungen so offen wie möglich einlas-
Anzeigenverkauf
creative media gmbh, Zürcherstrasse 135                  mit der Überraschung um die Vorfreude        sen. Gleichzeitig sollten wir aber auch
8910 Affoltern a. A., 043 322 60 30, Fax 043 322 60 31   und damit um einen besonders attrakti-       die Mahnung nicht aus den Augen ver-
forum@c-media.ch, www.c-media.ch
                                                         ven Teil des Geschenks gebracht werden.      lieren, die dieses Wort enthält. Denn
Druck                                                                                                 was überrasch auftaucht, das erregt
AVD Goldach AG, 9403 Goldach, www.avd.ch
Pfarreiseiten: Text&Gestaltung jeweiliges Pfarramt       Dass wir dabei in erwartungsvolle Ge-        nicht bloss Aufsehen, das ist nicht nur
                                                         sichter blicken, die von uns spontane        prickelnd, begeisternd, animierend, es
64. Jahrgang, erscheint 14-täglich, ISSN 1420-2212
                                                         Freudensprünge erwarten, macht die           verlangt von uns Beweglichkeits-
                                                         Sache nicht leichter. Für uns erfüllt sich   übungen.
                                                         «Überraschung» dann ganz wörtlich:               Überraschungen bringen uns mit
                                                         Sie kommt überrasch, viel zu schnell.        ihrem Tempo aus dem Takt. Wir geraten
                                                         Nicht nur die bösen Überraschungen,          durch sie – manchmal nahezu unmerk-
                                                         auch die frohen und die gut gemeinten        lich – ins Stolpern. Überraschungen
                                                         überfordern uns häufig.                      hemmen den Fluss. Nicht durch Stau,
                                                                                                      sondern durch Flut.
                                                         Dennoch gelten Überraschungen als
                                                         unverzichtbare Würze unseres Lebens.         Überraschungen verlangen von uns
                                                         Wer will tagaus und tagein, jahraus und      also nicht nur den beweglichen Blitz-
                                                         jahrein, von der Wiege bis zur Bahre         start, sie zwingen uns auch zum ord-
                                                         immer genau wissen, was ihn erwartet.        nenden Innehalten. Wir müssen uns
                                                         Überraschungen machen das Leben              neu sortieren und den Takt wiederfin-
                                                         spannend und lebendig. Wenn uns              den. Überraschungen sind so etwas wie
                                                         nichts mehr überraschen kann, sind           ein Zeitkonzentrat. Mit ihnen leben wir
                                                         wir tot. Und wie lebendig begraben           für einen Augenblick bei der Zeit auf
                                                         fühlen wir uns tatsächlich, wenn die         Pump. Das ist aufregend und kann uns
                                                         Zukunft bereits in der Gegenwart fest-       Schub verleihen. Aber den Zeitkredit,
                                                         geschrieben erscheint.                       den müssen wir zurückzahlen. Und
                                                                                                      wenn wir das tun, wenn wir der Über-
                                                         Aber selbst wenn wir auf so manche           raschung im Nachgang ihre Zeit lassen,
                                                         Überraschungen gerne verzichten wür-         dann werden wir manchmal mit Nach-
                                                         den, haben wir das Heft nicht in der         freude für die entgangene Vorfreude
                                                         Hand, denn wir wissen weder Zeit noch        entschädigt.
                                                         Stunde, wie es in der Bibel heisst. Ob                                       Thomas Binotto
                                                         wir nun Lust darauf verspüren oder
                                                         nicht: Wir sind zur Beweglichkeit ge-        überraschen
                                                         zwungen, um auf Überraschungen               zu rasch, ursprünglich = plötzlich über
                                                         flink und biegsam reagieren zu können.       jemanden herfallen, (im Krieg) überfallen

                                                                                                                                forum 1 2019    32
Sie können auch lesen